Zusammenfassung
Humberto R. Maturanas „Biology of Cognition“ wurde als universitärer Forschungsbericht (BCL Report No. 9.0) mit dem aufgedruckten Datum 1. November 1970 veröffentlicht. Der konkrete Anlass für die Entstehung dieses Textes war ein Symposion der Wenner-Gren Foundation for Anthropological Research zum Thema „Cognitive Studies and Artificial Intelligence Research“ vom 2.–8. März 1969 in Chicago. Maturana (*1928), seit einiger Zeit Heinz von Foerster (1911–2002) freundschaftlich verbunden, hielt sich 1968–1969 als „Visiting Miller Professor“ an der University of Illinois auf und folgte der Einladung – wie auch Heinz von Foerster –, in der Sektion „Cognition and the Organism“ dieses Symposions einen Vortrag zu halten. Maturana berichtet:
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
BCL steht für „Biological Computer Laboratory“, eine einzigartige „metadisziplinäre“ Einrichtung des „Department of Electrical Engineering“ der University of Illinois, Urbana, IL (USA) gegründet 1958 von Heinz von Foerster, Professor daselbst, geschlossen mit dessen Ausscheiden 1976.
- 2.
Heinz von Foerster war ebenso wie Humberto R. Maturana seit Jahren aktiv in der Erforschung der „Neurophysiologie des rätselhaften Beobachters“ engagiert, auch im Zusammenhang mit den Theorien komplexer, „teleologischer“ bzw. selbst-organisierender Systeme.
- 3.
Auch weitere wichtige Arbeiten Maturanas und seines begabtesten Studenten und späteren Kollegen Francisco J. Varela wurden erst als BCL-Berichte gedruckt (und in die BCL-Sammeledition – Wilson 1976 – aufgenommen), z. B. die große Abhandlung „Autopoietische Systeme“. Die genauen bibliografischen Angaben finden sich in Maturana (1982).
- 4.
Von Lettvin stammen Begriffe wie „Merkmalsdetektor“ und „Großmutterzelle“, die lange Zeit die neurophysiologische Forschung dominieren sollten, weil sie mithilfe der verfügbaren technischen Instrumentarien für Nervenzellableitungen im Labor in den aktiven Hirnen von Versuchstieren „gesucht“ werden konnten.
- 5.
- 6.
Ein gut verständliches Beispiel für eine experimentelle Analyse des Phänomens der Größenkonstanz anhand der bekannten Ponzo-Illusion findet sich in Maturana (1982, S. 81–87).
- 7.
Spätere Arbeiten sind zwar eindrucksvoll in ihrer systematischen Zirkularität, terminologisch präziser und konsistenter und in einzelnen Aspekten detaillierter ausgearbeitet, aber auch verkompliziert worden (vgl. Maturana 1998).
- 8.
Die relevanten Arbeiten finden sich in den beiden deutschen Sammelbänden mit Arbeiten Maturanas (1982, 1998).
- 9.
Viele Konstruktivismen in geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereichen haben sich im Anschluss an Maturana ergeben, sind aber auch eigenständig aus externen und internen Erfahrungen erwachsen: z. B. aus der Unzulänglichkeit computerorientierter Input-Output-Modelle oder aus der Beschränktheit behavioristischer oder formalistischer Modelle. Ein besonders aufschlussreiches Beispiel ist die Entwicklung der alternativ-sozialwissenschaftlichen Ethnomethodologie, die sowohl für die empirische Sozialforschung wie auch die linguistische Pragmatik zu einer hoch interessanten „Konversationsanalyse“ geführt hat, in der autonome Subjekte in Prozessen der Konstruktion einer so genannten „Architektur der Intersubjektivität“ beobachtet werden.
Literatur
Benseler, Frank/Peter M. Hejl/Wolfram K. Köck (Hrsg.) (1980): Autopoiesis, Communication, and Society. The Theory of Autopoietic Systems in the Social Sciences. Frankfurt am Main/New York: Campus.
Foerster, Heinz von (1985): Sicht und Einsicht. Versuche zu einer operativen Erkenntnistheorie. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg.
Garvin, Paul L. (Hrsg.) (1970): Cognition. A Multiple View. New York/Washington: Spartan.
Glasersfeld, Ernst von (1987): Wissen, Sprache und Wirklichkeit. Arbeiten zum Radikalen Konstruktivismus. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg.
Hejl, Peter M./Wolfram K. Köck/Gerhard Roth (Hrsg.) (1978): Wahrnehmung und Kommunikation. Frankfurt am Main [u. a.]: Peter Lang.
Krohn, Wolfgang/Günter Küppers (Hrsg.) (1990): Selbstorganisation. Aspekte einer wissenschaftlichen Revolution. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg.
Lettvin, Jerome Y./Humberto R. Maturana/Warren S. McCulloch/Walter H. Pitts (1959): What the Frog’s Eye Tells the Frog’s Brain. In: Proceedings of the IRE. 47. Jg. H. 11. S. 1940–1951.
Maturana, Humberto R. (1970): Neurophysiology of Cognition. In: Paul L. Garvin (Hrsg.): Cognition: A Multiple View. New York/Washington: Spartan. S. 3–23.
Maturana, Humberto R. (1974): Biologie der Kognition. Übers. Wolfram K. Köck/Peter M. Hejl/Gerhard Roth. Paderborner Arbeitspapiere des Instituts für Wissenschafts- und Planungstheorie im Forschungs- und Entwicklungszentrum für objektivierte Lehr- und Lernverfahren (FEoLL).
Maturana, Humberto R. (1982): Erkennen. Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit. Ausgewählte Arbeiten zur biologischen Epistemologie. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg.
Maturana, Humberto R. (1998): Biologie der Realität. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Maturana, Humberto R. (2002): Autopoiesis, Structural Coupling and Cognition. A History of These and Other Notions in the Biology of Cognition. In: Cybernetics and Human Knowing. 9. Jg. H. 3–4. S. 5–34.
Maturana, Humberto R./Bernhard Pörksen (2002): Vom Sein zum Tun. Die Ursprünge der Biologie des Erkennens. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme.
Maturana, Humberto R./Francisco J. Varela (1979): Autopoiesis and Cognition. The Realization of the Living. Boston: D. Reidel.
Maturana, Humberto R./Gabriela Uribe/Samy G. Frenk (1968): A Biological Theory of Relativistic Colour Coding in the Primate Retina. In: Archivos de biologia y medicina experimentales. Supöemento no.1. Santiago: Universidad de Chile.
Paslack, Rainer (1991): Urgeschichte der Selbstorganisation. Zur Archäologie eines wissenschaftlichen Paradigmas. Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg.
Riegas, Volker/Christian Vetter (Hrsg.) (1990): Zur Biologie der Kognition. Ein Gespräch mit Humberto R. Maturana und Beiträge zur Diskussion seines Werkes. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Roth, Gerhard/Helmut Schwegler (Hrsg.) (1981): Self-Organizing Systems. An Interdisciplinary Approach. Frankfurt am Main/New York: Campus.
Schmidt, Siegfried J. (Hrsg.) (1987): Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Thompson, Evan (2002): Nachruf auf Francisco J. Varela (1946–2001). In: Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung. 20 Jg. H. 1. S. 61–64.
Varela, Francisco J. (1990): Kognitionswissenschaft – Kognitionstechnik. Eine Skizze aktueller Perspektiven. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Wilson, Kenneth L. (Hrsg.) (1976): The Collected Works of the Biological Computer Laboratory 1957–1976. Department of Electrical Engineering, University of Illinois, Urbana. Peoria, IL: Illinois Blueprint Corporation. (146 Mikrofiches).
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2015 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Köck, W. (2015). Neurosophie. In: Pörksen, B. (eds) Schlüsselwerke des Konstruktivismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19975-7_12
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-19975-7_12
Published:
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-19974-0
Online ISBN: 978-3-531-19975-7
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)