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Methoden und Daten zur Erforschung spezieller Organisationen: Organisationen der Sozialversicherung

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Handbuch Empirische Organisationsforschung

Part of the book series: Springer Reference Wirtschaft

  • 203 Accesses

Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über Forschungsstrategien und Herausforderungen bei der organisationssoziologischen Analyse von Sozialversicherungsorganisationen. Im Anschluss an die Einleitung wird zunächst eine kurze Einführung in die Merkmale von Sozialversicherungsorganisationen gegeben: Inwieweit können sie als ein eigenständiger Organisationstyp verstanden werden? Im daran anschließenden Hauptteil werden die typischen Forschungsdesigns, Fragen des Feldzugangs, Erhebungsdesigns und Fragen der Sekundärdatennutzung besprochen.

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Notes

  1. 1.

    Auf eine Überblicksdarstellung der einzelnen Zweige wird hier verzichtet. Fundierte Gesamtdarstellungen bieten Lampert und Althammer 2007 und Bäcker et al. 2010; speziell zur Rentenversicherung: Eichenhofer et al. 2011, zur Arbeitslosenversicherung: Bothfeld et al. 2009, zur Kranken- und Pflegeversicherung: Lauterbach 2013.

  2. 2.

    Ein Beispiel hierfür ist die Untersuchung der Beratungskonzeption der Bundesagentur für Arbeit. Nahezu zeitgleich fand sie in Arbeitsagenturen statt, wo sie zum Untersuchungszeitpunkt schon seit mehreren Jahren eingeführt war, sowie in Jobcentern, wo sie an zwei Standorten erprobt wurde. Obwohl sich die Methoden und die Anlage der Untersuchung nicht sehr stark unterschieden (in beiden Untersuchungen wurde das Beratungshandeln beobachtet, und es wurden die zugrunde liegenden Dokumente analysiert), war doch die Fragestellung (und die Chancen, sie einigermaßen abschließend zu beantworten) verschieden; (siehe SOFI et al. 2012, 2013).

  3. 3.

    Ein Beispiel für eine Maßnahme, von der alle Personen einer bestimmten Gruppe erfasst sind, sind Veränderungen in der maximalen Bezugsdauer von Arbeitslosengeld. Ein Beispiel für eine Maßnahme, die freiwillig gewählt und nicht zufällig verteilt wird, sind Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Teilhabe (Rehabilitationsmaßnahmen). Bei einer Reihe von typischen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wird hingegen eine quasi-zufällige Zuweisung unterstellt, so bei Weiterbildungsmaßnahmen oder den Arbeitsgelegenheiten. In jeder Evaluation ist der Zuweisungsmechanismus sorgfältig zu diskutieren. Siehe auch die folgende Fußnote.

  4. 4.

    Weitere Probleme hängen mit der jeweils gewählten Methode zusammen. Der in der letzten Zeit gültige „Goldstandard“, das quasi-experimentelle Matchingverfahren, hat beispielsweise das Problem, dass das Ergebnis der zu untersuchenden Ursache (outcome) unabhängig von der Zuweisung in eine Maßnahme sein muss, da sonst das Ergebnis nicht der Maßnahme zugeschrieben werden kann. Dies ist jedoch keineswegs immer plausibel: Beispielsweise ist es möglich, dass erwerbsorientierte arbeitslose Menschen sich um Weiterbildungsteilnahme bemühen und im Anschluss an eine Weiterbildung wegen ihrer Erwerbsorientierung (und nicht wegen der Weiterbildung) eine Beschäftigung finden.

  5. 5.

    Ausnahmen stellen lediglich Sekundäranalysen einschließlich Dokumenten- und Literaturanalysen dar, deren Einordnung als „empirisches Forschungsdesign“ bezweifelt werden kann, sowie Formen verdeckter Datenerhebung, welche allerdings eher journalistisch (und kriminalistisch) als wissenschaftlich verwertet werden können.

  6. 6.

    Forschungen im Zusammenhang mit Lehrforschungsprojekten, wie sie regelmäßig an Hochschulen praktiziert werden, bei denen es eher um das Einüben von Forschung geht und die von vornherein auf einen kleineren Rahmen zielen, dürften nicht auf derart hohe Hürden stoßen.

  7. 7.

    Das arbeitsrechtlich geltende Direktionsrecht des Arbeitgebers kann zum forschungsethischen und forschungsmethodischen Gebot der Freiwilligkeit in Widerspruch geraten.

  8. 8.

    Ob diese Unterstützung von Forschungsvorhabens auch Folge der Akademisierung der Beschäftigten in Sozialversicherungsorganisationen und möglicherweise auch einem steigenden Anteil von Personen in Leitungsaufgaben mit sozialwissenschaftlicher Ausbildung (oder Ausbildungsbestandteilen) ist, wäre Gegenstand eines eigenen Forschungsprojektes.

  9. 9.

    Dies gilt für Organisationssurveys oder Kundenbefragungen. Es gilt nicht für Daten über Versicherte. In diesem Feld, der Aufbereitung von Daten für Forschungszwecke über Personen, die bei den Sozialversicherungen erfasst sind, hat sich die Situation in den letzten ca. 15 Jahren für die Forschung ganz erheblich verbessert. Gerade die Bundesagentur für Arbeit und die Rentenversicherung, zunehmend auch Krankenkassen, investieren erhebliche Mittel, um Daten über Versicherte für Forschungszwecke aufzubereiten. Diese Forschungsdaten sind eine reichhaltige Quelle, um den Einfluss von Sozialpolitik auf Lebensverläufe nachzuzeichnen.

  10. 10.

    So wurde in einem großen Forschungsauftrag evaluiert, welche der unterschiedlichen Organisationsformen im SGB II („Hartz IV“) die beste sei und warum. Es wurden Jobcenter als kooperative Formen von Arbeitsagenturen und Kommunen einerseits mit Trägern verglichen, die vollständig in kommunaler Zuständigkeit liegen, also ohne Beteiligung der Arbeitsagenturen. Da beide Organisationsformen strukturell unterschiedlich verteilt waren (es gibt mehr Träger in kommunaler Alleinzuständigkeit in ländlichen Regionen und keinen in den Millionenstädten Berlin, Hamburg, München und Köln, wo es wiederum relativ viele Hartz-IV-Beziehende gibt), wurde die Stichprobe so gezogen, dass beide Organisationstypen gut verglichen werden konnten. In der Folge handelte es sich nicht um eine repräsentative Stichprobe von Organisationen (Jobcentern). Auch die Auswertungen der Jobcenter-Befragungen wurden stets differenziert nach Organisationsform dargestellt. Damit ist es in einer Re-Analyse beispielsweise nicht möglich, aus dieser Analyse die durchschnittlichen Arbeitsbelastungen von Arbeitsvermittlern zu rekonstruieren; sie lassen sich nur bezogen auf die jeweilige Organisationsform ermitteln. Dies beeinträchtigt erheblich die Vergleichbarkeit mit anderen Untersuchungen, in denen die Organisationsform keine dominante Rolle mehr spielt.

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Brussig, M. (2016). Methoden und Daten zur Erforschung spezieller Organisationen: Organisationen der Sozialversicherung. In: Liebig, S., Matiaske, W., Rosenbohm, S. (eds) Handbuch Empirische Organisationsforschung. Springer Reference Wirtschaft . Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-08580-3_32-1

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