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Die Ontologie der „Mittleren“ Periode

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Die Ontologie Franz Brentanos

Part of the book series: Phaenomenologica ((PHAE,volume 172))

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Zusammenfassung

Gehen wir jetzt zur „mittleren“ Phase der Philosophie Brentanos über, die sich ungefähr von der Psychologie vom empirischen Standpunkt (1874) bis ca. 1904 erstreckt. In dieser Periode beschäftigte sich Brentano in erster Linie mit deskriptivpsychologischen Fragen. In seiner Psychologie macht er die intentionale Inexistenz des Objekts zu seinem berühmten Kriterium zur Abgrenzung des Gebiets der Psychologie. Die psychischen Phänomene seien diejenigen, „welche intentional einen Gegenstand in sich enthalten.“ (Brentano 1874/1924, S. 125) In dieser Schrift wird diese merkwürdige Seinsweise von Brentano noch verhältnismäßig ontologisch neutral verstanden — allem Anschein nach vorwiegend nach dem ontologisch unverbindlichen Modell der objektiven Existenz. Im Laufe der Zeit schiebt sich das immanente Objekt jedoch immer mehr ins Zentrum der deskriptiv-psychologischen Analysen. Brentano wurde immer klarer, daß die Rede von einer bloß objektiven Seinsweise nicht länger als eine Suspendierung der ontologischen Verpflichtungen verstanden werden kann. Die Kategorie des immanenten Objekts wurde allmählich zu wichtig, um weiter auf diese Weise verharmlost werden zu können. In den Vorlesungen um 1890 wird dem immanenten Objekt explizit ontologisch Rechnung getragen.

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Literatur

  1. Es ist aber nicht unsere These, daß diese Klagen die ganze Wahrheit über die Philosophie Husserls oder Meinongs enthalten. Zum ersten hat Brentano in seiner mittleren Periode eine Ontologie der intentionalen Beziehung entwickelt. Was hingegen die beiden erwähnten Philosophen betrifft, so ist es höchst unklar, ob Husserls transzendentale Phänomenologie oder Meinongs Gegenstandstheorie überhaupt als Ontologien zu deuten sind. Zum zweiten kann man bei Husserl schon sehr früh Versuche der Eliminierung von intentionalen Gegenständen finden. Vgl. Husserl 1894, S. 317, 332 ff, 336 ff. Vgl. dazu auch Küng 1973, S. 674 und Rollinger 1999. Zum dritten hat die Ontologie der idealen Bedeutungsspezies, die Husserl in den Logischen Untersuchungen entwickelte, in der Tat sehr wenig mit der Brentanoschen Philosophie zu tun und sie wurde laut Husserl eher durch die Schriften Bolzanos inspiriert. Vgl. Husserl 1994, Bd. I, S. 29, 39.

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  2. Die kontraintuitiven Aspekte dieser Auffassung bestehen darin, daß es unklar ist, wie in ihrem Rahmen die unzutreffenden intentionalen Beziehungen überhaupt möglich sind. Da es uns hier in erster Linie um die Ontologie der intentionalen Beziehung geht, die der mittlere Brentano entwickelte, lassen wir die Frage, ob seine mittlere Intentionalitätstheorie wirklich überzeugend funktioniert, beiseite. Die Lösung kann eventuell in Brentanos Urteilstheorie gesucht werden. Vgl. dazu Chrudzimski 2001a, S. 26 f., 80-83.

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  3. „Nochmals also Was bezeichnen die Namen? Der Name bezeichnet i in gewisser Weise den Inhalt einer Vorstellung als solchejn, den immanenten Gegenstand; ii in gewisser Weise das, was durch Inhalt einer Vorstellung vorgestellt wird. Das Erste ist die Bedeutung des Namens. Das Zweite ist das, was der Name nennt. Von dem sagen wir, es komme der Name ihm zu. Es ist das, was, wenn es existiert, äußerer Gegenstand der Vorstellung ist. Man nennt unter Vermittlung der Bedeutung. Die alten Logiker sprachen deswegen von einer dreifachen Supposition der Namen 1 suppositio materialis vide oben; 2 suppositio simplex Bedeutung Mensch ist eine Spezies, d.i. die Bedeutung des Wortes Mensch ist eine Spezies, d.i. der Inhalt der Vorstellung eines Menschen ist eine Spezies; [3] suppositio realis: das Genannte: Ein Mensch ist lebendig, ist gelehrt etc.”, Brentano EL 80, S. 34 f. Dieselbe semantische Theorie vertrat Brentano, wie es scheint, bereits in der Vorlesung Alte und neue Logik aus dem Jahre 1877. Zu dieser Vorlesung gibt es eine Mitschrift, in der wir lesen: „Man kann dreifaches unterscheiden: etwas, was der Name kund gibt, was er bedeutet, und was er nennt. Spricht jemand einen Namen aus, so gibt er kund, daß er ein gewisses Vorstellen habe, es bedeutet aber der Name den Inhalt einer Vorstellung als solchen. Und es nennt der Name das, was durch den Inhalt einer Vorstellung vorgestellt wird; davon sagen wir, es kommt ihm der Name zu; man nennt den Gegenstand unter Vermittlung der Bedeutung; der Inhalt der Vorstellung vermittelt den Gegenstand. ’Sokrates’ ist der Genannte auch wenn er nicht ist. Die Bedeutung liegt im Inhalt der Vorstellung und diese wird kund gegeben dadurch, daß ich den Namen ausspreche.”, Brentano EL 108*, S. 21. Für den Hinweis auf diese Stelle der Logik-Vorlesung 1877 danke ich Johann C. Marek (Graz).

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  4. Eine interessante Interpretation der Brentanoschen Lehre vom immanenten Objekt kann man in Brandi 200* finden. Brandi unterscheidet eine „naive” und eine „raffinierte” (sophisticated) Version der Immanenzlehre. Die „naive” Version ist im Grunde eine Objekt-Theorie, in der das immanente Objekt als Referenzentität fungiert. Die „raffinierte” Version ist eine Mediator-Theorie. Sie involviert sowohl ein immanentes Objekt, als auch eine Fähigkeit des Subjekts, sich auf eine transzendente Entität zu beziehen.

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  5. Münch (1986, 1993, S. 50-55), Antonelli (2000, 2001, S. 394 f., 407), Sauer (2000) und Smith (1994, S. 35-41) scheinen indessen die Brentanoschen Verweise auf Aristoteles viel zu ernst zu nehmen.

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  6. Das Prinzip der Substituierbarkeit geht auf Leibniz zurück. Vgl. „Daß aber A dem B gegenüber dasselbe ist, bedeutet, daß in jeder beliebigen Aussage das eine für das andere unbeschadet der Wahrheit substituiert werden kann.”, Leibniz 1686b, S. 21.

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  7. Genauer besprechen wir dieses Problem in Chrudzimski 2001a, S. 218-220.

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  8. Vgl. „Dagegen, daß die Gegenstände [durch die Namen] bezeichnet [werden], wurde gesagt: 1. Es fehle oft ein Gegenstand: also würden die Namen nichts bedeuten. Antwort: 1 ’ sie bezeichnen wohl die Gegenstände, aber bedeuten sie nicht, sondern nennen sie. Das Wort ist also nicht ohne Bedeutung. 2’ Es darf nicht verwechselt werden, nichts bezeichnen (nennen) und etwas bezeichnen (nennen), was nicht ist (wie ja auch wünschen, hoffen).”, Brentano EL 80, S. 35.

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  9. Vgl. „Wie die Namen haben sie [die Aussagen] eine doppelte Beziehung: a) auf den Inhalt eines psychischen Phänomens als solchen; b) auf etwaige äußere Gegenstände. Der erste ist die Bedeutung. Das betreffende Phänomen ist aber in diesem Fall keine Vorstellung, sondern ein Urteil. Das Geurteilte als solches ist die Bedeutung. Ähnlich bei der Bitte: das Gewünschte als Gewünschtes ist die Bedeutung. Infolge davon, daß das, was die Beziehung zu etwaigem Gegenstand vermittelt, eine andere Art von Phänomen ist, ist die Bezeichnung derselben eine andere, kein Nennen, sondern ein Anzeigen. Das Angezeigte ist das, was anerkannt oder verworfen wird. Wir können es andeuten oder abdeuten nennen (für dieses Letzte sagen wir ein das Nichtsein Andeuten). Obwohl das von der Aussage bezeichnete Objekt dasselbe wie das benannte [ist], so bezeichnen Aussagen und Namen darum doch nicht dasselbe.”, Brentano EL 80, S. 36. Auch Stumpf berichtet über die Lehre von den propositionalen Korrelaten der Urteile, die Brentano um 1880 vertreten haben soll. Vgl. Stumpf 1907, S. 29. Über die immanenten und transzendenten pro positionalen Entitäten vgl. auch Morscher 1990.

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  10. Zu diesen Philosophen gehören vor allem Anton Marty und Alexius Meinong. Vgl. Marty 1908, Meinong 1910 und Meinong 1917.

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  11. Vgl. dazu Chrudzimski 2001a, Kap. 2. Wir zeigen dort, daß die tieferen Gründe dieser Deutung des Wahrheitsbegriffs in Brentanos Begriffsempirismus liegen.

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  12. Man sollte natürlich noch präzisieren, ob das betreffende Objekt nur als ein Mittel (um eines anderen willen) oder als ein Zweck (um seiner selbst willen) richtig geliebt bzw. gehaßt werden kann. Im ersten Fall besitzt es nur einen relativen (instrumentellen) Wert bzw. Gegenwert. Vgl. Brentano 1889/1955, S. 19.

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  13. Laut Kraus hat Brentano die Unterscheidung zwischen der genetischen und der deskriptiven Psychologie erst um 1887 eingeführt. Vgl. dazu Kraus 1924, XVII ff. Baumgartner zitiert indessen einen Brief Brentanos an Marty vom 24. März 1885, in dem Brentano von einem Teil der Psychologie spricht, den er als „mikroskopische Anatomie des Seelenlebens” bezeichnet, die „die letzten Elemente, aus denen unsere Seelenerschein[un]gen sich zusammensetzen, klar legt”. Vgl. Baumgartner 1996, S. 26. (Diese Fußnote wurde von Chrudzimski 2001a, S. 19 übernommen.)

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  14. Vgl. „Eine notwendige Materie ist eine anzuerkennende Materie, bei welcher der Grund, weshalb sie anzuerkennen ist, in der Vorstellung selbst liegt. […] Eine unmögliche Materie ist eine zu verwerfende Materie, bei welcher der Grund, weshalb sie zu verwerfen ist, in der Vorstellung selbst liegt.”, Brentano EL 80, S. 95. „Auch das apodiktische Urteil ist also ein assertorisches, nur ein solches, zu welchem eine besondere Bestimmung hinzukommt, nämlich daß mit ihm ein zweites darauf bezügliches Urteil verbunden ist, welches von ihm sagt, daß es a priori einleuchtet, also sein Motiv ausspricht.”, ibid., S. 165.

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  15. Brentano glaubte, daß die einzigen apodiktischen Urteile, die für uns evident sein können, negativ sind. Er schließt jedoch nicht aus, daß es auch ein positives apodiktisches Wissen gibt, das für ein Wesen mit den höheren intellektuellen Fähigkeiten zugänglich wäre. Wenn wir z.B. einen präzisen Begriff Gottes hätten, dann könnten wir eine Version des ontologischen Beweises richtig durchführen. Der Satz „Gott existiert” würde uns dann aus den bloßen Begriffen einleuchten und wir hätten davon ein positives apodiktisches Wissen. Vgl. dazu Brentano 1929/1980, S. 48-52, 58.

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  16. Vgl. „In der Tat ist das bisher […] Gesagte noch dahin zu ergänzen, daß alle als richtig charakteri-sierten Akte des Liebens und Bevorzugens […] allgemein, d.h. auf begrifflich gedachte Objekte gerichtet sind. Indem wir z.B. Erkenntnis im Allgemeinen oder, was dasselbe sagt, indem wir den allgemeinen Begriff der Erkenntnis denken und dieser Begriff der Gemütstätigkeit zugrunde liegt, erweist sich diese als ein Analogon nicht der assertorischen, sondern der apodiktischen Erkenntnis. So wie die Axiome durch das Denken allgemeiner Begriffe motiviert sind, aus den Begriffen (ex terminis) einleuchten, so entspringen auch die als richtig charakterisierten Akte des Interesses unmittelbar aus den Begriffen. Indem wir einen solchen Akt als einer richtig charakterisierten Liebe in uns wahrnehmen, wird uns darum mit einem Schlage, ohne Induktion besonderer Fälle, die Güte der ganzen betreffenden Klasse klar.”, Brentano 1952, S. 150. Vgl. auch Chisholm 1986, S. 51.

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  17. Zur Geschichte der Brentanoschen Theorie des Zeitbewußtseins vgl. Chrudzimski 1998/1999. Wir werden sie im letzten Kapitel noch genauer besprechen.

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  18. Besser wäre vielleicht zu sagen, daß die unwesenhaften Entitäten (wie z.B. Eigenschaften) in das kausale Netz nur durch ihre substantialen Träger integriert sind. (Denn die Behauptung, daß die Eigenschaften, die in der Welt vorkommen, keinen Einfluß auf die kausale Geschichte der Welt haben, klingt ja sehr kontraintuitiv.) Brentano formuliert es aber nicht in dieser Weise. Er behauptet einfach, daß die irrealen Entitäten (darunter auch Eigenschaften) kausal nicht wirksam sind.

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  19. Vgl. dazu auch die Fußnote Kraus’ in Brentano 1930, S. 186 f.

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  20. Diese Bemerkung legt eine realistische Interpretation nahe. Schwärze wäre danach ein Universale, das durch ein Individuum instantiiert wird (und somit „die Individuation empfängt”). Aber auch ein „Zusammenschmelzen” von Verschiedenen individuellen Eigenschaften kann als in diesem Sinne individuierend betrachtet werden. In einer individuellen Eigenschaft gibt es nämlich, solange sie getrennt von ihrem Subjekt (d.h. von den anderen individuellen Eigenschaften, mit denen sie „zusammengeschmolzen” ist) betrachtet wird, nichts, was implizieren würde, zu welchem Individuum die Eigenschaft gehört; und was noch wichtiger ist: solche isolierten individuellen Eigenschaften sind von einander absolut ununterscheidbar. In dieser Hinsicht ähneln die individuellen Eigenschaften tatsächlich den Universalien und in diesem Sinne kann man vielleicht ihre Verschmelzung mit anderen individuellen Eigenschaften als Individuierung betrachten. Das gilt besonders für Brentano, der das Prinzip der Identität von Ununterscheidbarem vorbehaltlos akzeptierte. Dieser Sinn von Individuation ist allerdings nicht der Sinn, den wir dem Wort „individuell” im ersten Kapitel gegeben haben.

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  21. Meine Hervorhebungen.

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  22. Meine Hervorhebungen.

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  23. Dieser Vergleich erinnert an die folgende Stelle aus der Summa theologica: „Auf das Erste ist also zu sagen, daß man auf doppelte Weise abstrahieren kann. Einmal in Weise der Verbindung und Trennung, wie wenn wir denken, daß etwas nicht in einem anderen ist oder von ihm getrennt ist. Dann in Weise einfacher und absoluter Betrachtung, wie wenn wir das eine denken, ohne auf das andere zu achten. Wenn man nun mit dem Verstände das abstrahiert oder voneinander trennt, was in Wirklichkeit nicht abstrahiert oder voneinander getrennt ist, so geschieht das nicht, ohne daß man falsch denkt. Wenn man aber auf die zweite Weise mit dem Verstände abstrahiert, was nicht wirklich abstrahiert ist, so denkt man nicht falsch […].”, Summa theologica, I, q. 85, a. 1 (in: Thomas von Aquin 1977, S. 34.)

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  24. Diese Theorie wurde möglicherweise von den Schriften John Stuart Mills inspiriert. Vgl. „The formation […] of a Concept, does not consist in separating the attributes which are said to compose it, from all other attributes of the same object, and enabling us to conceive those attributes, disjoined from any others. We neither conceive them, nor think them, nor cognise them in any way, as a thing apart, but solely as forming, in combination with numerous other attributes, the idea of an individual object. But, though thinking them only as part of a larger agglomeration, we have the power of fixing our attention on them, to the neglect of the other attributes with which we think them combined. […] General concepts, therefore, we have, properly speaking, none; we have only complex ideas of objects in the concrete: but we are able to attend exclusively to certain parts of the concrete idea: and by that exclusive attention, we enable those parts to determine exclusively the course of our thoughts […] exactly as if we were able to conceive them separately from the rest.”, Mill 1865, S. 309 f.

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  25. Außer dem letzten Lebensjahr, in dem er die Qualitäten als Akzidentien von räumlichen Positionen betrachtet.

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  26. Die Bündel-Theorie der konkreten Individuen ist die dominante Position unter den Vertreter der Tropenontologie. Nach dieser Auffassung ist ein konkretes Individuum einfach eine Klasse von kompräsenten Tropen. (Vgl. z.B. Williams 1953.) Im Rahmen dieser Auffassung ist es jedoch sehr schwierig, die traditionelle Unterscheidung zwischen den wesentlichen und akzidentellen Eigenschaften in den Griff zu bekommen. Alle Eigenschaften scheinen zwangsläufig zu wesentlichen Eigenschaften zu werden. Deswegen behaupten einige Tropentheoretiker, daß man auch im Rahmen der Tropentheorie zur Konzeption eines Trägers von Eigenschaften zurückkehren muß. (Vgl. Martin 1980) Einen anderen Weg schlägt Simons vor. Er postuliert keinen Träger von Tropen, unterscheidet hingegen in einem konkreten Individuum einerseits einen wesentlichen Kern, andererseits eine akzidentelle Peripherie. Der Unterschied liegt in den Fundierungsverhältnissen zwischen den betreffenden Tropen. Die wesentlichen Tropen stehen zueinander in einem starken, doppelseitigen Fundierungsverhältnis, während die Fundie-rungsverhältnisse zwischen dem wesentlichen Kern und der akzidentalen Peripherie viel lockerer sind. Vgl. dazu Simons 1994.

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  27. Vgl. „Mit Umwandlung entsteht z.B. ein neuer Körper durch Orts-oder Qualitätsänderung, während der alte vergeht. Ohne Umwandlung entsteht, wie schon Aristoteles erkannte, jeder psychische Akt sensitiven wie intellektiven Charakters, z.B. eines Sehenden als solches.”, Brentano 1993, S. 35. Die Schwierigkeiten der Auffassung Brentanos, welche die räumlichen Charakteristika als essentielle Bestimmungen interpretiert, besprechen Galewicz 1992/93, Zelaniec 1995/96 und Zelaniec 1997.

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  28. Brentano geht es hier offensichtlich um das Argument, das von der Kontinuität zum Kausalitätsprinzip führt, das wir im dritten Kapitel kennengelernt haben.

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  29. Es ist nicht klar, ob hier Brentano „andere solche realen Relationen” meint. Denn die Kausalverhältnisse werden leider in der Logik-Vorlesung EL 72 letztlich nicht untersucht.

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  30. Die Worte „zu verzichten haben” wurden von Brentano später hinzugefügt. Und in der Tat, die Kausalverhältnisse werden in der Logik-Vorlesung EL 72 nicht näher besprochen. Es ist also nicht klar, ob er sie auch als reale Relationen betrachten wollte.

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  31. In der Logik-Vorlesung 1884/85 definiert Brentano das Kontinuum folgendermaßen „Ein wahrer Begriff des Kontinuums ist hienach dieser Ein Kontinuum ist eine unendliche Menge von Individuen, die der untersten Gattung resp. Quasigattung) nach übereinstimmend, spezifische Unterschiede zeigt; aber so, daß in ihr jeder spezifische Abstand eines Individuums vom anderen vollkommen und mit individueller Einheit der Bindeglieder vermittelt wird.

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  32. Eine andere Frage ist, ob sich kausale Relationen auf nicht-kausale Bestimmungen reduzieren lassen. Tooley (1987, S. 244-247) vertritt die Auffassung, daß die kausalen Relationen als unreduzierbar auf die nicht-kausalen Bestimmungen angesehen werden sollen. Er nennt dies die „realistische” Auffassung von Kausalität. Ducasse (1968, S. 3-4) und Ehring (1997) behaupten hingegen, daß der Kausalbegriff reduzierbar ist. Vgl. „Causal realists reject causal reductionism because reductionism entails that the causal supervenes on the noncausal and causal realists reject supervenience. Causal realists claim that there are examples in which different possible causal facts are associated with noncausally indistinguishable worlds.”, Ehring 1997, S. 62.

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  33. Das ähnelt übrigens der Weise, in der Meinong von den realen Relationen spricht. (Vgl. Meinong 1882, S. 142; Meinong 1899, S. 395; Findlay 1963, S. 96.) Nach Meinong heißen „real” diejenigen Relationen, die Komplexe produzieren, die auf eine bloße Kollektion ihrer Elemente nicht reduzierbar sind, und zwar im Gegensatz zu den Relationen, die Meinong ideale Relationen nennt (wie z.B. Ähnlichkeit). Die idealen Relationen produzieren keine neuen Komplexe und bestehen mit Notwendigkeit, immer wenn ihre Glieder bestehen.

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  34. Zum epistemischen Charakter der inneren Wahrnehmung vgl. Chrudzimski 2001a, S. 101-104.

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  35. Was eine deskriptive Psychologie von einer phänomenologischen Beschreibung unterscheidet, kann man am einfachsten anhand von Husserls Idee der Phänomenologie (Husserl 1907) verstehen.

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  36. Stumpf (1873, S. 109) nennt solche bloß distinktionellen Teile Teilinhalte.

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  37. Antonelli (2000 und 2001, S. 395-405) vertritt die These, daß das Korrelat der Deskriptiven Psychologie mit dem immanenten Objekt der Psychologie vom empirischen Standpunkt nicht viel zu tun hat. Das immanente Objekt sei das Zielobjekt der intentionalen Beziehung, das bloß objektiv im Verstand (d.h. ontologisch unverpflichtend) sei. Das Korrelat hingegen sei eine postulierte vermittelnde Entität, die zwar irreal, nichtsdestoweniger ontologisch verpflichtend ist, die jedoch auf jeden Fall kein Zielobjekt des Aktes darstellt. Das wäre tatsächlich eine kohärente Interpretation, gegen sie spricht jedoch zum ersten die Tatsache, daß Brentano in der Deskriptiven Psychologie (Brentano 1982) das immanente Objekt nicht einmal erwähnt, was nahelegt, daß das Korrelat eher eine Präzisierung des Begriffs des immanenten Objekts darstellt, als eine Entität, die inzwischen „neben” dem immanenten Objekt eingeführt wurde. Zum anderen finden wir in der Logik-Vorlesung (Brentano EL 80) eine Theorie, in der gerade das immanente Objekt als eine Entität fungiert, die den intentionalen Zugang zu einem (eventuellen) transzendenten Gegenstand vermittelt. Die Bezeichnung „Korrelat” taucht in dieser Vorlesung nicht auf. Das alles spricht dafür, daß Brentano die Bezeichnungen „intentionales Korrelat” und „immanentes Objekt” in Wirklichkeit als synonym verwendet hat. Diese Hypothese wird durch das folgende Zitat aus der Logik-Vorlesung [EL 72] eindeutig bestätigt: „Wenden wir uns nun zur Analyse der Elemente unserer inneren Wahrnehmungsvorstellung, so weit wie sie eben fuhren können. Ihr Objekt ist unser Selbst in seinen wirklichen mannigfachen psychischen Beziehungen mit intentionalen Korrelativen (immanenten Gegenständen). Denn daß ein solcher immer beim Psychischen gegeben und gegenüber dem Physischen dafür [d.h. für das Psychische] charakteristisch [ist], haben wir früher gesehen.”, Brentano EL 72, S. 229. Zu den Einzelheiten der Lehre vom immanenten Objekt, die ohne Zweifel viele kontraintuitive Aspekte involviert und die Antonelli durch seinen Vorschlag weniger kontraintuitiv machen wollte, vgl. Chrudzimski 2001a.

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  38. Diese Theorie wurde schon 1867 in den Würzburger Vorlesungen zur Metaphysik vorgetragen. Vgl. „Die Einwirkung des (äußeren) Objekts könnte einen Akt hervorrufen, in welchem nicht bloß das Objekt, sondern auch der Akt selbst erkannt würde. Also[:] wer etwas sieht (z.B.), [müßte] in dem Akt [des Sehens] selbst sich seines Sehens mitbewußt sein. Dann wäre dieses Bewußtsein Bewußtsein des Bewußtseins und die Schwierigkeit [wäre] gelöst.”, Brentano M 96, XXVIII. In den Würzburger Vorlesungen erwägt jedoch Brentano versuchsweise (als eine kohärente philosophische Position) auch eine Reflexionstheorie des Selbstbewußtseins. Vgl. „Eine Substanz kann sich ihrer ja bewußt sein, ohne sich diesem Akt des Bewußtseins nach bewußt zu sein. Die Selbsterkenntnis wird dann eine unvollständige, aber darum nicht mit Irrtum behaftet sein. Erläuterung: Ich sehe. Erfasse mich dann als Sehenden. Dann bin ich mir meiner Selbst bewußt, als dieses Sehenden, nicht aber als dieses (Sehenden und) seines Sehens Bewußten. Durch weitere Reflexion kann ich mir auch als dieses Bewußtseins teilhaftig bewußt werden u.s.f. in infinitum.”, Brentano M 96, XXVIII.

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  39. In der Logik-Vorlesung aus dem Jahre 1884/85 lesen wir: „Besonders zu beachten ist auch der Unterschied zwischen Gleichheit im eigentlichen Sinne und einer wesentlich anderen Weise der Übereinstimmung, die ich Quasigleichheit oder Gleichheit mit METABASIS EIS ALLO GENOS nennen möchte. Eine solche bestände zwischen einem Menschen und einem vorgestellten Menschen, der, wie wir früher erörterten, nichts Reales und [a fortiori] nicht wahrhaft ein Mensch ist. Im Bereiche dessen, was wir bisher analysierten, besteht eine Gleichheit mit METABASIS Eis allo GENOS zwischen einem gegenwärtigen und einem in der Gedächtnisvorstellung enthaltenen gewesenen Ton, der auch nichts Reales und [a fortiori] kein Ton im eigentlichen Sinn zu nennen ist.”, Brentano EL 72, S. 133 f. „Man hat oft gesagt: Die Wahrheit eines Urteils bestehe in der Übereinstimmung des Gedankens und der Sache (adaequatio rei et intellectus). Das wäre eine solche Quasigleichheit wie die, von der wir eben sprechen, denn unter Sache ist das nicht modifizierte im Unterschied von dem Modifizierten […] zu denken […].”, Brentano EL 72, S. 453.

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  40. Darin besteht die Russellsche Kritik der Gegenstandstheorie Meinongs. (Russell 1905b, S. 533) Wenn es, wie es Meinong ursprünglich wollte, jeder Beschreibung ein entsprechender Gegenstand Jenseits des Seins und Nichtseins” entspräche, dann müßte der Beschreibung „ein existierender goldener Berg” ein goldener Berg, der existiert, entsprechen. Vgl. dazu auch Parsons 1980, S. 42.

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  41. Das ist das berühmte Prinzip der Unabhängigkeit des Soseins vom Sein, dessen Formulierung auch Mally zu verdanken ist. Vgl. Mally 1904, S. 126. Lambert formuliert dieses Prinzip folgendermaßen: „The principle of independence, in what I shall call the strict sense, is henceforth the claim that the argument There are nuclear properties P 1, P2 … such that the set of P 1, P2 … attaches to s; So, s has being is invalid.”, Lambert 1983, S. 28 f. („Nuclear properties” sind natürlich nicht-modale Eigenschaften.)

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  42. Vgl. dazu Meinong 1915, 281 f. Meinong unterschied zunächst (unter Einfluß Mallys) zwischen zwei Arten von Eigenschaften, die er „konstitutorische” und „außerkonstitutorische” nennt (bei Mally hießen sie „formale” und „außerformale”). Nur die konstitutorischen Bestimmungen (wie rot, dreieckig usw.) können ohne weiteres zur Konstruktion von Meinongschen Gegenständen verwendet werden. (Vgl. Meinong 1907, 223 f.) Die Existenz-Bestimmung gehört natürlich zu den außerkonstitutorischen Bestimmungen und der goldene Berg, der existiert, kann deswegen nicht in das ontologische Universum eingeführt werden. Dann nahm Meinong aber an, daß man aus jeder seriösen Seinsbestimmung eine „nicht-seriöse” („depotenzierte”) Seinsbestimmung erhalten kann, in der „das modale Moment” fehlt. (Vgl. Meinong 1915, S. 291) Aus einer Existenz erhalten wir also eine Existenz als ob, was dazu führt, daß man zwischen einem existierenden goldenen Berg (den wir in der Meinongschen Ontologie finden können) und einem goldenen Berg, der existiert (den es selbst bei Meinong nicht gibt) unterscheiden muß. Das entspricht natürlich unseren „unseriösen” Modifikatoren N* und E*. Russell kritisiert diese Unterscheidung als prinzipiell unverständlich. Vgl. Russell 1907. Vgl. dazu auch Jacquette 2001, Jacquette 1985/86, Reicher 2001.

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  43. Vgl. „Das Zukünftige erscheint dem Vergangenen entgegengesetzt, wie das oben dem unten und das rechts dem links und das vorn dem hinten und das Warme dem Kalten und das Bittere dem Süßen. Nun schließen Gegensätze sich in demselben Subjekt aus. Es kann darum dasselbe nicht zugleich demselben Teile nach kalt und warm, bitter und süß, oben und unten, vom und hinten sein. Dagegen kann es recht wohl zugleich gewesen und zukünftig sein. Wieso? Wie ist das denkbar? Nun recht leicht! Und ein Beispiel dafür ist jeder Fall der Dauer, wo während der Dauer dasselbe zugleich gewesen, gegenwärtig und zukünftig ist. Das Paradoxon löst sich daraus, daß die vergangene und zukünftige Zeitbestimmtheit nicht determiniert, sondern wesentlich modifiziert, so daß es also ein anderer Fall ist, als wenn dasselbe zugleich oben und unten wäre.”, Brentano EL 72, S. 104 f.

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  44. Vgl. dazu die angeführte Theorie Meinongs, die zwischen einem existierendem goldenem Berg und einem goldenem Berg, der existiert, unterscheidet. Vgl. Fußnote 155.

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  45. Vgl. „Wir bilden in Hinblick auf uns selbst den Begriff eines Denkenden, welcher in seinem Denken auf einen Gegenstand gerichtet ist. Es sei dies der Gegenstand A, dessen Begriff ebenso wie der des Denkenden der Begriff von etwas Wesenhaftem sein mag. Von diesem Wesenhaften A sagen wir daraufhin mit aller Wahrheit, daß es von mir, dem Denkenden, gedacht werde. Es ist ebenso wahr, daß es ein gedachtes A, als daß es ein wirkliches A ist. Und es kann aufhören, als wirkliches A zu sein, während es als gedachtes A fortbesteht, solange der Denkende es denkt. Umgekehrt wird es als gedachtes A aufhören, wenn der Denkende es zu denken aufhört, wie immer es als wirkliches A noch fortbesteht. Sagt man: eben, indem man es dem wirklichen A entgegenstellt, gibt man zu erkennen, daß das gedachte A nichts Wahres und Wirkliches ist: so ist zu erwidern: Keineswegs! Es kann etwas recht wohl etwas Wahres und Wirkliches sein, ohne ein wirkliches A zu sein. Es ist ein wirklich gedachtes A und somit, da dies dasselbe sagt, auch ein wirkliches gedachtes A, dem wieder ein anderes als gedachtes gedachtes A entgegengesetzt werden kann, wenn einer denkt, daß einer A denke.”, Brentano 1930, S. 31. (O. Kraus datiert dieses Fragment aufgrund der Handschrift als lange vor 1901 geschrieben.)

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  46. Darauf stützt sich die ganze Wahrscheinlichkeitslehre Meinongs. Vgl. Meinong 1915.

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  47. Der späte Brentano, der keine immanenten Objekte akzeptiert, betrachtet hingegen alle Vorstellungen als mehr oder weniger allgemein.

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  48. Wir haben allerdings gesehen, daß Brentano sehr lange zu der Auffassung neigte, wonach der Prozeß der Abstraktion als eine Art Konzentration der Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der vorgestellten Entität interpretiert werden muß. Die reale Abtrennbarkeit der Teile des immanenten Objekts ist für die ontologisch reichste Periode um 1890 charakteristisch.

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  49. Zu dieser Zeit glaubt Brentano nicht mehr an zeitliche Modifikationen der Objekte wie zukünftig und vergangen.

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  50. Vgl. „Substanz und Inhärenz [als] Verhältnis sich durchwohnender Teile, von welchen der eine als der hauptsächliche betrachtet wird [z.B. beim] Blick auf die physischen Konkreta [oder beim] Blick auf Ich. (Insbesondere vielleicht hier, weil die Individualität [der Substanz als solche bestehen bleibt], während Akzidentien [auftreten oder wegfallen].”, Brentano 1982, S. 101.

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  51. Der ontologische Dschungel der propositionalen Inhalte ist allerdings unabhängig von der dominierenden Tendenz in Brentanos Intentionalitäts-und Modalitätstheorie entstanden. In Chrudzimski 2001a zeigen wir, daß keine von diesen Theorien in Wirklichkeit die propositionalen (und insbesondere modalen) Inhalte braucht. Der Grund, warum sich die propositionalen Inhalte in der mittleren Ontologie Brentanos trotzdem etabliert haben, liegt in der Rege! der unkritischen Deskriptivität. Diese Regel fordert, jede Kategorie, auf die sich unser vorphilosophischer oder philosophischer Diskurs angeblich bezieht, als eine zusätzliche ontologische Kategorie einzuführen, unabhängig davon, ob sie noch außer dieser prima facie Evidenz noch irgendwelche erklärende Rolle hat.

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  52. Findlay betont diesen Punkt in seiner Besprechung von Meinongs Objektiven. Vgl. „The immediate object of one objective may of course be another objective […]. Thus the objective ‘0 is a fact’ has as its material the objective O. O might itself have another objective P as its material, and P might be about Q. There is no limit to the complexity of such a Chinese-box system; however complex O may be we can always turn to O, which concerns O, and which is therefore of a higher order of complexity.”, Findlay 1963, S. 71.

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Chrudzimski, A. (2004). Die Ontologie der „Mittleren“ Periode. In: Die Ontologie Franz Brentanos. Phaenomenologica, vol 172. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-007-0964-5_5

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