Ich möchte diesen Zwischenruf dazu nutzen, ein wenig grundsätzlicher auf die Metaphernwelt der molekularen Biologie und Medizin sowohl im Wissenschaftsbereich als auch in den Medien einzugehen, denn beide sind nicht scharf voneinander zu trennen. Im Anschluss daran werde ich diese Überlegungen anhand von CRISPR/Cas exemplifizieren.

1 Ein Blick auf Metaphern in der Molekularbiologie

Metaphern haben in der Molekularbiologie eine lange Tradition – ein Grund dafür, dass uns viele von ihnen heute so leicht von den Lippen gehen und quasi Allgemeingut geworden sind. Als aus einem Amalgam der damaligen Disziplinen Genetik, Biochemie und Biophysik und unter Einbezug einer ganzen Reihe neuer Forschungstechnologien die Molekularbiologie entstand, ging damit interessanterweise ein ebensolches Amalgam aus neu importierten Metaphern für die Vererbungsvorgänge und ihre Steuerung in der Zelle einher.

Es kam damals zu einer ganz neuen Sprache, die man bis dahin in der Biologie nicht gesprochen hatte. Ihre Vokabeln stammten vorwiegend aus der Kybernetik, der Informationstheorie, den Kommunikationswissenschaften und der Linguistik. In die Biologie importiert, wurden sie zu Metaphern. Metaphern sind also nichts ein für alle Mal Gegebenes, sondern werden erst durch derartige Transfers zu solchen. Die heutige Welt, einschließlich der molekularen Biologie, so fasste damals der Molekularbiologe François Jacob am Pasteur-Institut in Paris die Situation zusammen, „besteht aus Botschaften, Codes, Informationen“ (Jacob 1972: 343).

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte in der Biologie ein Vokabular dominiert, das der Metaphernwelt der Mechanik des 19. und der Energetik des frühen 20. Jahrhunderts entnommen war. Bei seiner Einführung wurde das neu aufgespannte Bildfeld für molekulare Kernvorgänge durchaus kritisch als Alternative zu der vorangehenden, an Mechanik und Energetik orientierten Sprache verstanden (Wiener 1965).

In den 1960er- und 1970er-Jahren setzte sich dieses Vokabular nicht nur im Labor, sondern auch im Alltag durch. Man sprach jetzt nur noch vom Kopieren, Transkribieren, Übersetzen, vom genetischen Code und wie die importierten Vokabeln alle hießen. Als Akteure dieser Tätigkeiten wurden die Organismen selbst angesehen. Mit dem Beginn der Gentechnologie in den 1970er-Jahren und später noch verstärkt im Zusammenhang mit dem Humangenomprojekt ab den späten 1980er-Jahren machte diese Metaphernwelt dann aber so etwas wie eine mechanische Kehrtwende durch. Jetzt wurden die biologischen Prozesse als die eigentlichen Agenten in den Hintergrund geschoben und immer mehr und explizit als Tätigkeiten von Gentechnikern begriffen. Nun war es nicht mehr die Natur, der man Textförmigkeit und Schreibtätigkeit unterstellte, nun waren es die molekularen Ingenieure, die den genetischen Code nach Willkür veränderten. Das technische Machen hatte die neue Bilderwelt zurückerobert und ihr die Bedeutung der Kulturtechnik des Schreibens untergeschoben.

2 Grundsätzliches zu Metaphern in der Wissenschaft

Die Vorstellung, dass eine Wissenschaftssprache ohne Metaphern auskommen müsse, hat eine lange Tradition. Historisch gesehen erweist sie sich aber als unhaltbar. Selbst Grundbegriffe der Wissenschaften haben meist einen metaphorischen Ursprung; sie sind durch Begriffswanderung von einem Bereich in den anderen dorthin gelangt, wo sie nach angemessen langer Zeit dann als authentisch wahrgenommen werden.Footnote 1 So bestehen letztlich auch die Wissenschaftssprachen vorwiegend aus abgesunkenen Metaphern.

Ich will zwei historische Beispiele aus den Biowissenschaften herausgreifen, die vielleicht auf den ersten Blick überraschen, gerade weil die Begriffe uns heute völlig unmetaphorisch erscheinen in dem Kontext, in dem sie sich eingenistet haben. Der Begriff der Regulation, der aus der heutigen Stoffwechselbiologie und der molekularen Genetik nicht mehr wegzudenken ist, hat seinen Weg erst im Laufe des 19. Jahrhunderts aus der Dampfmaschinentechnik in die damals gerade im Entstehen begriffene Embryologie gefunden (Canguilhem 2017). Im Verlauf des 19. Jahrhunderts ist er dann innerhalb der Biologie noch einmal aus der Embryologie aus- und in die Stoffwechselphysiologie eingewandert, wo er sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer zentralen Kategorie des Metabolismus ausweitete. In der Embryologie wurde er hingegen durch den Begriff der Differenzierung abgelöst, der seinerseits den Gesellschaftswissenschaften des 19. Jahrhunderts entlehnt war.

Das nächste Beispiel wird vielleicht noch mehr überraschen. Selbst der Begriff der Vererbung ist nicht genuin biologischen Ursprungs (Rheinberger und Müller-Wille 2009). Er fing erst im ausgehenden 18. Jahrhundert an, in der Biologie überhaupt eine Rolle zu spielen, und er setzte sich dann im Laufe des 19. Jahrhunderts durch. Vererbung im Sinne der Weitergabe materieller Partikel von einer Generation zur nächsten war ein Begriff, der ursprünglich aus dem Rechtswesen stammte und erst in der Biologie Fuß fasste, als man begann, das Erbgut als ein Substrat aufzufassen, das von einem Menschen zum anderen, von einer Generation zur anderen weitergereicht wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Wissenschaft der Genetik – im Deutschen auch Vererbungswissenschaft genannt – entstand, dachte bereits niemand mehr an diesen metaphorischen Ursprung einer Kategorie, die für die gesamten Lebenswissenschaften im 20. Jahrhundert prägend wurde.

Wir können also festhalten: An Bruchstellen in der Geschichte der Wissenschaften, an denen etwas Neues in einem Wissensgebiet auftaucht, das sozusagen noch keinen Namen trägt, wird häufig das Neue nicht durch einen neuen Begriff markiert, sondern gewissermaßen gezähmt, indem man es unter Begriffe subsumiert, die aus anderen Bereichen bereits vertraut sind. Das ist im Prinzip auch das Wesen der Metapher. Im weiteren Verlauf der Geschichte gibt es dann zwei Optionen: Entweder die Metapher setzt sich fest, „sinkt ab“ und wird nicht mehr als solche empfunden; oder sie verschwindet wieder aus dem Fachvokabular. Ein Beispiel für Letzteres aus der Biologie wäre der Ausdruck „Zellenstaat“. Rudolf Virchow benutzte ihn in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts als Metapher für den Organismus. Heute ist er aus dem Vokabular der Biologen wieder verschwunden. Ziel kann es also nicht sein, Metaphern in der Wissenschaft zu vermeiden, es muss vielmehr um zweierlei gehen: Erstens, zu verstehen, was die jeweiligen Metaphern leisten; und zweitens – ebenso wichtig –, zu verstehen, was sie beiläufig mittransportieren und damit gegebenenfalls auch verbergen. Die Verwendung von Metaphern ist Bestandteil der Wissenschaftsdynamik; sie wird von niemandem vorgeschrieben, sie ist ein ebenso dynamischer wie kontingenter Prozess.

3 Metaphern in der Wissenschaftskommunikation

Sowohl in der Berichterstattung über Wissenschaft für eine breitere Öffentlichkeit als auch in den vielen mehr oder weniger interaktiven medialen Formaten, die sich mit Wissenschaft auseinandersetzen, spielen Metaphern eine konstitutive Rolle. In der Regel schließen sie an Metaphern an, die auch in der Wissenschaft Verwendung finden. Während aber im Forschungsbereich der Metapherncharakter solcher Ausdrücke über einen längeren Zeitraum zumindest latent bewusst bleibt, verschwindet dieses Bewusstsein im Kommunikationsbereich meist rasch und vollständig.

Es darf dabei nicht vergessen werden, dass auch im Wissenschaftsraum selbst die Grenzen zur Alltagskommunikation fließend sind. Das gilt vor allem für zwei Bereiche: Zum einen betrifft es das in den letzten Jahrzehnten zur Routine gewordene Pressekommuniqué-Wesen. Hier geht es vor allem darum, Neuigkeiten oder sog. „Durchbrüche“ möglichst werbewirksam zu verkünden. Zum anderen betrifft es die ebenfalls in den letzten Jahrzehnten zum Normalfall gewordene Einwerbung von Geldern für Forschungsprojekte bei staatlichen oder privaten Förderagenturen. Im Wissenschaftlerjargon wird dieses Genre der Wissenschaftsprosa meist verharmlosend als „Antragslyrik“ bezeichnet.

In der allgemeinen gesellschaftlichen Kommunikation über Wissenschaft, ihre Ergebnisse und Anwendungen kommt aber noch stärker eine zentrale Leistung von Metaphern zum Tragen: Sie sind in der Lage und werden dazu verwendet, die Anschlussfähigkeit wissenschaftlicher Inhalte und Befunde an die Alltagswelt herzustellen. Das ist nötig, denn diese bewegen sich meist nicht mehr im Raum des Anschaulichen. Dabei hat man es aber immer mit einer Gratwanderung zu tun. Einerseits können Metaphern als Scharniere dienen, um den Blick auf die Wissenschaftswirklichkeit zu ermöglichen; andererseits können sie aber auch umgekehrt dazu führen, dass man in der Bilderwelt der Alltagswirklichkeit befangen bleibt.

Die Autoren des Kapitels zu Genome-Editing im letzten Gentechnologiebericht konstatieren: „Den sich rasant wandelnden und hoch spezialisierten Forschungsstand allgemeinverständlich darzustellen und dabei keine überzogenen Erwartungen und verzerrten Vorstellungen zu wecken, stellt sehr hohe Anforderungen an Wissenschaftskommunikation und -journalismus. […] Der Rückgriff auf Metaphern zur Erläuterung wissenschaftlicher Methoden, Objekte und Technologien [ist dabei] gleichermaßen notwendig wie problematisch“ (Fehse et al. 2021). Und mit Bezug auf die Metapher des Editierens im Bereich des Genoms stellen sie fest: „Diese Metapher stellt die betreffenden komplexen biologischen Vorgänge in stark vereinfachender Form dar und lädt durch diesen Reduktionismus zu überzogenen Erwartungen hinsichtlich der Präzision, Sicherheit und Machbarkeit von gezielten therapeutischen und sonstigen Eingriffen ins Genom ein. […] Des Weiteren geht die Kontextbezogenheit von Sachstandsbeschreibungen und die Relativität von Begriffen in der öffentlichen Kommunikation häufig verloren“ (Fehse et al. 2021: 225).

Damit sind wir bei der aktuellen Metaphernwelt von CRISPR/Cas angelangt. Die Stichworte in diesen zwei Passagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Auf der Seite der Rezipienten:

  • Überzogene Erwartungen

  • Verzerrte Vorstellungen

Auf der Seite der Kommunikatoren:

  • Vereinfachung/Reduktionismus

  • Überbetonung von Präzision, Sicherheit, Machbarkeit

  • Ausblenden des Kontextes

  • Ausblenden der Relativität wissenschaftlicher Begriffe

4 Die Metaphernwelt von CRISPR/Cas, eine kritische Analyse

Der CRISPR/Cas-Komplex („Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats plus CRISPR-Associated Protein“) ist die gentechnische Abwandlung eines bakteriellen Immunabwehrsystems. Mit ihm zerschneidet das Bakterium die DNA von Bakterienviren, die in die Zelle eingedrungen sind, und macht sie damit unwirksam. In seiner gentechnischen Anwendung als molekulares Werkzeug ist das Ziel aber nicht die Zerschneidung, sondern die Veränderung der anvisierten DNA-Stelle im Genom. Das Schneiden ist hier nur der erste Schritt. Im zweiten Schritt fügen zelleigene Reparatursysteme die DNA in veränderter Form wieder zusammen.

Wie wird über dieses Verfahren in den Medien berichtet? Nach Sichtung der einschlägigen Literatur, sowohl der wissenschaftlichen als auch der populärwissenschaftlichen, ergeben sich in grober Einteilung zwei Bildfelder, denen die verwendeten Begriffe zugeordnet werden können. Das eine rankt sich im Wesentlichen um den Topos der Schrift und die damit verbundenen Aktivitäten des Schreibens, Kopierens und vor allem des Editierens, also des Ausbesserns. Das zweite Bildfeld bedient Metaphern, die aus dem chirurgischen und medizinischen Alltag stammen und jetzt auf Moleküle angewendet werden:

Bildfeld Schrift:

  • Schriftsatz des Lebens

  • Lesekopf

  • Genome-Editing

  • Programmieren

Bildfeld Chirurgie/Medizin:

  • Genschere

  • Genomchirurgie

  • Molekulares Skalpell

  • Skalpell statt Schrotflinte

  • Molekulare Spritze

Beide Metapherngruppen machen Anleihen bei zwei Kulturtechniken, mit denen wir von alters her im Alltag vertraut sind: Schreibtechniken und medizinische Eingriffe. Gemeinsam sind ihnen die damit verbundenen performativen Assoziationen:

Performative Assoziationen:

  • Passgenauigkeit

  • Korrektur

  • Präzision

  • Zielgerichtetheit

  • Treffsicherheit

  • Steuerung

  • Design

Zuweilen finden sich auch Elemente aus beiden Gruppen vereinigt. In den bildlichen Darstellungen ist eine solche Kopplung durchweg der Fall. Auf ihnen sind eigentlich immer Elemente beider Bildfelder vereinigt, und auch das performative Moment wird mit ins Bild geholt. Zwei Beispiele mögen hier genügen, die beide akademischen Stellungnahmen entnommen sind: das Titelblatt des Statements der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina (Abb. 21.1) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Genome-Editing von 2015 (Abb. 21.2).

Abb. 21.1
figure 1

Titelblatt Stellungnahme Leopoldina et al. zu Genome-Editing

Hier sind es die Fingerspitzen, die Präzision zum Ausdruck bringen

Abb. 21.2
figure 2

Startseite TA Swiss zu Genome-Editing

Hier wird die Präzision durch eine Pinzette und eine Brille versinnbildlicht

In keinem dieser Bilder kommt aber explizit vor, dass der CRISPR/Cas9-Prozess – in seiner gentechnischen Verwendung – wesentlich aus zwei Komponenten besteht, die beide fehleranfällig sind. Die erste Komponente besteht aus dem Andocken des Molekülkomplexes an die gewünschte Stelle im Genom („on target“). Dieser Schritt ist nur bedingt genau, da die RNA-Komponente des Komplexes, die an die DNA-Doppelhelix bindet, eine gewisse Toleranz aufweist. Es kann also auch zur Festsetzung des Schneidesystems an einer anderen Stelle im Genom kommen („off target“). Die zweite Komponente besteht aus der Reparatur der Schnittstelle, die gar nicht vom „maßgeschneiderten“ CRISPR/Cas-System bewerkstelligt wird, sondern vollständig von den zelleigenen Reparatursystemen übernommen wird und inhärent ungenau ist. Über diesen zweiten Schritt gibt es – bisher jedenfalls – entweder gar keine oder nur begrenzte Kontrolle. In diesen Bildern steht er jedoch meist im Zentrum. Es wird also unbedingte Präzision dort vorgetäuscht, wo sie gar nicht oder nur bedingt vorhanden ist.

Das CRISPR/Cas-Verfahren hat inzwischen in die Zell- und Gentherapie Eingang gefunden, und mit ihm seine Metaphernwelt. Eines der zentralen Probleme besteht hier darin, die gentechnisch veränderten Zellen – wie etwa bei der CAR-T-Zelltherapie („chimeric antigen receptor T cells“) – gezielt an die gewünschten Orte zu dirigieren, bzw. die zum Einsatz kommenden molekularen Werkzeuge gezielt in den gewünschten Zellen zu deponieren. Um Letzteres zu erreichen, wird gegenwärtig an einem Verfahren gearbeitet, das sich wie bei CRISPR/Cas einen molekularen Mechanismus zunutze macht, den Bakterien entwickelt haben, um Proteine in eukaryotische Zellen einzuschleusen. Arbeiten über diese eCISs („extracellular contractile injection systems“) haben jüngst weltweites Aufsehen erregt (Kreitz et al. 2023). Der zitierte Artikel wurde in Nature am 29. März 2023 online veröffentlicht. Er spricht von einer „programmable protein delivery with a bacterial contractile system“. Die Mitteilung des Science Media Center (SMC) Germany machte daraus am selben Tag eine „programmierbare Mikronadel zur Zellinjektion“.Footnote 2 Und im Tagesspiegel, ebenfalls vom 29. März, wurde daraus eine „programmierbare molekulare Spritze“ (Berliner Tagesspiegel 2023). Hier kann man gut die leichten Verschiebungen beobachten, die von einem Forschungsartikel über ein wissenschaftliches Medienportal zur Aufbereitung des Sachverhalts in der Tagespresse führen. Auch die Metaphern, die hier bedient werden, lassen sich problemlos in den oben genannten Bildfeldern verorten.

Als Fazit kann man festhalten: Keine natürliche Sprache, aber auch keine Wissenschaftssprache, ob in Bild oder in Wort, kommt ohne Metaphern aus. Das Problem sind nicht die Metaphern selbst. Das Problem ist ihre unkritische und irreführende Verwendung. Man könnte auch sagen: Das Problem entsteht dort, wo die Metaphern aufhören, Metaphern zu sein und für bare Münze genommen werden.