Zusammenfassung
Das Thema Landnutzung und Klima berührt Akteur_innen mit unterschiedlichen Zielsetzungen, die sowohl Synergien erzeugen, als auch miteinander in Konkurrenz stehen. Die Land- und Forstwirtschaft, das produzierende Gewerbe, die Freizeitwirtschaft, der Verkehr, Siedlungen, Infrastrukturausbau und der Naturschutz sind aktive Gestalter. Die Stadt- und Raumplanung, Naturschutz-, Forst- und Landwirtschaftsgesetzgebung stellen den Handlungs- und Lenkungsrahmen her. Klima- und Umweltkrisen, deren Dynamik teilweise von Antriebskräften außerhalb der Landnutzung herrührt, können existierende Zielkonflikte verschärfen oder neue herbeiführen (Plieninger et al., 2016). Viele wissenschaftliche Disziplinen sind mit dem Thema befasst, von den Natur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bis hin zu den technischen Wissenschaften.
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Herbert Formayer1, Robert Jandl2
FormalPara Leitautor_innen:Andreas Bohner3, Josef Eitzinger1, Karl-Heinz Erb1, Willi Haas1, Bradley Matthews4, Ina Meyer5, Heide Spiegel6, Ulrike Tappeiner7,8, Erich Tasser8, Andreas Voigt9
FormalPara Mit Beiträgen von:Benni Besci1, Bastian Bertsch-Hörmann1, Simone Gingrich1, Stephan Glatzel10, Peter Höller2, Jill Jaeger11, Claudia Kettner5, Florian Kraxner12, Bano Mehdi-Schulz1, Mortimer Müller1, Susanne Schidler13, Carmen Schmid4, Wolfgang Schöner14, Franz Sinabell5, Christine Stumpp1, Peter Weiss4, Matthias Zessner9, Ottavia Zoboli9
FormalPara Nachwuchswissenschafterin:Paula Bethge1
FormalPara Review-Editor:Herbert Hager1
FormalPara Zitiervorschlag:Formayer, H., Jandl, R., Bohner, A., Eitzinger, J., Erb, K.-H., Haas, W., Meyer, I., Matthews, B., Spiegel, H., Tappeiner, U., Tasser, E., Voigt, A., 2024: Kapitel 1 Ziele, Herangehensweise und Kontext. In: APCC Special Report: Landnutzung und Klimawandel in Österreich (APCC SR Land). [Jandl, R., Tappeiner, U., Foldal, C. B., Erb, K.-H. (Hrsg.)]. Springer Spektrum. Berlin/Heidelberg. S. 57–105.
1 | Universität für Bodenkultur Wien |
2 | Bundesforschungszentrum für Wald |
3 | HBLFA Raumberg-Gumpenstein |
4 | Umweltbundesamt GmbH |
5 | Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) |
6 | Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH |
7 | Universität Innsbruck |
8 | Eurac Research |
9 | Technische Universität Wien |
10 | Universität Wien |
11 | privat |
12 | Internationales Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) |
13 | Fachhochschule Technikum Wien |
14 | Universität Graz |
1.1 Rahmen, Inhalte und Ziele des Österreichischen Sonderberichts „Landnutzung und Klimawandel“
Das Thema Landnutzung und Klima berührt Akteur_innen mit unterschiedlichen Zielsetzungen, die sowohl Synergien erzeugen, als auch miteinander in Konkurrenz stehen. Die Land- und Forstwirtschaft, das produzierende Gewerbe, die Freizeitwirtschaft, der Verkehr, Siedlungen, Infrastrukturausbau und der Naturschutz sind aktive Gestalter. Die Stadt- und Raumplanung, Naturschutz-, Forst- und Landwirtschaftsgesetzgebung stellen den Handlungs- und Lenkungsrahmen her. Klima- und Umweltkrisen, deren Dynamik teilweise von Antriebskräften außerhalb der Landnutzung herrührt, können existierende Zielkonflikte verschärfen oder neue herbeiführen (Plieninger et al., 2016). Viele wissenschaftliche Disziplinen sind mit dem Thema befasst, von den Natur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bis hin zu den technischen Wissenschaften.
Die Landnutzung ist ein wesentliches Element der gesellschaftlichen Ressourcenbasis und steht in einem Spannungsfeld, beschrieben durch die sogenannte „Dreifach-Herausforderung der Landnutzung“:
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Land bildet die Grundlage für die Lebensqualität der Menschen durch Primärproduktion, Versorgung mit Nahrungsmitteln, Süßwasser und anderen materiellen Ökosystemleistungen. Land und seine biologische Vielfalt bieten auch immaterielle Leistungen, die zu spiritueller Bereicherung sowie einem ästhetischen Mehrwert und Erholungswert führen (IPCC, 2018a) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].
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Landnutzung verursacht aber auch Emissionen von Treibhausgasen (THGs) und beeinflusst die Integrität und Degradation von Ökosystemen und damit den Zustand der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen (ÖSLs).
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Die nachhaltige Landnutzung kann durch die Bereitstellung von THG-Senken zu einer Minderung des Klimawandels beitragen (IPCC, 2019a). Störungen im Ökosystem können die bereitgestellten Senken rasch zunichtemachen (Körner, 2003; Senf et al., 2021).
Der Klimawandel beeinflusst die Landnutzung sowohl auf globaler, regionaler als auch lokaler Ebene und führt in Abhängigkeit des sozial-ökologischen Kontextes zu meist negativen Effekten, die eine Anpassung erfordern. Der 1,5-°C-Report des IPCC (2018a) zeigt, dass die Reduktion von Emissionen und die Nutzung der Senkenpotenziale zentrale Bausteine der globalen Anstrengungen der Klimawandel-Minderung sind. Da die Landnutzung und die Anpassungs- und Minderungsstrategien viele Dimensionen der Gesellschaft-Natur-Beziehung betreffen, sind Zielkonflikte zwischen der Produktion von Lebens- und Futtermitteln, der Bereitstellung von Materialien und Bioenergie, dem Natur- und Klimaschutz sowie dem Konsumverhalten unvermeidlich (IPCC, 2019a; Verburg et al., 2016). Der APCC Sachstandsbericht des Jahres 2014 (APCC, 2014) hat für Österreich Zielkonflikte exemplarisch dargestellt und auf die Bedeutung von Wechselwirkungen hingewiesen.
Der Druck auf die Landökosysteme und die Landnutzung, Senken in beachtlicher Größenordnung bereitzustellen, ist vom Umfang und dem Zeitpunkt der Reduktion der Emissionen aus anderen Sektoren (z. B. Industrie, Transport, Energiewirtschaft) bestimmt. Je später signifikante Reduktionen der globalen jährlichen THG-Emissionen erreicht werden, desto größere THG-Senken sind erforderlich, was wiederum Auswirkungen auf die Bereitstellung anderer ÖSLs hat (EU, 2021; Geden & Löschel, 2017; IPCC, 2018a; Körner, 2003; Norton et al., 2019; Röder et al., 2019).
Der Bericht analysiert den Wissensstand zum Zusammenhang zwischen Landnutzung und Klimawandel aus naturwissenschaftlich-technischer und sozial-ökonomischer Perspektive. Ziele des Berichtes sind:
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Kompilation und Bewertung des Wissens hinsichtlich der Wechselwirkungen zwischen Österreichs Landsystem und dem anthropogenen Klimawandel, vernetzt mit gesellschaftlichen Herausforderungen wie der globalen und regionalen Versorgung mit Lebensmitteln, Flächeninanspruchnahme und Biodiversität;
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Erhebung und Bewertung des aktuellen Stands der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Auswirkungen der sozial-ökonomischen Triebkräfte und Aktivitäten der österreichischen Landnutzung auf die THG-Bilanz;
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Bewertung des Wissenstandes zu möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf Österreichs Landsystem in Abhängigkeit von Anstrengungen zur Emissionsminderung innerhalb und außerhalb der Landnutzungssektoren;
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Prüfung von Anpassungsoptionen an den Klimawandel, zur Aufrechterhaltung und Anpassung der Biomasseproduktion und der Bewältigung von Problemen wie Bodendegradation, Extremereignisse, Biodiversitätsverlust und Trockenheit sowie zum Ausbau von gesellschaftlicher Resilienz;
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Identifikation von Optionen der Landnutzung, wobei die Potenziale des Interessensausgleichs verschiedener landgestützter Klimaschutzoptionen und deren Machbarkeit in Hinblick auf politische, ökonomische und gesellschaftliche Barrieren bewertet werden;
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Darstellung und Bewertung der Politikmaßnahmen und anderer Rahmenbedingungen zur Umsetzung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen im Kontext von Risiken, Unsicherheiten und Wissenslücken;
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Bewertung der Intensität der Landnutzung hinsichtlich von Synergien und Zielkonflikten mit Biodiversität, der Optimierung von ÖSLs und dem Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals; SDGs).
Der Bericht reiht sich in eine Reihe von Special Reports ein. Die Themen „Gesundheit“ und „Tourismus“ wurden bearbeitet. Daher wird die Diskussion dieser Aspekte kurz gehalten und auf die entsprechenden Berichte verwiesen (APCC, 2021, 2018). Der Sonderbericht „Strukturen für ein klimafreundliches Leben“ widmet sich einer Zusammenfassung aktueller Forschung zum Thema Transformation und diskutiert Theorien gesellschaftlichen Wandels, von Handlungsfeldern sowie Strukturbedingungen und knüpft damit unter anderem an die hier dargestellten Maßnahmen und Landnutzungsoptionen an (APCC, 2023).
Obwohl die Art der Landnutzung die biologische Vielfalt beeinflusst, kann die Diskussion zu den Auswirkungen auf Biodiversität und Naturschutz in diesem Bericht nur als Querschnittsthema erfolgen; dazu ist ein eigener Sachstandsbericht notwendig. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen werden im vorliegenden Bericht im Kontext der Landnutzung behandelt. Für eine umfassende Diskussion wird auf den Bericht des UniNEtZ-Projektes hingewiesen (Uninetz, 2022). Es wird getrachtet, die Aussagen im Bericht nach den Kriterien „Übereinstimmung“ zwischen den Studien und der „Evidenz“, d. h. der Verfügbarkeit von Studien, zu bewerten. Manche Themen wurden in Österreich mit einer einzigen Studie abgedeckt. Die Bewertung nach den Kriterien „Übereinstimmung“ und „Evidenz“ ist in diesen Fällen nicht anwendbar.
Die COVID-19-Pandemie, zunehmende Zweifel an der globalen Vernetzung und besonders die geo-politischen Entwicklungen seit dem 24. Februar 2022 haben die Schwerpunktsetzung der Gesellschaft verändert. Fortschritte in der Umweltpolitik werden in Frage gestellt und langfristig errungene Positionen, etwa der Schutzstatus von Landschaftsteilen, werden in Frage gestellt. Kohle, Atomenergie und Biomasse werden als Alternative zu anderen Brückentechnologien diskutiert, weil fossile Energieträger teuer geworden sind. Das Vertrauen in globale Lieferketten wurde erschüttert und regionale Lösungen werden bevorzugt.
1.1.1 Der anthropogene Klimawandel
Der Mensch verändert durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre. Auch im Zuge der Landnutzung werden die THGs Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) freigesetzt und führen zu einer Erhöhung des Strahlungsflusses an der Erdoberfläche und somit zur Erwärmung. Damit verbunden ist auch eine Verschiebung anderer Klimafaktoren wie der Luftdruckverteilung, des Niederschlags, der Häufigkeit von Extremereignissen und des Anstiegs des Meeresspiegels. Im Jahr 2019 hat der zusätzliche Strahlungsfluss durch die THGs bereits mehr als 3 W/m2 betragen (NOAA, 2021), verglichen mit der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre im 18. Jahrhundert.
Das wichtigste anthropogene THG ist CO2. In Abb. 1.1 sind die zeitliche Entwicklung der globalen Mitteltemperatur – ein Maß für den Energiegehalt im Klimasystem Erde – seit der Mitte des 19. Jahrhunderts sowie die globalen Emissionen an CO2 dargestellt. Die globale Mitteltemperatur ist in diesem Zeitraum um knapp 1 °C angestiegen. Besonders der Anstieg der letzten 50 Jahre kann nur durch den Anstieg der THGs erklärt werden (IPCC, 2021).
Auch die CO2-Emissionen sind in dieser Zeit massiv gestiegen. Seit 2012 hat sich dieser Anstieg zwar abgeflacht, zeigt aber weiterhin eine steigende Tendenz. Da diese THGs langlebig sind, muss die akkumulierende Wirkung im Anstieg der Konzentration berücksichtigt werden, welche Jahrzehnte, ja sogar Jahrhunderte nachwirkt.
Für die Berechnung von Klimaszenarien wird eine Bandbreite von THG-Emissionen angenommen. Diese Emissionsszenarien wurden im IPCC-Kontext „Representative Concentration Pathways (RCPs)“ genannt (van Vuuren et al., 2011). Den RCPs sind Zahlen beigestellt, die den zusätzlichen Strahlungsantrieb am Ende des 21. Jahrhunderts, verglichen mit dem vorindustriellen Niveau, angeben (RCP 2.6, RCP 4.5, RCP 6.0, RCP 8.5). Bei RCP 8.5 beträgt der zusätzliche Strahlungsantrieb am Ende des 21. Jahrhundert 8,5 W/m2; dahinter liegt die Annahme, dass weltweit kaum Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden und die Hauptenergiequelle fossile Energie bleibt. Zur Erreichung des RCP 2.6 hingegen müssen massive Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden. Das im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegte Ziel einer Erwärmung von höchsten 1,5–2 °C ist nur mit RCP 2.6 erreichbar (Rogelj et al., 2018).
Die unterschiedlichen Emissionsszenarien zeigen eine starke Wirkung auf die resultierenden Reaktionen des Klimasystems Erde. Nach Klimamodellergebnissen (IPCC, 2021) beträgt die globale Erwärmung bezogen auf die Referenzperiode 1850–1900 am Ende des 21. Jahrhundert bei RCP 2.6 am wahrscheinlichsten 1,8 °C, bei RCP 4.5 2,7 °C und bei RCP 8.5 sogar 4,4 °C. Bei allen Szenarien erwärmen sich die Landmassen stärker als die Ozeane.
1.1.2 Landökosysteme und Klimawandel
Der Zusammenhang von Landnutzung und Klimawandel folgt daraus, dass Landökosysteme mehr als dreimal so viel Kohlenstoff (C) enthalten als die Atmosphäre selbst. Die Photosynthese und Atmung bedingen die größten einzelnen Flüsse im globalen C-Kreislauf (IPCC, 2019a; Quéré et al., 2018). Landnutzung findet auf drei Vierteln der globalen Landfläche statt und verändert die Vorräte und Flüsse von C in der Vegetation und im Boden (Bloom et al., 2016; Erb et al., 2018, 2016; Houghton, 2020; Houghton & Nassikas, 2017; Pongratz et al., 2018). Etwa 14 % der globalen anthropogenen THG-Emissionen (von rund 10 Gt C/Jahr) werden netto durch Landnutzungswandel verursacht (Friedlingstein et al., 2022). Den Emissionen aus der globalen Entwaldung, die etwa ein Drittel der Gesamtemissionen ausmachen, steht eine Landnutzungssenke in der gemäßigten und der borealen Zone gegenüber. Diese Senke wird unter anderem durch die Zunahme der Waldfläche verursacht und kompensiert rund ein Viertel der Gesamtemissionen. Darüber hinaus verändert der Vegetationswandel die Strahlungsbilanz der Erdoberfläche und führt zu regionaler Abkühlung oder Erwärmung (Abschn. 2.3.1). Der Effekt der Vegetation auf die Albedo ist gering (IPCC, 2019a) [robuste Evidenz, mittlere Übereinstimmung].
Global sind Landökosysteme eine Netto-Senke für CO2 (Houghton et al., 2018; Richter & Houghton, 2011). Diese war zwischen 2008 und 2017 mit rund 30 % der anthropogenen Emissionen groß (Friedlingstein et al., 2019). Der Fortbestand der Senkenwirkung ist unsicher (Bloom et al., 2016; Ciais et al., 2013; Friedlingstein et al., 2019; Friend et al., 2014).
1.2 Klima und Landnutzung in Österreich
Österreich stellt mit rund 9 Mio. Einwohnern und 84.000 km2 Landesfläche nur einen kleinen Teil der Weltbevölkerung sowie der globalen Landnutzung. Sein Beitrag zum Klimawandel und Klimaschutz ist jedoch nicht vernachlässigbar. Zum einen weisen die Einwohner_innen Österreichs einen Lebensstil mit einer Pro-Kopf-Emission an THGs von 9 t C pro Jahr (Strasser, 2021) auf, welcher im oberen Viertel des globalen Pro-Kopf-Emissionsrankings angesiedelt ist. Zum anderen zeichnet sich Österreich als „globaler Player“ im internationalen Handelsgeflecht aus, etwa als Entwickler von Technologie in der Verarbeitung von Nahrungs- und Futtermitteln, der Holztechnologie und der Bereitstellung von Bioenergie (BMK, 2020a, 2020b), aber auch als Importeur und Exporteur von Rohstoffen, Halb- und Fertigwaren. Ein beträchtlicher Teil von Österreichs Wertschöpfung findet durch Landnutzung und Außenhandel mit Biomasseprodukten statt (WKO, 2021). Österreich steht an der 15. Stelle der globalen ökonomischen Pro-Kopf-Wertschöpfung (World Bank 2019) und hat einen weiten Optionenraum, Strategien der Verschränkung von Zielen einer nachhaltigen Landnutzung mit Zielen des globalen Klimaschutzes zu entwickeln und eine Vorbildrolle zu entfalten.
1.2.1 Klima in Österreich
Aufgrund der Lage in Mitteleuropa zeigen Temperatur und Sonneneinstrahlung eine ausgeprägte saisonale Schwankung. Durch die Seehöhenerstreckung von 100 bis 3800 m wird die Temperaturverteilung räumlich strukturiert. Die jährliche Mitteltemperatur reicht von 12 °C in den wärmsten Regionen bis zu −6 °C in den Gipfelregionen der Hohen Tauern (siehe Abb. 1.2a). Die Extremtemperaturen reichen von knapp \(+\)40 °C während sommerlicher Hitzewellen in den Tieflagen bis zu −30 °C im Hochwinter. Extrem niedrige Temperaturen können nicht nur in den Hochgebirgslagen auftreten, sondern auch in den östlichen Tieflagen während hochkontinentaler Kaltluftvorstöße im Hochwinter.
Das österreichische Klima wird auch von maritimen Luftmassen beeinflusst. Diese stammen vom Atlantik, der Nord- und Ostsee, dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer. Dadurch zeigen sich in Österreich ein komplexes Muster in der Niederschlagsverteilung (siehe Abb. 1.2b) und eine große Amplitude bei den Werten. So beträgt der mittlere Jahresniederschlag in den trockensten Regionen im Nordosten Österreichs knapp 500 mm (mm = Liter pro Quadratmeter) und in den Staulagen im Toten Gebirge oder am Arlberg etwa 2500 mm.
Die Alpen spielen eine zentrale Rolle bei der Niederschlagsverteilung in Österreich. Luftmassen werden bei der Überquerung der Gebirge gehoben, und dadurch findet Niederschlagsbildung statt. Innerhalb des Gebirges kommt es durch Luv/Lee-Effekte zu stark schwankenden Niederschlagsverhältnissen. So gibt es etwa in Tirol inneralpine Trockentäler wie das obere Inntal mit nur etwa 700 mm Jahresniederschlag, und nur wenige Kilometer entfernt im Arlberggebiet Niederschlagssummen über 2000 mm (siehe Abb. 1.2b).
Auch die Gewitterbildung wird durch die Alpen modifiziert. Die höchste Gewitterhäufigkeit gibt es im Übergang vom Flachland zu den Vorgebirgen, etwa dem Steirischen Randgebirge oder den Gurktaler Alpen im Süden oder dem Oberösterreichischen Alpenvorland im Norden (Suda & Rudolf-Miklau, 2011).
Der Niederschlag weist einen Jahresgang auf. Im Sommerhalbjahr fallen etwa zwei Drittel des Jahresniederschlages. Im Gebirge ist der Jahresgang nicht so stark ausgeprägt wie im Flachland. Aufgrund des Temperaturniveaus im Winter kann im ganzen Land Schnee fallen, wobei sich in den Tieflagen meist nur kurzfristig eine Schneedecke hält und kein permanenter Schneedeckenaufbau stattfindet. Mit der Seehöhe steigt der Anteil des Schnees am Gesamtniederschlag, und ab einer Seehöhe von 3000 m kommen Akkumulationsgebiete von Gletschern vor, wo die Schneedecke das ganze Jahr nicht vollständig abschmilzt.
Österreich kann in drei Niederschlagsregionen unterteilt werden (Ehrendorfer, 1987; Matulla et al., 2003): das östliche Flachland, das von Niederösterreich über das Burgenland bis in die südliche Steiermark reicht, und der Alpenraum, den man in einen atlantisch beeinflussten Bereich nördlich des Alpenhauptkammes sowie einen mediterran beeinflussten Bereich südlich des Alpenhauptkammes unterteilt. Häufig treten Niederschlagsanomalien nur nördlich oder südlich des Alpenhauptkammes auf, wie etwa im Sommerhalbjahr 2018, das nördlich des Alpenhauptkammes sehr trocken war und südlich des Alpenhauptkammes normale Niederschlagsverhältnisse hatte (Stangl et al., 2018). Das östliche Flachland ist generell eher trocken und im Sommer heiß. Hier übersteigt die jährliche Summe der potenziellen Evapotranspiration großflächig die jährliche Niederschlagssumme, wodurch negative klimatische Wasserbilanzen erreicht werden. Hier treten auch die höchsten Temperaturen Österreichs auf. Gleichzeitig ist dies auch die wichtigste Ackerbauregion des Landes (siehe Abschn. 4.2.1 und 5.1.1).
In Abb. 1.3 sind die saisonalen Temperaturen seit 1770 dargestellt. Bei den geglätteten Werten (dicke Linien) erkennt man dekadische Schwankungen, aber auch den kontinuierlichen Anstieg der Temperatur in den letzten 40 Jahren in allen Jahreszeiten. Besonders die Frühlings- und Sommertemperaturen haben sich, verglichen mit dem Mittel der Jahre 1961–1990, bereits um rund 2 °C erwärmt. Diese Erwärmung in Österreich korreliert mit der Erhöhung der globalen Mitteltemperatur, welche eindeutig auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist (IPCC, 2021; Olefs et al., 2019).
Beim Niederschlag gibt es in Österreich Messungen bis weit in das 19. Jahrhundert zurück. Jedoch zeigen sich im Gegensatz zur Temperatur keine eindeutigen Trends (ALPIMP, 2006; Auer et al., 2007). Vielmehr zeigen sich deutliche regionale Unterschiede auch in der zeitlichen Entwicklung, da sich dekadische Schwankungen in den verschiedenen Niederschlagsregionen unterschiedlich auswirken können.
Anders als bei den mittleren Niederschlagsverhältnissen gibt es physikalische Gründe, warum die Niederschlagsintensität bei kleinräumigen Starkniederschlägen (Gewittern) bei einer Erwärmung ansteigen muss. Ursache hierfür ist, dass der maximale Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre, wie er etwa in Wolken auftritt, von der Temperatur abhängt und um etwa 7 % pro Grad Erwärmung ansteigt. Dass dieser Zusammenhang auch für intensive einstündige Niederschläge gilt, wurde zuerst für die Niederlande gezeigt (Lenderink & van Meijgaard, 2008). Für Österreich wurde gezeigt, dass die Niederschlagsintensität um etwa 10 % pro Grad Temperaturanstieg zunimmt (Formayer & Fritz, 2017). Durch die bereits erfolgte Erwärmung speziell im Sommerhalbjahr muss man daher heute von höheren Niederschlagsintensitäten bei Gewittern ausgehen, verbunden mit kleinräumigen Überschwemmungen durch Sturzfluten, Erdrutschungen und Murgängen und ein erhöhtes Potenzial für Niederschlagserosion.
Auch die potenzielle Evapotranspiration ist von der Temperatur abhängig. Bei gleicher Strahlung, Wind und relativer Luftfeuchtigkeit steigt sie um die besagten rund 7 % pro Grad Temperaturanstieg, da das Wasserdampfsättigungsdefizit ein Motor der Verdunstung ist. Ob es bei einer Erwärmung zu einem Anstieg der realen Evapotranspiration kommt, hängt davon ab, ob genügend Wasser im Boden verfügbar ist. Untersuchungen zur Trockenheit in Mitteleuropa haben gezeigt, dass die Zunahme des Trockenstresses in der Land- und Forstwirtschaft überwiegend auf die Zunahme der Evapotranspiration zurückzuführen ist und nicht auf veränderte Niederschlagsverhältnisse (Frenck et al., 2018; Trnka et al., 2016). Außerdem spielen in der Forstwirtschaft Änderungen in der Baumartenzusammensetzung und der Altersstruktur der Wälder eine Rolle (Abschn. 1.3.3, 3.3.1, 4.3.1, 5.1.2.2 und 5.1.2.3).
Die Temperaturzunahme beeinflusst die Höhe der Schneedecke. Im Hochwinter gilt dies bis etwa einer Seehöhe von 1500 m (Olefs et al., 2019). Darüber ist es derzeit im Winter noch kalt genug, sodass der Großteil des Niederschlages in Form von Schnee fällt und der Schneedeckenaufbau mehr von der Niederschlagsmenge abhängt. In Österreich wird das Vorhandensein einer Schneedecke überwiegend in Zusammenhang mit dem Wintertourismus und Skifahren diskutiert (APCC, 2021), diese hat aber vielfältige weitere Auswirkungen. In den Ackerbauregionen stellt selbst eine geringe Schneedecke einen effektiven Schutz vor starkem Frost dar. Im Sommerhalbjahr führt eine Erwärmung in allen Höhenlagen zu einer Reduktion der Schneedecken. Dies führt zu einem früheren Einsetzen und Ende der Schneeschmelze, wodurch das Abflussverhalten der alpinen Flüsse verändert wird (Meißl et al., 2017) und das letztlich die Ursache für den raschen Gletscher- und Permafrostrückgang der letzten Jahrzehnte ist (Abermann et al., 2011; Haeberli, 1994, Schöner, 2021).
1.2.2 Landnutzung in Österreich
Die regelmäßig aktualisierte Datenzusammenstellung des Umweltbundesamtes verwendet die Landnutzungsdefinitionen der Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC; Umweltbundesamt, 2020). Nach dieser Statistik nehmen Wälder fast die Hälfte des Bundesgebietes ein, Agrarland ein Drittel, fast 7 % der Fläche sind Siedlungen und 10 % verteilen sich auf andere Nutzungsformen (Tab. 1.1).
Die Angaben über Ackerland und Grünland stammen aus den Agrarstrukturerhebungen und Invekos (ÖSTAT, 1998, 1994, 1994, 1991; Statistik Austria, 2018a,b, 2014, 2013, 2006, 2005, 2001), über Waldfläche aus der Österreichischen Waldinventur (BFW, 2022, 2011; Schieler et al., 1995) und über Siedlungsfläche und Feuchtgebiete aus der Datenbank des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen (BEV, 2019). Alle Flächen, die nicht in diese Systematik fallen, werden als Sonstiges Land zusammengefasst (Umweltbundesamt, 2020). Aufgrund von Inkonsistenzen, unterschiedlichen Definitionen, Definitionsänderungen und anderen Brüchen in der Zeitreihe der Datengrundlagen für Landnutzungsflächen Österreichs ist es für das UNFCCC Reporting notwendig, eine über die Zeitreihe und bezogen auf die gesamte Staatsfläche konsistente und vollständige Landnutzungsstatistik zu erstellen und die Flächen in den Datenquellen entsprechend anzupassen. Daraus ergibt sich, dass die Landnutzungsflächen laut österreichischer THG-Inventur (Tab. 1.1) von anderen Datenquellen abweichen.
Österreich ist eines der waldreichsten Länder Europas. Der Wald erfüllt Nutz-, Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungsfunktionen, die jeweils im vorrangigen öffentlichen Interesse stehen (BMLRT, 2021). Etwa 15 % des Waldes werden von den Österreichischen Bundesforsten bewirtschaftet, 22 % von privaten Forstbetrieben mit mehr als 200 ha Waldbesitz, 14 % fallen in die Kategorie Landes- und Gemeinschaftswald und 49 % des Waldes sind sogenannte Klein-Privatwälder (BMNT, 2017). Nadelbäume machen etwa 80 % des Holzvorrates im österreichischen Ertragswald aus (BFW, 2022).
Von den 2,74 Mio. ha landwirtschaftlichen Nutzflächen entfällt etwa jeweils die Hälfte auf Ackerland (1,41 Mio. ha) und Dauergrünland (1,33 Mio. ha). Die Grünlandfläche verteilt sich annähernd gleich auf intensiv (mehrschnittiges Grasland) und extensiv genutztes Grünland (einschnittige Wiesen, Streuwiesen, Hutweiden, Almen und Bergwiesen). Letzteres ist für die Artenvielfalt von großer Bedeutung (siehe Abschn. 1.4). Etwa 5 % des Ackerlandes sind Dauerkulturen. Im Jahr 2018 gab es 57.531 Haupterwerbsbetriebe, 89.782 Nebenerwerbsbetriebe, 7131 Betriebe von Personengemeinschaften und 7574 Betriebe, die von juristischen Personen bewirtschaftet wurden (BMNT, 2019a). Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe nimmt seit Jahren ab. Der Unterschied der Betriebsanzahl zwischen Agrarstrukturerhebung und INVEKOS („Integriertes Verwaltung- und Kontrollsystem“; System zur Durchsetzung einer einheitlichen Gemeinsamen Agrarpolitik [GAP] der EU-Mitgliedstaaten; BMLRT, 2022, 2020) ergibt sich aus den Zielen und der Methode: Die Agrarstrukturerhebung der Statistik Austria erfasst alle land- und fortwirtschaftlichen Betriebe mit einer Untergrenze von 1 ha (Spezialbetriebe/Forstbetriebe haben andere Untergrenzen). Die INVEKOS-Statistik beinhaltet jene Betriebe, die einen sogenannten Mehrfachantrag zur Beantragung ihrer Flächenförderungen bei AgrarMarkt Austria stellen.
Die nicht land- oder forstwirtschaftlich genutzte Landesfläche (19 %; Tab. 1.1) entfällt auf Felsen, Gletscher, Schutthalden, alpine Zwergstrauchheiden, alpine Rasen, Feuchtgebiete, Infrastruktureinrichtungen und Siedlungsräume.
Abb. 1.4 zeigt die Verzahnung von verschiedenen Formen der Landnutzung. Landwirtschaftliche Betriebe haben traditionell Ackerland auf den produktivsten und Grünland auf weniger produktiven Böden. Standorte, die aufgrund von Lageparametern oder ökonomischen Einschränkungen nicht für Landwirtschaft geeignet sind, werden als Wälder genutzt, die den betrieblichen Bedarf an Bauholz und Brennstoff decken und den Holzmarkt versorgen. Im Nordosten von Österreich und im oberösterreichischen Zentralraum ist flächenmäßig der Ackerbau vorherrschend, in den höher gelegenen Regionen im Westen von Österreich überwiegen Grünland (Almen) und Wald. Der Weinbau ist von lokaler Bedeutung. Die Siedlungsgebiete konzentrieren sich in den Regionen um die großen Städte und auf Tallagen. Abb. 1.4 zeigt, dass die Flächeninanspruchnahme durch den Siedlungsdruck viele Gebiete in Gunstlagen umfasst. Der Flächenbedarf für Verkehrsflächen und Siedlungsraum verringert die Fläche für die Erzeugung von Biomasse für Nahrungsmittel, stoffliche und energetische Zwecke, andere ökosystemare Funktionen und Standorte für erneuerbare Energieträger.
1.2.3 Dynamik der Landnutzung
In diesem Abschnitt wird die Entwicklung der Formen der Landnutzung der letzten 50 Jahre dargestellt. Die historische Entwicklung wird in den Abschn. 3.2, 3.3 und 3.4 im Detail beschrieben.
Die Zunahme der Waldfläche in Abb. 1.5 wird von der Aufforstung bzw. der natürlichen Wiederbewaldung von Agrarland in Bergregionen getrieben. Die Entscheidung zur Bewaldung eines Grundstückes liegt beim Grundbesitzer, während Rodungen der behördlichen Zustimmung bedürfen, bei der private gegen öffentliche Interessen abgewogen werden. Anlässe für Rodungen sind die Errichtung von Infrastrukturen (Verkehrswege, Leitungstrassen) oder Erweiterungen des Siedlungsgebiets. Die zeitliche Entwicklung der Waldfläche ist in Abschn. 3.3.1 beschrieben. Gegenläufig zur Waldfläche entwickelt sich die Fläche des Agrarlandes. Tendenziell ist der Verlust an Grünland der Vergrößerung der Waldfläche geschuldet, während Ackerland in den Tallagen dem Flächenbedarf für Siedlungen und Infrastruktur weicht. Die Bodeninanspruchnahme findet im Umfeld der Siedlungen und im Hinterland der Städte statt und betrifft teilweise produktive Böden. Die Abb. 1.6 zeigt, dass sich die Siedlungsfläche in den letzten 50 Jahren annähernd verdoppelt hat und etwa gleich groß ist wie die Zunahme der Waldfläche im selben Zeitraum. Die Themen des Siedlungsdruckes werden in den Abschn. 3.4 und 5.1.3.4, Kap. 6 und 7 aufgegriffen.
Die Bodeninanspruchnahme in Österreich liegt weit über dem europäischen Durchschnitt. Zentrale Bodenfunktionen wie „Produktion von Biomasse“, „Filterung, Pufferung, Transformation“, „biologische Habitate“ (Blum, 2014) werden von überbauten Flächen nicht erfüllt (Umweltbundesamt, 2022b, Abb. 1.6). Bodenschutz wird auf kommunaler Ebene im Rahmen von Bodenbündnissen (https://www.bodenbuendnis.or.at/) forciert und wurde im Regierungsprogramm explizit verankert. Die Flächeninanspruchnahme soll so gering als möglich gehalten werden und der jährliche Zuwachs bis 2030 auf 9 km2 pro Jahr sinken (Bundeskanzleramt, 2020). Auf EU-Ebene gilt die Vereinbarung, bis zum Jahr 2050 „… einen Nettolandverbrauch von Null zu erreichen …“ (EC, 2011). Die Instrumente des Bodenschutzes und die vielfache Inanspruchnahme von Böden sind eine Querschnittsmaterie, die in den Kap. 3, 4 und 5 behandelt wird. Die Wirkmächtigkeit der Raumplanung wird in den Kap. 6 und 7 diskutiert.
Die Erträge in der Landwirtschaft haben im letzten Jahrhundert durch den Einsatz von Mineraldüngern, die Mechanisierung, Automatisierungslösungen, die zunehmende Digitalisierung (Sinabell et al., 2017b; Spiegel et al., 2021), Fortschritte in der Pflanzenzüchtung und steigende Pflanzenschutzmittelmengen enorm zugenommen. Nach einer Periode überhöhter Düngergaben hat sich seit den späten 1980er-Jahren eine effiziente, bedarfsgerechte Düngung durchgesetzt. Der Bedarf an Lebens- und Futtermitteln wird teilweise außerhalb der Landesgrenzen gedeckt (Abschn. 3.2.2). Seit den 1970er-Jahren findet eine Entkopplung der Erträge und des Einsatzes von Betriebsmitteln (Dünger, Maschinen, Bewässerung) statt (Gingrich & Krausmann, 2018). Österreich liegt im Trend eines wachsenden Umweltbewusstseins mit einem Anstieg an Biolandbau und relativer De-Intensivierung (Jepsen et al., 2015). Der Anteil der landwirtschaftlichen Biobetriebe an allen INVEKOS- (geförderten) Betrieben ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und betrug 2018 21,3 % (BMNT, 2019a). 18 % der Ackerfläche und 32 % der Dauergrünlandflächen werden biologisch bewirtschaftet. Auch der Anteil an biologisch bewirtschafteten Weingärten (15 %) und Obstflächen (34 %) steigt (BMNT, 2019a). Die Ernteerträge sind bei biologisch angebauten pflanzlichen Erzeugnissen tendenziell niedriger als bei konventioneller Bewirtschaftung (Brückler et al. 2018). Bei Biogetreide werden im Schnitt 35 % und bei Biohackfrüchten 27–49 % niedrigere Erträge erzielt, regional können die Erträge auch fast gleich ausfallen. Bei Ölsaaten variieren die Ertragsunterschiede je nach Kulturart. Die monetären Erträge sind bei Biobetrieben höher als bei konventionellen, weil weniger Aufwand für Dünge- und Pflanzenschutzmittel entsteht und höhere Förderungen und Marktpreise lukriert werden können (BMNT, 2019a; Abschn. 3.2.3, 4.2.1, 5.1.1, 5.3.1, 5.3.2 und 8.4.3).
Um die Landnutzung klima- und umweltfreundlich auszurichten, sind nachfrageseitige Änderungen von Bedeutung, die an verschiedenen Stellen des Berichtes diskutiert werden. Derzeit steigt der Wohnraumbedarf durch höhere Ansprüche an die Wohnfläche und die steigende Bevölkerung. Nachfrageseitige Gestaltungsmöglichkeiten zur Entlastung der Landnutzung sind die Reduktion des Bedarfes an Gebäuden und Infrastrukturen. Die integrative Gestaltung dieser Aufgabe wird von der Raumplanung wahrgenommen, um in Zukunft die Zersiedelung und Bodeninanspruchnahme gering zu halten (Abb. 1.5 und 3.6, Box 6.9; Abschn. 1.6.2, 6.6, 7.1.2 und 7.3). Die Ernährungsmuster der Österreicher und insbesondere der hohe Fleischkonsum haben ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf die Landnutzung und die daraus folgenden Emissionen an Treibhausgasen (siehe Abschn. 2.2.3.4; 2.7; 5.3.2.1 und 6.4). Das Ernährungsthema wurde im APCC Special Report Gesundheit (APCC, 2018) und im APCC Report „klimafreundliches Leben“ (APCC, 2023) dargestellt. Die individuelle Verantwortung für einen ressourcenschonenden Lebensstil, der verstärkt auf Vermeiden, Substituieren und Verbessern setzt, um die Landnutzung zu entlasten, und der sparsame Umgang mit Energieträgern sind von entscheidender Bedeutung (Creutzig et al., 2022; Haas et al., 2023).
1.2.4 Treibhausgasemissionen in Österreich
Der C-Kreislauf umfasst C-Bestände und C-Flüsse. Bestände bezeichnen die Masse an C, die zu einem Zeitpunkt in einem Kompartiment vorhanden ist – in vielen Kompartimenten ist C längerfristig gebunden. Flüsse bezeichnen C-Transporte zwischen Beständen, gemessen als Masse pro Zeiteinheit (z. B. Tonnen pro Flächeneinheit und Jahr). In Landökosystemen sind die wichtigsten Kompartimente die Biomasse und der Boden, im menschlich überprägten Raum ist C in verschiedensten Materialien (z. B. Infrastrukturen) eingelagert. C-Flüsse ergeben sich über die Assimilation von CO2 durch Pflanzen, die Atmung aller Lebewesen und die anthropogene C-Freisetzung aus den C-Beständen (z. B. Verbrennung fossiler Brennstoffe oder Brennholz). In der Folge werden sowohl die von der Landnutzung beeinflussten Bestände als auch Flüsse dargestellt.
Die Zunahme der Waldfläche und die Diskrepanz zwischen Zuwachs und Nutzung führen zu einer stetigen Zunahme von C-Beständen in Österreichs Vegetation. Der Stammholzvorrat des österreichischen Waldes hält derzeit etwa 1,2 Mrd. Kubikmeter und hat sich seit 1970 um 50 % erhöht (Büchsenmeister, 2011; Umweltbundesamt, 2019; BFW, 2022; Abschn. 3.3). Eine Steigerung des Holzvorrates im österreichischen Ertragswald ist möglich, wenn der jährliche Zuwachs größer als die Summe von Nutzung und Verlusten (z. B. durch Sturm und Schädlinge) ist (Abschn. 2.2.3, 3.3, 4.3.1 und 5.1.2).
Landwirtschaftliche Flächen haben weitaus geringere C-Bestände in der ober- und unterirdischen Biomasse als der Wald. Ackerflächen weisen im Durchschnitt am Höhepunkt der Vegetationsentwicklung ca. 9,7 t C/ha Fläche auf, traditionell bewirtschaftete Grünlandflächen etwa 13 t C/ha mit geringen Änderungen des C-Pools zwischen den Jahren (Tasser et al., 2020; Wohlfahrt et al., 2008b, 2008a). Werden Grünlandflächen oder Ackerflächen in Dauerkulturen (z. B. Obstgärten) umgewandelt, steigt der C-Vorrat in der Biomasse auf ca. 25,4 t C/ha an (Tasser et al., 2020).
Wälder, die ursprünglich die österreichische Landschaft dominierten, tragen heute nur wenig zur Ernährung der Menschen und Nutztiere bei (Binkley, 2021; Glatzel, 1994; Johann et al., 2021). Die über Jahrtausende stattfindende Umwandlung in eine agrarische Kulturlandschaft hat die C-Bestände der Ökosysteme etwa halbiert (Erb, 2004; Gingrich et al., 2007).
Die durchschnittlichen C-Vorräte im Boden sind von der Form der Landnutzung abhängig. Es gibt verschiedene Angaben, da sich die Datenlage jährlich verbessert und in den verschiedenen Berichten die Vorräte bis in unterschiedliche Tiefen berichtet werden (Gerzabek et al., 2005; Umweltbundesamt, 2011; Tab. 1.2 und 2.3).
Änderungen der Landnutzungsform haben deutliche Effekte auf den Bodenkohlenstoff. Die Ausweitung der Waldfläche vergrößert langfristig den Bodenkohlenstoffvorrat, die Ausweitung der Siedlungsfläche verringert ihn (Abb. 1.5 und 3.6). Die Möglichkeiten der Beeinflussung des Bodenkohlenstoffvorrates durch Bewirtschaftungsmaßnahmen werden in den Abschn. 2.5 und 5.1 erläutert.
Die Landnutzung in Österreich ist eine wesentliche Komponente der THG-Bilanz. Im Jahr 2020 betrugen die jährlichen Gesamtemissionen in Österreich rund 74 Mio. t CO2e/Jahr (CO2e = kt CO2-Äquivalente), der Vergleich mit den Ergebnissen für die Jahre 2018 und 2019 zeigt den Pandemie-bedingten Emissionsrückgang in 2020 (Tab. 1.3). Der Hauptverursacher ist dabei mit 68 % der Emissionen (50 Mio. t CO2e/Jahr) der Energiesektor (sämtliche Verbrennungsemissionen und diffuse Emissionen von Treibstoffen; Abb. 1.7. Siehe auch Abschn. 1.5.2 und 5.1). Der größte Anteil (42 %) der Emissionen des Energiesektors stammt aus dem Verkehr, 39 % aus der Energieaufbringung, der Rest setzt sich aus Emissionen im Gebäudesektor und sonstigen Quellen zusammen. Rund 20 % der Emissionen Österreichs (15 Mio. t CO2e/Jahr) wurden 2020 von industriellen Prozessen verursacht. Der Abfallwirtschaftssektor verursachte im Jahr 2020 rund 2 % der Gesamtemissionen (1 Mio. t CO2e/Jahr). Der Sektor Landwirtschaft (Emissionen aus Tierhaltung und Düngung) verursachte 2020 ca. 10 % (7 Mio. t CO2e/Jahr). Die Landnutzung, gemäß den Konventionen des IPCC im Sektor „Landwirtschaft, Waldnutzung und andere Landnutzungen“ (AFOLU für „Agriculture, Forestry and Other Land Uses“) zusammengefasst, trägt mit rund 6 Mio. t CO2e/Jahr rund 8 % zu den Gesamtemissionen bei. Der Landwirtschaftsbereich ist dabei eine Netto-Quelle für Emissionen (7 Mio. t CO2e/Jahr oder 9 % der Gesamtemissionen), während der Bereich „Waldnutzung und andere Landnutzungen“ (auch „Landnutzung, Landnutzungswechsel und Forstwirtschaft, LULUCF“ genannt) im Jahr 2020 eine Senke von −1187 kt CO2e, das sind ca. 2 % der gesamten THG-Emissionen, darstellte (Tab. 1.3; Umweltbundesamt, 2022b; Abschn. 2.2.3).
Die Erhöhung der Senkenwirkung des Waldes und die Verminderung der THG-Emissionen im Sektor Landwirtschaft sind zentrale Klimawandel-Minderungsstrategien im AFOLU-Sektor (i.e. die Sektoren Landwirtschaft plus LULUCF), die durch das Zusammenspiel vieler Maßnahmen (z. B. verändertes Management in Ackerbau und Viehzucht, Nutzung von Bioenergie, Substitution von Materialien mit großen Treibhausgasintensität) erreicht werden sollen (Abschn. 2.3; 2.5 und Kap. 5).
Seit 1990 wurden die THG-Emissionen aus dem Sektor Landwirtschaft um 14 % verringert, weil der Viehbesatz und der Einsatz von Stickstoffdünger reduziert wurden (Abschn. 2.2.3.2). In der Land- und Forstwirtschaft fallen neben den Emissionen in Tab. 1.3 auch Emissionen durch die Verbrennung fossiler Energieträger an, die gemäß IPCC-Konvention nicht im Landnutzungssektor, sondern im Energiesektor erfasst sind. Diese stammen aus der stationären Verbrennung, z. B. Beheizung landwirtschaftlicher Gebäude, mobilen Geräten, Erntemaschinen.
Im Sektor LULUCF haben sich die Netto-Senken seit den 2000er-Jahren verringert und waren im Jahr 2020 im Vergleich zu 1990 um rund 90 % reduziert. Einflussfaktoren waren niedrige Waldnutzungsraten in den 1990er-Jahren, eine Zunahme von Schadereignissen ab den 2000er-Jahren, eine auch dadurch verursachte höhere Holznutzung in den 2000er-Jahren sowie ein Rückgang des Holzzuwachses im Wald. Bei der derzeitigen stofflichen und energetischen Holznutzung ist der Wald nachweislich bereits seit 1960 eine THG-Netto-Senke (Weiss et al., 2000), siehe auch Box 2.1.
Seit dem Jahr 2006 ist der landbasierte AFOLU-Sektor Österreichs (Landwirtschaft und LULUCF) keine Netto-Senke (Abb. 1.8); Emissionen und Senken der landbasierten Sektoren (siehe Abschn. 2.2.3; Umweltbundesamt, 2022b).
1.3 Zukünftige Herausforderungen
1.3.1 Auswirkungen des Klimawandels auf das Klima Österreichs
In den nächsten Jahrzehnten muss man von einer weiteren Erwärmung in Österreich ausgehen. Beim Szenario RCP 2.6 steigt die mittlere Temperatur um zumindest 1 °C bis zur Mitte des Jahrhunderts an und stabilisiert sich danach. Beim Szenario RCP 4.5 beträgt der Temperaturanstieg bis zur Mitte des Jahrhunderts rund 1,5 °C, steigt in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts moderat weiter an, und die Temperatur liegt am Ende des Jahrhunderts um etwa 2,5 °C höher als heute. Bei RCP 8.5 beträgt die Erwärmung bereits in der Mitte des Jahrhunderts knapp 2 °C, und die Temperatur liegt am Ende des Jahrhunderts um etwa 4,5 Grad über dem heutigen Niveau. Die saisonale Entwicklung der Temperatur wird sich nicht stark verändern. Lediglich in den Übergangsjahreszeiten, speziell im Frühjahr, scheint die Erwärmung etwas schwächer ausgeprägt als im Winter und Sommer (siehe Abb. 1.9).
Beim Niederschlag zeigen die aktuellen Klimaszenarien (Chimani et al., 2016) tendenziell eine leichte Zunahme des Jahresniederschlages im Vergleich zu 1971–2000. Die Szenarien sind jedoch unsicher. Die Klimamodelle variieren in Gebirgsregionen stark. In Abb. 1.9 ist das Ensemblemittel aus 15 regionalen Klimamodellen dargestellt. Das Ergebnis ist belastbarer als das Ergebnis eines einzelnen Modelles. Dennoch müssen die Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden. Der konvektive Niederschlag aus Gewittern, der in den trockenen Regionen des Nordens und Ostens des Landes einen wesentlichen Teil des Jahresniederschlages ausmacht, wird von der derzeitigen Generation regionaler Klimamodelle vereinfacht dargestellt. Belastbarer sind Berechnungen der Niederschlagsintensität, die direkt an die Temperatur gekoppelt ist. Man muss von einem Anstieg der Niederschlagsintensität mit all ihren Folgen ausgehen (Pichelli et al., 2021). Die Modelle zeigen ausgeprägte Unterschiede der Niederschlagsverteilung in den Jahreszeiten. Unabhängig vom Emissionsszenario kommt es im Winter zu einer Niederschlagszunahme von rund 10 % bis zur Mitte des Jahrhunderts und im Emissionsszenario RCP 8.5 sogar um rund 20 % bis zum Ende des Jahrhunderts. Dem steht ein Gleichbleiben des Niederschlages im Sommer gegenüber. Es zeigen sich auch regionale Unterschiede. So liegt das österreichische Flächenmittel der Niederschlagsentwicklung am Ende des Jahrhunderts im Sommer und RCP 8.5 bei −0,1 %. Es gibt aber große Gebiete, in denen der Niederschlag um bis zu 10 % ab- oder auch zunimmt.
Durch den Temperaturanstieg und die Niederschlagsveränderungen wird es zu einer Verschiebung der Klimazonen kommen. Da im Gebirgsland Österreichs durch die Vertikalerstreckung viele Klimazonen räumlich eng beieinanderliegen, kann eine rasche Anpassung der Ökosysteme stattfinden, da für die Migration von Tieren und Pflanzen keine weiten Strecken zurückgelegt werden müssen wie im flachen Gelände. Veränderungen in den Ökosystemen durch den Klimawandel im Alpenraum werden somit rasch sichtbar werden (Abschn. 3.5.4).
1.3.2 Herausforderungen für die Energiegewinnung
Der österreichische Brutto-Inlandsverbrauch an Energie betrug 2021 etwa 1426 Petajoule (PJ) und ist damit, nach einem pandemiebedingten Rückgang im Jahr 2020, wieder auf dem Niveau der vorangehenden Jahre. Rund zwei Drittel (65 %) entfallen auf die fossilen Energieträger Erdöl, Erdgas und Kohle. Biogene Energieträger, das sind einerseits feste biogene Brenn- und Treibstoffe sowie gasförmige Energieträger, tragen rund 17 % bei (Abb. 1.10). Zu den festen Brennstoffen zählen Scheitholz, Hackschnitzel, Pellets, Holzbriketts, Sägenebenprodukte sowie Ablaugen und der biogene Teil des Hausmülls, die zur Wärmebereitstellung oder in KWK-Anlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt werden. Gasförmige Brenn- und Treibstoffe sind Biogas, Klär- und Deponiegas, dazu kommen flüssige Treibstoffe wie Biodiesel, Bioethanol und Pflanzenöle, die im Verkehrssektor eingesetzt werden.
Daneben tragen die landnutzungsrelevanten erneuerbaren Energien folgende Mengen bei: Wasserkraft (ca. 10 %), Windkraft (1,7 %) und Photovoltaik (0,7 %). Der Rest entfällt auf brennbare Abfälle, Umgebungswärme (Solarthermie, Geothermie, Wärmepumpen) und Netto-Stromimporte. Die Ziele für 2030 sind 100 % national bilanziell erzeugter Strom aus erneuerbaren Energieträgern und bis 2040 die Defossilierung der gesamten Energieerzeugung. Um diese Ziele zu erreichen sind ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energieträger, der zugehörigen Infrastrukturen und Speicher(-technologien) und die Erhöhung der Energieeffizienz notwendig (BMK, 2022; BMNT & BMVIT, 2018; Meyer et al., 2018). Die vermehrte Einbindung volatiler Erzeugungsanlagen (PV, Solarthermie und Windkraft) stellt erhöhte Anforderungen an die Stabilisierung der Energieversorgung. Hier kommt, neben den Speichertechnologien, der kontinuierlich erzeugten Bioenergie eine wichtige Rolle zu.
Der Einsatz von Biomasse für die energetische Nutzung wird kontroversiell diskutiert (Winiwarter & Gerzabek, 2012), einerseits wegen der Netto-CO2-Emissionseffekte (siehe Box 1.1), andererseits wegen der möglichen Konkurrenz zur Nahrungsmittelherstellung sowie negativer Auswirkungen auf die Biodiversität (Kalt et al., 2020). Ein großer Teil der Rohstoffe zur Bereitstellung von biogenen Energieträgern (Agrotreibstoff, Energie aus forstlicher Biomasse) wird importiert (Kalt, 2015; Kalt & Kranzl, 2012). Hier muss also nicht nur die Flächennutzung im Inland, sondern die globale Flächennutzung entlang der gesamten Wertschöpfungskette berücksichtig werden (Abschn. 3.2.2.2).
In Österreich ist der Wald Hauptlieferant von Bioenergie: 14 % der im Inland produzierten erneuerbaren Energie (450,7 PJ/Jahr) entfallen auf Scheitholz, 40 % auf sonstige feste biogene Energieträger, die zum Großteil aus Waldbiomasse hergestellt werden, und rund 1 % auf Biogas (BMK, 2022). Die Rolle von Holz als historisch einziger technischer Energieträger von relevantem Ausmaß hat sich durch technologische Entwicklungen verändert (Abschn. 2.6.2).
In Österreich wurden im Jahr 2020 19,7 Mio. Kubikmeter [m3] aus dem Einschlag im österreichischen Wald und 7,2 Mio. m3 aus dem „sonstigen Aufkommen“ (das sind Holzmengen aus dem Kleinstwald, Nutzung von Flurgehölzen, rezykliertes Altholz und Lagerstandsänderungen) eingesetzt. Importiert wurden 21,8 Mio. m3 Holz (davon 14,8 Mio. m3 Säge- und Industrierundholz und 7,0 Mio. m3 Halbfertigprodukte und Säge- bzw. Industrienebenprodukte). In der gesamten österreichischen Holzverarbeitungskette wurden im Jahr 2020 48,7 Mio. m3 Holz eingesetzt (Summe aller Inputs), davon allein in der Sägeindustrie 20,8 Mio. m3. Davon kommen 8,1 Mio. Festmeter [fm] ohne Rinde, 0,5 Mio. fm Kappholz und 1,1 Mio. fm Rinde aus dem österreichischen Wald. Reststoffe der Schnittholz-, Platten- und Papiererzeugung belaufen sich auf etwa 50 %, die zuletzt energetisch genutzt werden (Strimitzer, 2020; Strimitzer et al., 2022).
Die gesamte in Österreich eingesetzte Energie aus Holz betrug im Jahr 2019 24,8 Mio. m3 und 2020 25,5 Mio. m3 (rund 196 PJ), das entspricht rund 16 % des gesamten Energieverbrauchs Österreichs (BMK, 2022). Davon wurden 71 % industriell (KWK-Anlagen, Heizanlagen, Prozessdampferzeugung) eingesetzt. Die – verglichen mit im Inland geerntetem Holz – große Menge an gesamter energetischer Verwendung kann durch die hohen Holzimporte und die bei der Verarbeitung anfallenden Mengen an Reststoffen erklärt werden. 10,3 Mio. m3 (40 % der gesamten energetischen Verwendung) Holz (Hackgut, Brennholz) wurden im Jahr 2020 direkt energetisch genutzt. Betrachtet man alle energetisch verwendeten Holzströme, stellen 48 % Reststoffe der Verarbeitungskette dar (Rinde, Nebenprodukte), 12 % stammen aus direkt energetisch verwendeten Importen und 40 % aus inländischen Quellen. Berücksichtigt man, dass 53 % des gesamten in der Holzverarbeitungskette umgesetzten Holzes aus Importen stammt, ergibt sich für 2019 im Durchschnitt ein Importanteil von 37 % der österreichischen energetischen Holzverwendung (siehe auch Box 3.4).
Hackgut und Rinde werden in Heizanlagen genutzt und Brennholz wird v. a. zur Erzeugung von Raumwärme von Kleinwaldbesitzern genutzt. Sägenebenprodukte, Industrierestholz und Presslinge, hauptsächlich energetisch genutzt, zeigten im Jahr 2020 einen Netto-Import (3,7 Mio. m3 Import und 2,6 Mio. m3 Export). Das energetisch genutzte Holz aus inländischem Aufkommen setzt sich hauptsächlich aus Durchforstungs- und Schadholz zusammen, das aus qualitativen Gründen derzeit stofflich nicht nutzbar ist, und aus Brennholz, das oft von Kleinwaldbesitzern für den Eigenbedarf (Raumwärme) erzeugt wird.
In der österreichischen THG-Bilanz (Umweltbundesamt, 2023) werden nur die Holzprodukte und die Energie aus dem österreichischen Einschlag dargestellt. Holzprodukte und Energie aus importiertem Holz werden im Ursprungsland berücksichtigt (siehe Kap. 2 und Box 1.1).
Problematisch ist beim Einsatz der Bioenergie die Feinstaubbelastung, die zum Beispiel bei der Nutzung veralteter Technologien zum Verbrennen von Scheitholz entsteht (Schwarz & Strasser, 2019). Die Einbindung von privaten lokalen oder regionalen Energiegemeinschaften in die Energieversorgung fördert die Wandlung der Konsument_innen zu Prosument_innen, die gemeinsam Energie erzeugen, konsumieren und verkaufen (Frieden et al., 2020). Die Dezentralisierung der Energieerzeugung stellt die Flächennutzung vor neue Herausforderungen (Abb. 1.10, Box 3.4; Abschn. 3.2.2.2, und 8.4.2.1). Zu berücksichtigen sind dabei der Flächenbedarf für Windkraft- und Solaranlagen (Frühwald & Ulrich, 2007), für den Straßenbau für Transporte und Wartung der Anlagen sowie eventuelle Flächennutzungsänderungen im Umkreis der Anlagen oder auch Versiegelungen für und/oder Flächennutzungsänderungen unter Solar-Großflächenanlagen. Semizentrale Speicher für Strom oder Wärme können ebenfalls eine Rolle spielen (Abschn. 7.1.2 und 5.1.3.4).
Bereits bestehenden Großanlagen und damit auch der Energie aus Biomasse werden in dieser Entwicklung besondere Bedeutung seitens des Gesetzgebers zugemessen:
„Bestehende Wind- und Wasserkraftwerke sowie hocheffiziente Biomasseanlagen in Landwirtschaft und Industrie sollen auch in Zukunft zur Erreichung des 100 % erneuerbaren Stromziels und der Wärmeversorgung aus erneuerbaren Quellen beitragen. Der Erhalt bestehender hocheffizienter Anlagen minimiert den Verbrauch an Flächen und Ressourcen und unterstützt so eine naturverträgliche Transformation des Energiesystems (BMNT & BMVIT, 2018).“
Angesichts des alarmierenden Raubbaus am Wald infolge der nicht nachhaltigen Bewirtschaftungsformen – u. a. in einigen europäischen Ländern – erlässt die Europäische Union Richtlinien (Renewable Energy Directive; RED). Während in Österreich gerade die Zweite Erneuerbare-Energie-Richtlinie in Gesetzesform gegossen wurde (Herbst 2022), wird seitens der EU bereits die Dritte Erneuerbare-Energie-Richtlinie verhandelt. Insgesamt wird die primärenergetische Nutzung von Biomasse aus Holz von der EU kritisch gesehen. Die absehbaren Ergebnisse sind eine verstärkte kaskadische Nutzung von Holz, die Begrenzung der energetischen Nutzung von Primärholz auf dem aktuellen Stand und die Ausdehnung der Nachweispflicht des Bezuges von Holz aus nachhaltiger Bewirtschaftung für kleinere Energiegewinnungsanlage als bisher. Die Energiegewinnung aus forstlicher Biomasse ist in Österreich wesentlich weiter entwickelt als in anderen Staaten. Mit den erwarteten Einschränkungen aus der Dritten Richtlinie wird ein weiterer Ausbau der energetischen Biomasse(/Holz)-Nutzung schwieriger. Die bisher erarbeiteten Zielpfade für den Umstieg auf erneuerbare Energieträger werden aufgrund der Dritten Richtlinie zu überarbeiten sein. Im Rahmen der Transformation des österreichischen Energiesystems wird der Energieraumplanung hier eine bedeutende Rolle zukommen (Kap. 7).
Box 1.1 Standpunkte zur Klimaneutralität der Waldnutzung
Unterschiedliche methodische Zugänge kommen zu unterschiedlichen Beurteilungen der Klimaneutralität der Waldnutzung. In dieser Box werden zwei kontroverse Standpunkte nebeneinander dargestellt, ohne eine Wertung über deren Allgemeingültigkeit vorzunehmen.
Bei der energetischen (thermischen) Nutzung von Wald-Biomasse wird CO2 emittiert, das zuvor im Zuge des Pflanzenwachstums von Ökosystemen aus der Atmosphäre akkumuliert wurde. Biomassenutzung verändert allerdings C-Flüsse und Bestände in der Vegetation, daher herrscht aus wissenschaftlicher Perspektive hohe Übereinstimmung bei robuster Evidenz, dass Biomassenutzung nicht per-se als klimaneutral betrachtet werden kann (Cowie et al., 2021; Erb et al., 2022; Norton et al., 2019; Searchinger et al., 2009). Die Frage, wann die stoffliche/energetische Nutzung der Biomasse eine negative Wirkung auf das Klima hat oder klimaneutral ist, stellt eine wissenschaftliche Kontroverse dar, die im Folgenden kurz umrissen wird.
Das Konzept der Klimaneutralität bezeichnet nach IPCC (2018b) einen Zustand, in dem menschliche Aktivitäten keine Netto-Auswirkungen auf das Klimasystem haben. Das Erreichen eines solchen Zustands würde einen Ausgleich zwischen Quellen und Senken von Treibhausgasen sowie die Berücksichtigung regionaler oder lokaler biogeophysikalischer Auswirkungen menschlicher Aktivitäten, wie zum Beispiel die Oberflächenalbedo oder das lokale Klima, bedingen. CO2-Neutralität zielt hingegen ausschließlich auf biogeochemische Effekte ab. Die vermeintlich einfache Rechenaufgabe der „Klimaneutralität“, wie auch der CO2-Neutralität, erweist sich als komplex, da sie maßgeblich von Systemdefinitionen und Systemgrenzensetzungen abhängig ist und bis zu den Berichtsmodalitäten von nationalen Treibhausgasinventuren reicht. Die Diskussion um die CO2-Neutralität wird als ISO/DIS 14068 (Greenhouse gas management and climate change management and related activities – Carbon neutrality; https://www.iso.org/standard/43279.html) diskutiert, eine universell funktionierende Definition muss für sämtliche Wirtschaftsbranchen und Systemen funktionieren (nicht nur für die Waldsenke bzw. -bewirtschaftung) und ist daher schwierig zu erstellen.
An dieser Stelle werden in Tab. 1.4 zwei wissenschaftliche Standpunkte vorgestellt und mit ausgewählten Referenzen zu aktuellen Beiträgen belegt, die ihrerseits die umfangreiche Sekundärliteratur zitieren. Mangels verbindlich vereinbarter Definitionen werden in beiden Standpunkten unterschiedliche zeitliche und funktionale Systemgrenzen gezogen, sodass dieselbe natürliche Ausgangslage zu verschiedenen und gegensätzlichen Schlussfolgerungen führen kann. Eine kritische Auseinandersetzung mit vielen Originalzitaten zum Thema ist auch in Cowie et al. (2021); Mather-Gratton et al. (2021) und Erb et al. (2022) zu finden.
Gemeinsam ist beiden Standpunkten der Bezug auf größere räumliche Einheiten (Landschaft, Region, Staatenebene), die Favorisierung der stofflichen über der energetischen Nutzung von Holzbiomasse und die energetische Nutzung von Reststoffen, die bei der Produktion von wichtigen Holzdienstleistungen oder -produkten anfallen und nicht weiterhin für solche nutzbar sind, oder von unrezyklierbaren Holzprodukten am Ende der Lebensdauer, und die in beiden Standpunkten als vorteilhaft angesehen wird. Im Folgenden sind wichtige Unterschiede der beiden Standpunkte herausgearbeitet.
Fazit Die Holznutzung ist gemäß Standpunkt 1 in nachfolgender Situation klimaneutral: In Österreich werden die Wälder nachhaltig bewirtschaftet. Der Holzvorrat im Wald nimmt seit Jahrzehnten zu, weil die jährliche Nutzung stets kleiner war als der jährliche Zuwachs an Biomasse. Seit Jahrzehnten hat die Waldbewirtschaftung gleichzeitig jährlich mehr Rohstoff und mehr Senkenwirkung ermöglicht. Diese positive zeitliche Entwicklung wurde in Mittel- und Nordeuropa beobachtet. Sie ist allerdings zeitlich begrenzt. Die Zunahme des Vorrates wurde durch die Verlängerung der Vegetationsperiode, die Einträge von Stickstoff aus der Atmosphäre und durch Bewirtschaftungsmaßnahmen verursacht. Da bei gleichbleibender oder sogar intensivierter Waldnutzung jährlich mehr CO2 im österreichischen Wald gebunden als in Form von Produkten und Energieträgern entzogen wird, ist die Holznutzung klimaneutral (Borchert & Riebler, 2022; Nabuurs et al., 2017; Schulze et al., 2021).
Die Holznutzung bedarf laut Standpunkt 2 der expliziten Betrachtung der Zeitdimension und der integrierten Betrachtung von direkten C-Flüssen und Beständen in Waldökosystemen und in der Gesellschaft sowie auch von C-Opportunitätskosten der Waldernte (Erb et al., 2022; Erb & Gingrich, 2022; Searchinger et al., 2018). Dieser Standpunkt begründet auch die Berechnung der „Carbon Parity Time“, die eine Erweiterung des „Carbon Debt“-Ansatzes (zu Deutsch etwa „Kohlenstoffschuld“; Mitchell et al., 2012; Nabuurs et al., 2017; Ter-Mikaelian et al., 2015) darstellt. Die „Carbon Debt“ errechnet die Zeit, die notwendig ist, initiale C-Verluste, die durch Ernte verursacht werden, durch Substitution „zurückzuzahlen“. Die „Carbon Parity Time“ bezieht sich explizit auf genutzte Wälder und drückt die Zeitspanne aus, bis „Kohlenstoffbindungsparität“ erreicht ist. Diese Kohlenstoffbindungsparität ist erreicht, wenn die Summe aus C-Vorrat im geernteten Wald und Produkten und vermiedenen Emissionen (durch Substitution, s. unten) gleich groß ist wie der hypothetische C-Vorrat im Wald, der sich ohne diese Ernte einstellen würde.
Maßgeblich für die Berechnung der Kohlenstoffparität ist in Standpunkt 2 folglich, neben der Betrachtung der C-Dynamik im Wald, die Klimawirksamkeit der Substitution. Der Substitutionskoeffizient, ist die Höhe der Emissionsminderung, die pro Einheit Biomasseverwendung tatsächlich erzielt wird. Diese ist von der gesellschaftlichen Verwendung des geernteten Holzes, der durchschnittlichen Verweildauer von C in gesellschaftlichen Beständen sowie der Emissionsintensität der substituierten Produkte abhängig (Kalt et al., 2019; Leturcq, 2020; Olsson et al., 2019). Eine Dekarbonisierung des Energiesystems verkleinert den Substitutionskoeffizienten und verlängert ceteris paribus die „Parity Time“.
Darstellung der Biomasse-bezogenen Kohlenstoffemissionen in nationalen Treibhausgasinventuren Häufig wird aus den Berechnungsrichtlinien des IPCC (IPCC, 2006), das im Energiesektor keine CO2-Emissionen aus Biomasse berücksichtigt (sehr wohl CH4 und N2O), gefolgert, dass das IPCC Biomassenutzung pauschal als C-neutral ansieht (https://www.ipcc-nggip.iges.or.jp/faq/faq.html). Dies beruht auf einer Fehlinterpretation der Berechnungsansätze. Das IPCC zielt auf ein Monitoring aller anthropogenen C-Flüsse auf globaler Ebene ab. Gemäß den IPCC-Richtlinien (IPCC, 2006) wird die Entnahme der Biomasse im Land der Entnahme (und damit im Landnutzungssektor) vollständig als CO2-Emission bilanziert. Aus diesem Grund wird sie nicht im Energiesektor nochmals gerechnet, da sonst eine Doppelzählung vorliegen würde. Ein allfälliges Berechnen entgangener künftiger Senken durch die Biomassenutzung ist nicht Teil des IPCC-Monitorings. De facto bilanzieren THG-Inventuren, was die Atmosphäre aus der Biomassenutzung auf globaler Ebene „sieht“: Wenn der Biomassezuwachs in einem Staat höher als der Biomasseabgang (etwa durch Rodungen, Landnutzungswechsel, Waldernte) ist, bilanziert der Landnutzungssektor als Senke – im umgekehrten Fall als Quelle. Im Fall von internationalem Handel wird die Emission im Land der Biomasseernte bilanziert und nicht im Land der Biomassenutzung. All das wirkt sich dahingehend aus, dass importierte und energetisch verwendete Holzbiomasse nicht in die Emissionsstatistik eines Landes Eingang findet, sondern im exportierenden Land erfasst ist. Auch der Berechnungsansatz der C-Flüsse im Holzproduktepool beruht auf dieser fundamentalen Berechnungslogik. Rein physikalisch nehmen Holzprodukte keinen C aus der Atmosphäre auf, sondern speichern C aus dem Waldökosystem; sie sind also ein lateraler Fluss von einem Kompartiment (Waldbiomasse) in einen anderen (gesellschaftliche Artefakte). Da jedoch die gesamte Biomasseernte im ersten Schritt als Emission gemäß Berechnungsrichtlinien gerechnet wird, werden die Netto-Zuwächse im Produktepool als eigene C-Senke berichtet.
1.3.3 Herausforderungen in der Forstwirtschaft und der nachgelagerten Wertschöpfungskette
Die österreichische Forst- und Holzwirtschaft produziert Nadelholz, das überwiegend kaskadisch (stofflich, dann energetisch) genutzt wird, und Laub- und Schadholz, von dem ein erheblich größerer Teil in die energetische Nutzung geht. Die Holzverarbeitungskapazität in Österreich ist hoch. Österreich ist weltweit der zweitgrößte Importeur von Rohholz (FAO, 2020), hauptsächlich aus Nachbarländern (z. B. Slowenien, Deutschland). Im Gegenzug werden Schnittholz und andere Halb- und Fertigwaren exportiert (Abschn. 3.3.3). Eine Besonderheit der Forstwirtschaft sind die langen Produktionszeiträume. Kurzfristig formulierte Änderungen der Bewirtschaftungsstrategien sind mitunter schwierig umzusetzen.
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Der Klimawandel stellt eine Herausforderung für die Forstwirtschaft dar, sowohl für Anpassungsleistungen wie auch hinsichtlich etwaiger Beiträge zur Emissionsminderung, z. B. durch die Bereitstellung von Bioenergie und C-Senken. Anpassungsmaßnahmen sollen die Wälder langfristig stabiler gegen Effekte des Klimawandels machen. Hochproduktive Baumarten werden durch weniger wüchsige, aber resilientere Baumarten ersetzt. Dadurch ist mittelfristig mit einer Verringerung der Produktivität österreichischer Wälder zu rechnen (Braun et al., 2016; Weiss et al., 2020; Abschn. 3.5.2, 4.3 und 5.1.2.4) [mittlere Evidenz, hohe Übereinstimmung]. Auf der anderen Seite steht die Herausforderung, das Baumartenspektrum so zu gestalten, dass der künftige Bedarf an Holzprodukten gedeckt werden kann.
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Der langjährige Anteil des Schadholzes beträgt 8,6 Mio. m3 Stammholz. Die Schadholzmengen schwanken erheblich und lagen im katastrophalen Jahr 2019 um 50 % über dem Durchschnitt (BML, 2022).
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Der klimawandelbedingte Druck durch heimische und invasive Schädlingsarten steigt markant an (Bauhus et al., 2021; Hoch et al., 2019; Hoch & Steyrer, 2020; Netherer et al., 2015) [Evidenz hoch, Übereinstimmung hoch]. Sturm- und Schneedruckschäden mit einem unklaren Bezug zum Klimawandel machen das Angebot an Holzprodukten weniger gut planbar. Außerdem fallen mitunter niederwertige Holzsortimente an, die stofflich nicht nutzbar sind (Hofbauer, 2020; Pfemeter et al., 2019; Abschn. 3.3 und 4.3.2; Abb. 3.4; Box 4).
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Von der europäischen Politik werden ambitionierte Ziele formuliert. Einerseits soll die Forst- und Holzwirtschaft die Bioökonomie des Ländlichen Raumes stärken, andererseits soll die Netto-Senke des Landnutzungssektors bis 2030 wesentlich zur Erreichung der EU-Klimaziele beitragen (EU 841, 2018). Die Wälder sollen C-Senken sein, zusätzlich die Emissionen aus der Landwirtschaft aufnehmen und als Fernziel auch Emissionen anderer Sektoren kompensieren. Es ist aber festzuhalten, dass es keine Form der Bewirtschaftung gibt, die den Wald zu einer permanenten Senke für THGs macht, wenngleich der Zeitpunkt der Sättigung von vielen natürlichen und anthropogenen Parametern abhängt und zwischen wenigen Dekaden und im Jahrhundertbereich liegt (Cotta, 1885; Ledermann et al., 2022; Nabuurs et al., 2013; vgl. Abschn. 4.3 und 5.1.2) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].
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Die Wälder nehmen in der Diskussion um Bioenergy with Carbon Capture and Storage (BECCS) global eine prominente Rolle ein. Die Rolle von BECCS in Österreich ist derzeit gering (Abschn. 5.2.2.6).
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Gesellschaftliche Forderungen sind die Unterschutzstellung eines Teiles des Waldes zur Bewahrung der Artenvielfalt (EC, 2021). Diese Wälder würden damit der regelmäßigen Nutzung entzogen. Dies führt zu Zielkonflikten zwischen bereitstellenden und regulierenden ÖSLs.
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Der erforderliche waldbauliche Spielraum wird durch Wildverbiss eingeengt. Das Spannungsfeld zwischen geeigneten Wildbeständen und der Forstwirtschaft wird seit Jahrzehnten mit bescheidenem Erfolg diskutiert (Schodterer & Lackner, 2019).
Die Herausforderung der Forstwirtschaft ist es, in den nächsten Jahren einen stabilen Entwicklungspfad für die nachhaltige Waldbewirtschaftung voran zu bringen (Tab. 1.5). Aufgrund der unumkehrbaren Dynamik des Klimawandels ist eine Business-as-usual-Strategie nicht sinnvoll. In die Diskussion zu den Anpassungsmaßnahmen bringen sich viele Interessensgruppen ein, deren sektoral berechtigte Ziele nicht vereinbar sind.
Die Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen im Rahmen der Waldbewirtschaftung einschließlich ihrer Möglichkeiten und Grenzen sind in den Abschn. 4.3 und 5.1.2 beschrieben. In Österreich gab es im Vergleich zur Mitte des 19. Jahrhunderts bereits einen Temperaturanstieg von rund 2,7 °C. Selbst bei Erreichen der Paris-Ziele wird es in weniger als 30 Jahren einen weiteren Anstieg von zumindest 1 °C geben. Die dadurch verursachte Belastung der Wälder wird von den forstlichen Feldversuchen und den Kalibrierungsdaten der verfügbaren Waldwachstumsmodelle nicht erfasst. Der rasch voranschreitende Klimawandel beschleunigt die Erosion der Relevanz des bisherigen Erfahrungswissens [hohe Evidenz, hohe Übereinstimmung] und führt zur Zunahme von Unsicherheiten (Bauhus et al., 2021; Hanewinkel et al., 2013; Lexer et al., 2015; Weiss et al., 2020).
1.3.4 Herausforderungen in der Landwirtschaft – Ackerbau
In Tab. 1.6 sind die derzeit diskutierten Herausforderungen für die nachhaltige Produktionssicherung im Ackerbau unter sich ändernden klimatischen Bedingungen dargestellt.
1.3.5 Herausforderungen in der Grünlandwirtschaft
Für Teile des Dauergrünlands in Österreich wird ein steigendes Ertragspotenzial prognostiziert, in trockenheitsgefährdeten Regionen ist mit Ertragsverringerungen zu rechnen. In Abschnitt 4.2.2 wird auf verschiedene Klimawandel-Anpassungsmaßnahmen (Veränderung der Artenzusammensetzung, Anpassung der Schnitthäufigkeit, zeitlich optimierte Nutzung, verstärkte Nutzung von Almen, technische Innovationen etc.) eingegangen. Eine Herausforderung ist, das Grünland bei geänderten Klimabedingungen aufrecht zu erhalten und zu verbessern (Abschn. 5.1.1.2), da in Grünlandböden große C-Mengen gespeichert sind (Tab. 1.2; Baumgarten et al., 2021; Bohner, 2021; Nawaz et al., 2013). Aufgrund der weitgehenden C-Sättigung der Grünlandböden sind keine wesentlichen zusätzlichen Beiträge zur Minderung des Klimawandels zu erwarten (Abschn. 2.5 und 5.1.1.2). Die mögliche verstärkte Nutzung von Gunstlagen bei gleichzeitiger Aufgabe von Grenzertragsböden beeinträchtigt die regionale Arten- und Strukturdiversität und die Landschaftsheterogenität (Tappeiner et al., 2008; Abschn. 3.5.1 und 4.1.2). Die Auswirkungen von Nutzungsänderungen (z. B. Alm zu Wald) auf die THG-Bilanz und bio-physikalische Parameter (Albedo) und Landnutzungskonflikte werden in den Abschn. 2.3, 2.4.4 und 4.4, Tab. 1.3 und Abb. 1.7 erörtert.
1.3.6 Herausforderungen beim Schutz vor Naturgefahren
Naturgefahren und insbesondere alpine Naturgefahren wie Muren, Wildbäche und Lawinen stellen in Gebirgsräumen ein Bedrohungspotenzial für den Siedlungsraum und die Bevölkerung dar. In Österreich gibt es derzeit im siedlungsrelevanten Raum etwa 12.000 Wildbach- und 7000 Lawineneinzugsgebiete sowie viele weitere Lawineneinzugsgebiete im touristisch genutzten Gelände außerhalb des Siedlungsgebietes.
Die Gefahrenzonenplanung als Teil der forstlichen Raumplanung wurde in den 1970er-Jahren eingeführt. Sie stellt keine verbindliche Norm dar und kann kein explizites Bauverbot erwirken (Khakzadeh, 2004). Gefahrenzonenpläne werden aber in der Praxis als Grundlage für Entscheidungen über Bauvorhaben herangezogen und haben gemeinsam mit anderen Maßnahmen die Schadenswahrscheinlichkeit verringert (Fuchs et al., 2015). Für den Schutz vor Naturgefahren werden jährlich etwa 70 Mio. Euro Bundesmittel für technischen Wildbach- und Lawinenschutz und für Projekte zur Erhaltung und Sicherung des Schutzwaldes eingesetzt (Box 3.6; Abschn. 3.4.2).
Die Gefahrenzonenpläne werden bei Bedarf von der Forstbehörde an geänderte Bedingungen angepasst (§ 11 (3) Forstgesetz 1975 [BGBl 440, 1975], § 9 Verordnung über die Gefahrenzonenpläne [BGBL 132, 2021]). Eine analoge Bestimmung für von Hochwasser gefährdete Gebiete findet sich in § 11 der WRG-Gefahrenzonenplanungsverordnung (BGBl. II, 145, 2014). Aktuelle Anlässe sind die Verschiebung der Waldgrenze und unerwünschte Entwicklungen der Schutzwälder (Abschn. 4.3.4). Dazu kommen veränderte Gefahrenprozesse wie der steigende Anteil von Nassschneelawinen (Eckert et al., 2009; Martin et al., 2001; Naaim et al., 2016) und früher im Jahr einsetzende Lawinenabgänge (Castebrunet et al., 2014) [Evidenz gering, Übereinstimmung mittel]. Von zentraler Bedeutung für die Gefahrenzonierung sind Hochwässer. Durch den Klimawandel werden Starkniederschläge und Hochwässer tendenziell zunehmen und eine Zunahme der Niederschlagsintensitäten um etwa 7 % pro Grad Erwärmung wird erwartet (Abschn. 1.3.1; Blöschl, 2020; Blöschl et al., 2019, 2017; Olefs et al., 2021) [Evidenz gering, Übereinstimmung mittel].
Eine Zunahme der Murentätigkeit wird seit dem frühen 20. Jahrhundert beobachtet (Schneuwly-Bollschweiler & Stoffel, 2012) [Evidenz gering, Übereinstimmung gering]. Im Gebirge wird durch verstärktes Abschmelzen des Permafrosteises der Untergrund weniger stabil. Es kommt dann zu mehr Massenbewegungen und zu mehr Geschiebe in den Wildbächen (BMLFUW, 2011; Krainer, 2007) [Evidenz gering, Übereinstimmung mittel].
Alpine Naturgefahren werden auch durch Veränderungen in der Landnutzung beeinflusst. Das Auflassen von Alm- und Weidflächen führt zu einer Zunahme der Schneegleitbewegungen (Newesely et al., 2000; Fromm et al., 2018; Leitinger et al., 2018, 2008). Gleitbewegungen fördern die Erosion und Blaikenbildung (Tasser et al., 2003) [Evidenz mittel, Übereinstimmung hoch].
Waldbrände in Österreich waren in den letzten zwanzig Jahren auf etwa 200 Einzelereignisse pro Jahr beschränkt, die meisten davon kleinflächig (Müller, 2021). Die Anzahl und Intensität von Waldbränden werden im Zuge des Klimawandels und der Landnutzungsänderung auch im Alpenraum zunehmen (Müller et al., 2020; Trnka et al., 2016; Vacchiano et al., 2018; Wastl et al., 2012). Kronenfeuer können zu einem kompletten Absterben des Waldbestandes führen. Als direkte oder mittelfristige Folge von Waldbränden im Schutzwald sind höhere Abflussmengen und Bodenerosion sowie Naturgefahren wie Muren, Steinschlag oder Lawinen möglich (Conedera et al., 2003; Gehring et al., 2019; Maringer et al., 2016; Vacik et al., 2020). Hauptverursacher von Waldbränden in Österreich ist der Mensch. 83 % aller Waldbrände werden direkt oder indirekt durch den Menschen ausgelöst, die übrigen 17 % sind auf Blitzschläge zurückzuführen (Müller, 2021). Besonders gefährdet sind steile südexponierte Hänge auf Karbonatgestein mit Kieferngesellschaften oder Fichtenwäldern etwa im südlichen Niederösterreich oder in alpinen Trockentälern wie dem Inntal (Sass et al., 2012; Vacik et al., 2011). Die direkten Gesamtkosten für die Brandbekämpfung und für erforderliche Maßnahmen auf Brandflächen im Zusammenhang mit Waldbränden werden in der Alpenregion derzeit auf rund 75 Mio. Euro pro Jahr geschätzt. Es wird erwartet, dass diese Kosten erheblich ansteigen werden und die Gefährdung von Siedlungen und Infrastrukturen speziell am Wildland-Urban-Interface zunimmt (Müller et al., 2020). Mögliche Maßnahmen zur Waldbrandprävention umfassen den Waldumbau in Richtung eines höheren Laubholzanteils, eine bessere Walderschließung, Brandschutzstreifen, Beweidung, Bewusstseinsbildung bis hin zum kontrollierten Abbrennen der bodennahen Biomasse in Hochrisikogebieten (Müller et al., 2020). Aktuell werden in Österreich kaum Maßnahmen zur Waldbrandprävention umgesetzt, auch fehlen umfassende Datengrundlagen, etwa zum Brandverhalten und den Brennstoffmengen in heimischen Wäldern.
1.4 Querschnittsthema Biodiversität
Ein neben dem Klimawandel zentraler Aspekt der globalen Umweltkrise (IPBES, 2019a) ist das Voranschreiten des Biodiversitätsverlustes. Gebirgsräume wie Österreich gehören weltweit zu den regionalen Hochburgen der Biodiversität (Nagy et al., 2003; Zachos & Habel, 2011). Die Dichte und Vielfalt an Ökosystemen und Arten und Genotypen ist in Österreich überdurchschnittlich. Das resultiert aus den unterschiedlichen Klimazonen (ozeanisch, kontinental, pannonisch, mediterran), den höhenbedingten Klimagradienten und groß- und kleinräumig wechselnden Standortfaktoren aufgrund der Geologie und Topografie. Weiters wirken sich auch viele biotische Prozesse wie etwa die Konkurrenz bzw. Symbiose zwischen Arten oder die ökologischen Folgen einer Ausbreitung invasiver Arten maßgeblich aus. Der Mensch überprägt die natürliche Artenverteilung. Er schuf neue Lebensräume und Kulturlandschaften. Dies führt beispielhaft dazu, dass die Alpen auf nur 2 % der europäischen Landfläche ca. 4500 Pflanzenarten beherbergen, was etwa 40 % der europäischen Pflanzenarten entspricht (Nagy et al., 2003; Moerschel, 2004).
Die Biodiversität ist heute weltweit gefährdet. Es wird vom Beginn des sechsten großen Massensterbens in der Erdgeschichte ausgegangen (Barnosky et al., 2011; Ceballos et al., 2015). In Europa ist fast ein Viertel der wild lebenden Arten vom Aussterben bedroht, viele weitere Arten sind in ihrer Population stark rückläufig (EC, 2020), und der Zustand vieler Ökosysteme hat sich in den vergangenen Jahrzehnten so weit verschlechtert, dass sie nicht mehr in der Lage sind, ihre wertvollen Leistungen zu erbringen (IPBES, 2019a). Für Österreich sind dazu keine konkreten Daten vorhanden. Die Ursachen für den Verlust an biologischer Vielfalt sind vielfältig (IPBES, 2019b): Veränderung von Lebensräumen, die Übernutzung natürlicher Ressourcen, die Einführung und Verbreitung invasiver gebietsfremder Arten, erhöhte Immission von Stickstoff, fortschreitende Expansion der Siedlungsräume und der Klimawandel (Abschn. 8.4.6.3). Die Biodiversität ist dabei nicht nur um ihrer selbst willen wichtig; sie versorgt die Gesellschaft auch mit einer Vielzahl an lebenswichtigen ÖSLs wie zum Beispiel Nahrung, Trinkwasser, Bestäubung, Hochwasserschutz und Erholungswert (IPBES, 2019b).
Für den Alpenraum listen die Studien von Schönthaler et al. (2003) und Stöcklin et al. (2007) die maßgeblichen, wissenschaftlich belegten Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Biodiversität auf. Demnach wirkt sich die Landwirtschaft besonders stark und vielfältig auf die Biodiversität aus. Meist nur lokal begrenzte Auswirkungen sind für die menschliche Siedlungstätigkeit und die gewerbliche Produktionsstätten nachgewiesen (Löning, 2020). Intensiv wird zu den Trade-offs zwischen Biodiversität und den aktuellen Entwicklungen in der Energiegewinnung (alternativer Energiequellen wie Bioenergie, Wind, Solar und Geothermie) oder der Bioökonomie (Nutzung von biologischen Ressourcen wie Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen) geforscht (Buchmann-Duck & Beazley, 2020; Di Fulvio et al., 2019). Die genannten Wirtschaftssektoren, die Forstwirtschaft und der Tourismus haben weniger Einfluss auf die Biodiversität als die Landwirtschaft. Das hat insofern Bedeutung, da die Landwirtschaft im Alpenraum grundlegenden Strukturveränderungen unterworfen ist (Tappeiner et al., 2003; Zimmermann et al., 2010). Hauptsächlich in den Südlichen Kalkalpen und Westalpen kam es seit 1960 zu einem regelrechten Zusammenbruch der Landwirtschaft. Betriebe wurden in Folge der ungünstigen sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen aufgegeben. Die Folge davon sind großflächige Brachlegungen der Grenzertragsflächen und eine starke Wiederbewaldung. In manchen Regionen der Karnischen Alpen werden heute z. B. nur mehr 25 % der ehemaligen Kulturflächen bewirtschaftet. Die Zentralalpen und die Nördlichen Kalkalpen sind von diesem Zusammenbruch weniger betroffen. In diesen Räumen werden noch 80–95 % der Kulturflächen bewirtschaftet. In den gut erreichbaren Gunstlagen in den Tieflagen und am Alpenrand wurde die landwirtschaftliche Bewirtschaftung zudem deutlich intensiviert.
In Europa und speziell im Alpenraum lassen sich differenzierte Biodiversitätstrends erkennen (EEA, 2020a; Gregory et al., 2019; Rüdisser et al., 2010; Teufelbauer & Frühauf, 2010; Teufelbauer & Seaman, 2017; Zimmermann et al., 2010). Besonders gefährdet ist die Biodiversität in agrarisch genutzten Gunstlagen, die zudem von Zersiedlung massiv betroffen sind (Abschn. 1.2.2, 6.6, 7.1.2 und 8.4.6). Nachgewiesen sind massive Artenrückgänge bei Gefäßpflanzen und vielen Tiergruppen (Ellmauer, 2019; Niklfeld & Schratt-Ehrendorfer, 1999). Ein vergleichbares Bild zeichnet sich auch bei Feuchtwiesen, Mooren, Sümpfen und Quellfluren ab, die in der Vergangenheit durch Meliorierungsmaßnahmen und gezielte Entwässerungen großteils verschwunden sind (Essl et al., 2008, 2004; Traxler et al., 2005). Viele der an solche Lebensräume angepassten Arten sind heute in Österreich gefährdet. Weitgehend stabil ist die Situation in den großflächigen Waldgebieten. Im subalpinen und alpinen Gelände macht sich die Abnahme der Almwirtschaft bemerkbar. Manche Arten profitieren davon (z. B. Gamswild, Murmeltiere), andere verlieren etwas (z. B. Schneehuhn, Arnika); insgesamt ist der Trend uneinheitlich. Zudem sind in dieser Höhenlage bereits Folgen des Klimawandels auf die Biodiversität zu erkennen. Kälteangepasste Arten verloren bereits in der typischen alpinen Vegetation an Boden, während Gräser und Zwergsträucher zunahmen (Porro et al., 2019). In tieferen Lagen spielte hingegen der Klimawandel im Vergleich zum Landnutzungswandel bei Verschiebungen von Lebensräumen und damit auch der Biodiversität nur eine untergeordnete Rolle (Tasser et al., 2017). Studien zeigen aber, dass die Bedeutung des Klimawandels in Hinblick auf Lebensraumveränderungen in Zukunft stark zunehmen wird und in manchen Regionen bzw. in manchen Höhenstufen sogar wichtiger als die Landnutzung werden wird (Dullinger et al., 2020; Tasser et al., 2017). Allerdings werden in solchen Studien meist Standardszenarien verwendet („Business as usual“ oder SSPs, Shared Socioeconomic Pathways; O’Neill et al., 2017), ohne landbasierte Emissionsminderungsstrategien wie Aufforstungen, Bioenergiegewinnung aus Land- und Forstwirtschaft oder die technische CO2-Abscheidung und Speicherung im Boden (Bioenergy with Carbon Capture and Storage, BECCS) zu berücksichtigen. Szenarienanalysen suggerieren, dass diese Emissionsminderungsmaßnahmen, auch Carbon-Dioxide-Removal-Ansätze genannt, durchaus große Flächen belegen könnten, um Emissionen anderer Sektoren zu kompensieren (Creutzig et al., 2021; Hanssen et al., 2020; Roe et al., 2019). Auf globaler Ebene gilt es als gesichert, dass großflächige Implementierungen von solchen landbasierter Emissionsminderungsvarianten negative Konsequenzen auf die Biodiversität und diverse Ökosystemleistungen haben (IPCC, 2019a; Popp et al., 2011) [robuste Evidenz, hohe Übereinstimmung].
Derzeitige Hochburgen der Pflanzendiversität befinden sich in den waldreichen Regionen der Steiermark, Oberösterreichs und Niederösterreichs (EEA, 2020a; Englisch et al., 2005; Rüdisser et al., 2012). Weitere Zentren sind in den österreichischen Südalpen und in den westlichen Nordalpen zu finden. Die meisten endemischen Tier- und Pflanzenarten kommen in den ehemaligen Eiszeitrefugien der nordöstlichen Kalkalpen, der östlichen Zentralalpen und der Südalpen vor (Abb. 1.11 und 3.12).
Der Natur- und Biodiversitätsschutz ist in Landes-Naturschutzgesetzen geregelt (Suske & Horvath, 2017; Umweltbundesamt, 2021). Diese integrieren nationale und internationale Vereinbarungen und Verpflichtungen (Berner und Ramsar-Konvention, EU-Biodiversitätskonvention, Wasserrahmenrichtlinie, Biodiversitätsstrategie 2030, Vom-Hof-auf-den-Tisch-(Farm to Fork)-Strategie der EU (Abschn. 6.3.3.4)). Das Interesse der Gesellschaft am Schutz der Biodiversität ist hoch, und gesetzte Maßnahmen werden breit mitgetragen (siehe Biodiversitätsdialog 2030; Biodiversitätsdialog, 2021). Gezielte Petitionen (z. B. Bienenvolksbegehren in Deutschland und Österreich) fordern weitere Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität.
Der Naturschutz berührt viele andere Wirtschafts- und Rechtssektoren und steht teilweise in Konkurrenz mit diesen. Die damit einhergehenden Herausforderungen werden in Kap. 9 dargestellt. Zudem ist die Frage des Umgangs mit marktorientierten Lösungsansätzen („business case for biodiversity“) und die Lösung des Spannungsfeldes zwischen Alarmismus und Ignoranz im Bereich der Biodiversität zu beantworten (Box 1.2; Abschn. 6.3.3.4.
Box 1.2 Die Rolle der Biodiversität als Basis für Ökosystemleistungen im sozial-ökologischen System (Begriffsbestimmung)
Das sozial-ökologische System besteht aus dem biophysikalischen und dem sozialen Subsystem (Abb. 1.13), die aneinander gekoppelt sind (Collins et al., 2011; Dorward, 2014; Elmhagen et al., 2015; Haberl et al., 2016).
Das biophysikalische Subsystem beschreibt die natürlichen Rahmenbedingungen, die Ökosysteme, deren Strukturen, Funktionen und Prozesse beeinflussen. Landnutzung führt zu Veränderungen dieser Strukturen, Funktionen und Prozesse, beispielsweise im Kohlenstoff-, Wasser- und Nährstoffkreislauf und zur Ausbildung unterschiedlicher Biozönosen. Damit kommt es zu direkten Auswirkungen auf die genetische, organismische, ökosystemare und funktionelle Biodiversität. Auf dieses natürliche System wirken von außen Störungen und Belastungen ein (Elmhagen et al., 2015; Groot et al., 2010). Gegen manche ist das System resistent, gegenüber anderen resilient (Abschn. 4.2.1 und Box 4.2).
Das soziale Subsystem umfasst die Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, Praktiken und Institutionen, Organisationsstrukturen, Kommunikationsformen, Reglementierungen und Absprachen. Kultur und Politik sind zentrale Elemente des sozialen Systems (Luhmann & Baecker, 2020). Wirtschaftliche und technologische Entwicklungen, neue Produkte und Dienstleistungen sowie neue Formen von Arbeitsverhältnissen, Kommunikationsmöglichkeiten und Medienkonsum führen zu einem ständigen gesellschaftlichen Wandel und zu immer neuen Herausforderungen wie Globalisierung, Digitalisierung, Mobilität und Migration sowie Urbanisierung. Das soziale Subsystem muss in Abstimmung mit dem biophysikalischen Subsystem Antworten auf die neuen Herausforderungen finden.
Der globale Wandel als externer Faktor wirkt imminent auf das System und seine Subsysteme ein (Sage, 2020). Er beinhaltet die globale Erwärmung, die Ausbreitung invasiver Arten, den erhöhten atmosphärischen Stickstoffinput, die Desertifikation oder die Umwandlung von Wäldern und Steppen in Agrarflächen. Auf regionaler Ebene spielt die vorherrschende Landnutzung eine entscheidende Rolle. In Österreich bestimmt sie auf etwa 70–80 % der Landoberfläche, welche Ökosystem-Habitate dort vorhanden sind und in welchem Zustand sich diese befinden (BMNT, 2017, 2019b). Damit ist die Landnutzung in Österreich der wichtigste Treiber für die Etablierung der unterschiedlichen Habitate (Kap. 3).
Die vorhandene Vielfalt der Arten und Gene sowie die funktionelle Diversität der Lebensgemeinschaft beeinflussen den Zustand des Ökosystems. Mit zunehmender Zahl von Arten in einem Ökosystem nimmt die Komplexität von Interaktionen und Ökosystemfunktionen zu (Loreau & de Mazancourt, 2013) Gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Arten mit ähnlichen Funktionen im Ökosystem koexistieren (Ulanowicz, 2018), sodass das Verschwinden einer Art durch eine andere Art kompensiert werden kann. Die Gültigkeit dieser Position wird wissenschaftlich diskutiert (Loreau & de Mazancourt, 2013). Möglicherweise reagieren redundante Arten unterschiedlich auf Umweltveränderungen. Die Redundanz könnte bewirken, dass Biodiversität gegen einen Ausfall von Ökosystemfunktionen und -leistungen aufgrund von veränderten Umweltbedingungen „versichert“ ist (Yachi & Loreau, 1999).
Ähnliche Diskussion gibt es zur Beziehung zwischen Biodiversität und Ökosystemleistungen (ÖSLs). ÖSLs sind die Leistungen der Natur für das Wohlbefinden des Menschen, die durch die Basisleistungen des Ökosystems, wie beispielsweise Bodenbildung, Nährstoffkreisläufe, Photosynthese und durch die Biodiversität miterzeugt werden (Burkhard & Maes, 2017; Burkhard et al., 2012; Díaz et al., 2018; Millenium Ecosystem Assessment, 2005). Häufig kommt es durch Interaktionen oder ein gezieltes Zutun des Menschen zu einer Modifikation der Leistungen (Palomo et al., 2016). Eine höhere Biodiversität im System verursacht nicht unmittelbar mehr ÖSLs. Dennoch ist die Biodiversität eine Grundvoraussetzung für viele ÖSLs (Science for Environmental Policy, 2015; Wall & Nielsen, 2012). Verschwinden etwa als Folge von Landnutzungsänderungen oder durch den Klimawandel zu viele Arten aus einem System, ist zu erwarten, dass manche ÖSLs nicht mehr in derselben Qualität oder Quantität bereitgestellt werden können.
ÖSLs werden in drei Kategorien unterteilt (EEA, 2020b):
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Versorgungsleistungen (z. B. Nahrungsmittel, Futtermittel, frisches Trinkwasser, Rohstoffe für Energie oder Bauwesen),
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Regulierungsleistungen (z. B. Klima- und Wasserregulierung, Eindämmung von Krankheitserregern, Bestäubung) und
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kulturelle Leistungen (z. B. Erholung, Gesundheitsförderung, Naturerlebnisse und ästhetische Erfahrungen).
Eine neuere Entwicklung, die auf dem Konzept der ÖSLs aufbaut, wurde im Rahmen der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) entwickelt (Díaz et al., 2018). Man spricht von „Beiträgen der Natur zum Menschen“ (Nature’s Contributions to People, NCPs). Diese unterscheiden sich von den ÖSLs:
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Der NCP-Ansatz erkennt die zentrale und allgegenwärtige Rolle der Kultur bei der Definition aller Verbindungen zwischen Mensch und Natur an.
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Bei der Anwendung der NCPs wird die Rolle des indigenen und lokalen Wissens für das Verständnis des Beitrags der Natur betont und operationalisiert.
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Es wird die Bedeutung der Natur für Nahrungsmittelsicherheit und Gesundheit (einschließlich COVID-19) hervorgehoben.
Auch wenn die ÖSLs bzw. die NCPs die Grundlage des Wohlbefindens darstellen, steuern sie das menschliche Handeln nicht vordringlich. Meist werden einzelne Leistungen optimiert, etwa die landwirtschaftliche Produktion, ohne die Folgen auf andere Leistungen in Betracht zu ziehen. Die derzeitige konventionelle Landnutzung ist nicht in erster Linie auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, sondern wird von der ökonomischen Optimierung bestimmt. Gleiches gilt auch für Aktivitäten wie Jagd, Fischerei und Wildpflanzennutzung. Der Naturschutz als eine weitere Landnutzungsform hat vor allem den Erhalt des Naturpotenzials im Auge, weniger jedoch ökonomische und soziale Belange. Naturbasierte Lösungen (Nature Based Solutions, NBSs) gewinnen an Bedeutung, wenn es um die Bewältigung des Klimawandels, Landnutzungswandels, Biodiversitätsschutzes und die Erreichung politischer Ziele geht (Eggermont et al., 2015). Sie haben das Ziel, durch eine nachhaltige Bewirtschaftung und Nutzung der Natur sozial-ökologische Herausforderungen zu meistern.
Box 1.3 Ein veränderter Wasserkreislauf
Seit Anfang der 1990er-Jahre wird eine zunehmende atmosphärische Gegenstrahlung an der Landoberfläche gemessen (Hartmann et al., 2013; Abschn. 1.2.1). Die Strahlungsbilanz der Erde wird positiv, und die Energiekomponenten erreichen ein neues Gleichgewicht. Das zusätzliche Energieangebot der Atmosphäre verändert den Wasserkreislauf. Die Energiebilanz der Erde ist über die spezifische Verdunstungswärme mit der Verdunstung und damit mit der Wasserbilanz verbunden. Die Verdunstung umfasst Evaporation (Verdunstung von allen Flächen, die Wasser gespeichert haben) und Transpiration (Verdunstung aus dem Pflanzenkörper entweder über Stomata oder Cuticula). Für den Phasenübergang des Wassers in Wasserdampf ist eine große Energiemenge (2,502 MJ kg\({}^{-1}\) bei 0 °C, „latente Energie“) notwendig. Der in der Atmosphäre enthaltene Wasserdampf, dessen latente Energie bei der Kondensation freigesetzt wird, kann heftige Wetterphänomene antreiben und zu Überschwemmungen führen (Fowler et al., 2021; Abschn. 1.2, 1.3 und 3.2.1.3). Die Evapotranspiration beträgt für Österreich 604 mm (Referenzperiode 1977–2014), der Trend über dieselbe Periode zeigt eine Zunahme von \(+\)29 mm pro Jahr und Dekade, wobei veränderte atmosphärische Bedingungen etwa 40 % und die Vegetation etwa 30 % zum Anstieg beigetragen haben (Duethmann & Blöschl, 2018; Abschn. 1.3.1). Höhere Niederschlagsmengen tragen dazu bei, dass mehr Wasser für die Verdunstung zu Verfügung steht. Wärmeflüsse, wie z. B. die für die Evapotranspiration notwendige Energie, werden von der Art der Landnutzung mitbestimmt.
In stark bewachsenen Gebieten bewirkt die Transpiration einen relativen Kühleffekt (Energie wird für Transpiration verbraucht und nicht zum Erwärmen der Luft). Die maximale potenzielle Evapotranspiration wird durch die Verfügbarkeit von Bodenwasser begrenzt (Abschn. 1.2.1 und 2.3.3).
Aufgrund der dunklen Oberflächen (entsprechend einer niedrigen Albedo) und des Fehlens der Verdunstung bebauter Flächen speichern urbane Gebiete mehr einfallende kurzwellige Strahlung, wodurch die Lufttemperatur steigt. Begrünungsmaßnahmen können bei ausreichender Bewässerung durch Verdunstung für ein kühleres Mikroklima sorgen (Abschn. 4.4).
Für die Pflanzenproduktion bedeuten eine höhere Verdunstung und eine geringe oder fehlende Schneedecke in den Wintermonaten verschärfte Trockenheit im Frühjahr mit negativen Folgen für den Ertrag (Abschn. 3.2.1.2 und 4.2).
Eine detaillierte Analyse der europäischen Hochwasserereignisse der letzten 500 Jahre zeigte, dass die letzten drei Jahrzehnte zu den hochwasserreichsten gehörten und die dominante Hochwassersaison seit 1960 in allen Regionen Europas länger geworden ist (Blöschl et al., 2020; Hanus et al., 2021). In alpinen Einzugsgebieten wird das hydrologische Regime aufgrund der Abhängigkeit von den Veränderungen der Schneedecke und der Gletscher besonders stark vom Klimawandel beeinflusst (Abschn. 1.3.6). Projektionen zukünftiger Hochwasserereignisse sind mit großer Unsicherheit verbunden (Blöschl & Montanari, 2010; Schulz & Bernhardt, 2016).
Die Landnutzungsänderung schafft Potenzial für Überschwemmungen. Im Jamtal, Tirol, wurde seit Mitte des 19. Jahrhunderts die natürlichen Fließgewässerfläche um 40–95 % verringert und Feuchtgebiete gingen verloren (Hohensinner et al., 2021; Kap. 5). Der Klimawandel und die Folgen der historischen und rezent zunehmenden Besiedlung machen die Alpentäler anfällig für Hochwasser. Hier können örtliche Entwicklungskonzepte und Flächenwidmungspläne Abhilfe schaffen (Kap. 6 und 7), um ausgewiesene Gefährdungsbereiche mit einem Bauverbot zu verknüpfen (Abschn. 1.3.6).
In städtischen Gebieten steigt mit zunehmenden Starkregenereignissen das Risiko von innerstädtischem Hochwasser aufgrund von starkem Oberflächenabfluss bei geringer Versickerungskapazität und einer Überlastung der Kanalisation (König et al., 2014). Wassermanagementsysteme, die das „Schwammstadtprinzip“ anwenden, verringern den Oberflächenabfluss (Kap. 4). Der Einsatz von Fernerkundung für Orthofotos kann in Hochwasserrisikoanalysen integriert werden, um die Anzahl der als gefährdet eingestuften Objekte für die Schadensbewertung zu ermitteln (Brenner et al., 2016). Mehrere Studien betonen die Notwendigkeit der Integration von Wasserressourcen und Landnutzungsplanung (Kap. 4, 6 und 7). Die Schaffung von Retentionsräumen (Hochwasserschutz) kann zu Nutzungskonflikten mit anderen Interessen (z. B. in der Landwirtschaft oder Raumplanung) führen. Die Unsicherheiten der Hochwasserprognosen bleiben eine Herausforderung für Entscheidungsträger (Holguin et al., 2021).
Die Kryosphäre (Schnee, Gletscher, Permafrost) ist eine wesentliche Komponente des Wasserkreislaufs, weil Wasser in fester Form gespeichert und durch Schmelzen wieder freigesetzt wird. Die Kryosphäre reagiert sensitiv auf Klimaänderungen. Veränderungen der Kryosphäre beeinflussen auch Austauschprozesse zwischen Boden und der Atmosphäre durch Gasflüsse (Abschn. 2.3.2 und 2.4.3). Aufgrund des Klimawandels haben sowohl Schneedeckendauer als auch mittlere Schneehöhen in Österreich seit 1960 deutlich abgenommen, wobei große regionale Unterschiede feststellbar sind (Olefs et al., 2020; Schöner, 2021). Auch die Gletscher in Österreich befinden sich seit 1960–1980 in einem extremen Rückzug, mit einer Volumenreduktion von 22,8 km3 im Jahr 1969 (Lambrecht & Kuhn, 2007) auf 15,4 km3 im Jahr 2006 (Helfricht et al., 2019). Die unsichere Erfassung von Permafrost macht eine robuste Quantifizierung von Flächen- oder Volumenveränderungen in Österreich nicht möglich.
Anhaltende Perioden mit geringem Niederschlag und hohen Temperaturen werden in Zukunft häufiger auftreten und Trockenstress oder Dürren auslösen (Trnka et al., 2016). Die Folgen sind verstärkte Verdunstung und Wasserverluste im System, verursacht durch einen erhöhten Energieaustausch im Kontinuum Boden-Pflanze-Atmosphäre. Dürren kommt in Österreich regelmäßig vor. Wetterdaten (1976–2014) zeigen eine zunehmende Sommertrockenheit im Nordosten Österreichs (Blöschl et al., 2018; Haslinger et al., 2019; Karanitsch-Ackerl et al., 2019). Eine europaweite Studie zu periodisch trockenfallenden Fließgewässern (1970 bis 2010) weist auf eine zunehmende Anzahl der Zero-Flow- (Null-Abfluss-)Tage hin, die früher im Jahr auftreten (Tramblay et al., 2021). Diese Ergebnisse deuten auf erhöhten Wasserstress und damit verbundene Folgen für Biota und den chemischen Zustand von Gewässern hin (Abschn. 3.2.1.2 und 3.2.1.3).
Der Erhalt von Feuchtgebieten ist eine wichtige Maßnahme zur Sicherstellung eines ausgeglichenen Wasserhaushalts, vor allem in Dürre- und Hochwassersituationen. Durch die hohe Wasserspeicherkapazität von Feuchtgebieten und von organischen Böden sind diese Standorte in der Lage, Abflussspitzen abzupuffern und das gespeicherte Wasser langsam wieder abzugeben (Acreman & Holden, 2013). Daher ist es notwendig, Auen und Retentionsflächen in Flusstälern zu erhalten oder sogar auszuweiten. Da die Wasserhaltekapazität von Torf durch Entwässerung sinkt (Liu & Lennartz, 2019), sollten Moore erhalten werden und die Bewirtschaftung von Moorböden möglichst ohne Entwässerung stattfinden.
Durch künstliche Bewässerung in der Landwirtschaft werden Trockenperioden überbrückt und Ernteausfälle verhindert (Kap. 3, 4 und 8). Zu erwarten sind eine Zunahme der bewässerten Flächen und damit ein höherer Wasserbedarf sowie eine mögliche Abnahme der regionalen Wasserressourcen. In den niederschlagsarmen Anbauregionen im Nordosten, Osten und Südosten Österreichs wird aktuell Ackerland bewässert. Der Anteil der bewässerten Agrarfläche ist gering und schwankt zwischen 0,9 und 1,9 % (aus Daten von 2005 bis 2016; Eurostat, 2021). Niederösterreich und das Burgenland haben die höchsten bewässerten Flächenanteile; österreichweit wird Bewässerung vorwiegend bei Marktfruchtbetrieben eingesetzt (Statistik Austria, 2018b). Das Beregnungswasser kommt großteils aus dem Grundwasser (Statistik Austria, 2018b). Zum Einsatz kommen Sprinkleranlagen (Beregnung), Tröpfchen- und Oberflächenbewässerung. Die bewässerte Fläche steigt (Statistik Austria 2018b; Abschn. 3.2.1.2).
Durch die Bereitstellung von zusätzlichem Wasser für die oberste Bodenschicht hat die Bewässerung eine Rückwirkung auf das Klimasystem. Oberflächen- und Grundwasser werden auf landwirtschaftliche Flächen umgeleitet, wodurch der Wassergehalt des Oberbodens erhöht wird und sich die Albedo der Oberfläche verändert. Außerdem erhöht die Bewässerung die Verdunstung. Durch die erhöhte Evapotranspiration kühlt die Umgebungsluft ab.
In Zukunft werden höhere Investitionen der Landwirte für Bewässerungssysteme erwartet (Mitter et al., 2019). Die ausreichende Wasserverfügbarkeit ist eine Voraussetzung für ein langfristig erfolgreiches Bewässerungsmanagement in der Landwirtschaft (Mitter et al., 2018). Wichtig ist dabei eine bedarfsorientierte Bewässerung in Abhängigkeit von Bodeneigenschaften und Pflanzenwasserbedarf. Darüber hinaus können langfristige und häufige Bewässerungsereignisse zu einer Beeinträchtigung der Grundwasserqualität führen (Kap. 4). Die Absicherung der zukünftigen Verfügbarkeit von Beregnungswasser und Grundwasser für die Landwirtschaft, aber auch für die Ökosysteme und den Menschen (Kap. 8), bleibt eine Herausforderung.
Modellergebnisse zeigen, dass die Bewässerung im pannonisch geprägten Osten eine effiziente Anpassungsstrategie ist, wenn die durchschnittliche Niederschlagssumme abnimmt oder mehrjährige Trockenperioden auftreten (Mitter & Schmid, 2019). Ein bedarfsorientiertes Wassermanagement beinhaltet den Einsatz effizienter Bewässerungssysteme und die Anpassung der Beregnungsmengen, basierend auf der Erfassung des Bodenwasserhaushaltes und des Pflanzenstresses, und trägt zur ressourcenschonenden und effizienten Bewirtschaftung bei (Abschn. 3.2.3). Weitere lokale Anpassungsmaßnahmen zielen auf Bewirtschaftungsmethoden wie z. B. konservierende Bodenbearbeitung, Begrünungen, Mulch- und Humusaufbau und Fruchtfolgen ab (Bodner et al., 2015). Diese können den negativen Auswirkungen von Trockenheit und hohen Temperaturen zumindest kurzfristig entgegenwirken, weil sie zu einer verbesserten Wassernutzungseffizienz beitragen (Abschn. 4.1.1 und 4.2.1).
Ein Vorteil dieser Bewirtschaftungsmaßnahmen ist die Verringerung der Bodenerosion (Kap. 4). Höhere Niederschlagsmengen und -intensitäten werden zu verstärktem Oberflächenabfluss und zu Bodenerosion führen. Im pannonischen Becken wurde von 1961 bis 2014 eine Zunahme der Niederschlagsmenge und -intensität beobachtet, die für den größten Teil des untersuchten Gebiets mit einem Anstieg der Niederschlagserosivität verbunden war (Lukić et al., 2019). Eine ganzjährige Bodenbedeckung mit Pflanzen gilt als die wichtige Maßnahme zur Minderung von Erosion und kann das Erosionsrisiko um 25–60 % senken (BAB, 2019; Klik & Eitzinger, 2010; Schönhart et al., 2014).
Nationale Förderungsmaßnahmen für Landwirt_innen, wie das ÖPUL, oder Umweltrichtlinien wie die Wasserrahmenrichtlinie (EU 2000/60, 2000) bieten zusätzliche Anreize oder Kontrollen, um den Sediment- und Nährstofftransport vom Land in Oberflächen- und Grundwasserkörper zu minimieren (siehe Kap. 3, 6 und 8).
1.5 Institutionelle Rahmenbedingungen
1.5.1 Globale Ebene: Das Pariser Klimaabkommen und die UN-Nachhaltigkeitsziele
Das Pariser Klimaabkommen wurde im Dezember 2015 auf der 21. UN-Klimakonferenz mit dem Ziel verabschiedet, den globalen Temperaturanstieg deutlich unter 2 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu halten; mit Anstrengungen, den Anstieg auf unter 1,5 °C zu begrenzen. Des Weiteren sollen die Kapazitäten zur Anpassung an die bevorstehenden Klimaveränderungen erhöht werden und eine THG-emissionsarme Entwicklung angestrebt werden, um die Nahrungsmittelerzeugung nicht zu gefährden. Für die Emissionsreduktion und Anpassung sollen finanzielle Mittel bereitgestellt werden (Art. 2). Um das langfristige Temperaturziel zu erreichen, soll global so bald wie möglich der Scheitelpunkt der THG-Emissionen erreicht werden, und in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts soll ein Gleichgewicht zwischen anthropogenen THG-Emissionen und Senken erreicht werden („Netto-Null-Emissionen“; Art. 4). Natürliche Emissionsquellen und Senken werden für dieses Ziel nicht berücksichtigt. Anthropogene Senken können in diesem Verständnis beispielsweise durch Maßnahmen im Landnutzungssektor entstehen, aber auch technologische Lösungen wie Carbon Capture and Storage (CCS) umfassen.
Neu am Pariser Klimaabkommen im Vergleich zum Kyoto-Protokoll ist, dass die Vertragsparteien ihre nationalen Beiträge zur THG-Reduktion (Nationally Determined Contributions, NDCs) selbst festlegen. Diese Beiträge werden alle fünf Jahre aktualisiert und sukzessive so ambitioniert wie möglich erhöht, sodass die Gesamtziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden (Art. 4). Die Länder sind relativ frei in der Wahl der Höhe ihrer nationalen Beiträge, aber auch in der Auswahl der Sektoren und der Indikatoren, die für die Zieldefinition berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass der Landnutzungssektor nicht zwangsläufig in die Zielerreichung miteinfließt und es somit im Pariser Klimaabkommen im Vergleich zum Kyoto-Protokoll auch keine genauen Regeln gibt, wie der Landnutzungssektor angerechnet wird. In den Szenarien wird aber deutlich, dass der Landnutzungssektor notwendig zur Zielerreichung ist (Strange Olesen et al., 2016).
Ein wesentlicher Bestandteil des Pariser Klimaabkommens ist das „Enhanced Transparency Framework“ (Art. 13), welches die Berichterstattung der Vertragsparteien umfasst. Zum einen müssen die Länder ihre nationalen THG-Bilanzen berichten, zum anderen müssen sie Informationen über die Implementierung von Maßnahmen und den Fortschritt ihrer nationalen Beiträge bereitstellen. Diese Informationen werden einer Überprüfung unterzogen.
Landnutzung und Land- und Forstwirtschaft werden im Pariser Klimaabkommen zwar nicht explizit erwähnt, jedoch beziehen sich sämtliche Passagen zu Emissionen und Senken implizit auch auf diese Sektoren. In Art. 5 wird darauf hingewiesen, dass die Länder Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung der Senken setzen müssen, wobei explizit die Wälder erwähnt werden. Auch andere Landnutzungskategorien können Senken sein (Strange Olesen et al., 2016).
Neben dem Klimaabkommen von Paris spielen auch die UN-Nachhaltigkeitsziele eine wichtige Rolle. Sie wurden 2015 mit der UN-Resolution 94A/70/L.1 „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ verabschiedet und im Rahmen eines politischen Prozesses mit wissenschaftlicher Begleitung erarbeitet. Die Agenda 2030 beinhaltet 17 Nachhaltigkeitsziele, die Sustainable Development Goals (SDGs), die von allen 193 UN-Mitgliedstaaten angenommen wurden. Die SDGs sind eine Weiterentwicklung der Millennium-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDGs), die im Jahr 2000 von der UN verabschiedet wurden, und schließen alle Länder mit ein. Es besteht die Verpflichtung zur Umsetzung der SDGs bis 2030.
Eine Eigenschaft der 17 Nachhaltigkeitsziele ist die Vernetztheit (Abschn. 6.3.1.1 Kap. 8). Manche Ziele sind mehrfach vernetzt, andere sind eigenständiger. Durch das Erreichen einzelner Ziele werden andere Ziele beeinträchtigt. Die Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele ist eine komplexe Optimierungsaufgabe, wobei die Gewichtung verschiedener Faktoren von den formulierten Zielen nicht definiert ist und Interpretationsspielraum zulässt. Eine Herausforderung ist, dass die Zielformulierungen und die angewendeten Kriterien und Indikatoren universell sind und nur teilweise den Entwicklungsstand der Gesellschaft in verschiedenen Staaten berücksichtigen. In hoch entwickelten Gesellschaften besteht daher die Versuchung, die Sicherstellung der Nachhaltigkeit als weitgehend erledigt zu betrachten und die Erfüllung der Kriterien als Formalität zu erachten. Andrerseits können die Nachhaltigkeitsziele als Hebel für gesellschaftspolitische Anliegen genutzt werden. Der Interpretationsspielraum und eine gewisse Beliebigkeit der Bewertung der einzelnen Ziele führen aber zu beträchtlichen Herausforderungen. So stehen die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen im Spannungsfeld verschiedener Interessen.
Im Kontext der Landnutzung sind die SDGs Nr. 1 (keine Armut), Nr. 2 (kein Hunger), Nr. 5 (Geschlechtergleichheit), Nr. 6 (sauberes Wasser), Nr. 7 (saubere Energie), Nr. 11 (nachhaltige Städte und Gemeinden), 12 (nachhaltiger Konsum und Produktion), 13 (Klimaschutz), 14 (Leben unter Wasser) und 15 (Leben an Land) besonders relevant (siehe Abschn. 1.7, 6.3.1.1 und Kap. 8). Im vorliegenden Bericht werden die Nachhaltigkeitsziele an der Realität der Landnutzung in Österreich gemessen. Es wird analysiert, welche Impulse von ihnen ausgehen können, um die Landnutzung insgesamt nachhaltiger zu gestalten (siehe Kap. 8). Die Herausforderung ist dabei, sektorales Denken zu überwinden. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen sind umfassender als nationale Förderprogramme, weil sie die nationalen Bemühungen zur nachhaltigen Landbewirtschaftung mit sozialen Kriterien und einer Bewertung der internationalen Effekte von nationalen Entscheidungen verknüpfen.
1.5.2 EU-Ebene: Die EU-Klimaziele, die LULUCF-Verordnung, die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und der europäische Green Deal
Das Pariser Klimaabkommen wird von allen Mitgliedsstaaten auf EU-Ebene im Rahmen der EU-Klimapolitik umgesetzt. Das heißt, dass die EU zusammenfassend für alle Mitgliedsstaaten die Vertragspartei unter dem Pariser Klimaabkommen ist und daher die einzelnen EU-Staaten keine eigenen NDCs haben. Der NDC der EU für 2030 legt eine Reduktion der THG-Emissionen von −40 % im Vergleich zu 1990 vor. Darin ist explizit der Landnutzungssektor enthalten (EU2015.LV, 2015).
Daher hat die EU im Jahr 2018 die bestehende Klima- und Energiepolitik durch ein umfassendes Regelwerk, die Verordnung 2018/1999 zur Errichtung eines Governance-Systems für die Energieunion und für den Klimaschutz, erweitert, welches die bestehenden Verordnungen integriert und teilweise ersetzt oder aktualisiert hat (EU 1999, 2018). Die für die EU-Klimaziele relevanten Regelungen sind neben der neuen Verordnung zur Energieunion die Richtlinien zum Europäischen Emissionshandelssystem (EU 87, 2003), die Verordnung zur Lastenverteilung (Effort Sharing Regulation; EU 842, 2018) sowie die Verordnung zur Einbeziehung der Emissionen und des Abbaus von THGs aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (EU 554, 2021). Die Verordnung der Lastenteilung schreibt für jedes Mitgliedsland ein nationales Emissionsreduktionsziel vor, während die Emissionsreduktion im Emissionshandel über eine Reduktion der handelbaren Zertifikate geregelt wird. Die Mitgliedsländer können die Implementierung ihrer nationalen Ziele, die im Rahmen der Lastenverteilung für jedes EU-Land aufgeschlüsselt wurden, selbst gestalten, z. B. die Aufteilung des Zieles auf Sektoren. Im Klima- und Energiepaket 2020 der EU, das Emissionsreduktionsziele für alle Mitgliedsländer für den Zeitraum von 2013 bis 2020 vorsah, war der Landnutzungssektor (LULUCF) nicht in die EU-Zielerreichung miteinbezogen. Lediglich die Sektoren, die unter den Emissionshandel oder die Lastenteilung fallen, waren berücksichtigt. Zu Letzterem gehören die Emissionen aus der Landwirtschaft, welche schon in der Vergangenheit in den EU Zielen enthalten waren.
Die LULUCF-Verordnung
Mit der LULUCF-Verordnung (EU 841, 2018) hat die EU ein eigenes Regelwerk für die Anrechnung („Accounting“) des LULUCF-Sektors im Zeitraum 2021–2030 etabliert. Für die Anrechnung der LULUCF-Emissionen/Senken wurde dieser Zeitraum in zwei Anrechnungsperioden geteilt: 2021–2025 und 2026–2030. Die anrechenbaren Emissionen und Senken werden dann in der jeweiligen Periode den Emissionen aus der Lastenverteilung zugeschlagen oder abgezogen. Dabei kann sich Österreich über den Zeitraum 2021–2030 eine maximale Menge von 2,5 Megatonnen CO2e an Guthaben anrechnen lassen. Das Ziel des Anrechnungs-Regelwerks ist, dass die anrechenbaren Emissionen aus LULUCF die anrechenbaren Senken aus LULUCF der Mitgliedsländer nicht überschreiten (Netto-Null-Emissionen aus LULUCF). Dafür wurde ein komplexes Anrechnungskonzept entwickelt, das ausschließlich auf EU Ebene angewendet wird. Das Konzept beinhaltet unterschiedliche Anrechnungsregeln für die einzelnen LULUCF-Kategorien, in welchem Ausmaß Emissionen und Senken für diese Kategorien angerechnet („accounted“) werden. Diese Kategorien weisen eine gewisse Ähnlichkeit zu den Kategorien der THG-Inventur auf, werden jedoch anders zusammengefasst, und aufgrund der Anwendung der Anrechnungsregeln ist das Ergebnis nicht mit dem Ergebnis der THG-Bilanz für die Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) vergleichbar. Die folgenden Kategorien werden unterschieden:
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Aufforstung und Entwaldung: Landnutzungsänderungen zu Wald und Landnutzungsänderungen von Wald zu anderen Kategorien
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Bewirtschaftete Waldflächen (inkl. Holzprodukte): Wald, der Wald bleibt
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Bewirtschaftetes Ackerland, das Ackerland bleibt, Landnutzungsänderung zu Ackerland (außer Entwaldung – siehe oben), Landnutzungsänderungen von Ackerland zu Feuchtgebiet, Siedlung oder Sonstigem Land
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Bewirtschaftetes Grünland: Grünland, das Grünland bleibt, Landnutzungsänderungen zu Grünland (außer Entwaldung – siehe oben), Landnutzungsänderungen von Grünland zu Feuchtgebiet, Siedlung oder Sonstigem Land
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Bewirtschaftete Feuchtgebiete (ab 2026 verpflichtend anzurechnen): Feuchtgebiet, das Feuchtgebiet bleibt, Landnutzungsänderungen von Siedlung oder Sonstigem Land zu Feuchtgebiet, Landnutzungsänderungen von Feuchtgebiet zu Siedlung oder Sonstigem Land.
Die tatsächlichen Netto-Emissionen/Senken müssen – je nach Kategorie – erst gegen eine Null-Linie oder Referenzlinie für die Anrechnung gerechnet bzw. davon abgezogen werden, und dieses Ergebnis wird dann angerechnet.
Wenn die Senke in der Verpflichtungsperiode kleiner als die Senke der Referenzlinie für die Anrechnung ist, dann wird eine entsprechende Quelle von THGs verbucht, andernfalls eine entsprechende Senke. Bei Emissionen verhält es sich genau umgekehrt: Wenn die Emissionen in der Verpflichtungsperiode größer als die Emission der Referenzlinie für die Anrechnung sind, wird eine entsprechende Quelle von THGs verbucht, andernfalls eine entsprechende Senke.
Die anrechenbaren Senken können genutzt werden, um Emissionen aus der Lastenverteilung aus anderen Sektoren zu kompensieren und somit zur Zielerreichung des Landes beitragen. Die anrechenbaren Emissionen erschweren umgekehrt die Zielerreichung eines Mitgliedslandes.
In Tab. 1.7 wird kurz dargestellt, wie die Anrechnungsregeln für die jeweiligen Kategorien funktionieren.
Die aktualisierte LULUCF-Verordnung unter dem „Green Deal“
Mittlerweile wurde ein Update der LULUCF-Verordnung unter dem „Green Deal“ im Trilog fertig verhandelt und steht vor Beschluss (EPRS, 2023; EU 841, 2018). Die Ambition und Anrechnungsregeln wurden damit gegenüber der ursprünglichen LULUCF-Verordnung (siehe Abschnitt zuvor) für die Periode 2026–2030 gesteigert bzw. geändert. Die Regeln für die Periode 2021–2025 bleiben weitgehend gleich (siehe Abschnitt zuvor). Demnach müssen die Mitgliedsstaaten in 2030 – vereinfacht dargestellt – eine 15 % höhere Senke für den gesamten LULUCF-Sektor erreichen als der Mittelwert der Senke in den Jahren 2016–2018. Daneben ist für jedes einzelne Jahr der Periode 2026–2030 das Ergebnis eines Zielpfades zu erreichen, der sich aus der Zielpfadlinie beginnend vom mittleren LULUCF-Ergebnis der Jahre 2021–2023 (mit Start in 2022) zum 2030-Zielwert für die Jahre 2026–2030 ergibt. Werden diese Werte des Zielpfades in einzelnen Jahren von 2026 bis 2030 nicht erreicht, werden Emissionen aus LULUCF in diesen Jahren verbucht, und der fehlende Senkenbeitrag auf den Zielpfadwert des Jahres wird im nächsten Jahr mit 8 % Erhöhung auf den Zielwert des nächsten Jahres aufgeschlagen. Aufgrund der aktualisierten LULUCF-Verordnung zählt für die Periode 2026–2030 das gesamte Ergebnis für den LULUCF-Sektor gemäß THG-Inventur als Anrechnungsbasis, und die komplexen Anrechnungsregeln für die einzelnen LULUCF-Subkategorien der alten LULUCF-Verordnung (siehe Abschnitt zuvor) gelten nur mehr für die Periode 2021–2025.
Der „Green Deal“
Zu den weiteren wesentlichen Nachhaltigkeitsstrategien der Europäischen Union mit Relevanz für die Landnutzung gehört der Europäische „Green Deal“ (EC, 2019). Die Europäische Kommission bezeichnet den Green Deal als ihren „Fahrplan für eine nachhaltige EU-Wirtschaft“. Er ist damit eine Leitstrategie für die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft, die die Ressourcennutzung vom Wirtschaftswachstum entkoppelt. Er betrifft alle Wirtschaftssektoren, von der Industrie über den Verkehrssektor, die Energiebereitstellung bis hin zur Landwirtschaft und der Etablierung einer Bioökonomie und hat damit wesentliche Auswirkungen auf die Landnutzung. So stehen nachhaltige Lebensmittelsysteme im Mittelpunkt des Europäischen Green Deal mit dem Ziel, den ökologischen und klimatischen Fußabdruck des EU-Lebensmittelsystems mit Blick auf die Senkung der THG-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 zu verkleinern. Für die Umsetzung wurde speziell die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ („Farm to Fork“) entwickelt, die neben den Klimazielen eine Umkehrung des Biodiversitätsverlustes, eine Verringerung von Nahrungsmittelabfällen sowie generell Ernährungssicherheit und gesunde Nahrung anstrebt. Die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 verfolgt zudem den Plan, die Biodiversität in Europa bis 2030 auf den Weg der Erholung zu bringen. Dazu sieht sie eine Reihe konkreter Maßnahmen und Verpflichtungen vor. Maßnahmen betreffen u. a. die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, den Aktionsplan zur Förderung der Bioproduktion und eine nachhaltige Verwendung von Pestiziden (Abschn. 6.3.2). Die Strategie enthält Ziele für eine Reduzierung des Einsatzes chemischer Pestizide um 50 % bis 2030, für eine Reduzierung des Düngemittelverbrauchs um 20 % sowie die Verringerung der Nährstoffverluste des Bodens um mindestens 50 %.
Die Gemeinsame Agrarpolitik
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU bietet den ordnungsrechtlichen Rahmen für agrarpolitische Maßnahmen in allen EU-Mitgliedsländern. Die konsolidierten Rechtsgrundlagen der GAP sind auf EUR-Lex verfügbar. Die GAP ist stark ausdifferenziert und komplex. Es lassen sich drei wesentliche Bereiche unterscheiden:
-
a)
Maßnahmen, die Agrarmärkte und -güter betreffen,
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b)
Maßnahmen die zur Umsetzung wirtschafts- und verteilungspolitischer Ziele eingesetzt werden und
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c)
Maßnahmen, die die Bereitstellung von Umweltgütern und -leistungen fördern.
Jedes Mitgliedsland verfügt über ergänzende Maßnahmen im Bereich der Agrarpolitik. Die spezifischen Maßnahmen der nationalen Umsetzung betreffen vor allem die Maßnahmen der Kategorie c), und zwar im Programm der Ländlichen Entwicklung. Das Programm der Ländlichen Entwicklung wird von der EU, dem Bund und den Bundesländern gemeinsam finanziert.
Die Waldstrategie
Im Bereich der Forstwirtschaft verfügt die EU im Unterschied zur Landwirtschaftspolitik über keine gemeinsame rechtliche Kompetenz. Das bedeutet, dass die Formulierung und Umsetzung waldrelevanter Politik im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegt (Aggestam & Pülzl, 2020; Wolfslehner et al., 2020). Die EU-Waldpolitik wird gleichwohl durch die EU-Waldstrategie (EC, 2013) und den damit verbundenen mehrjährigen Umsetzungsplan (EC, 2015) angeleitet (Abschn. 6.3.2).
Die Wasserrahmenrichtlinie
Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL, EU 2000/60, 2000; Box 1.3) fordert die Mitgliedstaaten im Rahmen des Konzepts des integrierten Wasserressourcenmanagements auf, Pläne und Maßnahmenprogramme für das Flussgebietsmanagement aufzustellen. Die Planung der Wasserressourcen macht dabei zugleich auch eine Planung der Landnutzung erforderlich.
Andere Richtlinien und Aktionsprogramme
Andere EU-Richtlinien beeinflussen die Boden- und Landnutzung, wie z. B. die EU-Nitratrichtlinie (1991). Sie zielt darauf ab, die Wasserqualität in Europa auf hohem Niveau zu halten bzw. zu verbessern, indem die Grund- und Oberflächengewässer vor Nitrat-Verunreinigungen aus landwirtschaftlichen Quellen geschützt und entsprechende Praktiken in der Landwirtschaft gefördert werden (Sinabell et al. 2017a, b). Die Mitgliedstaaten entwickeln Aktionsprogramme, um die Wasserqualität in gefährdeten Gebieten zu verbessern, und greifen dabei in die Landnutzung ein. Bezogen auf das Hoheitsgebiet aller 27 Mitgliedstaaten decken die Aktionsprogramme etwa eine Fläche von 39,6 % ab.
1.5.3 Nationale Ebene: Das Klimaschutzgesetz (KSG) und weitere Pläne & Strategien
In Österreich wird die koordinierte Umsetzung des nationalen Klimaschutzziels (gemäß Effort Sharing Regulation der EU) und der damit verbundenen Klimaschutz-Maßnahmen im Rahmen des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG; BGBl 106, 2011) geregelt. Das KSG legt für den Verpflichtungszeitraum 2013–2020 jährliche Höchstmengen von THG-Emissionen nach Sektoren fest. Der gesetzlich festgelegte Zielpfad entspricht den jährlich unter der Verordnung zur Lastenteilung zulässigen Emissionshöchstmengen für Österreich, ausgehend von maximal 52,6 Mio. t CO2e im Jahr 2013 bis maximal 48,8 Mio. t CO2e im Jahr 2020. Die Emissionen aus der Landwirtschaft sind bereits in der Lastenverteilung erfasst, jedoch nicht jene des Landnutzungssektors, der erst ab 2021 für die Zielerreichung 2030 berücksichtigt wird.
Auf nationaler Ebene hat Österreich außerdem einen Plan für Klimaschutz, den integrierten nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP; BMNT, 2019c) und eine Strategie zur Klimawandelanpassung (Abschn. 6.3.3), die Landnutzungsentscheidungen beeinflussen. Bis Ende 2019 wurde auch eine nationale langfristige Klimastrategie 2050 erstellt und an die Europäische Kommission übermittelt. Auf der Ebene der Bundesländer haben alle Länder Pläne für Energie, Klimaschutz und Klimawandelanpassung. Auf der Ebene der Regionen und Gemeinden in Österreich gibt es auch zahlreiche Initiativen für Klimaschutz und Anpassung. Der Österreichische Klima- und Energie-Fonds unterstützt sowohl Klima- und Energiemodellregionen (KEM) als auch Klimawandelanpassungs-Modellregionen (KLAR; Abschn. 6.3.3; Box 6.4).
In Österreich sind ordnungsrechtliche Belange der Agrarpolitik in der Kompetenz der Bundesländer, dazu zählen auch jene, die den Grundverkehr und Bodenschutz betreffen (Holzer, 2018). Mit dem „Österreichischen Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft“ (ÖPUL) als Teil der spezifischen Maßnahmen zur nationalen Umsetzung der GAP der EU werden unter anderem folgenden Ziele verfolgt:
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Extensivierung der Nutzung von Grünland und Ackerland
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Breiterer Einsatz von bodenschonenden Produktionsverfahren (z. B. Bodenbedeckung, vielfältige Fruchtfolgen, biologische Wirtschaftsweise, bodenschonende Bearbeitungsverfahren)
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Vermehrung von Wissen und Verbesserung der Fertigkeiten von Landwirt_innen im Bereich Ressourcenschutz
Zur Erreichung dieser Ziele werden jenen Betrieben Förderungen gewährt, die an Maßnahmen teilnehmen, die über das in der Guten Landwirtschaftlichen Praxis definierte Mindestniveau hinausgehen. Die Umsetzung des Programms und die Wirksamkeit der Maßnahmen werden regelmäßig evaluiert. Zu den entsprechenden Studien neueren Datums zählen Anderl et al., 2017; Dersch et al., 2017; Foldal et al., 2019; Handler, 2017; HBLFA Raumberg Gumpenstein, 2017; Strauss et al., 2020; Suske et al., 2012. Die Studien liefern Anhaltspunkte über die Wirksamkeit der Maßnahmen und schlagen Verbesserungsmöglichkeiten vor. Ein Defizit, das die Programmwirksamkeit potenziell mindert, sind die großen Wissensdefizite im Hinblick auf den aktuellen Zustand der Böden Österreichs.
1.6 Ansatzpunkte in der Politik: Instrumente und Maßnahmen
Für die Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens ist ein Bündel an Politikmaßnahmen erforderlich, das alle Sektoren und Politikbereiche umfasst. Es enthält marktbasierte und fiskalpolitische Instrumente (CO2-Steuern, Emissionshandel, Förderungen, Subventionen) und ordnungspolitische Maßnahmen (Produkt- und Technologiestandards) sowie Soft Measures (Information, Bewusstseinsbildung; Peñasco et al., 2021; Rogge et al., 2017; Rogge & Reichardt, 2016; Rosenow et al., 2017; Tvinnereim & Mehling, 2018; Abschn. 6.5 und 8.5).
1.6.1 Ökonomische Instrumente für eine nachhaltige Landnutzung
Eine kohärente Ausgestaltung von politischen Strategien, Programmen und Politikinstrumenten auf allen Ebenen von Wirtschaft und Gesellschaft kann zu Anpassung, Emissionsminderung im Zusammenhang mit Landsystemen und deren Senkenfunktion beitragen (IPCC, 2019b; Abschn. 6.3, 6.4, 6.5 und 6.6). Hierzu zählen ökonomische Instrumente, die verlässliche Preissignale auf die Emission von THGs aussenden und eine rationale Grundlage für Investitionsentscheidungen bieten. In den Industrieländern wurden Umweltprobleme lange Zeit mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen (z. B. Emissions- und Technologiestandards) bekämpft. Die zunehmenden globalen Umweltprobleme (u. a. Biodiversitätsverlust, Klimawandel) lenkten die Aufmerksamkeit verstärkt auf ökonomische und marktbasierte Instrumente zur Lösung von Umweltproblemen.
In der ökonomischen Theorie der externen Effekte (neoklassische Denkschule) wird der Einsatz marktbasierter Instrumente wie Steuern (Pigou-Steuer) und handelbare Zertifikate (Coase-Theorem) für die Internalisierung von negativen externen Umwelteffekten und damit für die Korrektur von Markversagen vorgeschlagen. Diese Instrumente werden im Kontext des Klimaschutzes seit den 1990er-Jahren diskutiert und eingesetzt. Dies spiegelte sich in der Ausrichtung des Kyoto-Protokolls auf Marktmechanismen und insbesondere den Emissionshandel wider. Marktbasierte Instrumente gelten als ökologisch effektiv und ökonomisch effizient, da sie Umweltziele mit den geringsten gesamtwirtschaftlichen Kosten erreichen. Sie schreiben keine bestimmte Technologie für die Zielerreichung vor. Auch die Rio-Deklaration für Umwelt und Entwicklung (1992) bezieht sich auf den Einsatz ökonomischer Instrumente für den Klimaschutz. Zu diesen Instrumenten zählen preisbasierte Instrumente wie Steuern sowie mengenbasierte Instrumente wie der Emissionshandel oder Tendering-Systeme.
Anfang bis Mitte der 2000er-Jahre kam es zu einer Diversifizierung des ökonomischen Diskurses in der Klimapolitik. Dadurch hat sich die Palette der politischen Optionen über die marktbasierte Klimapolitik – insbesondere die Bepreisung von CO2 – hinaus erweitert und umfasst nun auch keynesianische und schumpetersche Politikansätze, wie etwa grüne Innovation und Industriepolitik für saubere Energietechnologien (Meckling & Allan, 2020). Klimapolitik soll demnach die Transformation zu einer Wirtschaft fördern, die den Einsatz von Technologien für erneuerbare Energien unterstützt und somit das Wirtschaftswachstum fördert. Dieser politische Diskurs in der Klimapolitik wurde nicht zuletzt durch die Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre ab 2009 gestützt.
Marktbasierte Instrumente können, wenn sie sorgfältig konzipiert und umgesetzt werden, durch preisliche Anreize das Verhalten privater Wirtschaftsakteure in Hinblick auf die Ressourcennutzung positiv im Sinne einer Vermeidung von unerwünschten Umwelteffekten beeinflussen. Hierzu zählen auch monetäre Anreizinstrumente wie Payments for Ecosystem Services (PES), die in Theorie und Praxis an Bedeutung gewonnen haben (Box 1.4). Für die Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens ist schließlich ein breites Bündel an Politikmaßnahmen erforderlich, das alle Sektoren und Politikbereiche umfasst und das neben marktbasierten und fiskalpolitischen Instrumenten (CO2-Steuern, Emissionshandel, Förderungen, Subventionen) ordnungspolitische Maßnahmen (Produkt- und Technologiestandards) sowie Soft Measures (Information, Bewusstseinsbildung) beinhaltet (Abschn. 8.4; sowie Peñasco et al., 2021; Rogge et al., 2017; Rogge & Reichardt, 2016; Rosenow et al., 2017; Tvinnereim & Mehling, 2018). Der Einsatz von klimapolitischen Instrumenten in der Landnutzung findet nach wie vor in den entsprechenden Sektorpolitiken (Agrarpolitik, Forstpolitik, Biodiversitätsstrategien und Naturschutzpolitiken) statt. Ein übergeordneter, systemischer Ansatz einer klimaorientierten Landnutzungspolitik sollte angestrebt werden (Abschn. 6.6, Kap. 7).
1.6.1.1 CO2-Steuern
CO2-Steuern werden seit den 1990er-Jahren zunehmend zur Erreichung klimapolitischer Ziele eingesetzt (z. B. World Bank 2019). Durch die Einführung einer CO2-Steuer erhöhen sich die Kosten aus der Nutzung fossiler Rohstoffe, was einen Anreiz zur Verminderung der Emissionen darstellt (z. B. durch Veränderungen des Verhaltens oder durch die Wahl von emissionsärmeren Technologien). Die Erfahrung zeigt, dass die Emissionen in Folge der Einführung von CO2-Steuern reduziert werden (Brännlund et al., 2014; Rivers & Schaufele, 2017, 2015). Der Rückgang ist dabei tendenziell höher als bei einer reinen Preiserhöhung fossiler Energieträger („tax salience“; Andersson, 2019; Antweiler & Gulati, 2016; Bernard & Kichian, 2019; Rivers & Schaufele, 2017, 2015). Neben einer Reduktion von Emissionen kann eine höhere Besteuerung von Treibstoffen auch zu einer Eindämmung der Zersiedelung beitragen, indem durch die höheren Transportkosten ein Anreiz gegen lange Wegstrecken gesetzt wird (OECD, 2018; Tanguay & Gingras, 2012). Damit haben CO2-Steuern indirekt auch einen Effekt auf die Landnutzung. Auch für Österreich zeigen Analysen, dass eine CO2-Steuer dazu beitragen kann, die Emissionen zu reduzieren (z. B. Baresch et al., 2014; Goers & Schneider, 2019; Kirchner et al., 2019; Meyer et al., 2020).
1.6.1.2 Emissionshandel
Der Handel mit Emissionszertifikaten stellt eine Alternative zu CO2-Steuern dar. In einem Emissionshandelssystem (ETS) legt der Regulator eine Obergrenze für die Emissionen der erfassten Sektoren fest. Die Emissionszertifikate werden den erfassten Akteuren über Auktionierung oder gratis zugeteilt. Diese sind verpflichtet, für jede emittierte Tonne ein Zertifikat abzugeben, und können untereinander mit den Zertifikaten handeln. Auf dem Zertifikatemarkt ergibt sich der Emissionspreis auf der Grundlage von Angebot und Nachfrage.
In der EU werden seit 2005 Emissionen aus der emissionsintensiven Industrie und der Energiebereitstellung vom EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) erfasst. Die energieintensive Produktion von Mineraldünger wird so verteuert, der Einsatz von Mineraldüngern damit potenziell reduziert. In Neuseeland, das sich durch hohe Emissionen der Viehwirtschaft auszeichnet, wurde diskutiert, neben Energiebereitstellung, Industrie und Forstwirtschaft auch die Landwirtschaft in das nationale Emissionshandelssystem einzubinden. Ursprünglich sollten alle Wirtschaftssektoren in Stufen zwischen 2008 (Jahr der Einführung des ETS) und 2013 in das System eingegliedert werden. Die Einbeziehung von Emissionen aus der Landwirtschaft wurde 2009 zunächst auf 2015 (vorbehaltlich einer Überprüfung) und dann 2012 auf unbestimmte Zeit verschoben.
Box 1.4 Wirtschaftliche Bedeutung von Ökosystemleistungen
Die Landnutzung, die durch die langfristige gemeinsame Anpassung von Menschen und Ökosystemen an Umweltfaktoren geprägt ist, steuert direkt die Kapazität zur Bereitstellung von ÖSLs (Egarter Vigl et al., 2017; Locatelli et al., 2017; Quétier et al., 2007). Sozial-ökologische Systeme in Gebirgen reagieren empfindlich auf klimabedingte Stressfaktoren, darunter steigende Temperaturen, Häufigkeit und Intensität von Naturgefahren, aber auch auf Änderungen der Landnutzung, was sowohl die Resilienz der Bereitstellung von ÖSLs gefährden kann als auch die Synergien und Trade-offs zwischen diesen beeinflussen (Lavorel et al., 2019). Als Basis für die Bewertung von ÖSLs wurde das Konzept des ökonomischen Gesamtwertes entwickelt, das alle Nutzwerte, die durch Ökosysteme für die Gesellschaft bereitgestellt werden, umfasst (Abb. 1.14). Dazu zählen sowohl nutzungsabhängige Werte (z. B. Holz, Nutzpflanzen, Klimaregulation, Bestäubung) als auch nicht nutzungsabhängige Werte (z. B. Wertschätzung, dass ein Ökosystem existiert oder dass auch noch nachfolgende Generationen Holz zur Verfügung haben). Bei ÖSLs, für die ein Markt existiert, welcher die Preise bestimmt, wie z. B. Holz oder landwirtschaftliche Produkte, kann der ökonomische Wert über Marktpreise und Herstellungskosten monetär quantifiziert werden. Demgegenüber stehen viele ÖSLs, wie sauberer Luft, Boden- und Wasserqualität oder Biodiversität, für die kein oder nur ein sehr eingeschränkter Markt besteht. Hier handelt es sich um öffentliche Güter, bei denen sich der fehlende Markt durch fehlende Konkurrenz (bei ihrer Nutzung werden andere in ihren Nutzungsmöglichkeiten nicht eingeschränkt) und fehlende Ausschließbarkeit (niemand kann von der Nutzung ausgeschlossen werden) ergibt. Bei rein betriebswirtschaftlicher Betrachtung wird der Schutz oder die Erzeugung von öffentlichen Gütern kaum zum Gewinn eines Unternehmens beitragen (Ungerböck et al., 2015). Obwohl im Allgemeinen davon ausgegangen wird, dass der soziale Wert von nicht marktbestimmten Gütern und Dienstleistungen höher ist als ihr Marktwert und dass die Nachfrage oft höher sein könnte als das tatsächliche Angebot (TEEB, 2010), haben öffentliche Güter in politischen Entscheidungen wenig Gewicht, was deren Bereitstellung sowohl für die gegenwärtige als auch für die zukünftigen Generationen gefährden kann. Da sich kein klassischer Markt dazu entwickeln kann (Weiss et al., 2022), kann der Staat durch regulatorische Maßnahmen, wie Verordnungen, Gesetze oder Richtlinien, eingreifen, damit öffentliche Güter in der gewünschten Menge und Qualität bereitgestellt werden (Glück, 2000). Dazu zählen z. B. auch staatliche Auflagen in der Umweltgesetzgebung oder finanzielle Anreize, wie im ÖPUL-Programm. Eine Optimierung der Bewirtschaftung, wenn sie nur auf Marktpreise fokussiert ist, führt somit zu einem Trade-off zwischen ÖSLs, für die ein Markt existiert, und solchen, die öffentliche Güter darstellen. Daher wird für die Erfassung von unterschiedlichen Nutzungsaspekten von ÖSLs der ökonomische Gesamtwert, der über einen direkten materiellen Nutzen hinausgeht, aber zur Wohlfahrtsmessung gehört, ermittelt (TEEB, 2010). In der wissenschaftlichen Literatur herrscht weitgehend Konsens darüber, dass umweltökonomische Bewertungsmethoden auch für nicht nutzungsabhängige Werte – unter Beachtung der notwendigen Rahmenbedingungen für ihren Einsatz – belastbare und zeitlich stabile Ergebnisse liefern (Abschn. 3.5). Ein deutlicher Beleg dafür ist, dass derartige Methoden auch in Schadenersatzverfahren Anwendung finden. Allerdings ist die monetäre Bewertung, nicht mit konkreten, aktuellen Zahlungsströmen zu verwechseln. Die Bewertungen berücksichtigen die Nutzung und Veränderungen öffentlicher Güter durch (betriebs-)wirtschaftliche Aktivitäten und drücken die Steigerung der sozialen Wohlfahrt für eine Volkswirtschaft und Gesellschaft im Gesamten und gemessen in Geldeinheiten aus (Getzner, 2017).
1.6.2 Raumplanung
Allgemein kann als Raumordnung – oder auch Raumplanung – die Gesamtheit der Maßnahmen und Aktivitäten öffentlicher Gebietskörperschaften verstanden werden, die die Gestaltung des Territoriums, basierend auf politischen Zielvorstellungen, zum Gegenstand haben (Gruber et al., 2018). Raumplanung umfasst im engeren Kern die territoriale Planung (räumliche Nutzungsordnung zur Vermeidung von Nutzungskonflikten) verbunden mit der Steuerung der Raum- und Siedlungsentwicklung sowie der Landnutzungsentscheidungen und Planungen, welche die räumliche Ausgestaltung der konkreten Nutzungsmöglichkeiten betreffen (z. B. Gestaltung nutzungsgemischter, nachhaltiger Stadtquartiere, die Umgestaltung zu einer begrünten Fußgängerzone oder Begegnungszone). Zusammenfassend ist sie in rechtlicher und fachlicher Interpretation eine Querschnittsmaterie, in dessen Zentrum eine integrierte, qualitative Gestaltung des Raumes auf allen gebietskörperschaftlichen Maßstabsebenen steht. Neben der Integration von grundlegenden Erkenntnissen der technischen Wissenschaften und der Naturwissenschaften ist auch die Einbindung aller relevanten Akteur_innen, besonders der Bürger_innen, im Sinne einer demokratischen Partizipation von großer Bedeutung.
Die formalen und rechtlichen Grundlagen für Raumplanung sind vor allem im nominellen Raumplanungsrecht, d. h. in zumeist final programmierten Raumplanungs- und Raumordnungsgesetzen, Bauordnungen und weiteren Gesetzen, geregelt. In Österreich liegt die formelle Raumplanungskompetenz bei den Bundesländern, die Kompetenz „Örtliche Raumplanung“ liegt gemäß Bundesverfassung bei den Gemeinden. Der Bund übt sektorale Kompetenzen aus, die jedoch sehr raumwirksam sind (z. B. Bildungswesen, hochrangige räumliche Infrastrukturplanung, forstliche Raumplanung). Die horizontale und vertikale, raum- und zeitbezogene Koordination der Planungen und Eingriffe zwischen den Gebietskörperschaften ist ebenfalls zentrales Handlungsfeld der Raumplanung. Die raumwirksamen Rahmensetzungen und Richtlinien der Europäischen Union sind hier verstärkt zu berücksichtigen (Abschn. 6.6).
Neben der Lösung von Routineproblemen, wie z. B. Abstandsregeln in Bauordnungen, stehen das Lösen bereits bestehender und das Vermeiden zukünftiger komplexer Probleme mit Raumbezug und besonderer gesellschaftlicher Relevanz im Fokus der Raumplanung. Aktuelle komplexe und existenzielle Herausforderungen mit Gesellschafts- und Raumbezug sind die Klima- und Energiekrise, der demografische Wandel, die aktuelle pandemische Gesundheitskrise, die dauerhafte Sicherung der Versorgung einer global wachsenden Bevölkerung mit gesunden Nahrungsmitteln, die Gestaltung resilienter und nachhaltiger Landschafts- und Siedlungsräume, die Vermeidung der Zersiedelung und weiterer Bodeninanspruchnahme für bauliche Nutzungen sowie die nachhaltige und resiliente Innenentwicklung der Siedlungssysteme.
Zur Lösung der vielfältigen Problemstellungen besteht ein Repertoire bewährter, formeller Planungsinstrumente und -verfahren, die sich zunächst auf die Sicherung der Standorte für definierte Nutzungen (Grünland, Verkehrsflächen und Bauland) und die Qualität und Intensität (Dichte) dieser Nutzungen beziehen (regionale und örtliche Entwicklungskonzepte, Flächenwidmungs- und Bebauungspläne). Andererseits entsteht ein wachsendes Repertoire informeller Verfahren und Instrumente, die vor allem zur Lösung der komplexen Probleme experimentell entwickelt und erprobt werden (z. B. Konzepte für Klimaanpassung, Bodenschutz, Energie und Mobilität; Kap. 7). Die Gestaltung der jeweiligen Planungsprozesse – verbunden mit Governanceprozessen – ist bedeutsam für die Qualität der Ergebnisse, d. h. der raumbezogenen Konzepte und Raumpläne, welche die planende Verwaltung und als Rechtsverordnungen auch Bürger_innen direkt binden und zu konkreten Eingriffen im Raum (vorbereitet durch Strategien, Maßnahmen und Projekte) führen.
In Kap. 6 wird auf die raumwirksamen institutionellen Rahmensetzungen und -bedingungen auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene eingegangen sowie auf die Akteur_innen und deren handlungsbestimmende Werte, wohingegen Kap. 7 sich mit konkreten klimarelevanten Raumplanungskonzepten und -maßnahmen beschäftigt, wie z. B. der Energieraumplanung, der Klimawandelanpassung und dem Naturgefahrenmanagement.
Im Kontext der Raumplanung wird in den Kap. 6 und 7 der Begriff „Planungsversagen“ eingeführt. Er beschreibt, dass die Akteur_innen in der Raumplanung mit den verabschiedeten Plänen die selbstgesteckten Ziele, die in gemeinsam verabschiedeten Strategien (z. B. Österreichisches Raumentwicklungskonzept, Europäisches Raumentwicklungskonzept) festgelegt sind, nur teilweise erreichen. Die Ursachen hierfür liegen in Unterschieden von Zielen und Planungsinhalten, aber auch der Wahl ungeeigneter Instrumente (z. B. unverbindliche Informationsinstrumente in Bereichen, in denen Auflagen oder ökonomische Instrumente effektiver und effizienter sind), fehlender Koordinierung sowie der Interessenabwägung zuungunsten einer nachhaltigen Raumentwicklung. Ergebnisse des Planungsversagens sind u. a. eine überbordende und nicht nachhaltige Raumentwicklung, Bodenversiegelung, Biodiversitätsverluste sowie der Verlust natürlicher Lebensräume.
1.6.3 „Soft Measures“: Informationsverbreitung und bewusstseinsbildende Maßnahmen
Die Anpassung an den Klimawandel wird in mehreren EU Strategien thematisiert. Im Green Deal wird im Rahmen der Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“ das Potenzial biogener Materialien bei der Substitution von Materialien mit ungünstiger Ökobilanz betont. In der EU-Waldstrategie wird ein freiwilliges Zertifizierungssystem für biodiversitätsfördernde Maßnahmen der Waldbewirtschaftung empfohlen. Auch in der Biodiversitätsstrategie werden zahlreiche Maßnahmen für die Landbewirtschaftung vorgeschlagen, die leicht implementierbar sind und eine große Wirkung haben. Die Ausgestaltung der Biodiversitätsstrategie ist noch in Diskussion.
Von den Medien werden die Folgen des Klimawandels ereignisbezogen aufgegriffen und ausführlich dargestellt. Daneben werden von vielen Organisationen Factsheets und Lehrmaterial für verschiedene Gruppen bereitgestellt. Zu nennen sind beispielgebend für viele Initiativen die Factsheets des Climate Change Center Austria (https://ccca.ac.at/wissenstransfer/fact-sheets) und die Internetseite https://www.klimafitterwald.at. Der Klimawandel und seine Folgen haben bereits Eingang in Schulbücher gefunden, und die Inhalte werden altersgerecht vermittelt.
Viele renommierte Wissenschafter_innen treten als Autor_innen von populärwissenschaftlichen Büchern auf und bieten umfassende Information in verschiedenen Formaten an (z. B. Kromp-Kolb & Formayer, 2018; Rahmstorf & Schellnhuber, 2019; Schellnhuber, 2015; Uhl-Haedicke, 2021).
Daneben gibt es eine Reihe von Informationskampagnen, bei welchen viele strategische Elemente zu beachten sind, um die Wirksamkeit in einer ohnehin informationsreichen Gesellschaft sicher zu stellen. Dazu gehören Anlass des Lancierens einer Kampagne, Definition des Zielpublikums und zeitliche Länge der Kampagne (Wilkes-Allemann et al., 2021). Hier spielen sogenannte NGOs (Nichtstaatliche Organisationen) eine zentrale Rolle. Neben den alteingesessenen Umweltschutzorganisationen wie GLOBAL 2000, GREENPEACE oder WWF ist beim Klimathema besonders „Friday for Futures“, eine Jugendorganisation, in den letzten Jahren sehr aktiv geworden.
1.7 Aufbau des Berichts
Der APCC Special Report Klimawandel und Landnutzung in Österreich besteht aus neun Kapiteln. Kap. 1 liefert eine Übersicht, Kap. 2 und 3 widmen sich der Beschreibung des Status quo, während Kap. 4 und 5 auf Maßnahmen der Anpassung und Emissionsminderung eingehen. Kap. 6, 7 und 8 widmen sich Aspekten der Umsetzung von Maßnahmen, und Kap. 9 fasst diese Maßnahmen tabellarisch zusammen. Im Folgenden werden die Inhalte der Kapitel kurz skizziert.
In Kap. 1 werden die Ziele, die Herangehensweise und der Kontext des APCC Special Report dargestellt und das Thema aus interdisziplinärer Sicht eingeführt. Es bietet einen Überblick über die Themenbereiche und erläutert die Struktur, in der in den folgenden Kapiteln der Wissensstand dargestellt wird.
Kap. 2 stellt den Beitrag der Landnutzung in Österreich zum anthropogenen Klimawandel dar. Österreichs Landnutzung führt zu Emissionen und zu einer Veränderung der Energiebilanz in Österreich. Weil das Landsystem auch Produktion und Konsum umfasst, wirkt sich dies auch außerhalb Österreichs Grenzen aus.
Kap. 3 skizziert die vergangenen Trends der Landnutzung in Österreich, stellt das Wissen um die treibenden anthropogenen und klimatologischen Kräfte der Veränderungen dar und zeigt Szenarien der zukünftigen Landnutzung auf. In diesem Kapitel werden Abschätzungen der Auswirkungen des bisherigen Klimas und möglicher Klimaentwicklungen auf ÖSLs und Biodiversität dargestellt.
Kap. 4 bewertet Strategien der Bewirtschaftung von Land und Böden hinsichtlich ihrer Anpassungsleistung und -fähigkeit, bezogen auf Klimawandelszenarien. Dazu wird behandelt, wo Anpassungsmaßnahmen die Minderungsmaßnahmen unterwandern und welche Folgen Anpassungsmaßnahmen für ÖSLs und Biodiversität haben.
Kap. 5 umfasst die Darstellung möglicher Beiträge der Landnutzung zur Minderung des Klimawandels inklusive der kontroversiellen Themen der CO2-Senken in Land-Ökosystemen, der Bio-Ökonomie, der Energie aus Biomasse, und den damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Herausforderungen.
In den Kap. 6 und 7 werden klimawandelrelevante Strategien, Steuerungsinstrumente und Managementansätze von Landnutzungsentscheidungen und die Wechselbeziehungen von Klimawandel und Raumplanung auf nationaler und regionaler Ebene thematisiert: Während Kap. 6 sich dem breiten Spektrum der Handlungsoptionen widmet, geht Kap. 7 auf die zentrale Rolle der Raumordnung und Raumplanung im Spannungsfeld von Landnutzung und Klimawandel ein.
Kap. 8 stellt Handlungsfelder aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) dar, welche für die notwendige Transformation der Landnutzung im Kontext des voranschreitenden Klimawandels geeignet sind. Besonderes Augenmerk wird auf Eingangspforten und Hebel für eine Transformation hin zu einer nachhaltigeren Landnutzung gelegt, die gesellschaftliche Prioritäten integrativ berücksichtigen.
Kap. 9 bietet schließlich eine tabellarische Übersicht über einzelne Maßnahme der Klimawandelanpassung und Emissionsreduktion. Die Tabelle fasst die in den einzelnen Kapiteln dargestellten Zielkonflikte, aber auch Synergien der einzelnen Maßnahmen zusammen und liefert eine Zusammenschau der Maßnahmen hinsichtlich ihrer Potenziale, erwünschter und unerwünschter Folgen sowie Barrieren der Umsetzung. Eine Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, ein technischer Bericht, eine Summary for Policy Makers und ein Glossar ergänzen den APCC Special Report.
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Formayer, H. et al. (2024). Kapitel 1. Ziele, Herangehensweise und Kontext. In: Jandl, R., Tappeiner, U., Foldal, C.B., Erb, K. (eds) APCC Special Report: Landnutzung und Klimawandel in Österreich. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-67864-0_3
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