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1 Unterstützungsmöglichkeiten des Lerntransfers und der Wissensweitergabe nach Weiterbildungen

Im heutigen Zeitalter der Globalisierung und des raschen technologischen Fortschritts steigen die Anforderungen an die Kompetenzentwicklung von Organisationen (Kauffeld et al., 2019; Richter et al., 2020; Schaeffer, 2017). Der ständige Wandel des Arbeitsumfeldes ist dabei nur eine der Herausforderungen, die es für die Mitarbeitenden zu bewältigen gilt. Neue Anforderungen in einer zunehmend komplexen und dynamischen Arbeitswelt fordern stetig neue Kompetenzen von ihnen (Bhatti et al., 2013; Bonekamp & Sure, 2015; Hurt, 2016; Schwahn et al., 2018; Seyda, 2021). Dass Weiterbildungen vermehrt als notwendige Komponente für den Erfolg von Unternehmen wahrgenommen werden, spiegelt sich in der steigenden Weiterbildungsbeteiligung von 37 % auf 60 % in den letzten 30 Jahren (BMBF, 2020) und in dem jährlichen Investment eines Unternehmens von durchschnittlich 1.236€ pro mitarbeitender Person in Weiterbildungsmaßnahmen (Seyda & Placke, 2020).

Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind darauf angewiesen, Kompetenzen bei vorhandenen Mitarbeitenden durch umfassende Qualifizierungen zu entwickeln (Kauffeld & Frerichs, 2018; Naegele et al., 2015). Sie investieren im Gegensatz zu größeren Unternehmen mehr Zeit und Geld für Weiterbildungen pro Person. Gleichzeitig benötigen sie oft Unterstützung in der Personalentwicklung (Herzog et al., 2014). In KMU sind die Anforderungen an die Tätigkeiten des Einzelnen oft größer als in Großunternehmen, dies äußert sich durch vielfältigere Tätigkeiten, die eine einzelne mitarbeitende Person leisten muss (Steinert, 2002). Weitere für KMU charakteristische Faktoren können die Kompetenzentwicklung behindern: ein fehlendes Controlling, unzureichende Personalentwicklungs- und Managementkonzepte, geringe finanzielle Ressourcen, fehlende Investitions- und Wachstumsplanung (Hilzenbecher, 2006; Kauffeld & Paulsen, 2018) sowie die fehlende Zeit zur strategischen Planung des Weiterbildungsbedarfs (Herzog et al., 2014; Kauffeld & Paulsen, 2018). Strukturelle Veränderungsprozesse wie z. B. durch die Globalisierung erfordern außerdem neue Kompetenzen im Unternehmen, welche aber aufgrund des hohen Fachkräftemangels nicht durch die Rekrutierung neuer Mitarbeitenden von außerhalb aufgefangen werden können (Naegele et al., 2015).

Gerade deswegen ist es für KMU wichtig, vorhandenes Wissen möglichst optimal zu nutzen (Tachkov & Mertens, 2016). Zwei Faktoren haben sich als besonders relevant für die Kompetenzentwicklung und den Weiterbildungserfolg erwiesen: der Lerntransfer nach Weiterbildungen in den Beruf und die Wissensweitergabe in der Kollegschaft (Ackermann et al., 2018; Kauffeld, 2016). In beiden Bereichen können KMU von einer Unterstützung profitieren (Kauffeld, 2016; Kauffeld & Frerichs, 2018). Deshalb wurde im Projekt IN-DIG-O (siehe Exkursbox „► Das Projekt IN-DIG-O“) das LeWiT-Tool – ein digitales Tool zur Unterstützung des Lerntransfers und der Wissensweitergabe – entwickelt.

Der vorliegende Beitrag stellt das LeWiT-Tool vor und präsentiert mithilfe einer Vignettenstudie eine Beurteilung des digitalen Tools durch potenzielle Stakeholder. Nach einer theoretischen Heranführung an die Themen Lerntransfer (► Abschn. 11.1.1) und Wissensweitergabe (► Abschn. 11.1.2) wird aufgezeigt, wie der Lerntransfer und die Wissensweitergabe integrativ digital unterstützt werden können (► Abschn. 11.1.3). Das LeWiT-Tool setzt auf dieses Prinzip und wird in ► Abschn. 11.1.4 genauer vorgestellt. Anschließend folgt die Vignettenstudie (► Abschn. 11.2), deren Ergebnisse in ► Abschn. 11.3 diskutiert und für die Praxis weitergedacht werden.

Das Projekt IN-DIG-O

Ziel des Forschungs- und Entwicklungsprojekts IN-DIG-O – Kooperieren und lernen in innovativen Netzwerken im Bau: Schnittstellen digital optimieren ist die Entwicklung und Erprobung zweier digitaler Tools: Das eine digitale Tool, Koop-3D, dient der Optimierung der gewerkübergreifenden Kooperation im Baugewerbe (siehe ► Kap. 3). Das andere digitale Tool, das LeWiT-Tool, unterstützt den Lerntransfer und die Wissensweitergabe. Im Projekt werden Lösungen erarbeitet, wie Toolentwicklungen und -implementierungen unterstützt, Lerntransferprozesse optimiert und Veränderungen (digitaler) Arbeits- und Lernprozesse begleitet werden können. Die Leitung des Projekts liegt bei Prof. Dr. Simone Kauffeld vom Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie der Technischen Universität Braunschweig. Die digitalen Tools werden von cadwork informatik Software GmbH (Koop-3D) und 4A-SIDE GmbH (LeWiT-Tool) entwickelt. Erprobt werden sie von den Anwendungsunternehmen SAINT-GOBAIN Brüggemann Holzbau GmbH und ebm GmbH & Co. KG. In Kooperation mit der TU Braunschweig begleitete das Berufsbildungs- und Technologiezentrum (BTZ) der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim die Implementierung der digitalen Tools in die betriebliche Praxis und erstellte Beratungskonzepte sowie Schulungen. Mehr Informationen zum Projekt finden Sie unter ► www.projekt-indigo.de.

1.1 Lerntransfer nach Weiterbildungen

Die Effektivität von Weiterbildungen scheitert oft am Lerntransfer, der definiert wird als „die Anwendung und Generalisierung neuen Wissens und neuer Fähigkeiten in der Arbeit“ (Kauffeld et al., 2008, S. 4). Nur ca. 10 % bis 30 % des in Weiterbildungen Gelernten werden nachhaltig im Arbeitsalltag angewendet (Ford et al., 2011; Hall et al., 2014; Saks & Belcourt, 2006). Dieses Transferproblem (Baldwin & Ford, 1988; Bergmann & Sonntag, 2006; Kauffeld, 2016) führt dazu, dass neu Gelerntes nicht ausreichend zur Anwendung kommt und Ressourcen nicht optimal genutzt werden (Kauffeld, 2016; Kauffeld & Paulsen, 2018; Sandmeier et al., 2021).

Für den erfolgreichen Lerntransfer nach einer Weiterbildung ist informelles Lernen (also das Lernen im Alltag, z. B. über Internet oder durch das Ausprobieren von Handlungsstrategien, weitere Informationen siehe Kortsch et al., 2019) in den tatsächlichen Arbeitssituationen unabdingbar (Enos et al., 2003; Richter et al., 2020; Sparr et al., 2017). Faktoren, die den Erfolg von Lerntransfer beeinflussen, können in drei unterschiedliche Kategorien aufgeteilt werden: die Teilnehmendenmerkmale, die Weiterbildungsgestaltung und das Arbeitsumfeld (Baldwin & Ford, 1988; Hochholdinger et al., 2008; Kauffeld, 2016). Einen Überblick bietet ◘ Tab. 11.1.

Tab. 11.1 Überblick über Lerntransferfaktoren

Zu den Merkmalen der Teilnehmenden, die sich positiv auf den Lerntransfer auswirken, gehören beispielsweise neben der Selbstwirksamkeit der Teilnehmenden (Holton et al., 2000) das Interesse an den Weiterbildungsinhalten (Mehner & Kauffeld, 2023). Der Lerntransfer kann daher durch Maßnahmen zur Steigerung der Selbstwirksamkeit (z. B. durch konstruktives Feedback in Mitarbeitendengesprächen und dem Geben von Gestaltungsspielraum bei der Anwendung von Gelerntem), dem Berücksichtigen der Wünsche der Teilnehmenden in der Weiterbildung (Bardens, 2008) und dem Gewähren von genügend Zeit, das Erlernte im Alltag anzuwenden (Bardens, 2008), gefördert werden. Auch das selbstbestimmte Setzen von Zielen kann den Lerntransfer begünstigen (Johnson et al., 2012).

Lerntransferfaktoren der Weiterbildung beziehen sich zum Beispiel auf das Ausmaß, in dem die Weiterbildungsinhalte mit den Anforderungen im Arbeitsalltag übereinstimmen (Holton et al., 2000). Auch die Methodenkompetenz der Trainer*innen, Transferelemente zu integrieren und die Weiterbildung interaktiv zu gestalten, hat einen Einfluss auf den Lerntransfer (Mehner & Kauffeld, 2023). Dieser kann demnach durch eine hohe Weiterbildungs-Arbeitsplatz-Übereinstimmung unterstützt werden, die z. B. durch den Einbezug der Erfahrungen der Teilnehmenden (Bardens, 2008) und eine effektive Auftragsklärung erreicht werden kann. Zudem sind pädagogisch gut geschulte Trainer*innen (Wißhak et al., 2020) und qualitativ hochwertige Unterlagen (Mehner & Kauffeld, 2023) hilfreich.

Im Arbeitsumfeld sind Faktoren, die den Lerntransfer beeinflussen, wichtig, wie beispielsweise die Unterstützung in der Kollegschaft und durch Führungskräfte (Holton et al., 2000; Kauffeld et al., 2008) und die zeitlichen sowie materiellen Ressourcen zur Wissensanwendung (Mehner & Kauffeld, 2023). Hilfreich für den Lerntransfer kann daher ein unterstützendes personales Umfeld sein, in dem Kompetenzerwerb positiv bewertet und z. B. im Rahmen von Nachbereitungsgesprächen besprochen und reflektiert wird (Bardens, 2008; Kauffeld & Massenberg, 2018). Ziele und Erwartungen von Weiterbildungen sollten klar formuliert werden und Führungskräfte sollten unterstützend in den Lerntransferprozess involviert sein sowie motivierend auf Mitarbeitende wirken (Bardens, 2008; Massenberg & Kauffeld, 2015). Mitarbeitende benötigen genügend Möglichkeiten, das Gelernte auch tatsächlich anzuwenden (Bardens, 2008).

Das LeWiT-Tool greift Möglichkeiten zur Förderung der Lerntransferfaktoren auf. So werden im digitalen Tool selbstbestimmt Ziele gesetzt, Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglicht, Reflexionen zu persönlichen und arbeitsbezogenen Ressourcen angeregt, über die Beurteilung der Weiterbildungen Handlungspotenziale gesammelt und der Diskurs in der Kollegschaft und mit Führungskräften angeregt. Das digitale Tool fördert zudem die Wissensweitergabe nach Weiterbildungen in der Kollegschaft.

1.2 Wissensweitergabe nach Weiterbildungen

Neben dem Lerntransfer ist auch die interpersonelle Wissensweitergabe ein wichtiger Bestandteil des Kompetenzausbaus in Unternehmen (Kauffeld, 2016), der zur Zukunftssicherung beiträgt (Tachkov & Mertens, 2016). Die Wissensweitergabe beschreibt, dass eine Person nach dem Besuch einer Weiterbildung ihr dort erworbenes Wissen mit der Kollegschaft teilt und somit in die Organisation trägt. Die Wissensweitergabe kann als Form des informellen Lernens angesehen werden (Decius et al., 2021; Kortsch et al., 2019). Das informelle Lernen gilt seit langem als eine Form der Kompetenzentwicklung von Mitarbeitenden, um sie für betriebsnotwendige Abläufe im Unternehmen zu qualifizieren oder sie für weitere Bereiche einsetzbar zu machen (Decius et al., 2021; Kauffeld, 2016; Kauffeld & Frerichs, 2018). Besonders bei KMU ist das informelle Lernen traditionell von großer Bedeutung (Kauffeld & Frerichs, 2018).

Keine (effektive) Wissensweitergabe führt zu unterschiedlichen Kenntnisständen – es entstehen „Wissensinseln“ im Unternehmen. Sie können uneinheitliche und ineffiziente Prozesse zur Folge haben. Zudem würden hohe Kosten für die Personalentwicklung entstehen, müsste jede*r Mitarbeitende einzeln geschult werden. Wissensweitergabe innerhalb der Kollegschaft bildet neue Wissensstrukturen und schafft vernetztes sowie aktuelles Wissen im Team, wodurch eine stetige Prozessoptimierung ermöglicht werden kann (Kauffeld, 2016). Sie hängt positiv mit der Innovationsfähigkeit von KMU zusammen (Bouncken & Kraus, 2013), fördert die Kreativität der Mitarbeitenden sowie das organisationale Lernen und verbessert die Leistung von KMU (Anand et al., 2021). Zudem ist das Gelernte nachhaltiger im Unternehmen implementiert und Mitarbeitende sind langfristig motivierter, wenn Weiterbildungen und ihre Ziele im Unternehmen dokumentiert werden (Ackermann et al., 2018). Die Wissensweitergabe kann Veränderungen im gesamten Unternehmen anstoßen und nachhaltig einen Nutzen stiften, wenn sie gut gestaltet wird (Kauffeld & Berg, 2022).

Faktoren zum erfolgreichen Wissenstransfer werden oft im Arbeitsumfeld und bei den Mitarbeitenden gesehen. Einige Faktoren sind dabei parallel zu den Lerntransferfaktoren zu finden, z. B. die Unterstützung durch die Führungskraft, Unterstützung und Vertrauen in der Kollegschaft, die Motivation zum Wissenserwerb und persönliche zeitliche Ressourcen zur Wissensweitergabe (Riege, 2005). Wichtig sind die Kommunikation und Vernetzung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden sowie in der Kollegschaft. Umgesetzt werden kann dies beispielsweise durch Feedbackgespräche nach Abschluss einer Weiterbildung, Meetings, die den Austausch über Gelerntes fördern, oder spezielle Transfergespräche. Günstig sind eine offene Fehler- und Austauschkultur und eine Arbeitsorganisation, in der Platz für Ideenmanagement ist, Teamarbeit integriert und vorhandenes Wissen im Arbeitsalltag reflektiert wird. Darüber hinaus können Führungskräfte als Vorbilder in Bezug auf Wissenstransfer fungieren, ihren Mitarbeitenden Verantwortung übertragen und die Unternehmensziele offen kommunizieren (Tachkov & Mertens, 2016). Bedeutsame Merkmale der Mitarbeitenden sind, dass sie sich selbst und andere als Wissensträger*innen erkennen und intrinsisch zur Wissensweitergabe motiviert sind (Tachkov & Mertens, 2016). Durch Vertrauen zwischen den Mitarbeitenden, das Sicherheit und Selbstbewusstsein stiftet, wird ebenfalls das Teilen von Wissen im Unternehmen befördert (Curado & Vieira, 2019).

Das hier im Beitrag vorgestellte LeWiT-Tool regt zur Wissensweitergabe an. Durch gezielte Fragen und durch das Setzen von Zielen zur Wissensweitergabe wird Verbindlichkeit geschaffen, eine Gesprächsgrundlage geboten und verhindert, dass Wissen unbemerkt bei Einzelpersonen verbleibt, obwohl andere Mitarbeitende bekanntermaßen von dem Wissen profitieren könnten. Das digitale Tool setzt dabei auf eine integrative Unterstützung individueller Lernpfade von Mitarbeitenden im Sinne einer entwicklungsunterstützenden Evaluation.

1.3 Integrative digitale Unterstützung des Lerntransfers und der Wissensweitergabe

Um Mitarbeitende beim Lerntransfer und der Wissensweitergabe auf ihren individuellen Lernpfaden zu unterstützen kann auf die Evaluation als integraler Bestandteil des Lernprozesses zurückgegriffen werden (Kauffeld & Paulsen, 2018). Es wird zwischen ergebnis- und prozessbezogener Evaluation unterschieden (Kauffeld, 2016). Die ergebnisbezogene Evaluation betrachtet die Wirksamkeit einer Lernaktivität (z. B. einer Weiterbildung) und zeigt ihren Mehrwert für Mitarbeitende und Unternehmen auf. Häufig wird nach dem Vorbild des Vier-Ebenen-Modells von Kirkpatrick und Kirkpatrick (2006) die Zufriedenheit mit der Lernaktivität, der Lernerfolg, der Transfererfolg sowie die individuellen und organisationalen Resultate erfasst. Beispielsweise zeigt sich oft, dass Weiterbildungsteilnehmende zufrieden sind und etwas gelernt haben, dies aber nicht in den Arbeitsalltag übertragen können (Kauffeld, 2016). Die prozessbezogene Evaluation hilft nun herauszufinden, welche Faktoren (z. B. im Arbeitsumfeld) den Erfolg der Lernaktivität einschränken oder fördern. Darauf aufbauend können Handlungsfelder (z. B. die Interaktion zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden) identifiziert und Maßnahmen für Mitarbeitende (z. B. Bedarfe aktiv bei der Führungskraft anmelden) und Unternehmen (z. B. institutionalisierte Austauschformate wie Transfergespräche etablieren) abgeleitet werden, die die Wirksamkeit der Lernaktivität erhöhen.

Die ergebnis- und prozessbezogene Evaluation kann an eine den Lernprozess begleitende Evaluation gekoppelt werden, die als entwicklungsunterstützende Evaluation bezeichnet werden (Kauffeld, 2016). Sie wird genutzt, um begleitend im Prozess des lebenslangen Lernens Hinweise auf den Mehrwert einzelner Lernaktivitäten zu geben, Optimierungsmöglichkeiten zu erarbeiten, dadurch neue Lernräume zu eröffnen, die wiederum ergebnis- und prozessorientiert evaluiert werden können. Somit wird eine kontinuierliche Reflexion der Lernaktivitäten angestoßen, die sowohl auf Ebene der Mitarbeitenden als auch des Unternehmens zum strategischen Kompetenzaufbau beitragen kann.

Die Umsetzung der entwicklungsunterstützenden Evaluation erfolgt idealerweise digital (Kauffeld & Paulsen, 2018), um Mitarbeitenden und Unternehmen zeitnahe Evaluationen automatisiert und effizient liefern zu können. Damit die digitale Umsetzung effektiv von Mitarbeitenden genutzt und im Unternehmen mit optimierten Strukturen oder Prozessen einhergehen kann, ist die Technikakzeptanz der Mitarbeitenden zu beachten (z. B. Kohnke, 2017; Venkatesh & Bala, 2008). Ihre Toolnutzung hängt stark davon ab, wie nützlich und einfach bedienbar sie ein digitales Tool finden (Technology Acceptance Model, TAM, z. B. Davis, 1993). Diverse weitere Faktoren beeinflussen die Technikakzeptanz (siehe z. B. DeLone & McLean, 2003; Goodhue & Thompson, 1995; Mahmood et al., 2001; Venkatesh & Bala, 2008; Venkatesh et al., 2003) wie beispielsweise die technologie-inhärenten Merkmale Ergebnisqualität, Verständlichkeit, Verlässlichkeit und Neuartigkeit (Mlekus et al., 2020).

Das LeWiT-Tool wurde im Sinne der entwicklungsunterstützenden Evaluation entwickelt. Bereits während der Entwicklung wurde auf eine akzeptanzförderliche Toolgestaltung geachtet, indem unter anderem zukünftige Nutzende einbezogen wurden. Das Tool wird im Folgenden genauer vorgestellt.

1.4 Das LeWiT-Tool zur digitalen Unterstützung des Lerntransfers und der Wissensweitergabe

Das LeWiT-Tool – das digitale Tool zum Lern- und Wissenstransfer – soll den Lerntransfer am Arbeitsplatz nach einem Weiterbildungsbesuch steigern und die Weitergabe von relevanten Weiterbildungsinhalten in der Kollegschaft unterstützen. Das Tool schlägt durch eine prozess- und ergebnisbezogene Evaluation der Lernbedingungen eine Brücke zwischen formellem und informellem Lernen und ermöglicht dadurch Wissen und Fertigkeiten besser im Unternehmen zu verankern, dort zu halten und weiterzuverbreiten. Es zahlt auf einen systematischen Kompetenzaufbau bei Mitarbeitenden ein, evaluiert Weiterbildungen und kann somit Personalentwicklungsmaßnahmen verbessern.

Das LeWiT-Tool wird folgendermaßen genutzt: Personaler*innen tragen in das LeWiT-Tool ein, welche Mitarbeitenden zu welchen Weiterbildungen gehen. Im Anschluss eines Weiterbildungsbesuchs erhalten die Mitarbeitenden automatisiert über das LeWiT-Tool per E-Mail den Link zu einem Fragenbogen, in dem sie die Weiterbildung vor allem in Bezug auf den Lerntransfer und die Wissensweitergabe evaluieren, über benötigte Ressourcen reflektieren und sich konkrete Ziele zur Anwendung und Wissensweitergabe vornehmen. Das Ausfüllen des Fragebogens nimmt ungefähr fünf Minuten in Anspruch. Zwei Monate später beantworten sie erneut einen ähnlich langen Fragebogen, zu dem sie über das LeWiT-Tool per E-Mail eingeladen werden. Ziel des Fragebogens ist die Reflektion der zuvor gesetzten Ziele. Es wird gefragt, welche Inhalte aus der Weiterbildung tatsächlich umgesetzt wurden, welches Wissen geteilt wurde und wie die Unterstützung durch die Führungskraft in diesem Prozess war. Außerdem wird evaluiert, ob genügend Material zur Umsetzung bereitgestellt wurde und ob es genug Zeit zum Ausprobieren gab. Jeweils nach dem Ausfüllen der Fragebögen erhalten die Mitarbeitenden und ihre Führungskräfte eine Rückmeldung per E-Mail in Form eines Ergebnisberichts über die ausgefüllten Fragebögen. Die Personalabteilung hat über das LeWiT-Tool Zugriff auf alle Daten und kann sich beispielsweise nach Kurs oder Themenbereich aggregierte Ergebnisse anzeigen lassen. So sind Führungskräfte und Personaler*innen bestens darüber informiert, über welches Wissen ihre Mitarbeitenden verfügen und können Mitarbeitenden individuelles Feedback zum Lerntransfer und zur Wissensweitergabe geben. Führungskräfte und Mitarbeitende können leichter in den Austausch kommen und beispielsweise gemeinsam überlegen, wie das Gelernte besser angewendet oder Arbeit umverteilt werden kann, sodass genug Zeit zur Erprobung bleibt. Die Personalabteilung kann Doppelbuchungen vermeiden und mithilfe der Evaluation weitere Schulungsbesuche planen oder gegebenenfalls absagen.

Eine erste Evaluation des LeWiT-Tools mit 52 Nutzenden aus zwei KMU zeigt, dass die Nutzung des Tools einwandfrei funktioniert und zur verbesserten Zielsetzung, Reflexion und Erinnerung an den Lerntransfer und die Wissensweitergabe führen kann (Rothenbusch et al., 2023). Zudem wies die Studie darauf hin, dass das Tool den Lern- und Wissenstransfer steigern kann. Ob allerdings potenzielle Stakeholder (also Personen, die das Tool noch nicht nutzen und zu Gruppen gehören, für die das Tool relevant sein könnte) das Tool nutzen wollen würden und wie sie es nach einer ersten Vorstellung bewerten, wurde in einer weiteren Studie untersucht, die im Folgenden vorgestellt wird.

2 Vignettenstudie zur Attraktivität des LeWiT-Tools für den Lerntransfer und die Wissensweitergabe

Die bisherigen insgesamt vielversprechenden Evaluationsergebnisse (Rothenbusch et al., 2023) beziehen sich auf Nutzende des LeWiT-Tools. Allerdings stellt sich die Frage, ob das Tool überhaupt adoptiert werden würde und wie potenzielle Stakeholder, die bisher noch nichts mit dem Tool zu tun haben, jedoch Auswirkungen der Toolnutzung spüren würden, das Tool bewerten. Deshalb wurden Weiterbildungsteilnehmende, Führungskräfte, Personaler*innen und Trainer*innen gebeten das LeWiT-Tool zu beurteilen und anzugeben, ob sie das Tool nutzen würden. Basierend auf Forschung zur Technikakzeptanz (z. B. Venkatesh & Bala, 2008) ist anzunehmen, dass Personen, die das LeWiT-Tool positiv – vor allem als nützlich und einfach zu bedienen – bewerten, es eher nutzen würden. Wir untersuchten diesen Zusammenhang, um herauszufinden, welche Merkmale des LeWiT-Tools besonders relevant für die Nutzungsintention sind.

Nur wenige Nutzende des LeWiT-Tools hatten durch das Tool einen verstärkten Austausch mit ihren Führungskräften (Rothenbusch et al., 2023). Dies führte zu der Frage, ob potenzielle Stakeholder wünschen, dass Führungskräfte einen Bericht über die Angaben einzelner Weiterbildungsteilnehmenden im LeWiT-Tool erhalten und welchen Einfluss diese Funktion auf die Beurteilung des Tools und die Nutzungsintention hat.

Zusammengefasst lauten die Fragestellungen:

  1. 1.

    Wie bewerten potenzielle Stakeholder das LeWiT-Tool?

  2. 2.

    Wie hängt die Bewertung des LeWiT-Tools mit der Intention, das Tool zu nutzen, zusammen?

  3. 3.

    Wird das LeWiT-Tool mit oder ohne Bericht an die Führungskräfte bevorzugt?

2.1 Methode

2.1.1 Vorgehen

Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde Studienteilnehmenden eine von zwei Videovignetten zur Vorstellung des digitalen Tools präsentiert (siehe ► Exkurs: internet-basierter (experimenteller) Vignettenansatz in der Forschung und Praxis). Die Zuteilung erfolgte randomisiert. Beide Videovignetten waren identisch bis auf eine zusätzliche Information in einer Vignettenversion. In der Vignette „BFK“ (BFK = Bericht an die Führungskraft) wurde gezeigt, dass die Führungskräfte der Toolnutzenden automatisch vom System jeweils einen Ergebnisbericht von den beiden ausgefüllten Fragebögen zugesandt bekamen. In der anderen Vignettenversion „ohne BFK“ wurde diese Information nicht gegeben. Anschließend bearbeiteten die Studienteilnehmenden einen Online-Fragebogen, der Fragen mit offenem und geschlossenem Antwortformat enthielt. Die Studienteilnehmenden wurden mittels finanzieller Incentives akquiriert.

Exkurs: internet-basierter (experimenteller) Vignettenansatz in der Forschung und Praxis

Die hier präsentierte experimentelle Vignettenmethodik (experimental vignette methodology, EVM, z. B. Aguinis & Bradley, 2014) kann sowohl in der Forschung als auch in der Praxis gewinnbringend eingesetzt werden. Eine Vignette beinhaltet eine Kurzbeschreibung einer Person, eines Objekts oder einer Situation, und wird sorgfältig gestaltet, um spezifische Merkmale bzw. Merkmalskombinationen darzustellen (Atzmüller & Steiner, 2010). Sie kann Text, Bilder, Videos und andere Medien umfassen (Aguinis & Bradley, 2014) und hilft Personen einen schnellen Einblick in eine Thematik (hier: in das digitale Tool und den neuen Prozess des Lerntransfers und der Wissensweitergabe) zu erhalten. Über die Nutzung verschiedener Vignetten, die sich in bestimmten Aspekten – wie hier in der Nennung der Berichterstattung an Führungskräfte – unterscheiden, können Meinungen zu ggf. sensiblen Themen unverfälscht(er) erfragt werden. Durch die Nutzung des Internets können zudem potenziell viele Personen befragt werden.

Als Forschungsmethodik erlaubt EVM Experimente realistischer zu machen und unabhängige Variablen zu manipulieren und zu kontrollieren (Aguinis & Bradley, 2014). In der Praxis kann EVM oder auch nur eine Vignette (also ohne Manipulation von Aspekten) genutzt werden, um Personen Einblicke zu gewähren, die sie sonst nicht so einfach hätten erhalten können (z. B. weil sie ein Tool noch nicht genutzt haben, ein Prozess zu lange dauern würde oder eine Beobachtung unerwünscht ist).

Im vorliegenden Fall erhielt eine Person randomisiert eine von zwei Vignetten, sodass zeitschonend zwei Toolversionen verglichen werden konnten, jedoch nicht erfasst werden konnte, wie eine Person den Unterschied zwischen den Toolversionen beurteilt. Natürlich können auch beide (bzw. mehrere oder alle) Vignetten einer Person gezeigt werden. Entsprechend würde sich die Befragungszeit für eine Person erhöhen. Man bräuchte jedoch weniger Personen für verlässliche Aussagen zu befragen und könnte ggf. Fragen zu den Unterschieden zwischen den Vignetten stellen. In diesem Fall sollten die Vignetten jedoch personenweise durchmischt werden, um Reihenfolgeeffekte zu vermeiden (Atzmüller & Steiner, 2010).

Auch wenn der Ansatz sinnvoll ist, um vielen Personen einen effizienten Einblick in die Nutzung eines digitalen Tools zu geben, ersetzt er nicht die (angeleitete) Nutzung des digitalen Tools, da Vignetten immer nur einen Ausschnitt präsentieren können. Auch kann die Präsentationsart selbst einen Einfluss haben, der dann nicht vom Einfluss des Inhalts unterschieden werden kann.

2.1.2 Teilnehmende

An der LeWiT-Vignetten-Studie nahmen N = 201 Personen teil, die durchschnittlich M = 47,55 Jahre (SD = 13,17, Min = 20, Max = 70) alt und knapp mehrheitlich männlich (47,76 % weiblich, 51,24 % männlich, 0,50 % divers, 0,50 % missing) waren. Es waren aus allen Berufsbereichen der Klassifikation der Berufe (KldB) 2010 (Bundesagentur für Arbeit, 2011) Personen in der Stichprobe vertreten. Die meisten Personen waren in den Bereichen „Kaufmännische Dienstleistungen, Warenhandel, Vertrieb, Hotel und Tourismus“ (22,39 %), „Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung“ (22,39 %) und „Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung“ (21,39 %) beschäftigt. In Kleinstunternehmen arbeiten 23,38 % der Personen, in kleinen Unternehmen 10,94 %, in mittleren Unternehmen 17,91 % und in größeren Unternehmen 47,26 % (0,50 % der Personen beantwortete die Frage nicht). Die Vignette „BFK“ erhielten n = 100 Personen, die Vignette „ohne BFK“ betrachteten n = 101 Personen. Die Verteilung der Stakeholdergruppen in der Stichprobe kann der ◘ Tab. 11.2 entnommen werden.

Tab. 11.2 Verteilung der Teilnehmenden getrennt nach Stakeholdergruppen und Vignettenversion

2.1.3 Messinstrumente

Zur Messung der Technikakzeptanz wurde auf die von Mlekus et al. (2020) ins Deutsche übersetzten Skalen zur wahrgenommenen Nützlichkeit (Wie nützlich ist das Tool?), wahrgenommenen Bedienfreundlichkeit (Wie einfach kann das Tool genutzt werden?) und Ergebnisqualität (Wie qualitativ hochwertig sind die mit dem Tool erzeugbaren Ergebnisse?) von Venkatesh und Bala (2008) sowie Nutzungsintention (Würde ich das Tool nutzen?) von Maruping et al. (2017) zurückgegriffen. Die Skalenformulierungen wurden an das LeWiT-Tool adaptiert. Zudem setzten wir die Skala Innovationsfreude (Fischbach, 2019, Wie gerne beschäftige ich mich mit neuen Technologien?) ein. Die Antwortskalen reichten von 1 (trifft gar nicht zu) bis 6 (trifft völlig zu). Zusätzlich nutzten wir die Skalen Verständlichkeit (Kann ich mich einfach mit dem Tool vertraut machen?) und Neuartigkeit (Ist das Tool innovativ und kreativ?) der deutschen Version des User Experience Questionnaire von Laugwitz et al. (2008) ein, die bei Mlekus et al. (2020) signifikante Prädiktoren und in unserer Studie auf Basis einer Videovignette beurteilbar waren. Bei den 7er-Skalen handelte es sich um semantische Differenziale mit zwei gegensätzlichen Worten an den Ausprägungspolen (z. B. verständlichunverständlich oder herkömmlichneuartig). Über vier dichotome Ja/Nein-Abfragen wurde die Zugehörigkeit zu den vier Stakeholdergruppen (Weiterbildungsteilnehmende, Führungskräfte, Personaler*innen, Trainer*innen) erfasst. Eine Person konnte Mitglied in verschiedenen Stakeholdergruppen (z. B. Weiterbildungsteilnehmende*r und Personaler*in) sein. Ob die Studienteilnehmenden für oder gegen einen Bericht über die getätigten Angaben einzelner Personen im LeWiT-Tool an die Führungskraft waren, wurde über eine dichotome Ja/Nein-Angabe erfasst. Über das Item Betriebsgröße erfassten wir ausgerichtet an den KMU-Schwellenwerten der Europäischen Union (2017), ob die Teilnehmenden in einem Kleinst- (1–9 Beschäftigte), kleinen (10–49 Beschäftigte), mittleren (50–249 Beschäftigte) oder größerem Unternehmen (ab 250 Personen) arbeiten. Die wahrgenommenen Vor- und Nachteile des LeWiT-Tools sowie die Begründungen für oder gegen einen Bericht an Führungskräfte wurden über offene Fragen erfasst.

2.1.4 Analyse

Die geschlossenen Fragen wurden mittels SPSS 28 aufbereitet und mit Mplus 8 (Muthén & Muthén, 1998–2017) analysiert. Zur Schätzung fehlender Werte wurde der full information maximum likelihood (FIML, nähere Informationen siehe z. B. Enders, 2010) Algorithmus verwendet. Fehlende Werte rangierten in der vorliegenden Studie von 0,00 % für die Zugehörigkeit zur Stakeholdergruppe bis 3,98 % für die Angabe des Berufsfeldes.

Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden Strukturgleichungsmodelle mit dem MLR-Schätzer gerechnet. Die Güte der Modelle wurde anhand der folgenden Kriterien bewertet: χ2-Test, root mean square error of approximation (RMSEA, Werte unter 0,08 akzeptabel; MacCallum et al., 1996), comparative fit index (CFI, Werte über 0,90 akzeptabel), Tucker–Lewis Index (TLI, Werte über 0,90 akzeptabel) und standardized root mean square residual (SRMR, Werte unter 0,08 gut; Hu und Bentler, 1999). Alle in diesem Buchkapitel berichteten Modelle verfügten über eine mindestens akzeptable Modellgüte.

Die Überprüfung der Faktorenstruktur der eingesetzten Skalen erfolgte mittels einer Konfirmatorischen Faktorenanalyse (CFA). Die Skalenreliabilitäten (factor determinacy und Cronbachs α) rangierten zwischen akzeptabel für die wahrgenommene Bedienfreundlichkeit (fd = 0,93; α = 0,73) bis exzellent für die Nutzungsintention (fd = 0,97, α = 0,94).

Um die Vignettenversionen miteinander vergleichen zu können wurde auf starke Messinvarianz zwischen den Vignettenversionen geprüft. Sie kann aufgrund der statistisch nicht-signifikanten χ2-Tests zwischen den Modellen zur konfiguralen, schwachen und starken Messinvarianz angenommen werden (alle p ≥ 0,18).

Die offenen Fragen wurden mit MAXQDA 2020 ausgewertet. Basierend auf dem Datenmaterial wurden die genannten Vor- und Nachteile des LeWiT-Tools induktiv zu Kategorien zusammengefasst. Die Kategorien wurden im zweiten Schritt in Anlehnung an Kauffelds (2016) Einteilung von Faktoren, die die Wirksamkeit einer Maßnahme beeinflussen, in die Kategorien Person, Training, Arbeitsumfeld und Technik gebündelt. Die zusätzliche Kategorie Allgemein enthielt Nennungen, die zu mehreren Kategorien passten.

2.2 Ergebnisse

Bewertung des LeWiT-Tools und Nutzungsintention potenzieller Stakeholder

Weiterbildungsteilnehmende, Führungskräfte, Personaler*innen und Trainer*innen wurden gebeten, das LeWiT-Tool zu bewerten, wahrgenommene Vor- und Nachteile zu nennen und anzugeben, inwiefern sie das Tool nutzen wollen. Das LeWiT-Tool wurde insgesamt von den Stakeholdern positiv bewertet und ihre Nutzungsintention lag mit durchschnittlich 72,33 % im oberen Bereich (◘ Abb. 11.1). Sie nannten N = 318 Vorteile des LeWiT-Tools und N = 163 Nachteile. Im Verhältnis wurden somit 1,95-mal mehr Vor- als Nachteile wahrgenommen (Odds = 318/163 = 1,95). Am häufigsten wurde hervorgehoben, dass durch das LeWiT-Tool die Anwendung neuen Wissens unterstützt wird (personenbezogener Vorteil, n = 16) und das Tool übersichtlich (n = 16) und einfach (n = 15, beides technikbezogene Vorteile) sei (◘ Abb. 11.2). Die Kategorisierung der Nennungen nach Vor- und Nachteilen, die die sich weiterbildende Person, das Training, das Arbeitsumfeld, die Technik oder übergreifende allgemeine Aspekte betreffen (◘ Abb. 11.2), zeigt, dass besonders viele Vorteile des LeWiT-Tools für das Arbeitsumfeld (n = 92, z. B. verbesserte Wissensweitergabe und Einbindung von Führungskräften) gesehen wurden. Betrachtet man das Verhältnis zwischen genannten Vor- und Nachteilen, dann wird das LeWiT-Tool zudem besonders vorteilhaft für Trainings angesehen (Odds = 5,50; z. B. bessere Trainingsqualitätsbeurteilung und Optimierung von Schulungen).

Abb. 11.1
figure 1

Beurteilung des LeWiT-Tools und Nutzungsintention der Stakeholder. Skalenmittelwerte in Prozent. 0 % = minimale Ausprägung der Beurteilungsdimensionen (z. B. sehr niedrige Verständlichkeit), 100 % = maximale Ausprägung der Beurteilungsdimensionen (z. B. sehr hohe Nutzungsintention). Die Fehlerbalken repräsentieren Standardfehler

Abb. 11.2
figure 2

Wahrgenommene Vorteile (+) und Nachteile (-) des LeWiT-Tools kategorisiert nach Person, Training, Arbeitsumfeld, Technik und Allgemein in Anlehnung an Kauffeld (2016). Odds = Anzahl Vorteile/Anzahl Nachteile

Auf der Seite der Nachteile wurde am häufigsten übereinstimmend erwähnt, dass der Tooleinsatz zu viel Zeit kosten (allgemeiner Nachteil, n = 19), zu einer ungewollten Transparenz und Kontrolle der Mitarbeitenden führen (personenbezogener Nachteil, n = 15) und den Datenschutz gefährden (personenbezogener Nachteil, n = 9 Nennungen) könnte (◘ Abb. 11.2). Unter den Nennungen, die allgemein gehalten wurden (Kategorie „Allgemein“ in ◘ Abb. 11.2), befanden sich die meisten wahrgenommenen Nachteile (n = 56 Nachteile, z. B. die Zeit und der Aufwand). In dieser Kategorie waren die Nachteile leicht in der Überzahl zu den Vorteilen (Odds = 0,96).

Zwei der vier Stakeholdergruppen unterschieden sich auf jeweils einer Bewertungsdimension (◘ Abb. 11.3): Weiterbildungsteilnehmende empfanden das LeWiT-Tool als neuartiger als Personen ohne Weiterbildungserfahrung. Personaler*innen beurteilten das LeWiT-Tool als leichter verständlich als Personen, die keine Personaler*innen waren. Bei den Trainerinnen und Trainern sowie Führungskräften gab es keine Unterschiede. Die Stakeholder wiesen keine unterschiedliche Nutzungsintention auf.

Abb. 11.3
figure 3

Zusammenhänge zwischen der Beurteilung des LeWiT-Tools und der Nutzungsintention unter Berücksichtigung der Stakeholdergruppe, der Innovationsfreude und der Betriebsgröße. Bei den Zahlen handelt es sich um β-Gewichte. * p ≤ 0,05. ** p ≤ 0,01. *** p ≤ 0,001. ns steht für nicht signifikante β-Gewichte

Bis auf eine Ausnahme waren zwischen den Stakeholdergruppen keine Unterschiede im Verhältnis zwischen genannten Vor- und Nachteilen in den fünf Kategorien (Person, Training, Arbeitsumfeld, Technik, Allgemein) zu erkennen. Die entsprechenden Odds Ratios (OR) inkludierten die „1“. ORs geben das Verhältnis an zwischen z. B. den Odds der genannten technikbezogenen Vor- und Nachteile von Trainer*innen und den technikbezogenen Vor-/Nachteil-Odds von Personen, die keine Trainer*innen waren. Eine Ausnahme bildeten die Führungskräfte. Im Vergleich zu Personen ohne Führungspositionen sahen sie mehr Vor- als Nachteile des LeWiT-Tools für sich weiterbildende Personen (OR = 2,57; KI [1,01; 6,59], kleiner Effekt nach Chen et al., 2010).

Weitere Faktoren beeinflussten die Bewertung des LeWiT-Tools (◘ Abb. 11.3): Personen mit einer höheren Innovationsfreude beurteilten die Ergebnisse des Tools als qualitativ hochwertiger, empfanden das Tool als verständlicher, neuartiger und einfacher zu bedienen und wollten es eher nutzen als Personen mit niedrigerer Innovationsfreude. Studienteilnehmende, die in KMU arbeiten, bewerteten die Qualität der Ergebnisse des Tools, die Neuartigkeit und die Bedienbarkeit besser als Teilnehmende aus Kleinstunternehmen. Allerdings schätzen sie die Nützlichkeit des Tools etwas geringer ein als Teilnehmende aus Kleinstunternehmen. Im Vergleich zu Teilnehmenden aus größeren Unternehmen beurteilten KMU-Mitarbeitende das LeWiT-Tool als neuartiger.

Zusammenfassend nahmen die potenziellen Stakeholder das LeWiT-Tool positiv auf. Sie sahen vorwiegend Vorteile, stellten jedoch auch mögliche Nachteile heraus. Die Stakeholdergruppen unterschieden sich in einigen wenigen Beurteilungsbereichen. Die Innovationsfreude und Betriebszugehörigkeit der potenziellen Stakeholder hing mit der Toolbeurteilung zusammen.

Zusammenhang der Bewertung des LeWiT-Tools mit der Intention, das Tool zu nutzen

Anschließend wurde betrachtet, inwiefern die Bewertung des LeWiT-Tools mit der Intention der Studienteilnehmenden zusammenhing, das Tool nutzen zu wollen (◘ Abb. 11.3). Je verständlicher das LeWiT-Tool für die Teilnehmenden war, desto einfacher schätzten sie die Bedienbarkeit des Tools ein. Eine höher wahrgenommene Bedienbarkeit wiederum sowie eine höher eingeschätzte Ergebnisqualität gingen positiv mit der wahrgenommenen Nützlichkeit des Tools einher. Während die Bedienbarkeitsbeurteilung in keinem statistisch signifikanten Zusammenhang mit der Nutzungsintention stand, bekundeten Teilnehmende stärker, dass sie das Tool nutzen würden, je nützlicher und neuartiger sie es fanden.

Die Nutzungsintention war bei 75 Personen besonders hoch (Skalenwert von 5 oder höher) und bei 15 Personen besonders niedrig (Skalenwert von 2 oder niedriger). Bei Personen, die das LeWiT-Tool nutzen wollten, standen 128 Vorteile 54 Nachteilen (Odds = 2,37) gegenüber. Sie sahen die Vorteile der Toolnutzung insbesondere für das Arbeitsumfeld (Kategorie mit den meisten Nennungen, n = 39 Nennungen) und das Training (größtes Vor-/Nachteile-Verhältnis, Odds = 12,00). Sie nannten jedoch auch Nachteile, die meistens allgemein gehalten waren (19 Nennungen, kleinstes Vor-/Nachteile-Verhältnis, Odds = 1,21). Personen, die das LeWiT-Tool nicht nutzen wollten, nannten 7 Vorteile und 12 Nachteile (Odds = 1,71). Die meisten Nachteile waren personen- oder technikbezogen oder allgemeiner Art (jeweils 3 Nennungen). Allerdings wurden in diesen Kategorien auch Vorteile gesehen (jeweils 2 Nennungen, jeweils Odds = 0,67).

Zusammenfassend zeigt sich, dass vor allem die wahrgenommene Nützlichkeit, aber auch die Neuartigkeit und das Wahrnehmen von Vorteilen der Toolnutzung für das Arbeitsfeld und das Training relevant für die Nutzungsintention sind.

Bericht an die Führungskraft

Das LeWiT-Tool kann mit oder ohne Berichterstattungsfunktion an die Führungskräfte genutzt werden. Welche Möglichkeit wird von den potenziellen Stakeholdern bevorzugt? Die Stakeholdergruppen beurteilten das LeWiT-Tool nicht unterschiedlich, egal ob sie durch die Vignette informiert wurden, dass die Führungskräfte einen Bericht über die getätigten Angaben einzelner Personen im LeWiT-Tool erhalten (Vignette „BFK“), oder diese Information nicht bekamen (Vignette „ohne BFK“; β zwischen −0,27 und 0,32 ns). Auch das Vor-/Nachteile-Verhältnis war insgesamt nicht verschieden zwischen den Vignettenversionen (OR = 1,03; KI [1,50; 0,70]. Allerdings gaben die potenziellen Stakeholder mehr Vor- als Nachteile der Toolnutzung für das Arbeitsumfeld an, wenn sie die Vignette „BFK“ anstatt der Vignette „ohne BFK“ betrachteten (OR = 3,11; KI [1,31; 7,40], mittlerer Effekt).

Es gaben mehr Personen (118 vs. 82 Personen) an, dass Führungskräfte einen Bericht über die Angaben einzelner Weiterbildungsteilnehmer*innen im LeWiT-Tool erhalten sollten, χ2(1) = 6,48; p = 0,01, vor allem wenn sie die Vignette „ohne BFK“ sahen (β = 0,20; p < 0,01). Personen, die für einen Bericht waren, hatten eine höhere Innovationsfreude (β = 0,24; p < 0,01), konnten jedoch keiner bestimmten Stakeholdergruppe oder Betriebsgröße zugeordnet werden (alle p > 0,05). Sie empfanden die Qualität der Ergebnisse des Tools besser (β = 0,20; p < 0,01). Es wurden 133 Gründe für die Präferenz der Berichterstattung genannt. Die häufigsten fünf Gründe waren: zur Information (27 Nennung), Beurteilung der Weiterbildung (21 Nennungen), Übersicht (12 Nennungen), Kontrolle (11 Nennungen) und Bewertung/Beurteilung (11 Nennungen). Gegen eine Berichterstattung wurden 72 Gründe genannt. Die häufigsten fünf Gründe bezogen sich auf den Datenschutz (17 Nennungen), Sorge vor Unehrlichkeit (9 Nennungen), Kontrolle (9 Nennungen), fehlende Anonymität (6 Nennungen) und den Glauben an die fehlende Notwendigkeit (6 Nennungen).

Insgesamt zeigt sich, dass die Mehrheit potenzieller Stakeholder für einen Bericht an die Führungskräfte ist, damit Führungskräfte die Kompetenzentwicklung ihrer Mitarbeitenden und die Weiterbildungen verfolgen und bewerten können. Die Darstellung, wie dies im LeWiT-Tool umgesetzt wurde, führte dazu mehr Vorteile der Toolnutzung für das Arbeitsumfeld zu sehen, ging allerdings auch mit einer niedrigeren Befürwortung eines Berichts an Führungskräfte einher.

3 Diskussion der Studienergebnisse für die Unterstützung des Lerntransfers und der Wissensweitergabe in kleinen und mittleren Unternehmen

Ziel des LeWiT-Tools ist es den Transfer von Wissen nach Weiterbildungen in KMU zu unterstützen und damit das Transferproblem (Baldwin & Ford, 1988; Kauffeld & Paulsen, 2018; Kauffeld, 2016) zu reduzieren. Um diese Wirkung entfalten zu können, muss das Tool im ersten Schritt im Sinne der Technikakzeptanz (z. B. Kohnke, 2017, Venkatesh & Bala, 2008) als nützlich und einfach bedienbar angesehen werden, damit potenzielle Stakeholder das Tool nutzen möchten. Die Beurteilungen des digitalen Tools, die mittels einer virtuellen Vignettenstudie, deren Methodik sowohl in der Forschung als auch in der Praxis hilfreich sein kann (siehe ► Exkurs: internet-basierter (experimenteller) Vignettenansatz in der Forschung und Praxis), erfasst wurden, werden im Folgenden diskutiert.

3.1 Erreicht das LeWiT-Tool – als eine Möglichkeit der Unterstützung des Lerntransfers und der Wissensweitergabe – seine Zielgruppen?

Das LeWiT-Tool scheint – basierend auf den durchschnittlich positiven Bewertungen – seine Zielgruppen zu erreichen. Die potenziellen Stakeholder nahmen vor allem Vorteile des Tools für das Training (z. B. bessere Trainingsqualitätsbeurteilung und Optimierung von Schulungen) und Arbeitsumfeld (z. B. Verbesserung der Wissensweitergabe und der Einbindung von Führungskräften) wahr, die gut zu den intendierten Unterstützungspotenzialen des Tools in den Bereichen des formellen und informellen Lernens passen. Vor allem eine Optimierung eines lerntransferförderlichen Arbeitsumfeldes scheint hilfreich in der Kompetenzentwicklung zu sein (Kauffeld, 2016). Mit Blick auf die Lerntransferfaktoren (◘ Tab. 11.1) zahlen die genannten Vorteile (◘ Abb. 11.2) vor allem ein auf:

  • Teilnehmendencharakteristika: informelles Lernen und Transfervolition

  • Weiterbildungsgestaltung: Weiterbildungs-Arbeitsplatz-Übereinstimmung, Transferdesign, Fach- und Sozialkompetenz der Trainer*innen und Rahmenbedingungen der Weiterbildung

  • Arbeitsumfeld: Möglichkeiten der Wissensanwendung, Unterstützung durch Vorgesetzte, Folgen bei (Nicht-)Anwendung, Feedback und weiterführende Maßnahmen

Viele der wahrgenommenen Nachteile (z. B. Zeit und Fehleranfälligkeit als allgemein formulierte sowie Transparenz/Kontrolle und Datenschutz als personenbezogene Nachteile) beziehen sich auf die konkrete Umsetzung der Unterstützung durch das LeWiT-Tool und im Arbeitsprozess. Sie können trotz gewünschter Unterstützung der Nutzung im Wege stehen, müssen daher je Unternehmen geklärt werden und können zu unterschiedlichen Ausgestaltungen der Umsetzung der Unterstützung führen.

Unter den Weiterbildungsteilnehmenden scheint diese Art der Unterstützung noch nicht weit verbreitet sein, da sie die Neuartigkeit des Tools betonten. Für sie kann das Tool neue Wege zur Wissensanwendung und -weitergabe bieten. Führungskräfte stellten insbesondere die Vorteile des Tools für die sich weiterbildende Person – und damit für das individuelle selbstbestimmte Lernen – heraus. Um den Transfer des Wissens ins Unternehmen weiter zu verstärken, sollten Führungskräfte daher noch stärker auf ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten in der Unterstützung des informellen Lernens ihrer Mitarbeitenden hingewiesen werden. Personaler*innen scheinen das LeWiT-Tool, eventuell aufgrund ihrer Erfahrung mit Weiterbildungsprogrammen, leichter verständlich zu finden, sodass mit einer einfachen und schnellen Einarbeitung in die Administrationsaufgaben gerechnet werden kann. Viele Trainer*innen können sich ebenfalls vorstellen, das Tool zu nutzen, obwohl es bisher noch nicht auf ihre Bedürfnisse angepasst wurde. Dies zeigt auf, dass viele Trainer*innen über ihren bisherigen Einflussbereich hinaus ihre Trainingsteilnehmenden im Lerntransfer unterstützen wollen. Ein Tool wie das LeWiT-Tool kann hier eine niederschwellige Brücke zwischen Training und Berufsalltag bieten und den Trainerinnen und Trainern zudem wichtige Impulse zur Anwendbarkeit ihrer vermittelten Inhalte bieten.

Innovationsfreudige Personen beurteilen Tools etwas besser (Yi et al., 2005) – wie auch in unserem Fall das LeWiT-Tool mit Bezug auf die Ergebnisqualität und Bedienbarkeit. Das LeWiT-Tool wurde gezielt für KMU entwickelt und in KMU erprobt. Daher ist es erfreulich, dass das Tool vor allem bei potenziellen Stakeholdern aus KMU gut ankam (z. B. fanden sie das Tool nützlicher als Stakeholder aus größeren Unternehmen). Es scheint zudem – folgernd aus der Neuartigkeitsbeurteilung – eine Lücke zu schließen, die in KMU im Kompetenzmanagement besteht.

3.2 Wie kann die Bereitschaft, digitale Unterstützungsmöglichkeiten des Lerntransfers und der Wissensweitergabe zu nutzen, gesteigert werden?

Ableitend aus den vorliegenden Ergebnissen zum LeWiT-Tool und im Einklang mit vorheriger Forschung (Mlekus et al., 2020; Venkatesh & Bala, 2008) ist es für die Erhöhung der Nutzungsintention besonders wichtig, die Nützlichkeitswahrnehmung positiv zu beeinflussen. Für eine hohe Nützlichkeitswahrnehmung ist vor allem die Ergebnisqualität aber auch die Bedienbarkeit des digitalen Tools von Bedeutung. Des Weiteren hängt übereinstimmend mit Mlekus et al. (2020) die Neuartigkeitsbeurteilung mit der Nutzungsintention zusammen – allerdings nur in einem geringen Ausmaß.

3.3 Wie sinnvoll ist der Einbezug von Führungskräften im Lerntransfer und der Wissensweitergabe?

Im Sinne der entwicklungsunterstützenden Evaluation als Unterstützungsmaßnahme zur Anwendung und Weitergabe von Wissen in Unternehmen (Kauffeld & Paulsen, 2018) ist die Selbstreflexion der Mitarbeitenden zentral und der aktive Einbezug von Führungskräften sinnvoll, um Lerntransferfaktoren effektiv optimieren zu können. Viele potenzielle Stakeholder präferieren eine Berichterstattung an Führungskräfte, begründeten dies jedoch vornehmlich nicht über das Unterstützungspotenzial durch die Führungskräfte, sondern über die Möglichkeit zur Information, Beurteilung und Kontrolle. Anscheinend werden Führungskräften in diesem Kontext bislang eher als summative anstatt als formative Evaluierende angesehen, die eher passiv wahrnehmend oder reaktiv bewertend anstatt aktiv unterstützend in die Kompetenzentwicklung ihrer Mitarbeitenden involviert sind. Die mit der Weitergabe von Informationen verbundenen Sorgen (z. B. Datenschutz und Unehrlichkeit) können ebenfalls in diesem Sinne gedeutet werden.

Die Umsetzung der Einbeziehung der Führungskräfte im LeWiT-Tool scheint noch nicht optimal für alle Stakeholder zu sein, da mehr Personen für eine Berichterstattung waren, wenn sie nicht gesehen haben, wie es im LeWiT-Tool realisiert wurde. Basierend auf den Begründungen der Studienteilnehmenden könnte eine stärkere Mitbestimmung der Toolnutzenden über die geteilten Informationen – in dem sie z. B. auswählen können, welche Daten weitergeleitet werden sollen – zu einer höheren Akzeptanz der Berichterstattung und damit zu einer offeneren Lernkultur führen.

3.4 Fazit und Implikationen für Unternehmen

Der vorliegende Beitrag stellt eine Möglichkeit der digitalen Unterstützung des Lerntransfers und der Wissensweitergabe in KMU mittels des LeWiT-Tools vor. Das Tool tritt als ein wichtiger Baustein dem Transferproblem (z. B. Kauffeld, 2016) entgegen. Für die Praxis ergeben sich folgende Hinweise:

  • Viele Weiterbildungsteilnehmende, Führungskräfte, Personaler*innen und Trainer*innen wünschen sich eine digitale Unterstützung beim Lerntransfer und der Wissensweitergabe.

  • Damit eine gewünschte Unterstützung des Lerntransfers und der Wissensweitergabe nicht an der konkreten Art der (digitalen) Umsetzung scheitert, müssen Befürchtungen und Sorgen der Nutzenden ernst genommen werden und Ressourcen (z. B. Nutzungs- und Umsetzungszeit innerhalb der Arbeitszeit, einfacher Zugriff auf das digitale Tool und ggf. weitere Erfordernisse), Strukturen (z. B. Lerntransfergespräche mit Führungskräften, formelle und informelle Austauschformate unter Mitarbeitenden) und Hilfestellungen zur Nutzung des Tools geschaffen werden.

  • Führungskräfte sollten auf ihre Rolle in der Wissensanwendung und -weitergabe ihrer Mitarbeitenden hingewiesen und entsprechende Handlungsmöglichkeiten (z. B. über Feedbackgespräche) aufgezeigt und ggf. geschult werden.

  • Auch Weiterbildungsteilnehmende, Personaler*innen und Trainer*innen sollten über die mögliche aktive Rolle von Führungskräften in der Wissensanwendung und -weitergabe aufgeklärt werden.

  • Toolanbietende sollten in der Initiierungs- und Adoptionsphase – also während der Suche und Entscheidung für ein geeignetes Tool (Cooper & Zmud, 1990) – unter anderem gezielt Präsentationsformate wählen, die von innovativeren Personen bevorzugt rezipiert werden.

  • Unternehmen suchen vor allem nach digitalen Tools, die genau auf ihre Bedarfe passen – also nützlich sind. Die möglichen Einsatzgebiete eines Tools sollten daher deutlich und einfach verständlich hervorgehoben werden und auf die konkreten Bedarfe anpassbar sein.

  • In der (Weiter-)Entwicklung eines digitalen Tools ist die Auseinandersetzung, welche Informationen und Ergebnisse die Nutzenden verlangen und wie diese Inhalte sowohl effizient als auch effektiv zur Verfügung gestellt werden können, besonders bedeutsam.

  • Toolnutzende sollten zu Rate gezogen werden, um die Bedienung des Tools für sie so einfach und intuitiv wie möglich zu halten.

  • Das Herausarbeiten und Darstellen, was an dem digitalen Tool innovativ und neuartig ist, kann die Nutzungsintention zwar etwas erhöhen, sollte jedoch stets im Kontext der Nützlichkeit des Tools stehen.

  • Auch wenn die Nützlichkeit eines Tools zentral für die Nutzungsintention eines Tools ist, sind diverse weitere Faktoren relevant. Ein reger Austausch mit den potenziellen Stakeholdern zu Gründen für oder gegen die Nutzung eines Tools erscheint daher unerlässlich.

  • Für eine effektive und effiziente Wissensanwendung und -weitergabe sollte eine offene Feedback-, Lern- und Fehlerkultur geschaffen werden, die ein selbstbestimmtes, gemeinsames und synergieorientiertes Lernen im Unternehmen ermöglicht.

Bei der Unterstützung des Lerntransfers und der Wissensweitergabe handelt es sich um work in progress, die zwar schon beispielsweise über den Ansatz der Entwicklungsorientierten Evaluation (Kauffeld & Paulsen, 2018) hilfreiche Elemente vorweisen kann, aber noch Hürden in der Integration in Arbeitsalltag und -prozesse zu nehmen hat.

Förderhinweis

Die vorliegende Arbeit ist Teil des Projektes IN-DIG-O (FKZ: 02L117C590). Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt IN-DIG-O wird im Rahmen des Programms „Zukunft der Arbeit“ unter dem Dachprogramm „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen.