Schlüsselwörter

1 Einleitung

Eine Stadt besteht aus vielen verschiedenen Quartieren, in denen der Lebensalltag ihrer Bewohner*innen verortet ist, soziale Prozesse stattfinden und Herausforderungen der resilienten Stadtentwicklung unmittelbar spürbar sind. Im Zuge der verstärkten Rezeption des Resilienzkonzepts in Planung, Politik, Wissenschaft und auch öffentlichen Debatten wird mit diesem Beitrag ein Überblick zu aktuellen Bezügen zwischen urbaner Resilienz und der Ebene des Quartiers gegeben. Damit soll zum einen das Verständnis der Vielschichtigkeit dieser Bezüge geschärft, zum anderen sollen kritische Reflexionen in Forschung und Praxis befördert werden.

In Anknüpfung an das Verständnis von urbaner Resilienz als die Fähigkeit einer Stadt, angesichts einer Störung, Krise oder eines Schocks ihre zentralen Funktionen aufrechtzuerhalten oder rasch wiederherzustellen (Meerow und Stults 2016; siehe Rink et al. in diesem Band), wird an Quartiere der gleiche Anspruch gestellt. Sie können als kleinste Einheit von Stadtgesellschaft (Berding und Bukow 2020) charakterisiert werden und bilden den alltäglichen Lebens- und Aktionsraum der meisten Menschen. In Krisensituationen wird hier die direkte Betroffenheit erfahren; Anpassung und Solidarität werden hier gelebt. In der Coronakrise wurden Quartiere zu den Schauplätzen eines neuen sozialen Zusammenhalts ebenso wie sozialer Ungleichheit (siehe Abschn. 5.4). Schnur (2021, S. 55) beschreibt: „Wenn das sozial-räumliche Amalgam ‚Quartier‘ lebendig und reagibel ist, macht es die Städte resilienter.“ Resiliente Quartiere werden so zu einer Voraussetzung für die resiliente Stadt. Deshalb gilt es, alle Potenziale der Quartiersebene zu nutzen (BMI 2021, S. 84). Dazu zählt auch die Reduzierung von (multipler) sozial-räumlicher Benachteiligung und sozialer Ungleichheit, um die individuelle und kollektive soziale Resilienz zu stärken (ebd., S. 10).

Im Folgenden wird zunächst das Konzept des Quartiers definiert, worauf eine Vorstellung aktueller wissenschaftlicher Debatten zur Relevanz von Quartieren und deren Einordnung in das Konzept der urbanen Resilienz folgen. Ein Überblick über Quartiersbezüge in verschiedenen Themenfeldern der urbanen Resilienz zeigt deren Vielschichtigkeit auf. Am Beispiel der Coronakrise wird dann auf multiple Dimensionen von Krisen in Quartieren eingegangen. Die daran anschließende kritische Reflexion verweist auf weiteren Forschungsbedarf.

2 Quartier und Resilienz – Verständnisse und Bezüge

2.1 Zum Konzept des Quartiers

Nach Schnur (2014, S. 43) ist ein Quartier „ein kontextuell eingebetteter, durch externe und interne Handlungen sozial konstruierter, jedoch unscharf konturierter Mittelpunkt-Ort alltäglicher Lebenswelten“. Er betont damit einen Zugang zu Quartieren, der stark von sozialen Bezugspunkten und der Wahrnehmung eines überschaubaren Wohnumfeldes als räumlicher Identifikationsort geprägt ist.

Eine weitere Charakterisierung findet auf Basis städtebaulicher und architektonischer Raumprägungen unter Beachtung historischer Entwicklungsphasen statt. Es werden z. B. innerstädtische Gründerzeitquartiere, innenstadtnahe Wohnquartiere der 1960er-Jahre oder randstädtische Großwohnsiedlungen ausgewiesen. Diese Beispiele entsprechen keiner kommunalstatistischen Struktureinheit. In ihrer räumlichen Ausdehnung variieren sie je nach inhaltlichem Bezugspunkt.

Quartiere weisen unterschiedliche soziodemographische und sozioökonomische Merkmale auf, wie die Häufung einer Berufsgruppe (z. B. Arbeiterquartiere, Handwerkerviertel), eine extreme Alterskonzentration, hohe Anteile an einkommensarmer oder -reicher Bevölkerung oder einen großen Anteil an Zugewanderten. Sind sie besonders durch internationale Zuwanderung geprägt und sind in ihnen Gelegenheitsstrukturen und Teilhabemöglichkeiten für Migrant*innen wie der Zugang zu Wohnen, Arbeit, Netzwerken und Vereinen verortet, werden sie in der jüngeren Forschung als Ankunftsquartiere bezeichnet (Hans et al. 2019; Haase et al. 2020).

Allen Quartieren ist gemein, dass sie in gesamtstädtische Verwaltungs- und Politikkontexte und damit in Macht- und Entscheidungsstrukturen eingebunden sind. Sie unterliegen rechtlicher, planerischer, immobilienwirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Beeinflussung in einem Gefüge der Mehr-Ebenen-Governance. Eine Vielzahl lokaler und überlokaler Akteure wirkt auf die Prozesse der Quartiersentwicklung ein. Dazu zählen die Anwohnenden, Gewerbetreibenden, Wohnungsunternehmen, Investor*innen, Intermediäre (z. B. Quartiersmanagements, Quartiersräte), Einpendler*innen (Arbeit, Freizeit etc.), Vereine, Initiativen sowie Vertreter*innen der Stadtpolitik, Stadtteilpolitik und städtischer Ämter.

2.2 Quartiere als städtische Teilsysteme und urbane Resilienz

Ein Bezug zwischen der Quartiersebene und urbaner Resilienz lässt sich herstellen, wenn die Stadt als ein System verstanden wird, das aus verschiedenen Teilsystemen, wie z. B. aus Quartieren, besteht. In diesem Beitrag werden Quartiere als sozial-räumliche Teilsysteme verstanden. Weitere Teilsysteme bilden die Wohnraum- und Energieversorgung, das Verkehrssystem, der Wärmesektor und das Kultursystem (Ziehl 2020, S. 63). Quartiere unterscheiden sich durch die spezifischen sozialstrukturellen und demographischen Merkmale ihrer Bevölkerung und durch die jeweiligen baulich-räumlichen und natürlichen Gegebenheiten. Die technische Funktionsfähigkeit eines Quartiers wird durch o. g. Teilsysteme aufrechterhalten. Erfahren einzelne oder mehrere Teilsysteme Stress aufgrund unvorhergesehener Ereignisse oder Krisen, dann wird die urbane Resilienz herausgefordert. Elmqvist et al. (2019, S. 270) verweisen außerdem darauf, dass Bestrebungen, Resilienz in einem städtischen Quartier aufzubauen, auch Auswirkungen auf andere Quartiere innerhalb der Stadt haben können.

Quartiere sind mit ihren verschiedenen Charakteristika in unterschiedlich starkem Maße Schocks oder Krisen ausgesetzt (Kuhlicke 2018, S. 363). Um diesen zu begegnen, ist die Robustheit des jeweiligen Quartiers entscheidend. Darunter ist die „Fähigkeit, eine Krise oder Katastrophe durch Redundanzen, Vielfalt und Multifunktionalität der städtischen Strukturen und Organisationen zu bewältigen“ (Baumgart et al. 2022, S. 18), zu verstehen. Fekkak et al. betonen, dass Städte und Quartiere bei der Entwicklung von Resilienzstrategien unterschiedliche Voraussetzungen und Dynamiken aufweisen, wodurch sie „auch unterschiedlich fähig [sind], Stress und Störungen zu verarbeiten“ (2016, S. 11).

Einer der ersten (deutschsprachigen) Beiträge, in dem die Konzepte des Quartiers und der Resilienz kombiniert werden, stammt von Schnur (2013). Er nähert sich über das Panarchie-Modell adaptiver Zyklen an quartiersbezogene Resilienz an und führt diesen Zugang am Beispiel verschiedener Quartierstypen und -merkmale aus. Das Modell wurde ursprünglich aus einer ökologischen Perspektive heraus entwickelt (Holling und Gunderson 2002). In seinem Kern setzt es sich mit Quartieren unter Veränderungsdruck durch Schocks oder Krisen auseinander. Dieser kann sowohl durch plötzliche Ereignisse wie Hochwasserextreme, Hitzewellen, Schneestürme oder Pandemien als auch durch langsam und stetig wirkende Faktoren wie Klimawandel oder Bevölkerungsverlust ausgelöst werden.

Die Resilienz von Quartieren angesichts von Stressoren ist abhängig vom Zusammenwirken der baulich-historischen Strukturen mit den sozialen Gegebenheiten wie der Qualität sozialer oder politischer Netzwerke. Schnur vermerkt, dass bei der Übertragung des Ansatzes auf Quartiere als soziale Teilsysteme stets „die Faktoren der Macht, der Politik und der sozialen Gerechtigkeit beachtet werden“ müssen (2013, S. 341). Damit sind Quartiere Erfahrungsräume und Aushandlungsarenen für stadtpolitische und ökonomische Entscheidungen über Investitionen und Förderungen sowie für die Aufmerksamkeit, die ein Quartier in der Stadt erhält. Deren Konsequenzen fließen in die Entwicklung der Quartiere im Hinblick auf Lebens- und Wohnqualität ein. Sie entscheiden über Zusammenhalt oder Spaltung, u. a. im Sinne von Segregation, und beeinflussen damit die soziale Resilienz.

3 Themenfelder der urbanen Resilienzforschung mit Quartiersbezug

Im Folgenden werden Themenfelder aufgelistet, die die Bedeutung des Quartiers für die urbane Resilienz unterstreichen.

Dabei wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Die Auflistung der Themenfelder resultiert aus der Kenntnis der entsprechenden wissenschaftlichen Debatte, am UFZ bearbeitete Projekte werden darin aufgenommen. Sie beinhaltet keine Rangordnung. Auffallend ist, dass sich primär naturwissenschaftlich-technische Beiträge finden lassen. Für vornehmlich sozialwissenschaftlich zu adressierende Probleme und Herausforderungen konnten nur wenige Forschungsvorhaben ausgemacht werden.

3.1 Klimaanpassung: Quartiere als wichtige Handlungs- und Umsetzungsebene

Der Klimawandel macht es erforderlich, vielfältige Maßnahmen – sowohl auf der gesamtstädtischen als auch auf der Quartiersebene – zu ergreifen, um auf unvorhergesehene Schocks und Krisen vorbereitet zu sein. So werden Quartiere in aktuellen Forschungen zum Hitzestress (siehe Hertel et al. in diesem Band; Westermann et al. 2021) mit ihren spezifischen Herausforderungen in den Blick genommen. Auf der Quartiersebene sind die Auswirkungen extremer Wettersituationen unmittelbar spürbar. Mikrometeorologische Simulationen in Kombination mit soziodemographischen Untersuchungen sowie Flächennutzungs- und Baustrukturanalysen können kritische Teilräume mit vulnerabler Bevölkerung ausweisen. Für sie sind gezielt Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.

3.2 Ausbau der grün-blauen Infrastruktur: Strategie für resiliente Quartiere

Im Rahmen von Klimaschutz und urbaner Resilienz gewinnt die grün-blaue Infrastruktur zunehmend an Bedeutung (Riechel 2020). Sie erbringt wichtige Ökosystemleistungen. So unterstützt sie die Anpassung an Wetterextreme wie Starkregen oder Überflutung (Prinzip der Schwammstadt, siehe Knapp und Dushkova in diesem Band, Abschn. 12.3.3). Sie bietet außerdem Aufenthaltsmöglichkeiten im Quartier und dient der Erholung sowie der Gesundheitsförderung. Es existieren jedoch räumliche Grenzen hinsichtlich der Ausweitung der grün-blauen Infrastruktur im Zuge notwendiger Siedlungsentwicklung, z. B. durch den Wohnungsbau. Um Raumkonflikte möglichst zu vermeiden, kommt das Prinzip der doppelten Innenentwicklung zur Anwendung. Darunter wird die bauliche Weiterentwicklung bei gleichzeitiger Erhaltung und Qualifizierung von urbanem Grün verstanden (Hardi et al. 2022; Böhm et al. 2016; Fekkak et al. 2016, S. 76). Durch Fassaden- und Dachbegrünungen werden weitere Grünräume geschaffen (siehe Karutz et al. und Moeller et al. in diesem Band). Eine Erweiterung und bedarfsorientierte Qualifizierung des Grünflächenangebots führt zu einer Verbesserung der Wohnqualität. In bevorzugten Wohnlagen ist jedoch auch eine Erhöhung von Miet- oder Kaufpreisen mit nachfolgender Verdrängung ansässiger Bewohner*innen nicht auszuschließen (siehe Haase und Schmidt in diesem Band).

3.3 Energie- und Wärmewende: Potenziale der Quartiersebene

Im Rahmen der energetischen Stadterneuerung wird auf der Quartiersebene eine effiziente Kopplung verschiedener Infrastrukturen angestrebt. Riechel (2020) spricht dem Quartier als Umsetzungsebene und „Infrastrukturverbund“ eine besondere Bedeutung zu, da hier ein hohes Klimaschutzpotenzial vorhanden sei. Er unterstreicht das Quartier als neuen Handlungsraum für die lokale Wärmewende (Riechel 2016) und analysiert die technischen, ökonomischen und organisatorischen Vorteile des Quartiersansatzes. Das Quartier sei weniger komplex als die Gesamtstadt. Durch die Konzentration von Maßnahmen auf dieser Ebene seien Synergien und Skaleneffekte nutzbar.

Entsprechend der Heterogenität von Quartieren können im Kontext der kommunalen Wärmewende unterschiedliche Ansatzpunkte und Potenziale für energetische Sanierungen identifiziert werden (siehe Büttner und Rink in diesem Band). Auf kommunaler Seite werden Lösungen für die Wärmewende immer stärker mit integrierten Quartierskonzepten verknüpft (AEE 2018). Dabei werden mittlerweile Hemmnisse und Konflikte bei der Umsetzung kritisch hinterfragt (Riechel und Koritkowski 2016). Demgegenüber bleibt die Thematisierung von Zielkonflikten weitgehend aus. Wenn im Zuge der energetischen Sanierung oder steigender Energiekosten einkommensarme Haushalte unter Verdrängungsdruck geraten (Großmann 2020; Fekkak et al. 2016, S. 55) oder wenn Sanierungsstandards zugunsten der Bezahlbarkeit der sanierten Wohnungen verringert werden (siehe Pößneck und Kabisch in diesem Band), dann ist der Erfolg der Energie- und Wärmwende zu hinterfragen.

3.4 Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden: Quartiere als Expositions- sowie Unterstützungssräume

Innerhalb der Forschung zu Gesundheit und Stadt liegt ein Fokus auf der individuellen Resilienz von Bewohner*innen. Untersuchungen zu gesundheitsfördernden oder -belastenden Faktoren beziehen sich auf die Quartiersebene als alltäglichen Aktions- und Mobilitätsraum. Fekkak et al. (2016, S. 21) verweisen in diesem Zusammenhang auf die besondere Empfindlichkeit von Quartieren, in denen die Bewohner*innen bereits Mehrfachbelastungen – z. B. mangelhafte Bausubstanz, Sanierungsrückstände oder Verkehrslärm – ausgesetzt sind, sowie auf die Gefahr, dass der Klimawandel soziale Unterschiede zwischen Quartieren weiter verschärft. Vorliegende Analysen zu lokalen Bedingungen des Rad- und Fußverkehrs im Quartier als Nexus der alltäglichen Wege belegen, dass die individuelle Exposition gegenüber Schadstoffen variiert (siehe Helbig et al. in diesem Band). Die Bedeutung des Sicherheitsempfindens und der lokalen Verkehrssituation für den Umfang der körperlichen Bewegung, insbesondere bei Grundschulkindern, wird von Schicketanz (in diesem Band) ausgeführt. Die Qualität sozialer Netzwerke sowie die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Quartieren (z. B. Wohnsituation, lokale Gesundheitsversorgung) haben ebenso einen direkten Einfluss auf die Gesundheit der Bewohner*innen. Als zentral werden die soziale Unterstützung und das soziale Kapital angeführt, die im Quartier verortete „aktivierbare und förderbare Ressourcen für die Gesundheit darstellen“ (Fabian et al. 2017, S. 17). Das Quartier rückt neben seiner Rolle als Expositions- und Erfahrungsraum auch als Handlungsraum für gesundheitsfördernde Stadtentwicklung in den Vordergrund (Baumgart et al. 2022).

3.5 Mobilitätsraum Quartier aufwerten: Neue Flächennutzungen und Mobilitätsformen

Das Quartier als Mobilitätsraum ist durch das Zusammenspiel von Fuß- und Radverkehr, öffentlichem Personennahverkehr und motorisiertem Individualverkehr gekennzeichnet. Resiliente Quartiere erfordern eine gute äußere und innere Erschließung sowie die Berücksichtigung der Bedarfe von Verkehrsteilnehmenden durch die Planung, sodass eine aktive und sichere Mobilität gefördert wird (Bolte et al. 2022, S. 38). Es müssen Mobilitätsformen garantiert werden, die eine gefahrenfreie Erreichbarkeit von zentralen Einrichtungen und Orten der Grundversorgung, Arbeit und Erholung innerhalb von 15 Minuten (BMI 2021, S. 84) ermöglichen. Das Leitbild der „15-Minuten-Stadt“(ebd.), welches mit der Förderung des Fuß- und Radverkehrs besonders eng verbunden ist, steht für diese Zielstellung. Dafür sind ausreichende und sichere Wegeverbindungen zu schaffen, die breit genug und in einem akzeptablen Zustand sind. Vielerorts verhindern Stolperfallen, Löcher und ein ungepflegter sowie reparaturbedürftiger Straßen- und Wegebelag deren intensive Nutzung. Darüber hinaus mangelt es an Sitzgelegenheiten, um unterwegs auszuruhen. So ist über eine Neuaufteilung von Verkehrsflächen zugunsten des nichtmotorisierten Verkehrs, die zugleich auch der Förderung bewegungsorientierter Mobilität zu Gute kommt, nachzudenken (Bolte et al. 2022, S. 15). In Anbetracht der großen Flächeninanspruchnahme durch den motorisierten Individualverkehr (fahrende und parkende Autos) rückt die Multimodalität in den Blick. Sie umfasst Sharing-Angebote für Rad, Scooter oder Autos vor Ort, die eine lokale Vernetzung und flexible Kombination ermöglichen (Wilsch und Martens 2022, S. 157). Des Weiteren gehören zur Förderung einer resilienten Mobilität im Quartier die Reduzierung von Geschwindigkeiten, eine sinnvolle Parkraumbewirtschaftung und ein ausreichendes Angebot des ÖPNV (ebd., S. 158).

Ein konkretes Beispiel für neue Flächennutzungen und Mobilitätsformen ist das „Superblock-Modell“, das ursprünglich in Barcelona entwickelt wurde (Jarass und von Schneidemesser 2021). Durch eine Umlegung von motorisierten Verkehrsflüssen werden innerstädtische Räume u. a. für den klimatischen Ausgleich, den Aufenthalt und das Spiel im Freien sowie den Rad- und Fußverkehr geschaffen.

3.6 Innovationspotenzial des Quartiers nutzen: Reallabore

Quartiere sind häufig räumliche Bezugsebenen von Reallaboren und Orte für Innovationsprozesse (siehe Groß in diesem Band; Welling et al. 2022; Räuchle und Schmiz 2020; Ziehl 2020; Riechel 2020, S. 18). Innerhalb von resilienzbezogenen Reallaboren, die auf konkrete, von den Bewohner*innen markierte und initiierte Problemlösungen zielen, können Innovationen hervorgebracht, getestet und in die Alltagspraxis überführt werden. Quartiere haben dabei besondere Potenziale: Sie sind als Untersuchungsraum für einen begleitenden Forschungsprozess überschaubar, und soziale Prozesse und Effekte sind im Vergleich zur Gesamtstadt leichter beobachtbar (Schneidewind 2014, S. 4). Durch die räumliche und soziale Nähe von Akteuren und die konkreten Raumbezüge von Innovationen kann hier Problemlösungskompetenz unmittelbar erprobt werden. In Reallaboren werden konkrete realweltliche Herausforderungen angegangen. Auf Quartiersebene erfolgt die Einbeziehung und Aktivierung der Bürger*innen mit dem Ziel, deren Alltagshandeln zu verändern (z. B. Quénéhervé et al. 2018 für das Beispiel der Energiewende). Durch Initiativen, Förderprogramme und Stadtteilkonzepte sind konkrete Handlungsmöglichkeiten auf dieser Ebene umzusetzen.

Die in einem Quartier entwickelten Strukturen und Lösungswege können auf andere Stadträume oder überregional ausstrahlen sowie neue Kooperationen und Verfahrensweisen anstoßen, ohne allerdings fertige Blaupausen zu liefern (Welling et al. 2022; DStGB und Difu 2022, S. 38 f.). Die Forschung zu innovativen sozialen und technologischen Ansätzen auf Quartiersebene erfordert immer die Anerkennung spezifischer Rahmenbedingungen. Die erprobten Lösungen sind daher nur unter Berücksichtigung bestehender sozialer und räumlicher Rahmenbedingungen und Strukturen zu sehen (Riechel 2020, S. 18).

Kritische Einordnungen von Modellprojekten zeigen, dass nach Beendigung eines Reallabors umfassende Transformationen und systematische, langfristige Maßnahmen oftmals ausbleiben und das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen räumlichen Ebenen – Quartier, Gesamtstadt und Region – stärker berücksichtigt werden müsste (siehe Büttner und Rink in diesem Band; Libbe und Riechel 2017, S. 39). Räuchle und Schmiz (2020) identifizieren offene Fragen an Reallabore, v. a. hinsichtlich der Einbettung der Wissensproduktion in die Machtkonstellationen der verschiedenen beteiligten Akteure.

3.7 Wohnungsmarktdynamiken und -akteure im Quartier: Sozialverträgliche Wohnbedingungen

Das Themenfeld Wohnen erhält angesichts der Zunahme und Überlagerung von Krisen (z. B. Energie-, Klima- und Coronakrise) eine zentrale Bedeutung im Kontext urbaner Resilienz. Dabei ist kritisch zu vermerken, dass die Ökonomisierung und Finanzialisierung des Wohnungsmarktes eine stetige Verknappung bezahlbaren und sozialen Wohnraums bewirkt (Heeg 2021; Belina 2021). Dies hat weitreichende Folgen auf der Quartiersebene, denn „[d]ie Chancenungleichheit auf den Wohnungsmärkten führt zu Segregation und Verdrängungsprozessen, deren negative Effekte sich in Krisenzeiten verstärken“ (BMI 2021, S. 10). Damit entsteht eine sozial-räumliche Struktur, „welche die soziale Resilienz der Städte beeinträchtigt bzw. schwächt“ (Fekkak et al. 2016, S. 52). Die Bewältigung einer Vielzahl an Herausforderungen im Wohnsektor führt nicht selten zur Entstehung von (Ziel-)Konflikten (wie zum Thema Wärmewende im Abschn. 5.3.3 erläutert).

Es bedarf einer stärker an gemeinnützigen, gerechtigkeitsbezogenen und sozialverträglichen Zielen orientierten und in diesem Sinne resilienten Wohnungspolitik. Dazu gehört die Anwendung entsprechender Instrumente, wie z. B. einer sozialgerechten Bodennutzung oder Erhaltungssatzungen im Quartier (Aring et al. 2016; Fekkak et al. 2016, S. 52 ff.). Für eine resiliente Quartiersentwicklung spielen neben den wohnungspolitischen Rahmenbedingungen die Strategien der Wohnungswirtschaft eine wichtige Rolle. Kitzmann (2017) argumentiert, dass kommunale Wohnungsunternehmen und private Finanzinvestoren über ihre Bestandsbewirtschaftung und ihr erweitertes Engagement im Quartier einen Einfluss auf dessen Resilienz ausüben.

In der Coronakrise waren die Wohnbedingungen von besonderer Bedeutung. So mussten viele Bereiche des Lebens – wie Arbeit und Schule, aber auch Freizeit – in die private Wohnung verlagert werden. Dies hatte je nach Lebens- und Wohnsituation Belastungen und Konflikte zur Folge. Insbesondere benachteiligte Quartiere mit ohnehin schlechteren Wohn- und Lebensbedingungen waren durch die Wirkungen der Krise selbst sowie einiger Anti-Krisen-Politiken stärker betroffen und wenig anpassungsfähig (Reinhold und Bendel 2022).

4 Quartiere und die Coronakrise – multiple Dimensionen von Krisen

Die Coronakrise und die damit zusammenhängenden Veränderungen sowie Einschränkungen haben die Wechselwirkungen von Gesundheit, sozialem Zusammenhalt, Wohnen, Mobilität und Grünräumen auf der Quartiersebene neu in den Fokus gerückt. Als disruptives Ereignis offenbarte sie komplexe Muster der Ungleichheit und Vulnerabilität und stellte die Planung vor Herausforderungen der Unvorhersehbarkeit und Unsicherheit (Ibert et al. 2022). Die Resilienz bestehender Strukturen, Verhältnisse und Planungen wurde teilweise infrage gestellt. Es zeigte sich wie in einem Brennglas, dass das Thema Resilienz auf der Quartiersebene sehr komplex ist und bestehende Strukturen sowie Akteurs- und Governance-Arrangements häufig wenig „krisenfest“ sind. Auch wurde deutlich, wie sich zahlreiche oben näher betrachtete Themenfelder der Quartiersentwicklung in einer Krise verschränken. Die Coronakrise ist als ein lange anhaltender Stresstest für Städte und Quartiere zu begreifen (Baumgart et al. 2022; Bolte et al. 2022).

Als soziale Krise hat Corona bestehende Problemlagen und Ungleichheiten verstärkt sichtbar gemacht (Haase 2020) und ebenso Handlungsbedarf auf Quartiersebene offenbart. Die dynamische Aktivierung und Vernetzung vorhandener Akteure im Quartier für mehr Solidarität und gegenseitige Unterstützung, insbesondere in den Anfangsphasen der Coronakrise, verdeutlicht die Bedeutung, aber auch die Potenziale des Nahraumes gerade unter Krisen- oder Stressbedingungen (Lukas et al. 2021). Aus der Not heraus entstanden in vielen Quartieren Nachbarschaftsplattformen sowie innovative Formen der Kommunikation und des Miteinanders (Schnur 2020). Dadurch konnten neu entstandene Unterstützungserfordernisse vor Ort abgedeckt werden.

Es zeigten sich vielfältige räumliche Differenzierungen des Pandemiegeschehens. Die Bevölkerung benachteiligter Quartiere war durch beengte Wohnverhältnisse und fehlende Freiräume besonders stark exponiert (Bettge et al. 2022; Schade et al. 2022). Durch ihre jeweiligen Wohn- und Arbeitsbedingungen sowie Mobilitätsoptionen waren viele Menschen einem erhöhten Risiko der Infektion und schwerer Krankheitsverläufe ausgesetzt. Der berufliche Alltag vieler Beschäftigter aus diesen Quartieren im Service- und Billiglohnsektor beispielsweise machte einen effektiven Schutz vor Ansteckung schwer möglich. Auch viele Anti-Corona-Maßnahmen, wie Shutdowns und die Schließung sozialer Einrichtungen, die zuvor Beratungs- und Unterstützungsangebote unterbreitet hatten, bewirkten eine Verschlechterung der Lage. Zudem haben benachteiligte Bevölkerungsgruppen ein „geringeres Maß an immateriellen und materiellen Ressourcen, um unerwünschte negative Effekte von Infektionsschutzmaßnahmen zu kompensieren“ (Baumgart et al. 2022, S. 20). Manche Quartiere erfuhren durch hohe Fallzahlen und Ansteckungsdynamiken aufgrund der oben beschriebenen Bedingungen teilweise eine zusätzliche Stigmatisierung als Corona-Hotspots (Überblick dazu in Haase 2020). Schließlich wird davon ausgegangen, dass bestehende soziale Unterschiede und Benachteiligungen durch die Coronakrise verstärkt wurden, auch in langfristiger Perspektive. Dies ist hinsichtlich der Resilienz ein mehrfaches Negativzeugnis, sowohl bezüglich der existierenden sozial-räumlichen Ungleichheiten als auch im Hinblick darauf, was die Wirkung von Maßnahmen betrifft, die auf Schutz und Resilienz ausgerichtet waren (ebd.). Erweitert man diesen Blick auf die Effekte der Coronakrise auf weitere Krisen, etwa die Klima- und die Energiekrise, so werden Defizite hinsichtlich der Analyse der multiplen Interaktionen von Krisenwirkungen auf der Quartiersebene deutlich.

5 Forschungsbedarf

Innerhalb der beschriebenen Themenfelder urbaner Resilienz bestehen vielfältige Handlungserfordernisse. Es zeigt sich, dass Resilienz als multidimensionales Konzept und Querschnittsthema quartiersbezogener Planung und Forschung aufzufassen ist. Die Resilienzbezüge auf allen Planungsebenen (BMI 2021) und Resilienz als „brückenbildende Funktion“ benötigen eine gemeinsame Zielsetzung (Schulwitz 2022, S. 7). Dies setzt die Schärfung der Konzeption von Resilienz in den verschiedenen Themenfeldern und ihrem Zusammenspiel voraus. Je nach Themenfeld stellt sich die Frage nach den Adressaten sowie den konkreten Zielen von Resilienzpolitiken. Das heißt, es ist zu klären, wogegen wer oder was in einem Quartier resilient sein oder gemacht werden soll (Meerow und Newell 2016; Folke et al. 2010).

Die Quartiersebene bietet durch die vielfältigen konkreten Bezüge als Lebens- und Alltagsraum, Erprobungsebene und räumlicher Verbund eine wichtige Basis für ein besseres, konkreteres Verständnis von Resilienz. Die Multidimensionalität von Resilienz und Quartier erfordert jedoch integrierte Ansätze und methodische Vielfalt in der Praxis und in der Forschung. Auf einige dieser Aspekte wird im Folgenden eingegangen.

5.1 Kooperative und plurale Perspektiven auf Resilienz anerkennen und Akteure im Quartier einbeziehen

Das Denken und Agieren in Quartieren ist durchaus kein neuer Ansatz in der Stadtentwicklung (u. a. Schnur 2014; Berding und Bukow 2020; siehe auch das Interview mit dem Stadtplaner Stefan Heinig in diesem Band). Es fehlt jedoch an systematischen, integrierten Perspektiven in der Quartiersentwicklung jenseits entsprechender städtebaulicher Förderprogramme. Dabei sollten auch die Sichtweisen verschiedener Bewohner*innen und Akteure im Quartier sowie Formen der Kooperation und Partizipation stärker einbezogen werden. Hierzu ist zwischen den unterschiedlichen Akteuren zu vermitteln und Entscheidungs- und Umsetzungswege sind zu verbessern. Es braucht „öffentliche Aushandlungsprozesse mit Mut zur ehrlichen Auseinandersetzung, nachvollziehbare demokratische Entscheidungen sowie Kommunikation auf Augenhöhe und eine Kultur des Zuhörens […], einschließlich des interkulturellen und interreligiösen Dialogs“ (BMI 2021, S. 88).

Letztlich stellt sich die Frage, was Resilienz für einzelne Aspekte der Quartiersentwicklung bedeutet und wie die verschiedenen Resilienzanforderungen miteinander interagieren, denn urbane Resilienz und eben auch die Resilienz auf Quartiersebene sind prozessual zu sehen und von einer Vielzahl an Diskursen geprägt (siehe Rink et al. in diesem Band). Wenn Zuschreibungen von „außen“ erfolgen, ob ein Quartier resilient ist oder nicht, stellt sich die Frage, wie unterschiedliche Akteure und die Bewohner*innen selbst dies wahrnehmen. Ein auf Gleichberechtigung und Gerechtigkeit ausgerichtetes Resilienzverständnis kann nur unter Beachtung verschiedener Vulnerabilitäten und des ungleichen Zugangs zu Macht, Wissen und Ressourcen weitergedacht werden. Ein solches Verständnis von Resilienz sollte bei der Betroffenheit der Menschen selbst, ihrer individuellen Wahrnehmung der Realität und ihren Bedarfen ansetzen (Matin et al. 2018).

Eine aktive Zivilgesellschaft auf stadträumlicher Ebene und „Quartiersentwicklung von unten“ (Fekkak et al. 2016, S. 71) werden als maßgebliche Faktoren von Resilienz betrachtet. Zivilgesellschaftliche Initiativen und bürgerschaftliches Engagement im Quartier können in Krisensituationen im Sinne der Selbstorganisation wichtige Unterstützungsleistungen erbringen und Vernetzung schaffen. Doch jegliches zivilgesellschaftliches Engagement benötigt eine gute Kooperation mit den entsprechenden Schnittstellen in Politik und Verwaltung, damit neue Lösungsansätze nicht an bürokratischen Hürden scheitern (siehe Interview mit Stefan Heinig in diesem Band). Es braucht eine vertrauensvolle Kommunikation und eine auf langfristige Perspektiven ausgerichtete Zusammenarbeit. In ähnlicher Weise argumentiert Ziehl (2020), dass kooperative Governance-Ansätze und lokale Prozesse der Koproduktion als Bausteine der Resilienz zu sehen sind und maßgeblich zur Erhöhung der Anpassungsfähigkeit urbaner Systeme beitragen können. Die Teilhabe von Bewohner*innen, deren aktive Mitgestaltung ihres unmittelbaren Lebensumfeldes und die Erprobung neuer Verfahrensweisen und Organisationsformen sind demnach für eine zukunftsfähige Quartiersentwicklung unabdingbar. Dennoch stellt sich hinsichtlich einer kooperativen Governance die Frage, wie die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure aussehen müsste, damit lokale Bedarfe auf gesamtstädtischer Ebene Gehör finden. Reallabore sind dafür wichtige Experimentierfelder. Dabei sind auch Fragen nach der Rolle des Ehrenamts und der Zusammenarbeit von professioneller Quartiersarbeit und organisierter sowie nichtorganisierter Zivilgesellschaft zu beantworten.

5.2 Konflikte und soziale Ungleichheit im Resilienzkontext besser verstehen

Ähnlich wie in der allgemeinen Stadt- und Quartiersforschung, wo der Blick auf einander widersprechende Ziel- und Interessenlagen auf lokaler Ebene gerichtet wird (Bescherer et al. 2021; Mackenroth 2021), sollte auch in der Forschung zu urbaner Resilienz die Auseinandersetzung mit (Ziel-)Konflikten intensiviert werden. Angesichts zunehmender Krisen „vervielfältigen sich die Dimensionen von Resilienz, die untereinander nicht konfliktfrei sind“ (Baumgart et al. 2022, S. 20). Quartiere sind eine räumliche Bezugsebene für Konflikte und damit auch Orte der unmittelbar sicht- und spürbaren Interessengegensätze, Hemmnisse, Widersprüche und Dilemmata. Hier kommen soziale Ungleichheiten und gerechtigkeitssensible Fragestellungen in besonderer Weise zum Vorschein und zur Aushandlung. Zielkonflikte der Resilienz wie bei der Quartiersaufwertung und nachfolgenden Verdrängung (siehe Haase und Schmidt in diesem Band), aber auch der baulichen Verdichtung und dem dadurch verursachten Freiflächenverlust verdeutlichen dies. Hier sollten sich die verschiedenen Forschungsdebatten zu Quartiersentwicklung und urbaner Resilienz stärker verschränken, um vorhandene und potenzielle Konflikte früh zu erkennen, zu erklären und Vorschläge für deren Lösung zu unterbreiten.

Schulwitz (2022, S. 7) betont darüber hinaus, dass Resilienz angesichts der baulichen und urbanen Realität allgemein hohe Herausforderungen bei der Umsetzung aufwirft, nicht zuletzt aufgrund der langfristigen Lebens- und Finanzierungszyklen baulicher Strukturen, die eine kurzfristige, flexible Anpassung erschweren. Die Bereithaltung von Flächen – oder deren Um- oder Mehrfachnutzung, z. B. im Verkehrsbereich – kann dazu beitragen, flexibler auch auf zukünftige Bedarfe zu reagieren und damit Konflikte zu reduzieren.

5.3 Resilienz mit Blick auf Hemmnisse und Hindernisse betrachten

Die beschriebenen Forschungen zu urbaner Resilienz vermitteln den Eindruck, dass häufig untersucht wird, welche Faktoren Resilienz fördern, hemmende Faktoren jedoch seltener in den Blick genommen werden. Konkret fehlt es an Untersuchungen dazu, welche Entwicklungen die Resilienz schwächen oder gar verhindern, wie z. B. aktuelle politische und ökonomische Handlungslogiken und sozial-räumliche Strukturen. Ein Bewusstsein dafür, wie der Umgang mit Krisen im Rahmen von Stadtentwicklungsprozessen die urbane Resilienz beeinflusst (siehe Kabisch und Pößneck in diesem Band), findet sich kaum. Diese Lücke könnte durch eine stärkere Beteiligung verschiedener Akteure im Quartier mit ihren jeweiligen Wissensständen und Kompetenzen geschlossen werden. Ebenso sollten strukturelle Probleme, wie z. B. die zeitlich begrenzte Förderung von Initiativen und Projekten im Quartier, stärker in die Analyse einbezogen werden.

Keck und Sakdapolrak (2013, S. 5) betonen, dass Resilienz nicht nur als technische Aufgabe gesehen werden darf, sondern „primär als politische Aufgabe“ zu verstehen sei, da von Armut betroffene und anderweitig marginalisierte Menschen in den üblichen Resilienzdebatten häufig zu wenig bedacht werden. Obgleich dieser Hinweis nicht explizit auf die Quartiersebene bezogen ist, so ist er doch für das Quartier als alltäglicher Handlungs- und Erfahrungsraum von Relevanz. Hier, also im unmittelbaren Nahraum, werden soziale Ungleichheit und Prekarität besonders sichtbar. Letztere hat Einfluss auf die Chancengleichheit und Lebensqualität der Menschen sowie auf deren Zugang zu Infrastrukturen und auf ihre Vulnerabilität gegenüber Risiken – sie unterminiert damit die individuelle Resilienz (Adger et al. 2020; Christmann und Ibert 2016, S. 238). Einer resilienzorientierten Politik käme die Aufgabe einer engagierten Sozialraumpolitik zu, die auf mehr Lebensqualität für alle, Sozialverträglichkeit und Gerechtigkeit setzt. Fekkak et al. (2016, S. 52) sehen als zentrale Elemente einer sozialen Resilienz neben dem sozialen Zusammenhalt auch die Förderung von Unsicherheitskompetenz sowie Diversität und Mut. Aktuelle Politiken, welche Ungleichheit und neoliberale Praktiken stützen oder zumindest unangetastet lassen, stehen einer umfassenden Perspektive auf Resilienz entgegen.

5.4 Methodische Ansätze und plurale Perspektiven zur multidimensionalen Erforschung von Resilienz im Quartier

Für die Erforschung von Resilienz werden adäquate methodische Ansätze gebraucht, die der Multidimensionalität von Resilienz auf der Quartiersebene entsprechen. Innerhalb transdisziplinärer Forschungsansätze sollten die Perspektiven verschiedener Akteure im Quartier (z. B. des Quartiersmanagements, der Quartiersräte, lokaler politischer Gremien oder zivilgesellschaftlicher Organisationen wie Vereine und Initiativen) konkreter eingebunden werden. Dies betrifft alle Phasen der Forschung, von der Entwicklung einer Fragestellung entlang realweltlicher Problemstellungen bis hin zur Datenerhebung und Auswertung.

Um die vielfältigen Perspektiven auf Resilienz im Quartier möglichst umfassend abzubilden, werden Mixed-Methods-Ansätze, die qualitative und quantitative Methoden kombinieren, gebraucht. Mithilfe von Technologien wie virtual reality oder augmented reality kann deren Aussagekraft erweitert werden. Dieses Vorgehen ermöglicht es, den Fokus auf diejenigen Bewohner*innen zu richten, welche mit den herkömmlichen empirischen Methoden kaum bis gar nicht erreicht werden. So ist die Zurückhaltung von Bewohner*innen aufgrund sprachlicher Barrieren durch die Einladung zu speziellen, mehrsprachigen Diskussionsrunden (z. B. auch unter Nutzung von Bildmaterial wie Fotos, Videos, Spiele) zu verringern.

6 Fazit

Abschließend lässt sich konstatieren, dass die vielfältigen Herausforderungen, denen Städte bei der Förderung urbaner Resilienz auf Quartiersebene begegnen, weiterer Forschung bedürfen. Wie an den Themenfeldern mit ihren vielen Querbezügen und nochmals vertieft anhand der Coronakrise deutlich wurde, sind integrierte, konflikt- und gerechtigkeitssensible Perspektiven auf urbane Resilienz von zentraler Bedeutung. Die benannten sowie weitere Themenfelder müssen stärker zusammengedacht werden, um die Lebensqualität im Quartier auch im Fall von Schocks und Krisen aufrechterhalten und verbessern sowie adäquate Anpassungen und Weiterentwicklungen vornehmen zu können. Die Stärkung der Resilienz auf der Quartiersebene ist als umfassende Aufgabe im Rahmen eines vielgestaltigen Spektrums der Forschung und der urbanen Planungspraxis zu begreifen.