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1 Einleitung

Städte haben eine enorme Fähigkeit, Krisen zu bewältigen, sich von diesen zu erholen und oft auch tiefgreifende Veränderungen zu durchlaufen (Kuhlicke 2018; siehe Rink et al. in diesem Band). Dennoch sind sie angesichts ihrer hohen Bevölkerungsdichte, öffentlichen Infrastruktur und dichten Bebauung besonders anfällig für Auswirkungen des Klimawandels wie auch für Effekte des globalen Wandels. Gleichzeitig wird beobachtet, dass durch den Klimawandel extreme Wetterereignisse, vor allem Extremniederschläge und Hitzeperioden, an Häufigkeit und Stärke zunehmen.

Historisch betrachtet entstanden Städte oft an Gewässern, etwa an Küsten, Flüssen und Feuchtgebieten, in die im Laufe der Zeit häufig zugunsten der Besiedlung eingegriffen wurde. So wurden Überschwemmungsgebiete für die Besiedlung trockengelegt, Flüsse kanalisiert oder überbaut, Staumauern errichtet und somit auch natürliche Flussläufe verändert. Durch steigenden Bevölkerungsdruck werden Städte zudem räumlich verdichtet, was zu einer Abnahme von Grünflächen führt. Durch die Überlagerung verschiedener Eingriffe wie die hohe Bodenversiegelung, die Veränderung der Flussläufe und das Bebauen von Überflutungsflächen führen Starkregenereignisse oft zu Überschwemmungen. Naturgefahren können Schäden an der Wohnbebauung, an der öffentlichen Infrastruktur oder auf Grünflächen verursachen. Im Extremfall können sie Leben kosten und Wohngebiete für immer zunichtemachen.

Ein weiteres Phänomen des Klimawandels ist die zunehmende Hitze in Städten. Versiegelte Flächen absorbieren und emittieren Wärme stärker als Grünflächen. Daher erwärmen sich Gebiete mit hohem Versiegelungsgrad bei extremer Hitze tagsüber mehr und kühlen nachts weniger stark ab als ländliche Gebiete, was für die Stadtbewohner*innen eine geringere Erholung durch nächtliche Abkühlung bedeutet (siehe Hertel et al. in diesem Band). In Berlin bewirkt der städtische Wärmeinseleffekt in den Sommermonaten im Mittel etwa 3–4 °C höhere Temperaturen als im Umland, an einzelnen Tagen sind es aber auch bis zu 9 °C (Umweltbundesamt 2019).

Aus diesen Gründen wird gerade im urbanen Raum nach naturbasierten Lösungen (NBL) gesucht, um auf die Auswirkungen des Klimawandels reagieren zu können, somit das Risiko möglicher Naturkatastrophen zu minimieren und auch auf den globalen Wandel mit seinen sozio-ökonomischen Folgen angemessene Antworten zu finden. Ziel dieser NBL ist es, Städte robuster zu gestalten und ihre Widerstandsfähigkeit zu erhöhen.

Nachfolgend wird diskutiert, wie NBL die städtische Resilienz unterstützen können. Im Anschluss zeigen gut funktionierende Beispiele aus europäischen Städten unterschiedlicher Größenordnung, wie Kommunen mittels NBL ihre Quartiere bereits resilienter gemacht haben, welche Erkenntnisse gewonnen wurden und welche Empfehlungen für die Umsetzung von NBL ausgesprochen werden können.

2 Naturbasierte Lösungen als Ansatz für urbane Resilienz

Um die Widerstandsfähigkeit von Städten zu erhöhen, bedarf es der NBL durch Erhaltung, Wiederherstellung und Schaffung grüner Infrastrukturen. Insbesondere zählen dazu Parks und Stadtwälder, aber auch kleinräumig Straßenbäume (siehe Knapp und Dushkova in diesem Band) und Gebäudebegrünung (siehe Karutz et al. in diesem Band). Diese Maßnahmen verbessern das lokale Klima, städtische Wassermanagement und menschliche Wohlbefinden. Im urbanen Raum bieten sie große, systemische Lösungsansätze, die auf unterschiedliche Quartiere angewendet werden können. Deren Effekte können sich wiederum auf andere Gebiete auswirken.

2.1 Naturbasierte Lösungen – Unterstützung der Klimaresilienz durch grüne Infrastruktur

Grüne Infrastruktur ist ein wesentliches Konzept zur Steigerung der Klimaresilienz in Städten durch NBL. So bieten sich verschiedene Anpassungsmaßnahmen der grünen Infrastruktur an. Sie beziehen sowohl den bebauten als auch den unbebauten Raum ein und werden im Folgenden kurz erläutert.

Parks, Stadtwälder und Straßenbäume

Parks und städtische Wälder können Luft- und Oberflächentemperaturen senken, wenn klimatisch angepasste Baumarten ausgewählt werden (Calfapietra 2020). Bäume senken die Lufttemperaturen aufgrund von Beschattung und Evapotranspiration um 5–7 °C (Armson et al. 2012). Neben der Minderung des städtischen Wärmeinseleffekts und damit des Hitzestresses können städtische Parks und Wälder auch Hochwassergefahren mindern, indem sie Niederschläge aufnehmen, die entweder verdunsten oder in den Boden versickern bzw. anderweitig verzögert zum Abfluss beitragen (Berland et al. 2017).

Auch Bäume und andere Gehölze entlang von Straßen und im öffentlichen Raum wie z. B. auf Parkplätzen können dazu beitragen, den Regenwasserabfluss bei Starkregenereignissen zu reduzieren. Die Anzahl, Dichte, Größe, Artenzusammensetzung, Gesundheit und räumliche Konfiguration von Straßenbäumen bestimmen weitgehend deren Kapazität zur Regenwasseraufnahme. Stadtbäume tragen auch zur Verbesserung des Mikroklimas bei, indem sie Schatten spenden, die Lufttemperatur senken, Wärmeinseleffekte vermindern, das Mikroklima modifizieren und die Windgeschwindigkeit reduzieren (siehe Knapp und Dushkova sowie Moeller et al. in diesem Band). Weiterhin verringern sie die direkte Sonneneinstrahlung, relative Luftfeuchtigkeit und Lichtreflexion und damit die Wahrscheinlichkeit, geblendet zu werden (Roy et al. 2012). Wiesen, Sträucher und besonders Bäume können Feinstaub aus der Luft effektiv binden und dadurch zur Verminderung der Luftverschmutzung beitragen (Przybysz et al. 2019). Demgegenüber können Partikel auf asphaltierten oder unbepflanzten Flächen durch Wind wieder aufgewirbelt werden. Die Umwandlung von Brach- in Grünflächen kann demnach zur Verringerung der Luftverschmutzung beitragen. Größere Grünanlagen unterstützen auch die Durchmischung verschmutzter Luft.

Bei der Planung von NBL ist zu beachten, dass verschiedene Baumarten unterschiedlich effektiv zur Reduktion der Luftverschmutzung beitragen und dass, etwa in engen Straßenschluchten, die lokalen aerodynamischen Bedingungen die Wahl der NBL beeinflussen können (Pugh et al. 2012). So kann ein lokal optimiertes NBL-Konzept die Luftverschmutzung in vulnerablen städtischen Gebieten besonders nachhaltig reduzieren.

Begrünung der Gebäudehülle

Dicht besiedelte städtische Gebiete weisen eine hohe Flächenkonkurrenz auf. Die Begrünung der Gebäudehülle (z. B. begrünte Dächer, grüne Wände oder Fassaden, siehe Karutz et al. und Moeller et al. in diesem Band) bringt hier einen effektiven lokalen Nutzen für eine kleinräumige Klimaanpassung und kann die Auswirkungen von Extremereignissen auf das Wasser- und Wärmemanagement verringern. Gründächer können größere Wassermengen speichern als herkömmliche Dächer und den Wasserabfluss verzögern (Oberndorfer et al. 2007). Neben der Absenkung der Lufttemperatur können sie zur Verbesserung des thermischen Komforts in Innenräumen und zur Verringerung des Energiebedarfs beitragen. Darüber hinaus reflektieren begrünte Oberflächen aufgrund ihrer höheren Albedo (20–30 %) mehr Licht als künstliche, harte Oberflächen (5 %) und verringern so den städtischen Wärmeinseleffekt (Perini und Rosasco 2013).

2.2 Naturbasierte Lösungen – Sickerwasserflächen für die Siedlungswasserwirtschaft

In Bezug auf die städtische Wasserwirtschaft umfassen NBL vor allem die Flussrenaturierung, sogenannte Bioswales (angelegte Rinnen für den Abfluss des Regenwassers), Rückhaltebecken (oder Bioretentionszellen/Filter), (angelegte) Feuchtgebiete, Regengärten, wasserdurchlässige Gehwege, Ufervegetationsstreifen und Gründächer. Renaturierte Flussufer und kanalisierte Wasserläufe, die wieder an die Oberfläche treten dürfen, bieten erweiterte Sickerwasserflächen, die eine besser verteilte Aufnahme von Niederschlagswasser ermöglichen. Fließgewässer tragen auch zur Kühlung von Städten bei und bieten Lebensraum für Vögel und Fische. Diese technischen Maßnahmen stehen damit weitgehend im Gegensatz zu herkömmlichen, versiegelten Infrastrukturen im bebauten Raum; durch sie werden die zu behandelnden Wasservolumen verringert (Wild 2020). Des Weiteren bietet die Entsiegelung von Asphalt und Beton im privaten und öffentlichen städtischen Raum eine Vielzahl an Möglichkeiten, die Sickerwasserrate zu erhöhen.

2.3 Positive Effekte naturbasierter Lösungen – Stärkung von sozialer Resilienz und Wohlbefinden

Urbane NBL-Ansätze haben physiologische und psychosoziale Mechanismen, die das Wohlergehen und die Gesundheit des Menschen sowie die soziale Resilienz stärken (Markevych et al. 2017). Parks oder Straßenbäume und deren Eigenschaften, wie Dichte, Artenzusammensetzung, Qualität und Ästhetik, bieten darüber hinaus Möglichkeiten für Meditation, Reflexion, Sinnhaftigkeit und die Erfahrung von Verbundenheit mit sich selbst und der Natur (Baur 2018). Die Forschung bezieht sich hier auf Einflüsse verschiedener Landschaften. Der Zugang zur Natur kann auch prosoziales Verhalten befördern, wie Teilen, Helfen und Kooperieren (Putra et al. 2020).

NBL können die negative Empfindung von Lärm reduzieren (Dzhambov und Dimitrova 2014) und sich positiv auf Schlafstörungen und Herzbeschwerden auswirken. Eine Meta-Analyse fand eine klare inverse Beziehung zwischen der Nähe zu Grünflächen und der Gesamtmortalität (Rojas-Rueda et al. 2019). Die Reduktion hoher Lufttemperaturen durch NBL begünstigt die Thermoregulierung allgemein und hilft insbesondere Menschen mit Atemwegserkrankungen sowie älteren Menschen, bei denen die Hitze direkt auf das Herz-Kreislauf-System wirken kann (Heaviside et al. 2017).

NBL fördern mehr Bewegung im Alltag und tragen zum Wohlbefinden bei (Dzhambov et al. 2019), denn Grünbereiche in Städten bieten den Bürger*innen die Möglichkeit für Bewegung und Sport in Parks, Gartenanlagen und verkehrsberuhigten Zonen. Eng mit grüner Infrastruktur verbunden sind positive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit (van den Berg et al. 2015). Ausreichender Zugang zu Naturerlebnissen hilft den Bürger*innen, zumindest einen Puffer gegen den stressigen Stadtalltag zu bilden, wobei diese gesundheitlichen Vorteile bereits durch den Blick auf die Natur entstehen können (Jo et al. 2019).

Viele der seitens der Städte benannten Probleme lassen sich in zwei Kategorien einordnen. Zum einen werden großräumige Probleme wie schadstoffbelastete Luftqualität als Umweltstressoren benannt (siehe Helbig et al. in diesem Band). Zum anderen existieren Probleme, welche in einem geographisch kleineren Bezugsraum gelöst werden müssen, also auf Quartiersebene (siehe Schmidt et al. in diesem Band). Dazu zählen insbesondere der städtische Wärmeinseleffekt, der Zugang zu Grünflächen sowie die Vermeidung pluvialer Überschwemmungen. Die Raumplanung erfordert hierbei einerseits die Arbeit mit hochaufgelösten räumlichen Daten, um die Heterogenität der Landbedeckung und Landnutzung in Städten sowie die genaue Identifikation von Hotspots zu erfassen, und schafft – daraus resultierend – andererseits auch einen starken Quartiersbezug.

Im Folgenden werden drei positive Beispiele aus europäischen Städten beschrieben, in denen naturbasierte Lösungen geplant und durchgeführt werden. Sie zeigen auch die Verschiedenartigkeit der Konflikte und Einschränkungen, die die Umsetzungen begleiten.

3 Rahmenbedingungen der EU für die Stärkung urbaner Grünräume

Artikel 6 des jüngsten Vorschlags der Europäischen Kommission für die Wiederherstellung der Natur (Europäische Kommission 2022) legt Ziele für alle Siedlungstypen in Europa fest, um sicherzustellen, dass kein Nettoverlust an Natur entsteht und die Grünfläche der Stadträume vergrößert wird. Derzeit sind 42 % der Fläche der Städte in Europa von urbanen Ökosystemen bedeckt (Wälder, Parks und Gärten, Bauernhöfe, von Bäumen gesäumte Straßen, Wiesen und Hecken) (Europäische Umweltagentur 2022). Durch fortschreitende Urbanisierungsprozesse laufen sie Gefahr, sich qualitativ zu verschlechtern bzw. weniger Fläche einzunehmen, also an Quantität einzubüßen.

Zur Stabilisierung bzw. Wiederherstellung der urbanen Ökosysteme schlägt die Kommission erstmals allen Städten und Vororten in Europa Folgendes vor:

  1. 1.

    den Nettoverlust von Grün und Baumkronenbedeckung bis 2030 im Vergleich zu 2020 zu stoppen;

  2. 2.

    gegenüber dem Niveau von 2021 den Anteil der Grünflächen an der Gesamtfläche der Städte und Vororte auf nationaler Ebene bis 2040 um mindestens 3 % und bis 2050 um mindestens 5 % zu erhöhen;

  3. 3.

    bis 2050 eine Landbedeckung mit Baumkronen von mindestens 10 % zu erreichen; und

  4. 4.

    einen Nettogewinn an Grünflächen zu gewährleisten, die in bestehende und neue Gebäude und in die neu zu entwickelnden Infrastrukturen integriert sind.

In der Mitteilung der Europäischen Kommission über die Anpassung an den Klimawandel ab 2021 (Europäische Kommission 2021) werden auch die Notwendigkeit der Nutzung von NBL bei der Anpassung an den Klimawandel und deren Vorteile hinsichtlich der Wirksamkeit betont. Dabei stehen insbesondere die Entwicklung städtischer Grünflächen und die Errichtung von Gründächern und Fassadenbegrünung im Fokus (siehe Moeller et al. und Karutz et al. in diesem Band). Es werden jedoch keine spezifischen NBL-Ziele gesetzt.

Ähnliche politische Entwicklungen sind in ganz Europa auf kommunaler Ebene im Gange. Als Beispiel für konkrete Umsetzungen kann hier die Entwicklung des neuen regionalen Masterplans in der Region Paris (Schéma Directeur de la Région Île de France) im Rahmen des REGREEN-Projektes genannt werden, der die Entwicklungstrends bis 2040 aufzeigt. Eines der Hauptziele des neuen Masterplans ist die Verhinderung weiterer Neuversiegelung in der Region. Dies erfordert notwendigerweise Ausgleichsmaßnahmen sowie die Entsiegelung und Renaturierung bestehender städtisch verdichteter Flächen. Des Weiteren wird die Förderung ökologischer Wiederherstellungs-, Renaturierungs- und Ökosystemschutzprojekte im Rahmen des 2021 gestarteten Klimaanpassungsplans bestimmt (Europäische Kommission 2021).

Ein weiteres Beispiel für entsprechende politische Maßnahmen auf städtischer Ebene ist die Entwicklung einer Klimaanpassungsstrategie in der dänischen Gemeinde Aarhus, um mit Fließgewässern zu planen und somit das Risiko von Überschwemmungen und die damit verbundenen Schäden und Kosten zu minimieren (Aarhus Municipality 2020a). Die Strategie wird mittels NBL und hybrider NBL für das Wassermanagement umgesetzt. Fließgewässern und Niederschlagswasser wird so innerhalb und außerhalb der Stadt mehr Raum gewährt. Ebenso werden dadurch die vielfältigen Funktionen und Vorteile der NBL genutzt. Planungsinstrumente wie Bauverbotszonen bei Fließgewässern und Grünnormen für neue Stadtentwicklungen tragen zu den Klimaanpassungsstrategien bei.

Die Kleinstadt Velika Gorica nahe der kroatischen Hauptstadt Zagreb dient als weiteres Beispiel für Klimaanpassungsmaßnahmen durch die Stadtverwaltung. Zwar besitzt sie bereits viele Grünflächen; durch verstärktes Bevölkerungswachstum werden diese im städtischen Gebiet jedoch oft zur Errichtung von Wohnhäusern verwendet, wodurch dauerhaft Stadtnatur verloren geht. Die Stadtplanung ist daher bestrebt, öffentliche Grünflächen zu erhalten und zu verbessern und die Anwohner*innen hierbei einzubinden, etwa durch das Pflanzen und Pflegen von Bäumen durch Schulkinder und das Betreiben von Gemeinschaftsgärten.

4 Beispiele erfolgreich durchgeführter naturbasierter Lösungen

Die hier vorgestellten Beispiele erfolgreich umgesetzter NBL stammen aus Stadtlaboren in Städten unterschiedlicher Größenordnung sowohl in Bezug auf ihre Einwohnerzahlen und ihre Fläche als auch auf ihre geographische Lage. Diese Städte sind im EU-Projekt REGREEN verankert und haben das gemeinsame Ziel, verschiedene Umweltbelastungen durch NBL zu reduzieren und dabei zusätzlich positive Begleiterscheinungen zu generieren. Das kleinste Stadtlabor ist die Stadt Velika Gorica südlich von Zagreb in der sogenannten Gespanschaft (mit einem Bezirk vergleichbar) Zagreb, Kroatien. Sie weist eine Fläche von 328 km2 auf und umfasst 60.000 Einwohner*innen. Als zweitgrößte Stadt Dänemarks ist Aarhus vertreten, mit 468 km2 und 341.000 Einwohner*innen. Die Metropolregion Paris erstreckt sich als größter Städtepartner des Projekts über das gesamte Département Île de France und zählt 12 Mio. Einwohner*innen auf einer Fläche von 12.213 km2.

4.1 Renaturierung eines Flussbettes – Fallstudie zu naturbasierten Lösungen in der Region Paris, Frankreich

Das ohnehin von häufigen Überschwemmungen betroffene Flusstal des Petit Rosne wurde durch die Kanalisierung und Betonierung des Flussbettes in den 1940er-Jahren noch anfälliger für Überflutungen. Nach dem letzten großen Hochwasser im Jahr 1992, bei dem die französische Stadt Sarcelles in der Region Paris besonders betroffen war, wurde die Renaturierung des Petit Rosne beschlossen.

Zu diesem Zeitpunkt war die Verschmutzung des Gewässers enorm; das natürliche Ökosystem des Flusses war stark beeinträchtigt und wurde von den Anwohner*innen gemieden. Im Einklang mit der im Dezember 2000 eingeführten Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 2000/60/EG) beschloss die lokale Wasserbehörde Syndicat Intercommunal d´Aménagement Hydraulique du Croult et du Petit Rosne (SIAH) nach mehrjährigen Untersuchungen gemeinsam mit der Stadtverwaltung von Sarcelles, einen urbanen Abschnitt dieses Flusses wieder ans Tageslicht zu bringen. Die Bauarbeiten hierzu begannen 2014 und umfassten die Verlagerung des Fließgewässers von dem unterirdisch verlaufenden Kanal in ein leicht mäandrierendes Flussbett auf einer Länge von 165 m. Die Dauer der Bauarbeiten betrug ca. sechs Monate, die Gesamtkosten des Projekts beliefen sich auf 920.000 €. Der renaturierte Flussabschnitt des Petit Rosne erlangte seinen ursprünglichen Lauf wieder und ist durch eine Reihe weiterer Maßnahmen voll zugänglich geworden.

Entscheidend bei der Renaturierung des Petit Rosne war neben dem Interesse an der Revitalisierung stark veränderter Flüsse im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie vor allem die Gewährleistung eines kontrollierten und reduzierten Hochwasserrisikos und einer besseren Resilienz. Bei einer bodennahen Untersuchung der Fauna im Jahr 2010 wurde ein großes ökologisches Potenzial für ein Feuchtbiotop festgestellt. Der vorhandene Baumbestand wurde daher als Landschaftselement erhalten und das Feuchtgebiet angelegt. Mit der Rückgewinnung der natürlichen Überflutungsfläche und dem Rückbau des Kanals konnte die natürliche Infiltrationsrate erhöht und somit das Hochwasserrisiko reduziert werden. Ohne Überschwemmungen zu verursachen, kann der Petit Rosne bei Starkniederschlägen wieder über sein Flussbett treten und das Feuchtgebiet speisen.

Neben der ordnungsgemäßen Instandhaltung der Wasserstraßen ist es der SIAH ein ebenso großes Anliegen, die Lebensbedingungen für die im und am Wasser lebende Flora und Fauna zu verbessern. Im Zuge dessen wurde, wie in Abb. 10.1 ersichtlich, das Ufer naturnah befestigt und nach ökologischen Richtlinien begrünt. Ebenso wurde mit der Freilegung des Flussabschnittes ein abwechslungsreiches hydromorphologisches Profil gestaltet, das mit unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten, Neigungen, Einstrahlungen und Beschattungen den aquatischen Spezies neue Lebensräume und Möglichkeiten zum Nisten, Fortpflanzen und zur Nahrungssuche bietet. Seit der Fertigstellung wird insbesondere die Biodiversität entlang des Flusslaufs kontinuierlich überwacht und eine starke Zunahme aquatischer Spezies erfasst.

Abb. 10.1
figure 1

(Eigene Abbildung)

Renaturierung des Petit Rosne in Sarcelles. Links: der Landschaftsabschnitt im Jahr 2014. Rechts: Eingezeichneter Verlauf des Flusses einschließlich der öffentlichen Gärten im Jahr 2021.

Mit der Neugestaltung des Flussabschnitts sollten ebenso neue Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten für die Anwohner*innen geschaffen werden. Eine Umfrage zur öffentlichen Wahrnehmung der einzelnen Projektphasen im Frühjahr 2018 ergab, dass gleichzeitig zur Renaturierung des Petit Rosne eine Sensibilisierung der Anwohner*innen notwendig sein würde. Es wurde umfangreich informiert, um das Bewusstsein der lokalen Bevölkerung für den Schutz des Gewässers und seiner Aue zu schärfen. Ein weiteres Ergebnis zeigte, wie wichtig das Verständnis und die Wahrnehmung der Biodiversität für die Akzeptanz solcher renaturierter Flächen in urbanen Gebieten sind. Eine bereits während der Umgestaltung gestartete Aufklärungskampagne hätte zu einer größeren Akzeptanz der „Wildnis“ in Form von diversen Pflanzenarten und ungemähten Grasflächen entlang des Flussabschnitts führen können. Dieser Aspekt der Bereicherung wurde nicht erkannt. Jedoch sind das neu gestaltete Wegenetz und die aufgestellten Bänke entlang des Flusslaufs ein Indikator für die Naherholung der Anwohner*innen und eine Aufwertung der naturnahen urbanen Landschaft. Der ebenfalls angelegte pädagogische Garten dient der Umweltbildung zum Thema Stadtraum und Natur.

Die Renaturierung des Petit Rosne ist ein Beispiel für einen multidisziplinären Ansatz, bei dem zum einen das Gewässer in seiner Gesamtheit als Ökosystem im Mittelpunkt der Arbeiten steht, zum anderen das Gebiet bei der Stadtbevölkerung eine neue Akzeptanz erfährt. Die Fallstudie zeigt auch, dass die Bewirtschaftung renaturierter Landschaften sowohl aus technischer Sicht (Pflege der Vegetation, Überwachung der Biodiversität) als auch aus sozialer Sicht (Sicherheit, Kommunikation mit den Anwohner*innen, Sensibilisierung) umfassend und langfristig geplant werden muss.

4.2 Aufforstung einer Agrarfläche – Fallstudie zu naturbasierten Lösungen in Aarhus, Dänemark

Die dänische Bevölkerung hat eine hohe Affinität zum Leben in der und mit der Natur. So erleben beispielsweise vier von fünf Dän*innen eine Steigerung des geistigen und körperlichen Wohlbefindens durch Aufenthalt und Erholung im Freien (Friluftsrådet 2017). Dabei sind Wälder mit jährlich 70 Mio. Besuchen die attraktivste Naturform in Dänemark, wobei der nächstgelegene Wald mit drei von vier Besuchen am häufigsten aufgesucht wird (Jensen und Koch 2004; Jensen 2014). Obwohl bekannt ist, dass die Mehrung von Wald zu einer verbesserten Umwelt- und Lebensqualität beiträgt, zusätzliche Mengen an Kohlendioxid bindet und die regionale Holzversorgung unterstützt, ist eine geplante Aufforstung mit Konflikten und Hindernissen konfrontiert.

Da in Dänemark jedwede öffentliche Aufforstung auf ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen nur durch den freiwilligen Verkauf der Grundstücke möglich ist, kann es bis zu 30 Jahre dauern, ehe ein öffentlich zugängliches Waldgebiet am erwünschten Standort angelegt werden kann. Der Erwerb agrarwirtschaftlicher Flächen ist teuer, die Preise liegen derzeit bei 24.000 € pro Hektar.

Die Maßnahme zur weiteren Aufforstung im Westen von Aarhus ist Teil der kommunalen Grünstrategie (Aarhus Municipality 2017, 2020b). Zur Umsetzung dieser NBL hat Aarhus gemeinsam mit dem dänischen Staat eine Flurneuordnung mittels Tauschmechanismus eingeführt. Landwirte können hierbei einen Teil ihres Grundstücks gegen ein anderes Flächenstück im Besitz der Gemeinde oder des Staates eintauschen, unter der Voraussetzung, dass Lage und Qualität der neuen Fläche für den Landwirt von Vorteil sind.

Der sogenannte True Skov ist ein Wald direkt am Stadtrand von Aarhus, errichtet als Erweiterung eines bereits bestehenden Grünkorridors. Dieser Wald wurde 1994 auf ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen in Monokultur zur Holzgewinnung angelegt, ohne Ambition, einen attraktiven Wald für Besucher*innen zu schaffen. Zudem sind die hindurchführenden Wege breite, lineare Forststraßen. Infolgedessen besuchten nur wenige Menschen den Wald.

Mit dem rapiden Wachstum der Bevölkerung in Aarhus steigt die Notwendigkeit der Erschließung neuer Wald- und Naturschutzgebiete, um dem Bedarf an Naherholungsgebieten gerecht zu werden und deren Übernutzung zu verringern. Gleichzeitig soll der Anteil an naturnaher Fläche innerhalb der Kommune erhöht sowie der Schutz von Trinkwasser gesichert und es sollen Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten im Westen der Stadt geschaffen werden.

Im Laufe des Jahres 2018 arbeiteten die zuständige Nationale Forstbehörde und die für grüne Korridore zuständige Stadtverwaltung in Aarhus an einem Entwicklungsplan zur Umgestaltung des Waldes. Ziel dieses Plans ist es, Anreize für ein vielseitiges Naturerlebnis zu schaffen. Dieser Prozess umfasste ein ganzes Jahr mit intensiver Beteiligung der Nutzer*innen und der Interessenvertretung, um Möglichkeiten, Hindernisse und Potenziale für die Naturerfahrung zu ermitteln. Die sozialen Medien wurden umfassend genutzt und auch die lokalen Medien sorgten für eine breite Berichterstattung und dauerhafte Präsenz. Zu den neuen Initiativen gehören z. B. Übernachtungsmöglichkeiten in der Natur, eine Outdoor-/Freizeit-Schule, die Schaffung neuer mäandrierender Wege und die Sichtbarmachung eisenzeitlicher Grabhügel.

Im Jahr 2018 wechselten mehr als 130 ha ihren Besitz, was mit einem Kostenaufwand von 3,36 Mio. € verbunden war und die tatsächliche Waldfläche vergrößerte (Abb. 10.2). Heute besitzen der dänische Staat und die Gemeinde Aarhus in dieser Gegend 550 ha des insgesamt geplanten 800 ha großen Wald- und Naturschutzgebiets, welche zusammen einen grünen Korridor von Aarhus bis nach True bilden.

Abb. 10.2
figure 2

(Verändert nach Naturstyrelsen 2019)

Entwicklungsplan für den True Skov in Aarhus.

In Aarhus selbst hat der Grünkorridor Skjoldhøjparken, der an den True Skov angrenzt, zu einem Anstieg lokaler Hauspreise von schätzungsweise 15 % geführt. Bei den Häusern, die direkt an das Aufforstungsgebiet angrenzen, war der Anstieg noch größer (Anthon und Thorsen 2002). Dies könnte sich zu einem Problem der grünen Gentrifizierung entwickeln (siehe Haase und Schmidt in diesem Band).

Wirtschaftlich betrachtet wird der Wert des Zugangs zum True Skov auf 5,9 Mio. € pro Jahr geschätzt, wobei bis 2030 fast 1,7 Mio. Besuche pro Jahr zu erwarten sind, wenn durch den geschätzten Zuzug zusätzliche 75.000 Einwohner*innen in Aarhus berücksichtigt werden. Dies entspricht einem Anstieg von derzeit ca. 413.000 Besuchen pro Jahr und einem wirtschaftlichen Nutzen von 1,2 Mio. €. Der True Skov würde damit zu einem der wertvollsten Naherholungsgebiete in Aarhus werden (Cole et al. 2018).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Investitionen in das Gebiet des True Skov und die damit einhergehenden Qualitätssteigerungen im Naturschutzgebiet das Potenzial haben, einen erheblichen Mehrwert zu schaffen. Angesichts der Größe des True Skov und seiner Anbindung an die Stadt Aarhus können nicht nur lokale, sondern alle Einwohner*innen von Aarhus davon profitieren.

4.3 Wiederherstellung eines Grünkorridors – Fallstudie zu naturbasierten Lösungen in Velika Gorica, Kroatien

In der kroatischen Kommune Gradići, die im suburbanen Raum der Stadt Velika Gorica liegt, wird eine naturnahe Fläche aufgewertet, die aufgrund von Umweltverschmutzung von der lokalen Bevölkerung zuvor nicht genutzt werden konnte und als unattraktiv galt. Der kleine Bach Lomnica, der durch den Ort fließt, war mit der Eröffnung des Save-Odra-Kanals zunehmend versumpft. Obwohl der Bachverlauf und seine Aue ein zentrales Landschaftselement des grünen Korridors in Gradići waren, sanken mit der Versumpfung und jahrelangen Vernachlässigung durch die örtliche Behörde die Artenvielfalt und sein sozioökologischer Wert. Darüber hinaus war das ehemalige Wasserbett des Lomnica in den letzten 20 Jahren illegaler Abfallentsorgung ausgesetzt.

Um eine Renaturierung entlang des Baches und eine damit einhergehende Revitalisierung des verunreinigten Korridors im Zentrum Gradićis einzuleiten, schlossen sich Anwohner*innen in den vergangenen zehn Jahren zusammen, initiierten gemeinsam mit der Freiwilligen Feuerwehr Gradići und dem Ortsrat (Vermittlungsinstanz zwischen der Gemeinde Velika Gorica und dem Ort Gradići) einen Projektplan und begannen mit dessen Umsetzung. Die Freiwillige Feuerwehr fungiert in der Ortschaft als Initiator und ist in diesem Fall auch treibende Kraft und Bindeglied der Aktion.

Der Plan ist nun, einen zentralen Park sowohl auf dem Gelände des ehemaligen Baches außerhalb als auch in dem stark von Urbanisierungsprozessen geprägten Gebiet in Gradići anzulegen. Mit der landschaftlichen Neugestaltung sollen die Biodiversität vor Ort gesteigert, das Wohlbefinden, die Gesundheit und die Lebensqualität der Anwohner*innen gefördert sowie neue Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten für Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen geschaffen werden. Ein weiteres Ziel der Initiative ist es, die lokale Partizipation sowohl bei der Entscheidungsfindung als auch bei der Umsetzung der Projektelemente zu stärken und das ökologische Bewusstsein zu verbessern. Die Freiwillige Feuerwehr als Dreh- und Angelpunkt für den gegenseitigen Informationsaustausch und als Projektentwicklerin erleichtert und unterstützt den Gestaltungsprozess und die Umsetzung. So spenden in Velika Gorica auch Unternehmen Bäume, um resilienzsteigernde Maßnahmen durchzuführen.

Die fortlaufenden Arbeiten zur Revitalisierung der Fläche begannen im Jahr 2015, wobei eine Zusammenarbeit mit dem Fachbereich für Zierpflanzen, Landschaftsarchitektur und Gartenkunst der Fakultät für Agrarwissenschaften an der Universität Zagreb angeschoben wurde. So wurden konzeptionelle Lösungen für das Landschaftsdesign und die Biodiversitätssteigerung in einem iterativen Prozess von Expert*innen, Studierenden, Bürger*innen und verschiedenen lokalen Akteuren gemeinsam erarbeitet. Von der Universität Zagreb wurden insgesamt 16 Konzeptentwürfe vorgelegt, und eine lokale Abstimmung führte schließlich zur Auswahl des bevorzugten NBL-Entwurfs (siehe Abb. 10.3). Dieser gemeinschaftsbildende Prozess ist nur durchführbar durch die kontinuierliche Kommunikation zwischen dem Ortsrat, der lokalen Bevölkerung und den Landschaftsarchitekt*innen.

Abb. 10.3
figure 3

(Verändert nach ODRAZ 2017)

Planung des Parks in Gradići mit verschiedenen Nutzungsarten. 1 Fußgänger- und Fahrradzone, 2 Zentraler Park (Erholungs- und Freizeitbereich mit Spielplatz), 3 Fußgängerzone mit Bildungs- und Freizeitangeboten, 4 Sport- und Erholungsbereich mit Parkelementen, 5 Landnutzungsänderung vom vermüllten Areal zur Mountainbike-Strecke.

Da dieses Projekt von lokalen Akteuren initiiert wurde und auch weiter von ihnen vorangetrieben wird, stammt die Finanzierung bisher ausschließlich aus lokalen Quellen. Ein großer Teil der bisher erfolgten Aktivitäten wurde von den Anwohner*innen selbst durchgeführt. Dies spiegelt sich auch in den geplanten Nutzungsarten innerhalb des Parks wider. So konnten das ehemalige Flussbett gesäubert, Teile des Flusslaufes renaturiert und dessen Ufer mit Bäumen bepflanzt werden. Um die Gestaltung von Gradići an die Zeit anzunähern als der Lomnica noch durch die Stadt floss, wurden ausschließlich einheimische Baumarten angepflanzt. Zur multifunktionalen Nutzung dieser zentralen Fläche gehört auch ein Radweg mit einer Mountainbike-Strecke. Weitere Sportareale, Spielplätze für Kinder und Ruhezonen für ältere Menschen befinden sich noch in Arbeit.

Das Projekt zielt darauf ab, das ökologische Bewusstsein aller Beteiligten zu schärfen, weshalb für Entscheidungsfindungen stets ein partizipativer Ansatz zum Tragen kommt. Unter der Leitung der Freiwilligen Feuerwehr als Projektmanager – mit Unterstützung des Ortsrats – wird die lokale Gemeinschaft zudem ermutigt, der Pflege der neuen Bäume nachzukommen. In diesem Sinne organisiert die Projektleitung u. a. gemeinsame Baumpflanzaktionen mit Grundschüler*innen sowie Kindern, Eltern und Erzieher*innen des örtlichen Kindergartens. Auch auf Schulhöfen sollen Setzlinge gepflanzt werden, um bereits Kinder für NBL zu sensibilisieren. Aber auch Rückschläge sind zu verzeichnen: So bilden sowohl neue, aufgrund alter Gewohnheiten der lokalen Bevölkerung entstandene Müllablagerungen als auch das Wachstum invasiver Pflanzenarten im Flussbett des Lomnica aktuell eine Herausforderung.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Revitalisierung des ehemaligen Flussbettes des Lomnica nicht nur die Biodiversität erhöht und damit den ökologischen Wert des Raumes fördert, sondern der neue Park auch wertvolle soziale Funktionen als Treffpunkt erfüllt und als Erholungsraum dient. Der partizipative Ansatz stärkt die Pflege und Aufwertung der Grünflächen und damit den sozialen Zusammenhalt sowie das Bewusstsein für NBL vor Ort. Die selbst organisierte Initiative zur Gestaltung, Planung und Wiederherstellung öffentlicher grüner Infrastrukturen trägt in Gradići wesentlich zur Stärkung der sozialen Resilienz bei, indem diese neuen Grünflächen multifunktional und über Altersgrenzen hinweg geschaffen und genutzt werden. Unter sozialer Resilienz wird in der Literatur die Fähigkeit der Menschen verstanden, u. a. mit externen Belastungen umzugehen (Kwok et al. 2016). Hier entsteht, getragen von den Bewohner*innen, eine besondere NBL – eine öffentliche und frei zugängliche, revitalisierte Fläche, ein Ort, der das Gemeinschaftsgefühl stärkt und kollektive Leistung sowie soziale Unterstützung deutlich macht. Nicht zuletzt ist dies ein Antrieb für die Bewohner*innen von Gradići, kontinuierlich Mittel einzuwerben, um ihr Gemeinschaftsprojekt dem Ziel näher zu bringen, einen zusammenhängenden Park in ihrer Kommune zu schaffen. Das Projekt gilt in Kroatien als positives Beispiel für Bürgerbeteiligung und soziale Resilienz.

5 Diskussion

Die Fallbeispiele haben gezeigt, dass Städte ihre Resilienz durch eine ausgewogene Gestaltung der grünen Infrastruktur erhöhen können, wobei NBL ein wesentliches Gestaltungsinstrument darstellen. Zudem sind die Städte in der Pflicht, Programme der europäischen Kohäsionspolitik im Hinblick auf Maßnahmen zur Klimaanpassung umzusetzen.

NBL sind multifunktional und bieten daher ein breites Spektrum an Vorteilen im Stadtraum. Sie tragen dazu bei, umweltbezogene Herausforderungen zu bewältigen, die von Klimaanpassung über soziale Integration bis hin zu Gesundheitsverbesserungen reichen. Eine solche Multifunktionalität erfordert jedoch einen interdisziplinären Ansatz und die Zusammenarbeit über das traditionelle Silo-Denken der Ämter (z. B. für Stadtgrün, Stadtplanung, Umweltschutz, Wohnen und Soziales) hinweg. Auf der Ebene der politischen Agenda gilt es, zwischen der Anpassung an den Klimawandel, dem Erhalt von Biodiversität, wirtschaftlicher Entwicklung und sozialer Stabilität zu vermitteln. Fragmentierte und isolierte Governance-Vereinbarungen innerhalb einer Gemeinde oder mangelnde Kohärenz zwischen den Richtlinien auf allen Governance-Ebenen können die Zusammenarbeit, Synergien und die gemeinsame Finanzierung über mehrere Agenden hinweg erschweren und somit ein Hindernis für die Umsetzung von NBL darstellen (Kirsop-Taylor et al. 2022).

Mit den verschiedenen Fallbeispielen wurden unterschiedliche Ansätze und Zugänge zur Umsetzung von NBL gerade mit Fokus darauf vorgestellt, wie urbane Resilienz gestärkt werden kann. Die Beispiele verdeutlichen dabei die vielfältige Leistungsfähigkeit und die Potenziale, aber auch die Konflikte und Barrieren, die auftreten können. In der Literatur wird beispielsweise oft berichtet, dass die Neuschaffung oder Neugestaltung von urbanem Grün zur Verstärkung sozialer Ungleichheit beitragen kann, etwa durch das Anlegen von NBL in eher wohlhabenderen Gegenden (Europäische Umweltagentur 2022). Dies konnte einerseits im Fallbeispiel Aarhus mit steigenden Hauspreisen indirekt gestützt werden. Angrenzende Wohngebiete erfahren hier eine gewisse Aufwertung. Andererseits wird in diesem Beispiel auch dargelegt, wie hoch die Akzeptanz ist und das Interesse, den Wald als Naherholungsgebiet zu nutzen – unabhängig von sozialer Zugehörigkeit. Hier scheint es wichtig zu verstehen, welche herausragende Funktion dem Wald als Teil der grünen Infrastruktur für die Gesundheit und das Wohlergehen der lokalen Bevölkerung zukommt und wie hoch und weitreichend daher seine Akzeptanz in der Bevölkerung ist.

Das Beispiel von Velika Gorica in Kroatien zeigt, dass sich Grünflächen positiv auf den sozialen Zusammenhalt auswirken können. Hier hat die Schaffung einer öffentlichen Grünfläche, die der gesamten Gemeinde generationenübergreifend dient, dazu beigetragen, dass sich die lokale Bevölkerung mit dieser NBL identifiziert und sich für sie einsetzt. Dabei entwickeln unterschiedliche Altersgruppen gemeinsam attraktive naturnahe Räume in ihrer Stadt, was auch zu einer erhöhten Akzeptanz unterschiedlicher sozialer Gruppen führt. Durch den gemeinschaftlichen Prozess und die gemeinsame Gestaltung einer Grünfläche wird der soziale Zusammenhalt gestärkt. Die lokale Bevölkerung in Gradići hat insofern soziale Resilienz bewiesen, als sie in der Lage ist, die Entwicklung einer NBL durch die Zusammenarbeit mit externen wissenschaftlichen Institutionen zu initiieren, NBL-Konzeptentwürfe mitzugestalten sowie selbstständig partizipatorische Ansätze voranzutreiben. Seit mehr als sieben Jahren ist es die Bevölkerung vor Ort, die unabhängig vom lokalen Planungssystem oder der fehlenden kommunalen Finanzierung die Wiederherstellung des Grünkorridors voranbringt.

Partizipative und sogenannte Co-Creation-Prozesse sind wichtige Instrumente, um notwendige Maßnahmen zur Erhöhung der urbanen Resilienz zu ergreifen. Sie werden oft als Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung von NBL vor Ort angesehen, können in der Praxis für Kommunen aber auch Schwierigkeiten bei der Erfüllung öffentlicher Erwartungen mit sich bringen. Ein Mangel an ausreichender praktischer Erfahrung damit, welche partizipativen Prozesse unter welchen Bedingungen am besten funktionieren und wie man konstruktiv mit Konflikten umgeht, scheint dabei ein wichtiger Faktor zu sein. Im Fall der Kommune Aarhus hat die Erfahrung sehr offener Engagement-Prozesse, die die Bürgerschaft dazu einladen, Ideen und Wünsche zur Umsetzung von NBL aufzugreifen und voranzubringen, zu einer öffentlichen Enttäuschung geführt. Viele Wünsche konnten entweder aufgrund von Haushaltszwängen oder der Realitätsferne der Ideen nicht verwirklicht werden. Infolgedessen verfolgt die Gemeinde nun ein weitaus begrenzteres partizipatives Verfahren als zuvor, ist aber immer noch auf der Suche nach dem idealen partizipativen Ansatz.

Bei der Umgestaltung des Flusses Petit Rosne in Frankreich wurde der Co-Creation-Ansatz erst spät eingeführt, was zunächst zu einer ablehnenden Haltung der Anwohner*innen gegenüber der Neugestaltung des Flusslaufes führte, obwohl diese lokal die Resilienz gegen Überflutungen stärkte. Die Akteure betrieben die notwendige Aufklärung über die Struktur der NBL erst, als die geplante Verwilderung einzelner Flächen als ungepflegt beanstandet wurde und einen Protest hervorrief. Auch der Aspekt der Sicherheit von Spaziergänger*innen wurde bei der Planung lange ausgeblendet. Letztere konzentrierte sich auf eine naturnahe Gestaltung, ohne die Empfindungen der Parknutzer*innen mit in das Konzept aufzunehmen.

Im Falle des Ortsteils Gradići in der Kommune Velika Gorica funktioniert das Co-Creation-Prinzip gut, da fortlaufend Gespräche der unterschiedlichen Akteure stattfinden und gemeinsam die Landschaftsgestaltung vorangetrieben wird. Die Fallstudie von Velika Gorica ist an dieser Stelle besonders nennenswert, da hier die örtliche Bevölkerung den Prozess und den Fortschritt bottom-up in einer selbstständigen und partizipativen Weise befördert und die öffentliche Verwaltung zur Unterstützung drängt. Hier bringt die Finanzierung Hindernisse mit sich, denn auch wenn sich der Ortsteil personell sehr für eine Verbesserung der Resilienz gegen den Klimawandel engagiert, hängt die weitere Umsetzung des naturnahen Projektes doch von der benötigten externen Förderung ab. Dies kann wohl der sozialen Resilienz gegenwärtig keinen Schaden zufügen, da der Zusammenhalt hoch ist, verzögert jedoch die Neugestaltung der grünen Infrastruktur und ist ein entscheidendes Hindernis bei der Verwirklichung einer NBL.

Haushaltszwänge stellen eine entscheidende Barriere bei der Umsetzung von Visionen und Plänen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit durch NBL dar. Auch die Art und Weise, wie Budgets auf die kommunalen Ressorts verteilt werden, kann eine Umsetzung befördern oder verhindern. Die finanziellen Grenzen der kommunalen Haushalte haben die Notwendigkeit der Entwicklung alternativer und komplementärer Finanzierungsströme und Geschäftsmodelle zur Verbesserung der Resilienz durch NBL erhöht. So arbeiten in Aarhus NGOs zur finanziellen Stabilisierung des Projektes eng mit der Stadt zusammen, indem sie durch Crowdfunding und Unternehmensspenden weitere Baumpflanzungen ermöglichen.

Zum Teil ist der Zeithorizont für NBL-Maßnahmen eng an das Budget geknüpft. Während die Renaturierung des Petit Rosne durch die Stadt- und Regionalverwaltung finanziell abgesichert wurde und somit in wenigen Jahren umgesetzt werden konnte, verzögert die fehlende kommunale Förderung die Fertigstellung des Grünkorridors in Gradići. Ein anderer Aspekt führt jedoch ebenfalls zu Zeitverzögerungen: Bei größeren durchzuführenden Maßnahmen zur Erhöhung der Resilienz gegen den Klimawandel können Gemeinden von privaten Landbesitzer*innen abhängig sein, von denen sie das Land käuflich erwerben müssen. Für Aarhus ist die Enteignung kein anwendbares Instrument, um solche Maßnahmen zu erzwingen, sodass der freiwillige Verkauf von Privatgrundstücken für die Gemeinde die einzige Option ist. Daher kann es mehr als 30 Jahre dauern, bis die volle Ausdehnung der dort geplanten Waldfläche erreicht sein wird.

6 Fazit

Die Notwendigkeit, die Resilienz von Städten gegen Auswirkungen des Klimawandels zu unterstützen, ist auf vielschichtige Weise zu beobachten. Dabei ist das Potenzial von NBL zur Verbesserung der urbanen Widerstandsfähigkeit in den Städten Europas erkannt worden und hat durch politische Entwicklungen sowie umfangreiche Investitionen an Akzeptanz gewonnen. Anhand der Fallbeispiele konnte gezeigt werden, welche wichtigen Funktionen NBL dank ihrer Vielfalt und Multifunktionalität für die Stärkung der städtischen Resilienz gegenüber klimatischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen im Stadtraum einnehmen. Dennoch besteht auf politischer, ökonomischer und planungstechnischer Ebene immer noch ein mangelndes Bewusstsein für den vielfältigen Einsatz von NBL als unterstützende und zielführende Instrumente. Die zwingend notwendige Anpassung an den Klimawandel durch resilienzfördernde Maßnahmen ist als notwendig erkannt und im Ansatz qualitativ erfolgt. Ihre positiven Effekte lassen sich jedoch noch nicht genau genug quantifizieren. Das heißt, welche exakten Auswirkungen die verschiedenen Arten von NBL – abhängig von ihrem Umfang, ihrer Kombination und der Qualität ihrer Gestaltung und des Managements – auf die Steigerung der Resilienz haben können, ist noch nicht umfänglich dokumentiert und analysiert. Damit das Potenzial von NBL zur Förderung der Widerstandsfähigkeit von Städten voll ausgeschöpft werden kann, müssen noch wichtige Wissenslücken geschlossen und Hindernisse überwunden werden.