In diesem Aufsatz untersuche ich Eignung und Grenzen des Protokolls als historische Quelle. Wie für diesen Sammelband beschrieben, filtern Protokolle aus »komplexen Interaktionen (wie Sitzungen, Prüfungen, Anhörungen, Begehungen)« das heraus, was »für das Gedächtnis der Organisation jene Vergangenheit gewesen sein wird, auf die man sich in Zukunft […] bezieht« (s. »Vor-Schrift«, in diesem Band). Solche Protokolle sind nicht nur das gefilterte Gedächtnis der Organisation, sondern werden auch zu historischen Quellen für WissenschaftlerInnen, die dieses gefilterte Gedächtnis verstehen wollen. Es gibt verschiedene Arten des Protokolls, wobei ich mich hier auf das Wortprotokoll konzentriere, von dem angenommen wird, dass es jedes gesprochene Wort aufzeichnet. Wortprotokolle werden manchmal als Quelle bevorzugt, weil WissenschaftlerInnen davon ausgehen, dass sie vollständiger sind und somit das Ereignis originalgetreuer wiedergeben. Entgegen dieser Annahme zeige ich in diesem Beitrag, dass sogar das Wortprotokoll eine stark stilisierte und veränderte Aufzeichnung des Ereignisses ist. Die Konstruktion und die Aufnahme des Protokolls als genaue Quelle durch die LeserIn wird durch eine verbatim ideology (Inoue 2018) motiviert. Die Lektüre des wörtlichen Protokolls im Hinblick auf die entstehende Interaktionsdynamik des Ereignisses kann überraschende Einblicke in ausgetretene wissenschaftliche Debatten bieten.

Die hier analysierten Wortprotokolle entspringen einem einwöchigen Treffen in Genf im Sommer 1955, bei dem Vertreter der USA, der UdSSR, Frankreichs, Großbritanniens und der Tschechoslowakei technische Möglichkeiten für die internationale Kontrolle der Kernkraft erörterten. Dieses »Technical Meeting« wurde bisher in der Nukleargeschichte als relativ nebensächlich behandelt. Die Analyse der wörtlichen Aufzeichnung als Interaktion – und nicht nur als Suche nach dem Inhalt – gibt Einblick darin, wie die Teilnehmer die schwierige Beziehung zwischen technischen und politischen Dimensionen von Nukleartechnologien verstehen und verhandeln.

Verbatim ideology und die Grenzen der Auslegung

In der Sprachwissenschaft wird die Erstellung einer Transkription immer durch den theoretischen Rahmen und das empirische Interesse der ForscherIn bestimmt (Bucholtz 2000). Darüber hinaus hat die Form, in der die Äußerungen von SprecherInnen auf dem Papier dargestellt werden, erhebliche Auswirkungen darauf, wie sie von zukünftigen LeserInnen interpretiert und bewertet werden. Dies liegt an der weit verbreiteten Tendenz, die Transkription als eine exakte Wiedergabe des Gesagten zu betrachten. Die meisten LeserInnen bewerten Sprache, die in Standardorthografie und -grammatik wiedergegeben wird, höher als Sprache, die in nicht standardisierter Orthografie wiedergegeben wird (sowie Mundartschreibung und anderes). Es ist eine grundlegende Erkenntnis der Soziolinguistik, dass selbst die fähigsten SprecherInnen einer Sprache nicht so sprechen, wie sie schreiben würden. Zum Beispiel zeigt computergestützte automatische Untertitelung deutlich, dass das gesprochene Wort in der Interaktion sich von geschriebenen Texten unterscheidet. In dem Wortprotokoll dieses Treffens in Genf sprechen die Teilnehmenden in vollständigen, grammatisch korrekten Sätzen, sie korrigieren sich nie, und scheinen einander nie zu unterbrechen oder zu überschneiden – dies sind Merkmale der Transkription, aber sehr wahrscheinlich nicht der Interaktion, wie sie stattgefunden hat. Es gibt also immer eine Lücke zwischen der Rede und ihrer schriftlichen Darstellung.

Angesichts dieser unüberbrückbaren Kluft zwischen der Rede und ihrer schriftlichen Repräsentation muss die wortgetreue Aufzeichnung – wie die linguistische Anthropologin Miyako Inoue (2018) gezeigt hat – eher als Ideologie der Transkription denn als Tatsächlichkeit verstanden werden. Inoue schlägt im Einklang mit den Motiven dieses Sammelbandes vor, wortwörtliche Aufzeichnungen und ihre Produktionsbedingungen zu untersuchen. Solche Formen der Transkription »became part of bureaucratic machinery as an artifact of evidence and accountability« (Inoue 2018, 223). Und in der Tat verstehen die Diplomaten auf dem Genfer Treffen das Wortprotokoll als Beweismittel und als einziges Produkt ihrer Zusammenkunft.

Wenn die wörtliche Aufzeichnung nicht als ›genaue‹ oder ›getreue‹ Aufzeichnung dessen, ›was gesagt wurde‹, verstanden werden kann, welche Art von Analyse ermöglicht dann eine Quelle wie das Wortprotokoll?Footnote 1 Jene HistorikerInnen, die sich auf diese besondere Quelle gestützt haben, konzentrieren sich in der Regel auf die besprochenen Themen und das Ergebnis des Treffens. Sie stellen fest, dass die Vereinigten Staaten eine bestimmte Technik zum Aufspüren von Kernmaterial vorschlugen, die die russische Delegation ihrerseits kritisierte, und dass die Treffen ergebnislos endeten (Holloway 2016; Roehrlich 2018; Forland 1997). In der umfangreichsten wissenschaftlichen Abhandlung dieses Treffens widmen die offiziellen Historiker der US-Atomenergiekommission, Hewlett & Holl, diesem Ereignis fast drei Seiten (ihres 721 Seiten langen Bands) und kommen, mitunter auf der Grundlage anderer Quellen, zu dem Schluss, dass die US-Delegation das Treffen als bisweilen frustrierend, aber erstaunlich frei von Politik erlebte (Hewlett und Holl 1989).

In diesem Beitrag lese ich diese Quelle als stilisierte textuelle Darstellung eines mehrtägigen Gesprächs zwischen mehreren Teilnehmern, bei denen es sich vor allem um diplomatische Vertreter handelt, die von einer kleinen Armee von SpracharbeiterInnen unterstützt werden welche in der endgültigen Aufzeichnung großteils unsichtbar bleiben. Die Diplomaten nehmen mit unterschiedlichen Motivationen und Anweisungen teil, um mehr oder weniger entgegenkommend zu sein, und mit unterschiedlichen Graden an Vorbereitung. Im Wortprotokoll wird versucht, das Gesprochene in einer standardisierten Textform festzuhalten, und die Teilnehmer haben auch die Möglichkeit (was in den Aufzeichnungen deutlich wird, da die Teilnehmer darüber sprechen), die Aufzeichnung zu ›korrigieren‹, wenn sie befürchten, dass sie falsch dargestellt oder missverstanden wurden. Man ist versucht anzunehmen, dass das Wortprotokoll widerspiegelt, wie und was die Teilnehmer zu kommunizieren beabsichtigten.

In Anbetracht meiner kontextuellen Kenntnisse über die Bedeutung der Begriffe ›technisch‹ und ›politisch‹ im diskursiven Feld der Nuklearwissenschaft und des Regierens werde ich auf das Vorkommen dieser Ausdrücke als Begriffe und Marker hinweisen, an denen sich die Teilnehmer orientieren. Ich räume ein, dass die Teilnehmer in ihrer Situation andere Begriffe als diese hätten verwenden können, bewerte aber als bedeutsam, dass die Begriffe ›technisch‹ und ›politisch‹ (und verwandte Begriffe) in den Aufzeichnungen reichlich vorkommen. Schließlich lese ich diese Quelle als Aufzeichnung einer Interaktion, die ich als kollektive Bemühung zum Schaffen von Bedeutung verstehe. Das Protokoll ist eine Aufzeichnung von Sprache als soziales Handeln. Ich verstehe die Quelle als kollektive Konstruktion eines Partizipationsrahmens, in dem SprecherInnen Positionen einnehmen, sich aufeinander zu und voneinander weg orientieren und ausrichten, um erklärte und unerklärte Ziele zu verfolgen, die auf erklärten und unerklärten kulturellen und politischen Annahmen über andere und über die Welt beruhen.

Technische Sitzungen »erstaunlich frei von Politik«

1953 hielt Präsident Eisenhower vor der UNO eine Rede, mit der er die Diskussion über Möglichkeiten der Verbreitung von Atomtechnologien und den damit verbundenen Risiken neu entfachte. Die russische Reaktion auf »Atoms for Peace«, wie der Vorschlag von JournalistInnen genannt wurde, war »sceptical, but not dismissive« (Holloway 2016, 182). Der erste Einwand der Russen war jedoch, dass der Vorschlag keine nukleare Abrüstung vorsah. Dies wurde von amerikanischer Seite weitgehend als ›politische‹ Machenschaft angesehen, da die Amerikaner sich nicht vorstellen konnten, dass die Sowjetunion wirklich an einem Verzicht auf ihre Atomwaffen interessiert war. Der zweite Einwand der Russen bezog sich auf die unangenehme Tatsache, dass »Atoms for Peace« das Risiko von Atomwaffen keineswegs verringerte, sondern sogar erhöhte. Eisenhowers Vorschlag, eine weltweit gemeinsam genutzte Kernbrennstoffbank zu errichten, sollte die Menge an spaltbarem Material, das für die Herstellung von Kernwaffen zur Verfügung stand, unter den Staaten, die dazu in der Lage waren, begrenzen (insbesondere mit dem erhofften Effekt, das sowjetische Kernwaffenprogramm zu behindern). Die Russen wiesen jedoch darauf hin, dass die Verbreitung der Kernreaktortechnologie die Gesamtmenge des für die Herstellung von Kernwaffen verfügbaren Kernmaterials erhöhen würde, da ein Kernreaktor im Betrieb sowohl hochangereichertes Uran als auch Plutonium, das heißt »waffenfähiges« Kernmaterial, produziert.Footnote 2

1954 begannen die Vereinigten Staaten ohne die Sowjetunion mit Verhandlungen über die spätere Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) und nahmen Gespräche auf, nämlich mit »seven countries that had either developed raw material resources or maintained advanced atomic energy programs – namely, the United Kingdom, France, Canada, Australia, Belgium, the Union of South Africa, and Portugal« (Hewlett und Holl 1989, 309). Hewlett und Holl (1989, 309) bemerken, dass der grundlegende Widerspruch zwischen der Förderung der Nukleartechnologie und ihrer Kontrolle von den USA »not yet reconciled« worden war. Ende 1954 begannen die Russen, den Amerikanern ihr Interesse an den Verhandlungen zu signalisieren (und sie nicht nur durch ihr Beharren auf Kontrollmechanismen zu »behindern«), als sie sich bereit erklärten zu einem Treffen »with a panel of experts primarily for the purpose of discussing technical issues« (Hewlett und Holl 1989, 310).

Nach Ansicht von Hewlett und Holl war die Kontrolle der Nukleartechnologien für die Amerikaner kein Thema, solange die Russen nicht an einer internationalen Agentur beteiligt waren. Die USA schickten Mitte April 1955 eine Agenda, die die Russen jedoch erst akzeptierten, als sie sich im Juli 1955 formell bereit erklärten, an den Verhandlungen über die Agentur teilzunehmen, und 50 kg Kernmaterial als »expression of good faith« anboten (Hewlett und Holl 1989, 310). Daraufhin schlugen die USA vor, die Verhandlungen nach der für den Sommer geplanten internationalen wissenschaftlichen Konferenz in Genf aufzunehmen. Die US Atomenergiekommission (USAEC) erklärte sich bereit, die technischen Gespräche in Genf zu unterstützen, wenn diese »scrupulously confined to technical issues« wären, »excluding all references to either the organization and the function of the international agency or disarmament« (Hewlett und Holl 1989, 311).

Die »technical meetings« in Genf sind daher das erste Mal seit den Berichten des wissenschaftlich-technischen Ausschusses der UN-Atomenergiekommission in den Jahren 1946 und 1947, dass die technischen Dimensionen eines Kontrollmechanismus für nukleare Technologien für eine zukünftige internationale Organisation in multilateralem Rahmen diskutiert werden.

Die ausführlichste Behandlung dieser Treffen – deren Protokolle etwa 100 Seiten umfassen – in der Sekundärliteratur findet sich in Hewlett und Holls offizieller Geschichte der US-Atomenergiekommission (1989) und bei Roehrlich (2018). In ihrem Kapitel über die Entwicklung der nuklearen Sicherheitsüberwachung stellen Hewlett und Holl trocken fest: »if the peaceful uses conference had been a brilliant success, the discussions of safeguards proved something of a disaster« (1989, 314). Die »ultra-secret« Diskussionen, die im Genfer UN-Hauptquartier stattfanden, waren zwar »not an official UN event« (Roehrlich 2018, 35), jedoch »the first time [that] experts from different countries discussed together safeguards objectives and procedures such as inspection and auditing« (Roehrlich 2018, 36).

Im Mittelpunkt der Gespräche, die den Amerikanern zufolge »surprisingly free of politics« (Hewlett und Holl 1989, 315) verliefen, stand ein »half-baked« US-Vorschlag, »drafted on short notice in a Geneva hotel room« (Roehrlich 2018, 35–36). Dieser sah vor, spaltbares Material mit Indikatoren zu versehen, die es ermöglichen würden, dem Material zu folgen und es zu identifizieren. Die russische Delegation kritisierte den Vorschlag für eine »tote Periode«, in der der Tracer verschwände und durch ein Loch in der Rückverfolgbarkeitskette unwirksam wurde (Hewlett und Holl 1989, 314; Holloway 2016, 185). Das Treffen, bei dem »scientists from the United States, the Soviet Union and four other countries [Canada, Czechoslovakia, France, and the United Kingdom] engaged seriously for the first time on the question of safeguards« (Holloway 2016, 186), endete »inconclusively« (Holloway 2016, 186; Forland 1997, 52). Obwohl die Abrüstung nicht auf der Tagesordnung stand, waren die Delegierten »unable to reach an agreement on a technical solution to the ›diversion problem‹« (Roehrlich 2018, 36), das »further study« (Forland 1997, 53) erforderte.

Laut Hewlett und Holl (1989) hatte das Treffen den Amerikanern zu der Erkenntnis verholfen, dass die Kontrollmechanismen komplizierter waren, als sie ursprünglich dachten. »It became more and more apparent to both the Commission and the State Department that solutions would have to be political and diplomatic as well as technological« (Hewlett und Holl 1989, 316). Auch nach Roehrlich zeigte das »ostensibly technical« (Roehrlich 2018, 36) Treffen den Teilnehmern, dass die technischen und politischen Dimensionen des Problems der Kontrollmechanismen nuklearer Technologien stärker miteinander verwoben waren, als gedacht. »As the discussions progressed, it became clear that safeguards had strong political implications« (Roehrlich 2018, 36). Und »in the wake of the safeguard conference, when the Russians had finally abandoned their insistence on linking disarmament and peaceful uses negotiations, American officials admitted to themselves that the two issues were more closely related than they had earlier supposed« (Hewlett und Holl 1989, 317).

Wie kam es, dass dieses »technische« Treffen, das so »erstaunlich frei von Politik« war, die amerikanische Delegation dennoch zu dem Schluss brachte, dass die angeblich bloß technische Frage der Kontrolle von Nukleartechnologien stärker mit politischen Dimensionen verwoben war, als man es sich zuvor vorgestellt hatte? Ein genauerer Blick auf die Interaktionsdimensionen dieser Treffen, die aus den Wortprotokollen hervorgehen, zeigt, wie die Unterscheidung zwischen technischen und politischen Bereichen – obwohl die westlichen Teilnehmer des Treffens darauf bestanden – auf subtile Weise verhandelbar wird.

Die Akteure und die Produktion des Wortprotokolls

Von Montag, dem 22. August, um 10:30 Uhr bis Samstag, dem 27. August, um 11:35 Uhr (außer am Mittwoch, dem 24. August, an dem eine Exkursion stattfand), trafen sich täglich etwa zwei Stunden lang Vertreter der Tschechoslowakei, Frankreichs, des Vereinigten Königreichs, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Vereinigten Staaten im UN-Hauptquartier in Genf, um technische – und nur technische – Aspekte der Kontrolle zu erörtern, die sich aus der Möglichkeit einer internationalen Atomenergie-Agentur zur gemeinsamen Nutzung von Kerntechnologien ergeben. Die auf dem Gebiet der Kernphysik erfahrenen Vertreter führten abwechselnd den Vorsitz bei der Sitzung. Unterstützt wurden sie von UN-Dolmetschern und Übersetzern.

Die genannten Teilnehmer (danach gereiht, wie oft und wie lange sie während der Sitzungen sprachen) waren Isidor Isaac Rabi als Vertreter der USA, Dmitri Wladimirowitsch Skobel‘tsyn als Vertreter der UdSSR, Sir John Cockcroft und Basil Schonland (ein südafrikanischer Staatsbürger) als Vertreter des Vereinigten Königreichs, Francis Perrin als Vertreter Frankreichs und Čestmír Simáně als Vertreter der Tschechoslowakei. Die Männer waren alle zwischen Ende 50 und Anfang 60, mit Ausnahme von Simane, der mit 36 Jahren ganze zwanzig Jahre jünger war als die anderen. Alle Männer waren an der Entwicklung der Kernphysik und einige an den wissenschaftlichen Dimensionen der Kriegsanstrengungen in ihren Heimatländern beteiligt gewesen. Sie hatten Lehrstühle an Universitäten, leiteten Kommissionen für Atomenergie und saßen in wissenschaftlichen Beratungsgremien ihrer Regierungen. Rabi und Cockcroft waren sogar Nobelpreisträger, und Perrin war der Sohn eines Nobelpreisträgers. Rabi und Perrin waren an der Gründung des CERN beteiligt, das nur ein Jahr zuvor in einem Vorort von Genf gegründet worden war. Skobel‘tsyns Wissen um die technischen Dimensionen der internationalen Kontrolle der Nukleartechnologie reichte bis zu den Bemühungen der UN-Atomenergiekommission zurück, in der er in der Nachkriegszeit Vorschläge eingebracht hatte.

Diese Männer waren also sowohl in den technisch-wissenschaftlichen als auch in den politisch-diplomatischen Dimensionen der Nuklearwissenschaft und -technik gut bewandert und konnten erwarten, dass sie eine anspruchsvolle technische Diskussion führen würden, während sie sich gleichzeitig der politischen Dimension der Aufgabe bewusst waren. Die beiden Hauptakteure waren Skobel‘tsyn und Rabi als Vertreter der beiden Großmächte des Kalten Kriegs.

Die ausführlichen Sitzungsprotokolle sind das einzige Ergebnis, auf das sich die Teilnehmer am letzten Tag geeinigt haben. Bei den Vereinten Nationen können Sitzungen als ausführliche Protokolle oder als Kurzprotokolle aufgezeichnet werden. Wörtliche Aufzeichnungen, deren Dateien mit PV für procès-verbal gekennzeichnet sind, gelten als »vollständiger Bericht in der ersten Person«, während zusammenfassende Aufzeichnungen, die mit SR (summary record) gekennzeichnet sind, eine »komprimierte Version in der dritten Person« der Sitzung darstellen.Footnote 3 In der Praxis des Wortprotokolls der UN wird jede SprecherIn gesondert aufgeführt, und Äußerungen erfolgen in der ersten Person, während in einer zusammenfassenden Aufzeichnung die SprecherIn identifiziert und ihre Äußerung mit metapragmatischen Verben des Sprechens (sagte, antwortete, bemerkt usw.) in der Vergangenheitsform charakterisiert wird.

Die Sitzungen wurden gedolmetscht, und die Protokolle wurden von MitarbeiterInnenFootnote 4 des UN-Sekretariats in Englisch, Französisch und Russisch erstellt und übersetzt. Auf jedem Deckblatt der Protokolle sind die Sprache des Protokolls und die Sprachen, in denen die Teilnehmer während der Sitzung kommuniziert haben, angegeben. Jedes Deckblatt trägt außerdem am unteren Rand der Seite den folgenden Vermerk:

Note: The statements in this revised verbatim record attributed to representatives speaking languages other than English are translations of the verbatim transcripts in the language in which they were delivered.

So entnehmen wir dem Deckblatt der Quelle, dass die Sitzungsteilnehmer in einer (und, wie die Quelle zeigt, manchmal in mehr als einer) der drei Sprachen redeten und dass von den Äußerungen in jeder Sprache wortgetreue Niederschriften erstellt wurden, die dann in die beiden anderen Sprachen übersetzt wurden, um einsprachige wortgetreue Aufzeichnungen in jeder Sprache zu erstellen. Wenn die Teilnehmer erwähnen, dass sie die Wortprotokolle der vorangegangenen Tage konsultiert und darauf Bezug genommen haben, können wir daraus schließen, dass die ÜbersetzerInnen daran gearbeitet haben, den Teilnehmern innerhalb eines kurzen Zeitraums nach jedem Sitzungstag vorläufige Wortprotokolle zu erstellen und zu übersetzen.

Gleichzeitig wissen wir von Äußerungen der Teilnehmer in den Aufzeichnungen, dass DolmetscherInnen anwesend waren, um den Teilnehmern die Äußerungen von Sprechern in anderen Sprachen als ihrer eigenen zu dolmetschen (die die Teilnehmer vermutlich über Kopfhörer hörten). Die wortgetreuen Aufzeichnungen sind also das Produkt eines komplexen Prozesses von (1) Simultandolmetschen, (2) wortwörtlicher Transkription, (3) textueller Übersetzung in drei Sprachen und schließlich (4) Überarbeitung in jeder Sprache, wobei (1) die Voraussetzung für (2), (3) und (4) ist.

In den Archiven internationaler Organisationen liegen die Protokolle der verschiedenen Sitzungen als einsprachige Produkte nebeneinander. Die Kakophonie der mehrsprachigen Reden in den offiziellen Sprachen wird in eine dieser Sprachen »umgewandelt« (Silverstein 2003).

»Is It Really Possible to Reach Agreement on Technical Questions?«

Das Treffen begann am Montag mit dem Vorsitz von Rabi, der darauf hinwies, dass man nach den »labors and pleasures« der erfolgreichen Konferenz über die friedliche Nutzung, die in dieser Woche zu Ende ging, gekommen sei, um die »technical safeguards« zu erörtern, wie die »undetected diversion« von Kernmaterial, das von der vorgeschlagenen Internationalen Atomenergiebehörde bereitgestellt wird, zu verhindern sei.Footnote 5 In seiner Eröffnungsrede nahm sich Rabi einige Zeit, um den Rahmen der Diskussion abzustecken und sie auf technische Probleme zu beschränken. Er merkte an:

We are, then, meeting together to talk about a technical problem in a technical manner. We are not here to discuss the wider problems of disarmament. These vitally important problems are being considered in other meetings and are not part of our discussion here this week.Footnote 6

Rabis Verwendung eines Parallelismus (technical problem, technical manner) und der ausdrückliche Ausschluss des Themas Abrüstung zeugt von dem Bemühen, sich auf technische Themen zu konzentrieren. Das Bemühen, die technische von der politischen oder administrativen Dimension der Sicherheitsüberwachung abzugrenzen, zog sich durch die gesamten Sitzungen.

Am zweiten Tag hatten die Teilnehmer Zeit, sich mit dem in einem verteilten Text vorgeschlagenen System zu befassen. Skobel‘tsyn hatte eine Reihe von Punkten und Themen vorbereitet, die kritisch diskutiert werden sollten. Die Hauptkritikpunkte von Skobel‘tsyn betrafen die Einzelheiten der Liefervereinbarungen (Sollte das Kernmaterial direkt vom Lieferanten an den Empfänger weitergegeben oder aber die Agentur als Verteiler fungieren?). Er beklagte, dass der vorgeschlagene Rahmen zu eng sei (»It is very difficult to limit ourselves in any way«).Footnote 7 Rabi entgegnete, dass es sich lediglich um vorläufige Annahmen handele, die als Ausgangspunkt für Diskussionen dienten, und bekräftigte, dass man nicht hier sei, um »into political things« hineinzugeraten (womit er andeutete, dass die Lieferbedingungen seiner Meinung nach in den politischen Bereich gehörten), und äußerte schließlich seinen Unmut darüber, dass man ihn »on the witness stand« stelle.Footnote 8

Am dritten Tag (mit einem Exkursionstag als Pause nach dem zweiten Tag) erreichte das Treffen einen Höhepunkt an Technizität, als Rabi Berechnungen und Formeln von Zerfallsketten verschiedener Spurenstoffe vorstellte, die über sieben Seiten des Protokolls einnehmen. Die Teilnehmer diskutierten die Möglichkeiten des Einsatzes von Spurenstoffen, wobei Skobel‘tsyn skeptisch war, ob diese tatsächlich den Kontrollaufwand erleichtern würden. Der dritte Tag beinhaltete auch den deutlichsten Austausch zwischen Rabi und Skobel‘tsyn über die Frage, ob es möglich sei, die technischen Aspekte der Sicherheitsüberwachung losgelöst von ihren politischen Dimensionen zu diskutieren, und endete damit, dass Rabi Skobel‘tsyn aggressiv fragte, ob die UdSSR einen eigenen Vorschlag vorlegen würde, worauf ich im nächsten Abschnitt eingehen werde.

Am vierten Tag des Treffens war Skobel‘tsyn bestrebt, sein Gesicht nach dem demütigenden Ende vom Vortag wiederherzustellen, indem er ein Missverständnis in der übersetzten Aufzeichnung akribisch aufklärte, bevor er einen eigenen Fall vorstellte, der dann das Gespräch auf eine Meta-Ebene, nämlich zu den relativen Gefahren verschiedener Arten von Kernanlagen führte.Footnote 9

Der letzte Tag, ein Samstag, endete in einer allgemein freundlichen Atmosphäre mit einem eher albernen Gespräch darüber, in welcher Reihenfolge die teilnehmenden Länder in der abschließenden Pressemitteilung aufgeführt werden sollten, und der Einigung, dass das Endergebnis der Sitzungen einfach die wörtlichen Aufzeichnungen sein sollten.

Eine Lesart dieser Treffen, die die Unterscheidung zwischen Technik und Politik als feststehend ansieht, könnte den Eindruck erwecken, dass Rabi und seine westlichen Verbündeten versuchten, eine nüchterne und ernsthafte technische Diskussion zu führen, während Skobel‘tsyn mit pedantischem Beharren auf Klärung und scheinbar vorsätzlichen Missverständnissen eine Strategie der Sabotage verfolgte. Erst die Berücksichtigung sozial-epistemologischer Dimensionen lässt Skobel‘tsyns wiederholte interaktionelle Schachzüge zur Verkomplizierung des von den Amerikanern vorgeschlagenen Systems nicht nur als strategisches Kalkül, sondern auch als Ausdruck eines ausgeprägten »Denkstils« (Fleck 2021/1935, 109) in der Frage des Verhältnisses zwischen technischen und politischen Bereichen erscheinen. Und in der Tat erstreckten sich die ideologischen Unterschiede zwischen dem westlichen und dem sowjetischen Block auch auf die Theorien über Wissenschaft und Technik und ihr Verhältnis zur Gesellschaft (Aronova und Turchetti 2016; Oreskes und Krige 2014). Ich möchte nun untersuchen, wie sich dies bei den Genfer Treffen auswirkte.

Der dritte Tag des Treffens kann als ein entscheidender Moment angesehen werden, in dem die kommunikativen Frustrationen, die sich seit dem ersten Tag aufgebaut hatten, offen zum Ausdruck kamen. Nach mehreren Redebeiträgen westlicher Vertreter, in denen die Redner ihre Beiträge metapragmatisch als »technische« Punkte bezeichneten, als Reaktion auf (und als implizite Rüge für) Skobel‘tsyn, der auf der Berücksichtigung komplizierter Versorgungsbedingungen bestanden hatte, gibt Skobel‘tsyn seinen Gesprächspartnern schließlich zu verstehen: »we must keep to the discussion of the technical side of the problem.« Dann aber führt er den Vorbehalt ein: »In practice, it is impossible to make a clear distinction between these two aspects.«Footnote 10

Die Frage, ob es möglich sei, eine klare Unterscheidung zu treffen, wird einige Zeit später von Rabi aufgegriffen, der klarstellen will, dass es möglich sein sollte, in technischen Fragen eine Art Einigung zu erzielen: »We are, after all, speaking of technical questions where agreement should be possible; we are not discussing political questions on which people could agree to disagree.«Footnote 11 Rabi verwendet die Modalität der Erwartung, um einen Anspruch auf eine mögliche gemeinsame Wahrheit zu erheben. Es handelt sich um eine normative Aussage über die konzeptionellen und pragmatischen Möglichkeiten ihres Treffens, aus der hervorgeht, dass Rabi glaubt, dass technische Fragen letztlich durch Konsens lösbar sind (wenn die Teilnehmer hart genug an einvernehmlichen Antworten arbeiten), während dies bei politischen Fragen möglicherweise nicht der Fall ist. Und in der Tat ist es die Unmöglichkeit einer Einigung (vermutlich aufgrund unterschiedlicher Standpunkte), die das Politische kennzeichnet.

Skobel‘tsyn antwortet mit vorsichtiger Skepsis auf Rabis Vorschlag, dass eine technische Einigung unter Experten möglich sein sollte:

It is quite possible that this is true. But so far we have constantly been running up against different viewpoints… [gives examples of participants’ different perspectives on tracers]. It is quite right, as Mr. Rabi said, that the question of continuous inspection is a technical matter, but there are different opinions about it…if it is really possible to reach agreement on technical questions, and this is a technical question, we must try and do so.Footnote 12

Skobel‘tsyn erkennt die Möglichkeit des Wahrheitswertes von Rabis Aussage an, legt sich aber nicht darauf fest. Stattdessen präsentiert er gegenteilige Beweise.

Er schlägt vor, dass die Bedingung für die Möglichkeit einer technischen Einigung darin bestehen soll, »[to] make our discussions more concrete. It would be useful to know how these proposals apply in specific circumstances to specific cases.«Footnote 13 Hier bringt Skobel‘tsyn zur Sprache, was er während des gesamten Treffens vorgebracht hat: dass er konkrete Lieferbedingungen erörtern möchte, um Kontrollmöglichkeiten zu bewerten. Skobel‘tsyns Bemühungen, eine Debatte darüber in Gang zu bringen, wie sich die verschiedenen Lieferbedingungen auf die Durchführung der Sicherungsmaßnahmen auswirken könnten, wurden von den westlichen Teilnehmern wiederholt als ›rechtliche‹ oder ›politische‹ Fragen zurückgewiesen. Aus dieser Sicht warfen die Lieferbedingungen Fragen zu den Beziehungen zwischen den Staaten sowie zu den Regeln und Verpflichtungen auf, die die Lieferbedingungen regeln könnten. Über Lieferbedingungen zu sprechen, bedeutete, über Staaten zu sprechen, die über Nukleartechnologie und -material verfügten, und über Staaten, die dies wünschten.Footnote 14

Skobel‘tsyns Konzentration auf »specific circumstances« und »specific cases« wurde auch zur Argumentationslinie der UdSSR in den Diskussionen über das erste Sicherungssystem Anfang der 1960er Jahre, wo sie für einen fallweisen Ansatz eintrat, der die »social and economic factors« eines Staates bei der Ausarbeitung eines Inspektionssystems für einen Staat berücksichtigen sollte (wobei weniger entwickelte Staaten weniger strengen Kontrollmaßnahmen unterworfen werden sollten).

Anstatt jedoch zu wiederholen, dass sie nicht an den politischen Dimensionen interessiert seien, versucht Rabi einen neuen Ansatz und beginnt, Skobel‘tsyn aggressiv zu fragen, ob die Russen vorhätten, einen konkreten und spezifischen eigenen Vorschlag zu unterbreiten. Im Laufe von sieben Runden (und in einer Runde unterstützt von Schonland) versucht Rabi mit zunehmender Intensität, Skobel‘tsyn dazu zu bringen, einen eigenen Vorschlag zu unterbreiten. In der letzten Frage macht Rabi seine Besorgnis deutlich: »Are we to assume at this stage that Mr. Skobeltzin [sic] and the USSR delegation will have no positive suggestions to make at these meetings?«Footnote 15 Skobel‘tsyn antwortet lahm, dass dies erst der Anfang ihrer Gespräche sei, und wird vom Vorsitzenden Simane gerettet, der darauf hinweist, dass die Sitzung bereits zwei Stunden gedauert hat.

Ich halte diese recht dramatische Interaktion zwar für bedeutsam, bin mir aber nicht sicher, was sie bedeutet. Man könnte sie als Rabis Ungeduld gegenüber den scheinbar unerbittlichen Anfechtungen des amerikanischen Vorschlags deuten. Vielleicht ist es aber auch ein Zeichen der Frustration darüber, dass Skobel‘tsyn nicht bereit war, die im Vorschlag enthaltenen Annahmen über die Lieferbedingungen als Ausgangspunkt für weitere Diskussionen zu akzeptieren. Auf jeden Fall bin ich versucht, dies in gewisser Weise als eine Reaktion auf Skobel‘tsyns Bestrebungen zu lesen, die Unterscheidung zwischen technischen und politischen Aspekten des Kontrollproblems, an der Rabi und seine westlichen Kollegen festhielten, zu destabilisieren.

Am nächsten Tag beginnt Skobel‘tsyn mit einer zweiteiligen Strategie, um sein Gesicht wiederherzustellen. Zunächst wendet er die ersten fünf Seiten des Protokolls dazu auf, den Übersetzungsfehler zu korrigieren, der zu dem Missverständnis Rabis geführt hatte, dass die Delegation der Sowjetunion ihren Vorschlag später in der Sitzung vorstellen würde; dies war nicht der Fall. Nachdem er sein Gesicht wiederhergestellt hat, legt Skobel‘tsyn seinen Gesprächspartnern einen »simplen« Fall vor, den sie prüfen sollen, was sie auch tun. Von dort aus leitet Rabi das Gespräch zu einer Diskussion darüber um, welche Aspekte des Brennstoffkreislaufs die größte Herausforderung für wirksame Sicherheitsvorkehrungen darstellen. Auch hier versucht er, Skobel‘tsyn dazu zu bringen, eine konkrete Antwort zu geben, was jedoch nicht gelingt.

Aus einer Perspektive, die die technisch-politische Unterscheidung nicht als gegeben, sondern als ideologische Errungenschaft ansieht, könnten wir feststellen, dass Rabi und die westlichen Verbündeten sich am ersten, zweiten und dritten Tag des Treffens auf die Ausarbeitung einer fehlerhaften, komplizierten und potenziell teuren Tracer-Technik konzentrierten, während Skobel‘tsyn versuchte, darauf hinzuweisen, dass unterschiedliche Lieferbedingungen zwischen Liefer- und Empfängerstaaten gegenüber der Atomenergiebehörde einfachere, weniger belastende Sicherheitsvorkehrungen ermöglichen würden. Aus dieser Perspektive können wir ihre gegenseitigen Frustrationen als Beweis für eine Fehlkommunikation zwischen den Denkstilen interpretieren. Ein Denkstil stellt eine historisch bedingte Verflechtung von Konzepten dar, die sich gegenseitig bestätigen. Fleck stellt fest: »Je größer die Differenz zweier Denkstile, um so geringer der Gedankenverkehr« (Fleck 2021/1935, 142). Die Kommunikation zwischen Denkstilen ist schwierig, weil die Mitglieder eines Denkkollektivs ständig in ihrer Überzeugung bestärkt werden, dass ihre eigenen Positionen die einzig wahren und normalen sind. Fleck geht sogar so weit zu behaupten, dass verschiedene Denkstile inkommensurabel sein können.

Ein Unterschied der Denkstile in Bezug auf die angenommene Beziehung zwischen Technowissenschaft und Politik ist nicht überraschend, wenn man die unterschiedlichen Konzeptualisierungen von Wissenschaft in liberalen Wissenschaftsgeschichten und dialektisch-materialistischen Wissenschaftstheorien betrachtet, die ebenfalls ein Produkt des Kalten Krieges sind. Während beide die Wissenschaft bis zu einem gewissen Grad im Dienste der Gesellschaft sehen, messen liberale Wissenschaftstheorien einer notwendigen und positiv konnotierten Trennung zwischen Wissenschaft und Politik wesentlich mehr Bedeutung bei (Bush 1945). Marxistisch geprägte Wissenschaftstheorien sehen eine notwendige und positiv konnotierte Beziehung zwischen der Wissenschaft und der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Welt (Bernal 1967).

Ich schlage vor, dass wir die Charakterisierung von Hewlett und Holl, wonach die Amerikaner von diesen Treffen mitnahmen, dass »solutions would have to be political and diplomatic as well as technological« (1989, 316), als Beweis für die Wirkung von Skobel‘tsyns Beiträgen zu dem Treffen auffassen. Der wiederholte Versuch des Russen, die Blackbox der Annahmen über die konkreten Lieferbedingungen und die Beziehungen zwischen Lieferanten und Empfängern und der internationalen Organisation zu öffnen, führte dazu, dass das technische Problem der Kontrollmechanismen als nicht isolierbar von den politisch-wirtschaftlichen Dimensionen der nuklearen Versorgung betrachtet wurde.

Schluss

In diesem Beitrag wurde versucht, gegen die weit verbreitete Tendenz anzugehen, das Protokoll als bloße Aufzeichnung des Gesagten zu lesen. Die verbatim ideology verschleiert die Bedingungen der Sprachproduktion und privilegiert die kommunikativen Funktionen der Referenz und der Denotation unangemessen. Die Anwendung der Erkenntnisse der sozialkritischen Sprachwissenschaft auf die Analyse des institutionellen Wortprotokolls ermöglicht es uns, diese Quellen als Aufzeichnungen von entstehenden Interaktionen zu lesen.

Die Bedeutung eines Ereignisses liegt nicht ausschließlich in den Worten, die die Teilnehmenden austauschen. Die Bedeutung eines Ereignisses wird von den Teilnehmenden gemeinsam konstruiert. Wenn man ein Ereignis als eine Interaktion betrachtet, bei der teilnehmende Personen Positionen einnehmen und verschiedene Formen der Ausrichtung zeigen, kann man scheinbare Widersprüche auflösen und entgegen weit verbreiteten Annahmen lesen.

Die Zögerlichkeit der Sowjetunion, sich auf ein System internationaler Kontrollmechanismen für nukleare Technologie einzulassen, wird weitgehend als strategischer Vorwand für das Ziel der atomaren Rüstung gelesen. Während diese Erklärung offensichtlich erscheint, möchte ich dennoch eine Schattierung hinzufügen. Die Gründe der Zögerlichkeit führen auf Unterschiede tatsächlicher ideologischer Natur zurück, und zwar auf unerwartete Weise. Die beiden Lager vertreten nicht nur unterschiedliche Ideologien zur Rolle des Staates und des Marktes, sondern auch zur richtigen Beziehung zwischen Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft, und diese beeinflussen die Art und Weise, wie sie über das Problem nuklearer Kontrollmechanismen denken.

In diesem Fall hilft es auch zu zeigen, dass das, was sowohl von HistorikerInnen als auch von den historischen Akteuren weithin als stabile Kategorien angenommen wird, nämlich Technik und Politik, nicht so stabil ist, wie angenommen wird.Footnote 16 Die Lektüre des Wortprotokolls als Interaktion hilft zu zeigen, dass die Teilnehmer mit diesen Kategorien nicht dasselbe meinen, dass sie sich auf unterschiedliche Theorien über die Rolle von Wissenschaft und Technologie in der Gesellschaft und in der Politik stützen, die sie darüber informieren, wie das Problem konzeptualisiert wird und wie es gelöst werden kann. Die ideologischen Spaltungen des Kalten Krieges zwischen Kommunismus und Kapitalismus erstreckten sich sogar auf das, was die Vereinigten Staaten als rein technische Dimension der internationalen Kontrolle der Kernenergie verstanden.