FormalPara Zusammenfassung

Seit dem Jahr 2020 erfolgt die Krankenhausvergütung auf Basis von Fallpauschalen und einer Pflegepersonalkostenvergütung nach dem Selbstkostendeckungsprinzip. Der Beitrag analysiert die Daten der vereinbarten Pflegebudgets der Jahre 2020 und 2021 sowie die verfügbaren amtlichen Statistiken zur Pflegepersonalentwicklung in den Kliniken. Das vereinbarte Pflegebudget in der vorliegenden Strichprobe des Jahres 2021 steigt im Vergleich zum Vorjahr um 7 % und weist damit weiterhin Steigerungsraten auf, die deutlich oberhalb der allgemeinen Ausgabenentwicklung im Krankenhaus beziehungsweise oberhalb der Einnahmeentwicklung der GKV liegen. Der Personaleinsatz der Kliniken entwickelt sich unterschiedlich. Der Anteil des Personals mit mindestens dreijähriger pflegerischer Berufsausbildung liegt nahezu unverändert bei 88 %. Allerdings zeigen sich Verschiebungen zwischen den einzelnen Berufsgruppen. Beispielsweise stieg die Anzahl der Altenpfleger in den Kliniken deutlich. Gesetzgeberisch wurden im Jahr 2022 erneut viele Anpassungen vorgenommen. Zentrale Punkte sind eine Neuausgliederung und die Wiedereingliederung von Personal ohne formale pflegerische Qualifikation („Sonstige Berufe“) in die Fallpauschalen mit dem Ziel, Doppelfinanzierung zu vermeiden. Beide Maßnahmen sollen für die Jahre ab 2025 Anwendung finden. Des Weiteren wurden Fristen für die Budgetverhandlungen eingeführt.

Since 2020, hospital reimbursement is based on DRGs and a nursing budget according to the principle of cost coverage. The article analyses the data of 546 agreed budgets for nursing staff costs for the years 2020 and 2021 as well as available official statistics on nursing staff development in hospitals. The nursing budget increased by 7 % in 2021 compared to the previous year. This increase is larger than the increase of overall hospital expenditures. The proportion of staff with at least three years of professional nursing training is almost unchanged at 88 %. However, there are shifts between different occupational groups. For example, the number of nurses for the elderly increased significantly. Many adjustments in legislation were made in 2022. The major change is the reintegration of staff costs for staff without nursing qualifications in the DRGs to avoid double financing. It will apply for the years from 2025 onwards. Furthermore, deadlines for budget negotiations were introduced.

1 Einleitung

Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) wurde Ende des Jahres 2018 das Pflegebudget als zweite wichtige Säule der Betriebskostenfinanzierung neben den Fallpauschalen etabliert. Die Anwendung erfolgte ab dem Budgetjahr 2020. Vehement wurde in der Folge über mögliche Vorzüge der Selbstkostendeckung, aber auch über die Fehlentwicklungen und -anreize diskutiert (Slowik und Scheller-Kreinsen 2021). Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass die Umsetzung auf Ortsebene stockt und mit hohen Hürden verknüpft ist (Slowik und Hentschker 2022). Auch aus diesen Gründen wurden seit der Einführung des Pflegebudgets viele gesetzliche Regelungen nachgeschärft sowie diverse Vereinbarungen zur Konkretisierung des Pflegebudgets definiert beziehungsweise weiterentwickelt. Im vorliegenden Beitrag wird vor diesem Hintergrund zunächst der Umsetzungsstand des Pflegebudgets analysiert. Dabei kann erstmals auf die Daten von zwei Vereinbarungsjahren (2020, 2021) sowie auf die inzwischen auswertbaren Bestätigungen der Jahresabschlussprüfer (Testate zum Nachweis der Pflegepersonalkosten) zurückgegriffen werden. Auf dieser Basis werden der Personaleinsatz, die Entwicklung der Personalkosten sowie des Personalmix beschrieben und eingeordnet. Als ergänzende Quelle werden die verfügbaren amtlichen Statistiken herangezogen, um die Ausgabenentwicklung und den Personaleinsatz der Kliniken zu erörtern. Neben der empirischen Einordnung beschreibt der vorliegende Beitrag die wesentlichen Entwicklungen im Bereich der Normsetzung (Gesetzgebung und Ersatzvornahme auf Bundesebene) des Jahres 2022 und diskutiert deren Implikationen.

2 Analyse der Pflegebudgetdaten

2.1 Datengrundlage

Es liegen 911 Budgetvereinbarungen für das Jahr 2020 und 576 für das Jahr 2021 vor (Stand: 30. November 2022). Der Anteil bereits abgeschlossener Budgetverhandlungen liegt entsprechend für das Jahr 2020 bei 63 % und für das Jahr 2021 bei 41 % (Fig. 16.1). Um die Entwicklung zwischen den Jahren betrachten zu können, werden nur jene Krankenhäuser in die Analysen einbezogen, für die sowohl eine Vereinbarung für das Jahr 2020 als auch für das Jahr 2021 vorliegt. Der zusätzliche Ausschluss von unvollständigen Vereinbarungen führt dazu, dass die Pflegebudgetdaten von 546 Krankenhäusern ausgewertet werden.Footnote 1 Somit repräsentieren die Daten rund ein Drittel der Krankenhäuser. Im Vergleich mit der Grundgesamtheit aller Krankenhäuser sind in der Stichprobe öffentlich-rechtliche Krankenhäuser etwas überrepräsentiert und private Krankenhäuser etwas unterrepräsentiert (Table 16.1). Werden die Krankenhäuser nach Bettengröße untergliedert, so entspricht die Verteilung der Stichprobe in etwa der der Grundgesamtheit. Aufgrund der regional sehr unterschiedlichen Geschwindigkeit bei den Budgetverhandlungen sind bayerische und sächsische Krankenhäuser in den Daten überrepräsentiert und Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg unterrepräsentiert.

Abb. 16.1
figure 1

Umsetzungsstand der Budgetverhandlungen, Anteil in %. Anmerkung: Stand: 30. November 2022

Tab. 16.1 Verteilung der Krankenhäuser in der Grundgesamtheit und Stichprobe. (Quelle: Statistisches Bundesamt 2021)

Für die Herleitung des Pflegebudgets auf der Einzelhausebene wurden in der Pflegebudgetverhandlungsvereinbarung zwischen GKV-Spitzenverband und Deutscher Krankenhausgesellschaft standardisierte Formulare entwickelt (GKV-SV und DKG 2021). Im vorliegenden Beitrag wird sowohl auf die Ist-Daten (Aufbau entsprechend Anlage 4.2), die Vereinbarungsdaten (Aufbau entsprechend Anlage 4.4) als auch auf die Daten zu den Pflegekostentestaten (Aufbau entsprechend Anlage 5) zurückgegriffen. Des Weiteren werden die Grunddaten der Krankenhäuser des Statistischen Bundesamtes herangezogen, um die Personalentwicklung über einen längeren Zeitraum zu betrachten.

2.2 Ergebnisse

Vollkräfte im Pflegebudget nach Berufsgruppen

Table 16.2 stellt die Vollkräfte im Pflegebudget im direkten Beschäftigungsverhältnis nach Berufsgruppen dar. Im Vereinbarungsjahr 2021 waren demnach 75 % der Beschäftigten Gesundheits- und Krankenpfleger und 9 % Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger. Krankenpflegehelfer, Altenpfleger und (zahn-)medizinische Fachangestellte weisen einen Anteil von 3 bis 4 % auf. Altenpflegehelfer, Personal mit akademischem Berufsabschluss, anästhesietechnische Assistenten, Notfallsanitäter und Pflegeassistenten spielen eine untergeordnete Rolle (< 1 %). Des Weiteren sind 2,6 % der Beschäftigten den sonstigen Berufen zuzuordnen und 2 % haben keinen Berufsabschluss. Zu den sonstigen Berufen gehören u. a. Hebammen oder Physiotherapeuten beziehungsweise deren Tätigkeitsanteil, der der „Pflege am Bett“ zuzuordnen ist. Hauptsächlich werden diese Berufsgruppen jedoch bisher über das aG-DRG-System finanziert.

Tab. 16.2 Berufsgruppen im direkten Beschäftigungsverhältnis, Anteil in %

Im Zeitverlauf ist auffallend, dass im Personalmix der Anteil der Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pfleger leicht abnimmt: von 77,0 % im Jahr 2019 auf 75,4 % im Jahr 2021.Footnote 2 Im Gegensatz hierzu steigt der Anteil der Altenpflege von 2,0 % auf 3,2 % an. Insgesamt bleibt der Anteil zwar gering, die absolute Anzahl hat sich jedoch innerhalb von zwei Jahren fast verdoppelt. Der Anstieg deutet darauf hin, dass es aufgrund der Selbstkostendeckung in der Pflege (finanziell) attraktiver für Altenpflegerinnen und -pfleger wird, im Krankenhaus statt in angrenzenden Sektoren (z. B. in Pflegeheimen) zu arbeiten.

Betrachtet man nur das Personal mit einer dreijährigen oder längeren pflegerischen BerufsausbildungFootnote 3, so zeigt sich im Zeitverlauf ein leicht sinkender Anteil von 88,3 % im Jahr 2019 auf 87,7 % im Jahr 2021 (Fig. 16.2). Der Anteil des Personals mit dreijähriger Berufsausbildung liegt bei den privaten Trägern mit 84 % im Jahr 2021 trotz Anstieg im Zeitverlauf niedriger. Entsprechend sind bei den privaten Krankenhäusern die Anteile für Hilfspersonal sowie sonstige Berufe und ohne Berufsabschluss höher als bei den öffentlich-rechtlichen und freigemeinnützigen Krankenhäusern.

Abb. 16.2
figure 2

Personal mit Pflege-Berufsausbildung von drei Jahren oder länger, Anteil in %. Anmerkung: Zum Personal mit dreijähriger oder längerer pflegerischer Berufsausbildung zählen Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pfleger, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger, Altenpflegerinnen und -pfleger und Personal mit akademischem Pflegeabschluss. Dargestellt werden Vollkräfte im direkten Beschäftigungsverhältnis (Ist – lfd. Nr. 28 / Vereinbarung – lfd. Nr. 8). N = 510

Neben dem direkten Beschäftigungsverhältnis weisen die Daten beschäftigte Leiharbeitnehmerinnen und -nehmer aus. Der Anteil der Leiharbeitenden an allen Beschäftigten beträgt 2021 3,1 %, im Jahr 2019 lag der Anteil noch bei 2,4 %. Wird die Verteilung des Anteils über die Krankenhäuser hinweg betrachtet, so weisen 10 % der Krankenhäuser in der Stichprobe einen Leiharbeitendenanteil von mehr als 7 % auf. Zu beachten ist, dass 38 % der Krankenhäuser keine Leiharbeitenden aufführen.

Entwicklung des Pflegebudgets

Fig. 16.3 vergleicht die Vereinbarung 2021 mit der Vereinbarung 2020. Insgesamt steigt das Pflegebudget um 7,0 %. Diese Steigerungsrate liegt oberhalb der GKV-Ausgaben für die Somatik insgesamt, die im gleichen Zeitraum um 4,5 % gestiegen sind (KJ 1-Statistik). Die Pflegebudgetsteigerung setzt sich zusammen aus der Kostensteigerung der Vollkräfte aus 2020 (2,7 %), dem Kosteneffekt der neuen Vollkräfte (3,6 %) und dem Kosteneffekt der pflegeentlastenden Maßnahmen (PEM) (0,6 %). Krankenhäuser von freigemeinnützigen und privaten Trägern weisen höhere Steigerungsraten auf (7,5 % beziehungsweise 7,8 %) als die der öffentlich-rechtlichen Träger (6,5 %). Des Weiteren ist die Kostensteigerung im Osten Deutschlands im Gegensatz zum Westen getrieben von der Kostensteigerung der Kosten je Vollkraft (4,2 % im Vergleich zu 2,3 %). Hingegen fällt die Steigerung des Pflegepersonals im Westen höher aus als im Osten (4,1 % im Vergleich zu 1,8 %).

Abb. 16.3
figure 3

Zusammensetzung der Kostensteigerung des Pflegebudgets Vereinbarung 2021 zu Vereinbarung 2020, in %. Anmerkung: N = 546

Die Steigerungsraten des Pflegebudgets je Krankenhaus weisen eine hohe Streuung auf: Bei 25 % der Krankenhäuser steigt das Pflegebudget nur um bis zu 3 %. Dagegen weisen weitere 25 % der Krankenhäuser Steigerungsraten von mehr als 10 % auf.

Im Jahr 2021 werden im Vergleich zu 2020 mehr PEM vereinbart. Der Anteil der PEM an den Personalkosten stieg von 1,9 % auf 2,4 % an. Die Steigerung ist auf zwei Faktoren zurückzuführen: Zum einen steigt die Zahl der Krankenhäuser, die PEM vereinbaren: Im Jahr 2020 waren es 71 % der Krankenhäuser, im Jahr 2021 sind es bereits 83 %. Zum anderen steigt auch die Höhe der vereinbarten PEM bei den Krankenhäusern an, die sowohl im Jahr 2020 als auch im Jahr 2021 PEM vereinbart haben.

Abzahlung des Pflegebudgets

Die Pflegepersonalkosten werden nach dem Selbstkostendeckungsprinzip finanziert. Die Abzahlung der Kosten erfolgt über einen krankenhausindividuellen Pflegeentgeltwert (§ 6a Abs. 4 KHEntgG). Dieser ergibt sich aus dem vereinbarten Pflegebudget geteilt durch die Summe der vereinbarten Pflegebewertungsrelationen. Die Summe der Pflegebewertungsrelationen ermittelt sich aus der Multiplikation der Belegungstage und der im Pflegerlöskatalog auf DRG-Ebene ausgewiesenen Bewertungsrelation. Bis zur erstmaligen Vereinbarung des Pflegebudgets gilt ein bundesweit festgelegter vorläufiger Pflegeentgeltwert.

Eine Abzahlung der Pflegekosten des Krankenhauses funktioniert dann gut, wenn die Vereinbarung das tatsächliche Leistungsgeschehen und die tatsächlichen Pflegepersonalkosten gut abbildet. Kommt es zu Fehlschätzungen und folglich zu Über- oder Unterzahlungen, werden die Kosten mit der nächsten Budgetvereinbarung ausgeglichen. Im Jahr 2020 und in den darauffolgenden Jahren kam es zu unerwarteten Fallzahlrückgängen aufgrund der Covid-19-Pandemie. Entsprechend kann es vorkommen, dass die Pflegeerlöse aus den abgerechneten Krankenhausfällen unterhalb der vereinbarten Pflegekosten liegen. Hinzu kommen nur langsam voranschreitende Budgetverhandlungen, sodass viele Krankenhäuser aktuell immer noch mit dem vorläufigen Pflegeentgeltwert abrechnen (siehe Fig. 16.1).

Aus den Pflegekostentestaten (§ 6a Abs. 3 Satz 4 KHEntgG) geht die Summe der Erlöse aus den tagesbezogenen Pflegeentgelten hervor. Diese werden dem vereinbarten Pflegebudget (Pflegepersonalkosten zuzüglich pflegeentlastende Maßnahmen) gegenübergestellt.Footnote 4 Für 519 Krankenhäuser liegt sowohl ein Pflegekostentestat als auch eine Vereinbarung für das Jahr 2020 vor. Die Erlöse dieser Krankenhäuser aus den Pflegeentgelten liegen um 14 % unterhalb des vereinbarten Pflegebudgets. In Fig. 16.4 werden die Krankenhäuser auf Basis der Höhe der Abweichung der Pflegeerlöse vom Pflegebudget in Gruppen eingeteilt. Bei 28 % der Krankenhäuser liegen die Erlöse aus den Pflegeentgelten um 20 % unterhalb des Pflegebudgets, bei weiteren 32 % unterschreiten die Erlöse um 20 bis 10 % des Budgets. Bei 16 % der Krankenhäuser wird das Budget durch die Erlöse gedeckt. Bei 9 % der Krankenhäuser übersteigen die Erlöse mehr als 5 % des Pflegebudgets.

Abb. 16.4
figure 4

Abweichung Pflegeerlöse vom Pflegebudget 2020, Anteil in %. Anmerkung: N = 519

Für 220 Krankenhäuser liegen sowohl Testate als auch Vereinbarungen für die Jahre 2020 und 2021 vor. Für diese Stichprobe liegen die Erlöse des Jahres 2020 um 13 % unterhalb des Pflegebudgets. Dies ist auch für das Jahr 2021 der Fall.Footnote 5 Für die Summe aus beiden Jahren ergibt sich ebenfalls eine Abweichung von 13 %. Entsprechend konnte die Lücke zwischen Erlösen und Kosten aus dem Jahr 2020 im Jahr 2021 noch nicht geschlossen werden. Es handelt sich dabei um Liquiditätseffekte, die im Rahmen der Budgetverhandlungen geschlossen werden können. Grundsätzlich können sowohl die Krankenhäuser als auch die Krankenkassen jederzeit zur Budgetverhandlung auffordern. Klar ist auf Basis der Analysen, dass in den kommenden Jahren mit Nachzahlungen an die Krankenhäuser zu rechnen ist, die auch in die Finanzplanung der Solidargemeinschaft der GKV einfließen müssen.

2.3 Personalentwicklung bis 2020 (Statistisches Bundesamt)

Die Pflegebudgetnachweise wurden von den Krankenhäusern erstmals für das Jahr 2019 vorgelegt. Beim Statistischen Bundesamt werden die Vollkräftezahlen für verschiedene Berufsgruppen dagegen schon über einen längeren Zeitraum erfasst. Fig. 16.5 stellt die Veränderung – jeweils zum Vorjahr – der Vollkräfte im Pflegedienst (ohne Vollkräfte in der Psychiatrie) und im Funktionsdienst nach Trägern dar. In den Jahren 2011 bis 2018 war über alle Träger hinweg ein durchschnittlicher Vollkräftezuwachs im Pflegedienst in Höhe von rund 1 % zu beobachten. Wird der Vollkräftezuwachs im Jahr 2019 betrachtet, so ist bei allen Krankenhäusern ein überproportionaler Anstieg zu verzeichnen: bei den öffentlich-rechtlichen um 3,9 %, bei den freigemeinnützigen um 2,3 % und bei den privaten um 10,8 %. Im Jahr 2020 setzte sich dieser Anstieg fort. Der Zuwachs ging einher mit einem gleichzeitigen Rückgang der Vollkräfte im Funktionsdienst. Diese Beobachtungen legen nahe, dass zwischen dem Pflegedienst und anderen Bereichen (insbesondere Funktionsdienst und beispielsweise Ambulanzen) Umbuchungen stattgefunden haben. Gründe hierfür sind u. a. die Förderung von Personalaufbau durch die Pflegesonderprogramme sowie die Entdeckelung der Pflegepersonalkosten durch das Pflegebudget. Im Jahr 2021 waren die Zuwächse nicht mehr so stark ausgeprägt.

Abb. 16.5
figure 5

Vollkräfte im Pflege- und Funktionsdienst im direkten Beschäftigungsverhältnis, Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %. Anmerkung: Ohne Vollkräfte, die in der Psychiatrie arbeiten. (Quelle: Statistisches Bundesamt (2022) und eigene Berechnungen)

Table 16.3 schlüsselt die Vollkräfte im Pflegedienst laut Statistischem Bundesamt (ohne Vollkräfte auf psychiatrischen Fachabteilungen) nach den verschiedenen Berufen auf. Im Jahr 2021 waren insgesamt 318.805 Vollkräfte im Pflegedienst tätig.Footnote 6 Auffallend ist der starke Zuwachs der Altenpfleger von 4.333 Vollkräften im Jahr 2018 auf 10.325 im Jahr 2021: Ihre Anzahl hat sich mehr als verdoppelt. Einen starken Zuwachs in Höhe von 46 % zwischen den Jahren 2018 und 2021 verzeichnet auch die Gruppe der Vollkräfte mit „sonstigem Berufsabschluss“.

Tab. 16.3 Vollkräfte im Pflegedienst von Krankenhäusern im direkten Beschäftigungsverhältnis nach Berufsbezeichnung. (Quelle: Statistisches Bundesamt 2022)

3 Gesetzgebung und Ersatzvornahme im Jahr 2022 sowie Implikationen

3.1 Ersatzvornahme für den Entgeltkatalog 2023

Das Bundesministerium für Gesundheit hat im Rahmen der Ersatzvornahme, die am 24.11.2022 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde, für den Entgeltkatalog 2023 im aG-DRG-Bereich das Casemix-Volumen um 105.000 Casemix-Punkte abgesenkt. Die Absenkung entspricht einem Betrag von rund 400 Mio. €.

Die Ersatzvornahme war notwendig, da sich die Vertragsparteien auf Bundesebene nicht über den Entgeltkatalog 2023 verständigen konnten. Wie bereits in den vergangenen Jahren wurde auch im Jahr 2022 im Vorfeld der Ersatzvornahme kontrovers über Verschiebungen zwischen Funktions- und Pflegedienst sowie über entstehende Finanzierungseffekte diskutiert. Im Hinblick auf die Abgrenzung der Pflegepersonalkosten von den aG-DRG-Kosten geht es bei der Normierung darum, eine korrekte Zuordnung auf die beiden Entgeltbereiche für den kommenden Entgeltkatalog sicherzustellen. Bei Verschiebungen von Kosten, beispielsweise aus den aG-DRG-Fallpauschalen in den über Selbstkostendeckung vergüteten Pflegebereich oder vom Pflegebudget in die Fallpauschalen, sind entsprechende Ein- und Ausgliederungen bei den Fallpauschalen vorzunehmen. Ansonsten besteht die Gefahr einer Doppelfinanzierung beziehungsweise können Kosten nicht adäquat abgebildet werden. Im Rahmen der Normierung für den Fallpauschalenkatalog 2023 konnte das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) nicht nur Kosten- und Leistungsverschiebungen auf Grundlage der Kalkulationsdaten des Jahres 2021 bestimmen, sondern auch erstmals auf die seit Juni 2022 vorliegenden Bestätigungen des Jahresabschlussprüfers nach § 6a Abs. 3 KHEntgG (Testate) zurückgreifen. Ursprünglich war vorgesehen, dass die Testate nach Abschluss der Budgetvereinbarungen an das InEK übermittelt werden. Aufgrund des Verhandlungsstaus wurde mit dem Pflegebonusgesetz jedoch festgelegt, dass auch Krankenhäuser ohne geschlossene Vereinbarung die Testate für die Jahre 2020 und 2021 zu Zwecken der Kalkulation an das InEK zu übermitteln haben. Es steht damit eine deutlich breitere Datenbasis zur Bewertung der Kostenentwicklung und -verschiebung zur Verfügung.

3.2 GKV-Finanzstabilisierungsgesetz

Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das am 11.11.2022 im Bundesgesetzblatt Nr. 42 veröffentlicht worden ist, hat der Gesetzgeber zahlreiche Regelungen auf den Weg gebracht, die auf die Abgrenzung der im Pflegebudget berücksichtigungsfähigen Pflegepersonalkosten und die jährliche Normierung zur Abgrenzung zwischen aG-DRG-Bereich und Pflegebudget abzielen.

Ab dem Jahr 2025 werden im Pflegebudget nur noch die Kosten für qualifizierte Pflegekräfte berücksichtigt, die in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen eingesetzt sind. Entsprechend werden die Berufsgruppen „sonstige Berufe“ und „ohne Berufsabschluss“ nicht mehr über das Pflegebudget, sondern über das aG-DRG-System finanziert. Der Gesetzgeber nimmt damit eine qualifikationsbezogene Zuordnung vor und gibt zumindest für diese Berufsgruppen die unklare tätigkeitsbezogene Abgrenzung der „Pflege am Bett“ auf.

Entsprechend reduziert sich das Problem der Umbuchungen von Kosten aus dem aG-DRG-System in das Pflegebudget. Für die weiterhin im Pflegebudget zu finanzierenden Berufsgruppen bleibt die Problematik der mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz eingeführten tätigkeitsbezogenen (und damit nicht eindeutigen) Abgrenzung jedoch bestehen, da im Pflegebudget nur die Tätigkeit in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen zu finanzieren ist. Zu nennen ist insbesondere die Verlagerung und Umbuchung von examiniertem Personal aus dem Funktions- und Pflegedienst (Fig. 16.5).

Das Problem einer Doppelfinanzierung zwischen aG-DRG-System und Pflegebudget wird daher auch zukünftig Bestand haben. Es bestehen zumindest Zweifel, inwiefern die vor der Vereinbarung der Vertragspartner an das InEK übermittelten Bestätigungen des Jahresabschlussprüfers (Testate) das tatsächliche Geschehen abbilden können. Hierzu hat der Gesetzgeber explizit klargestellt, dass die Bestätigungen des Jahresabschlussprüfers weder eine Vereinbarung oder zu erbringende Nachweise noch die in der Verhandlung vorzunehmende Zuordnung von Kosten von Pflegepersonal ersetzen können. Das Gesetz sieht zudem vor, dass für das Katalogjahr 2025 eine Neuausgliederung der Pflegepersonalkosten für die unmittelbare Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen erfolgen soll, die u. a. die veränderte Zuordnung der sogenannten „Sonstigen Berufe“ abbilden soll. Darüber hinaus umfasst die Neuausgliederung eine Überprüfung der bisherigen Kostenzuordnung zu aG-DRGs und dem Pflegebudget. Dieses Vorgehen ist sachgerecht und notwendig, um die bislang auf schmaler Datenbasis vorgenommen Aus- und Eingliederungen zur Abbildung von Verlagerungseffekten zwischen den Erlösbereichen in den inzwischen deutlich aussagekräftigeren Daten zu validieren und die Kalkulation auf eine solide Basis zu stellen. Die definitorischen Grundlagen für eine Neuausgliederung sind durch die Selbstverwaltungspartner auf Basis eines Konzepts des InEK zu entwickeln.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber vereinfachte Nachweispflichten für die Vereinbarung pflegeentlastender Maßnahmen eingeführt und Festlegungen für die Ermittlung von relevanten Referenzwerten getroffen. Diese Regelungen sind als Vorgriff des Gesetzgebers auf die Regelungen zu werten, die er im Rahmen des Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) getroffen hat, um annähernd prospektive Budgetverhandlungen ab dem Jahr 2026 zu erreichen und den bestehenden Verhandlungsstau abzubauen. Die Implikationen dieser Regelungen werden daher im Kontext der Änderungen des Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes in Sect. 16.3.3 diskutiert.

3.3 Krankenhauspflegeentlastungsgesetz

Der Gesetzgeber hat mit dem KHPflEG, das am 28.12.2022 im Bundesgesetzblatt Nr. 56 veröffentlicht worden ist, neue Verfahrensregelungen festgelegt, die annähernd prospektive Budgetverhandlungen ermöglichen sollen. Zudem soll der Verhandlungsstau der Jahre 2020 bis 2022 abgebaut werden (Fig. 16.1). Darüber hinaus soll die Finanzierung der Hebammen ab dem Budgetjahr 2025 vollständig über das Pflegebudget und damit nach dem Selbstkostendeckungsprinzip erfolgen. Die Regelungen zur Budgetbeschleunigung sehen die Einführung gestaffelter Fristen für die Vorlage von Verhandlungsunterlagen für die Budgetjahre bis 2026 vor. Aufgrund der gestreckten Umsetzung bleibt abzuwarten, ob sich tatsächlich eine merkliche Beschleunigung der Budgetverhandlungen in den Jahren bis 2026 erreichen lässt. Unabhängig davon ist die Grundintention zu begrüßen, da die Budgetverhandlung als regulärer Finanzierungsmechanismus der Krankenhäuser vor Ort in den Jahren seit der Pflegeausgliederung nicht als flexibles Instrument zur Abfederung finanzieller Effekte von Krisen dienen konnte.

Die möglichen Gründe für den Verhandlungsstau sind vielfältig. Maßgeblich ist die zunehmende Komplexität der Budgetverhandlungen (insb. die unklare Abgrenzung des Pflegebudgets) sowie die fehlende Kontinuität hinsichtlich der Vorgaben, Bestimmungen und der entsprechenden Formulare (Slowik und Hentschker 2022). Darüber hinaus tragen strategische sowie verhandlungstaktische Aspekte, verschobene Verhandlungstermine aufgrund der Covid-19-Pandemie und lange Genehmigungszeiträume zur aktuellen Situation bei. Der Verhandlungsstau führt für Krankenkassen und Krankenhäuser zu erhöhter Unsicherheit in der Planung, Finanzierung und bei Fragen der Liquidität.

Insbesondere das streitbehaftete Thema, wie die Sonstigen Berufe berücksichtigt werden sollen, wird die Budgetverhandlungen weiter begleiten, bis für alle Krankenhäuser die Ausgangsbasis (d. h. der Referenzwert des Jahres 2018) vereinbart ist. Der Referenzwert des Jahres 2018 wird herangezogen, um die Berücksichtigung der Sonstigen Berufe im jeweiligen Budget zu begrenzen. Der Gesetzgeber hat hier mit seiner Konkretisierung zur Berücksichtigung der Meldung der Krankenhausträger an das Statistische Landesamt für das Jahr 2018 den gesetzlichen Rahmen für die Vereinbarung der Referenzwerte geschärft (vgl. Sect. 16.3.2).

Die Diskussion über die Abgrenzung der im Pflegebudget zu finanzierenden Personalkosten, die Umbuchungs- und Verlagerungseffekte (vgl. Sect. 16.3.1 und 16.3.2) sowie den bestehenden Verhandlungsstau sind nicht die einzigen Probleme, die auch nach den Änderungen des KHPflEG bestehen bleiben. Das Prinzip der Selbstkostendeckung führt dazu, dass für Krankenhäuser ein finanzieller Anreiz besteht, pflegenahe Tätigkeiten, die vor der Pflegeausgliederung im Sinne einer effizienten Allokation durch andere Berufsgruppen erbracht wurden, (wieder) auf den Pflegedienst zu übertragen. Der Intention, durch das Pflegebudget die „Pflege am Bett“ zu stärken und damit die Qualität der Versorgung der Patientinnen und Patienten zu sichern sowie die Berufszufriedenheit von Pflegekräften zu verbessern, wird durch den Anreiz zur Tätigkeitsübertragung entgegengewirkt. Diese Effekte werden sich absehbar auch auf den Einsatz von Hebammen auswirken. Auch Auswirkungen auf angrenzende Versorgungsbereiche sind nicht auszuschließen: Analog zur Altenpflege (vgl. Table 16.3) ist auch für Hebammen von einer Sogwirkung auszugehen, wenn die Vergütungs- und Verdienstmöglichkeiten aufgrund der Selbstkostendeckung im Krankenhausbereich steigen.

4 Zusammenfassung und Fazit

Bei der Einführung des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes wurde davon ausgegangen, dass ab dem Budgetjahr 2020 die Krankenhausvergütung auf eine Kombination von Fallpauschalen und einer Pflegepersonalkostenvergütung nach dem Selbstkostendeckungsprinzip umgestellt ist. Es zeigt sich, dass auch Ende 2022 noch Kliniken für das Jahr 2020 kein Pflegebudget vereinbart hatten und für das Vereinbarungsjahr 2021 der Anteil der Kliniken ohne vereinbartes Pflegebudget oberhalb des Anteils der Kliniken mit einem vereinbarten Pflegebudget liegt (Stand Ende November 2022). Dabei spielen die Herausforderungen im Kontext der Covid-19-Pandemie eine Rolle. Ganz wesentlich haben jedoch auch unbestimmte und strittige Regelungen des Pflegebudgets zum Verhandlungsstau beigetragen (Scheller-Kreinsen und Goerdt 2022). Trotz fehlender Vereinbarungen hat sich die Datengrundlage für die Analyse des Pflegebudgets deutlich verbessert. Erstmals konnte im vorliegenden Beitrag ein Vereinbarungspanel (Datenjahre 2020 und 2021) auf der Klinikebene ausgewertet werden.

Inhaltlich zeigen die Analysen des Pflegebudgets unterschiedliche Entwicklungen auf: Die Ergebnisse weisen in einigen Dimensionen auf kaum veränderte Personalstrategien der Kliniken hin. So hat sich der Anteil des Pflegepersonals mit mindestens dreijähriger Berufsausbildung zwischen den Datenjahren für das Budget 2020 und 2021 nicht verändert und liegt weiterhin bei rund 88 %. Unverändert ist auch der weiterhin sehr heterogene Einsatz von Leiharbeit in der Pflege. Viele Kliniken kommen fast ohne den Einsatz von Leiharbeit aus, während ein relevanter Anteil der Kliniken weiterhin einen Leiharbeitendenanteil von bis zu 10 % aufweist.

Auffällig ist, dass der Anteil der Altenpflegerinnen und -pfleger, die in den Kliniken über das Pflegebudget abgerechnet werden, gewachsen ist, während der Anteil der Gesundheits- und Krankenpflege sank. Deutliche Steigerungsraten sind ebenfalls im Bereich des Personals mit nicht-pflegerischem Berufsabschluss (die sogenannten „Sonstigen Berufe“) zu verzeichnen. Näher zu untersuchen ist, inwieweit diese Verschiebungen auf den Fachkräftemangel, veränderte Prozessorganisation und Tätigkeitsprofile beziehungsweise eine Sogwirkung aufgrund attraktiver Vergütungsmöglichkeiten und eine Abwanderung aus angrenzenden Sektoren (u. a. aus der Altenpflege) zurückzuführen sind.

Auf der Ausgaben- und Erlösseite zeigen sich deutlich die Verwerfungen durch die Covid-19-Pandemie: Kliniken, die aufgrund retrospektiver Budgetverhandlungen nicht auf die Fallzahlrückgänge reagieren konnten, erfuhren im Jahr 2021 relevante Liquiditätsnachteile. Die vom Gesetzgeber initiierte Budgetbeschleunigung ist daher dringend angezeigt, um die Resilienz der Krankenhausfinanzierung zu erhöhen.

Unabhängig davon lagen die Ausgabensteigerungen für das Pflegebudget deutlich oberhalb der allgemeinen Steigerungsrate im Krankenhausbereich. Diese Entwicklung ist erneut ein deutlicher Hinweis auf die dynamische Ausgabenentwicklung unter den Bedingungen der Selbstkostendeckung – trotz der bestehenden Restriktionen, die sich aus dem Fachkräftemangel im Pflegebereich ergeben. Schreibt man die beobachtete Ausgabendynamik für die Folgejahre fort, ergibt sich, dass eine Re-Finanzierung ohne Beitragssatzerhöhungen oder eine deutliche höhere Beteiligung des Bundes aus Steuermitteln nicht darstellbar sein wird.

Weiterhin gut empirisch nachvollziehbar sind die Verschiebungen zwischen Funktions- und Pflegedienst. Diese ziehen aufwändige Bereinigungsbemühungen auf der Bundesebene nach sich, um eine Doppelfinanzierung von Pflegekosten zu vermeiden. Ausweislich der Begründung zur Ersatzvornahme für den Fallpauschalenkatalog 2023 ist ersichtlich, dass die bisherigen Korrekturen zur Vermeidung von Doppelfinanzierung nicht ausreichend waren. Demnach muss die Neujustierung des Pflegebudgets für das Jahr 2025 eine „Neuausgliederung“ der Pflegepersonalkosten umfassen, die bisherige Fehlentwicklungen korrigiert. Mittelfristig ist eine grundsätzliche Reform der Pflegekostenfinanzierung auf den Weg zu bringen, die eine Orientierung an Pflegeleistungen (statt an Pflegekosten) sowie einen effektiven Einsatz des knappen Pflegefachpersonals und eine bürokratieärmere Umsetzung ermöglicht.