FormalPara Zusammenfassung

Mit der Ausgliederung der Pflegekosten aus dem Fallpauschalensystem sollte die Pflege am Bett gestärkt werden. Ziel des Beitrags ist es, die theoretischen und operativen Herausforderungen der Pflegeausgliederung der vergangenen zwei Jahre aufzuarbeiten. Dabei werden die Hindernisse der Abgrenzungsmechanismen von pflegebudgetrelevanten und nicht-pflegebudgetrelevanten Finanzierungstatbeständen dargestellt. Des Weiteren werden vereinbarte Pflegebudgets von 491 Krankenhäusern analysiert. Die Parallelfinanzierung der Krankenhausleistungen durch aG-DRGs und Selbstkostenfinanzierung impliziert eine Doppelfinanzierung, getriggert durch erhebliche Umsetzungs- und Abgrenzungsprobleme zwischen den Finanzierungsbereichen. Außerdem werden mit der Ausgliederung der Pflege Fehlanreize generiert, zukünftig Pflegekräfte für nicht-patientenrelevante Versorgung einzusetzen. In Zukunft sollten die finanziellen Mittel für bessere Pflege, bessere Arbeitsbedingungen und somit auch für mehr Patientensicherheit eingesetzt werden.

With the separation of nursing staff costs from the DRGs, nursing care was supposed to be strengthened. The aim of the article is to review the theoretical and operational challenges of the separation of nursing staff costs over the past two years. The article shows the challenges to split the budget into a nursing and a non-nursing part. Furthermore, 491 agreed budgets for nursing staff costs are analysed. The parallel financing of hospital services through aG-DRGs and a full refinancing of costs for nursing staff implies the risk of double financing. Additionally, due to the full refinancing of costs, nursing staff might undertake activities away from nursing care. In the future, financial resources should provide incentives for better care, better working conditions and thus, also more patient safety.

1 Einleitung

Die Ausgliederung der Pflegekosten aus den DRGs hatte zum Ziel, die „Pflege am Bett“ zu stärken und so die Qualität der Versorgung der Patientinnen und Patienten zu sichern sowie die Berufszufriedenheit von Pflegerinnen und Pflegern zu verbessern. Zugleich sollte die „Transparenz und Leistungsorientierung der pflegerischen Versorgung gestärkt werden“ (BMG 2018). Dabei wurden im Jahr 2020 die Pflegepersonalkosten aus der Fallpauschale herausgelöst und nach dem Selbstkostendeckungsprinzip finanziert. Die Kostenträger verhandeln seitdem mit dem Krankenhaus ein Pflegebudget, allerdings werden die krankenhausindividuell entstandenen Pflegepersonalkosten bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen vollständig erstattet.

Im zweiten Jahr der Umsetzung der Pflegeausgliederung – begleitet von der Covid-19-Pandemie – wird deutlich, dass eine erneute Reform der Pflegekostenfinanzierung erforderlich ist. Dass das ambitionierte Ziel des Pflegepersonalstärkungsgesetzes (PpSG) erreicht werden kann, ist unwahrscheinlich. Das Nebeneinander von einem Fallpauschalensystem (aG-DRG-System) und einem Pflegebudget mit einer Selbstkostendeckung führt zwei Jahre nach der Einführung zu hohen Ausgabensteigerungen, großem bürokratischem Aufwand und hoher Komplexität in der Umsetzung auf der Ortsebene. Dies gilt sowohl für Krankenhäuser als auch für Kostenträger.

Wie bereits von Leber und Vogt (2020) skizziert, setzt die Einführung der Selbstkostendeckung die falschen Anreize: Das Wirtschaftlichkeitsgebot wurde für den circa 20 Mrd. € schweren Kostenblock der Krankenhausvergütung außer Kraft gesetzt, die Komplexität und Manipulationsmöglichkeiten enorm erhöht und die Spielregeln neu verfasst. Dies spiegelt sich vor allem in den jährlichen zweistelligen Kostensteigerungsraten und den Diskussionen um die Normierung des Fallpauschalensystems wider. Pauschaliert zusammengefasst: Es gewinnen vor allem die Akteure, die die meisten Kosten in den Pflegedienstkonten verbuchen und nachweisen – unabhängig davon, ob damit eine wirkliche Verbesserung der pflegerischen Situation für die Patientinnen und Patienten einhergeht.

Ziel des Beitrags ist es, die theoretischen und operativen Herausforderungen der Pflegeausgliederung der vergangenen zwei Jahre aufzuarbeiten. Dabei werden die Hindernisse der Abgrenzungsmechanismen von pflegebudgetrelevanten und nicht-pflegebudgetrelevanten Finanzierungstatbeständen dargestellt. Des Weiteren analysiert der vorliegende Beitrag vereinbarte Pflegebudgets von 491 Krankenhäusern und stellt damit erstmals einen Überblick über die Pflegepersonalfinanzierung und den Qualifikationsmix für die Pflege dar.

2 Ausgliederung der Pflegepersonalkosten – Theorie, Praxis und Herausforderungen in der Umsetzung

2.1 Konzeptionelle Überlegungen der Pflegepersonalkostenausgliederung

Der Gesetzgeber hatte den Vertragsparteien auf Bundesebene im Jahr 2019 unter schwierigen Rahmenbedingungen einen großen Spielraum für die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten gesetzt. Mit dem PpSG wurde klargestellt, dass „[…] die auszugliedernden Pflegepersonalkosten […] als diejenigen konkretisiert [werden], die für die unmittelbare Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen“ für die Pflege am Bett entstehen (PpSG 2018). Eine explizite Definition von Pflege am Bett existierte zum Gesetzgebungsprozess nicht. Pflegetätigkeiten und dadurch entstehende Pflegepersonalkosten konnten aus vielen Blickwinkeln betrachtet und zugeordnet werden.Footnote 1

Die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem G-DRG-System stellte eine grundsätzliche Abkehr von der leistungsorientierten Vergütung des Fallpauschalsystems als Vollfinanzierung für die Vergütung von Leistungen im Krankenhaus dar. Die Einführung der krankenhausindividuellen Pflegepersonalkostenvergütung nach dem Selbstkostendeckungsprinzip ist damit seit dem 1. Januar 2020 eine zweite Finanzierungssäule neben den Fallpauschalen. Mit der Einführung und Ausgestaltung der krankenhausindividuellen Pflegepersonalkostenvergütung sind mehrere Anforderungen und Herausforderungen verbunden:

1. Doppelfinanzierung

Durch die Koexistenz von zwei Finanzierungssystemen (Fallpauschalensystem für die regulären Krankenhausleistungen und Selbstkostenfinanzierung für die Pflege) kann es dazu kommen, dass reale (oder vermeintliche) Pflegepersonalkosten sowohl über das verbleibende aG-DRG-System als auch über das Pflegebudget finanziert werden. Ein Problem kann dann entstehen, wenn eine unzureichende Ausgliederung von Bewertungsrelationen aus dem G-DRG-System 2019 auf Bundesebene oder eine inkonsistente Vereinbarung der Pflegebudgets vor Ort vorgenommen wird. Dabei können folgende Wirkungszusammenhänge beschrieben werden: Je umfassender und je klarer die Kriterien der Kostenabgrenzung zur Ermittlung des Pflegebudgets auf der Ortsebene definiert werden, desto geringer ist eine mögliche Doppelfinanzierung. Je unschärfer und je geringer die Kostenausgliederung auf der Ortsebene (in einem Krankenhaus) ausfällt, desto größere mögliche Graubereiche und desto größere Spielräume können bei der Buchung von Pflegekosten und der Verhandlung der Pflegebudgets existieren.

Darüber hinaus ergeben sich in den Kliniken versorgungsneutrale Veränderungen in der Aufbauorganisation und der Buchführung (geänderte Kontierung, Anpassung des Organigramms mit Änderungen der organisatorischen Anbindung von Mitarbeitern) sowie versorgungsrelevante Veränderungen im Aufgabenzuschnitt für die Mitarbeiter (mehr patientenferne Tätigkeiten für Pflegekräfte). Bei den Punkten ist die Berücksichtigung der zeitlichen Dynamik entscheidend: Sind diese beiden Effekte in der Datenbasis (2019) für die bundesweite Ausgliederung aus den Fallpauschalen durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) und in der Verhandlung auf Ortsebene (2020) bereits vollständig berücksichtigt, sind sie nicht kritisch. Sind die Effekte in der Datenbasis der Ausgliederung auf der Bundesebene nicht enthalten, werden aber vor der Verhandlung auf der Ortsebene wirksam, kommt es zu Verwerfungen mit einer potenziell hohen Doppelfinanzierung.

2. Neuausrichtung des Tätigkeitsschwerpunkts des Pflegedienstes und mögliche Umbuchungen

Mit der Ausgliederung und Einführung einer Ist-Kostenfinanzierung der Pflege werden Fehlanreize generiert, Pflegekräfte für nicht-patientenrelevante Versorgungen einzusetzen. Aufgrund der krankenhausindividuellen Pflegepersonalkostenvergütung kann es für ein Krankenhaus wirtschaftlich von Vorteil sein, pflegeentfernte Leistungen am Bett wieder dem Pflegedienst zuzuweisen und damit die Effizienzgewinne zur Optimierung der Leistungen durch das Fallpauschalensystem rückgängig zu machen (Busse et al. 2011). Es kann damit betriebswirtschaftlich vorteilhaft sein, eine maximale Anzahl von Mitarbeitern dem Pflegedienst zuzuordnen und alle pflegerischen Mitarbeiter im Pflegebudget zu berücksichtigen sowie spezielle Tätigkeiten (wie beispielsweise den Versorgungsservice) in die Pflege zurück zu verlagern.

3. Umsetzbarkeit vor Ort

Mit der Pflegeausgliederung entsteht eine andere Systematik zur Erfassung von Kostendaten in Krankenhäusern, die sowohl für das Controlling als auch für die Finanzbuchhaltung eines Krankenhauses neue Abgrenzungs- und Buchungsvorschriften etabliert. Für das Verhandlungsmanagement der Krankenkassen werden neue Kompetenzen abverlangt, die originär von einem Jahresabschlussprüfer oder Wirtschaftsprüfer geleistet werden. So muss theoretisch eine Budgetverhandlerin oder ein Budgetverhandler ggf. überprüfen, ob das Krankenhaus die pflegebudgetrelevanten Kosten korrekt abgrenzt hat oder die Gehälter den tarifvertraglich festgelegten Vereinbarungen entsprechen. Für Krankenhäuser kommt es ebenfalls zu neuen Buchungsvorschriften mit umfangreichen Nachweispflichten.

4. Pflege am Patienten stärken und Neuausrichtung der finanziellen Anreize

Mit dem Pflegebudget soll die Transparenz und Leistungsorientierung der pflegerischen Versorgung gestärkt werden. Dabei folgt die Politik der Idee: Wenn jede am Patientenbett eingesetzte Pflegekraft unabhängig von Fallpauschalen vergütet wird, entfallen die ökonomischen Anreize für den Kostendruck in der Pflege. Die Einführung des Pflegebudgets auf Basis der Ist-Kostenfinanzierung führt damit zu einer Vorhaltefinanzierung von Pflegekräften im Krankenhaus.

2.2 Umsetzung und Herausforderungen im ersten und zweiten Jahr der Pflegeausgliederung

Dass die erstmaligen Verhandlungen zum Pflegebudget 2020 von einer Pandemie begleitet werden und sich das Pflegebudget als Labyrinth mit einer Vielzahl von Vereinbarungen, Formularen, Gesetzänderungen sowie Schiedsstellen entpuppt, ist in mancher Hinsicht erwartet worden (Rüter 2018). Insgesamt hat der Gesetzgeber die Komplexität und das Konfliktpotenzial des Eingriffs allerdings unterschätzt. Aktuell existieren vier Excel-Mappen, die für die Pflegebudgetverhandlung befüllt werden müssen (GKV-Spitzenverband 2021b). Die Excel-Mappen dienen der Herleitung der pflegebudgetrelevanten Personalkosten. Zusätzlich zur Angabe der Summe der Kosten und Vollkräfte für die einzelnen Positionen gibt es eine Unterteilung nach 13 Berufsgruppen/Rubriken.

Die Ausgangslage und Umsetzungsherausforderungen der Ausgliederung der Pflegepersonalkostenausgliederung wurden von Leber und Vogt (2020) ausführlich dargestellt. Zwei Jahre nach Einführung der Pflegebudgetfinanzierung sind umfangreiche Nachbesserungen in der Pflegepersonalkostenabgrenzungsvereinbarung und Pflegebudgetverhandlungsvereinbarung vorgenommen worden (Tab. 17.1). Zwar hatten der Gesetzgeber und die Vertragsparteien auf Bundesebene konkretisiert, welche existierenden Verordnungen (Krankenhaus-Buchführungsverordnung) beziehungsweise KontenFootnote 2 sowie InEK-Konzepte (Kalkulationshandbuch der Krankenhäuser, Pflegelastkatalog) als Grundlage für die Pflegeausgliederung dienen sollen. Die Umsetzung vor Ort zeigt jedoch fast zwei Jahre nach der Einführung, dass die Vorarbeiten und Hilfestellungen als nicht konkret genug eingeschätzt werden müssen. Im Rahmen der Pflegeausgliederung sind auf der Bundesebene sehr differenzierte Kostenzuordnungen auf der Basis der Kalkulationsvorgaben getroffen worden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Mehrheit der KrankenhäuserFootnote 3 aufgrund der Kalkulationsmethodik des G-DRG-Systems den Standard der Kosten- und Leistungsrechnung (insbesondere Kostenträgerrechnung) der Kalkulationskrankenhäuser bis zur Einführung des Pflegebudgets nicht erreichen musste. Für Krankenhäuser ohne Kalkulationserfahrung ist damit eine herausfordernde interne Kosten- und Leistungsrechnung entstanden. Gleiches galt für die Krankenkassen, die aufgrund der Selbstkostendeckung mit einer neuen Kostenabgrenzung konfrontiert wurden, die ausschließlich auf vor Ort prüfbaren Kriterien beruht.

Tab. 17.1 Vereinbarungen zur Pflegeausgliederung (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Leber und Vogt (2020))

Die umfangreichen Aktualisierungen im ersten Jahr der Pflegekostenausgliederung sind vor allem auf die aufgetretenen Streitigkeiten in den bereits geführten Verhandlungen, die verschiedenen Interpretationen der Pflegepersonalkostenausgliederungsvereinbarung sowie auf die „Präsentation des Entgeltsystems im Krankenhaus 2021“ durch das InEK am 4. September 2020 zurückzuführen.Footnote 4

Mit der Pflegepersonalkostenabgrenzungsvereinbarung vom 18.02.2019 sollte eine bundeseinheitliche Definition der auszugliedernden Pflegepersonalkosten gelingen, um eine möglichst hohe Kongruenz von Bundes- und Ortsebene zu gewährleisten. Die Verhandlungen vor Ort konzentrieren sich vor allem auf die Frage, welche pflegerischen Qualifikationen auf bettenführenden Stationen mit dem Pflegebudget ausgegliedert, refinanziert und gestärkt werden sollten. Dabei existieren zwei divergierende Auslegungen zur Zuordnung und Ermittlung der Pflegepersonalkosten für das Pflegebudget:

  1. 1.

    Berufsgruppenbezogene Abgrenzung: Das Pflegebudget ermittelt sich aus den Berufen des „klassischen Pflegedienstes“ gemäß Pflegeberufegesetz wie beispielsweise Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Altenpflege und Krankenpflegehilfe. Diese Berufsgruppen sind bei Tätigkeit auf bettenführenden Stationen automatisch dem Pflegebudget zuzuordnen.

  2. 2.

    Funktionale beziehungsweise tätigkeitsbezogene Abgrenzung: Das Pflegebudget ermittelt sich grundsätzlich aus allen Berufsgruppen beziehungsweise deren Leistungen sofern diese –wenigstens anteilig – in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen tätig sind. Dabei können auch Berufsgruppen ohne pflegerische Grundausbildung berücksichtigt werden, sofern diese typischen Tätigkeiten ausüben, wie sie auch durch ausgebildete Pflegekräfte ausgeübt werden.

Zu den divergierenden Auslegungen sind eine Vielzahl von Schiedsstellenverfahren geführt worden: Die Kostenträgerseite vertrat mehrheitlich eine berufsgruppenbezogene Abgrenzung, da nur mit dieser die Pflege am Bett gestärkt werde und das Pflegebudget nachvollziehbar hergeleitet werden könne.Footnote 5 Krankenhäuser, Beratungen und einzelne Schiedsstellen (z. B. Rödl & Partner 2021; Hellwig et al. 2020; BDPK 2021) folgten dieser Positionierung nicht und vertraten die Argumentation, dass grundsätzlich eine funktionale bzw. tätigkeitsbezogene Abgrenzung zugrunde zu legen sei. Dabei wurde die Auffassung vertreten, dass der Pflegeausgliederung und den Vereinbarungen keine Ausrichtung auf nur bestimmte Berufsgruppen entnommen werden kann. Die Vertragsparteien auf Bundesebene hatten zwar im Rahmen der Pflegeausgliederung die Befugnis, eine solche Eingrenzung vorzunehmen, eine entsprechende Vereinbarung wurde allerdings nie getroffen und tatsächlich normativ bis zu der Eingrenzung, die im Gesundheitsversorgungs- und Weiterentwicklungsgesetz (GVWG) festgelegt wurde, nicht vollzogen.

Während des Gesetzgebungsverfahrens des PpSG war abzusehen, dass es zu Abgrenzungsproblemen zwischen den Vergütungsbereichen kommen würde, sofern eine tätigkeitsbezogene und damit nicht standardisierte Abgrenzung der Pflegekosten erfolgt. Problematisch sind insbesondere Verlagerungen beziehungsweise Umbuchungen von Kosten aus dem aG-DRG-Bereich in die Kostenmodule des Pflegebudgets, denen keine Ausgliederung gegenübersteht. Kommt es zu diesen Verlagerungen, werden Kosten nach dem Selbstkostendeckungsprinzip im Pflegebudget zu 100 % vergütet und gleichzeitig als Kosten im aG-DRG-Bereich abgebildet und vergütet. Es entsteht somit eine Doppelfinanzierung, sofern bei der Fortschreibung des Vergütungssystems keine Korrektur, d. h. eine erneute Ausgliederung von Pflegekosten aus dem aG-DRG-Bereich, vorgenommen wird.

Besonders problematisch zeigte sich diese Entwicklung in der „Präsentation des Entgeltsystems im Krankenhaus 2021“ durch das InEK. In der Analyse der Pflegepersonalkosten von 2018 auf 2019 hatte sich das anteilig auszugliedernde Kostenvolumen der Pflegepersonalkosten in der Kalkulationsstichprobe unerwartet erhöht:Footnote 6 Die durchschnittlichen Pflegepersonalkosten je Tag stiegen um ca. 10 %. In den Analysen des InEK wurde deutlich, dass sich dieser Anstieg nicht allein durch einen Personalaufbau in der Pflege oder Tariflohnsteigerungen ergab. Es kam auch zu Neuzuordnungen von Personal aus dem medizinisch-technischen Dienst/Funktionsdienst hin zum Pflegedienst, bedingt durch die Umstellung auf ein Selbstkostendeckungsverfahren des Pflegebudgets.

2.3 Weiterentwicklungen und Gesetzesänderungen zum Pflegebudget

Bereits mit der erstmaligen Ausgliederung der Pflegepersonalkosten wurde intensiv über den Ausgliederungsmodus (Normierung der Gesamtkosten inklusive der Pflege) verhandelt.Footnote 7 Die erstmalige Ausgliederung basierte auf den Abrechnungsdaten nach Zuordnungen nach der Krankenhaus-Buchführungsverordnung (KHBV) und dem Kalkulationshandbuch der Jahre 2017/2018. Die Definition von Pflegepersonalkosten auf bettenführenden Stationen ist damit nicht deckungsgleich mit dem heutigen Stand. Im ersten Ausgliederungsjahr waren viele Schätzungen erforderlich, deren Ungenauigkeiten bereits teilweise korrigiert wurden oder in Folgejahren korrigiert werden müssen. Eine mögliche Aufgaben- und Kostenverlagerung in die Pflege muss beispielsweise zu einem sachgerechten höheren Ausgliederungsbetrag (negativer Katalogeffekt) im aG-DRG-Bereich führen. Veränderungen in den Pflegepersonalkosten, die unter anderem auf Umbuchungen, Kostenverlagerungen zwischen Kostenmodulen des aG-DRG-Katalogs und den Kostenmodulen des Pflegebudgets zurückzuführen sind, würden damit zwingend eine erneute Ausgliederung nach sich ziehen. Folglich würden über die Fallpauschalen weniger Kosten vergütet, über das Pflegebudget etwas mehr.

Im Ergebnis hatten sich GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) im Rahmen der Verabschiedung des Entgeltsystems 2021 auf den folgenden Kompromiss verständigt, um die Problematik der möglichen Doppelabrechnung und Zuordnungsprobleme von Pflegekosten zu begrenzen. Die Änderungen zogen allerdings umfangreiche Aktualisierungen und ein Gesetzgebungsverfahren nach sich.

Empfehlungsvereinbarung für die Zuordnung der Pflegepersonalkosten für das Jahr 2020 und Änderungsvereinbarung für die Zuordnung der Pflegepersonalkosten für das Jahr 2021

Mit den Vereinbarungen ist durch die Selbstverwaltungspartner im Dezember 2020 konkretisiert worden, dass mit dem Pflegebudget künftig vorrangig nur Personal auf bettenführenden Stationen refinanziert werden soll, das eine mindestens einjährige pflegerische Qualifikation vorweisen kann. Aufgrund der Unklarheiten bezüglich der im Pflegebudget anzuerkennenden Berufsgruppen und damit verbundenen Pflegepersonalkosten kam es zu Konflikten und Schiedsstellenverfahren auf der Ortsebene. Im Mittelpunkt stand dabei die Anerkennungs- und Zuordnungsproblematik von Vollkräften in der Rubrik „Sonstige Berufe“ und „Ohne Berufsabschluss“ im Pflegebudget. Kern der Streitigkeiten und Handlungsnotwendigkeit war, dass eine zunehmende Anzahl von Berufsgruppen mit nicht-pflegerischer Qualifikation für die Pflege am Bett angerechnet werden sollte. Die Lösung orientierte sich an den aktuellen Pflegepersonaluntergrenzen (PpUG) und stellte damit erstmals den Versuch dar, die Berufsgruppen, die überwiegend Pflege am Bett leisten, in der PpUG angerechnet und über das Pflegebudget finanziert werden, zu vereinheitlichen. Da die Ausgliederung auf den Kostenzuordnungen des Jahres 2017/2018 basierte, wurde zusätzlich vereinbart, dass das Personal (Anzahl der Vollkräfte) ohne pflegerische Qualifikation weiterhin berücksichtigungsfähig ist, wenn die Vollkräfte im Jahresdurchschnitt 2018 auf bettenführenden Stationen gearbeitet haben und nach der Krankenhausbuchungsführungsverordnung (KHBV) dem Pflegedienst zugeordnet worden waren. Zusätzliches Personal in den Rubriken „Sonstiger Berufsabschluss“ und „Ohne Berufsabschluss“ ist nach Anpassung der Berufsgruppendefinition nicht mehr automatisch berücksichtigungsfähig, sondern kann nur noch bei den pflegeentlastenden Maßnahmen in Höhe der hierdurch eingesparten Pflegepersonalkosten berücksichtigt werden.

Gesetzliche Klarstellungen des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes (GVWG)

Der Konsens zum Entgeltsystem 2021 und die daraus resultierenden Vereinbarungen zwischen GKV-SV und DKG über die Zuordnung von pflegebudgetrelevanten Kosten und die Einführung der Begriffsbestimmungen der PpUGV für das abgelaufene Vereinbarungsjahr 2020 und Vereinbarungsjahr 2021 wurde von den Vertragsparteien auf Ortsebene unterschiedlich aufgefasst. Dabei zeichnete sich ab, dass eine vertragliche Umsetzung problembehaftet sein wird. Die Vertragspartner auf Bundesebene konnten keine ausreichende Rechtssicherheit herstellen, um die notwendigen Anpassungen für das bereits laufende Budgetjahr 2020 auf der Ortsebene für die Pflegebudgetverhandlungen umsetzbar auszugestalten.

In verschiedenen Schiedsstellenverfahren wurde die Empfehlungsvereinbarung für die Zuordnung der Pflegepersonalkosten für das Jahr 2020 als Verstoß gegen geltendes Recht beziehungsweise als „rechtliches Nullum“ bewertet (Seiler 2021). Nach Auffassung der Schiedsstellen schloss das Gesetz einen Rückgriff auf Daten des Jahres aus 2018 aus, da die Einzelheiten der Pflegeausgliederung durch die Vertragsparteien ab dem 01.01.2019 anzuwenden sind. Vor diesem Hintergrund hätten GKV-SV und DKG keine Vereinbarungen zur berufsgruppenbezogenen Abgrenzung mit Rückgriff auf das Jahr 2018 vornehmen dürfen. Eine Klarstellung könne nur durch den Gesetzgeber erfolgen.

Nach Beginn der erstmaligen Verhandlungen zum Pflegebudget wurden in den örtlichen Verhandlungen die Berücksichtigung von Verwaltungsfachangestellten, Bankkauffrauen/-männern, Industriekauffrauen/-männern, Spediteuren sowie teilweise Tischlern gefordert. Dabei wurden auch neue Berufsbezeichnungen wie beispielsweise „Stationssekretärin in der Pflege“ kreiert. Herausfordernd war dabei vor allem, dass es für die Kostenträger keine objektiven Kriterien für die Definition von pflegerischen Leistungen gab und welche Berufsgruppen in der Lage sind, überwiegend Pflege am Bett auf bettenführenden Stationen erbringen können. Dies führte vor allem zu Streitigkeiten, welche Berufe unter den Rubriken „Sonstige Berufe“ oder „Ohne Berufsabschluss“ im Pflegebudget berücksichtigungsfähig sind.

Mit dem am 19.07.2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlichen Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) wurde die Regelungskompetenz der Vertragsparteien auf Bundesebene dahingehend erweitert, neue Vorgaben für die Pflegepersonalkostenabgrenzungsvereinbarung festzulegen. Die Vertragsparteien auf Ortsebene müssen bei der Ermittlung des Pflegebudgets für die Anzahl der Vollkräfte ohne pflegerische Qualifikation statt der Daten des abgelaufenen Kalenderjahres nun Ausgangswerte und Unterlagen vor der Pflegeausgliederung des Jahres 2018 zugrunde legen. Durch einen Rückgriff auf Daten vor der erstmaligen Ausgliederung der Pflegepersonalkosten, die die Krankenhäuser nach § 17b Abs. 4 Satz 3 KHG ab dem 1. Januar 2019 anzuwenden hatten, wird es den Vertragsparteien auf Bundesebene ermöglicht zu verhindern, dass durch unbegrenzte Möglichkeiten zur Umbuchung von Personal ohne pflegerische Qualifikation in den Pflegedienst auf bettenführenden Stationen Doppelfinanzierung und Mehrausgaben entstehen. Die Vertragsparteien auf Bundesebene konnten somit festlegen, dass die Anzahl der Vollkräfte, mit der bestimmte Berufsgruppen ohne pflegerische Qualifikation in den Pflegebudgets berücksichtigt werden können, begrenzt wird.

Änderungen in der Pflegebudgetverhandlungsvereinbarung

Mit den gesetzlichen Klarstellungen waren ebenfalls umfangreiche Änderungen in der Pflegebudgetverhandlungsvereinbarung erforderlich. Den Vertragsparteien wurde ermöglicht, Nachweise für das Personal in der Rubrik „Sonstige Berufe“ und „Ohne Berufsabschluss“ vorlegen zu lassen, sofern diese für die Zuordnung von pflegebudgetrelevanten Kosten zugrunde zu legen sind. Darüber hinaus wurden die Vertragsparteien auf Bundesebene beauftragt, sich auf ein Vereinbarungsblatt zur Dokumentation des zu vereinbarenden Pflegebudgets mit den wesentlichen Rechengrößen zur Herleitung der vereinbarten Kosten und Vollkräfte zu verständigen.

Aufgrund der Rechtsunsicherheiten legte der Gesetzgeber fest, dass Krankenhäuser, die bis zum 19.07.2021 noch kein vereinbartes Pflegebudget für das Jahr 2020 abgeschlossen haben, ebenfalls die Definition der auszugliedernden Pflegepersonalkosten und der Zuordnung von Kosten von Pflegepersonal für das Vereinbarungsjahr 2021 zugrunde zu legen haben.

2.4 Auswirkungen auf das Fallpauschalsystem 2022 und Lösungsansätze für die Zukunft

Leber und Vogt (2020) hatten bereits auf die Wichtigkeit der klassischen Vollkosten-Matrix der Kalkulation für die Entwicklung des Vergütungssystems im Krankenhaus hingewiesen, die bei der Weiterentwicklung mit Blick auf die Gesamtkosten eines Falles von besonderer Bedeutung ist. Die Vertragsparteien hatten im Rahmen der Verhandlungen zur Pflegepersonalkostenabgrenzungsvereinbarung bereits die Grundlagen für die Kostenzuordnung adressiert und in der Grundlagenvereinbarung festgelegt, dass auf Basis weiterer empirischer Erkenntnisse die Ausgliederung und Adjustierung des verbleibenden aG-DRG-Systems schrittweise in einem mehrjährigen Prozess umzusetzen ist. Dieser Prozess ist auch ein Grundpfeiler der Fallpauschalen, die als lernendes System fast 15 Jahre lang als bewährtes Finanzierungssystem bis zur Pflegepersonalkostenausgliederung zur Anwendung kamen.

Die Vorstellung der Entgeltsysteme für das Jahr 2022 durch das InEK offenbarte, dass die Interaktionen zwischen dem aG-DRG-System und dem Pflegebudget sowie Verlagerungen und Umbuchungen innerhalb der Organisationseinheiten eine deutlich höhere Brisanz aufwiesen als ursprünglich nach der letzten Klarstellung der Selbstverwaltungspartner im Oktober 2020 angenommen worden war. Wie bereits für den Entgeltkatalog 2021 stellte das InEK im Rahmen der Definition der Entgeltkataloge für das Jahr 2022 fest, dass die Pflegepersonalkosten um weitere 10 % (fast zwei Milliarden Euro) gestiegen waren. Vor dem Hintergrund der moderaten Tarifsteigerungen und des sehr begrenzten Stellenaufwuchses war die expansive Steigerung der Kosten im Pflegebereich durch reale Preis- und Mengeneffekte allein nicht erklärbar.

Im Ergebnis bleibt es eine dringliche Aufgabe der neuen Bundesregierung, kurzfristig Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um die Schwachstellen der Pflegekostenfinanzierung zu schließen und eine verlässliche Messung und Transparenz zu etablieren:

  1. 1.

    Das InEK sollte gesetzlich mandatiert werden, ein Regelwerk (Auswertungen, Sonderbefragungen und Messungen) zu entwickeln, das Vorgaben macht, unter welchen Voraussetzungen eine Bereinigung von Pflegekosten vorgenommen wird. Die Regelungen sind im Jahr 2022 mit Wirkung für den Katalog 2023 unmittelbar anzuwenden. Damit könnten zumindest gravierende Doppelfinanzierungen durch aG-DRGs und das Pflegebudget verhindert werden.

  2. 2.

    Um die Verhandlungen auf der Ortsebene zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen möglichst objektiv und aufwandsarm zu gestalten, sollte eine gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von krankenhausbezogenen Personal- und Strukturdaten der Statistischen Landesämter an die Vertragspartner auf der Ortsebene geschaffen werden.

  3. 3.

    Das InEK sollte einen gesetzlichen Auftrag erhalten, eine verlässliche Datenbasis aufzubauen, um Verlagerungs- und Buchungseffekte messen zu können und diese von Tarif- und Mengenentwicklung zu unterscheiden. Für notwendige Datenlieferungen der Statistischen Landesämter beziehungsweise des Statistischen Bundesamtes an das InEK wird eine gesetzliche Grundlage geschaffen.

  4. 4.

    Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sollte schnellstmöglich eine unabhängige Evaluation der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten initiieren (ähnlich der Bewertung der DRG-Einführung 2003), die bis zum Herbst 2022 vorzulegen ist. Bereits heute ist absehbar, dass der durch die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene zu erstellende Bericht nach § 17b Abs. 4 KHG keinen nennenswerten Erkenntnisgewinn zur Analyse der vielfältigen Verwerfungen der derzeitigen Pflegekostenfinanzierung leisten wird.

3 Analyse der Pflegebudgetdaten

3.1 Datengrundlage

Mit Stand vom 13. Dezember 2021 liegen 491 Budgetvereinbarungen aus dem Jahr 2020 vor; somit repräsentieren die Daten rund ein Drittel der Krankenhäuser. Im Vorjahr waren zu einem ähnlichen Zeitpunkt bereits rund 81 % aller Budgetvereinbarungen für das Jahr 2019 geschlossen (Leclerque und Mostert 2021). Auf Basis der vorliegenden Budgetvereinbarungen kann eine erste Analyse zu den Auswirkungen der Pflegeausgliederung im Hinblick auf den vorhandenen Personalmix und die Kosten erfolgen, beispielsweise die Bedeutung von Leiharbeit und pflegeentlastenden Maßnahmen. Im Vergleich mit der GrundgesamtheitFootnote 8 aller Krankenhäuser sind in der Stichprobe öffentlich-rechtliche Krankenhäuser etwas überrepräsentiert und freigemeinnützige sowie private Krankenhäuser etwas unterrepräsentiert (Tab. 17.2). Werden die Krankenhäuser nach Bettengröße untergliedert, so entspricht die Verteilung der Stichprobe in etwa jener der Grundgesamtheit. Aufgrund der regional sehr unterschiedlichen Geschwindigkeit bei den Budgetverhandlungen sind bayerische und sächsische Krankenhäuser in den Daten überrepräsentiert und Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg unterrepräsentiert. Da die Verteilungen der Stichprobe von der Grundgesamtheit abweichen, können sich die Ergebnisse der folgenden Analysen noch ändern, wenn zu einem späteren Zeitpunkt die Budgetverhandlungen weiter fortgeschritten sind und die Stichprobe sich entsprechend vergrößert.

Tab. 17.2 Verteilung der Krankenhäuser in der Grundgesamtheit und Stichprobe (Quelle: Statistisches Bundesamt (2021b))

Die Analysen basieren auf den Daten aus den Pflegebudgetformularen „Ist 2019“ und „Vereinbarung 2020“. Die Formulare hierfür wurden während bereits laufender Budgetverhandlungen angepasst (siehe Abschn. 17.2.2). Somit sind in der Stichprobe Krankenhäuser enthalten, die nach zwei unterschiedlichen Formularversionen verhandelt haben (vgl. Tab. 17.1). Grundlegende Neuerung waren insbesondere die Aufnahme neuer Berufsgruppen/Rubriken und somit die Aufteilung der Rubrik „sonstige Berufe“ in weitere Berufsgruppen: medizinische Fachangestellte, anästhesietechnische Assistenten, Notfallsanitäter/Rettungsassistenten und Pflegeassistenten/Sozialassistenten. Die Berufsgruppe „Sonstige Berufe“ bleibt aber weiterhin erhalten. In den vorliegenden Analysen werden diese neuen Berufsgruppen weiterhin der Gruppe „Sonstige Berufe“ zugeordnet, da für die Krankenhäuser, die noch mit den alten Formularen verhandelt haben, kein Wert für diese bestimmt werden kann. Die 13 Berufsgruppen/Rubriken in den Pflegebudgetformularen lassen sich anhand der Qualifikation grob in drei Gruppen unterteilen: Vollkräfte mit einer mindestens dreijährigen pflegerischen Berufsausbildung, Pflegehilfspersonal sowie die Gruppe „Sonstige und ohne Abschluss“ (Tab. 17.3).

Tab. 17.3 Berufsgruppen nach Qualifikation

Zusätzlich zu den Daten aus den Pflegebudgetformularen kann aus den DRG-Daten (Vereinbarung 2019) bestimmt werden, welcher Betrag hier für die Pflege vorgesehen war. Dafür wird im E1 (Aufstellung der Fallpauschalen) zusätzlich zum Casemixvolumen das aG-DRG-Casemixvolumen bestimmt. Die Differenz aus beiden Werten multipliziert mit dem gültigen Landesbasisfallwert ergibt das Pflegebudget im E1. Im E2 (Aufstellung der Zusatzentgelte) wird auf Basis der Entgeltkataloge bis 2019 eine hypothetische Entgelthöhe 2020 mit Pflege geschätzt. Die Gegenüberstellung mit der Entgelthöhe 2020 (ohne Pflege) ergibt den Pflegeanteil. Für das E3.1 und E3.3 (Aufstellung der fallbezogenen beziehungsweise tagesbezogenen Entgelte) werden entsprechend Annahmen über den Pflegeanteil getroffen. Zusätzlich werden die Zuschlagstatbestände Pflegezuschlag und Pflegestellenförderprogramm zu 100 %, der GBA-Zuschlag zu 90 % und das Hygieneförderprogramm zu 10 % dem Pflegebudget zugeordnet. Die Summe aller Größen ergibt das Pflegebudget, das in der Vereinbarung 2019 (theoretisch) dem Pflegebudget zuzuordnen war. Ein Vergleich mit den Ist-Pflegebudgetnachweisen für das Jahr 2019 kann aufzeigen, ob eine Über- oder Unterfinanzierung der Pflege im DRG-System stattgefunden hat.

3.2 Ergebnisse

Pflegebudget-Ist-Nachweise 2019

Die Ausgangsbasis für die Pflegebudget-Ist-Nachweise bilden alle Kosten in der Dienstart 01 (Pflegedienst, einschließlich Auszubildende) nach der KHBV zuzüglich der Gestellungsgelder, des Einbezugs von Rückstellungen und der Abgrenzung von nicht im Pflegebudget zu berücksichtigenden Vollkräften in den Rubriken „Sonstige Berufe“ und „Ohne Berufsabschluss“. Von dieser Basis werden nicht pflegebudgetrelevante Leistungsbereiche abgezogen, wie beispielsweise Kosten für Personal in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen sowie Psychiatrie und Psychosomatik. Es verbleiben die pflegebudgetrelevanten Pflegepersonalkosten im direkten Beschäftigungsverhältnis. Zusätzlich zu der Summe der Pflegepersonalkosten und -vollkräfte werden diese in den Formularen noch einmal nach Rubriken/Berufsgruppen wie beispielsweise Gesundheits- und Krankenpfleger unterteilt.

In der vorliegenden Stichprobe beträgt der Anteil der nicht pflegebudgetrelevanten Leistungsbereiche an der Pflegebudgetausgangsbasis 13 %. 9 % der Krankenhäuser grenzen gar keine Kosten ab und weisen somit ausschließlich pflegebudgetrelevante Personalkosten auf.

Die pflegebudgetrelevanten Personalkosten können zusätzlich nach den Rubriken/Berufsgruppen aufgeteilt werden: 77 % der Beschäftigten in der Pflege am Bett sind Gesundheits- und Krankenpfleger und 9 % Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger (Abb. 17.1). Krankenpflegehelfer und Altenpflegehelfer machen 4 % beziehungsweise 2 % der Vollkräfte aus. Altenpflegehelfer und Personal mit akademischem Berufsabschluss spielen eine untergeordnete Rolle (< 1 %). Hingegen sind 5 % der Beschäftigten den sonstigen Berufen zuzuordnen und 3 % haben keinen Berufsabschluss. Wird das Personal nach der beruflichen Qualifikation gruppiert (siehe Tab. 17.3), werden Unterschiede nach Trägern deutlich (Abb. 17.2): Bei den öffentlich-rechtlichen und freigemeinnützigen Krankenhäusern haben 89 % des Personals eine mindestens dreijährige Berufsausbildung, bei den privaten Krankenhäusern sind es nur 84 %. Entsprechend liegen bei den privaten Krankenhäusern die Anteile von Hilfspersonal (6 %) sowie sonstigen Berufen und ohne Berufsabschluss (10 %) entsprechend höher als bei den öffentlich-rechtlichen und freigemeinnützigen Krankenhäusern.

Abb. 17.1
figure 1

Berufsgruppen im direkten Beschäftigungsverhältnis 2019, in%. Anmerkung: Sonstige Berufe einschließlich medizinische Fachangestellte und zahnmedizinische Fachangestellte, Notfallsanitäter und Rettungsassistenten, Pflegeassistenten und Sozialassistenten. Ohne Berufsabschluss einschließlich (Pflege-)Schüler. Dargestellt ist die Verteilung der Vollkräfte im direkten Beschäftigungsverhältnis (lfd. Nr. 28). N = 483

Abb. 17.2
figure 2

Berufe nach Ausbildungsdauer, Anteil in %. Anmerkung: Basierend auf der Verteilung der Vollkräfte im direkten Beschäftigungsverhältnis (lfd. Nr. 28). N = 483

Die durchschnittlichen Kosten je Vollkraft im direkten Beschäftigungsverhältnis liegen für Gesundheits- und Krankenpfleger bei 61.000 € und für Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger bei 62.500 € (Tab. 17.4). In den privaten Krankenhäusern und in Krankenhäusern mit weniger als 200 Betten liegen die Durchschnittskosten in fast allen Berufsgruppen immer unterhalb des Durchschnittes der Stichprobe.

Tab. 17.4 Kosten je Vollkraft im direkten Beschäftigungsverhältnis nach Berufsgruppen

Nach der Ermittlung der Pflegepersonalkosten im direkten Beschäftigungsverhältnis kommen weitere pflegebudgetrelevante Kosten hinzu, wie zum Beispiel die Sachkosten für Leiharbeiter oder auch Beiträge zur berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherung. Der Anteil der Leiharbeiter an der Summe der Vollkräfte für direktes und ohne direktes Beschäftigungsverhältnis beträgt 2,3 %. Wird die Verteilung des Anteils über die Krankenhäuser hinweg betrachtet, so weisen 10 % der Krankenhäuser in der Stichprobe einen Leiharbeiteranteil von mehr als 6 % auf. Zu beachten ist, dass 47 % der Krankenhäuser keine Leiharbeiter aufführen. Wenn Leiharbeiter verbucht sind, so verteilen sich die Vollkräfte zu 69 % auf die Berufsgruppe der Gesundheits- und Krankenpfleger, zu 13 % in die Berufsgruppe „Sonstige“, zu 10 % in die Berufsgruppe „Ohne Abschluss“ und der Rest (8 %) auf die anderen Berufsgruppen.

Pflegebudgetvereinbarung 2020

Die Pflegebudgetvereinbarung 2020 nimmt als Basis die pflegebudgetrelevanten Pflegepersonalkosten im direkten Beschäftigungsverhältnis aus dem Pflege-Ist-Nachweis 2019. Hierzu werden die Abschätzungen bezüglich der Kosten- und Personalentwicklungen addiert und es ergeben sich die pflegebudgetrelevanten Pflegepersonalkosten im direkten Beschäftigungsverhältnis für das Budgetjahr 2020. Da die Budgetvereinbarungen für das Jahr 2020 fast nur retrospektiv abgeschlossen werden, sollten diese Entwicklungen auch schon der tatsächlichen Entwicklung entsprechen. Wie im Ist-Nachweis werden zu den Kosten im direkten Beschäftigungsverhältnis noch weitere pflegebudgetrelevante Kosten hinzugezählt, etwa Sachkosten für Leiharbeiter oder auch Beiträge zur berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherung.

Die Entwicklung für das direkte Beschäftigungsverhältnis kann nur für 453 Krankenhäuser betrachtet werden, da es anfangs noch kein offizielles Vereinbarungsblatt gab und entsprechend die Werte nicht für alle Krankenhäuser vorliegen. Insgesamt kam es hier zu Kostensteigerungen i. H. v. 7,3 %. Diese setzen sich zusammen aus 3,7 % durch Vollkräftezuwachs und 3,4 % durch Lohnerhöhungen, 0,1 % durch Strukturveränderungen und 0,3 % durch sonstige Kosteneinflussfaktoren. Abgezogen werden 0,2 %Footnote 9 der Kosten für nicht im Pflegebudget zu berücksichtigende Vollkräfte.

Wenn ein Krankenhaus Maßnahmen ergreift, die zu einer Entlastung von Pflegepersonal in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen führen, so können diese in Höhe von maximal 4 % des Pflegebudgets zusätzlich berücksichtigt werden (§ 5 Pflegebudgetverhandlungsvereinbarung). In der Stichprobe beträgt der Anteil der pflegeentlastenden Maßnahmen an den pflegebudgetrelevanten Personalkosten 1,9 %. Jedoch vereinbaren nur 70 % der Krankenhäuser pflegeentlastende Maßnahmen. Sollten die Erlöse des Krankenhauses einschließlich der vereinbarten Pflegekosten weniger als 98 % des Budgets aus 2019 betragen, so hat der Gesetzgeber eine Budgetverlustbegrenzung vorgesehen. Diese kommt jedoch nicht zum Tragen, wenn es zu Fallzahlrückgängen beim Krankenhaus gekommen ist, da hier die Ursache nicht in der Veränderung des Finanzierungssystems zu sehen ist (§ 6a Abs. 6 KHEntgG). Aufgrund der Covid-19-Pandemie hat die Budgetverlustbegrenzung keine Relevanz in den Daten – lediglich bei zwei Krankenhäusern der Stichprobe wurde eine solche vereinbart.

Entwicklung

In Abb. 17.3 werden die pflegebudgetrelevanten Personalkosten einschließlich pflegeentlastender Maßnahmen aus der Vereinbarung 2020 denen aus den Ist-Nachweisen 2019 gegenübergestellt. Insgesamt kommt es zu einer Kostensteigerung um 8,4 %, die sich aus einer Steigerung der Kosten je Vollkraft in Höhe von 3,1 %, einem Anstieg der Vollkräfte um 3,1 % sowie der Erstattung der pflegeentlastenden Maßnahmen von 2,1 % zusammensetzt. Die Kostensteigerung ist bei den privaten Krankenhäusern mit 10 % am höchsten.

Abb. 17.3
figure 3

Kostensteigerung Vereinbarung 2020 im Vergleich zu Ist-Kostennachweis 2019 in %. Anmerkung: N = 491

In Abb. 17.4 wird das ermittelte DRG-Pflegebudget aus den Vereinbarungen 2019 (vgl. Abschn. 17.3.1) mit den pflegebudgetrelevanten Personalkosten aus den Ist-Nachweisen 2019 gegenübergestellt. Über alle Krankenhäuser hinweg entspricht das DRG-Pflegebudget in etwa den pflegebudgetrelevanten Personalkosten. Bei den öffentlich-rechtlichen und freigemeinnützigen Krankenhäusern übersteigen die pflegebudgetrelevanten Personalkosten leicht das im DRG-System vorgesehene Budget für Pflege (um 2,7 % beziehungsweise um 1,2 %). Hingegen fallen bei den privaten Krankenhäusern 12,9 % weniger pflegebudgetrelevante Personalkosten an, als im DRG-Pflegebudget vorgesehen war. Vergleicht man das ermittelte DRG-Pflegebudget 2019 mit den Pflegekosten 2020, so verzeichnen die öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser einen Anstieg um 10,8 %, die freigemeinnützigen einen Anstieg um 9,8 %, während sich die Pflegekosten bei den privaten Krankenhäusern um 3,9 % verringern. Der Rückgang rührt von der größeren Abweichung zwischen DRG-Pflegebudget und Selbstkostendeckung im Jahr 2019.

Abb. 17.4
figure 4

DRG-Pflegebudget und pflegebudgetrelevante Personalkosten 2019, Abweichung in %. Anmerkung: N = 491

3.3 Exkurs: Personalentwicklung bis 2019

Die Pflegebudgetnachweise mussten die Krankenhäuser erstmals für das Jahr 2019 vorlegen. Beim Statistischen Bundesamt werden die Vollkräftezahlen für verschiedene Berufsgruppen schon für einen viel längeren Zeitraum erfasst. Abb. 17.5 stellt die Veränderung – jeweils zum Vorjahr – der Vollkräfte im Pflege- und Funktionsdienst nach Trägern dar. In den Jahren 2011 bis 2018 war über alle Träger hinweg ein durchschnittlicher Vollkräftezuwachs im Pflegedienst in Höhe von 1 % zu beobachten. Wird der Vollkräftezuwachs im Jahr 2019 betrachtet, so ist bei allen Krankenhäusern ein überproportionaler Anstieg zu verzeichnen: bei den öffentlich-rechtlichen um 3,8 %, bei den freigemeinnützigen um 2,3 % und bei den privaten um 9,4 %. Dieser Zuwachs geht einher mit einer gleichzeitigen Reduktion der Vollkräfte im Funktionsdienst. Diese Beobachtungen legen nahe, dass zwischen den Bereichen Pflegedienst und anderen Bereichen Umbuchungen stattgefunden haben. Eine weitere Erklärungsmöglichkeit für den Zuwachs stellt die Umsetzung der Pflegesonderprogramme dar.

Abb. 17.5
figure 5

Veränderung der Vollkräfte im Pflege- und Funktionsdienst, Abweichung zum Vorjahr in % (Quelle: Statistisches Bundesamt (2021a) und eigene Berechnungen)

4 Diskussion und Schlussfolgerungen

Zur Beurteilung der ersten Ergebnisse der Pflegebudgetverhandlungen und Ausgliederung der Pflegepersonalkosten sollen verschiedene Wirkungszusammenhänge und Herausforderungen, die im Prozess der Pflegeausgliederung handlungsleitend waren, bewertet werden (vgl. Abschn. 17.2.1):

1. Hohe Ausgabenentwicklung für Pflegeleistungen

Die Einführung des Selbstkostendeckungsprinzips (insbesondere die Ist-Kosten-Erstattung in Verbindung mit den Budgetausgleichsmechanismen nach § 6a Abs. 6 KHEntgG) setzt ungedeckelte Anreize für eine Ausweitung des Pflegebudgets ohne eine Obergrenze.

Es war bereits zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens mit steigenden Ausgaben für den Pflegebereich zu rechnen. Im zweiten Jahr in Folge berechnet das InEK für die Kalkulationsstichprobe eine Steigerung der Pflegepersonalkosten um über 10 %. Bereits 2020 wurde der Kostenanstieg in der Pflege auf fast 11 % beziffert. Mit den vorliegenden Pflegebudgetvereinbarungen kann nur ein Anstieg von 8,4 % von 2019 auf 2020 errechnet werden (vgl. Abb. 17.3). Die Diskrepanz kann nicht untersucht werden, da nicht bekannt ist, welche Krankenhäuser an der Kalkulation teilnehmen. Die Entwicklung der Grundlohnsumme, d. h. der Summe der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder der Sozialversicherung, lag im gleichen Zeitraum bei 3,66 % (GKV-SV 2021a). Die Entwicklung ist vor allem deshalb kritisch zu hinterfragen, weil für die Vergütung von Krankenhausleistungen der Grundsatz der Beitragssatzstabilität beachtet werden sollte. Der Gesetzgeber hatte allerdings bereits frühzeitig klargestellt, dass für den krankenhausindividuellen Pflegepersonalbedarf eine ausreichende Finanzierung sicherzustellen ist und demnach die dem einzelnen Krankenhaus entstehenden Pflegepersonalkosten als wirtschaftlich anzusehen sind.

Die Ist-Kosten-Finanzierung kann kein nachhaltiges Vergütungssystem für die Solidargemeinschaft darstellen und versagt der Pflege eine leistungsorientierte Vergütung und sachgerechte Abbildung der Leistungen auf bettenführenden Stationen. Vor allem das neu entstandene Verantwortungsvakuum zwischen dem Entscheider (Krankenhaus) und dem Zahler (Solidargemeinschaft) wird zunehmend belastet. Der Anreiz, mit den gegebenen finanziellen Mittel die zur Verfügung stehenden Ressourcen effizient einzusetzen, ist für den Bereich der Pflegepersonalkosten entfallen. Der einzige wirksame Kostendämpfungseffekt und Grund dafür, dass eine finanzielle Überlastung ausbleibt, ist der hohe Pflegepersonalmangel am Arbeitsmarkt.

2. Gefahr der Doppelfinanzierung

Bei Parallelfinanzierung der Krankenhausleistungen durch aG-DRGs und Selbstkostenfinanzierung für die Pflege auf bettenführenden Stationen kann es dazu kommen, dass reale (oder vermeintliche) Pflegepersonalkosten durch sowohl das verbleibende Fallpauschalensystem als auch das Pflegebudget finanziert werden. Hintergrund kann eine unzureichende Ausgliederung und/oder eine inkonsistente Vereinbarung der Pflegebudgets sein.

Die Vertragsparteien auf Bundesebene haben wie bereits im Jahr 2020 auch im Jahr 2021 kontrovers über das Problem der Doppelfinanzierung beraten (vgl. Abschn. 17.2.4). Es fehlten allerdings valide Daten. Bereits während der Pflegeausgliederung wurde über die Ausgliederungstiefe im Zusammenhang mit der Ausgabenentwicklung (Viel oder wenig ausgliedern?) und die Kostenabgrenzung im Zusammenhang mit der Gefahr der Doppelfinanzierung und Umsetzbarkeit vor Ort (Welche Kriterien werden für die Kostenabgrenzung genutzt?) beraten. Vor allem das Fremdpersonal in der Pflege, das bis zur Einführung des Pflegebudgets nur im Rahmen der Kalkulationslogik des InEK ursprünglich der Pflege am Bett zugeordnet war, wurde im Rahmen der Pflegepersonalkostenausgliederung mit ausgegliedert, um damit einen wesentlichen Faktor einer möglichen Doppelfinanzierung einzugrenzen. Dieses Vorgehen war nicht unproblematisch, da dieser Grundsatz der Kostenzuordnung neue Ansprüche an die Kostenabgrenzung der Krankenhäuser stellte, die über die bisherigen Regelungen der KHBV hinausgingen. Dies setzte allerdings voraus, dass in (allen) Krankenhäusern eine rudimentäre Kostenstellen- und -artenrechnung durchgeführt wird und sich das Verhandlungsmanagement der Krankenkassen qualifiziert mit entsprechenden Nachweisen auseinandersetzen kann. Darüber hinaus wurde die Gefahr von Verlagerungs- bzw. Umbuchungseffekten von Pflegekräften aus anderen Organisationseinheiten thematisiert. Das Problem der Personalverschiebung bzw. Neuzuordnung haben bereits Leber und Vogt (2020), aber auch Augurzky et al. (2021) hinsichtlich der Einführung der PpUGV beschrieben. Mögliche Warnzeichen und Hinweise aus den Lehren der PpUG-Einführung deuteten darauf hin, dass Personal aus den Bereichen ohne PpUG in Bereiche mit PpUG verlagert wird; dies wurde allerdings bei der Pflegebudgeteinführung in Kauf genommen. Für das Pflegebudget bedeuten Verlagerungen mögliche Mehrausgaben, ohne dass ein echter Personalaufbau finanziert wird. Die Kostendaten des Statistischen Bundesamtes legen die Vermutung nahe, dass es bereits vor Einführung des Pflegebudgets zu strategischen Umbuchungen kam und Krankenhausträger Personal des ursprünglich zugeordneten Funktionsdienstes in den Pflegedienst umbuchen (vgl. Abb. 17.5). Somit entsteht eine Art „Neu-Etikettierung“ und Ausweisung als Pflegepersonal, obwohl der Kostensteigerung kein neues Personal gegenübersteht. So stieg beispielsweise die Zahl der Pflegevollkräfte in privaten Kliniken im Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 9,4 %. Dagegen sank die Zahl der Personen im Funktionsdienst um 4,9 %. Die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate von 2011 bis 2018 lag für den Funktionsdienst bei den privaten Trägern bei 3,6 %. Mit der Intention des Gesetzgebers, alle pflegebudgetrelevanten Kosten auf bettenführenden Stationen zu erstatten, wurden damit große Verschiebungen zwischen den Dienstarten eines Krankenhauses ausgelöst, da die KHBV nicht mehr dafür geeignet ist, die Kosten für Pflege am Bett sachgerecht abzubilden. Vor der Ausgliederung war es auf keine exakte Zuordnung angekommen. Dillschneider et al. (2021) merken an „[…], dass die Krankenhäuser im Jahr 2020 mit Forderungen in die Budgetverhandlungen gegangen sind, die im Pflegebudget höhere Kosten berücksichtigen als den bisherigen Pflegepersonalkostenanteil in der Kalkulation des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) im Rahmen der Diagnosis Related Groups (DRG), weil erstmals Kostenanteile aller mit der Pflege am Bett beschäftigten Personen berücksichtigt wurden.“ Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei jeder Umbuchung eine Doppelfinanzierung in den Jahren ab 2019 entsteht, d. h. mit jedem Jahr steigt die Inkongruenz zwischen dem Ausgliederungsbetrag für die Pflege auf der Bundesebene (InEK-Datenbasis der Kalkulationsstichprobe 2018) und der komplementären Pflegefinanzierung auf der Ortsebene (Datenbasis 2019 ff). Die Pflegeausgliederung muss daher dringend überprüft werden (vgl. Abschn. 17.2.4).

3. Anreize für eine bessere Personalausstattung und Pflege am Patienten stärken

Mit den Pflegebudgets soll die „Pflege am Bett“ sowie die Berufszufriedenheit der Pflegekräfte und die Attraktivität des Berufs gestärkt werden, um damit gleichzeitig eine bessere Qualität der Versorgung der Patientinnen und Patienten zu erreichen. Es sollten möglichst viele Anreize gesetzt werden, die Pflege am Bett durch qualifizierte Pflegekräfte zu stärken.

Nach fast zwei Jahren pandemischer Lage mit dem Corona-Virus und eigenständiger Pflegepersonalkostenfinanzierung hat sich die Situation in der Pflege nicht verbessert – die Gesamtsituation ist eher angespannter. Nur etwas mehr als die Hälfte der befragten Krankenhäuser in der aktuellen Krankenhaus-Barometer-Studie 2021 gibt an, dass sich das Pflegebudget positiv auf die Ausstattung des Pflegepersonals auf bettenführenden Stationen auswirkt (DKI 2021). Nach den neuesten Zahlen des aktuellen Krankenhausbarometers haben ca. 84 % der befragten Krankenhäuser Probleme, offene Pflegestellen trotz des Prinzips der Ist-Kosten-Erstattung nachzubesetzen. Nach den Auswertungen ist die aktuelle Vakanz in der Pflege bundesweit auf 22.300 Stellen angestiegen. Bei Krankenhäusern mit weniger als 600 Betten hat sich die Zahl der die offenen Stellen sogar verdreifacht. Dabei muss in einer gesonderten Untersuchung auch der Sogeffekt auf das Personal in der Altenpflege und in den Rehabilitationseinrichtungen untersucht werden. Augurzky et al. (2021) sowie Leber und Vogt (2020) haben bereits darauf hingewiesen, dass in diesen Versorgungsbereichen ein besonderer Handlungsbedarf aufgrund der starken Alterung der Bevölkerung existiert und das Pflegebudget die Pflegekräfte-Patienten-Quote im Pflegeheim aufgrund der falschen Allokation der knappen Personalressourcen eher verstärkt.

Eine Untersuchung der Zielgenauigkeit der Pflegebudgets kann aufgrund der anhaltenden pandemischen Lage ebenfalls noch nicht vorgenommen werden. Somit kann auch nicht die Frage beantwortet werden, ob die Einführung der Pflegebudgets eine bessere Personalausstattung und Vergütung für Krankenhäuser mit einem hohen medizinischen Leistungsniveau (CMI/Pflegelast/Pflegequotient) gewährleistet oder vor allem diejenigen Krankenhäuser vom Pflegebudget profitieren, die möglichst viele Pflegepersonalkosten verbuchen und nachweisen.

4. Umsetzbarkeit sicherstellen

Für die Unterlagen zur Ermittlung eines Pflegebudgets war eine Systematik zu finden, die dem Verhandlungsmanagement der Krankenkassen auf Ortsebene keine Wirtschaftsprüferkompetenz abverlangt und gleichzeitig für die Krankenhäuser viel Überschneidung mit der Krankenhausbuchführungsverordnung gewährleistet. Im Rahmen der Erarbeitung der Grundsätze der Pflegeausgliederung auf Bundesebene sollte daher eine Methodik gewählt werden, die kalkulatorisch auf der Ortsebene nachvollzogen werden kann.

Die Umsetzbarkeit des Pflegebudgets kann aufgrund der pandemischen Lage nicht ohne Einschränkungen beurteilt werden. Aufgrund der Corona-Beschränkungen im Jahr 2020 konnte ein Großteil der Verhandlungen vor Ort nicht durchgeführt werden. Für das Jahr 2020 wurden bisher (Stand 05.01.2022) nur rund 40 % der Budgetvereinbarungen geeint; im Vorjahr zu einem ähnlichen Zeitpunkt waren es für das Jahr 2019 bereits 81 % (Leclerque und Mostert 2021). Für das Jahr 2021 sind es aktuell nur rund 15 %. Dem Prospektivitätsgrundsatz gemäß § 17 Abs. 1 Satz KHG kann somit nicht entsprochen werden, allerdings ist den Krankenhäusern aufgrund der Ist-Kosten-Erstattung eine Planungssicherheit gewährleistet.

Die Gründe für die Verzögerungen sind vielfältig, allerdings ist der Basiseffekt des Pflegebudgets der treibende Faktor für die vielen Verhandlungsrunden sowie die unzähligen Vorgaben und Bestimmungen. Grundlage für die Ermittlung des Pflegebudgets ist die Summe der im Vorjahr für das jeweilige Krankenhaus entstandenen Pflegepersonalkosten. Wird der Grundwert des Pflegebudgets im Jahr 2019 nicht sachgerecht ermittelt, ist ggf. mit einer hohen Doppelfinanzierung (vgl. Nr. 2) und einer besonderen Ausgabendynamik in den Folgejahren zu rechnen (vgl. Nr. 1). Die Kostenträger haben somit ein großes Interesse daran, die Pflegekosten auf Hausebene mit umfangreichen Nachweispflichten auszugliedern. Der Bedarf zur sachgerechten Ermittlung der Ausgangsbasis bestätigt sich auch in der berechneten Abweichung vom DRG-Pflegebudget und den pflegebudgetrelevanten Personalkosten im Jahr 2019 (vgl. Abb. 17.4).

Für den Großteil der Krankenhäuser muss anerkannt werden, dass die Daten gemäß den Vorgaben der KHBV auf der Ortsebene deutlich leichter aufzubereiten waren als diejenigen Daten, die sich an den Vorgaben des Kalkulationshandbuchs zur Ermittlung des Pflegebudgets orientieren. So mussten beispielsweise umfangreiche Abgrenzungen (wie Psychiatrie und Psychosomatik, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen oder Ambulanzen etc.) vorgenommen werden, die teilweise buchhalterisch nicht unproblematisch sind. Schlussendlich wurden die Pflegebudgetformulare kontinuierlich – im Schnitt alle fünf Monate – mit teilweise grundsätzlichen Regeländerungen in der Kostenzuordnung weiterentwickelt (vgl. Tab. 17.1).

5. Abbau von Fehlanreizen durch hohe Deckungsbeiträge

Die Einführung des Pflegebudgets führt zu einer signifikanten Vorhaltefinanzierung mit konsekutiv sinkenden Deckungsbeiträgen pro Leistungsfall. Je nach Ausgestaltung des Pflegebudgets können sich Fehlanreize zur Mengenausweitung reduzieren, aber Veränderungen in der Leistungsplanung eines Krankenhauses ergeben.

Das Fallpauschalensystem setzte bis zur Pflegeausgliederung aufgrund der prozedurenorientierten Vergütung für das einzelne Krankenhaus starke Anreize zur Erlösmaximierung. Mit der pauschalen Vergütung war dem Krankenhaus selbst überlassen, wie die Ressourcen für den regulären Versorgungsbetrieb eingesetzt werden. Allerdings wurden zusätzliche Erlöse mit den diagnosebezogenen Pauschalen vorranging durch zusätzliche Ressourcen im ärztlichen Dienst erreicht. Dies bestätigt sich in der Fallzahlenentwicklung und der Entwicklung der Vollkräfte im ärztlichen Bereich (Statistisches Bundesamt 2019): Von 2003 bis 2018 war ein Fallzahlanstieg um 12 % zu beobachten, hingegen stieg die Zahl der Vollkräfte im ärztlichen Dienst im gleichen Zeitraum um 44 %. Das Pflegepersonal, der Pflegebedarf oder Pflegeminuten waren im DRG-System vor der Pflegeausgliederung nicht von strategischer Bedeutung für die Erlösplanung von Krankenhausmanagern (Leber und Vogt 2020). So stieg die Zahl der Vollkräfte im Pflegedienst von 2003 bis 2018 nur um 3,5 % (Statistisches Bundesamt 2019). Mit der Einführung der PpUG wollte die Politik für eine bessere Personalausstattung und die Sicherstellung von bedarfsgerechtem Pflegepersonal in pflegesensitiven Krankenhausbereichen sorgen.

Die Auswertungen des Pflegebudgets für das Jahr 2020 bestätigen die Vermutung, dass vor allem private Krankenhäuser unter dem Fallpauschalsystem mehr finanzielle Freiheitsgrade zur Erlösoptimierung nutzen konnten als unter der nun anzuwenden Pflegekostenfinanzierung. Die Deckungsbeiträge je Fall sind damit massiv eingebrochen. Private Krankenhäuser haben in den Pflegebudgetverhandlungen für das Jahr 2019 12,9 % weniger pflegebudgetrelevante Personalkosten abgegrenzt und nachgewiesen, als im DRG-System 2019 ursprünglich für die Pflege gemäß InEK-Kalkulation von den Kostenträgern ausgezahlt wurden. Bei den öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern lagen die nachgewiesen IST-Kosten des Jahres 2019 dagegen um 2,7 % höher als der über die Fallpauschale zur Verfügung gestellte Betrag (vgl. Abb. 17.4). Dabei muss angemerkt werden, dass die Krankenhäuser aufgrund ihrer unternehmerischen Freiheit selbst entscheiden konnten, welche und wie viele Ressourcen zur Erbringung einer Leistung erforderlich sind. Dies erklärt allerdings auch, weshalb die privaten Krankenhäuser die größten Kostensteigerungen (10,4 % versus 8,4 % gesamt) bei der Vereinbarung 2020 im Vergleich zum Ist-Kostennachweis 2019 verzeichnen (vgl. Abb. 17.3). Vergleicht man das ermittelte DRG-Pflegebudget aus der Vereinbarung 2019 mit den Pflegekosten aus der Vereinbarung 2020, so wiesen die öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser einen Anstieg um 10,8 %, die freigemeinnützigen einen Anstieg um 9,8 % und die privaten einen Rückgang um 3,9 % auf. Die Verringerung lässt sich mit der großen Abweichung zwischen DRG-Pflegebudget 2019 und Ist-Kostennachweis im Jahr 2019 erklären und macht gleichzeitig deutlich, dass die privaten Krankenhäuser in finanzieller Hinsicht besonders von der Pflegeausgliederung betroffen sind.

Es ist davon auszugehen, dass sich nach Ende der pandemischen Lage diese Entwicklungen auch auf die Leistungsplanung der Krankenhäuser auswirken. Geht man davon aus, dass bislang Renditen durch Unterbesetzung in der Pflege erzielt wurden, werden künftig ehemals pflegeintensive DRGs gegenüber DRGs mit geringen Pflegeanteilen unattraktiver. Die Deckungsbeiträge für die einzelnen Leistungen sinken, und zwar über das gesamte Spektrum inhomogen. Es gibt ggf. neue „Cash Cows“ und neue „Poor Dogs“.

6. Fehlanreize vermeiden

Mit der Ausgliederung der Pflege werden eventuelle Fehlanreize generiert, zukünftig Pflegekräfte für nicht-patientenrelevante Versorgung einzusetzen. Diese Fehlanreize sind grundsätzlich zu minimieren.

Neben den Umbuchungs- und Verlagerungseffekten waren in den örtlichen Budgetvereinbarungen Konsequenzen und Änderungen in den Organisationsabläufen der Pflege zu festzustellen. Durch den Wegfall des Anreizes für eine effiziente Ressourcenallokation aufgrund der Selbstkostendeckung ist eine Konkurrenz zu den patientenfernen Tätigkeiten entstanden, da das Krankenhaus diese mit den begrenzten Mitteln der Fallpauschale finanzieren muss. Pflegenahe Tätigkeiten werden damit nicht an günstigere oder besser geeignete Personen delegiert, sondern auf den Pflegedienst rückverlagert. Mit den Pflegebudgets wird nicht die Effizienz, sondern die Quantität der berufsgruppenbezogenen Pflegekräfte honoriert.

Aufgrund der pandemischen Lage und der angespannten Arbeitsmarktlage in der Pflege ist dieser Effekt aktuell nur bedingt messbar, allerdings meldet ver.di die Auflösung mehrerer Servicegesellschaften, da die ursprünglich durchgeführten Tätigkeiten an die Pflege zurückübertragen werden sollen (ver.di 2021). Auch der Fresenius-Konzern hatte diesen Schritt 2019 in einer Investorenkonferenz angekündigt (Fresenius 2019).

Letztlich muss untersucht werden, ob mit der berufsgruppenbezogenen Abgrenzung eine Verbesserung der Versorgungsqualität für die Pflege gesichert wird oder neue Fehlanreize entstehen und Innovationen in der Pflege verhindert werden. Die Eingrenzung der Berufsgruppen auf die Berücksichtigungsfähigkeit im Pflegebudget ist letztlich eine weitreichende Einschränkung der unternehmerischen Freiheit und Innovationsfähigkeit der Krankenhäuser.

5 Ausblick

Die neue Bundesregierung muss die Strategieanfälligkeit der Pflegekostenfinanzierung schnell angehen und dafür sorgen, dass die finanziellen Mittel für bessere Pflege, bessere Arbeitsbedingungen und somit auch für mehr Patientensicherheit eingesetzt werden. Schließlich ist es für Patienten nicht von Relevanz, ob das Krankenhaus ein hohes Pflegebudget vereinbart hat, sondern dass sie gut gepflegt werden.

Daher sollte mittelfristig eine Neuordnung der Pflegekostenfinanzierung vorgenommen werden. Eine Möglichkeit könnte sein, die Pflege durch eine digitale Leistungserfassung den ärztlichen Leistungen methodisch gleichzustellen, sodass perspektivisch die Kalkulation und Vergütung von Pflegeleistungen (statt Pflegekosten) erfolgen kann und die Pflege Gegenstand einer validen Qualitätssicherung wird. Die bestehenden Abgrenzungs- und Doppelfinanzierungsproblematiken könnten so überwunden werden. Würden Pflegeleistungen (statt Pflegekosten) künftig im Fokus einer leistungsgerechten Pflegefinanzierung stehen, würde die Patientenversorgung im Pflegebereich gestärkt und die Situation der Beschäftigten in der Pflege nachhaltig verbessert.