Mit dem Klimawandel besteht einerseits die unbedingte Notwendigkeit, das Klima zu schützen und den bereits stattfinden Klimawandel abzumildern (Mitigation). Andererseits müssen sich Gesellschaften an bereits eingetretene und noch zu erwartende Folgen des Klimawandels, wie beispielsweise Dürre, Hitze und Starkregen, anpassen. Dabei gehen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel zunehmend Hand in Hand. Die Dringlichkeit des Problems hat Auswirkungen auf die Wissenschaftskommunikation und ebenso auf die Forschung, die sich inzwischen um den Bereich des Klimaservice' erweitert hat. Dieses Kapitel geht der Frage nach: Was wird unter Klimakommunikation und Klimaservice verstanden und was leisten diese im Zusammenhang mit dem Klimawandel? Wissenschaftstheoretische Fragestellungen, die sich daraus ergeben, werden skizziert. Darauf aufbauend lassen sich Voraussetzungen und Herausforderungen einer erfolgreichen Umsetzung der neuen Forschungsformen benennen. Ziel dieses Beitrages ist nicht zuletzt, eine weitere Reflexion anzuregen, wie Klimafolgenwissen effektiv und wirksam genutzt werden kann, um den gesellschaftlichen Umgang mit dem Klimawandel zu erleichtern und die gesellschaftliche Transformation voranzubringen.

Klimakommunikation hat sich als eine besondere Form der Wissenschaftskommunikation herausgebildet. Obwohl der Begriff gängig ist, lässt sich eine klare Definition von „Klimakommunikation“ nicht leicht finden. Ausführlicher diskutiert wird der Begriff „Nachhaltigkeitskommunikation“: Hier werden Aktivitäten nach der dahinterstehenden Absicht unterschieden – je nachdem, ob mit der Nachhaltigkeitskommunikation ein normativer Zweck verbunden ist (communication for sustainability), ob Nachhaltigkeit per se kommuniziert wird (communication of sustainability) oder ob Personen sich über Nachhaltigkeit austauschen: communication about sustainability (Fischer et al. 2016).

Eine Übertragung dieser Differenzierung auf das Thema Klimawandel bedeutete, dass

  1. 1.

    entweder normativ monodirektional mit dem Ziel einer Reaktion auf den Klimawandel kommuniziert wird, das könnte mit dem Zweck Klimaschutz, -anpassung oder einer Kombination erfolgen, (Kommunikation für den Klimawandel) oder dass

  2. 2.

    deskriptiv monodirektional über Klimawandel gesprochen wird (Kommunikation des Klimawandels) oder dass

  3. 3.

    horizontal (und teilweise beratend) und dialogisch ohne normative Zielsetzung kommuniziert wird (Kommunikation über Klimawandel).

Dieser Text subsummiert unter „Klimakommunikation“ alle drei Formen. In den Fällen 1 und 2 handelt es sich nach dieser Definition um eine Einwegkommunikation. Fall 3 umfasst ein dialogisches Format, beispielsweise Chats oder andere interaktive Austausch- und Beratungsaktivitäten. Alle drei hier vorgestellten Formen der Klimakommunikation sprechen über Wissenschaft, betreiben selbst aber keine Forschung.

Zum Feld „Klimaservice“ ist inzwischen weltweit eine Menge gearbeitet worden. 2001 taucht der Begriff (englisch climate service) das erste Mal auf, wie Brasseur und Gallardo (2016) zeigen. Vaughan und Dessai (2014) zeichnen die Geschichte nach und beschreiben die Institutionalisierung der ersten Klimaservice-Einrichtungen im internationalen Kontext, eine Entwicklung, die um das Jahr 2010 herum Fahrt aufnimmt.

Zusammenfassend können vier Charakteristika von Klimaservice herausgestellt werden (Schuck-Zöller et al. 2014; Brasseur und Gallardo 2016):

  • Klimaservice ist auf die Nutzung seiner Produkte und den Bedarf der Gesellschaft ausgerichtet (den Bedarf verstehen).

  • Die Aktivitäten im Klimaservice folgen wissenschaftlichen Regeln und stehen für Objektivität und Transparenz (neutral und transparent handeln).

  • Aufgrund der komplexen Problemlagen arbeiten Wissenschaftler ganz unterschiedlicher Forschungsfelder zusammen (interdisziplinär forschen und beraten).

  • Um die vielen anstehenden Fragen beantworten zu können, muss der Klimaservice enge Kooperationen innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft schaffen (Partnerschaften und Netzwerke aufbauen), die institutionenübergreifende Zusammenarbeit ermöglichen.

Die Europäische Kommission definiert „Klimaservice“ in ihrer Roadmap (European Commission 2015) in einem recht umfassenden Sinn: Die wissenschaftliche Verwendung und Umwandlung klimabezogener Daten – unter Einbezug anderer wichtiger Informationen – in nutzerfreundliche Produkte Informationen und Dienstleistungen. Diese können ganz unterschiedlich geartet sein, von Klimasimulationen über ökonomische Klimafolgenanalysen bis zur Anpassungsberatung, zur Beratung über Klimaschutzmaßnahmen und Katastrophenvorsorge (European Commission 2015). Klimaservice beinhaltet auch Kommunikationsaktivitäten, sowohl bei der Entwicklung als auch beim Vertrieb der Produkte. Allerdings geht Klimaservice viel weiter als Klimakommunikationsaktivitäten und beinhalten Kommunikation häufig als Zugang, die wissenschaftliche Entwicklung voranzubringen. Anders als horizontale Klimakommunikation (s. oben, Nr. 3) verfolgen sie allerdings vorrangig ein anderes Ziel: Die Wissenschaftsseite kooperiert mit der Praxis, um deren Bedürfnisse in die Forschung einfließen zu lassen. Wissenschaft ist hier nicht primär Gegenstand des Dialoges, sondern wird auch gemeinsam betrieben.

Auch die Adressatenkreise von Klimakommunikation und Klimaservice sind unterschiedlich: Während sich Klimakommunikation häufig an eine breite Öffentlichkeit wendet, richtet sich Klimaservice vorrangig an Fachleute aus der Praxis, die sich im beruflichen Kontext mit dem Klimawandel beschäftigen, und integrieren diese in ihre Forschungsarbeit. Das Ziel besteht dabei in einem wechselseitigen Lernprozess der Beteiligten (mutual learning), in dem neue Erkenntnisse entstehen und der die gesellschaftliche Transformation begünstigen kann (Vilsmaier et al. 2015). Die Bedeutung des dialogischen Austausches ist für die Entwicklung und Anwendung von Klimaservice essenziell, lassen sich doch so die Nutzbarkeit, Akzeptanz und Legitimität der Forschungsresultate und Produkte erhöhen (Brasseur und Gallardo 2016; Goosen et al. 2014; Haße und Kind 2019; Hewitt et al. 2017; Palutikof et al. 2019; Street 2016).

Derartige Differenzierungs- und Definitionsversuche dienen allerdings zuallererst der Reflexion und einer wissenschaftstheoretischen Vorabklärung, die weitere Analysen erleichtert. In der Realität gibt es Mischformen und Grenzfälle, die nicht eindeutig zuzuordnen sind.

1 Klimakommunikation

Dieses Kapitel konzentriert sich auf Kommunikationsaktivitäten, die von wissenschaftlichen Einrichtungen, Verbünden und deren Beschäftigten betrieben werden. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Weltklimarat (IPCC) mit seinen regelmäßigen Berichten. Produktbeispiele einzelner Klimaforschungs- und -informationseinrichtungen dienen zur Illustration. Kommunikationsaktivitäten von Medien und Informationsdiensten, wie etwa „klimafakten.de“, betrachtet der Text nicht.

Die Wissenschaftsinstitutionen kommunizieren über ihre Pressestellen sowie auch einzelne ihrer Beschäftigten, die über ihre Fachgebiete berichten oder zu speziellen Fragen Stellung nehmen. Es kann sich (s. oben) um alle drei Arten von Klimakommunikation handeln, also

  1. 1.

    Kommunikation für den Klimawandel,

  2. 2.

    Kommunikation des Klimawandels oder

  3. 3.

    Kommunikation über Klimawandel.

Gerichtet sind diese Kommunikationsaktivitäten meistens an Personen außerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft, etwa an ein breites Publikum oder Akteurinnen und Akteure aus speziellen Sektoren wie beispielsweise aus Wirtschaft, Politik sowie der Zivilgesellschaft.

Die Kommunikation für den Klimawandel (Fall 1, s. oben) hat oft eine Handlungsaktivierung zum Ziel. Hier gilt es, zu bedenken, dass reine Informationsvermittlung nicht zwingend zu der beabsichtigten Handlung führt. Weder (Klima-)Wissen allein noch allgemeine Einstellungen führen zwangsläufig zu einem gewünschten spezifischen Verhalten (Grothmann 2018; Hellbrück und Kals 2012). Schahn und Matthies (2008) stellen die vor allem beim Thema Umwelt oftmals zu beobachtende Diskrepanz zwischen Einstellungen und Verhalten eindrücklich dar.

Wirkungsvolle Kommunikation ist auf die jeweilige Zielgruppe ausgerichtet. Inhalte und Kommunikationsziele werden entsprechend definiert und eine klare Strategie hilft, dieses Ziel zu erreichen. Die Frage, welche Detailgenauigkeit wie und an wen zu vermitteln ist, ist bei der Aufbereitung wissenschaftlicher Ergebnisse zentral (Heidenreich et al. 2014). Welche Instrumente und Formate der Kommunikation sich am besten eignen, hängt entscheidend vom Wissensstand und vom Interesse bzw. der Funktion des Adressaten ab (z. B. Entscheidungskräfte aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung, Personen aus dem Bildungs- und Medienbereich oder die allgemeine Öffentlichkeit).

Wenn beispielsweise Entscheidungskräfte aus der Wirtschaft als Zielgruppe dazu bewegt werden sollen, ihre Unternehmensstrategien oder gar Lieferketten auf Krisenfestigkeit zu prüfen, unterscheidet sich das Kommunikationskonzept deutlich von einer Aktivität, die eine Hausgemeinschaft veranlasst, Fotovoltaikanlagen aufs Dach zu setzen, oder sie für Vorsorgemaßnahmen bei Hitzewellen zu sensibilisieren.

Kommunikation zu Klimaschutz und Anpassung kann leichter Gehör finden, wenn sie an aktuelle gesellschaftliche Themen anknüpft, beispielsweise an Standortsicherung, demografischen Wandel, Gesundheit, Ernährung. Die Interessen der Zielgruppen sowie deren spezifische umweltbezogene, persönliche und soziale Werte und Normen lassen sich ansprechen und die Möglichkeit aufzeigen, selbst etwas zu gestalten (Matthies und Wallis 2018). Darüber hinaus wirkt Kommunikation eher, wenn psychologische Einflussfaktoren adressiert werden. Für die Anpassung an den Klimawandel zeigt Grothmann (2017, 2018) beispielsweise, dass Kommunikationsformate dann besonders wirksam sind, wenn

  • sie Schadenserfahrungen und Emotionen vermitteln,

  • persönliche Risikowahrnehmung stärken,

  • Selbstwirksamkeitsüberzeugungen erhöhen und kollektive Wirksamkeitsüberzeugungen fördern,

  • die gemeinsame Vorsorgeverantwortung von Staat und Bevölkerung aufbauen und

  • lokale Identität und soziale Eingebundenheit ausbauen.

Die explizite Ausrichtung an psychologischen Einflussfaktoren ermöglicht neben einer erhöhten Wirksamkeit zudem deren nachträgliche Untersuchung, liefern die psychologischen Faktoren doch gleichzeitig Anhaltspunkte für eine systematische Wirkungsmessung – und eine stetige Verbesserung der Wissensbasis aufseiten der anbietenden Organisation (Abschn. 39.3.1).

Da ein Großteil der menschlichen Wahrnehmung und Entscheidungsfindung auf Intuitionen und Emotionen beruht (Grothmann 2018), bietet die Bildsprache ein großes Potenzial, um für ein Thema zu sensibilisieren. Hier können auch Formate wie Klimanovellen oder Comics geeignete Vermittlungswege sein (Hohberg 2014; Körner und Lieberum 2014). Zu bildlichen Darstellungen wird in den vergangenen Jahren in Deutschland vermehrt geforscht (Schneider 2018).

Klimainformation in Deutschland schnell finden

Seit etwa 15 Jahren entstehen in Deutschland zielgerichtete Klimainformationsprodukte, und doch wird die Landschaft der einschlägigen Einrichtungen und Produkte oft als fragmentiert beschrieben. Interessierte haben Schwierigkeiten, sich in der Vielzahl der verfügbaren Produkte zurechtzufinden und für ihre Situation geeignete und zuverlässige Angebote zu identifizieren (Cortekar et al. 2014; Hammill et al. 2013; Webb et al. 2019).

Deshalb sind im vergangenen Jahrzehnt – als Klimakommunikationsprodukte – europaweit Portale entstanden (Swart et al. 2017), die einen Überblick verschaffen und das Auffinden spezieller Dienste erleichtern, wie etwa in Deutschland seit dem Jahr 2011 der KlimanavigatorFootnote 1, der vom Climate Service Center Germany (GERICS) als Gemeinschaftsprojekt beteiligter Forschungseinrichtungen initiiert wurde. Die Bundesregierung hatte darüber hinaus im ersten Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie (Bundesregierung 2015) beschlossen, ein Portal für qualitätsgesicherten Klimaservice und Dienste zur Unterstützung der Anpassung zu implementieren (Bundesregierung 2015). Das daraus hervorgegangene Klimavorsorgeportal (KLiVO) wurde mithilfe einer umfangreichen Befragung zur Nutzung sowie von Testphasen und Dialogen zwischen der Nutzer- und Anbieterseite entwickelt. Durch das begleitende Anbieter-Nutzer-Netzwerk, bestehend aus Bundes- und Landesbehörden, Kommunen, Unternehmensverbänden, Einzelunternehmen und Umweltorganisationen, wird ein kontinuierlicher Austausch ermöglicht, der die Weiterentwicklung, Bekanntheit und Anwendung von Diensten auf dem KLiVO Portal fördert. Die bisherigen Evaluationsergebnisse zum Netzwerk zeigen eine hohe Zufriedenheit und den Wunsch nach noch mehr Möglichkeiten zum Austausch und mehr Wissensinput (Born et al. 2022; Hoffmann et al. 2020).

Strategien und neue Wege zur Vermeidung, Reduzierung und Entnahme von CO2-Emissionen stellt der Netto-Null-2050 WebatlasFootnote 2 bereit (Preuschmann et al. 2022), der die öffentliche Debatte über CO2-Neutralität vorantreiben will und die Forschungsergebnisse aus der Helmholtz-Gemeinschaft bündelt.

2 Klimaservice

Die Klimaserviceprodukte, wie sie hier in ihrer ganzen Bandbreite gemeint sind, lassen sich einteilen in – einerseits – eher monodirektional ausgerichtete, ausschließlich in der Wissenschaft entstandene und – andererseits – im Dialog mit den Nutzern und Nutzerinnen entstandene Forschungsresultate und Entwicklungen. Die monodirektional ausgerichteten Produkte stellen ein Angebot für eine angenommene Nachfrage bereit (angebotsgetrieben), während die Zusammenarbeit mit der Praxis im zweiten Fall die Nachfrage sicherstellt (nachfragegetrieben).

Dieses Buch zeigt an vielen Stellen, dass gerade die kooperativen Anstrengungen zwischen Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben des Klimaschutzes und der Anpassung an die Folgen des Klimawandels spielen (Kap. 21, 29, 36). In den vergangenen Jahren haben sich in der Forschung zunehmend Ansätze kooperativen Handelns entwickelt, das Wissensgenerierung mit gesellschaftlichen Lern- und Aushandlungsprozessen zwischen Wissenschaft und Praxis verbindet (Scholz 2011; Jahn et al. 2012; Hirsch Hadorn et al. 2008; Bammer et al. 2020). Dieser neue Wissenschaftsmodus ergänzt die klassische Politikberatung, in der wissenschaftliches Wissen für Entscheidungen aufbereitet und in politische Prozesse eingebracht wird (Abschn. 29.6). Darüber hinaus finden vielfältige Prozesse der Bürgerbeteiligung statt – auch Kooperationen zwischen wissenschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren, die partizipative Aushandlungs- jedoch keine Forschungsprozesse darstellen (Abschn. 39.1.4). Im Folgenden werden Veränderungsprozesse in der gesellschaftlichen Wissensproduktion beleuchtet und Formen sektorübergreifender, kooperativer Forschung vorgestellt, die für Klimaserviceeinrichtungen charakteristisch sind und immer bedeutender werden (European Commission 2015).

2.1 Integrative Forschungsansätze im Klimaservice

Der neue Forschungsmodus, der die Praxis in den Forschungsprozess einbezieht, wird übergreifend oft „integrative Forschung“ genannt. Es haben sich in unterschiedlichen Fächerkulturen unterschiedliche Ansätze herausgebildet. Eine Einführung in die Entstehung und Vielfalt dieser unterschiedlichen, aus den einzelnen Wissenschaftskulturen stammenden Ansätze liefern auch Brinkmann et al. (2015). Viele dieser Ansätze verfolgen jedoch ähnliche Ziele und gehen ähnlich vor. Steuri et al. (2022) schauen ganz aktuell im Detail auf Rollen und Arbeitsweisen, die dieser neue Forschungsmodus mit sich bringt. Dieses Kapitel stellt zwei wichtige Ansätze integrativer Forschung vor: Die ursprünglich aus dem angloamerikanischen Sprachraum und den Wirtschaftswissenschaften stammende co-creation und der parallel dazu vorwiegend in den Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften entstandene Modus transdisziplinärer Forschung, der wesentlich vom deutschen Sprachraum ausging. Da eine Übersetzung von creation ins Deutsche wörtlich nicht gut funktioniert, wird der englische Ursprungsbegriff genutzt. Mauser et al. (2013) bringen beide Begriffe zusammen und bezeichnen – eher implizit – den ideellen Ansatz als transdisziplinär, die gemeinsamen Forschungsaktivitäten jedoch als co-creation.

Integrative Forschungsansätze bauen auf vielfältige Wissensressourcen und Formen der Wissensgenerierung in unterschiedlichen Gesellschaftsfeldern auf und sind auf die Veränderungen konkreter Situationen ausgerichtet. Sie erkennen den Wert unterschiedlicher Wissensformen aus unterschiedlichen Gesellschaftsfeldern als gleichwertig an und trachten danach, gerade ihre Unterschiedlichkeit in Forschungsprozessen nutzbar zu machen. Zum einen geht es um wissenschaftlich generiertes Wissen, das durch die methodische Genauigkeit ein Höchstmaß an Nachvollziehbarkeit und Robustheit bietet. Zum anderen wird Wissen in gleichem Maße als forschungsrelevant anerkannt, das im alltäglichen Lebensvollzug oder im Ausüben beruflicher Tätigkeiten gewonnen wird oder zum tradierten Erfahrungsschatz einzelner Kulturen gehört. Die Forschungsansätze werden in sektorübergreifenden Allianzen realisiert und verfolgen dabei multiple Ziele. Neben erkenntnistheoretischen Zielen richten sie sich ebenso auf Transformation und Handlungsveränderung aus (Vilsmaier et al. 2017), beispielsweise auf Lösungsansätze in Klimaanpassungsprozessen von Kommunen oder Unternehmen (z. B. Strasser et al. 2014). Gegenüber „Forschung und Entwicklung“ unterscheiden sie sich in der Integration verschiedener Wissensformen, ihrer kooperativen Organisationsform sowie ihrem proaktiven Umgang mit Werten und Normen (Newig et al. 2019). Damit gehen sie weit über die anwendungsbezogene Auftragsforschung hinaus.

Integrative Forschungsformen haben sich in den vergangenen Jahren stark vervielfältigt. Sie unterscheiden sich untereinander im Grad der Formalisierung von Prozessen (stringent gerahmt versus offen und dynamisch), in der Reichweite (fallfokussiert oder auf Generalisierung ausgerichtet) sowie in der Dimensionierung (umfassender Forschungsprozess versus punktuelle Beiträge oder einzelne Interventionen).

Derartige Ansätze leisten einen wesentlichen Beitrag dazu, das Verhältnis von Wissenschaft zu anderen Wissens- und Erkenntnisformen sowie gesellschaftlichen Handlungsfeldern neu zu bestimmen. Sie haben sich in unterschiedlichen Weltregionen und Diskursgemeinschaften entwickelt. Für Klimaservice vorrangig relevant haben sich in Deutschland und Europa Diskurse und Praktiken der eher prozessorientierten co-creation von Wissen sowie des umfänglichen Konzeptes der transdisziplinären Forschung (European Commission 2015) erwiesen. Beide Ansätze werden aufgrund ihrer verschiedenen Herkunft und einiger Unterschiede separat vorgestellt.

Co-creation

Die grundlegende Idee der co-creation geht auf Prahalad und Ramaswamy (2000, 2004a, b) zurück und kommt aus der Ökonomie. Sie wird dort als Prozess verstanden, bei dem ein Unternehmen (in unseren Fall handelt es sich um den Klimaservice-Anbieter) gemeinsam mit seinen Kunden einen Wettbewerbsvorteil schafft. Zum grundlegenden Konzept gibt es unterschiedliche Definitionen und Ausgestaltungen, wobei die folgenden fünf Punkte zentral sind (Vorbach et al. 2017; Albinsson et al. 2016; Ramaswamy und Gouillart 2010; Pater 2009): co-creation

  • erlaubt einen aktiven Austausch mit Kunden,

  • eröffnet eine neue Basis für Innovationen,

  • ist ein Prozess, der unternehmensseitig initiiert wird,

  • ermöglicht eine Win-win-Situation für Kunden und Unternehmen,

  • begründet eine starke und nachhaltige Beziehung zwischen Kunden und Unternehmen.

In den letzten zehn Jahren wurde der Begriff aus der Ökonomie zunehmend auch in andere Forschungsfelder übernommen. Bereits Mauser et al. (2013) übertragen ihn auf die integrative Forschung zum globalen Wandel. Auf dem Feld des Klimaservice’ kann dieser Ansatz auf unterschiedliche Weise und auch auf unterschiedliche Zielgruppen angewendet werden. Charakteristisch ist jeweils, dass durch die Arbeit von Beteiligten aus Praxis und Wissenschaft auf Augenhöhe sichergestellt wird, dass die Anforderungen aus der Praxis „gehört“ und in der wissenschaftlichen Produktentwicklung auch entsprechend umgesetzt werden. Der Entwicklungsprozess kann – wie die Erfahrung aus mehr als einem Jahrzehnt zeigt – hierbei in unterschiedlichen Schritten ablaufen, wie in Abb. 38.1 skizziert ist. Zu Beginn erfolgt die Abfrage, welche Situationen, Abläufe und Strukturen durch den Klimawandel direkt oder indirekt betroffen sind oder sein werden und welche Bedarfe sich daraus ergeben (Groth und Seipold 2017). In den folgenden Schritten werden wissenschaftliche Erkenntnisse, lokales Wissen und praxisrelevante Expertise mit Bezug auf die genannten Bedarfe anwendungsorientiert verknüpft, bis als Ziel ein wissenschaftlich fundiertes, praxistaugliches und bedarfsgerechtes Klimaserviceprodukt entsteht. Daran anschließend erfolgt die Testung und Feinjustierung des Produkts in und mit der Praxis (in der Grafik nicht dargestellt). Die gemeinsame methodische Entwicklung durch Wissenschaft und Praxis – hier dargestellt in orange – zieht sich in Korrekturschleifen durch den gesamten Prozess.

Abb. 38.1
figure 1

Schematische Darstellung der co-creation von Klimaservice (Grafik: Climate Service Center Germany; GERICS 2017)

Im Rahmen des Produktentwicklungsprozesses ist der gegenseitige Austausch im Sinne der oben skizzierten co-creation ein wichtiger Erfolgsfaktor, sowohl für eine zielgerichtete Zusammenarbeit als auch dafür, ein vertiefendes Anwendungswissen miteinfließen zu lassen und die notwendige Praxistauglichkeit zu erreichen. Der Austausch gewährleistet darüber hinaus, dass die Produkte letztlich auch leichter in bestehende Entscheidungsprozesse und Verwaltungsabläufe eingehen (Bender et al. 2017, 2020).

Die mithilfe des für Klimaservice optimierten Ansatzes der co-creation entwickelten Produkte sind je nach adressierter Fragestellung und Beteiligten sehr verschieden. Beispielsweise wurde in Zusammenarbeit mit dem Klimaschutz-Unternehmen e. V. ein Dossier „Unternehmen im Klimawandel“Footnote 3 erstellt, um mögliche klimawandelbedingte Auswirkungen für Unternehmen und auf Wertschöpfungsketten sowie unternehmensstrategische Handlungsempfehlungen aufzuzeigen. Zwei sehr unterschiedliche co-creation-Prozesse zum Thema „Trockenheit“ beschreiben Wall et al. (2017) aus den USA. Aus Australien und Brasilien liegen eindrückliche Schilderungen auch der Probleme vor, die sich bei der co-creation ergeben (Serrao-Neumann et al. 2020).

Auch Städte stehen vor spezifischen Herausforderungen (European Environment Agency 2020; European Commission 2020; IPCC 2018), die individuelle und bedarfsgerechte Lösungen notwendig machen (Groth und Seipold 2020; Bender et al. 2017). In diesem Zusammenhang sei als weiteres Beispiel auf die Entwicklung eines innovativen und praxistauglichen Stadtklimamodells (PALM-4U) verwiesen (Kap. 21), bei der im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojektes eine Vielzahl wissenschaftlicher Fachleute und Beschäftigte aus unterschiedlichen städtischen Verwaltungsämtern sowie Unternehmen aus der Privatwirtschaft beteiligt waren (Scherer et al. 2019; Maronga et al. 2019; Halbig et al. 2019; Cortekar et al. 2020). PALM-4U ist damit ein klassisches Beispiel gelungener co-creation.

Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass es im Prozess der co-creation wichtig ist, alle klimawandelbedingten Betroffenheiten auf betrieblicher, administrativer, politischer oder kommunaler Ebene umfassend zu berücksichtigen (Bender et al. 2020). Somit befindet sich dieses Vorgehen auch im Einklang mit der „Neuen Leipzig-Charta“ (European Commission 2020), die Partizipation und co-creation als Schlüsselprinzipien guter urbaner governance betont und darstellt, dass die frühzeitige und umfassende Einbeziehung lokaler Experten zwingend notwendig ist, um beispielsweise die transformative Kraft urbaner Räume nutzen zu können.

Transdisziplinarität

Parallel zur Idee der co-creation ist das Konzept der Transdisziplinarität entstanden. Mit dem Begriff werden Forschungspraktiken beschrieben, die über disziplinär und interdisziplinär organisierte Forschung hinausreichen und sich an gesellschaftlichen Phänomenen oder Problemen orientieren (Hirsch Hadorn et al. 2008; Jahn 2008), um zu deren Bewältigung beizutragen (Hoffmann-Riem et al. 2008; Lang et al. 2012). Der Diskurs sowie forschungspraktische Realisierungen von Transdisziplinarität haben sich seit den 1990er-Jahren vor allem in den Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften entfaltet (Bergmann et al. 2010; Vilsmaier und Lang 2014). Das Potenzial dieser Forschungsform wird in der Erfassung komplexer Probleme gesehen, indem unterschiedliche, wissenschaftliche wie praxisnahe Perspektiven Berücksichtigung finden und eine Verknüpfung von abstraktem und fallspezifischem Wissen ermöglicht wird (Pohl und Hirsch Hadorn 2006; Krohn 2008). Der Diskurs zur Transdisziplinarität wirft grundlegende epistemologische und ethisch-politische Fragen auf, die das Verhältnis zwischen unterschiedlichen Wissenskulturen ebenso in den Blick nehmen, wie die Wirksamkeit wissenschaftlicher Forschung und gesellschaftlicher Aufgaben- und Verantwortungsteilungen (Fritz und Meinherz 2020; Herberg und Vilsmaier 2020; Rosendahl et al. 2015). Durch internationale Abkommen zur nachhaltigen Entwicklung wie etwa die Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Kap. 31), die kooperative Formen der Wissensgenerierung zwischen wissenschaftlicher Forschung und gesellschaftlichen Akteuren einfordern, wird diesen Fragen deutliches Gewicht verliehen. Schon in der Agenda 21, die im Zuge der UN-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 verabschiedet wurde, heißt es:

„Die Kooperationsbeziehung, die zwischen Wissenschaft und Technik auf der einen und der Öffentlichkeit auf der anderen Seite besteht, sollte ausgebaut und im Sinne einer vollwertigen Partnerschaft vertieft werden. […] Bestehende multidisziplinäre Ansätze müssen verstärkt werden und zwischen Wissenschaft und Technik und politischen Entscheidungsträgern sowie mit der breiten Öffentlichkeit müssen weitere interdisziplinäre Untersuchungen vereinbart werden […].“ (UN Department for Sustainable Development 1992, S. 300).

Transdisziplinäre Forschungsprozesse werden unter anderem in dem Drei-Phasen-Modell des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) gerahmt (Jahn 2008; Jahn et al. 2012). Das ISOE-Modell unterscheidet zwischen wissenschaftlichen und „lebensweltlichen“ Problemzugängen, die in transdisziplinären Forschungsverbünden integriert werden. Es sieht die folgenden drei Prozessphasen vor:

  • Problemformulierung und transdisziplinäre Teambildung (Phase A),

  • Wissensintegration (Phase B),

  • Re-Integration von gewonnenem Wissen in wissenschaftliche und lebensweltliche Felder (Phase C).

Anders als beim Ansatz der co-creation ergreifen entweder Interessierte aus der Praxis oder aus der Wissenschaft die Initiative zur Etablierung eines gemeinsamen Vorhabens. Die Rahmung der zugrundeliegenden Probleme, d. h., das Verstehen von relevanten Facetten und Dimensionen eines komplexen Sachverhalts und die entsprechende Formulierung von Wissens- und Handlungsbedarfen, findet unter Einbezug heterogener Perspektiven statt. Sie geht Hand in Hand mit der Herausbildung eines transdisziplinären Forschungsteams, das Personen umfasst, die mit dem Problem in Beziehung stehen (Phase A). Wissenschaftliche Wissensbestände und Fragestellungen lassen sich im Wissensintegrationsprozess durch verschiedene Verfahren integrativer Forschung mit handlungsrelevanten Fragen und diversen Wissensbeständen verknüpfen, die im alltäglichen oder professionellen Handlungsvollzug erworben werden. Dabei sollte die Heterogenität von Wissen und Perspektiven auf das zu erforschende Phänomen bzw. zu lösende Problem zu einem vertieften Problemverständnis beitragen. Der Forschungsprozess selbst gerät so zum wechselseitigen Lern- und Aushandlungsprozess (Phase B). Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse sind auf die Mehrung wissenschaftlichen Wissens ebenso ausgerichtet wie auf deren Implementierung in den relevanten Handlungsfeldern. Die Teilhabe von und Mitgestaltung durch Personen aus den betreffenden Feldern an transdisziplinären Forschungsprozessen sollten die wirkungsvolle Integration auf kurzem Wege fördern. Basierend auf dem ISOE Modell haben Lang et al. (2012) Prinzipien der transdisziplinären Forschung erarbeitet, die für das Design, die Implementierung, wie auch Evaluation derartiger Forschungsprozesse dienlich sind.

2.2 Integrative Forschung und Diskussion

Methodiken integrativer Forschung werden in verschiedensten Forschungsbereichen entwickelt. Um sie zugänglich zu machen und ihre Anwendung zu erleichtern, gibt es inzwischen weltweit mehrere Plattformen im Netz, die sich diesen Methodiken widmen (Tab. 38.1).

Tab. 38.1 Plattformen zu Methoden integrativer Forschung

Die Frage, ob integrative Forschungsansätze, wie die hier beschriebene co-creation und die Transdisziplinarität, zu einer besseren Wirksamkeit der Ergebnisse führen, war wissenschaftlich lange nicht geklärt. Inzwischen können Newig et al. (2019) einen positiven Zusammenhang nachweisen Die Voraussetzung ist, dass die Beteiligten aus der Praxis frühzeitig in das Projekt und dessen Planung eingebunden werden und es ein professionelles Projekt- und Dialogmanagement gibt (Newig et al. 2019).

Vor allem im Arbeitsgebiet „Klimaservice“ gibt es Studien, die eine Diskrepanz zwischen bestimmten Produkten und den anwendungsbezogenen Bedürfnissen feststellen (z. B. Clar und Steurer 2018; Capela Lourenço et al. 2016; Hammill et al. 2013). Oft endet nämlich die Interaktion mit den Personen aus der Praxis beispielsweise bereits mit der Fertigstellung des Produktes. Stattdessen würde eine kontinuierliche Weiterführung der Partnerschaften die laufende Nutzung und Weiterentwicklung der Dienste befördern (Webb et al. 2019). Diese Annahme wird gestützt durch ein entsprechendes Plädoyer aus der Praxis, das aus einer Umfrage unter Beteiligten an co-creation-Prozessen stammt (Timm et al. 2022).

Forschung zu komplexen Problemen, deren Lösung gesellschaftlicher Transformation bedarf, sollte nicht nur wissenschaftlich, sondern ebenso sozial robustes Wissen hervorbringen (Gibbons 1999). In diesem Zusammenhang fordert Gibbons eine Neubestimmung des Verhältnisses von Wissenschaft und Gesellschaft und ein offeneres, selbstorganisiertes und gesellschaftlich breit aufgestelltes System von Wissensproduktion. Die Art zu forschen wird zunehmend zu einer Frage nach gesellschaftlicher Zukunftsfähigkeit. Wie sich sozial robustes Wissen und die in der Agenda 21 geforderte „vollwertige Partnerschaft“ (s. oben) konkret etablieren lassen und was dies für das Selbstverständnis von Wissenschaft sowie die spezifische Qualität wissenschaftlichen Wissens bedeutet, wird bislang jedoch sehr unterschiedlich adressiert (Vilsmaier 2021).

Die epistemisch-politische Dimension der Frage, wie wissenschaftliches Wissen und Erfahrungswissen oder tradiertes Wissen gleichwertig in Forschung einfließen könne, wird zum einen durch Addition beantwortet: Ein additives Verständnis integrativer Forschung ist dadurch charakterisiert, dass wissenschaftliche Wissensproduktion zwar in größere gesellschaftliche Forschungskonstellationen eingebettet wird und andere Wissensformen Berücksichtigung finden, die wissenschaftliche Rationalität davon aber unberührt bleibt. Andere Ansätze bevorzugen keine spezifische Form von Wissen und Wissensgenerierung, sondern behandeln sie gleichwertig. Dies wirft allerdings fundamentale erkenntnistheoretische und methodologische Fragen auf und eröffnet umgekehrt einen Raum zwischen Institutionen und Wissenskulturen, den es neu zu verhandeln und gestalten gilt (Vilsmaier 2021; Vilsmaier et al. 2017). Die große Herausforderung dieser Aushandlungsprozesse liegt vor allem darin, sowohl die orientierende Kraft wissenschaftlich legitimierten Wissens auf der einen Seite zu wahren als auch, andererseits, das forscherische Potenzial aller Menschen zu fördern, ihren Erfahrungsschatz zu heben und für gesellschaftliche Entwicklungen fruchtbar zu machen (Appadurai 2006).

Die beschriebenen Veränderungen in der Wissensproduktion bringen ganz neue Herausforderungen für Institutionen und die beteiligten Personen mit sich (Suhari et al. 2022) und verschieben deshalb auch die Landschaft der Forschungseinrichtungen. Wo gibt es Ressourcen und Strukturen, die integrative Forschung erlauben? An Bedeutung gewinnen zunehmend boundary organizations (Bischoff et al. 2007, Abschn. 39.1.2), die integrative Forschung und gesellschaftliche Transformation zu fördern vermögen, indem sie an der Schnittstelle zwischen Gesellschaft und Wissenschaft agieren. Dazu zählen gerade auch die Klimaserviceeinrichtungen, deren Etablierung in den vergangen 15 Jahren eine Vielzahl von Erprobungen integrativer Forschungsprozesse zu Klimaschutz und Klimawandelanpassung ermöglichte.

Das Potenzial integrativer Forschung für Klimawandelanpassung und Klimaschutz ist vielversprechend, zumal durch Perspektivenpluralität ein besseres, situatives Problemverständnis gewonnen werden kann. Darüber hinaus lassen sich durch aktive Teilhabe an kooperativen Forschungsprozessen eine stärkere Bindung an und Identifikation mit dem Thema – respektive der spezifischen Situationen – erwirken. Eine Aufwertung des Wissens(-potenzials) von Menschen sowie deren epistemischer Neugierde werden gefördert, indem Möglichkeiten zur Teilhabe und Teilnahme an Wissensgenerierung und gesellschaftlicher Gestaltung angeboten werden.

3 Wirksamkeit und Evaluation

Um erfolgreich Klimakommunikation und Klimaservice betreiben zu können, sind eine gewisse Professionalisierung und ein gewisses Qualitätsbewusstsein wichtig. In diesem Abschnitt werden Grundlagen der Evaluation und Wirkungsmessung sowie besondere Qualitätsaspekte von integrativer Forschung im Allgemeinen sowie Klimakommunikation und Klimaservice im Besonderen vorgestellt. Beispiele skizzieren die Evaluation verschiedener Klimaserviceprodukte.

Als grundlegende Definition von „Evaluation“ führt die Deutschen Gesellschaft für Evaluation (DeGEval) „eine systematische Untersuchung von Nutzen und/oder Güte eines Evaluationsgegenstandes auf Basis empirisch gewonnener Daten“ an (DeGEval 2017). Die wissenschaftliche Evaluation von Projekten der öffentlichen Hand (wie beispielsweise in der internationalen Entwicklung, in der Stadtteilarbeit oder in der Wissenschaft) ist inzwischen ein eigenes Forschungsfeld (Evaluationsforschung). Eine Evaluation impliziert eine Bewertung anhand offengelegter Kriterien für einen bestimmten Zweck (DeGEval 2017). Zahlreiche Veröffentlichungen widmen sich der praktischen Umsetzung von Evaluationen (Flick 2006; Widmer et al. 2009). Arten der Evaluation lassen sich nach verschiedenen Merkmalen unterscheiden, etwa dem Zeitpunkt der Evaluation und der Stellung des Evaluators zum Evaluationsgegenstand (DeGEval 2017).

Sich einer Evaluation anhand von Dimensionen zu nähern, die aus dem Logic-model-Ansatz abgeleitet sind, ist ein in der Literatur verbreiteter Vorschlag (Wall et al. 2017; Bremer et al. 2021). Im Vordergrund steht dabei der zeitliche Ablauf des Projektes. Die Projektphasen liefern somit die übergeordneten Dimensionen, unter denen sich Kriterien und Indikatoren einordnen. Gemäß OECD (2002) unterscheidet der Ansatz zwischen inputs, activities, outputs, outcome und impacts. Es geht etwa darum, ob die Forschungsresultate bzw. -produkte funktionieren (Evaluation der outputs), ob sie ihre Zielgruppen erreichen und angewendet werden (Evaluation des outcome). In weitergehenden Schritten werden durch die Produkte induzierte Verhaltensänderungen untersucht (Evaluation der impacts), wobei die Attribution, also die klare Zuordnung einer Wirkung zu einer bestimmten Ursache, oft ein Problem darstellt.

Allerdings wird zur Ausrichtung am Logic-model-Ansatz zunehmend darauf hingewiesen,

  1. 1.

    dass die Projektphasen bei integrativen Forschungsprojekten verschränkt sind (Lux et al. 2019) und es sich daher um eine eher künstliche Einteilung handelt.

  2. 2.

    dass nicht nur Projekte zu evaluieren sein könnten, sondern auch die Leistungen handelnder Personen (Maag et al. 2018). Hierfür eignet sich der Logic-Model-Ansatz nicht.

Maag et al. (2018) gehen deshalb anders vor, behalten aber den zeitlichen Ablauf des Projektes als Ordnungselement bei. Eine versuchsweise Neustrukturierung der Qualitätsdimensionen anhand inhaltlicher Kategorien, wie etwa der übergeordneten Qualitätsprinzipien transdisziplinärer Forschung, erscheint sinnvoll (Schuck-Zöller et al. 2022).

Zunehmend verschiebt sich der Fokus darüber hinaus von einer Evaluation der Resultate hin zu einer Evaluation von deren Entwicklungsprozessen (Evaluation der activities). Dies ist nur folgerichtig, nachdem sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass gut geleitete Prozesse einen großen Einfluss auf die Wirksamkeit der Forschungsresultate haben (Wolf et al. 2013). Werden die Prozesse begleitend evaluiert, handelt es sich um formative Evaluation, die die Chance bietet, während des Projektverlaufs umzusteuern. Bereits 2005 haben Bergmann et al. Anleitungen für formative Evaluation vorgestellt.

Auch im Klimaservice wird formative Evaluation zunehmend diskutiert (etwa Maag et al. 2018; Schuck-Zöller et al. 2022).

3.1 Evaluation von Kommunikationsmaßnahmen

Welch wichtige Rolle Evaluation für die Entwicklung erfolgreicher Strategien in der Wissenschaftskommunikation spielt, ist immer wieder Thema in einschlägigen Kreisen. Das Projekt Impact Unit hat nun eine Evaluationsplattform für Wissenschaftskommunikation entwickelt, die auch Evaluationswerkzeuge enthältFootnote 4. Es geht schwerpunktmäßig um die Befragung des Publikums oder der Zielgruppe der Kommunikationsaktivitäten. Einen methodisch breiteren Ansatz verfolgen Niemann et al. (2023) in ihrem neuen Sammelband. Sie widmen sich umfassend den Methoden zu wissenschaftlich fundierten Evaluationen von Wissenschaftskommunikation. Die Autoren und Autorinnen des Bandes schauen auf die Schnittstelle zwischen Evaluationsforschung, science of science communication und der evaluatorischen Praxis.

Das Projekt „Regen/Sicher“Footnote 5 ist ein gut dokumentiertes Beispiel für die Evaluation von Klimakommunikationsprojekten. Bereits während des Entwicklungsprozesses wurden alle während der Produktentwicklung eingesetzten Kommunikationsformate daraufhin getestet, ob sie bei der Zielgruppe Veränderungen in den zentralen psychologischen Faktoren erzeugen konnten (Born et al. 2021). Als besonders wirkungsvoll erwiesen sich in dieser Untersuchung adressatenspezifische Kommunikationsformate, die einen klaren Lebenswelt- oder Alltagsbezug erkennen lassen (Abschn. 38.1). Darüber hinaus ergab sich ein Unterschied zwischen „verhaltensfördernder“ und „verhaltenserzeugender“ Kommunikation (Born et al. 2021). Es zeigte sich, dass „aufsuchende“ Kommunikationsformate (beispielsweise ein Informationsstand am Baumarkt) wirksam sind, um Bürgerinnen und Bürger beispielsweise zur Starkregenvorsorge zu motivieren, die bisher keine Absicht zur Vorsorge hatten („verhaltenserzeugend“). Workshops, Veranstaltungen und Informationsmaterialien waren hingegen besonders dazu geeignet, vorhandene Vorsorgeabsichten zu stärken und zu unterstützen. Sie erreichen also eher diejenigen, die bereits beabsichtigen, Vorsorgemaßnahmen umzusetzen („verhaltensfördernd“). Mit derartigen Evaluationsergebnissen lassen sich Kommunikationsformate langfristig optimieren und effizient auf ihre intendierte Wirkung hin ausrichten. Allerdings ist zu beachten, dass „aufsuchende“ Aktivitäten oft sehr aufwendig sind und ein hohes Maß an Logistik, Erfahrung und Kommunikationstalent erfordern.

3.2 Evaluation von Klimaservice

In der Grundlagenforschung existieren seit langem Kriterien und Indikatoren für die Evaluation. Diese reichen jedoch für integrative Forschungsansätze nicht aus, geht es doch in der Grundlagenforschung vorrangig um die Wirkung innerhalb der Forschungswelt selber (Wolf et al. 2013), während die integrativen Forschungsansätze eine Wirkung in der Gesellschaft erzielen wollen (s. Abschn. 38.2). Diese Zielsetzung lässt sich mit den herkömmlichen Kriterien nicht abbilden, die sich vor allem an wissenschaftlichen Publikationen ausrichten.

In den letzten Jahren hat das Thema vor allem im internationalen Kontext an Aufmerksamkeit gewonnen (Spaapen und van Drooge 2011). Zahlreiche Publikationen beschäftigen sich mit Evaluationsansätzen für wissenschaftliche Projekte und Produkte (Wolf et al. 2013; Belcher et al. 2016), bisher vorwiegend aus der Perspektive der Wissenschaft. Besonders die spezifische Qualität von integrativen Forschungsansätzen und deren Resultaten wird in der Literatur thematisiert. In dem jüngeren Bereich des Klimaservice’ nahm die Diskussion in den letzten Jahren ebenfalls Fahrt auf.

Da sich Techniken der Integration von Fach- und Entscheidungskräften aus der Praxis über unterschiedliche Forschungsfelder hinweg sehr ähneln, lassen sich Evaluationsansätze aus anderen Forschungsfeldern auch im Bereich „Klimaservice“ als Grundlage verwenden. Wie kann also eine erfolgreiche und effektive integrative Forschung sichergestellt werden, die für eine handlungsaktivierende Wirkung unerlässlich ist?

Viele unterschiedliche Kriterien- und Indikatorenlisten sind in der Literatur zu finden (Bergmann et al. 2005; Jahn und Keil 2015; Maag et al. 2018; Schuck-Zöller et al. 2017, 2018), je nach Evaluationszweck, -gegenstand und -ansatz. Kriteriensets (etwa für Klima- und Küstenserviceprodukte: Schuck‐Zöller et al. 2017) sind jedoch immer übergreifende Angebote, aus denen die Evaluatorinnen und Evaluatoren Kriterien und Indikatoren wählen müssen, die sich an der Zielsetzung einer geplanten Evaluation, am Evaluationsgegenstand und am Ziel des Projektes orientieren (DeGEval 2017; Maag et al. 2018). Denn nicht alle Kriterien und Indikatoren sind für alle Produkte und Anwendungen geeignet.

Die Literatur weist vorrangig Beispiele von Projektevaluationen auf (Jahn und Keil 2015; Wall et al. 2017; Maag et al. 2018), deren Methodiken teilweise auf Klimaservice übertragbar sind (Wall et al. 2017; Haße und Kind 2019). Die Evaluation einzelner Produkte ist seltener zu finden (Körner und Lieberum 2014; Haße und Kind 2019). In den meisten Fällen wurde ein Mix aus quantitativen und qualitativen Methoden verwendet, wie es die Grundlagenliteratur (Flick 2006) empfiehlt, um ein möglichst breites Bild des Evaluationsgegenstandes zu erhalten.

Abb. 38.2
figure 2

Evaluation des Produktes Country Climate-Fact-Sheets (CFS): Das Kriterium „Zufriedenheit“ wurde über fünf unterschiedliche Fragestellungen erfasst. Das Zufriedenheitsprofil der Nutzerinnen und Nutzer beim Produktentwicklungspartner KfW (orange Linie) weicht nur leicht vom Zufriedenheitsprofil bei der internationalen Nachnutzung (grüne Linie) ab. Für die Darstellung wurden die zwei positiven Antworten einer fünfstufigen Likert-Skala zusammengefasst. (© GERICS)

Am Beispiel der In-house-Evaluation des Klimaservice-Produktes GERICS Country Climate-Fact-SheetsFootnote 6 lässt sich die Idee der Produktevaluation verdeutlichen. Die Climate-Fact-Sheets wurden vom Climate Service Center Germany (GERICS) gemeinsam mit der KfW-Entwicklungsbank in einem intensiven transdisziplinären Prozess erarbeitet (GERICS 2018). Eine interne Evaluation, die im Jahr 2017 stattfand, umfasste sowohl quantitative als auch qualitative Methoden und unterschiedliche Umfragen für die verschiedenen Nutzergruppen, wobei sie sich auf outputs und outcome (OECD 2002) konzentrierte. Für das outcome-Kriterium „Zufriedenheit“ zeigt Abb. 38.2 fünf Fragestellungen – sowohl mit Bezug auf die Produktnutzung weltweit als auch auf die Nutzung innerhalb der Bank, für die das Produkt entwickelt worden ist.

Diese In-house-Evaluation hat sich als sehr sinnvoll herausgestellt, stellten die Ergebnisse doch ein wichtiges feedback für die Beteiligten dar, die das Produkt entwickelt haben. So ermöglichte sie beispielsweise die Identifizierung von Schwachstellen sowie eine Sammlung von Anregungen zur Weiterentwicklung des Produktes zu einer Serie.

3.3 Konsequenzen und Ausblick

Evaluationen liefern wichtige Informationen über die Wirksamkeit und Akzeptanz von Klimaserviceprodukten und deren Entwicklungsprozessen. Sie befördern auf diese Art Innovation und gesellschaftliche Transformation in Reaktion auf den Klimawandel. Die Entwicklung geeigneter und gerechter Evaluationskriterien und -indikatoren für Prozesse, Produkte und Projekte des integrativen Forschungsmodus ist auch weiterhin sehr wünschenswert (Lux et al. 2019). Eine zunehmende Sensibilität für die Wichtigkeit von Evaluationsvorgängen im Klimaservice ist zu erhoffen, damit Aufschluss über einzelne Produkte gewonnen wird. Inzwischen stehen den an integrativen Forschungsprozessen Beteiligten Anleitungen zur Selbstevaluation zur Verfügung (Jahn und Keil 2015; Schuck-Zöller et al. 2022). Sinnvoll wäre eine Berücksichtigung der dafür benötigten zeitlichen und finanziellen Ressourcen durch die fördernden Institutionen.

Für jede Art von Evaluation wird eine Vielfalt an Dokumenten und Daten benötigt, die es den evaluierenden Personen erlaubt, sich ein genaues Bild vom Evaluationsgegenstand zu machen. In der Wissenschaft sind Daten und Methodikansätze so transparent zu dokumentieren, dass alle Produktionsschritte nachvollziehbar sind. Dieses Monitoring ist erfahrungsgemäß in im Klimaservice derzeit eher bei den Forschungsarbeiten Standard, jedoch noch nicht durchgehend bei den integrativen Prozessen.

Angesichts der vielfältigen Abstimmungs- und Iterationsprozesse zwischen Wissenschaft und Praxis, die es ebenfalls festzuhalten gilt (Norström et al. 2020), ist eine detaillierte Dokumentation der einzelnen Schritte ein aufwendiges Unterfangen. Das Projekt NorQuATransFootnote 7 hat sich unter anderem eine Entwicklung von Monitoringmethoden zur Dokumentation transdisziplinärer Prozesse zur Aufgabe gemacht.

Zunehmend gerät die Perspektive der Praxis auch in Bezug auf die Evaluation in den Blick. Auf eine möglicherweise andere Sichtweise auf die Qualität weisen Lux et al. (2019) hin. Ähnlich argumentieren Restrepo et al. (2020), die Produktentwicklungsprozesse würden bisher zu wenig aus der Sicht der Nutzerinnen und Nutzer betrachtet. Diese Gruppe sollten künftig nicht nur in die Entwicklung der Produkte einbezogen und im Anschluss nach deren Praxistauglichkeit gefragt werden, sondern auch das Design der Evaluationen sowie Kriterien und Indikatoren mitbestimmen können (co-evaluation). Der integrative Forschungsmodus könnte so – ganz im Sinne seiner Idee – konsequenter evaluiert und vollendet werden.

4 Kurz gesagt

Klimakommunikation und -service agieren gleichermaßen forschungsbasiert. Die Klimakommunikation mit überwiegend monodirektionalen Ansätzen und ohne Forschungsanspruch bedarf klarer strategischer Konzepte und detaillierter Planung für jede einzelne Aktivität. Der Klimaservice betreibt gezielte Entwicklung von Produkten als Antworten auf den Klimawandel, entweder aus eigenem Antrieb oder auf Anforderung und im Dialog mit den Produktnutzerinnen und -nutzern. Diese integrative Forschung bezieht den Praxispart ein, um gut anwendbare Lösungen zu generieren. Die Entwicklung von Ansätzen und Methoden für integrative Forschung erfolgt in unterschiedlichen wissenschaftlichen Gemeinschaften, derzeit teilweise aufeinander bezogen und feldübergreifend generalisiert, teilweise separiert und aufs eigene Forschungsfeld fokussiert. Eine reiche Fallbeispielliteratur zeugt davon. Gemeinsam ist den Ansätzen der integrativen Forschung die Orientierung auf Probleme der Praxis und die damit verbundene Notwendigkeit, Kooperationen zwischen unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen zu ermöglichen.

Um die Wirksamkeit integrativer Forschungsansätze zu untersuchen und sicherzustellen, sind anspruchsvolle Evaluationsansätze nötig, die weit über die in der Grundlagenforschung bisher übliche Qualitätsbewertung hinausgehen. Diese Evaluation, die sich auch als Selbst- oder In-house-Evaluation von der Wissenschaftsseite selbst betreiben lässt, kann über den gesamten Forschungsprozess stattfinden, entweder begleitend als formative Evaluation oder im Nachhinein, bezogen auf die entstandenen Resultate und möglicherweise sogar auf deren Wirkung.