Der Ausgangspunkt, Anpassung an den Klimawandel auf die politische Agenda in Deutschland zu setzen, war die internationale Verpflichtung aus der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen von 1992Footnote 1 (Abschn. 25.2), nach der in den Vertragsstaaten Maßnahmenprogramme zur Anpassung an den Klimawandel entwickelt werden sollen (Bundesregierung 2008). Der Bund griff dieses Ziel im Klimaschutzprogramm 2005 auf nationaler Ebene auf, das dann 2007 durch Beschluss der Umweltministerkonferenz auch auf Länderebene gestützt wurde (Stecker und Mohns 2012; Westerhoff et al. 2010). Die Bundesregierung verabschiedete schließlich 2008 die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) als Grundlage für einen mittel- bis langfristigen politischen Prozess. Dazu formuliert sie ein übergreifendes Ziel, benennt Handlungsoptionen sowie Verantwortlichkeiten und definiert weitere Meilensteine (Bundesregierung 2008).

Inzwischen hat sich Anpassung an den Klimawandel zu einem eigenständigen Politikfeld entwickelt (Massey und Huitema 2012). Die politische Umsetzung orientiert sich an einem Politikzyklus mit folgenden aufeinander aufbauenden Schritten, welche regelmäßig neu bearbeitet werden:

  • Bewertung von Klimafolgen und Vulnerabilitäten.

  • Identifizierung und Auswahl von Anpassungsoptionen.

  • Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen.

  • Monitoring und Evaluierung von Anpassungsmaßnahmen und Strategieprozess.

Dem Subsidiaritätsprinzip folgend ist dieser Politikzyklus auch auf den anderen politischen Ebenen relevant und wird dementsprechend in den Ländern und Kommunen etabliert – mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und Bearbeitungstiefe. Während die Klimaanpassungsstrategien auf Bundes- und Länderebene mit Politikinstrumenten (Abschn. 37.2.1) eine erfolgreiche Anpassung der Gesellschaft unterstützen wollen, begegnen kommunale Maßnahmenpläne gezielt den lokalen Herausforderungen.

Anpassungsstrategien sollten noch stärker die Synergien zu anderen gesellschaftlichen Herausforderungen wie dem Klimaschutz und der nachhaltigen Entwicklung thematisieren (Kap. 31). Naturbasierte Ansätze, die natürliche Funktionskreisläufe integrieren, zielen auf solche multifunktionalen Lösungen (Kap. 34). Obwohl die grundsätzlichen Anpassungsoptionen weitestgehend bekannt sind, erschweren jedoch unterschiedliche Barrieren (Abschn. 37.2) die Umsetzung von bereits heute erforderlichen Anpassungsmaßnahmen. Herausfordernd ist zudem eine Erfolgsmessung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel. Ansätze zur Evaluation existieren, müssen aber im Hinblick auf Datenverfügbarkeit und der Korrelation von Ursache und Wirkung weiter optimiert werden (Abschn. 37.2.4).

1 Politikgestaltung im Mehrebenensystem zur Anpassung an den Klimawandel

Viele Regionen Europas sind vulnerabel gegenüber Klimaänderungen. Extremereignisse wie Hochwasser in Flussgebieten und Küstenräumen sowie Hitzeperioden sind Schlüsselrisiken, die auch für Deutschland eine besondere Relevanz haben (Kap. 36; EEA 2017; IPCC 2014). Da die Auswirkungen regional unterschiedlich sind, braucht es neben einer staaten- und länderübergreifenden strategischen Zusammenarbeit auch regional maßgeschneiderte Lösungen (Isoard 2011). Dabei sind auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen Lösungsansätze gefragt (Kap. 36). Für das Management von Hochwasserrisiken ist z. B. das Flussgebiet die maßgebliche Betrachtungsebene, während die Anpassungsmaßnahmen vorrangig durch die Bundesländer und Kommunen umgesetzt werden. Das Politikfeld der Anpassung an den Klimawandel wird aufgrund der Breite an potenziellen Klimafolgen und Betroffenheiten durch eine Vielzahl von staatlichen und nichtstaatlichen Handelnden geprägt. Im Folgenden soll in hierarchischer Abfolge auf die zentralen politischen Ebenen (Europa, Bund, Bundesland, Kommune) – mit Schwerpunkt auf der Bundesebene – fokussiert werden.

1.1 Europäische Ebene

Die Europäische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel sollte Maßnahmen in EU-Mitgliedstaaten fördern, Wissensgrundlagen für Entscheidungen bereitstellen und die Widerstandskraft der wichtigsten Politikbereiche wie Landwirtschaft, Infrastruktur und Umwelt stärken. Die EU stellte dafür Geld über Kohäsionsfonds und Förderprogramme für Forschung (Horizon 2020) und Umwelt (Life) bereit (EC 2013a, b). EU-Maßnahmen zur Klimafolgenprüfung (climate proofing) der Agrar-, Fischerei- und Strukturpolitik ergänzten das Strategiepaket (McCallum et al. 2013). Die EU Kommission steuerte durch mainstreaming, d. h. durch Integration von Anpassung an den Klimawandel in Planungs- und Entscheidungsprozesse sowie Politikinstrumente 1) horizontal in Fachpolitiken verschiedener Generaldirektionen, 2) vertikal zwischen EU- und Mitgliedsstaatenpolitiken und mittels Koordinierung (Biesbroek und Swart 2019).

Da soziale und ökonomische Transformationen in diesem Ansatz unerwähnt blieben, kritisierte Remling (2018) Verwerfungen zwischen dem deklarierten Ehrgeiz, Anpassung umzusetzen, und der impliziten Annahme, es müsse sich nichts ändern, weil die Herausforderung allein durch den Markt, technische Innovationen und mainstreaming in bestehende Politiken adressiert würden. Ebenso fehlten ein holistischer Ansatz (wie beispielsweise das Sendai framework für Katastrophenschutz, UN Nachhaltigkeitsziele) sowie die internationale Dimension (EEA 2020).

Obwohl die EU als supranationale Organisation mit eigener Anpassungspolitik als frontrunner gilt, blieben der Erfolg der EU-Strategie stark abhängig von Umsetzungsmechanismen in den EU-Mitgliedsstaaten, die Aufmerksamkeit im privaten Sektor begrenzt. Die Evaluatoren der EU-Strategie empfahlen deshalb eine verbindliche, Klimaschutz und Anpassung integrierende Richtlinie, mit sich am UNFCCC-Prozess orientierenden Berichtspflichten. Da hierzu notwendiges Monitoring, Reporting und Evaluierung (MRE) hoch anfällig gegenüber Alibipolitik, Werturteilen sowie dem Erfassen von Aktionen und deren Ergebnissen ist, sollte MRE Gegenstand weiterer Forschung und methodologischer Verbesserungen sein (Biesbroek und Swart 2019; Smithers et al. 2018; EEA 2020).

Die EU rahmte die Weiterentwicklung ihrer Anpassungsstrategie im Green Deal (EC 2019) neu. Damit werden notwendige Transformationen klarer: Umbau der europäischen Wirtschaft für eine nachhaltige Zukunft, flankiert durch einen „Fonds für einen gerechten Übergang“. Der Green Deal betont die Sicherung der Klimaverträglichkeit, einen Resilienzaufbau sowie die Vorsorge gegen Klimarisiken, unterstützt durch besser verfügbare Daten und Instrumente zur Risikobewertung sowie eine Mobilisierung öffentlicher und privater Gelder. Das Kernziel des Green Deal „Klimaneutralität bis 2050“ wird in einem Klimagesetz (Green Deal 2021) festgeschrieben, welches – genau wie der Green Deal selbst – ambitionierten Klimaschutz konsequent neben Klimaanpassung setzt. Die Governance-Verordnung der Energieunion regelt seit 2021 die Berichtspflichten (EC 2018). Die weiterentwickelte Strategie orientiert auf smartere, raschere sowie stärker systemisch integrierte Anpassungsmaßnahmen und hebt internationale Anpassungspolitiken hervor. Hierzu gehört ein verbesserter, datenbasierter Klimaservice (Kap. 38). Inhaltliche Schwerpunkte bilden die Sicherung der Wasserverfügbarkeit, naturbasierte Lösungen und das mainstreaming von Klimaanpassung in die europäische Fiskalpolitik. Die verbesserte Umsetzung von Klimaanpassung auf der lokalen Ebene wird durch spezifische Maßnahmen sowie Finanzierungsinstrumente (wie die EU Horizon Mission on Adaptation) vorangetrieben (EC 2021).

Im Jahr 2020 hatten fast alle europäischen Staaten Anpassungspolitiken implementiert, 30 Staaten hatten eine nationale Strategie und 20 davon nationale Maßnahmenpläne erstellt (EEA 2020). Auch in Staaten ohne Strategiedokumente gibt es Anpassungsmaßnahmen (Pietrapertosa et al. 2018). Nationale Anpassungsstrategien sind meist langfristig, umfassend, integrierend, multisektoral und bilden verschiedene Governance-Ebenen ab. Nur Ungarn, Litauen und Rumänien integrierten ihre Klimaschutz- und Klimaanpassungsstrategien. Bisher enthalten sie wenig Information zur Umsetzung (Woodruff und Regan 2019), obwohl einige Staaten (wie Österreich, Deutschland) bereits Evaluierungsprozesse implementierten. Nationale Maßnahmenpläne fokussieren regional unterschiedliche Risiken und setzen unterschiedliche Schwerpunkte im policy mix. Die meisten Staaten setzen Maßnahmen für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, Gesundheit sowie Biodiversität fest, seltener auch für Bau, Infrastruktur oder Tourismus. Nach irischem Klimagesetz veröffentlichen die einzelnen Ministerien ihre eigenen Anpassungspläne. Griechenland wird diesem Beispiel folgen. Frankreichs Aktionsplan fokussiert auf spezifische Ökosysteme und Wirtschaftsbereiche. Deutschlands Clusteransatz bündelt stark verflochtene Fachthemen und verbessert damit die sektorübergreifende Integration der Maßnahmen (Abschn. 37.1.2). Einen aktuellen Überblick gibt die EU-Plattform Climate-ADAPTFootnote 2.

Nationale Maßnahmen fokussieren oft auf Forschung, Vulnerabilitätskartierung, Planung sowie Information und Sensibilisierung (EEA 2014a, b). Die Umsetzung von Klimawandel-novellierten EU-Richtlinien in nationales Recht wie zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und zur Strategischen Umweltprüfung (SUP) wird in Österreich, Belgien, Irland und Polen durch Leitfäden unterstützt. Jenseits von Klimagesetzen haben nur wenige Staaten neue Rechtsinstrumente implementiert. Eher wird Klimawandel in vorhandene Instrumente aufgenommen, wie in die Fortschreibung der Bewirtschaftungspläne gemäß EG-Wasserrahmenrichtlinie. Im Gesundheitssystem entstanden Frühwarnsysteme, ein ebenso wichtiges integriertes Klima-, Umwelt- und Gesundheitsmonitoring sowie der Ausbau klimaresilienter Gesundheitsinfrastrukturen fehlen jedoch (EEA 2020). Gute Beispiele für adaptives Management sind das Konzept der „Anpassungspfade“ (Zandvoort et al. 2017) und der ökosystem- bzw. naturbasierten Klimaanpassung, die sich oft in Land-, Forst- und Wasserwirtschaft und im Bausektor finden (Ecofys et al. 2016). Öffentliche Investitionen in Küstenschutzmaßnahmen (LIFE Programm) sollten stärker auf eine Anpassung an den künftigen Klimawandel ausgerichtet werden (López-Dóriga et al. 2020). Die „Grüne Taxonomie einer nachhaltigen Finanzierung“ definiert im Rahmen einer EU-Verordnung Kriterien für nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten und dürfte ein stärkeres Engagement Privater in klimawandelgerechte Investitionen unterstützen (EU 2020/852).

1.2 Bundes- und Länderebene

Die Deutsche Anpassungsstrategie einschließlich der Fortschrittsberichte sind die grundlegenden Dokumente auf Bundesebene, welche die Ziele und Grundsätze der Anpassung an den Klimawandel definieren. Anpassung an den Klimawandel soll durch das Prinzip des mainstreaming umgesetzt werden (Bundesregierung 2008, 2015, 2020). Demzufolge forciert die Deutsche Anpassungsstrategie die horizontale Integration von Anpassung an den Klimawandel in die verantwortlichen Bundesministerien. Institutionalisiert wurde dieser Prozess, indem die Bundesregierung die interministerielle Arbeitsgruppe Anpassungsstrategie (IMA Anpassungsstrategie) unter der Federführung des Bundesumweltministeriums einrichtete. Deutschland verfolgt dabei einen network mode of governance; das bedeutet, die Ministerien arbeiten auf freiwilliger Basis zusammen. Die Entscheidungen der IMA Anpassungsstrategie werden konsensual ausgehandelt und beschlossen. (Bauer et al. 2012). Die Konsensorientierung mit Vetorecht einzelner Ressorts führt zu einer „negativen Koordination“, welche die Aushandlung gemeinsamer ressortübergreifender Zielvorstellungen und Maßnahmen erschweren (Hustedt 2014).

Hervorgehoben wird in der DAS zudem das Prinzip der Subsidiarität, das auf die geteilten Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen Bezug nimmt. Da Klimafolgen lokal wirksam werden, entwickeln Bund und Länder primär einen instrumentellen Rahmen für die Implementierung auf lokaler Ebene. Inzwischen sind alle Bundesländer im Kontext Klimaanpassung aktiv: Mehr als die Hälfte haben einen rechtlichen Rahmen aufgesetzt und fast alle eigene Strategien und Maßnahmenprogramme erarbeitet (Bundesregierung 2020). Das föderale System stellt besondere Governance-Anforderungen an die vertikale Integration der Anpassungspolitik. Mit dem Ständigen Ausschuss zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels hat die Umweltministerkonferenz ein themenspezifisches Gremium für die koordinierte Abstimmung zwischen Bund- und Länderebene etabliert. Nach Weiland (2017) verbleibt mit der Anbindung an die Umweltministerkonferenz die vertikale Integration sektoral und wird somit nicht umfassend horizontal verzahnt.

Der nationale Anpassungsprozess ist durch einen kontinuierlichen wissenschaftlichen Beratungs- und Begleitprozess gekennzeichnet, der durch eine Vielzahl an Forschungsinstitutionen und wissenschaftlichen Fachbehörden gestützt wird. Das Bundesumweltministerium richtete 2006 für diese Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik das Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (KomPass) im Umweltbundesamt dauerhaft ein. KomPass betreibt mit Mitteln der Ressortforschung politikrelevante Forschung und trägt die Ergebnisse direkt in die Entscheidungs- und Abstimmungsgremien der DAS (IMA Anpassungsstrategie und Ständiger Ausschuss Anpassung). Die Vulnerabilitäts- und Risikoanalysen des Bundes bilden die fachliche Basis zur Weiterentwicklung der DAS. Sie integrieren auch nichtklimatische Einflussgrößen auf die Vulnerabilität (Buth et al. 2015) und beziehen nunmehr auf einer weiterentwickelten methodischen Grundlage die Bewertung der Anpassungskapazität ein (Kahlenborn et al. 2021). Verbindendes Element zu den Aktionsplänen des Bundes sind die aus den Vulnerabilitäts- und Risikoanalysen abgeleiteten Handlungserfordernisse für die Klimaanpassung in Deutschland (Bundesregierung 2015, 2020). Woodruff und Regan (2019) arbeiteten heraus, dass die Qualität nationaler Aktionspläne entscheidend davon abhängt, ob sie durch eine sektorübergreifende Arbeitsgruppe entwickelt werden. Diese ressortübergreifende fachliche Zusammenarbeit erfolgt durch das Behördennetzwerk Klimawandel und Anpassung (Bundesregierung 2020). Um den Erfolg der DAS zu prüfen und Vorschläge für die Weiterentwicklung zu erarbeiten, wurde mit dem Fortschrittsbericht von 2015 erstmalig eine Evaluierung durchgeführt (Abschn. 37.2.4), welche regelmäßig erneuert werden soll.

Zur breiteren Einbeziehung gesellschaftlicher Gruppen werden von den Bundesministerien insbesondere Stakeholderdialoge, Fachworkshops, Konsultationen und Onlineumfragen genutzt. Nichtstaatliche Institutionen der Anpassung an den Klimawandel sind unter anderem Unternehmensverbände, z. B. der Versicherungswirtschaft, Industrie-, Handwerks- und Landwirtschaftskammern, große vom Klimawandel potenziell betroffene Industriebetriebe und Normungsinstitutionen. Die Beteiligung zielt dabei auf den Austausch von Wissen und kaum auf die Aushandlung von unterschiedlichen Interessen der Beteiligten ab; die Entscheidungshoheit verbleibt bei den staatlichen Institutionen (Hoffmann et al. 2020; Grothmann 2020; Bauer et al. 2012). Hulme et al. (2009) erachten den Einbezug von Stakeholdern und informellen Netzwerken als essenziell für den Aufbau von Anpassungskapazität (Kap. 27). Wie die Einbindung von Stakeholdern in konkrete Beteiligungsformate erfolgreich gelingen kann, zeigen Lange et al. (2021) auf. Eine Beteiligung der breiten Öffentlichkeit wurde bisher im Strategieprozess kaum verfolgt; allerdings würden Potenziale in der gemeinsamen Entwicklung von positiven Zukunftsvisionen liegen, auch um das umsetzende Handeln zu motivieren (Grothmann 2020). Da die Bevölkerung die eigene Betroffenheit von den Folgen des Klimawandels zunehmend wahrnimmt (BMU und UBA 2019), ergeben sich Anknüpfungspunkte, um die eigene Verantwortung für die Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen zu adressieren.

Themen, die in der DAS bisher kaum aufgegriffen sind und Potenziale für die Weiterentwicklung bieten, betreffen erstens die Politikintegration mit der Nachhaltigkeitsstrategie. Zweitens sind Umweltgerechtigkeit und soziale Implikationen der Anpassung an den Klimawandel (Kap. 36) bisher kaum adressiert worden. Drittens wird in der DAS die Bedeutung der öffentlichen Bewusstseinsbildung hervorgehoben, jedoch wurde bisher kein umfassender gesellschaftlicher Dialog über die Zielrichtung der Anpassung an den Klimawandel geführt.

Zukünftig, im Zuge der strategischen Weiterentwicklung, wird zudem zu prüfen sein, ob ein schrittweises Vorgehen mit eher kurzfristigen Lösungsansätzen und dem Fokus auf Low-bzw. No-regret-Maßnahmen (inkrementeller Ansatz) ausreichend oder eine transformative Anpassungspolitik erforderlich ist, die mit einem sozialen (Werte-)Wandel einhergeht (transformativer Ansatz) (EEA 2013; Abschn. 39.1.1).

1.3 Kommunale Ebene

Kommunen gehören zu den zentralen Akteuren der Anpassung an den Klimawandel, da viele Folgen des Klimawandels ihre Wirkung auf der lokalen Ebene zeigen. DAS und die Aktionspläne des Bundes stellen die zentrale bundespolitische Grundlage dar (Abschn. 37.1.2), die Klimafolgenanpassung auch in Städten und Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland voranzutreiben (Bundesregierung 2008; Bundesregierung 2011; UBA 2019).

Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel stehen trotz ihrer großen Bedeutung für die nachhaltige Stadtentwicklung bisher häufig noch nicht im Vordergrund der kommunalen Planungspraxis (UBA 2015): Während der Klimaschutz bereits seit vielen Jahren fester Bestandteil der Kommunalpolitik ist (Difu 2015b), wurde auf der kommunalen Ebene erst vor wenigen Jahren begonnen, sich auf die nicht mehr abwendbaren Folgen des Klimawandels einzustellen (Bundesregierung 2015; UBA 2019). In den letzten Jahren hat die Anpassung an den Klimawandel als Querschnittsthema dann einen enormen Bedeutungszuwachs in deutschen Kommunen erfahren. Ursachen können in der Zunahme von Extremwetterereignissen gesehen werden (Hasse et al. 2019): Die immer häufiger auftretenden Hitzesommer von 2015 bis 2017, lokale Starkregenereignisse wie in Simbach (2016) oder regional wirkende Stürme wie „Ela“ in Nordrhein-Westfalen (2014) sind als Folgen des Klimawandels stärker als bisher in das Bewusstsein von Bevölkerung und Politik gerückt. Darüber hinaus zeigt die Analyse von Klimaanpassungs- und Klimaschutzstrategien in zahlreichen deutschen Groß- und Mittelstädten, wie wichtig Schlüsselakteure für das Thema sind und wie die enge Zusammenarbeit von Stadtverwaltungen, Strukturen des Bevölkerungsschutzes und der Zivilgesellschaft die städtische Resilienz stärken (Thieken et al. 2018).

In einer 2018 durchgeführten bundesweiten Umfragen zur Wirkung der Deutschen Anpassungsstrategie für die Kommunen zu Strategien, Handlungsfeldern und dem Stand der Umsetzung in großen Städten, mittleren und kleineren Kommunen sowie Landkreisen gaben über 80 % der antwortenden Städte und Gemeinden an, von extremen Wetterereignissen und anderen negativen Klimawandelfolgen betroffen gewesen zu sein. Überwiegend handelte es sich um Starkregenniederschläge, Hochwasserereignisse, Stürme sowie Hitze- und Dürreperioden (Abb. 37.1).

Abb. 37.1
figure 1

Kommunale Motivation für Aktivitäten im Bereich Klimaanpassung. (Hasse et al. 2019)

Die Betroffenheit durch solche Extremwetterereignisse stellte für viele Städte, Gemeinden und Kreise die Motivation dar, in der Klimaanpassung aktiv zu werden. Auch Führungskräfte, die sich für Klimaanpassung engagieren, Förderprogramme und Forschungsprojekte sowie Synergien mit anderen Themen der Stadtentwicklung sind als starke Motoren für kommunale Aktivitäten identifiziert worden (Hasse et al. 2019).

Doch um von der Betroffenheit durch Klimawandel zur Entwicklung von Anpassungskonzepten, zur politischen Legitimation von Anpassungsstrategien und zur Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen zu kommen, bedarf es breiter Unterstützung und zahlreicher Beratungsangebote für Kommunen (Difu 2015a, b). Im Jahr 2018 haben laut DAS-Umfrage 45 bis 60 % der an der Umfrage teilnehmenden Kommunen keine formalen Instrumente zur Klimaanpassung vorliegen oder streben dies an. Dies gilt gerade für kleinere Kommunen und Landkreise. Den Unterstützungsbedarf belegen auch Aussagen von kommunalen Verbänden (Deutscher Städtetag 2019; Klima-Bündnis 2020).

Denn das Querschnittsthema Klimafolgenanpassung umfasst nicht nur planerische und technische Strategien und Maßnahmen in einem Ressort. Vielmehr adressiert und erfordert Anpassung im Sinne von governance auch organisatorische Strukturen (Prozesse und Instrumente zur Koordination, Steuerung und Verstetigung), ökonomische (Anreiz- und Fördersysteme), kommunikative (Wissens- und Informationsvermittlung, Kompetenzaufbau) und soziale Strategien (Sensibilisierung und Beteiligung von Akteuren, intra- und interkommunale Kooperationen u. ä.) unter Beteiligung zahlreicher Ressorts einer Kommunalverwaltung (Difu 2015b; Schüle et al. 2016). Am häufigsten ist das Thema Anpassung in den Bereichen Umwelt und Stadtplanung verankert, gefolgt von Stadtentwicklung und Siedlungsentwässerung.

Förderstrategien und -beratung unterstützen Kommunen zunehmend bei der Integration, der Umsetzung und der Verstetigung der Klimavorsorge. Die BundesförderungFootnote 3 sowie zahlreiche Landesprogramme zielen darauf ab, die Anpassungsfähigkeit insbesondere auf der lokalen und regionalen Ebene zu stärken. Bei Planung und Erprobung wird durch solche Förderprogramme und in zahlreichen Forschungsprojekten Wissen, Innovation und Umsetzungskompetenz in den Kommunen erarbeitet. Ein besonderer Schwerpunkt in Kommunen lag in den letzten Jahren insbesondere in den Handlungsfeldern Überflutungsvorsorge und Qualifizierung der grünen Infrastruktur. Aufgrund mehrerer Hitzesommer stehen derzeit verstärkt Gesundheits- und Hitzevorsorge im Mittelpunkt (Difu 2018; Mücke und Straff 2018; Schubert et al. 2020).

Auch wenn immer mehr Kommunen in Deutschland einen angemessenen Umgang mit den Herausforderungen des Klimawandels vor Ort erlangen, sind bisher in Modellvorhaben zum Aufbau von Klimaresilienz überdurchschnittlich viele Großstädte beteiligt (Kind et al. 2015a, b). Weiterer Handlungsbedarf besteht auch bei der personellen Ausstattung, Aufbau und Vermittlung von Fachwissen und der Verfügbarkeit gesonderter finanzieller Mittel (Hasse et al. 2019; Kind et al. 2015a, b; Gaus et al. 2019). Um klimagerechte Stadtentwicklung im Sinne des mainstreamings als Querschnittsthema in deutschen Kommunen zu integrieren, gehört Klimafolgenanpassung noch mehr in die Breite getragen und auch in kleinen und mittleren Kommunen etabliert.

2 Ansätze und Hemmschuhe der Umsetzung geeigneter Anpassungsmaßnahmen

Die Entwicklung geeigneter Politikinstrumente zur Anpassung an den Klimawandel wird in der Literatur vor allem für die Bundes- und Länderebene diskutiert. Politikinstrumente sollen zum einen helfen, die Anpassung an den Klimawandel auf die Agenda von Kommunen, Regionen und privaten Akteuren zu setzen. Zum anderen sollen Anpassungsmaßnahmen so gesteuert werden, dass adäquate klimaangepasste Strukturen aufgebaut werden. Im Idealfall knüpfen Instrumente daher an bekannte Barrieren an und unterstützen die Maßnahmen umsetzenden Akteure bei der Überwindung von Hemmnissen.

2.1 Politikinstrumente der Anpassung an den Klimawandel

Politikinstrumente zur Anpassung an den Klimawandel bilden staatliche Handlungsmöglichkeiten ab, um die Anpassung an den Klimawandel zu lenken und gleichzeitig die verantwortlichen Akteure zu befähigen, selbst geeignete Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen. Sie sollen insbesondere dort eingreifen, wo ohne staatliche Aktivitäten den Klimafolgen nur unzureichend begegnet wird oder wenn beispielsweise soziale, gesundheitliche oder auch biodiversitätsbezogene Nachteile entstehen. Um den komplexen Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen ist ein Mix an Politikinstrumenten zu entwickeln, welcher in sich und in Bezug auf andere Politikfelder kohärent ist. Auf Bundesebene erarbeitete das Behördennetzwerk Klimawandel und Anpassung Politikinstrumente, welche sich auf die wichtigsten Klimafolgen (Buth et al. 2015) beziehen. Diese wurden multikriteriell entlang der Kriterien Effektivität, Flexibilität, Effizienz, Kohärenz und Synergiepotenzial bewertet und der IMA Anpassungsstrategie als Vorschlag zur Aufnahme in den Aktionsplan Anpassung III vorgelegt (Vetter und Schauser 2013; Hetz et al. 2020).

Der Aktionsplan Anpassung III der DAS zeigt die Politikinstrumente auf, die von der Bundesregierung derzeit zur Anpassung an den Klimawandel verfolgt werden. Dazu gehören die Aufnahme von Anpassung an den Klimawandel in rechtliche Regelungen, in technische Regeln und Standards und in Förderprogramme wie u. a. das Nationale Hochwasserschutzprogramm, die Städtebauförderung, in den Waldklimafond und das kommunale Förderprogramm der DAS.

Darüberhinausgehend werden in der Literatur weiterreichende Politikinstrumente diskutiert, um auf die zunehmenden Klimafolgen adäquat zu reagieren. Im Folgenden werden exemplarisch mögliche Politikansätze, nach Kategorien sortiert, vorgestellt:

  • Rechtsinstrumente: Anpassung an den Klimawandel ist auf Bundesebene bisher nicht in einem eigenständigen Gesetz geregelt. Nordrhein-Westfalen hat dies als erstes Bundesland umgesetzt. Andere Bundesländer integrieren Klimaanpassung in ihre Klimaschutzgesetze (Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen). Explizit hat der Bund das Thema in das Raumordnungsgesetz (ROG), das Baugesetzbuch (BauGB) und das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) integriert. Das WHG greift in Bezug auf den Klimawandel vor allem die Belange der Hochwasservorsorge auf. Niedrigwasser- und Starkregenvorsorge wären Anlass für zukünftige rechtliche Weiterentwicklungen (Bubeck et al. 2016). Reese et al. (2010) haben den Anpassungsbedarf für klimawandelrelevante Rechtsbereiche eingehend untersucht und verweisen zum Umgang mit der Anpassungsbarriere „Unsicherheit“ auf das Risikoverwaltungsrecht, das geeignete Ansatzpunkte bereithält, wie eine angemessene Ermittlung und Bewertung von Risiken unter Beteiligung aller relevanten Akteure, den Vorzug von No-regret-Maßnahmen und die Berücksichtigung des aktuellen Wissensstandes durch regelmäßige Evaluierung. Mit Bezug zum Naturschutzrecht betonen Möckel und Köck (2013), dass der Klimawandel ein flexibleres Management der Schutzgebiete erfordert, das sowohl Ziele als auch Managementpläne umfasst.

  • Ökonomische Instrumente: Osberghaus et al. (2010) stellen das Erfordernis für staatliches Handeln im Falle eines Marktversagens heraus, insbesondere wenn es sich bei den Anpassungsmaßnahmen um öffentliche Güter handelt (Kap. 36). So wäre staatliches Handeln insbesondere notwendig beim Deichbau, der Herstellung eines funktionierenden Versicherungsmarktes, beim Aufbau von Hitzewarnsystemen oder bei der Weiterbildung von medizinischem Fachpersonal zu Anpassungsthemen. Schenker et al. (2014) unterscheiden bei ökonomischen Instrumenten zwischen Abgaben, Finanzbeihilfen, Steuer- und Abgabenerleichterungen, Kompensationsregeln und handelbaren Umweltlizenzen (Kap. 39). Sie zeigen anhand von Barrieren für autonome Anpassung durch private Akteure auf, mithilfe welcher staatlichen Instrumente diese überwunden werden können. Beispiel für ein potenziell geeignetes Instrument ist die verpflichtende Basisversicherung für Elementarschäden. Mit diesem Instrument soll die private Vorsorge angereizt werden, indem präventive Maßnahmen gefordert bzw. prämienbegünstigt werden. Schwarze (2019) führt aus, dass letztlich nur die Versicherungspflicht zu einem flächendeckenden Versicherungsschutz gegenüber Elementarschäden führt. Lehr et al. (2020) zeigen anhand von erweiterten ökonomischen Bewertungen auf, dass bei Auswahlentscheidungen über Politikinstrumente und Anpassungsmaßnahmen solche bevorzugt werden sollten, welche die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt steigern. Unter dieser Prämisse sind naturbasierte Lösungen (Abschn. 37.2.2), wie ein klimaangepasster Waldumbau oder sogenannte grüne Infrastrukturen gegenüber den grauen Infrastrukturen (baulich-technische Maßnahmen) oft positiver zu bewerten. In Bezug auf Investitionen in besser klimaangepasste Verkehrsinfrastrukturen könnten Anreize gezielt für eine nachhaltige Mobilität gesetzt werden und somit der gesellschaftliche Gesamtnutzen erhöht werden.

  • Planerische Instrumente: Instrumente der Raum- und Fachplanung sind geeignet, um Belange der Anpassung an den Klimawandel aufzugreifen (Kap. 39). Reese (2017) plädiert hier für festgelegte Überarbeitungszyklen von Raumordnungs-, Bauleit- und Landschaftsplänen, um die Dynamik des Klimawandels sachgerecht zu berücksichtigen. In der Fachliteratur wird als neues Prüfinstrument climate proofing diskutiert. Dieses könnte sowohl eigenständig eingeführt werden, sodass die Klimarisiken verpflichtend als Planungsgrundlage räumlich erfasst werden (Reese 2017). Denkbar ist aber auch, dieses bezogen auf Projekte und Pläne innerhalb von Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und Strategischer Umweltprüfung (SUP) zu bearbeiten (Rehhausen et al. 2018). Unklar ist jedoch, inwieweit sich das climate proofing in die UVP und SUP integrieren lässt, da die letztgenannten Instrumente die Auswirkungen eines Projekts bzw. eines Plans auf die Umwelt und den Menschen prüfen, während das climate proofing die Umweltauswirkungen (Klimafolgen) auf die Planung bzw. das Projekt prüft und damit einer anderen Zielsetzung folgt (Birkmann und Fleischhauer 2009; Birkmann et al. 2012). Runge et al. (2010) sehen eine Integration des umweltbezogenen Teils des climate proofing als möglich. Dem folgend schließen Schönthaler et al. (2018) die Prüfung von Vorhaben hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels in der UVP aus, dieses müsste vorgelagert im Zulassungsverfahren des Vorhabens erfolgen. Die Autoren weisen zusätzlich darauf hin, dass nur ein Teil der Vorhaben, welche von Klimafolgen betroffen sein könnten, überhaupt UVP-pflichtig sind. Die Europäische Kommission (EC 2013d, e) gibt in Leitfäden Hinweise, wie der Klimawandel in UVP und SUP berücksichtigt werden kann.

Ergänzende Instrumente zielen auf eine verbesserte Kommunikation, Partizipation und organisationale Entwicklung ab. Diese Ansätze sollen an dieser Stelle nicht vertieft werden (Kap. 38 und 39).

2.2 Naturbasierte Lösungen in der Klimaanpassung

Naturbasierte Lösungen (NBS) gewinnen als Ansatz zur Klimaanpassung zunehmend an Bedeutung, da sie nicht nur zur Klimaanpassung, sondern auch gleichzeitig zum Klimaschutz und anderen gesellschaftlichen Herausforderungen (z. B. Verlust der Biodiversität, öffentliche Gesundheit und Schwächung des sozialen Zusammenhalts) beitragen können (Zölch et al. 2018; Kabisch et al. 2016). Unter naturbasierten Lösungen versteht man Ansätze, die natürliche Funktionskreisläufe und somit Ökosysteme schützen, nachhaltig bewirtschaften oder wiederherstellen, um aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen zu adressieren. Beispiele aus dem urbanen Raum sind nachhaltige Entwässerungssysteme, Renaturierung von Fließgewässern und Feuchtgebieten, grüne Dächer und Fassaden, Parks oder Gemeinschaftsgärten. Die Nutzen von NBS sind, dass sie gleichzeitig eine Vielzahl an Vorteilen erbringen können und auf lange Sicht oft kosteneffizienter als sogenannte graue Ansätze sind, die auf rein technische Lösungen setzen (EC 2015). Multifunktionale NBS wie beispielsweise grüne Dächer und Fassaden können in dichtbebauten Innenstädten Starkregenereignisse abpuffern (Tab. 37.1) und kühlen die Umgebung. Gleichzeitig können sie für Sport und Erholung genutzt werden, verbessern die Luft- und Lebensqualität in den Stadtvierteln und vermitteln als Begegnungsort ein Gemeinschaftsgefühl (Calfapietra 2020). Damit haben sie positive Auswirkungen auf die Gesundheit und reduzieren den Energieverbrauch von Gebäuden (Iwaszuk et al. 2019). Verwandte Konzepte sind beispielsweise grüne und blaue Infrastruktur, Stadtgrün, ökosystembasierte Anpassungsmaßnahmen oder Maßnahmen zur natürlichen Wasserrückhaltung.

Tab. 37.1 Beispiele für das Wasserrückhaltpotenzial bei kleinflächigen naturbasierten Lösungen (Vojinovic 2020; Ruangpan et al. 2020, Zahlenwerte gerundet)

Die Planung von NBS erfordert, dass Themen wie Klimaanpassung und -schutz sowie Landschafts- und Freiraumplanung gemeinsam betrachtet werden und entschieden wird, welche NBS-Maßnahmen zielführend umgesetzt werden sollen. Damit können NBS einen zentralen Beitrag zur sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung leisten. Die Multifunktionalität ist eine Stärke von NBS und kann gleichzeitig ein Hemmnis bei der Umsetzung sein, da die Governance-Strukturen hierfür oft nicht ausgelegt sind. Sollen NBS geplant und umgesetzt werden, bestehen neben den unten genannten Barrieren (Abschn. 37.2.3) insbesondere die Herausforderungen, dass Grün- und Freiflächen nicht ausreichend gesichert werden können (Mangel rechtlicher Grundlagen, Bebauungsdruck) (Hansen et al. 2018) und dass Entscheidungsträgerinnen und -träger sowie Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und Vorteile von NBS fehlt (Hasse et al. 2019). Zudem mangelt es an innovativen Finanzierungsmechanismen und privaten Investitionen, welche die knappen öffentlichen Mittel ergänzen können (Knoblauch et al. 2019).

Um den vielfältigen Herausforderungen entgegenzutreten, bietet es sich an, NBS-basierte Klimaanpassungsmaßnahmen in breiter angelegten klima- und nachhaltigkeitsbezogenen Management- oder Entwicklungskonzepten für ganze Städte oder Regionen gesamtheitlich zu integrieren (Baba et al. 2016; Naumann et al. 2020). Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Governance-Mechanismen zur Umsetzung von NBS, die bereits in verschiedenen Kommunen und Regionen erprobt wurden. Dazu gehören öffentlich-private Partnerschaften, bürgerinitiierte Prozesse oder private Maßnahmen die durch öffentliche Anreize motiviert werden (Bulkeley 2019). Eine besondere Rolle spielen sogenannte Multi-level-governance-Ansätze, welche die Beziehung und Zusammenarbeit auf vertikaler und horizontaler Ebene zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren forcieren (Fuhr et al. 2018). Durch die Zusammenarbeit zwischen regionalen und kommunalen Wasserbehörden ist es beispielsweise gelungen, einen 8 km langen Flussabschnitts der Isar (München) zu renaturieren, um den Hochwasserschutz, das Erholungspotenzial und die ökologische Qualität zu verbessern. Dabei wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die mehrere institutionelle Ebenen und Sektoren einbezog, um nicht nur den Hochwasserschutz, sondern auch Naturschutz, Stadtplanung, Wasserqualität, Tourismus, Freizeitgestaltung und viele weitere Handlungsfelder gleichzeitig zu berücksichtigen (IIASA 2019).

Zur Entlastung der meist sehr begrenzten öffentlichen Haushalte werden darüber hinaus neue Finanzierungsmechanismen benötigt, um private Investitionen zu fördern wie beispielsweise öffentliche Bürgerhaushalte oder grüne Anleihen (Baroni et al. 2019). Andere Ansätze berücksichtigen die Schaffung von Werten und/oder möglichen Risiken. So werden beispielsweise im Risikominderungsmodell Vorabinvestitionen in städtische NBS getätigt, um zukünftige Kosten durch extreme Wetterereignisse wie Dürren, Stürme und Überschwemmungen zu reduzieren. Im Local-Stewardship-Modell werden dagegen lokale naturbasierte NBS von Bürgern und Unternehmen wertgeschätzt und gepflegt bzw. geschützt (Toxopeus 2019).

Die Forschung und Praxis zeigt, dass NBS eine wichtige Rolle in der Klimaanpassung und darüber hinaus spielen können. Um jedoch das volle Potenzial von NBS zu nutzen und sie in der Breite umzusetzen, sind weitreichende Änderungen notwendig. Dies betrifft Bereiche wie Kooperation und governance, Finanzierung aber auch den gesetzlichen Rahmen.

2.3 Barrieren bei der Umsetzung

Aufgrund der größer werdenden Schere zwischen dem wachsenden Anpassungsbedarf und der Umsetzung von Anpassung wird von Anpassungsdefiziten gesprochen (Burton 2014; Gawith et al. 2020). Daher wird es immer wichtiger, Barrieren der Anpassung rechtzeitig zu identifizieren und zu untersuchen, um sie zu überwinden. Unter Barrieren können ganz allgemein Hindernisse, Beschränkungen und Widerstände verstanden werden, die den Anpassungsprozess erschweren oder gänzlich verhindern, jedoch prinzipiell überwunden oder reduziert werden können (Eisenack et al. 2014). Barrieren unterscheiden sich von sogenannten Grenzen der Anpassung, wenn trotz Anpassung persönliche oder gesellschaftliche Werte nicht länger geschützt werden können und beispielsweise Land dem ansteigenden Meer preisgeben wird (Moser und Ekstrom 2010; Adger 2009; Dow et al. 2013). Barrieren, die heute nicht angegangen werden, können zu überhöhten Anpassungskosten und Klimaschäden in der Zukunft führen.

Barrieren sind, je nach beteiligten Akteuren (z. B. private oder öffentliche), Anpassungsmaßnahme (z. B. investiv mit anfänglichen Kosten oder operativ mit laufenden Kosten) und Handlungszusammenhang (z. B. Einzel- oder Kollektiventscheidung) ganz vielfältig (Moser und Ekstrom 2010; Eisenack und Stecker 2011; Oberlack 2017). Dies erschwert die Entwicklung einfacher Blaupausen für den Umgang mit und die Überwindung von Barrieren (Kap. 39). Beispiele für häufig beschriebene Barrieren und ggf. erste Vorschläge zu ihrer Überwindung sind:

  1. 1.

    Unsicherheiten erschweren die Planung und Umsetzung von angemessenen Anpassungsmaßnahmen. Unter Unsicherheit fällt zum einen begrenztes Wissen über aktuelle und künftige Klimaveränderungen (etwa die Entwicklung von Starkniederschlägen, Kap. 7), zum anderen begrenztes Wissen über Art, Umfang und Beschaffenheit der betroffenen Systeme (die Struktur von Stromnetzen, durch Starkniederschläge betroffene Verkehrswege oder hochwassergefährdete Wohngebiete). Beides kann zu Fehlentscheidungen führen, sodass daraus häufig eine geringe Priorität der Anpassung für öffentliche und private Akteure abgeleitet wird (z. B. Lehmann et al. 2015). Neue Planungsgrundsätze zu Entscheidungen unter Unsicherheit könnten jedoch helfen (Oberlack und Eisenack 2018). Die Bundesregierung empfiehlt No-regret-Maßnahmen, die unabhängig von klimatischen Entwicklungen sinnvoll sind, oder flexible, nachsteuerbare Maßnahmen (Bundesregierung 2011).

  2. 2.

    Während die Bereitstellung von Klimaprojektionen beim Umgang mit Unsicherheit hilft (z. B. Ekstrom und Moser 2014; Aguiar et al. 2018; Fatorić und Biesbroek 2020), sind Unsicherheiten über die betroffenen Systeme oft problematischer (Oberlack und Eisenack 2018). Unsicherheiten können auch vorgeschoben werden, um bestimmte Maßnahmen zu verhindern (Gawel et al. 2018; Capela Lourenço et al. 2019). Eine gezielte und transparente Reorganisation von Informationsflüssen kann diese Barrieren senken (Gotgelf et al. 2020).

  3. 3.

    Knappe Ressourcen und Finanzen werden häufig als Barriere angeführt (z. B. Biesbroek et al. 2011; Thaler et al. 2019). Sie können den Aufbau zusätzlicher Personalressourcen auf lokaler Ebene oder die Bereitstellung von Informationen behindern, sodass Budgets von höheren institutionellen Ebenen erforderlich sind (Lehmann et al. 2015). Gleichzeitig zeigen neuere Studien, dass Knappheit nicht immer der Kern von Barrieren ist, sondern eine behauptete Knappheit in anderen Barrieren (beispielsweise den hier genannten) begründet sein kann (Merrill et al. 2018; Simonet und Leseur 2019; Moser et al. 2019).

  4. 4.

    Konfligierende Zeitskalen (Biesbroek et al. 2011; Thaler et al. 2019) werden zur Barriere, wenn Anpassungsmaßnahmen heute hohe Kosten verursachen, deren Nutzen jedoch erst in der Zukunft zutage tritt. Für Betroffene und Entscheider stellt sich daher die Frage, wie weit diese Maßnahmen aufgeschoben werden (können). Resultierende Probleme sind beispielsweise für grüne Infrastruktur oder Wärmeemissionen von Kraftwerken dokumentiert (Sieber et al. 2018; Eisenack 2016). Entsprechende Abwägungen unterscheiden sich unter Umständen zwischen Privatinvestoren, Politikern und öffentlichen Verwaltungen. Generell geht es dabei um die Frage der ökonomischen bzw. politischen Anreize für eine vorausschauende Anpassung.

  5. 5.

    Für regulierte Netzinfrastrukturen wird darauf hingewiesen, dass Investitionsentscheidungen von Strom- und Schienennetzbetreibern sich nicht nur am Markt orientieren, da Preise und Investitionsmaßnahmen in diesem Bereich überwiegend staatlich reguliert werden (Arnell und Delaney 2006; Pechan 2014), in Deutschland u. a. durch die Anreizregulierungsverordnung oder das Allgemeine Eisenbahngesetz. Schäden durch unterlassene Anpassungsmaßnahmen werden in der Regulierung nur indirekt und in kleinem Umfang berücksichtigt. Wenn Netzbetreiber höhere Kosten für Anpassungsmaßnahmen nicht anrechnen lassen können, gibt es für sie nur geringe Anreize für entsprechende Investitionen. Solche Barrieren könnten durch eine Überprüfung des regulatorischen Rahmens aufgelöst werden.

    Unklare Verantwortlichkeiten sind eine weitere Barriere für private und öffentliche Akteure (bspw. Herrmann und Guenther 2017; Roggero 2015; Wamsler 2017; Therville et al. 2019), für Letztere auch bezüglich der Verortung von Aufgaben in föderalen Systemen (Lehmann et al. 2015; Russel et al. 2020). Diese wurden z. B. im Kontext des bundeseigenen deutschen Schienenverkehrs identifiziert (Rotter et al. 2016). Die involvierten privaten und öffentlichen Akteure sahen die Verantwortung für Anpassung bei den jeweils anderen bzw. mieden strategische Entscheidungen auf höheren Ebenen. In der Folge gab es keinen koordinierten Anpassungsprozess, und Akteure mit anderen Prioritäten können Bestrebungen dazu ungehindert verlangsamen. Die Klärung und Aufteilung von Verantwortlichkeiten unter den beteiligten Akteuren kann dem entgegenwirken.

2.4 Bewertung erfolgreicher Umsetzung

Die vorangegangenen Abschnitte haben deutlich gemacht, dass vielfältige Aktivitäten zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels auf unterschiedlichen Ebenen umgesetzt werden. Dies wirft die naheliegende Frage auf, inwieweit diese Aktivitäten erfolgreich zur Anpassung an den Klimawandel beigetragen haben. Diese Frage ist aus mehreren Gründen von großer Bedeutung: ihre Beantwortung kann unter anderem dazu beitragen, aus den bisherigen Umsetzungsbemühungen zu lernen, um bei zukünftigen Maßnahmen die Herangehensweisen zu optimieren. Zusätzlich soll – insbesondere bei öffentlicher Finanzierung – Legitimität für die Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen geschaffen werden und die Beteiligten motiviert werden, indem beispielsweise besondere Erfolge anerkannt werden (abgeleitet aus Stockmann 2004).

Aber was versteht man unter „erfolgreicher“ Anpassung an den Klimawandel? Hierzu gibt es zwei grundlegende Perspektiven: Man kann auf den Prozess der Durchführung von Maßnahmen schauen oder auf die Ergebnisse bzw. Wirkungen, die aus der Maßnahme entstanden sind. Einig sind sich die Expertinnen und Experten darin, dass man den Erfolg – anders als im Politikfeld des Klimaschutzes – nicht mit einem einzigen Indikator oder in einer einzigen Metrik für das ganze Land erfassen kann (Noble et al. 2014; Ford et al. 2015; Leiter et al. 2019; EEA 2014a, b). Denn hierfür sind die zum Umgang mit Klimafolgen nötigen Aktivitäten und ihre Ziele sowie die Kontexte, in denen sie umgesetzt werden, zu vielfältig. In trockenen Regionen wäre es beispielsweise ein Erfolg, wenn eine Maßnahme dazu beiträgt, dass die Böden mehr Feuchtigkeit speichern; in küstennahen Regionen mit sehr hohen Grundwasserständen und steigendem Meeresspiegelanstieg wäre die Wirkung einer solchen Maßnahme kontraproduktiv.

Angesichts einer fehlenden einheitlichen Metrik bietet es sich bei der Beurteilung des Erfolges von Maßnahmen an, Multimethodenansätze zu verwenden: das heißt eine Kombination meist von qualitativen und quantitativen Methoden, die genutzt werden, um Ergebnisse abzuleiten und abzusichern. Dieses grundlegende Vorgehen war etwa bei der Evaluation der Deutschen Anpassungsstrategie gewählt worden (Kind et al. 2019): Dort wurden die Ergebnisse aus Interviews, Delphi-Befragungen, Dokumentenanalysen und der Auswertung von Indikatoren systematisch zusammengeführt, um übergreifende Schlussfolgerungen abzuleiten und abzusichern. In der Forschungsliteratur wird für die Bewertung des Erfolges einer Intervention häufig auf eine Kombination von Perspektiven hingewiesen – Reduktion von Vulnerabilitäten (Effektivität), Vermeidung negativer Nebeneffekte und angemessene Berücksichtigung sozialer Belange (z. B. bei Doria et al. 2009; Adger et al. 2005).

Bei Maßnahmen, die eher auf die Etablierung von Strukturen fokussieren – zum Beispiel den Aufbau einer internen Arbeitsgruppe in der Kommunalverwaltung zum koordinierten Umgang mit Klimarisiken – wäre zu prüfen, inwieweit davon positive Wirkungen auf die Anpassungskapazität wichtiger Akteure ausgegangen sind, etwa die Steigerung von Wissen um Anpassungsmaßnahmen oder die allgemeine Sensibilität für das Thema. Bei Maßnahmen, die stärker auf einzelne Klimarisiken ausgerichtet sind, kann versucht werden, passende Indikatoren zu Veränderungen bei den Auswirkungen von Klimafolgen zu identifizieren: etwa die Höhe der Schadensfälle nach Starkregen mit einer gewissen Intensität vor und nach Entsiegelungsaktivitäten in einem Wohngebiet.

Bei allen Wegen der Erfolgsbewertung gibt es jedoch einige Herausforderungen: Beobachtete Veränderungen können oft durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst worden sein – nicht unbedingt (nur) durch die Anpassungs-Intervention (OECD 2015). Hier gilt es, die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge detailliert in den Blick zu nehmen, ohne allerdings den oft allzu hohen Anspruch, eine ganz eindeutige Kausalität herstellen zu können. Bei Interventionen, deren Wirkung auf lange Zeithorizonte oder seltene Extremereignisse abzielen, zum Beispiel das nächste Jahrhunderthochwasser, kann es jedoch bei Ausbleiben solcher Ereignisse weiterhin schwierig sein, eine Erfolgsmessung vorzunehmen. Hier kann man sich nur mit Modellierungen oder Extrapolation von weniger extremen Ereignissen behelfen.

Für die Zukunft wird es von besonderer Wichtigkeit sein, die Datenverfügbarkeit stärker in den Blick zu nehmen. Hier sind drei Dinge wichtig: Es müssen mehr Daten erhoben werden, Erhebungsmethoden – die gelegentlich noch von Bundesland zu Bundesland variieren – sollten vereinheitlicht werden und die Zugänge zu Daten müssen vereinfacht werden. All dies ist von Bedeutung unter anderem bei der Erfassung der hitzebedingten Übersterblichkeit oder bei den durch Extremwetterereignisse entstandenen Schäden.

3 Kurz gesagt

In Deutschland ist – wie in vielen Mitgliedstaaten der EU – Anpassung an den Klimawandel als eigenes Politikfeld mit einer nationalen Strategie, einem Maßnahmenplan sowie mit für die Umsetzung zuständigen Akteuren etabliert. Eine regelmäßige Evaluation des Strategieprozesses ist aufgesetzt und unterstützt die systematische Weiterentwicklung der Strategie. Nicht zuletzt durch die zunehmende Wahrnehmung von Extremereignissen und steigendem politischen Handlungsdruck werden vermehrt Förderprogramme implementiert und investive Maßnahmen umgesetzt. Dabei wird verstärkt nach multifunktionalen, naturbasierten Anpassungsoptionen gesucht, welche Synergien zum Klimaschutz und einer nachhaltigen Entwicklung ermöglichen. Die politische Ebenen übergreifende Umsetzung von Maßnahmen wird jedoch durch vielfältige Barrieren wie Unsicherheiten, fehlendem Handlungswillen oder mangelnden Ressourcen konterkariert.

Die DAS verfolgt eine horizontale und vertikale Integration von Anpassung an den Klimawandel. Staatliche wie nichtstaatliche gesellschaftliche Gruppen werden umfassend am Strategieprozess beteiligt. Allerdings erfolgt dies bisher noch ohne deutlichen strategischen Ansatz, wie nichtstaatliche Akteure in Entscheidungen eingebunden und zur Eigenvorsorge aktiviert werden können. Zudem werden einige grundlegende Herausforderungen wie soziale Gerechtigkeit bei der Anpassung an den Klimawandel kaum thematisiert.

In den Großstädten ist Anpassung an den Klimawandel als reguläre Aufgabe inzwischen verankert. Anders sieht die Situation in kleineren Städten und Gemeinden aus, in denen das Thema oft nicht explizit aufgegriffen wird oder in denen es an klarer fachlicher und organisatorischer Zuständigkeit mangelt. Solche Hemmnisse der Anpassung müssen systematisch angegangen werden, da eine verzögerte Umsetzung bereits heute notwendiger Maßnahmen zu deutlich höheren Anpassungskosten und Klimaschäden in der Zukunft führen wird.