1 Stadtklimatische Charakteristika

Das Stadtklima stellt die im Vergleich zum Umland auftretenden Veränderungen der strahlungsbedingten, thermischen, lufthygienischen und atmosphärisch-dynamischen Größen dar. Ursachen hierfür sind in der

  • Versiegelung und Bebauungsdichte,

  • dreidimensional gegliederten Baustruktur des urbanen Siedlungskörpers sowie

  • Emission von Abwärme und Spurenstoffen

zu sehen. Die wesentlichen Veränderungen zum Umland werden in Tab. 21.1 zusammengefasst.

Tab. 21.1 Struktur- und Klimaunterschiede zwischen versiegelten Stadt- und ebenen, naturbelassenen Umlandarealen (generalisierte Angaben für eine mitteleuropäische Stadt; hier nach Kuttler 2019; ergänzt und verändert)

In Stadtgebieten reduziert sich generell nicht nur die Windgeschwindigkeit mit den Folgen eines verminderten Abtransports von Luftinhaltsstoffen und Wärme. Auch der städtischen Trockenheit wird durch schnelle und meist verdunstungsgeschützte Ableitung des Niederschlagswassers in das Kanalsystem Vorschub geleistet. Einen wesentlichen Einfluss auf die städtische Überwärmung – und nicht zuletzt auf die thermische Belastung der Stadtbewohner – hat die Veränderung der Strahlungs- und Wärmebilanz, die in der nachfolgenden Box für trockene, windschwache Verhältnisse in stark vereinfachter Form dargestellt ist.

Strahlungs- und Wärmebilanz

$$\begin{aligned}& K{\downarrow} - K{\uparrow} + L{\downarrow} - L{\uparrow} = Q^* = Q_{{\text{H}}} + Q_{{\text{E}}} + Q_{res.} + Q_{{\text{F}}} \\&\leftarrow \text{Strahlungsbilanz}\rightarrow\qquad \quad \leftarrow \text{W}\ddot{\text a}\text{rmebilanz} \rightarrow \end{aligned}$$

mit:

K↓ = kurzwellige solare Einstrahlung (Sonnenstrahlung), K↑ = reflektierte kurzwellige Strahlung, L↓ = langwellige Gegenstrahlung, L↑ = langwellige Ausstrahlung, Q* = Strahlungsbilanz, QH, QE = turbulenter fühlbarer bzw. turbulenter latenter Wärmestrom, Qres.= Speicherterm, QF= anthropogener Wärmestrom.

Da Stadtflächen meist trockener als ihr natürliches Umland sind, ist der Verdunstungswärmestrom (QE) stark reduziert, wodurch mehr Energie für die Lufterwärmung (QH), aber auch für die Wärmespeicherung (Qres) zur Verfügung steht. Hinzu kann ein von der Stärke der technischen Abwärmeproduktion (z. B. Gebäudeklimatisierung, Kraftfahrzeugverkehr, etc.) abhängiger Betrag als anthropogener Wärmestrom (QF) die Wärmebilanz erhöhen (Kuttler 2013). Unterschiede im thermischen Verhalten von Stadt und Umland zeigt Abb. 21.1, die die Wärmeaufteilung, jeweils bezogen auf Q* (ohne QF), für aufeinanderfolgende mittlere Tagesstunden (Q* > 0 W/m2), enthält.

Abb. 21.1
figure 1

Tagesgang der mittleren stündlichen Energieaufteilung für einen Innenstadt- und Umlandstandort (Gewässernähe) in Essen (06/2012–05/2013). (Kuttler et al. 2015)

Der signifikante Unterschied zwischen Stadt und Umland wird eindrucksvoll durch die Entwicklung des stündlichen Verlaufs der entsprechenden Strahlungs- und Wärmewerte belegt. So ist derjenige der Innenstadt eher horizontal ausgeprägt und weist damit im Tagesverlauf auf seine wesentliche thermische Prägung durch den die Stadtatmosphäre hauptsächlich erwärmenden turbulenten fühlbaren Wärmestrom mit einem großen QH/Q*-Verhältnis von > 0,7 hin. Das bedeutet, dass mehr als 70 % der durch Q* zur Verfügung gestellten Energie über die fühlbare Wärme in die städtische Grenzschicht abgegeben wird. Hingegen ist der für die Verdunstung aufzuwendende Anteil im Tagesverlauf wegen des hohen Versiegelungsgrads urbaner Oberflächen mit QE/Q* < 0,3 äußerst niedrig.

Beim Umlandstandort dominiert eher eine vertikal verlaufende konsekutive zeitliche Abfolge der Energieaufteilung. Der latente Wärmestrom Qerreicht hier – im Gegensatz zum Stadtstandort – eine große Spannweite (≤115 % der Strahlungsbilanz; die Differenz zu 100 % entstammt dem Bodenspeicherres). Auf die direkte Erwärmung der Atmosphäre durch QH entfallen hier nur maximal 20 %, sodass die rurale bodennahe Grenzschicht insgesamt kühler bleibt (Abb. 21.1).

Diese Vergleichswerte dokumentieren das grundsätzliche thermische Dilemma von Städten: Stadtkörper erhitzen sich zwar langsamer, dafür jedoch stärker und bleiben wegen der großen Speicherkapazität ihrer Bausubstanz auch länger überwärmt im Vergleich zum natürlichen Umland.

Gemessene urbane und rurale Lufttemperaturen lassen sich auf zweierlei Weise auswerten: Einerseits als absolute Werte, deren Maxima tagsüber bei starker Sonneneinstrahlung erreicht werden und andererseits – mit Bezug auf das Umland – als Differenzwerte (∆T = tStadt – tUmland). Letztere sind in der Fachliteratur als „städtische Wärmeinsel“ (urban heat island) bekannt (z. B. Oke et al. 2017). Diese unterliegt in ihrer Intensität und ihrem geografischen Auftreten verschiedenen Einflussgrößen (Manoli et al. 2019; Wienert und Kuttler 2005). Hierbei gibt zum Beispiel ein positiver Wert die „Übertemperatur“ eines Stadtkörpers in Relation zur Umlandtemperatur an. Höchste Werte zur städtischen Wärmeinsel, die durchaus 10 °C und mehr erreichen (Fenner et al. 2014), treten unter mitteleuropäischen Klimabedingungen in der Regel nachts auf. Tagsüber tendieren die Stadt-Umland-Differenzen hingegen meist gegen Null, da sich die Werte wegen der erhöhten Speicherung der Energie im städtischen Siedlungskörper denen im Umland fast angleichen. Fehlt die nächtliche Abkühlung nach einem heißen Tag (tLuft ≥30 °C) oder während einer Hitzewelle (zur Definition siehe z. B. Muthers und Matzarakis 2018), bleibt die Nacht warm oder auch heiß (tLuft min ≥20° C), wodurch die Schlaftiefe des Menschen negativ beeinträchtigt wird. In den zurückliegenden Jahrzehnten nahm nicht nur die Anzahl heißer Tage sowie die von Hitzewellen, sondern auch die Häufigkeit heißer Nächte zu (Mishra et al. 2015). Für eine human-biometeorologische Bewertung des thermischen Wirkungskomplexes in Städten sollte allerdings nicht nur auf die Lufttemperatur zurückgegriffen werden. Vielmehr sollten auf der Wärmebilanz des menschlichen Körpers beruhende Indizes, wie PET (physiologische Äquivalenttemperatur, pt (gefühlte Temperatur) und UTCI (universeller thermischer Klimaindex), Anwendung finden (de Freitas und Grigorieva 2015; Lee et al. 2016).

2 Hitze und städtische Bevölkerung

Thermische Extreme wirken sich auf die Menschen der mittleren Breiten im Allgemeinen negativ aus. So weisen zum Beispiel Mortalitätsraten in Abhängigkeit von der Lufttemperatur Kurvenverläufe auf, die denen einer U- bzw. V-Form entsprechen. Das bedeutet, dass sich sowohl bei niedriger als auch hoher Lufttemperatur größere Mortalitätsraten ergeben als etwa bei mittlerer (Kovats und Hajat 2007).

Die Sterblichkeitsrate ist im urbanen Siedlungsraum während Hitzeepisoden meist höher als im Umland. Der Grund hierfür liegt nicht nur in den tagsüber auftretenden höheren Temperaturmaxima in der Stadt (sowohl die der Luft als auch die der Oberfläche), sondern auch in einer verminderten nächtlichen Abkühlung. Die sich während Hitzewellen einstellenden Wärmeinselwerte können um das Dreifache im Vergleich zu „normalen“ Sommerwerten erhöht sein (Unger et al. 2020). Wie stark sich kleinräumig auftretende Bebauungsunterschiede auf die nächtliche Überwärmung auswirken, zeigen quartiersabhängige Messungen: So ergab sich zum Beispiel in der Innenstadt von Essen ein Wert von tLuft min ≥20 °C an 11 Tagen pro Jahr (2012/13), während dieser in einem Vorort nur 2 Tage/Jahr erreichte (Kuttler et al. 2015). Selbst für diese kleinräumigen Unterschiede wurden signifikante Veränderungen der Mortalitätsraten nachgewiesen, zum Beispiel in Berlin (Fenner et al. 2015).

Hitzeabhängige signifikante Anstiege der Mortalitätsraten zeigen sich insbesondere bei alten Menschen (> 75 a), während bei Kindern und Jugendlichen (≤14 a) kein Einfluss erkannt wurde (Kovats und Hajat 2007). Neben intrinsischen Faktoren wie Alter und Krankheit beeinflussen auch extrinsische Faktoren (sozialer Status, Wohnsituation, -lage) sowie auch das Geschlecht die Mortalitätsrate.

Durch die Kombination hoher Lufttemperaturen mit hohen Werten gas- und partikelförmiger Luftinhaltsstoffe wird die Mortalitätsrate besonders stark gesteigert (z. B. Breitner et al. 2014; Burkart et al. 2013; Hennig et al. 2018).

3 Hitze und Luftinhaltsstoffe

Bei trockener Witterung, starker Globalstrahlung und hohen Lufttemperaturen können bei Vorherrschen entsprechender chemischer Vorläuferbedingungen zum Beispiel sekundäre Spurenstoffe wie Ozon und Partikel entstehen (Bousiotis et al. 2020), so sekundäres organisches Aerosol (SOA) aus biogenen Kohlenwasserstoffen (BVOC, z. B. Isopren; Bonn et al. 2018; Grote 2019; Wagner und Kuttler 2014; Mozaffar et al. 2020) durch gas-to-particle conversion. Auch findet bei ausreichender NO2-Konzentration eine verstärkte NOx-Fotolyse statt und bei Lufttemperaturen tLuft > 25 °C ferner eine Freisetzung von NOx aus PAN (Peroxyacetylnitrat), wodurch auch hierdurch die Voraussetzungen für hohe Ozonkonzentrationen gegeben sind (Schultz et al. 2017).

Da die Produktion bestimmter pflanzlicher Pollen sowohl durch erhöhte CO2-und Luftverunreinigungskonzentrationen als auch durch hohe Lufttemperaturen verstärkt wird (Kaminski and Glod 2011), werden in Städten – trotz allgemein geringerer Vegetationsdichte – aus Pollen vermehrt allergieauslösende Proteine freigesetzt (Ziello et al. 2012). Denn sowohl die CO2- und Luftschadstoffkonzentrationen als auch die Lufttemperaturen sind unabhängig vom Klimawandel in Städten im Vergleich zum Umland signifikant erhöht (Büns und Kuttler 2012; Oke et al. 2017). So stimulieren zum Beispiel hohe Lufttemperaturen und CO2-Konzentrationen in Beifusspollen (Gattung Ambrosia, C3 limitierte Pflanze) die Produktion des allergieauslösenden Proteins Amb a1 und verursachen damit Immunreaktionen (Ziska und Caulfield 2000; Ziska et al. 2003). Vergleichbares gilt für ein ebenfalls allergieauslösendes Protein aus Birkenpollen (Bet v1), das zum Beispiel durch hohe NOx-Konzentrationen titriert wird (Pöschl 2005; Kap. 14).

4 Hitze und Starkniederschläge

Stadtgebiete zählen wegen ihrer hohen Bevölkerungs- und Versiegelungsdichte nicht nur in thermischer, sondern auch in hydrologischer Hinsicht zu den besonders anfälligen Gebieten in Bezug auf die Auswirkungen des Klimawandels (EEA 2017; KOM 2009; SEK 2009). So verursachen Überflutungen durch Starkregenereignisse meist hohe Schäden an Gebäuden und Infrastruktur (EEA 2012, 2016), kosten aber auch Menschenleben, wie etwa das Ereignis im Westen Deutschlands mit mehr als 180 Todesopfern im Juli 2021 (Mohr et al. 2022). Im Rahmen der Vorsorgemaßnahmen ist es daher wichtig, zeitlich und räumlich hochaufgelöste Vorhersagen über das Niederschlagsverhalten zur Verfügung stellen zu können.

In diesem Zusammenhang bietet die Verwendung von Radarniederschlagsdaten gegenwärtig eine wesentlich bessere Perspektive, die Niederschlagsverteilung kleinräumig zu erfassen als Vorhersagen treffen zu müssen, die auf punktuellen Bodenmessungen beruhen.

Deutschlandweit betreibt der Deutsche Wetterdienst (DWD) ein aus 16 Stationen bestehendes flächendeckendes Wetterradarmessnetz (RADOLAN), mit dem auf Basis eines Rasterfeldes von 1 km × 1 km Radarniederschlagsdaten generiert werden. Eine hierauf beruhende Datenauswertung für den Zeitraum von 2001 bis 2016 ergab, dass kurzlebige, lokale, sommerliche Starkregenereignisse nicht nur in Luv von Gebirgen, sondern nahezu auch in allen Regionen Deutschlands auftreten können (Winterrath et al. 2017). Da die vorliegende Messperiode jedoch zu kurz ist, sind diese Ergebnisse noch nicht klimatologisch belastbar.

Ob Stadtgebiete zu einer Beeinflussung des Niederschlagsgeschehens führen, wie dies weltweit, insbesondere jedoch für einige nordamerikanische Städte untersucht wurde (z. B. durch das Projekt METROMEX; s. hierzu u. a. Oke et al. 2017), soll das in Abb. 21.2 enthaltene Ergebnis der exemplarisch für die Stadt Köln durchgeführten extremwertstatistischen Auswertung zeigen (Winterrath et al. 2017, 2018; DWA 2012). Dargestellt ist der statistische Niederschlag für die Dauerstufe „eine Stunde“ und die Wiederkehrzeit „ein Jahr“ für den Zeitraum von 2001 bis 2020. Es lassen sich Gebiete verschiedener Niederschlagsintensitäten im Stadtgebiet erkennen. Ob sich diese jedoch bei Zugrundelegung einer längeren Zeitreihe (über 30 Jahre) als statistisch belastbar erweisen, kann derzeit noch nicht beantwortet werden.

Abb. 21.2
figure 2

Statistischer Niederschlag (in mm) für Köln für die Dauerstufe eine Stunde mit einer Wiederkehrperiode von einem Jahr, Zeitraum: 2001–2020. Quellen: DWD 2022 (RADKLIM https://doi.org/10.5676/DWD/RADKLIM_RW_V2017.002), Geodaten: GeoBasis-DE/BKG 2020 (Aktualität: 01.01.2021), Köln-PLZ-Gebiete: CC BY 3.0 DE, www.offendaten-koeln.de

Regionale Klimaprojektionen für Deutschland zeigen auf einem Gitter von 5 km x 5 km eine Zunahme von Starkregenereignissen in Deutschland. Bezogen auf den Referenzlauf (1981–2000), für den Niederschläge ≥20 mm/d an ca. vier Tagen im räumlichen Mittel nachgewiesen wurden, wird dieser Wert – allerdings unter Zugrundelegung des Emissionsszenarios RCP8.5 – bis zum Ende des Jahrhunderts (2071–2100) um 2,7 Tage/Jahr (max. 9,5 Tage/Jahr) zunehmen (IPCC 2013; Brienen et al. 2020).

Insgesamt lassen bisherige Untersuchungen erkennen, dass extreme Niederschlagsereignisse im zukünftigen Klima in Deutschland häufiger auftreten können. Ob städtische Einflüsse diesen Effekt zusätzlich modifizieren, ist weiterhin eine offene Frage. Für verlässlichere Ergebnisse sind in den Regionalmodellen eine bessere Berücksichtigung des städtischen Einflusses und Modelle, die Konvektion berücksichtigen, zur direkten Simulation sommerlicher Starkniederschlagsereignisse erforderlich.

5 Handlungsempfehlungen zu Vorsorgemaßnahmen in Städten

Als Maßnahmen, eine langfristige Überwärmung im Rahmen des globalen Klimawandels zu verhindern oder abzumildern (IPCC 2018), stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: die Ursachenbekämpfung, nämlich die Reduktion von Treibhausgasemissionen, zum Beispiel durch grundsätzlich sparsameres Verwenden von Energie (Mitigation), sowie die Anpassung (Adaptation). Auf Letztgenannte soll näher eingegangen werden, wobei zwischen gebäude- und flächenbezogenen Möglichkeiten insbesondere in Bezug auf Hitzevorsorge unterschieden wird (MUNLV 2010; Kuttler 2013; Straff und Mücke 2017):

  1. 1.

    Gebäudebezogene Maßnahmen:

    • Entwicklung von Vorgaben für Strahlungs- und Hitzeschutz von Gebäuden (helle Gebäudehülle; Dach- und Fassadenbegrünung; ferner Thermoglas, Außenbeschattung von Fenstern, Beschattung durch Dachüberhänge, Verschattung von Dächern durch auflagernde Fotovoltaikanlagen),

    • Installation von Belüftungstechniken, Wärmetauschern und Raumventilatoren; eventuell Einsatz von Klimaanlagen in sensiblen Bereichen,

    • Wärmeadäquate Neubauplanung (Breiten-/Höhenverhältnisse, gegenseitige Gebäudebeschattung durch Ausrichtung und Lage, ausreichende Grundstücksbegrünung),

    • Vermeidung wärmespeichernder Baumaterialien,

    • Hochwasser- und Überflutungsschutz,

    • Einrichtung von Trinkwasserspendern in Gebäuden,

    • Anlegen öffentlicher Kühlräume (Behörden, Einkaufspassagen, Bahnhöfe etc.),

    • Entsiegelung von Grundstücksflächen; Verbot des Anlegens von Schottergärten; Bereitstellung von versickerungsfähigen Flächen.

  2. 2.

    Stadt- und bauplanerische Maßnahmen:

    • Erhalt oder Schaffung schattenspendender Grünanlagen (Rasenflächen mit großkronigen Bäumen, angelegt als „Streuobstwiesen“- bzw. „Savannentyp“) mit integrierten Wasserflächen (grundsätzliche Stärkung der „blau-grünen“ Infrastruktur),

    • Einrichtung großzügiger Schattenplätze (Pavillons, Markisen, feststehende Sonnenschirme, Sonnensegel),

    • Freihalten oder Schaffung von Luftleitbahnen als Verbindung zwischen Umland-Kaltluftentstehungsgebieten und Stadt,

    • Orientierung von Straßenschluchten und Haushöhen-/Straßenbreitenverhältnissen zur Schattenoptimierung,

    • Einrichtung von Befeuchtungsanlagen und Wasserspendern in Außenanlagen,

    • Reduzierung des Versiegelungsgrades; Nutzung der Kühlleistung von Böden,

    • Unterirdische Wasserspeicherung („Schwammstadt“-Prinzip),

    • Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung, Baumrigolen,

    • Tiefgaragendächer mit Wasserspeicheraufbauten,

    • Förderung von Baum- und Buschpflanzungen sowie Dachbegrünungen mit allergiearmen, hitzeresistenten und emissionsarmen (in Bezug auf BVOC) Pflanzen (auch zur CO2-Aufnahme und O2-Abgabe).

Hinsichtlich der genannten gebäudebezogenen Maßnahmen sollte insbesondere auf ausreichende sommerliche Beschattung durch hohe Bäume und Dach-/Wandbegrünung bei allerdings guter Wasserversorgung geachtet werden. Rollladen oder Jalousien sollten überdies im Fassadenbereich, also außen vor den Fenstern, angebracht werden. Hierdurch wird eine höhere Kühlungseffizienz erreicht, weil der Strahlungsumsatz dann außen am Gebäude und nicht innen erfolgt.

Aufdachfotovoltaikanlagen können neben der Stromproduktion (in Westmitteldeutschland ≥100 kWh/m2 ∙ a) auch zur Beschattung des darunterliegenden Daches beitragen, wodurch die Innenraumtemperaturen in den oberen Etagen deutlich niedrigere Werte annehmen als in Gebäuden ohne entsprechende Anlagen (Kuttler 2013).

Helle Wandoberflächen haben eine nachhaltige Wirkung auf die Strahlungs- und Energiebilanz eines Gebäudes. So wird einerseits der kurzwellige Reflexionsstrahlungsanteil im Vergleich zu einer dunklen Wandfarbe deutlich erhöht, andererseits eine starke langwellige Ausstrahlung durch niedrigere Oberflächentemperaturen vermindert. Hauswand- oder Straßenoberflächen, die mit einer speziellen, insbesondere im langwelligen Bereich stark reflektierenden Beschichtung versehen sind (sog. cool colors), lassen die Oberflächentemperatur bei höchster solarer Einstrahlung deutlich sinken, wodurch weniger Wärme an die Umgebung abgegeben wird. Das Aufbringen von Thermochromfarben, deren Farbton sich nach den vorherrschenden thermischen Verhältnissen richtet (hell bei starker und dunkel bei geringer Einstrahlung), wäre für Hausanstriche dann das Mittel der Wahl, um im Sommer einer Überwärmung und im Winter einer Auskühlung vorzubeugen. In diesem Zusammenhang muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass hell angestrichene Gebäude, aber auch helle Straßenoberflächen zwar für eine Verbesserung der Energiebilanz des jeweiligen Baukörpers bei strahlungsreichen Wetterlagen sorgen, die hohe Reflexstrahlung jedoch in den Straßenraum zurückgeworfen wird und dort durch Erhöhung der Strahlungsbelastung zu human-biometeorologisch unerwünschten Effekten für Passanten führen kann (Lee und Mayer 2018). Da sich bei warmer Witterung vermehrt Menschen im Außenraum aufhalten, sollte deshalb für einen UV-Schutz gesorgt werden (Wright et al. 2020), der offensichtlich optimal unter großkronigen Bäumen gewährleistet zu sein scheint (Yoshimura et al. 2010).

Der Einsatz von Gebäudeklimaanlagen sollte nur in Notfällen realisiert werden, da derartige Geräte viel Energie verbraucht und den Klimaschutzmaßnahmen zuwiderlaufen (Buchin et al. 2016), wenn sie nicht mit regenerativer Energie betrieben werden.

Hinsichtlich stadt- und bauplanerischer Maßnahmen sollte in Städten darauf geachtet werden, den Versiegelungsanteil zugunsten naturbelassener Flächen möglichst gering zu halten. Denn naturbelassene Areale weisen hinsichtlich ihrer Substrate nicht nur ein verändertes thermisches Verhalten auf, sondern stellen sich auch – eine ausreichende Porosität des Untergrundes vorausgesetzt – als gute Grundwasserneubilder bzw. Bodenwasserspeicher dar. Während Hitzeepisoden kann das in den Untergrund versickerte Wasser kapillar aufsteigen und verdunsten, wodurch ein hoher Anteil der Energiebilanz (Q*) für den latenten Energietransport (QE) benötigt wird und somit für die Boden- und Lufterwärmung nicht mehr zur Verfügung steht (Harlass 2007). Eine technische Möglichkeit im Rahmen des dezentralen Regenwassermanagements wäre es, Wasser nach Regenereignissen dem „Schwammstadtprinzip“ entsprechend unterirdisch angelegten Wasserspeichern zuzuführen und dieses für die Bewässerung während Trockenheitsphasen vorzuhalten (Halbig et al. 2016). Denn geschieht das zum Beispiel bei Rasenflächen nicht, nimmt deren Oberflächentemperatur bei länger andauernder Hitze auf Kosten des gewünschten Kühleffekts zu (Kuttler 2013, Abb. 21.3).

Abb. 21.3
figure 3

Prinzip der Schwammstadt: wasserdurchlässige städtische Oberflächen und unterirdische Wasserspeicher. (Verändert nach Gaines 2016)

Auch durch die Gestaltung von Grünflächen kann Einfluss auf den Abkühlungsprozess genommen werden. So sollte eine mit Gras bestandene Fläche möglichst nach dem Savannen- bzw. Streuobstwiesentyp angelegt werden, d. h. nur über vereinzelt gepflanzte, möglichst hochkronige schattenspendende Bäume verfügen. Denn eine derartige Anordnung bewirkt tagsüber die gewünschte Beschattung und führt damit zu einer Senkung des Temperaturniveaus (insbesondere der Oberflächen) bei größter Hitze und begünstigt nachts aufgrund des offenen Bepflanzungstyps eine bessere langwellige Ausstrahlung und damit Abkühlung. Grundsätzlich wirkt sich das Wohnen in der Nähe von Grünflächen gesundheitsfördernd aus (Rojas-Rueda et al. 2019).

Eine weitere, vielfach noch immer unterschätzte Maßnahme ist die Belüftung von Innenstädten durch Heranführung sauberer und kühler Umlandluft. Dazu bedarf es nicht nur geeigneter ruraler Kaltluftentstehungsgebiete, sondern auch entsprechender stadtklimarelevanter Luftleitbahnen, über die Umlandkaltluft in die überwärmten Stadtkörper fließen kann (Grunwald et al. 2020; Mayer et al. 1994).

Areale in Städten, die bereits im gegenwärtigen Klima Wärmebelastungen bei entsprechenden Wetterlagen aufweisen, werden auch in Zukunft zu den thermischen Problemgebieten zählen. Weitere, bisher wenig belastete Gebiete werden im Zuge des Klimawandels hinzukommen, sofern eine vorausschauende Stadtplanung dem nicht entgegenwirkt (s. hierzu o. g. Beispiele). Notwendig für ein derartiges Verhalten sind allerdings ausreichende klimatisch-lufthygienische Informationen über die Lage urbaner Ungunst-, Gunst- und Ausgleichsräume. Zu ihrer Klassifizierung empfiehlt sich die Verwendung stadtklimatischer Monitoringwerkzeuge und der Einsatz geeigneter Indikatoren, mit deren Hilfe Flächen objektiv klimaökologisch quantifiziert, in einen gesamtstädtischen Kontext gesetzt und bewertet werden können. Derartige Klimamanagementsysteme wurden bereits in einigen Städten (so in Gelsenkirchen) erfolgreich eingesetzt (Dütemeyer et al. 2013; Lee et al. 2016).

6 Modellierung des Stadtklimas

Um die Wirkungen von Anpassungsmaßnahmen quantifizieren zu können, werden zunehmend komplexe mikroskalige Simulationsmodelle der atmosphärischen Grenzschicht angewendet, wie das Modell ENVI-met (Simon et al. 2018). Mit dem im Rahmen der BMBF Fördermaßnahme „Stadtklima im Wandel“ neu entwickelten Modell PALM-4U (Parallelized Large-Eddy Simulation Model for Urban Application; Maronga et al. 2020) wird ein frei verfügbares, anwenderorientiertes Stadtklimamodell für die kommunale Praxis zur Verfügung gestellt, mit dem sich die städtische Grenzschicht kompletter Stadtgebiete hinsichtlich Turbulenz und Gebäudestruktur hochaufgelöst simulieren lässt (Scherer et al. 2019; Halbig et al. 2019).

In Abb. 21.4 werden die berechneten Lufttemperaturunterschiede (in °C) zwischen einer Bebauungssituation mit Anpassungsmaßnahmen und dem Zustand vor der Bebauung für ein städtisches Quartier am Ende einer Sommernacht (6 Uhr morgens) dargestellt (horizontale Auflösung: 4 m). Es zeigen sich Gebiete, die durch die Bebauung mikroklimatische Verbesserungen (blaue Flächen), aber auch Verschlechterungen (orange und rote Flächen) aufweisen.

Abb. 21.4
figure 4

Vergleich der durchschnittlichen Lufttemperatur am 20.6., 6 Uhr, in einem Stadtquartier (Auflösung 4 m x 4 m) mit dem Modell PALM-4U; a Darstellung des Quartiers mit unterschiedlichem Gebäudealter (Rottöne), unterschiedlicher Wegepflasterung (Grautöne) und unterschiedlichem Pflanzenbewuchs (Grüntöne). b Modellierung der Temperaturdifferenz zwischen einer Situation vor und nach der Bebauung, wobei der bebaute Zustand mit deutlichen Anpassungsmaßnahmen (hinsichtlich Versiegelungsgrad, Anzahl der Wasserflächen, Intensität der Bepflanzung, Dach- und Fassadenbegrünung) angenommen wurde. (Abbildung: Alexander Reinbold, GERICS)

Im Rahmen der Stadtplanung kann somit die Frage beantwortet werden, welche Auswirkungen klimaverbessernde Maßnahmen aktuell und zukünftig haben werden. Da auch heute noch keine hochauflösenden Simulationen der städtischen Grenzschicht für Monate oder Jahre möglich sind, bietet PALM-4U eine Schnittstelle, um Ergebnisse von regionalen Klimaprojektionen zu verwenden (Maronga et al. 2020). Mittels statistischer Verfahren (siehe z. B. Früh et al. 2011) lassen sich mit PALM-4U zukünftig Klimaindikatoren wie heiße Tage oder Tropennächte für verschiedene IPCC-Emissionsszenarien bis Ende des Jahrhunderts berechnen. Durch diese Schnittstelle stellt PALM-4U zudem Anfangs- und Randbedingungen operationeller Wettervorhersagemodelle zur Verfügung und ermöglicht so realistische Simulationen von Tagesgängen meteorologischer Parameter (Maronga et al. 2020).

Aber auch im Bereich der Human-Biometeorologie kann dieses Modell eingesetzt werden. So lässt sich über einen Multiagentenansatz ein strahlungsabhängiger, thermisch und lufthygienisch optimaler Weg eines Menschen in einer Stadt simulieren. Sollten hierbei entsprechende Grenzwerte der drei genannten Parameter überschritten werden, verändern die Agenten (Menschen) ihre Wegführung und wählen alternative Routen, um eine entsprechend angezeigte Belastung zu minimieren (Halbig et al. 2016, 2019). Auch Kraftfahrzeuge können in Kombination mit Verkehrssimulationsmodellen als Multiagenten eingesetzt werden, um den Verkehrsfluss optimal zu gestalten (Ziemke et al. 2019).

7 Städtische Klimapolitik

Die Herausforderungen des Klimawandels für die Stadtentwicklung sind in den letzten beiden Jahrzehnten zunehmend in die Formulierung von Leitvorstellungen und Handlungsstrategien der Städte und Gemeinden eingeflossen. Die Bedeutung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse über den Klimawandel werden zeitnah für Stadtregionen und Planungsanforderungen hervorgehoben (IPCC 2018), gleichzeitig führen sie in Kopplung mit Praxiserfahrungen lokaler Akteure, die spezifische Anpassungsmaßnahmen implementieren und bewerten, zu einer erweiterten Wissensbasis (Rosenzweig et al. 2018). Städtische Klimapolitik ist damit vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsziele (hier bes. SDG 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden) und der Ergebnisse der HABITAT-Konferenz in Quito 2016 nicht nur zu einem zentralen Gegenstand der Stadtplanung avanciert, sondern wird auch als Motor urbaner Transformationspolitik angesehen (WBGU 2016; Gordon und Johnson 2017). Dafür existieren differenzierte Anleitungen wie die Neue Urbane Agenda oder Empfehlungen verschiedener Städtenetzwerke und in nahezu allen Großstädten gibt es zahlreiche Politik- und Planungsdokumente, die konkrete Umsetzungen ankündigen. Zudem besteht ein großer gesellschaftlicher Konsens über die Notwendigkeit städtischer Klimapolitik und in jüngerer Zeit auch zunehmender Druck neuer sozialökologischer Bewegungen. Sicherlich ist die Reichweite der Maßnahmen regional unterschiedlich, in Europa zeigt sich dies in einem Nord-Süd- und West-Ost-Gefälle (Reckien et al. 2018). Zudem sind die Größenunterschiede der Städte und die Ressourcenausstattung der Planungsabteilungen bedeutsam. Erkennbar wird weiterhin die Auflösung zuvor getrennter Bereiche städtischer Klimapolitik. Ansätze der Mitigation, gemeint sind Maßnahmen zum Klimaschutz, werden immer häufiger mit Maßnahmen der Anpassung an absehbare und zu erwartende Klimaänderungen verbunden (Abschn. 21.5). Immer wichtiger wird dementsprechend das mainstreaming, also querschnittsorientierte und multidimensionale Integration klimapolitischer Ziele und Maßnahmen in allen existierenden Politikfelder im Gegensatz zu früheren Stand-alone-Ansätzen (Runhaar et al. 2018).

Diese allgemeine Beschreibung trifft auch und besonders für Deutschland zu, denn hier haben anwendungsorientierte Forschungsprogramme u. a. auf Grundlage der „Deutschen Anpassungsstrategie“ bereits seit Jahren die lokal vereinzelten Erfahrungen zusammengebracht, integrierende Untersuchungen initiiert und übergreifende Handlungsempfehlungen formuliert (UBA 2019a). Die inzwischen entstandene Wissensbasis ist für viele Bereiche des Klimaschutzes und der Klimaanpassung als gut, aber verbesserungsfähig zu bezeichnen. Ein UBA-Bericht benennt als derzeitige Hauptaufgaben die Verstetigung der Maßnahmen zur Klimaanpassung und die Bereitstellung zusätzlicher Informationsgrundlagen besonders für eine Erstabschätzung klimabedingter Herausforderungen. Hinzu treten wissenschaftliche Grundsatzfragen. Dazu gehören übergreifende Wirkungsanalysen städtischer Klimapolitik einschließlich der Effizienzbewertung der praktizierten Maßnahmen sowie die genaue Klärung des Zusammenhangs von Klima, erhöhten Temperaturen und Gesundheit (UBA 2019b, S. 107). Auf beide Aspekte soll weiter eingegangen werden.

Transformative Kapazität und Effizienz der Klimaanpassung in der Stadtplanung

Die einleitend aufgestellte Einschätzung, wissenschaftliche Grundlagen des Stadtklimas seien inzwischen breit in die Aufgabenstellung städtischer Klimapolitik und Planung eingeflossen, lässt sich durch verschiedene neuere Untersuchungen untermauern (z. B. Baumüller 2018; Nagorny-Koring 2018; Sturm 2019). Da die Erweiterung der Wissensbasis auf vielfältigen Formen der Co-Produktionen akademischer und praktischer Forschungsarbeiten aufbaut, kann dieses vielversprechende Zusammenspiel erhebliche Wirkungen auf lokaler Ebene erzeugen. Ihre Eintrittswahrscheinlichkeit wird mit Konzepten der transformatorischen Kapazität und Wirksamkeit städtischer Klimapolitik untersucht.

Forschungen zu diesem Thema (z. B. Wolfram 2016; Pahl-Wostl 2017; Hölscher et al. 2019) bestärken bereits in der früheren Auflage dieses Buches zusammengefasste Aspekte (Abb. 21.5), wie flexible Formen der Klima-governance, die breite Beteiligung von Stakeholdern und ihre Vernetzung sowie zeitgemäße Kommunikationsstrategien, die lokale Klimaziele nicht nur bekannt machen, sondern auch zur Mitgestaltung auffordern. Diese steuern vor dem Hintergrund der jeweiligen baulichen Stadtstrukturen sowie den vorhandenen Grünflächen und Gewässer die Interventionen, um die Klimaresilienz der Städte zu verbessern. Darüberhinausgehend sind innovative und experimentelle Formate der Klimapolitik in den letzten Jahren diskutiert worden (Reusswig und Lass 2017; Reinermann und Behr 2017). Thematisiert werden Realexperimente, urban labs, Pilotprojekte und Modellquartiere, die in exemplarischer Weise neue Umgangsformen mit den Herausforderungen des Klimawandels sichtbar werden lassen und mittels moderner Stadtklimamodelle simuliert werden können (Abschn. 21.6). Als wichtige Voraussetzungen ihrer Umsetzung werden der klimawissenschaftliche Begründungszusammenhang, die Akzeptanz und Beförderung durch die Stakeholder, die thematische Innovation und die räumliche Sichtbarkeit angesehen. Dabei soll eine Vielfalt von intervenierenden Maßnahmen als Lernfeld und Basis für fortlaufende Kommunikation über Veränderung entstehen. Das Ausmaß an transformativer Kapazität einer Stadt ist damit abhängig vom Zusammenspiel sehr unterschiedlich gelagerter Faktoren. Diese sind organisatorisch nicht immer leicht zusammenzuführen und nur ansatzweise mit hierarchischen Steuerungsvorstellungen der Stadtentwicklung kompatibel. Vielmehr beziehen sie sich vorwiegend auf etwas, das als Kultur transformatorischer Klimapolitik in der Stadtentwicklung anzusehen ist und über viele Projekte die kollektive Kreativität und Verantwortungsbereitschaft einer Stadt abbildet. Die politische Unterstützung der Stadtregierung und Verwaltung sowie der Unternehmen, Verbände und zivilgesellschaftlichen Akteure stellt eine Voraussetzung dafür dar (Abb. 21.5).

Abb. 21.5
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Parameter städtischer Klimapolitik

Zur Prüfung der Wirksamkeit transformativer Kapazität werden Vorschläge gemacht, die eng an die Formen der experimentellen Stadt anknüpfen. Ausgehend von städtebaulichen Experimenten und Pilotprojekten lassen sich Prozesse des scaling up verfolgen, die eine erfolgreiche Verbreiterung klimapolitischer Maßnahmen und Veränderungen in der Stadt aufzeigen (Fuhr et al. 2018; Doren et al. 2018; Kern 2019; Hughes et al. 2020). Ein horizontales scaling up stellt den Prozess einer erfolgreichen Ausdehnung in einer Stadt oder auch in einem vergleichbaren institutionellen Rahmen dar, der somit auch verschiedene Städte in einem Bundesland oder auch die nationale oder europäische Stadtpolitik betreffen kann. Das vertikale scaling up verweist dagegen auf Lernprozesse, die zu übergreifenden institutionellen Veränderungen beitragen. Dies betrifft besonders solche projektspezifischen Erfahrungen, die zu neuen Richtlinien führen oder gar Leitbildcharakter bekommen. Obwohl die Diskussion über diese Begriffe und ihre theoretische Fundierung derzeit noch als unbefriedigend anzusehen ist, zeigt diese Diskussion einen wichtigen Weg, wie aus der Betrachtung von Einzelmaßnahmen Erfahrungen für eine wirksame klimapolitische Stadtentwicklung gesammelt, gefiltert und bewertet werden können.

Soziale Verwundbarkeiten und Gesundheit

Soziale Vulnerabilitäten und Ungleichheiten, die durch den Klimawandel verursacht und verstärkt werden, sind in den letzten Jahren häufig mit Bezug zu Konzepten der Resilienz sowie zu Normen der Umweltgerechtigkeit und Gesundheitsvorsorge diskutiert worden (Krefis et al. 2018; Hornberg et al. 2018). Zu konstatieren ist eine hohe Komplexität der Zusammenhänge. Sie resultiert aus der Vielzahl städtischer Umweltstressoren in ihrer räumlichen und zeitlichen Variabilität. Eng mit dem Klimawandel hängen Temperatur, Hitze, Niederschlag und Luftqualität zusammen (Abschn. 21.2, 21.3, 21.4 und 21.5). Zu sehr unterschiedlichen Komfort- und Belastungssituationen führen auch die unterschiedlichen morphologischen Stadtstrukturen, die Flächennutzung und die Verkehrsflüsse sowie Einflüsse der naturräumlichen Lage. Schließlich ist die urbane Bevölkerung divers strukturiert und unterscheidet sich nach Alter, Wohnsituation, Nachbarschaftsbeziehungen, Aktionsräumen, kulturellen Praktiken oder gesundheitlichen Vorbelastungen. Daher ist der Nexus Klimawandel, Stadtbevölkerung und Gesundheit ein zunehmend wichtiges, aber auch schwieriges Feld für allgemeine Aussagen (Szombathely et al. 2017). Vor diesem Hintergrund bedürfen die Empfehlungen für das Leitbild einer „gesunden Stadt“, das aktuell stark an Bedeutung gewinnt, weiterer wissenschaftlicher Begleitung.

Vordringlich erscheint dafür eine thematische Fokussierung auf die räumliche Exposition zu Klimastressoren und die soziokulturelle Differenzierung der Stadtbevölkerung. Es ist bekannt, dass die soziale Benachteiligung mit gesundheitlichen Problemen und geringerer Lebenserwartung einhergeht (Knesebeck et al. 2018). Daher sind Ansätze, die die zukünftige Entwicklung des Stadtklimas mit der baulichen und der sozialen Entwicklung Stadt verbinden, eine wichtige Voraussetzung zur urbanen Klimaanpassung (Kaveckis et al. 2017). Weiterhin wären Untersuchungen notwendig, die den trade-off zwischen der Nähe zu „grüner“ und „blauer“ Infrastruktur und dem Trend zunehmender Verdichtung bestimmen. Gerade in einer Zeit zunehmender Verstädterung weltweit, anhaltender Reurbanisierung in Europa und Deutschland sowie der aktuellen Pandemieerfahrungen und ihrer Bekämpfung steht die klimagerechte Stadt erneut auf dem Prüfstand.

8 Kurz gesagt

Städte zeichnen sich durch ein besonderes Klima aus, das sich wesentlich von ihrem natürlichen Umland unterscheidet. Nicht nur sind die Oberflächen- und Lufttemperaturen meist höher, sondern auch die den Luftaustausch bestimmende Windgeschwindigkeit ist geringer und die Luftqualität schlechter. Unter den Bedingungen des globalen Klimawandels werden sich die thermischen und lufthygienischen Verhältnisse weiter verschlechtern. In Städten wird wegen der hohen Bevölkerungsdichte ein Großteil der Bewohner zukünftig unter den Auswirkungen von Hitzewellen und eventuell durch Starkregen bedingte Überschwemmungen zu leiden haben. Aufgabe der angewandten Stadtklimatologie ist es, Handwerkszeuge zu entwickeln, um Städte mithilfe zielführender Planung gegenüber den Wirkungen des Klimawandels zu stärken.

Dabei zählen neben einem kontinuierlich hohen Informationsstand über mögliche Klimafolgen auch eine Koordinierung unterschiedlicher Akteure und die Beteiligung der Stadtbevölkerung an allen Maßnahmen dazu. Urbane Klimapolitik ist ein langfristig ausgelegter, auf breite Teilhabe aufbauender Transformationsprozess, der gleichermaßen auf die bebaute Umwelt wie auf das Handeln der Stadtgesellschaft einwirkt. Verbunden sind damit Veränderungen der Materialität des urbanen Raumes sowohl durch klimagerechte Stadtplanung als auch durch einen neuen Diskurs über Stadtentwicklung, in dem Aspekte des Klimaschutzes und der Klimaanpassung als selbstverständliche Elemente verstärkt aufgenommen werden müssen.