FormalPara Koordinierende Leitautor_innen

Hendrik Theine und Livia Regen

FormalPara Beitragende Autor_innen

Victor Daniel Perez Delgado und Claus Reitan

FormalPara Koordination der Strukturkapitel

Michael Ornetzeder

FormalPara Revieweditor

Wolfgang Hofkirchner

FormalPara Zitierhinweis

Theine, H. und L. Regen (2023): Mediendiskurse und -strukturen. In: APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben (APCC SR Klimafreundliches Leben) [Görg, C., V. Madner, A. Muhar, A. Novy, A. Posch, K. W. Steininger und E. Aigner (Hrsg.)]. Springer Spektrum: Berlin/Heidelberg.

FormalPara Kernaussagen des Kapitels

Status quo und Herausforderungen

  • In der wissenschaftlichen Literatur finden sich am Schnittpunkt von Medien und Klimakrise vielfach Studien zu journalistisch produzierten Inhalten, wobei die Rolle der Online- und sozialen Medien immer stärkere Beachtung findet. Für den österreichischen Kontext liegen sehr wenige Studien vor.

  • Auf internationaler Ebene zeigt sich, dass die mediale Aufmerksamkeit zu unterschiedlichen Aspekten der Klimakrise in den letzten drei Jahrzehnten eindeutig zugenommen hat; gleichzeitig teilwiese auf niedrigem bis mittlerem Niveau verweilt (hohe Übereinstimmung, starke Literaturbasis). Etablierte Medienpraktiken wie anlassbezogene Berichterstattung und Fokussierung auf den Nachrichtenwert sowie die Konkurrenz mit anderen Themen und die ideologische Ausrichtung von Medienhäusern spielen eine zentrale Rolle (hohe Übereinstimmung, starke Literaturbasis).

  • Auf diskursiver Ebene lässt sich in journalistischen Medien ein breiter Konsens für die Existenz der menschengemachten Klimakrise feststellen (hohe Übereinstimmung, starke Literaturbasis). In manchen Kontexten (insbesondere bei ideologischer Nähe von bestimmten Medienhäusern zu rechts-konservativen politischen Eliten oder auch in sozialen Medien) ist die Persistenz klimakrisenskeptischer Positionen durchaus relevant (hohe Übereinstimmung, mittlere Literaturbasis). Die Berichterstattung ist tendenziell von Markt- und Innovationsperspektiven und darin eingebetteten Maßnahmen zur Abwendung der Klimakrise geprägt (hohe Übereinstimmung, mittlere Literaturbasis); transformative Perspektiven (wie die Gesellschaft-Natur-Perspektive) spielen eher eine geringe Rolle in medialen Klimakrisendiskursen (hohe Übereinstimmung, schwache Literaturbasis).

  • Studien zur Rolle von Online- und sozialen Medien im Klimakrisendiskurs nehmen zu. Hier zeigt sich, dass soziale Medien Foren für die Verhandlung von Klimakrisendiskursen insbesondere für wissenschaftliche Detailfragen, (Laien-)Diskussionen und Nischenthemen sind. Untersuchungen weisen zudem auf die Relevanz sozialer Medien für das Agenda-Setting und öffentliche Mobilisierung von NGOs und Aktivist_innen hin. Klimakrisenleugnende Positionen spielen in bestimmten Kontexten eine ausgeprägte Rolle (hohe Übereinstimmung, mittlere Literaturbasis).

Notwendigkeiten

  • Auf der Ebene der Medieninhalte ergeben sich Transformationserfordernisse insbesondere hinsichtlich der Infragestellung hegemonialer wachstums- und technikoptimistischer sowie marktzentrierter Grundpositionen. Gleichzeitig ist eine stärkere Fokussierung auf Alternativen zur strukturellen Organisation von Ökonomien, positive Szenarien und transformative Lösungsansätze, die den Begriff einer klimafreundlichen Lebensweise in der Vorstellung erfahrbar machen, notwendig (hohe Übereinstimmung, mittlere Literaturbasis).

  • Auf Ebene der Medienstrukturen stehen die Restrukturierung hemmender Faktoren wie journalistischer Praktiken, Geschäftsmodelle, Eigentumsverhältnisse, Werbemarktabhängigkeit sowie regulativer Rahmenbedingungen des Mediensektors im Vordergrund der Transformationsnotwendigkeiten (hohe Übereinstimmung, mittlere Literaturbasis).

  • Zudem bedarf der Mediensektor als relevanter CO2-Emittent auch aufgrund der wachsenden digitalen Infrastruktur klarer Treibhausgasreduktionspfade, welche bisher nicht ausreichend formuliert sind (hohe Übereinstimmung, schwache Literaturbasis).

Akteur_innen und Institutionen

  • Die Produktion von Medieninhalten ist in kontextspezifische, institutionelle Strukturbedingungen eingebettet, die hemmend auf eine proaktive Rolle der Medien für eine Transformation zum klimafreundlichen Leben wirken. Dies umfasst insbesondere journalistische Praktiken, die Ausrichtung der Geschäftsmodelle von Medienunternehmen, zunehmender Wettbewerbsdruck, die Abhängigkeit vom Werbemarkt sowie Eigentumsverhältnisse und regulative Rahmenbedingungen (hohe Übereinstimmung, schwache Literaturbasis).

  • Auf Ebene der Akteur_innen ist für den österreichischen Kontext nur wenig gesicherte Forschung vorhanden. Viele etablierte Akteur_innen im österreichischen Mediensektor haben bisher wenig bis keine erkennbaren Aktivitäten zur Klimakrise zu verzeichnen; andere lassen sich als tendenziell fördernd einstufen (schwache Übereinstimmung, schwache Literaturbasis).

Gestaltungsoptionen

  • Gestaltungs- und Handlungsoptionen lassen sich insbesondere im Bereich alternativer Journalismusformen, die zu Diskursen einer klimafreundlichen Lebensweise beitragen (z. B. transformativer Journalismus), der Stärkung des Stellenwerts von Wissenschafts-, Umwelt- und Klimajournalismus in Redaktionen, auf der Ebene der Medienregulierung (Ausrichtung der Medienförderung), der Abkehr von fossilistischen Werbemärkten, der Erarbeitung neuer Finanzierungsmodelle sowie der Restrukturierung von Eigentumsverhältnissen verorten (mittlere Übereinstimmung, schwache Literaturbasis).

20.1 Einleitung

Medien (sowohl klassische Massenmedien als auch soziale Medien) sind zentrale Foren, in denen die Klimakrise inklusive der Transformationsnotwendigkeiten zu einem klimafreundlichen Leben diskursivFootnote 1 konstruiert und verhandelt wird. Unter anderem durch die Wirkung auf Rezipient_innen, auf welche wir im vorliegenden Kapitel nur begrenzt eingehen werden, sind Medien zentral für die Schaffung von Vorstellungsräumen und sich daraus ableitenden Handlungen im Umgang mit der Klimakrise (z. B. Arlt et al., 2010; Gavin, 2018; Kannengießer, 2021; Neverla et al., 2019; Wiest et al., 2015). Für die erfolgreiche Umsetzung vieler Transformationsnotwendigkeiten, die in anderen Kapiteln dieses Berichts herausgearbeitet werden, ist die mediale Konstruktion jener Problemfelder ein wichtiger Faktor. Aufgabe einer kommunikations- und medienwissenschaftlichen Perspektive ist es zu erforschen, wie die Klimakrise inklusive potenzieller Lösungsmöglichkeiten als soziales Problem konstruiert wird und welche Prozesse sozialer Deutungsproduktion damit einhergehen (Kannengießer, 2020b).

Mit Rückgriff auf gängige Konzeptualisierungen (Kannengießer, 2020b; Shoemaker & Reese, 2014; Weischenberg, 1995) unterscheiden wir zwischen zwei zentralen medienanalytischen Teilbereichen: Mediendiskurse (sowohl in Massenmedien als auch auf sozialen Medien) und Medienstrukturen, wobei wir unter zweiterem sowohl Medientechnologien (vgl. Kannengießer, 2020b) als auch die zugrundeliegenden polit-ökonomischen und kulturellen Institutionen verstehen (Fuchs, 2017b; Knoche, 2014). Damit werden sowohl die gut erforschte inhaltliche Ebene als auch Medienstrukturen explizit zum Analysegegenstand.

Bezüglich der Mediendiskurse legen wir einen Fokus auf journalistisch produzierte Inhalte, da diese einen großen Teil der Forschung zu Medien und Klimakrise ausmachen. Gleichzeitig beziehen wir uns, wo möglich, auch auf Unterhaltungsmedien, da kommunikationswissenschaftliche Rezeptionsforschung gezeigt hat, dass Spielfilme (und Dokumentationen) aufgrund ihrer emotionalen Konnotation durchaus handlungsrelevant sind (Lörcher, 2019). Allerdings liegt wenig Forschung zu Spielfilmen und zur Filmindustrie mit Bezug zur Klimakrise vor. Letztlich nehmen wir auch die Rolle von sozialen Medien und Online-Blogs in den Blick, um aktuelle Diskursdynamiken wie die Rolle von Aktivist_innen und Polarisierungstendenzen von Meinungen abzudecken.

Bevor wir auf die Rolle von Medien(-diskursen) in der Klimakrise eingehen, skizzieren wir kurz relevante Tendenzen in der österreichischen Medienlandschaft, die den Kontext für Medienproduktion bilden. In der Typologisierung von Hallin und Mancini (2004) gilt das österreichische Mediensystem als demokratisch-korporatistisch, da es sich durch ein ausgeprägtes Zeitungswesen, relativ stabiles Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit hohen Reichweiten sowie eine ausgeprägte Rolle des Staates auszeichnet (Saurwein et al., 2019; Seethaler & Beaufort, 2020). Diese staatliche Rolle wird immer wieder problematisiert – zum einen aufgrund der institutionellen Abhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von den jeweiligen Regierungskoalitionen; zum anderen aufgrund der fehlgesteuerten Presseförderung und öffentlichen Inseratenschaltungen (Kaltenbrunner, 2021; Trappel, 2019). Seit einigen Jahren durchläuft das österreichische Mediensystem einen weitreichenden Transformationsprozess und einige international stark ausgeprägte Tendenzen machen sich auch in Österreich zunehmend bemerkbar. Unter anderem haben sich folgende Veränderungen ergeben: (1) Das 2001 eingeführte duale System aus öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern hat zu einem Rückgang der Zuschaueranteile des öffentlich-rechtlichen ORF zugunsten privater (teilweise deutscher) TV-Sender geführt (Rhomberg, 2016; Seethaler & Beaufort, 2020; Trappel, 2019); (2) zwar ist die Nutzung von Printmedien im internationalen Vergleich noch recht hoch, sie hat jedoch in den letzten Jahren deutlich zugunsten von Online-Medien abgenommen (Gadringer et al., 2020; Grisold & Grabner, 2017; Kaltenbrunner et al., 2020); (3) hinzu kommt die zunehmende Tabloidisierung und Boulevardisierung der österreichischen Zeitungen unter anderem durch die zunehmenden Marktanteile von Gratis-Tageszeitungen (Grisold & Grabner, 2017; Hayek et al., 2020; Magin, 2019; Trappel, 2019); (4) auch die Nutzung und Rolle von digitalen und sozialen Medien nimmt stark zu (Gadringer et al., 2020); (5) privatwirtschaftliche Werbung als zentrale Einnahmequelle gerät für die traditionellen Massenmedien aufgrund der steigenden digitalen Konkurrenz zunehmend in Gefahr, was tendenziell zu einer zunehmenden Abhängigkeit von öffentlichen Inseraten führt (FOCUS Marketing Research, 2020; Grisold & Grabner, 2017; Murschetz, 2020; Trappel, 2019); (6) mit steigendem Wettbewerbsdruck und der Krise der Geschäftsmodelle traditioneller Medienunternehmen gehen eine steigende Arbeitsbelastung von Journalist_innen sowie Kosteneinsparungen in Redaktionen (insbesondere in Print- und Lokalmedien) und damit potenziell ein steigender Einfluss von PR und Interessengruppen einher (Kaltenbrunner et al., 2020; Seethaler, 2019).

Für Österreich gibt es wenig explizite Forschung zur Frage der Rolle der Medien in der Klimakrise und in Bezug auf die diskursive Rolle von Medien in Bezug auf eine klimafreundliche Lebensweise. Entsprechend ziehen wir in diesem Kapitel internationale Literatur heran (teilweise auch zu Mediensystemen, die sich strukturell vom österreichischen unterscheiden) und treffen Einschätzungen, wie sich dieser Forschungsstand zum österreichischen Kontext verhält.

20.2 Status quo und Herausforderungen

20.2.1 Journalistisch produzierte Inhalte und soziale Medien

Hinsichtlich der Frage, wie journalistisch produzierende Medien die Klimakrise und Vorschläge für ein klimafreundliches Leben aufgreifen, verarbeiten und darstellen, zeigt ein erster Befund, dass für den österreichischen Kontext nur sehr wenige Studien vorliegen. Auf internationaler Ebene existieren hingegen eine Vielzahl an wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich mit der Medienberichterstattung zur Klimakrise in unterschiedlichen Aspekten befassen. Folgende Erkenntnisse gelten als gesichert.

Grundsätzlich bietet die Klimakrise als langfristiger, globaler, hochkomplexer Prozess mit wenigen Personalisierungsmöglichkeiten und über die Sinne individuell nicht unmittelbar wahrnehmbar kein ideales Objekt der journalistischen Berichterstattung. Erst Ereignisse, die einen „Nachrichtenwert“ erfüllen und sich mit der Klimakrise verbinden lassen – seien sie politischer, wissenschaftlicher oder wetterbezogener Natur – bieten Anlässe der Berichterstattung (Neverla & Trümper, 2012). Trotz dieser ungünstigen Ausgangslage hat die mediale Aufmerksamkeit zu unterschiedlichen Aspekten der Klimakrise in den letzten drei Jahrzehnten mäßig bis sehr stark zugenommen. Dieser grundsätzliche Trend der steigenden Aufmerksamkeit hängt stark von geografischen und weiteren Kontextbedingungen, wie der Ausrichtung der jeweiligen Medien, ab (Bohr, 2020; Brüggemann et al., 2018; Daly et al., 2019; Pianta & Sisco, 2020; M. S. Schäfer et al., 2014; Schmidt et al., 2013). Eine (schwach positive) Determinante für die zunehmende mediale Aufmerksamkeit ist die direkte Betroffenheit eines Landes von den Auswirkungen der Klimakrise (Barkemeyer et al., 2017). Gleichzeitig zeigen langfristige Analysen, dass sich die mediale Aufmerksamkeit – trotz Zunahme – noch auf einem niedrigen bis mittleren Niveau befindet. Beispielsweise sind zwischen 2004 bis 2021 im Durchschnitt 1–3 Artikel pro Tag in deutschen und US-amerikanischen Tageszeitungen zur Klimakrise erschienen (eigene Berechnungen basierend auf M. Boykoff et al., 2022; Daly et al., 2022). Dies sind – gegeben die umfassenden und vielschichtigen Transformationsnotwendigkeiten von Ökonomie und Gesellschaft [Kap. 2] – vergleichsweise wenig Artikel.

Für Österreich existieren keine begutachteten Untersuchungen für diesen Aspekt. Zwei Abschlussarbeiten (Holzner, 2008; Kathrein, 2014) sowie die Analyse von Narodoslawsky (2020) lassen aber auf vergleichbare Trends schließen. Diese zeigen, dass die Klimakrise vor allem seit Mitte der 2000er Jahre zu einem relevanten medialen Thema in Österreich geworden ist. Die Abschlussarbeit von Pikl (2012) weist darüber hinaus darauf hin, dass Boulevardzeitungen die Klimakrise tendenziell in einem alarmistischen, sensationalistischen Ton behandeln, während Qualitätszeitungen stärker auf klimapolitische Maßnahmen fokussieren (siehe auch M. T. Boykoff, 2008; M. T. Boykoff & Mansfield, 2008 für vergleichbare Ergebnisse für Boulevardzeitungen in Großbritannien).

Die mediale Aufmerksamkeit für die Klimakrise steigt besonders stark im Zusammenhang mit spezifischen Ereignissen an, wie internationalen Klimakonferenzen, Veröffentlichungen des Weltklimarates, der Veröffentlichung von Filmen wie „An Inconvenient Truth“ sowie mit Extremwetterereignissen (M. T. Boykoff & Roberts, 2007; Brüggemann et al., 2018; Grundmann & Scott, 2014; M. S. Schäfer et al., 2014). Eine international vergleichende Studie, in der auch Österreich untersucht wird, zeigt, dass in der Online-Medienberichterstattung weniger über wissenschaftliche Berichte und langfristige klimatische Veränderungen, sondern vor allem über kurzfristigere Extremwetterphänomene berichtet wird (Pianta & Sisco, 2020). Außerdem zeigen Studien, dass die Klimakrise mit anderen Themen (z. B. Arbeitslosigkeit, Wirtschafts- und Finanzkrisen und der COVID-19-Pandemie) um mediale Aufmerksamkeit konkurriert (Barkemeyer et al., 2017; M. T. Boykoff et al., 2021; Gustafsson, 2013; Lyytimäki et al., 2020; Pearman et al., 2020). Letztlich untersucht eine Studie im DACH-Raum die visuellen Darstellungen der Klimakrise und ihrer Auswirkungen und zeigt, dass vor allem auf dramatische Bildsprache und „Wirkung“ gesetzt wird und so Luftaufnahmen von Überschwemmungen und Verwüstungen gewählt werden. Dies kann durchaus eine überwältigende und passivierende Wirkung auf die Rezipient_innen haben, da die Klimakrise so wie eine gewaltige natürliche Entwicklung erscheint, die nicht aufzuhalten ist (Metag et al., 2016; O’Neill, 2013, 2020; siehe dazu auch: Wessler et al., 2016). Medien reagieren also durchaus auf globale ökologische Entwicklungen, wobei die Verarbeitung im Rahmen von medienspezifischen Praktiken wie der anlassbezogenen Berichterstattung und dem Nachrichtenwert klar erkennbar ist.

Auf diskursiver Ebene lassen sich auf Basis der internationalen wissenschaftlichen Literatur insbesondere zwei Schwerpunkte der Medienberichterstattung herausarbeiten, die durchaus „grenzüberschreitend“ (Brüggemann et al., 2018, S. 244) bzw. auf globaler Ebene den Klimadiskurs prägen. Erstens gibt es einen breiten medialen Konsens dazu, dass die Klimakrise in anthropogenen Treibhausgasemissionen wurzelt sowie für die damit in Verbindung stehenden Probleme und hohen Risiken verantwortlich ist (Brüggemann et al., 2018). Dies lässt sich unter anderem auf die Zentralität von Journalist_innen mit hoher Expertise (meist aus den Umwelt- und Wissenschaftsressorts) zurückführen, die sich intensiv mit Klimakrise und Klimapolitik beschäftigen und einen relevanten Teil der Berichterstattung bestreiten (Brüggemann & Engesser, 2014). Zweitens spielen Wissenschaftler_innen für die Interpretation und Aufbereitung des wissenschaftlichen Klimakrisendiskurses in den Medien eine wichtige Rolle (Brüggemann et al., 2018; Grundmann & Scott, 2014), wobei hier auch immer wieder in der Literatur auf die Prominenz von Klimaskeptiker_innen hingewiesen wird. In diesem Kontext zeigen Hermann et al. (2017) für Österreich, dass drei Typen von Wissenschaftler_innen den Klimakrisendiskurs in österreichischen Zeitungen prägen: (1) jene, die vor den anthropogenen Folgen des Klimawandels warnen (Warner_innen), (2) jene, die den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel in Zweifel zu ziehen versuchen (Klimaskeptiker_innen) und (3) jene, die sowohl die anthropogenen als auch die natürlichen Ursachen des Klimawandels betonen (Objektivist_innen), wobei die hohe Dominanz des ersten Typs mit Ergebnissen aus anderen Ländern korrespondiert (Grundmann & Scott, 2014).

Damit liefern journalistisch produzierte Medieninhalte eine zentrale Voraussetzung dafür, dass die Klimakrise als gravierendes Problem verstanden wird, und bereiten so eine wichtige Grundlage für Diskussionen um ein klimafreundliches Leben und die Notwendigkeit der tiefgreifenden Transformation, welche in den weiteren Kapiteln dieses Berichts herausgearbeitet worden sind. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass in einigen Ländern – insbesondere Großbritannien, USA und Australien (McKnight, 2010b; Painter, 2012), aber auch in Deutschland (Schmid-Petri & Arlt, 2016) – und in bestimmten Zeiträumen eine relativ hohe Prominenz klimakrisenskeptischer Positionen in der Klimaberichterstattung vorhanden ist (Brüggemann et al., 2018; Elsasser & Dunlap, 2013; Petersen et al., 2019; Ruiu, 2021). Es lassen sich mindestens drei verschiedene Typen klimakrisenskeptischer Positionen identifizieren: (1) „Trend-Skeptizismus“ stellt die Existenz der Klimakrise grundlegend infrage, (2) „Attribution-Skeptizismus“ stellt den anthropogenen Beitrag zur Klimakrise infrage und beschreibt diese als natürliche Entwicklung und (3) subtiler Skeptizismus erkennt zwar das Phänomen der Klimakrise an, stellt es jedoch nicht als Problem dar und hebt positive Nebeneffekte hervor (Schmid-Petri & Arlt, 2016). Während die ersten beiden Formen von Skeptizismus 2012 und 2013 insbesondere im britischen Kontext zu finden waren, so zeigte sich sowohl in Großbritannien als auch und insbesondere in Deutschland die dritte, subtilere Form von Skeptizismus in hohem Maße (Schmid-Petri & Arlt, 2016).

Es liegen unterschiedliche Erklärungsansätze für die Präsenz klimakrisenskeptischer Positionen in journalistischen Beiträgen vor: Während lange Zeit journalistische Normen wie die der scheinbar ausgewogenen Berichterstattung („balance as bias“) als zentral galt (Bohr, 2020; M. T. Boykoff & Boykoff, 2004), so werden mittlerweile andere Faktoren als ausschlaggebend betrachtet: die ideologische Ausrichtung und Nähe bestimmter Medien zu rechts-konservativen bis rechtsextremen politischen Eliten, Think Tanks und Milieus (Forchtner et al., 2018; McKnight, 2010a, 2010b; Painter & Gavin, 2016; Plehwe, 2014; Schmid-Petri, 2017; Schmid-Petri et al., 2017), Praktiken des interpretativen Journalismus (Brüggemann & Engesser, 2017) sowie der Grad, zu welchem der öffentliche Diskurs zur Klimakrise primär wissenschaftlich oder politisch geprägt ist (Schmid-Petri & Arlt, 2016). Eine Untersuchung der Berichterstattung in deutschen Medien über die UN-Klimakonferenz (COP17) in Durban zeigt entsprechend, dass klimakrisenskeptische Diskurse, die die Existenz der anthropogenen Klimakrise fundamental in Frage stellen, eine eher untergeordnete, wenn auch vorhandene Rolle spielen; vermehrt zu finden sind diese nur in einschlägig rechten und rechtspopulistischen Medien (Kaiser & Rhomberg, 2016). Weiters haben bisherige Analysen gezeigt, dass es in der medialen Berichterstattung eine Tendenz gibt, auf Kontextualisierungen zu verzichten und die Klimakrisendarstellung teilweise stark zu vereinfachen – insbesondere hinsichtlich existierender Unsicherheiten als Teil von Forschungsergebnissen und Szenarien (Brüggemann et al., 2018; Maurer, 2011).

Hinsichtlich ökonomischer und sozioökonomischer Aspekte in der Klimakrisenberichterstattung belegen inhalts- und diskursanalytische Untersuchungen, dass (negative) ökonomische Konsequenzen von Maßnahmen zur Abwendung der Klimakrise stark im Vordergrund stehen. Damit wird zwar die Existenz der anthropogenen Klimakrise anerkannt, aber vor allem der negative wirtschaftliche Effekt von Klimaschutzmaßnahmen betont (Brüggemann et al., 2018; Shehata & Hopmann, 2012; Vu et al., 2019). Aktuelle Arbeiten zeigen hier aber auch, dass sich derartige Frames, also die (strategische) Hervorhebung einiger Schlüsselaspekte der komplexen Realität im Kommunikationsprozess (Entman, 1993), durchaus im Wandel befinden: In ihrer Analyse US-amerikanischer Zeitungen von 1988 bis 2014 zeigen Stecula und Merkley (2019), dass zwar die negativen Konsequenzen von Klimaschutzmaßnahmen weiter im Vordergrund stehen, aber die Betonung wirtschaftlicher Vorteile zwischen 2006 und 2014 durchaus zugenommen hat.

Es deutet auch einiges darauf hin, dass Markt- und Innovationsperspektiven [Kap. 2] zur Abwendung der Klimakrise sehr wahrscheinlich in den Medien im Vordergrund stehen (Shanagher, 2020). So zeigen bisherige Untersuchungen der britischen Presseberichterstattung über Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung, dass marktliberale Maßnahmen, technokratische Lösungen, die soziale Verantwortung von Unternehmen und nachhaltiger Konsum die vorherrschenden Frames sind – auch unabhängig von den ideologischen Ausrichtungen der Zeitungen (Diprose et al., 2018; Hellsten et al., 2014; Koteyko, 2012; Lewis, 2000; für ähnliche Untersuchungen siehe Yacoumis, 2018). Die Rolle und Notwendigkeit des Wirtschaftswachstums wird in der Berichterstattung großteils unkritisch als anzustrebendes politisches Handlungsziel weiter reproduziert (Knauß, 2016; Lohs, 2020), was potenziell auf die Dominanz marktzentrierter ökonomischer Perspektiven und Expertisen zurückzuführen ist (Kapeller et al., 2021; Krüger et al., 2021; Krüger & Pfeiffer, 2019; Maesse et al., 2021; Theine, 2021; Wehrheim, 2021). Eine Studie, die das Informationsmagazin „konkret“ im ORF2 diskursanalytisch untersucht, zeigt, dass der Fokus stark auf wirtschaftlichen und verbraucherorientierten Fragen liegt und Kosten-Nutzen-Erwägungen, die ökologische Überlegungen marginalisieren, im Vordergrund stehen (Sedlaczek, 2017). Marktmechanismen zur Koordinierung von Interessen werden insgesamt selten in Frage gestellt (Carvalho, 2019; Schmidt & Schäfer, 2015).

Demgegenüber sind die Bereitstellungs- und Gesellschaft-Natur-Perspektive [Kap. 2] wahrscheinlich eher unterrepräsentiert. So werden beispielsweise Fragen des sozialen Fortschritts, der sozialen Gerechtigkeit und der Klimagerechtigkeit im Zusammenhang mit der Klimakrise bisher eher randständig behandelt (Diprose et al., 2018; Vu et al., 2019). Beispielsweise werden die kapitalismuskritischen Frames der Divestment-Kampagne von Bill McKibben und 350.org zwar von unterschiedlichen Medien aufgegriffen und diskutiert, verlieren aber im Laufe der Zeit schnell wieder an Relevanz; gleichzeitig bleiben marktliberale politische Ideen und Akteur_innen tendenziell längerfristig relevant (Schifeling & Hoffman, 2019). Zudem zeigt sich, dass die Berichterstattung zur Klimakrise sehr wahrscheinlich nicht ausreichend mit sozialen und ökonomischen Systemfragen, die für eine klimafreundliche Lebensweise relevant sind, verknüpft werden: Sowohl in der medialen Debatte um den Kohleabbau in Tschechien als auch um die Öl-Pipelines in Kanada spielen zwar ökologische Auswirkungen eine relevante Rolle, gleichzeitig findet die Verknüpfung zwischen der Klimakrise und dem (nationalen) Klimabudget in nur sehr geringem Ausmaß statt (Dusyk et al., 2018; Lehotský et al., 2019).

Aktuelle Dynamiken des Wandels sind vor allem auf der Ebene der diskursiven Rahmung zu erkennen: Ausgangspunkt ist der Guardian, welcher 2019 die internen redaktionellen Richtlinien überarbeitete, um das Ausmaß der Klimakrise im gewählten Vokabular adäquat zu reflektieren. Teil des angepassten Vokabulars ist es, Begriffe wie „Klimaskeptiker_in“ durch „Klimawissenschaftsleugner_in“ zu ersetzen sowie die empfohlene Verwendung von „Klimakrise/Notstand/Zusammenbruch“ und die Ersetzung von „globale Erwärmung“ durch „globale Erhitzung“. Auch die visuelle Kommunikation wurde in diesem Zusammenhang überarbeitet (Carrington, 2019; Shields, 2019; The Guardian, 2019). Wissenschaftlich begleitet durch Torsten Schäfer, Professor für Journalismus, wurden vergleichbare Richtlinien bei der tageszeitung (taz) umgesetzt, weitere Redaktionen könnten in Zukunft folgen (Milman, 2019; Schöneberg, 2020). Diese Entwicklung scheint in Österreich auch in Ansätzen vorhanden zu sein (Narodoslawsky, 2020).

Eine weitere aktuelle Dynamik betrifft die Wichtigkeit von Online-Blogs und sozialer Medien, welche zunehmend relevante Kommunikationsmedien für Fragen der Klimakrise und der klimafreundlichen Lebensweise werden (Pearce et al., 2014, 2019). Aufgrund der Datenverfügbarkeit ist bei sozialen Medien ein deutlicher Fokus auf den Mikroblogging-Dienst Twitter zu erkennen (Pearce et al., 2014). Durchgeführte Studien deuten auf eine gewisse „Funktionsteilung“ zwischen Massenmedien und der Kommunikation auf sozialen Medien hin, wobei erstere eher thematische Fokusse setzen und bestimmte Frames bedienen und zweitere von wissenschaftlichen Detailfragen, (Laien-)Diskussionen und Nischenthemen geprägt sind (Brüggemann et al., 2018; Lörcher & Neverla, 2015). Einige Untersuchungen zeigen die Relevanz sozialer Medien für NGOs und Aktivist_innen auf, um Themen auf die öffentliche Agenda zu setzen, auf Kampagnen aufmerksam zu machen, Inhalte einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und für Aktionen zu mobilisieren (Askanius & Uldam, 2011; Greenwalt, 2016; Holmberg & Hellsten, 2016; M. S. Schäfer, 2012). Gleichzeitig zeigt sich auch, dass auf sozialen Medien geteilte Quellen und Links sehr häufig auf traditionelle Massenmedien zurückführen; diese formen damit auch den Klimakrisendiskurs in sozialen Medien (Kirilenko & Stepchenkova, 2014; Newman, 2017; Veltri & Atanasova, 2017).

Untersuchungen zur Dynamik von Online-Diskussionen (in sozialen Medien und auf Online-Blogs) legen nahe, dass die Bestätigung der sozialen Gruppenidentität häufig im Vordergrund steht, was zu einer Polarisierung von Positionen, zu Echokammern und zur Fragmentierung von Debatten führt. Die Ausrichtung von Algorithmen vieler sozialer Medien auf Popularität und gemeinsame Interessen ist ein weiterer Faktor, der zur Polarisierung beiträgt (Treen et al., 2020). In diesem Zusammenhang wird auch auf die Rolle von sozialen Medien und Online-Blogs für die Verbreitung von klimakrisenskeptischen Positionen hingewiesen (Auer et al., 2014; Forchtner et al., 2018; Jang & Hart, 2015; M. S. Schäfer, 2012; Sharman, 2014; Vraga et al., 2015). Das Center for Countering Digital Hate (2022) identifizierte Ende 2021 die sogenannten „Toxic Ten“ – zehn Nachrichtenmedien, die für 69 Prozent aller Interaktionen mit klimaskeptischen Inhalten auf Facebook verantwortlich sind. Eine Analyse für Österreich zeigt, dass der Online-Blog unzensuriert.at sowie die Medien Zur Zeit und Die Aula, welche alle drei der Freiheitlichen Partei Österreichs nahestehen, überwiegend klimakrisenskeptische Positionen verbreiten (Forchtner, 2019).

Um eine klimafreundliche Lebensweise in Österreich zu ermöglichen, bedarf es einer breiten Wissensbasis, klimasensibler Einstellungen, (politischer) Handlungsbereitschaft und konkreter Visionen eines klimafreundlichen Lebens. Voraussetzung dafür sind ein geeignetes Agenda-Setting und Framing seitens der Medien. Ob dies in der österreichischen Medienlandschaft gegeben ist, kann mangels ausreichender empirischer Basis nicht belegt werden, da kaum begutachtete, wissenschaftliche Untersuchungen vorliegen, die sich mit der medialen Konstruktion der Klimakrise, inklusive ihrer sozioökonomischen und politischen Implikationen, auseinandersetzen. Damit steht die empirische Überprüfung der oben diskutierten internationalen Evidenz für Österreich großteils noch aus. Gleichzeitig lässt sich aufgrund der grenzüberschreitenden Tendenz einiger Diskurse sowie der Vergleichbarkeit des österreichischen Mediensystems mit anderen Mediensystemen, für die breitere Evidenz vorliegt, erwarten, dass einige der diskutierten Tendenzen auch für Österreich zutreffen.

20.2.2 Mediale Strukturbedingungen

Die identifizierten diskursiven Trends sind immer eingebettet in spezifische kontext- und zeitabhängige, medienspezifische sowie politische Strukturbedingungen. Für die Frage der Klimakrise und des klimafreundlichen Lebens in den Medien sind insbesondere folgende Strukturbedingungen bisher als relevant identifiziert worden: Einige Untersuchungen problematisieren vorherrschende journalistische Praktiken, insbesondere den Umgang mit Quellen (Bohr, 2020), insbesondere mit PR-Quellen (T. Holmes, 2009), interpretativen Journalismus und die Orientierung am Nachrichtenwert (Brüggemann & Engesser, 2017; Neverla & Trümper, 2012) sowie subtil klimakrisenskeptische Positionen durch marktliberales Framing der Klimakrise und verwandter Politikmaßnahmen (Schmid-Petri et al., 2017). Untersuchungen für den US-amerikanischen Kontext zeigen, dass die Ausrichtung der Geschäftsmodelle von Medienunternehmen auf Boulevard und konservative Leser_innen zusätzlich klimakrisenskeptische Positionen fördert (Elsasser & Dunlap, 2013; Feldman et al., 2012). Weiters zeigen Untersuchungen den Einfluss von Eigentumsverhältnissen und Medieneigentümer_innen auf das Framing der Klimakrise (Carvalho, 2007; Lee et al., 2013; McKnight, 2010a; Wagner & Collins, 2014), wobei weitere Studien notwendig sind, um die Korrelation genauer zu beschreiben.

Hinsichtlich der Strukturbedingungen des Mediensystems, welche die Dominanz marktliberaler, konsumzentrierter und technologischer Diskurse fördern, ist bisher nur wenig gesicherte Forschung vorhanden. Einige Untersuchungen deuten auf die hohe Relevanz und den privilegierten Zugang von PR und strategischer Kommunikation mächtiger multinationaler Unternehmen, Regierungen, Lobbygruppen und marktliberaler Expert_innen hin (Bacon & Nash, 2012; M. S. Schäfer & Painter, 2020). Auch Umwelt-NGOs haben PR-Abteilungen, welche Medienarbeit ebenfalls effektiv betreiben, und sind in der Lage, über soziale Medien Themen in den Diskurs einzubringen oder hervorheben und damit Debatten zu beeinflussen. Gleichzeitig sind hier Mittel und Ressourcen oft beschränkt oder nur zeitlich begrenzt verfügbar. Auch die enge Verzahnung von Medien mit der politischen Ökonomie kapitalistischen Wirtschaftens und insbesondere der werbenden Wirtschaft ist sowohl theoretisch als auch empirisch untersucht worden, allerdings ist dies noch ausbaufähig für spezifische Aspekte im Zusammenhang mit der Klimakrise und dem klimafreundlichen Leben (Bacon & Nash, 2012; Beattie, 2020; D. Holmes & Star, 2018; M. S. Schäfer & Painter, 2020). Auch die Auswirkungen der (Print-)Medienkrise auf die mediale Repräsentation der Klimakrise und klimafreundlichen Lebens wurden in Einzelfällen als hoch problematisch eingestuft (Gibson, 2017; M. S. Schäfer & Painter, 2020), verlangen aber zusätzliche Forschung auch für den österreichischen Kontext.

Um eine klimafreundliche Lebensweise in Österreich zu ermöglichen und zu gewährleisten, ist eine tiefgreifende Transformation bestehender Wirtschafts- und Produktionsstrukturen sowie Konsummuster erforderlich. Viele Wirtschaftszweige stehen vor grundlegenden Veränderungen, um klimafreundliche Produktionsweisen sicherzustellen. Dies trifft auch auf die Medieninfrastruktur zu. Zur Klimabilanz der Medieninfrastrukturen selbst liegen keine Untersuchungen vor. Bisherige Analysen des Sektors der Informations- und Kommunikationstechnologie zeigen, dass dieser ca. 3 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen ausmacht. Aktuelle Szenarien deuten darauf hin, dass die Treibhausgasemissionen bis 2040 bei ausbleibenden Reduktionsmaßnahmen auf einen Anteil von 6 Prozent bzw. 14 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen ansteigen könnten, was sich unter anderem aus der steigenden Relevanz der Internetnutzung (z. B. Streaming und Suchmaschinen) ergibt (Belkhir & Elmeligi, 2018; Malmodin et al., 2010), wobei die Unsicherheit der Berechnungen und Datengrundlagen hier recht hoch scheint (Kamiya, 2020). Spezifische Berechnungen für Nachrichtenmedien, einschließlich der Infrastruktur, des Drucks und des journalistischen Reisens, stehen noch aus. Untersuchungen der (US-amerikanischen) Filmindustrie zeigen einen hohen CO2-Fußabdruck, welcher einem klimafreundlichen kulturellen Leben entgegensteht (Bozak, 2012; Rust et al., 2013; Vaughan, 2019). Eine Reihe von Untersuchungen liegen vor, die analysieren, wie sich die Digitalisierung des Mediensektors auf den CO2-Ausstoß auswirkt (Lange & Santarius, 2018; Sühlmann-Faul & Rammler, 2018). Dies führt zu Veränderungen sowohl auf der Ebene der Nutzer_innen (Verschiebung zwischen Offline- und Online-Medienkonsum) als auch der Produktion (Wegfall von CO2-intensiven Produktionsprozessen wie der Druckerpresse und Verringerung der notwendigen Vertriebswege bei gleichzeitig massiv gestiegenem Bedarf an elektronischen Endgeräten, Servern und ICT-Infrastruktur).

20.3 Notwendigkeiten

Aus der Analyse des Status quo sowie der existierenden Herausforderungen lassen sich Transformationserfordernisse sowohl auf der Ebene der Medieninhalte als auch auf der Ebene der Medienstrukturen ableiten.

Neben einer Verstetigung der medialen Aufmerksamkeit ergeben sich auf der Diskursebene Notwendigkeiten besonders in Bezug auf die Infragestellung der Hegemonie wachstumszentrierter und technikoptimistischer Grundpositionen in der medialen Repräsentation der Klimakrise und zugehörigen Visionen einer klimafreundlichen Lebensweise [Kap. 2425]. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund notwendig, dass – wie von Haberl et al. (2020) festgestellt – Wirtschaftswachstum sich nicht absolut von Emissionen und Ressourcenverbrauch entkoppeln lässt und damit im Widerspruch zu einer klimafreundlichen Lebensweise steht. Damit einher geht die Notwendigkeit einer stärkeren Fokussierung auf Alternativen zur aktuellen Organisation von Ökonomien, positive Szenarien und transformative Lösungsansätze, die den Begriff einer klimafreundlichen Lebensweise in der Vorstellung erfahrbar machen [Kap. 2627].

Mit einer derartigen Veränderung der Berichterstattung einher gehen potenzielle Reputationsrisiken und ein möglicher Imageverlust aufgrund noch unpopulärer, nicht von der Allgemeinheit akzeptierter Rollenselbstverständnisse der Journalist_innen. Gleichzeitig bietet eine Neuorientierung Chancen, da so neue Zielgruppen erschlossen werden können (Luks, 2008; M. S. Schäfer & Painter, 2020). Eine konfliktfreie Neuorientierung, welche momentane Machtverhältnisse und diskursive Dominanzen nicht gleichzeitig grundlegend infrage stellt, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Deshalb können Neuorientierungen auf Inhaltsebene nicht von den Strukturbedingungen, in welchen die Inhalte entstehen, entkoppelt werden. Transformationsnotwendigkeiten, die im Zusammenhang mit der Inhaltsebene existieren, setzen daher auch recht wahrscheinlich Veränderungen auf struktureller Ebene voraus (z. B. Besitzverhältnisse, Abhängigkeit von der werbenden Wirtschaft, Abhängigkeit von der fehlgesteuerten Presseförderung, politisch gesteuerte Anzeigenvergabe und publizistische Vielfalt inklusive Alternativen zum medialen Mainstream) (M. T. Boykoff & Roberts, 2007). Veränderungen in Bezug auf Medienstrukturen schließen außerdem die Produktion fairer und sozial und ökologisch nachhaltiger Medientechnologien mit ein (Kannengießer, 2020a; van der Velden, 2018).

Einige dieser strukturellen Transformationserfordernisse wurden in der bestehenden Literatur bereits explizit identifiziert und problematisiert (sowohl in der wissenschaftlichen Literatur als auch in der Wissenschaftskommunikation in das journalistische Feld hinein, siehe z. B. Kannengießer, 2019). Als gesichert gilt die Notwendigkeit der Abkehr von journalistischen Praktiken, die zu (subtilem) Klimakrisenskeptizismus beitragen. Hierzu gehört der Umgang mit journalistischen Quellen, die Hervorhebung positiver Nebeneffekte der Klimakrise sowie die Infragestellung von politischen Antworten auf die Klimakrise, oft gekoppelt mit der Polarisierung von ökologischen und ökonomischen Interessen (Bohr, 2020; Brüggemann & Engesser, 2017; Schmid-Petri et al., 2017). Diskutiert wird außerdem, dass vorhandene dominante Praktiken, wie das (vermeintlich) objektive, distanzierte „Berichten, was ist“ (Hanitzsch et al., 2019), hinterfragt und überdacht werden müssen. So fordert zum Beispiel Krüger (2021) einen „transformativen“ Journalismus, der eine klare Werteentscheidung zugunsten der großen Transformation beinhaltet und gleichzeitig „zentrale journalistische Qualitätskriterien wie Unabhängigkeit, Kritik und Objektivität“ erfüllt. Im Hinblick auf den Aspekt der „Objektivität“ argumentieren Brüggemann et al. (2022), dass die Kriterien der wahrheitsgemäßen und relevanten Berichterstattung weiter Gültigkeit besitzen, transformativer Journalismus gleichzeitig nicht neutral und ausgewogen sein kann.

Aktuelle Forschung deutet darauf hin, dass diese Praktiken zum Teil bereits hinterfragt werden; dies bedarf aber jenseits erster Analysen einer breiteren Diskussion und Anpassung auf aktuelle Fragestellungen (Brüggemann & Engesser, 2017; M. S. Schäfer & Painter, 2020). Das verlangt beispielsweise eine breite Neuinterpretation etablierter journalistischer Praktiken und Rollenverständnisse in Bezug auf wissenschaftlich etablierte Befunde wie der Klimakrise sowie einer innerredaktionellen Stärkung der Umwelt- und Wissenschaftsressorts. Dunwoody und Konieczna (2013) argumentieren in diesem Zusammenhang, dass es eine notwendige journalistische Verpflichtung sein sollte, sowohl a) die Berichterstattung mit der wissenschaftlichen Beweislage zur Klimakrise in Einklang zu bringen, als auch b) die notwendigen Schritte zu setzen, die hergestellte Öffentlichkeit zur Klimakrise durch regelmäßige Berichterstattung, die über reine Momentanberichterstattung zu Extremwetterereignisse ohne weitere Einbettung hinausgeht, zu pflegen. Schäfer und Painter (2020) zeigen, dass Klimakrisenjournalismus durchaus in unterschiedlichen Ressorts stattfindet. Gleichzeitig ist eine weitere Intensivierung der Berichterstattung und eine weitere Integration über Ressorts hinweg vor dem Hintergrund der weitreichenden Transformationserfordernisse ökonomischer, sozialer, politischer und gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse unabdingbar. Erste Schritte in diese Richtung hat beispielsweise die APA mit der Einführung eines ressortübergreifenden Klimateams unternommen (APA-OTS, 2021). Ein weiterer Ansatzpunkt für die Neuorientierung journalistischer Praktiken sind Recherchenetzwerke, die wir im nächsten Abschnitt (Abschn. 20.4) näher beleuchten.

Für Österreich steht die Analyse der Relevanz journalistischer Normen und Rollenbilder im Kontext der Klimakrise noch aus. Eine repräsentative Umfrage unter Journalist_innen in Österreich deutet zumindest auf die Relevanz dieser Aspekte hin. So sehen sich 20 Prozent der Befragten dem Idealbild der distanzierten und objektiven Berichterstattung verpflichtet; weitere 18 Prozent lassen sich der Typologie der Pragmatiker_innen zuordnen, die möglichst schnell informieren wollen und für eine Fokussierung auf Themen stehen, welche jeweils tagesaktuell im allgemeinen Interesse sind. Weiters stimmen 93 Prozent der Befragten der Aussage voll und ganz oder überwiegend zu, „das Publikum möglichst neutral und präzise zu informieren“ (Kaltenbrunner et al., 2020, S. 164). Gleichzeitig stimmen ca. 20 Prozent der Befragten zu, dass es zur Aufgabe des Journalismus gehört, Kritik an existierenden Missständen zu üben sowie Wirtschaft, Gesellschaft und Politik kritisch zu beleuchten (Kaltenbrunner et al., 2020). Die Mehrheit der Befragten stimmt der Frage zu, dass Journalist_innen bei dem Thema Klimakrise/Klimaschutz „Partei ergreifen sollten“. Außerdem zeigt eine soziodemografische Auswertung, dass Journalist_innen überproportional in die grüne Wählergruppe fallen, was eine gewisse Vertrautheit mit der Klimakrisenthematik suggeriert (Kaltenbrunner et al., 2020, S. 263).

Aus der obigen Status-quo-Analyse ergibt sich, dass die hohe Abhängigkeit von strategischer Kommunikation durch etablierte Quellen („elite sources“) zu reduzieren ist, da diese dazu tendieren, existierende Machtverhältnisse sowie Produktions- und Konsumbedingungen zu rechtfertigen, und damit einer tiefgreifenden Transformation tendenziell entgegenstehen (D. Holmes & Star, 2018; M. S. Schäfer & Painter, 2020). Da diese Abhängigkeit mit der Krise und Transformation der Medienbranche eher zunimmt (Gibson, 2017), bedarf es auch einer Überprüfung existierender Medienförderungsregime und -erfordernisse. Vor dem Hintergrund, dass eher eine gegenteilige Entwicklung förderlich wäre – nämlich ein qualitativ hochwertiger, systemisch analytischer Journalismus –, sind die aktuellen Geschäftsmodelle mit kurzfristiger Profitorientierung, insbesondere im Bereich der Massenmedien, zu überprüfen (Friedman, 2015; Gibson, 2017; M. S. Schäfer & Painter, 2020). Dies bezieht sich auch auf die Notwendigkeit der (weitgehenden) Abkopplung von der fossilistischen Werbewirtschaft, da diese Status-quo-fördernd wirkt und tendenziell im Widerspruch steht zur zentralen Rolle der kritischen Beobachtung wirtschaftlicher, staatlicher, politischer und gesellschaftlicher Akteur_innen (Beattie, 2020; D. Holmes & Star, 2018; Pürer, 2008; M. S. Schäfer & Painter, 2020). International gibt es bereits ein paar Beispiele, die als Vorreiter betrachtet werden können: Die britische Tageszeitung The Guardian akzeptiert seit Anfang 2020 keine Werbegelder mehr aus dem Fossilsektor (Regen, 2021; Waterson, 2020). Die schwedische Tageszeitung Dagens Nyheter hat zum einen Regeln für eine klimafreundlichere Werbepraxis definiert, und zum anderen folgt sie The Guardian und schaltet darüber hinausgehend auch keine Auto- und Flugwerbungen mehr (badvertising, 2021).

Auf der Ebene der Medieninfrastruktur schätzen wir klare und weitreichende Treibhausgasreduktionsszenarien sowohl für traditionelle Massenmedienunternehmen als auch für digitale und soziale Medien für sehr relevant ein. Sowohl international als auch für Österreich gibt es hierzu keine explizite Forschung. Darüber hinaus haben Recherchen für dieses Kapitel gezeigt, dass bei den österreichischen Medienunternehmen große Leerstellen hinsichtlich der betrieblichen Treibhausgasreduktionsszenarien zu erkennen sind. Nur wenige der großen österreichischen Medienunternehmen veröffentlichen regelmäßige Nachhaltigkeitsberichte. Zu den Ausnahmen gehören der ORF und eingeschränkt ProSieben, Sat1, Puls4 und Sky Österreich – bei den beiden letztgenannten veröffentlichen die jeweiligen Mutterkonzerne regelmäßig Nachhaltigkeitsberichte. Der Nachhaltigkeitsbericht des ORF ist vergleichsweise ausführlich und benennt konkrete Ziele, Maßnahmen und Zeitpläne, an denen sich nachhaltigkeitsorientierte Aktivitäten bewerten und messen lassen (ORF, 2020). Eine Abschlussarbeit über die Styria Media Group zeigt, dass unter den Führungskräften des Unternehmens zwar die Notwendigkeit klimafreundlicher Produktion anerkannt wird und die Übereinstimmung zwischen Nachhaltigkeit und christlichen Werten betont wird, es aber gleichzeitig innerhalb der „journalistischen Verantwortung der Redaktionen [liegt], wie mit diesem Thema umgegangen wird“ (Lichtenegger, 2016, S. 98). Weder im Bereich der journalistischen Auseinandersetzung noch auf der Ebene der Unternehmensinfrastruktur gab es zur Zeit der Auswertung weitreichende Ziele und integrierte Maßnahmen (mit Ausnahme des Neubaus des „Styria Headquarters“), um die Klimakrise zu adressieren (Lichtenegger, 2016).

20.4 Akteur_innen und Institutionen

Strukturen und Akteur_innen im Bereich Medien, die eine Transformation zu klimafreundlichem Leben hemmen bzw. diese fördern, lassen sich auf mehreren Ebenen identifizieren: auf der makroökonomischen Systemebene, auf politischer Ebene, auf der Ebene der inneren Organisation des Mediensektors der Redaktionen sowie der journalistischen Berufskultur und im Bereich der Kommunikations- und Medienwissenschaften.

20.4.1 Der makroökonomische und politische Kontext

Auf makroökonomischer Ebene stellen die Wettbewerbszwänge und die Profitorientierung sowie die enge Verzahnung der Medienindustrie mit anderen Wirtschaftssektoren und die damit einhergehenden ökonomischen Fluktuationen in Wachstumsökonomien wahrscheinlich eine hemmende Struktur dar (Fuchs & Mosco, 2012; Fuchs, 2020; Knoche, 1999). Dies steht im tendenziellen Widerspruch zur demokratiepolitisch dauerhaft zentralen Rolle der Medien in der kritischen Beobachtung des Staates sowie wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Akteur_innen (Pürer, 2008).

Dabei ist insbesondere die Abhängigkeit vom Werbemarkt als „notwendiges Lebenselixier“ für Medienunternehmen (Knoche, 2005) mit hoher Wahrscheinlichkeit eine hemmende Struktur. Durch die digitale Transformation hat diese Abhängigkeit auch in der österreichischen Medienlandschaft merkbar zugenommen (Grisold, 2015; Seufert, 2016). Die Relevanz von Werbeeinnahmen ist so stark ausgeprägt, dass „ein entsprechender Rückgang bedrohlich [ist]“ (Siegert, 2020). Befragungen von Journalist_innen und Chefredakteur_innen zeigen, dass Medienschaffende immer wieder von Druck aus der Werbebranche berichten; nicht selten geht es dabei um Drohungen bzw. die Gefahr von Anzeigenentzug bei unerwünschter Berichterstattung (Siegert, 2020). Ähnliches findet sich für den österreichischen Kontext, in dem mehr als 70 Prozent der befragten Journalist_innen von einer Zunahme des Werbedrucks sprechen (Seethaler, 2019; Seethaler & Beaufort, 2020). Explizit nachweisen für den Klimakrisenkontext kann dies Beattie (2020) für die USA: In Antizipation von Werbekampagnen in der Automobilbranche zeigt sich, dass Zeitungen Klimaberichterstattung zum einen skeptischer und zum anderen quantitativ reduziert ausfallen lassen, um potenzielle Werbegelder anzuziehen. Auch außerhalb des Klimakrise-Kontextes zeigen Studien, dass Werbung (sowohl von privaten als auch öffentlichen Akteur_innen) die Berichterstattung beeinflusst (z. B. Gambaro & Puglisi, 2015; Tella & Franceschelli, 2011). Umgekehrt zeigt sich auch, dass Werbeausgaben von Konzernen auf Medienberichterstattung reagieren: im US-amerikanischen Kontext korrelieren beispielsweise Werbeausgaben von Ölkonzernen mit der Intensität an Klimaberichterstattung (Brulle et al., 2020).

Die (national) politische Ebene (bzw. die Ebene der regulatorischen Rahmenbedingungen) wird in ihrer aktuellen Konstellation in Österreich aufgrund ihrer Inaktivität als potenziell hemmende Struktur eingestuft. Während in den 1990ern eine starke Euphorie in Bezug auf Klimamaßnahmen vorhanden war, ist in den letzten Jahren auf nationaler Ebene tendenziell eine Verschleppung weitreichender Maßnahmen zu verzeichnen (Brand & Pawloff, 2014; Niedertscheider et al., 2018; Soder et al., 2018). Folglich ist davon auszugehen, dass die Bundesregierung bisher auch in Bezug auf Medien ihren potenziellen Einfluss auf die Herbeiführung einer klimafreundlichen Lebensweise nicht geltend macht (z. B. im ORF über den stark politisch besetzten Stiftungsrat: Seethaler und Beaufort (2020); oder mittels Presseförderung: Haas (2012)). Inwiefern sich die Beteiligung der Grünen in der Bundesregierung mittel- und längerfristig auf regulatorische Bemühungen im Mediensektor auswirkt, bleibt abzuwarten. Eine eng verzahnte Beziehung zwischen Medien und Politik unter anderem durch öffentliche Inserate (Eberl et al., 2018; Grisold & Grabner, 2017; Kaltenbrunner, 2021; Kaltenbrunner et al., 2020) sowie tendenzielles Misstrauen gegenüber staatlicher Medienregulierung (Kääpä, 2020) sowohl aus Rezipient_innensicht als auch aus der Perspektive von Medienschaffenden könnten zusätzlich hemmende Aspekte für eine klimafreundliche Medienregulierung darstellen. Diese Aspekte bedürfen der expliziten empirischen Überprüfung und sind auch im internationalen Kontext bisher wenig beleuchtet worden.

20.4.2 Tendenzen im Mediensektor und die Rolle zentraler Akteur_innen

Die innere Organisation des Mediensektors betreffend, werden ausgeprägte Konzentrations- und Einsparungstendenzen sowie aktuelle Eigentumsverhältnisse und profit-zentrierte Geschäftsmodelle als hemmende Strukturen verortet und zentrale Akteur_innen innerhalb der österreichischen Medienlandschaft als tendenziell hemmend eingestuft. Mit steigendem Wettbewerbsdruck waren unter anderem in den letzten Jahren eine zunehmende Arbeitsbelastung sowie ein Rückgang der Anzahl an Journalist_innen beobachtbar [siehe Abschn. 20.1 Einleitung].

Diese Faktoren können als eine potenzielle Herausforderung für die zukünftige Entwicklung des Journalismus betrachtet werden (Kaltenbrunner et al., 2020; Seethaler & Beaufort, 2020) und bergen die Gefahr von Perspektivenverengung. Konzentrations- und Einsparungstendenzen bewirken tendenziell eine verstärkte Abhängigkeit von PR-Quellen (Jackson & Moloney, 2016; Saridou et al., 2017). Im internationalen Kontext gibt es wissenschaftliche Belege zur Abhängigkeit von Wirtschaftsressorts von PR-basiertem Nachrichtenmaterial, unter anderem aus der Kohle- und Erdölindustrie (Bacon & Nash, 2012). Eine Umfrage unter deutschen Journalist_innen und PR-Praktizierenden weist auf gegenseitige finanzielle Abhängigkeit hin (Koch et al., 2020). Für die Klimaberichterstattung kann die zunehmende Abhängigkeit von grünen PR-Quellen (von professionellen Umweltkommunikator_innen aufbereitete Textbausteine) und die damit einhergehende Machtverschiebung zuungunsten von Journalist_innen als Gefahr für qualitativ hochwertigen, unabhängigen Umweltjournalismus in den Mainstream-Nachrichtenmedien eingestuft werden (Williams, 2015).

Medienkonzentrationstendenzen in Österreich, insbesondere auf Bundesländerebene, gehen mit einem hohen Stellenwert der Boulevardpresse einher [siehe Abschn. 20.1 Einleitung]. Dies kann aufgrund der sensationalistischen und alarmistischen Ausrichtung (Pikl, 2012) tendenziell als hemmender struktureller Faktor auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Lebensweise eingestuft werden. Ebenso werden Medieneigentümer_innen – je nach politischer Ausrichtung – potenziell als hemmende Akteur_innen eingeschätzt aufgrund des Interesses, den Status quo und damit bestehende Besitz- und Machtverhältnisse aufrechtzuerhalten und daher potenziell – je nach politischer Orientierung – Klimakrisenberichterstattung und ökologisch relevante betriebswirtschaftliche Entscheidungen hemmend zu beeinflussen, wofür es auf internationaler Ebene Befunde gibt (Lee et al., 2013; McKnight, 2010a; Wagner & Collins, 2014). Zu beachten ist für den österreichischen Kontext, dass keine expliziten regulatorischen Maßnahmen vorhanden sind, die sicherstellen, dass Entscheidungen über die Ernennung und Entlassung von Chefredakteur_innen unabhängig von kommerziellen oder politischen Interessen der Eigentümer_innen getroffen werden (Seethaler & Beaufort, 2020). Insbesondere bei privatwirtschaftlich organisierten Medien mit Familien und Einzelpersonen als Besitzer_innen (eine Eigentumsform, die in Österreich durchaus relevant ist (Theine & Grabner, 2020)) besteht die hemmende Gefahr der politischen Ausrichtung der Medien auf eine Weise, die einer klimafreundlichen Lebensweise nicht zuträglich ist, wie im englischsprachigen Kontext an der Murdoch-Familie und News Corp ersichtlich (McKnight, 2010a). Zentral ist hierbei auch die Rolle konservativer, klimakrisenskeptischer Netzwerke und ihrer engen Verbindungen zu konservativen Medienhäusern [siehe Abschn. 20.2 Status quo und Herausforderungen]. Eine Einschätzung für Österreich liegt für die Medien unzensuriert.at, Zur Zeit und Die Aula vor, die klimakrisenleugnenden Diskursen prominenten Raum geben und eng mit der FPÖ vernetzt sind. Für weitere Parteien und Akteur_innen liegen bisher keine Einschätzungen vor.

Die Rolle zentraler institutioneller Akteur_innen in der österreichischen Medienlandschaft ist unklar aufgrund fehlender Studien zum Thema. Unseren Recherchen nach weist der Verband österreichischer Zeitungen (VÖZ) als Interessenvertretung von Tageszeitungen, Wochenzeitungen und Magazinen bisher sehr geringe Aktivität zur Klimakrise auf. Ähnliches trifft auf den Verein zur Selbstkontrolle der österreichischen Presse (Österreichischer Presserat) zu, welcher keine erkennbaren Aktivitäten oder Schwerpunkte zur Klimakrise aufweist. So wird in den Zusatzrichtlinien zur Finanz- und Wirtschaftsberichterstattung des Pressekodex keine Verbindung zur Klimakrise hergestellt. Einzig enthält der Pressekodex den Hinweis, dass im redaktionellen Spezialbereich „Autoteil“ „Umwelt-, Verkehrs- und energiepolitischen Zusammenhängen […] auch Rechnung getragen werden [soll]“ (Österreichischer Presserat, 2019).

Unsere Recherche möglicher förderlicher Akteur_innen hat ergeben, dass klimakrisenspezialisierte Recherchenetzwerke und neue Formen des Journalismus hohe Relevanz für die Neuorientierung von Berichterstattungspraktiken haben. In Deutschland haben sich über die letzten Jahren hinweg klimakrisenspezialisierte Recherchenetzwerke gebildet wie beispielsweise Riffreporter und Grüner Journalismus sowie klimabewusste Medienmacher_innengruppen wie klimareporter.de, Grüner drehen, Netzwerk Degrowth-Journalismus, das Netzwerk Klimajournalismus Deutschland (Netzwerk Klimajournalismus Deutschland, o. J.) und das EU-weite Arena Climate Network (o.J.). Eine ähnlich positive Rolle könnten Institutionen wie das Netzwerk Weitblick spielen. Als potenzielle Vorreiter_innen im Bereich des konstruktiven, investigativen und „slow“ Journalismus lassen sich beispielsweise Perspective Daily, The Correspondent oder Correctiv identifizieren. Auch im Bereich des Fernsehens gibt es im internationalen Kontext erste Initiativen, die einer klimafreundlichen Lebensweise zuträglich sind, wie die Einführung täglicher Formate (z. B. „The Daily Climate Show“ auf Sky News). Für den deutschsprachigen Raum fordert die Initiative „KLIMA° vor acht“ tägliche Klimaberichterstattung zur höchstfrequentierten Sendezeit (Klima vor Acht, 2021) – ein weiteres gutes Beispiel für tagesaktuelle Klimakrisenberichterstattung ist das „Klima Update“ auf RTL (Niemeier, 2021). In sozialen Medien gibt es erste niederschwellige Formate wie Instagram-Kanäle (z. B. der @klima.neutral-Kanal des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders ARD), die über eine klimafreundliche Lebensweise oder die Klimakrise wissenschaftlich fundiert, aber zugänglich berichten und die unserer Einschätzung nach das Potenzial haben, den Klimakrisendiskurs auch in nicht printmediennahen bzw. nicht massenmedienaffinen Gruppen zu fördern. Im österreichischen Kontext gibt es bisher wenige vergleichbare Beispiele bis auf Datum, ein Magazin, das man als „Slow Journalism“ („entschleunigter Journalismus“) klassifizieren könnte, oder auch Dossier, das erste österreichische Magazin, welches sich vom Werbemarkt emanzipiert hat. Beide stellen interessante Experimentierobjekte im Kontext des österreichischen Mediensektors dar.

Trotz noch nicht vorhandener Forschung zum Thema ist es unserer Einschätzung nach wahrscheinlich, dass progressive Medienhäuser wie DerStandard und der FALTER als tendenziell fördernde Akteur_innen für den Diskurs zu einer klimafreundlichen Lebensweise in Österreich wirken, zum einen durch spezialisierte Aussendungen wie der Klimaklartext-Newsletter von DerStandard bzw. dem FALTER.natur-Newsletter, zum anderen durch die Einführung spezialisierter Ressorts wie das kürzlich gegründete Ressort für Natur im Falter (Falter.at, 2021). Weitere aktuelle Bespiele für fördernde Aktivitäten sind der Blog „Klima in Bewegung“ im Online-Format auf derStandard.at, welcher Analysen aus Klimagerechtigkeitsperspektive veröffentlicht, der Profil-Podcast „Tauwetter“ sowie folgende Initiativen: der K3-Preis für Klimakommunikation (K3 Klimakongress, 2022), der Österreichische Umweltjournalismus-Preis (Umweltjournalismus-Preis, 2021) und die Gründung des Netzwerks Klimajournalismus (2021), welches auf Leerstellen im Zusammenhang zur Klimakrise im österreichischen Mediensystem und Journalismus hinweist und versucht diese zu adressieren.

Offen bleibt auch, inwiefern der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein potenziell fördernder Akteur werden könnte. Aufgrund der relativ stabilen finanziellen Basis, der hohen Reichweite und des ihm entgegengebrachten hohen öffentlichen Vertrauens könnte der ORF eine Vorreiterrolle für den Diskurs um eine klimafreundliche Lebensweise einnehmen, wenngleich er auch einer hohen Werbeabhängigkeit (Saurwein et al., 2019) und relativ starken politischen Abhängigkeiten unterliegt (Seethaler & Beaufort, 2020). Einige klimakrisenrelevante Formate sind aktuell bereits im ORF-Programm vorhanden (z. B. der Ö1 Podcast „Klima – was tun?“ (Ö1, 2021) oder die jährlichen „Mutter-Erde“-Themenschwerpunkte (Mutter Erde, 2021)). Gleichzeitig scheinen diese im Lichte des Ausmaßes der Klimakrise noch ausbaufähig.

20.4.3 Journalistische Praktiken und Rollenverständnisse und Rolle der Kommunikationswissenschaft

Auf journalistischer Ebene sind existierende Praktiken und Normen, die aufgrund ihres Beitrags zur Verzerrung des wissenschaftlichen Konsenses zur Klimakrise im öffentlichen Diskurs (wie zu Beginn unter „Mediale Strukturbedingungen“ ausgeführt) mit hoher Wahrscheinlichkeit als Hemmnisse für die Kommunikation zu einer klimafreundlichen Lebensweise einzustufen. Zum anderen spielen makroökonomisch bedingte, sich auf Mikroebene äußernde kontextuelle Faktoren wie Zeitdruck, Überbelastungen in Redaktionen und mangelnde Expertise von Journalist_innen zur Klimakrise mit mittlerer Wahrscheinlichkeit eine zentrale Rolle (Lauerer & Keel, 2019).

Das journalistische Rollenverständnis der distanzierten Informationsbereitstellung ist auch in Österreich relevant [siehe Abschn. 20.3 Notwendigkeiten]. Gleichzeitig zeigt die repräsentative Umfrage von Kaltenbrunner et al. (2020), dass ca. 20 Prozent der Befragten Missstände aufdecken wollen und die Mehrheit der Befragten beim Thema Klimakrise/Klimaschutz „Partei ergreifen“ wollen. Diese journalistischen Selbstverständnisse können potenziell als förderlich eingestuft werden. Weiterbildungen und Recherchenetzwerke können dies weiter unterstützen.

Schließlich ist die Kommunikationswissenschaft selbst zum Betrachtungsgegenstand im Zusammenhang mit hemmenden Strukturen geworden (geringe Übereinstimmung) (Kannengießer, 2020b; Krüger & Meyen, 2018). Zum einen bleibt eine Kritik der politischen Ökonomie der Medien (z. B. Knoche, 2001; McChesney, 2000) insbesondere im deutschsprachigen Raum randständig, welche die Verzahnungen zwischen Medien und kapitalistischer Akkumulation explizit in den Blick nimmt (Fuchs, 2017; Garland & Harper, 2015). Zum anderen wird problematisiert, dass sich die Medien- und Kommunikationswissenschaft bisher nicht im gebührenden Ausmaß mit ökologischen Fragestellungen beschäftigt. Kannengießer (2020b) plädiert für Forschung zu den sozial-ökologischen Auswirkungen von Medieninfrastruktur in der Herstellung, Verwendung und Entsorgung sowie zu einhergehendem Energie- und Materialverbrauch und betont die Notwendigkeit einer Neuorientierung der Medien- und Kommunikationswissenschaft. Krüger und Meyen (2018) fordern eine transformative Kommunikationswissenschaft, welche „die mit öffentlicher Kommunikation verbundenen Aspekte der Transformation in eine nachhaltig wirtschaftende, demokratisch und gerecht organisierte Postwachstumsgesellschaft“ (Krüger & Meyen, 2018, S. 351) beleuchtet. Genannte wissenschaftliche Akteur_innen, die sich mit Medien und einem guten Leben befassen, haben das Potenzial, neue wissenschaftliche Strukturen und Wissenschaftsdiskurse im Sinne einer sozial-ökologischen Transformation mitzugestalten, welche letzten Endes zu fördernden Strukturen im Wissenschafts-Öffentlichkeits-Diskurs werden können.

20.5 Gestaltungsoptionen

Zur Adressierung oder Überwindung der momentan hemmenden Strukturen lassen sich Gestaltungsoptionen auf der Ebene der Medieninhalte und im Bereich der Medienstrukturen ableiten, die im Folgenden ausgeführt werden. Wie bereits angemerkt, ist die Forschungslage insgesamt relativ dünn, insbesondere hinsichtlich der strukturellen Gestaltungsoptionen im Mediensektor.

Konkrete Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten zur Überwindung der vorherrschenden journalistischen Praktiken und Rollenbilder (Abschn. 20.4.3) liegen im Bereich der neuen Formen des Journalismus. Hier scheinen der sich momentan herausbildende konstruktive, lösungsorientierte Journalismus sowie der transformative Journalismus vielversprechende neue Leitbilder zu sein. Der konstruktive, lösungsorientierte Journalismus betont die Notwenigkeit zukunftsorientierter Berichterstattung. Gleichzeitig stehen mit dem Fokus auf lösungsorientierte, handlungsorientierte Perspektiven tendenziell individuelle Handlungsoptionen im Vordergrund. Strukturelle Zusammenhänge werden weniger stark betont (Atanasova, 2021; Hermans & Drok, 2018; Krüger, 2016). Hier setzt der transformative Journalismus an, der eine Überwindung des Negativ-Bias der Medien durch die Hervorhebung von systemimmanenten und lokalen Lösungsansätzen für globale Problemstellungen als unzureichend erachtet (Krüger, 2021). Ein notwendiger Aspekt einer klimakrisenadäquaten Form von Journalismus sind ein globales Bewusstsein für die Klimakrise sowie eine tiefgreifende Problemanalyse, welche die derzeitige Organisation von Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend in Frage stellt (Krüger, 2021). Transformativer Journalismus beleuchtet zum einen explizit Zukunftsszenarien, welche im Einklang mit ökologischen Grenzen stehen und eine fundamentale Reorganisation von ökonomischen und sozialen Systemen voraussetzen, und nutzt zum anderen neue Erzählformen, wie Selbsterfahrungen, Briefe und Zukunftsvisionen (Marshall, 2014; Neverla, 2020; T. Schäfer, 2016). Damit wären unter anderem beispielsweise Postwachstumsökonomien Gegenstand der Betrachtung, welche auf den transformativen Werten der ökologischen Nachhaltigkeit, Demokratie und sozialen Gerechtigkeit basieren (Brüggemann et al., 2022; Krüger, 2021; Krüger & Meyen, 2018, S. 351). Nach unserer Perspektive beinhaltet der transformative Journalismus ein gesteigertes Selbstverständnis der journalistischen Rolle. Transformativer Journalismus sieht sich als eine kritische Beobachtung öffentlicher, privatwirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Aktivitäten und die damit einhergehende Einforderung klimawirksamer Maßnahmen. Dies beinhaltet unter anderem die Entlarvung und Dekonstruktion klimakrisenskeptischer und klimamaßnahmenverzögernder Diskursstrategien, wie sie zum Beispiel von Lamb et al. (2020) konzeptualisiert worden sind.

Eine erste Studie von Atanasova (2019), die Nachhaltigkeitsberichterstattung von „Positive News“, einer Webseite und Zeitschrift, die sich auf in konstruktiven, lösungsorientierten Journalismus spezialisiert hat, arbeitet folgende zentrale Eigenschaften der Berichterstattung heraus: ein starker Fokus auf Lösungen und ein optimistisches Framing derselben, eine Vielzahl an Quellen und die Verwendung von konsum- und wachstumskritischen Frames. An diesem Fallbeispiel zeigt sich, dass konstruktive, lösungsorientierte Medien wie „Positive News“ dazu beitragen können, eine positive und alternative Zukunftsvorstellung zu kreieren und zu unterstützen, was das Repertoire kulturell akzeptierter Diskurse erweitern kann. Ähnliche Analysen für den sich gerade erst definierenden transformativen Journalismus stehen noch aus.

Für eine weitere Verbreitung des transformativen bzw. des konstruktiven, lösungsorientierten Journalismus braucht es Möglichkeiten der Weiterbildung im Rahmen existierender Arbeitsverhältnisse bzw. einer entsprechenden journalistischen Ausbildung. Neue Journalismusformen und verwandte Organisationen wie das Solutions Journalism Network (NY) sowie das Constructive Institute an der Universität Aarhus könnten hierfür als erste Wegweiser dienen. Um eine tiefergreifende Auseinandersetzung mit transformativen Gesellschaftsfragen in den Medien zu ermöglichen, müssten sich jedoch auch die Rahmenbedingungen, unter welchen momentan Inhalte produziert werden, verändern. Ein Weg hierfür wäre eine Restrukturierung der Medien hin zu „slow media“, das heißt die Verringerung des Outputdrucks und die damit einhergehende zunehmende Relevanz von tiefgreifenden Recherchen (Drok & Hermans, 2016; Le Masurier, 2016). Eine derartig tiefgreifende Veränderung erfordert jedoch nach unserer Einschätzung zum einen ein neues medienkulturelles Verständnis, welches sich nur längerfristig ausbilden kann, zum anderen eine weitreichende Abkehr von existierenden Geschäftsmodellen inklusive der Verringerung von Profit-, Wachstums- und Wettbewerbsdruck [siehe auch letzter Absatz dieses Unterkapitels].

Eine weitere konkrete Handlungsmöglichkeit ist eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Lokaljournalismus (Anderson, 2014; Howarth & Anderson, 2019). Diese könnte zu einer besseren Übersetzung von klimawissenschaftlichen Erkenntnissen für die Öffentlichkeit und zu deren Sensibilisierung für Themen der lokalen Klimakrisenauswirkungen beitragen. Dies ist insbesondere relevant, da so die Vermittlung des Langzeithorizonts und die Komplexität der Klimakrise potenziell besser gelingen kann. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten lassen sich auf der Ebene der Klimakrisenberichterstattung verorten und wurden bereits im 4. Absatz des Abschn. 20.3 [Verweis auf Abschn. 20.3] im Detail erläutert.

Die organisationsinterne Selbstregulierung von Medienunternehmen (wie etwa durch CSR oder ethische Richtlinien) ist dem bisherigen Erkenntnisstand nach sehr wahrscheinlich nicht ausreichend, um die Klimakrise adäquat zu adressieren (Besio & Pronzini, 2014). Entsprechend sind medienregulative Maßnahmen in Bezug auf die Klimakrise (möglicherweise gekoppelt an das Medienförderwesen) wissenschaftlich genauer zu untersuchen. Victor Pickard (2020) schlägt zur Überwindung der strukturellen Krise der Medien eine weitreichende Reform und Neuorientierung der staatlichen Medienpolitik (bei gleichzeitiger Berücksichtigung möglicher Interessenkonflikte und der Gefahr staatlicher Einflussnahme) im Bereich der Finanzierung, Medieninfrastruktur, Governance und Einbindung von lokalen Gemeinschaften vor (siehe dazu auch: Zollmann, 2021). Neben einer weitreichenden staatlichen Medienpolitik, die jedoch mediale Unabhängigkeit nicht gefährdet, bedarf es Forschung zu den Potenzialen von alternativen Finanzierungsmodellen (z. B. durch gemischte Finanzierungsmodelle (Meier, 2012) oder öffentliche Finanzierung bei gleichzeitiger Unabhängigkeit von staatlicher Einflussnahme (Kiefer, 2011)). Zudem sollten im Zusammenhang mit Klimakrisenjournalismus mögliche Förderungen für Alternativmedien untersucht werden, welche laut Literatur eine wichtige Rolle spielen könnten, um hegemoniale Berichterstattungsmuster aufzubrechen (Hackett & Gunster, 2017).

Auf der Ebene der Medienstrukturen ergeben sich damit aus der Literatur folgende Transformationspfade für den österreichischen Mediensektor: eine effektive Emissionsreduktion, die Abkehr von fossilistischen Werbemärkten sowie die Restrukturierung von Eigentumsverhältnissen und Finanzierungsmodellen. Was die Emissionsreduktion des Mediensektors betrifft, so bräuchte der Sektor klare, rechtlich bindende Vorgaben zur Erreichung von Klimaneutralität bis 2040 im Einklang mit den Verpflichtungen der österreichischen Bundesregierung und dem Übereinkommen von Paris. Forschung dazu ist jedoch noch ausständig. Aus anderen geografischen Kontexten, besonders in der anglo-amerikanischen Welt, zeigen sich bereits Beispiele für Medienunternehmen, die ihren Emissionsfußabdruck berechnen und aktive Schritte zur Reduktion setzen wie z. B. The Guardian, der CO2-Neutralität bis 2030 anstrebt (The Guardian, 2019). Kääpä (2020) betont die Notwendigkeit von Medienregulierung vor dem Hintergrund der ökologischen Auswirkungen der Medieninfrastruktur und schlägt regulative Gestaltungsoptionen auf drei Ebenen vor: Regulierung auf internationaler und nationalstaatlicher Ebene, Regulierung auf Betriebsebene (in Bezug auf Produktion und Entsorgung) sowie die Förderung der Zusammenarbeit mit anderen Industrieakteur_innen für gegenseitige Lernprozesse im Bereich der nachhaltigen Betriebsumstrukturierungen.

Darüber hinaus schätzen wir konkrete Maßnahmen und Gestaltungsoptionen zur Entkoppelung des Mediensektors von der fossilistischen Werbeindustrie als notwendige Voraussetzung für eine konsequente Antwort auf die Klimakrise ein. Dies hat besonders an Relevanz gewonnen, da sich die „Grüne“ Werbung professionell ausdifferenziert und zu neuen Einnahmequellen führen könnte, wobei gleichzeitig die Gefahr des Greenwashing besteht (Wonneberger & Matthes, 2016). Eine mögliche Orientierung für konkrete Maßnahmen könnte das weitreichende Verbot von bestimmter Werbung (wie in Bezug auf die Tabakindustrie) sein. Schließlich halten wir die Restrukturierung von Eigentumsverhältnissen für eine zentrale Gestaltungsoption, wobei es auch hierzu noch wenig Forschung gibt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie weist darauf hin, dass alternative Besitzverhältnisse (z. B. Genossenschaften) potenziell ökonomisch nachhaltiger sind und mit höherer öffentlicher Verantwortung einhergehen, gleichzeitig unter gegebenen Marktbedingungen jedoch sehr vulnerabel sind. Damit alternative Besitzverhältnisse sich mittel- und langfristig etablieren können, bedarf es sehr wahrscheinlich medienregulativer Unterstützung (Schneider, 2021).

20.6 Fazit und Forschungsnotwendigkeit

Wie bereits im Verlauf der Analyse aufgeworfen, besteht Forschungsbedarf zur potenziellen Rolle alternativer Berichterstattungsmuster (wie lösungsorientierter, konstruktiver und transformativer Journalismus) im Zusammenhang mit wirkungsstärkerer Klimakrisenkommunikation sowie zu neuen Kommunikationsformationen (wie der erzählerischen Berichterstattung). Zudem bedarf es Forschung zu den ökologischen Auswirkungen der Medieninfrastrukturen, insbesondere in der Unterhaltungsindustrie und für Social Media in Zeiten der Digitalisierung (z. B. durch die Erstellung von Fußabdruckanalysen). Auch betreffend die Gestaltungsoptionen des Mediensektors ist Forschung notwendig: Erstens sollten die Potenziale neuer Eigentumsformen untersucht werden; zweitens sollten neue Finanzierungsmodelle des Journalismus zur Entkopplung von der Fossilwerbeindustrie detaillierter untersucht werden (z. B. das Potenzial gemischter Finanzierungsregime) (nach Meier, 2012) oder die Neustrukturierung von Journalismus im Sinne einer öffentlich finanzierten, demokratischen Institution bei gleichzeitiger Unabhängigkeit von staatlicher Einflussnahme (Kiefer, 2011); schließlich besteht Forschungsbedarf zum Potenzial von Medienregulierung in Zeiten der Klimakrise (durch Steuererleichterung, Förderung bei Kriterienerfüllung oder gesetzlich verankerte Ge- und Verbote). All das könnte dazu beitragen, Wege ausfindig zu machen, welche die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Medien zu einer klimafreundlichen Lebensweise besser als in ihrer aktuellen Form beitragen können. Außerdem besteht Forschungsbedarf zur Rolle sozialer Medien jenseits des Mikroblogging-Diensts Twitter, der bisher stark im Vordergrund der Forschungsliteratur steht (Pearce et al., 2014), um zu einem besseren Verständnis von Diskurskonstruktion einer klimafreundlichen Lebensweise und bremsenden Diskursen in digitalen sozialen Netzwerken beizutragen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es zwar über die letzten Jahre hinweg zunehmende Forschung im Bereich Medien und Klimakrise gibt, jedoch beschränkt sich diese vor allem auf Medien als Informationsträger und betrachtet die Rolle von Medien als Infrastrukturen und als ökonomische Institutionen nur zweitrangig. Während es im englischsprachigen Raum zahlreiche Studien zu Mediendiskursen gibt sowie zum Teil zu journalistischen Praktiken und Rollenbildern, so sind die Studien für den deutschsprachigen Raum zum einen weniger, zum anderen primär auf Medieninhalte fokussiert. Forschung zu journalistisch produzierten Inhalten sind primär auf Tageszeitungen fokussiert, während Radio, Fernsehen sowie soziale Medien in Bezug auf die Klimakrise kaum untersucht worden sind. Traditionell scheint der Fokus auf Massenmedien zu liegen, jedoch nimmt Forschung zu sozialen Medien in den letzten Jahren zu. Forschung zu Medien als Infrastrukturen mit sozial-ökologischen Auswirkungen bleibt vielfach noch ausständig, gleichzeitig stufen wir diese als sehr relevant ein. Ähnlich verlangt ein holistischer Zugang zu Medien- und Kommunikationsforschung im Kontext der Klimakrise einen transformativen Ansatz, welcher den ökonomischen, politischen und ideellen Kontext als Produktionsbedingung für Medieninhalte berücksichtigt und insbesondere die ökonomischen Wachstumszwänge und gesellschaftlich-hegemoniale Betrachtungsweisen des Status quo thematisiert.