9.1 Ausgangslage

9.1.1 Bildungsangebote zu „digitalen Medien“ vor der Sars-CoV-2-Pandemie

Bis 2019 befasste sich ein großer Teil der Lehrkräftefortbildungen zum Thema „Digitalisierung und Medien“ mit Administration bzw. Koordination der Digitalisierungsstrategie für Schulleitungen, dem Einsatz einzelner Tools oder generell dem Einsatz von Tablets im Unterricht (Pädagogisches Landesinstitut Rheinland-Pfalz, 2020). Zu Beginn der Sars-CoV-2-Pandemie im Jahr 2020 erstellten Lehrkräfte verstärkt Tutorials zu einzelnen digitalen Anwendungen und stellten diese im Internet anderen Lehrkräften zur Verfügung (vgl. Kantereit, 2020). Eine übergreifende Fortbildung zur grundlegenden Gestaltung eigener digitaler Lernumgebungen fehlte jedoch zumindest vor der Pandemie.

9.1.2 Öffnung der Hochschullehre der TU Kaiserslautern durch Online-Kursformate

Neben dem technisch-ingenieurwissenschaftlichen Schwerpunkt und aktuell rund 10.000 eingeschriebenen Präsenzstudierenden an der TU Kaiserslautern (TUK) betreut deren „Distance and Independent Studies Center“ (DISC) als zentrale wissenschaftliche Einrichtung rund 4200 Fernstudierende. Die langjährige Expertise in der Konzeption und Durchführung postgradualer, berufsbegleitender Studiengänge sowie die Erfahrung in der didaktischen und technischen Gestaltung von digitalen Bildungsangeboten eröffnet vielfältige Entwicklungsperspektiven in der Zusammenarbeit mit den Fachbereichen (Wiesenhütter & Haberer, 2016, S. 150). Der Hochschulentwicklungsplan der TUK ermöglichte 2015 erstmals die Entwicklung der „Kaiserslauterer-Open-Online-Course-(KLOOC-)“-Angebote. Ein breites Themenspektrum und die offene Nutzung durch ein heterogenes Publikum charakterisieren die moderierten Online-Kurse im Massive-Open-Online-Course-Format (MOOC). Insbesondere interdisziplinär ausgerichtete Themen werden für externe Interessierte geöffnet und verbinden so Studierende und fachlich Interessierte aus der Berufswelt. Bislang wurden sechs Kursangebote in der KLOOC-Reihe umgesetzt und die einzelnen Kurse auch mehrfach angeboten.

9.1.3 Die Bedeutung der Mediendidaktik in der Geographiedidaktik

Die Geographie ist eines der medienintensivsten Schulfächer (Deutsche Gesellschaft für Geographie e. V., 2020, S. 6). Neben den fachübergreifenden Medien wie Texte, Grafiken und Diagramme bereichern thematische und topographische Karten in Atlanten oder Online-Diensten, Luft- und Satellitenbilder, GIS-Programme und Klimamodelle das fachliche Medienportfolio (Krautter, 2015, S. 213). Auch das außerschulische Lernen und das Trainieren der räumlichen Orientierung mit Hilfsmitteln wie Karte und GPS sind wesentliche Elemente des Erdkundeunterrichts. Bedingt durch diese Medienintensivität ist die gestaltungsorientierte Mediendidaktik mit dem Fokus auf kritischer Auswahl, durchdachter Gestaltung und zielführenden Einsatz unterschiedlicher Medien für den Lernprozess zentrales Thema der Geographiedidaktik (vgl. Kerres, 1998).

9.2 Der KLOOC „Digitale Lernangebote selbst gestalten“

9.2.1 Zielsetzung und methodologischer Rahmen

Ausgehend von dem Bildungsbedarf für angehende und berufstätige Lehrkräfte (Abschn. 9.1.1) konzipierte die Physische Geographie und Fachdidaktik in Zusammenarbeit mit dem eTSC des DISC der TUK in der KLOOC-Reihe den Kurs „Digitale Lernangebote selbst gestalten“. Neben dem Service-Gedanken war auch das Zusammenbringen von Lehramtsstudierenden mit Bildungsakteuren im Beruf in einem gemeinsamen Lernprozess im Sinne eines Peer-Lernens ein Beweggrund, um die Reflexionsfähigkeit der Teilnehmenden sowie der Lehrenden zu fördern.

Die Kursentwicklung verfolgt den Design-based-Research-Ansatz (DBR), der darauf abzielt, innovative und nachhaltige Lösungen für praktische Bildungsprobleme zu entwickeln und diesen Designprozess zugleich mit der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu verzahnen. Forschung und Entwicklung laufen dabei in iterativen Prozessschleifen ab, Bildungsforschung und Entwicklungspraxis verfolgen jedoch getrennte Ziele (Reinmann, 2005, S. 60). Für den skizzierten KLOOC besteht das Entwicklungsziel nicht allein darin, einen „fertigen“ Kurs zu gestalten. Aufgrund des sich dynamisch entwickelnden Themenfeldes sind Aktualisierungen sowohl der Inhalte als auch eine Berücksichtigung der Bedürfnisse der Teilnehmenden für jeden Durchlauf erforderlich. Das Ziel der Bildungsforschung ist der Erkenntnisgewinn zu den Gelingensbedingungen für asynchrone Lehrformate, insbesondere dann, wenn die Teilnehmenden aus Beruf und Studium zu einem konstruktiven Austausch bewegt werden sollen.

Konnektivismus

Ergänzend zu den klassischen Lerntheorien versucht der Konnektivismus Facetten des Lernens, die durch digitale Möglichkeiten eröffnet werden, zu fassen. Beim Lernen in einem Netzwerk aus digitalen und analogen Informationsmedien und in einem Umfeld aus direkten persönlichen Kontakten sowie Personen und Meinungen in kontextbezogenen digitalen Blasen (z. B. Social Media, Onlinekurse) liegt der Fokus auf der persönlichen Organisation von Wissen, eher auf dem „Wissen wo“ (Verbindung) und weniger auf dem „Wissen was“ (Inhalt). Durch den Austausch von Lehrenden und Lernenden und insbesondere durch den Austausch der Lernenden untereinander wird aus einem Lernimpuls ein dynamischer Prozess, bei dem Deutungen und Interpretationen anderer eine tragende Rolle spielen (Arnold et al., 2018, S. 129 f.).

9.2.2 Konzeptionelle Überlegungen

Wahl der im Kurs eingesetzten Applikation

In der Lehrveranstaltung „Didaktik der Geographie I“ beschäftigen sich die Studierenden im Rahmen der Exkursionsdidaktik intensiv mit den Prinzipien der Realbegegnung und der Anschauung. Aufgabe ist es, eine digital gestützte Exkursion zu konzipieren und mit der App „Actionbound“ interaktiv umzusetzen. Die Lehrerfahrungen und die beobachtete Lernfreude, mit der Studierende diese App nutzten, um ansprechende Bildungsrouten zu entwerfen, führte zur Überlegung, „Actionbound“ als Tool im Kurs „Digitale Lernangebote selbst gestalten“ einzusetzen und daran die Lerninhalte zu entwickeln (vgl. auch Lude et al., 2020). Die einfache Usability (Glossar) erlaubt es, niedrigschwellig multimediale Informationsvermittlung umzusetzen, aber weiterführend auch die Steuerung der Lernpfade für die später Nutzenden des Lernangebotes mittels durchdachten Instruktionsdesigns aufzugreifen (Hermes & Kuckuck, 2016, S. 176). Dadurch, dass die Erstellerinnen und Ersteller von Lernumgebungen mit „Actionbound“ auch die Antworten der Nutzenden einsehen und auswerten können, kann die Anwendung von Bildungsanbieterinnen und Bildungsanbietern ohne Anbindung an professionelle Lern-Management-Systeme (LMS) als rudimentäres LMS genutzt werden. Diese Erfahrungen gekoppelt mit einer für den Schulkontext sehr stringenten Datenschutzkonformität bestärkten den Entschluss, die App „Actionbound“ als Werkzeug im Rahmen des KLOOC einzusetzen (Henninger et al., 2021, S. 323 f.).

Kursdesign unter dem Primat „Didaktik mit Technik“

Interessierte können ohne Zulassungsvoraussetzungen am kostenfreien Kurs teilnehmen. Die Offenheit des KLOOC-Formates stellt den Teilnehmenden frei, ob sie nur einzelne Inhalte nach Interesse bearbeiten oder aber alle geforderten Inhalte zuzüglich wöchentlicher Aufgabe und kursbegleitender Abschlussaufgabe bearbeiten, um sich für das Zertifikat zu qualifizieren. Um dieses zu erhalten, ist aus organisatorischen Gründen eine zusätzliche Registrierung über die TUK erforderlich. In dem dargestellten Kurs erhalten die Teilnehmenden mit der Anmeldung zum Zertifikatserwerb für einen begrenzten Zeitraum kostenfreie Sofort-Accounts für die im Kurs genutzte App „Actionbound“ mit der eigene Lernumgebungen (Bounds) im zugehörigen webbasierten BoundCreator erstellt werden können (Henninger et al., 2021, S. 324).

Neben den anderen Angeboten der KLOOC-Reihe adressiert der Kurs „Digitale Lernangebote selbst erstellen“ alle Lehrenden im Schulkontext. Aufgrund der Offenheit des KLOOC-Formates sind hiermit auch Lehrende an außerschulischen Lernorten sowie in der Erwachsenenbildung angesprochen.

In der Präsenzlehre erfährt die Lehrperson direkt, wie der Unterricht auf die Lernenden wirkt. Sie kann beobachten, ob sie mitarbeiten, gelangweilt oder überfordert sind und an welchen Stellen Schwierigkeiten auftauchen. In mediengestützten und insbesondere asynchronen Lernumgebungen ist es dagegen sehr viel schwieriger, das Lernmaterial an die Bedürfnisse der Lernenden anzupassen (vgl. Kerres, 2018; zu digitalen Lernumgebungen allgemein siehe auch Abschn. 1.4 in Band 1). Der grundlegende didaktische Gestaltungsrahmen des KLOOCs (u. a. roter Faden, videobasierte Inhalte mit interaktiven Elementen und Betreuungskonzept) trägt dieser Herausforderung ebenso Rechnung wie die Binnengestaltung der einzelnen Lehr-Lern-Einheiten in Abhängigkeit von den Angebotsinhalten. Arnold (2019, S. 48) hat in den 1990er-Jahren den Begriff der „Ermöglichungsdidaktik“ geprägt, der auf den Ansätzen des Konstruktivismus beruht. Dieser Konzeption zufolge geschieht der Erwerb von Wissen nicht durch die Vermittlung durch die Lehrperson, sondern kann vielmehr nur angeregt werden. Daher sind Lerninhalte und Lernziele individuell zu gestalten und Lernende so zu begleiten, dass sie selbstorganisiert lernen können. Ein solches selbstorganisiertes Lernen wurde in den digitalen Lernangeboten der KLOOC-Reihe mit tutorieller Begleitung umgesetzt. Zusätzlich zu dieser allgemeindidaktischen Fundierung berücksichtigt der KLOOC Erkenntnisse der Forschung zu Fragen medial vermittelter Kommunikation, insbesondere das Fünf-Stufen-Modell der E-Moderation nach Salmon (2003). Der Lernprozess selbst durchläuft in diesem Modell (Abb. 9.1) eine Abfolge von Stadien, in denen E-Moderatorinnen und E-Moderatoren jeweils gezielt unterstützen können. Mit jeder Stufe ändert sich nicht nur die Anforderung an den Lernenden, sondern auch an die Kursbetreuenden.

Abb. 9.1
figure 1

(Eigene Darstellung nach Salmon (2003), verändert)

Umsetzung des KLOOCs analog zum Fünf-Stufen-Modell von Gilly Salmon.

Ein wichtiges Element bei der Gestaltung asynchroner Online-Kurse liegt in der Auseinandersetzung mit der Frage, wie das in der Kommunikationsforschung untersuchte Phänomen "sozialer Präsenz" in Kommunikation mit digitalen Medien entwickelt werden kann (vgl. Döring, 2013). Hier rücken u. a. die Nachrichten im Newsforum, im allgemeinen Diskussionsforum und in den Foren zur jeweiligen Wochenaufgabe in den Fokus.

9.2.3 Kursaufbau und Inhalte

Das Kurskonzept sah einen wöchentlichen Workload von fünf bis sieben Stunden vor. Der Aufbau jeder Wocheneinheit blieb strukturell gleich: In einem „Rote-Faden-Video“ wurden die Inhalte und zentralen Fragestellungen der Woche und deren Stellung im Gesamtkurskonzept vorgestellt. Das Herzstück des Kurses bildeten inhaltliche Lektionen, die z. B. mit Beispiel-Bounds, interaktiven Videos oder Präsentationen umgesetzt wurden, um das eigene Verständnis zu überprüfen. Aus redaktioneller Sicht wurden hiermit auch die Arbeitsstände verfolgt und bei Erfüllung der Vorgaben auch Badges (virtuelle Leistungsabzeichen, die automatisiert nach erfolgreicher Beantwortung/Interaktion als Feedback bzw. Lernstandsanzeige vergeben werden) ausgelöst. Weiterführende Literatur, Links und Exkurse ermöglichten eine Intensivierung der Inhalte nach eigenem Bedarf. Während die direkten Interaktionen in Videos und Präsentationen eher der Wissensabfrage dienten, zielten die Wochenaufgaben darauf ab, die Inhalte mit dem eigenen Vorhaben zu verknüpfen und dazu einen Beitrag in das Wochenforum zu posten. Um den Austausch zwischen den Teilnehmenden zu fördern, war es auch verpflichtend, mind. zwei Beiträge anderer Kursteilnehmenden in der Forumsdiskussion zu kommentieren. So konnten die Teilnehmenden nach dem Peer-Prinzip Impulse zum eigenen anvisierten Produkt erhalten. Da nicht davon auszugehen war, dass alle Teilnehmenden auch eine eigene Lernumgebung, insbesondere nicht mit der verwendeten App, erstellen wollten, gab es optional auch allgemeiner gehaltene Wochenaufgaben. Die kursbegleitende Abschlussaufgabe war darüber hinaus noch allgemeiner gefasst und bestand aus einer reflektierten Sammlung von Internet-Fundstücken (vgl. Week 1).

Der moderierte Kurs lief über acht Wochen, wobei die erste und letzte Woche keine zentralen Phasen der Lehr-Lern-Aktivität darstellten, sondern eher als organisatorische Wochen fungierten. So gab die erste Woche (Week 0) einen Überblick über Inhalte und Interaktionsmöglichkeiten, zeigte Kommunikationswege in diversen Themenforen auf und erläuterte die Teilnahme mit und ohne Zertifikatserwerb. Dieser Einstieg vermittelte auch Sicherheit in der Nutzung der „oncampus“-Plattform. Die letzte Kurswoche (Week 7) schloss diesen organisatorischen Rahmen ab. Als „Aufholwoche“ gab sie den am Zertifikat Interessierten noch einmal die Möglichkeit, fehlende Inhalte zu bearbeiten und die Abschlussaufgabe einzureichen.

Die erste Inhaltswoche (Week 1; Abb. 9.2) führte in das Themenfeld der digitalen Lehr-Lern-Applikationen ein. Exemplarisch wurden „digitale Pinnwände“ und „H5P“ einführend vorgestellt, woran sich eine diskursive Betrachtung einer „Didaktik mit Technik“ in Abgrenzung zu einer „Didaktik vor Technik“ anschloss. Dieser Diskurs leitete zur kursübergreifenden Aufgabe, die darin bestand, dass die Teilnehmenden bis Kursende ein digitales Tool und dessen Stärken und Schwächen beim Einsatz im Lehr-Lern-Kontext evaluierten und ihre Analyse im entsprechenden Forum einreichten. Aus dieser Perspektive wurde auch die im Kurs verwendete App „Actionbound“ vorgestellt. Die Fachdidaktik Geographie sowie die Fachdidaktik Biologie setzen dieses Tool auch in der Lehre ein. Insbesondere zum außerschulischen Lernen konzipierten Studierende hiermit eigene digital geführte Lernangebote. Neben diesen Erfahrungen sprachen auch die rechtlichen und technischen Sicherheitsaspekte für den Einsatz dieser Applikation in Hinblick auf den datenschutzsensiblen Bereich des schulischen Lernens – so stehen beispielsweise die Actionbound-Server in Deutschland (Actionbound GmbH, 2021). Mittels SCORM-Schnittstelle lassen sich die Bounds in ein LMS integrieren.

Abb. 9.2
figure 2

Titel der sechs inhaltlichen Kurswochen des KLOOCs. (Eigene Darstellung)

Als Forschungshäppchen – Einblicke in Forschungs- und Entwicklungsprojekte der TUK – wurde das Projekt „In 80 min um die Welt“ vorgestellt. In diesem Tablet-gestützten Angebot erforschen Schülerinnen und Schüler handlungsorientiert die Angepasstheit von Pflanzen an die Bedingungen in den polaren, gemäßigten, subtropischen und tropischen Klimazonen im Botanischen Garten der TUK. Die Lernsequenz wurde in Form einer interaktiven projekteigenen Web-App umgesetzt, die den Schülerinnen und Schülern auf Tablets zur Verfügung gestellt wird. Nach dem Prinzip der Lernendenorientierung wurde die Usability der App und der Materialien an den Stationen sukzessive optimiert (vgl. Kaiser, 2019). Ausgewählte Ergebnisse zur Auswirkung mediendidaktischer Änderungen wurden als interaktives Video in den KLOOC eingebettet. Daneben wurden Inhalte des Lernzirkels mit „Actionbound“ umgesetzt, sodass die Kursteilnehmenden einen Bound aus Nutzendenperspektive erleben konnten und einen ersten Einblick in die Möglichkeiten der App erhielten.

In der darauffolgenden Kurswoche (Week 2) stiegen die Teilnehmenden in ihre Planungs- und Gestaltungsarbeit ein. Ausgehend von ihrem eigenen Anliegen, ein digitales Lernangebot umzusetzen, erhielten sie allgemeine Impulse zu Vorüberlegungen zur Sozialform und zur didaktischen Strukturierung. Der stetige Wechsel zwischen theoretischen Überlegungen und Hands-on-Tutorials zielte darauf ab, Personen ohne pädagogischen Hintergrund sowie Personen mit geringer Technikaffinität den Einstieg zu erleichtern.

In der Wochenaufgabe sollten die Teilnehmenden im entsprechenden Wochenforum ihr eigenes Bildungsanliegen in Bezug auf das Thema, die Zielgruppe, den Kontext, die Dauer und die Teilnehmendenzahl posten (Henninger et al., 2021, S. 326).

Beispiel

Beispiele für Bildungsanliegen der Kursteilnehmenden aus diesem Wochenforum

Die geplanten Lernsettings der Teilnehmenden wiesen hinsichtlich der Zielgruppen ein sehr breites Spektrum auf. Klassische schulische Lernumgebungen wurden für Primar- und Sekundarstufe, aber auch insbesondere für berufsbildende Schulen anvisiert. Auch Hochschullehrende und Personen, die in der Bildung an außerschulischen Lernorten sowie in der betrieblichen Fort- und Weiterbildung aktiv waren, hatten konkrete Bildungsanliegen formuliert.

Insbesondere an Berufsfachschulen hatten Lehrpersonen engagierte Vorhaben, die meist auch Themenfelder betrafen, die nicht durch bereits vorhandene Schulmedien vermittelt werden konnten. So wurde für die Zeit ohne Präsenzmöglichkeiten in der Pandemie beispielsweise ein Vorbereitungstag für die Ausbildung in der Physiotherapie oder auch fachpraktische, handlungsorientierte Lernumgebungen zu „Invasive Maßnahmen: Legen einer Kanüle“ für eine Berufsfachschule für Notfallsanitäter und -sanitäterinnen als digitales Lernangebot umgesetzt.

Im Hochschulkontext trat die Absicht auf, ein digitales Lernangebot zu „Das innere Team – ein Kommunikations- und Persönlichkeitsmodell nach Friedemann Schulz von Thun“ für Theologiestudenten als Vorbereitung auf ihre Rolle als angehende Führungskräfte zu erstellen. Mit der Zielgruppe der Hochschulangehörigen im Allgemeinen setzte sich auch eine Person auseinander, die Informationen zur IT-Sicherheit vermitteln wollte.

Auch Teilnehmende, die in Betrieben mit Fort- und Weiterbildungen betraut waren, besuchten den Kurs, um zu eruieren, inwiefern ihre Themen digital umgesetzt werden könnten. So gab es im Kontext zu Onboarding von Auszubildenden Konzeptideen zu digitalen Führungen durch den Betrieb, ein Verkaufstraining für Auszubildende oder auch ein Compliance-Training zur Unfallverhütung.

An die Inhalte der vorausgegangenen Woche anknüpfend wurden in der dritten Woche (Week 3) zunächst Möglichkeiten und Stolpersteine vorgestellt, wie Lernende von Ort zu Ort geleitet werden können, um Bounds für den Außenbereich zu erstellen. Weiterführend wurden die erforderlichen Planungsschritte zur Konzeption von Lernangeboten wieder aufgegriffen, um die auf didaktische, methodische und Sachanalyse fundierte Basis für die Gestaltungspraxis zu erarbeiten. Anschließend wurde die gedächtnisfreundliche Mediengestaltung in den Fokus gerückt, die den Schwerpunkt dieser Kurswoche darstellte und für eine mögliche Steuerung der Aufmerksamkeit über die Medienwahl sensibilisiert. Anhand von Theorien zum Lernen mit Medien wurde deren Bedeutung für „dos and don´ts“ in der praktischen Umsetzung detailliert aufgezeigt.

Die mit „Lernende lenken und ihnen individuell begegnen“ betitelte vierte Inhaltswoche (Week 4) thematisierte schwerpunktmäßig die geschickte Lenkung von Lerngruppen durch Lernpfade oder Lernzirkel, insbesondere in digitalen bzw. apersonalen Bildungsangeboten. Auch hier wurden zunächst aus der Theorie heraus Lernsettings für Gruppen erläutert, deren Umsetzungsmöglichkeiten anschließend aufgezeigt wurden. Eine Schwachstelle der gewählten App „Actionbound“ ist die fehlende Sicherung für die Lernenden. Hierzu wurde ergänzend der Einsatz von Etherpads und anderen Kollaborationstools vorgestellt (Henninger et al., 2021, S. 327). In apersonalen Settings können Lehrende kaum individuell auf Lernhemmnisse direkt eingehen. Eine geschickte Binnendifferenzierung sollte solche Lernendenbedürfnisse antizipieren und über Wahloptionen aufgreifen. Wie solche individuellen Hilfestellungen sowohl didaktisch als auch im BoundCreator technisch umgesetzt werden können, wurde anhand eines Videotutorials erläutert. Mit der provokanten These: „Ist das nicht alles ein bisschen Pawlow?“, wurden erste lerntheoretische Überlegungen zu behavioristischen Prinzipien in digitalen Lehr-Lern-Kontexten in Bezug auf automatisierte Rückmeldungen, auch im Kontext zu Gamification (Glossar) angestellt.

Anknüpfend an das Thema Gamification warf die Woche fünf (Week 5) die Frage auf, inwiefern Lernen auch Spaß machen darf. Zum Einstieg wurde anhand des SAMR-Modells (vgl. Puentedura, 2006) ein vierstufiger Weg für die Gestaltung und Weiterentwicklung von Lehr-/Lerneinheiten mit digitalen Medien beschrieben und dazu motiviert, den Digitalisierungsgrad des Medieneinsatzes zu reflektieren und die eigene Unterrichtsgestaltung ggf. auch mit Game Design weiterzuentwickeln. Daran anknüpfend folgte ein Impuls zur Unterscheidung von „playing“ und „gaming“, der weiterführend in die Frage mündete, was es zum Leben und Arbeiten in einer Kultur der Digitalität braucht.

Zur theoretischen Fundierung wurden die 21st Century Skills sowie das 4K-Modell des Lernens (vgl. Batelle for Kids, 2019 sowie Abschn. 1.2.1 in Band 1) vorgestellt, woraus sich die Eignung von Spielprinzipien für den Lernkontext ableiten lässt. Zunächst wurden behavioristische Prinzipien aus der vorangegangenen Woche wieder aufgegriffen und mit unterschiedlichen Gamification-Ausprägungen (u. a. Belohnungs-Gamification vs. Edu-Breakouts) vergleichend vertieft. Weiterhin standen der Game-Design-Prozess im Spannungsfeld zwischen Spielziel vs. Lernziel und der Einsatz von spielerischen Elementen, Rahmengeschichten sowie die Funktion von spielbegleitenden Figuren im Fokus.

Die letzte inhaltliche Woche (Week 6) setzte Impulse zu fachspezifischen Arbeitsmethoden. Zunächst wurde der Blick auf das Prinzip der Handlungsorientierung gerichtet und exemplarisch aufgezeigt, wie sich wissenschaftliche Tätigkeiten (Beobachten, Beschreiben, Bewerten, Experimentieren) in ein digitales Lehr-Lern-Setting übertragen lassen. Diese letzte Einheit schließt mit der Vorstellung der „didaktischen Schieberegler zur Reflexion der eigenen Lernumgebungen ab und gibt damit einen letzten Impuls zum aktuellen Diskurs um offenere Prüfungsformate in einer Kultur der Digitalität“ (vgl. Blume, 2021).

9.2.4 Erfahrungen aus zwei KLOOC-Kursdurchläufen

Mit den beiden Kursangeboten im November/Dezember 2020 und Mai/Juni 2021 konnten mehr als 600 Interessierte (Stand: Januar 2022) erreicht werden. Hierzu zählen auch Personen, die die Kurse auch noch nach der betreuten Phase besucht haben. In dieser Erprobungsphase konnte der Online-Kurs noch nicht in der Prüfungsordnung und damit in die ECTS-Bepunktung integriert werden. Das Angebot an die Studierenden der TUK basierte demnach auf Freiwilligkeit bzw. ermöglichte den Erwerb eines Zusatzzertifikates. Es wurden 48 Zertifikate in den moderierten Phasen verliehen.

Gemäß dem Evaluationskonzept des ETSC wurden in beiden Durchläufen sowohl eine anonyme Pre-Post-Befragung zu Beginn bzw. am Ende des Kurses vorgenommen als auch jeweils eine anonyme Wochenevaluation. Die geringen Rücklaufquoten erlaubten jedoch keine fundierte Auswertung. In der letzten Woche der Kurse konnten die Teilnehmenden ihre Meinungen zu den Inhalten, aber auch zu der Art des Lernens in Feedbackforen posten. Diese Rückmeldungen werden im Folgenden skizziert: Positiv angemerkt wurde, dass durch die Wochenaufgaben angemessener Druck erzeugt wurde, sich mit den Inhalten zu befassen und nicht nur zu sammeln. Auch die weiterführenden Links und Literaturtipps halfen, Themen nach eigenem Bedürfnis zu vertiefen. Die kursbegleitende Aufgabe, „Fundstücke“ zu sammeln, zu bewerten und kommentiert im Forum zu präsentieren, wurde als gewinnbringend eingeschätzt. Negativ wurde angemerkt, dass es kein Skript zur Sicherung gab. Auch die Fokussierung auf eine App wurde bemängelt, wobei einige dies relativierten, da die Inhalte und Gestaltungskriterien übertragbar seien. Der Zwang, sich im Sinne einer diskursbasierten Wissenskonstruktion (vgl. Box Konnektivismus) an Forendiskussionen zu beteiligen, war für einige zunächst ungewohnt. Jedoch wurde gerade dieser Austausch mit Personen aus unterschiedlichen Sparten als gewinnbringend erachtet, gab neue Denkanstöße und half, fachlich komplexe Themen verständlicher zu gestalten. Das Peer-Lernen hat dazu beigetragen, die eigenen Methoden und fachlichen Vermittlungsweisen zu öffnen, für Fachfremde zu reduzieren und zu kommunizieren.

Konzeptionell vorgesehen war, dass die Teilnehmenden im Kursverlauf ein eigenes Konzept für eine Lernumgebung in einem Bound umsetzen und dies am Kursende zum gegenseitigen Testen im Forum anbieten. Weiterführend stand ihnen frei, ihre Bounds dann auf den „Lehrerzimmer- Webseiten“ des Applikationsanbieters „Actionbound“ freizugeben. Während das Peer-Learning mithilfe der Kursforen zur Erweiterung der eigenen Perspektive beitrug – was eher dem Erreichen der eigenen Ziele entspricht –, konnten die Teilnehmenden jedoch nicht zu einer Haltung des Teilens motiviert werden.

Der Online-Kurs „Digitale Lernangebote selbst gestalten“ wird nach Ablauf der Projektförderung durch die Telekom-Stiftung im Jahr 2022 erstmals im Rahmen der Kooperation zwischen dem eTeaching Service Center der TU Kaiserslautern und dem Verbundvorhaben „Offene Digitalisierungsallianz Pfalz“ (OD Pfalz) durchgeführt. Inhaltlich und thematisch insbesondere für (zukünftige) Lehrpersonen ausgerichtet, erfolgt die Eingliederung des KLOOC-Angebotes in den Innovationsbereich Bildung mit dem Schwerpunkt Einsatz digitaler Medien in Lehr-/Lernsettings. Über die hohe Aufmerksamkeitsreichweite der Online-Plattform „oncampus“ hinaus, ermöglicht dies die konkrete Zielgruppenansprache der Lehrenden in allen Bildungskontexten in Rheinland-Pfalz sowie bundesweit. Für die interessierte Öffentlichkeit bleibt der KLOOC wie gewohnt geöffnet. Derzeit werden Kursinhalte aktualisiert, ergänzt und anhand des Feedbacks der Teilnehmenden optimiert. Ein weiteres Ziel bildet die Herausforderung der Erhöhung der Evaluationsrückläufe.

9.3 Aus dem KLOOC entstandene Lernangebote

Die Fachdidaktiken der Geographie und der Biologie der TUK konzipieren im engen Austausch Lehr-Lern-Angebote, in denen es darum geht, digital gestützt an Originalen zu arbeiten. In beiden Fächern haben Exkursionen und das handlungsorientierte Lernen am außerschulischen Lernort unter Anwendung naturwissenschaftlicher Arbeitsmethoden einen hohen Stellenwert. Aus dem oben vorgestellten KLOOC wurden Inhalte auch in den jeweiligen Lehrveranstaltungen der Fachdidaktiken eingesetzt. Aufgabe der Studierenden war es, mit der App „Actionbound“ Lernumgebungen für den Einsatz an außerschulischen Lernorten zu konzipieren und nach Möglichkeit auch mit Lernenden zu erproben und zu evaluieren.

Studierende der Biologie beschäftigten sich beispielsweise mit der Konzeption digitaler, interaktiver Lernrouten durch die Abteilungen des Senckenberg Museums in Frankfurt/Main. Die Bounds zu prähistorischem Leben, zur Welt der Vögel oder der Reptilien erprobten sie im Rahmen einer fachdidaktischen Exkursion vor Ort mit ihren Kommilitonen und reflektierten gemeinsam deren inhaltliche, didaktische und methodische Umsetzung.

In der Lehrveranstaltung der Geographiedidaktik entwickelten Studierende sehr aufwendig gestaltete Bounds, beispielsweise eine Fahrradexkursion entlang der Lauter, eine Arbeitsexkursion zur Untersuchung der Mobilität in Kaiserslautern sowie einen Bound durch den Tierpark der Stadt mit dem Fokus auf dessen Funktion zur Naherholung. Pandemiebedingt konnten diese Angebote noch nicht mit Schulklassen getestet werden. Ergänzend zum KLOOC entwickelte die Fachdidaktik Geographie zusammen mit Studierenden aufwendigere Bounds, u. a. zur Fließgewässerstrukturgütekartierung, bei der der Bound sowohl die Navigation der Lernenden zu den zu kartierenden Abschnitten an der Lauter steuert als auch durch das Bewertungsschema führt, sodass schließlich eine fachliche Gütebewertung vorliegt.

9.4 Fazit

Für die „Zukunft des MINT-Lernens“ sind u. a. eine reflexionsbereite Haltung, kommunikative Fähigkeiten und Kreativität erforderlich (vgl. Redecker, 2017). Aufgabe der Hochschullehrenden ist es daher, neben der Vermittlung von Fachwissen und der Konzeption handlungsorientierter Lernaufgaben auch Lernende auf diesem Weg im Bereich ihrer persönlichen Kompetenzentwicklung zu begleiten.

Das selbstständige Erarbeiten von Inhalten, aber auch das Geben und Einholen von Feedback, der Austausch mit Personen aus einem anderen Tätigkeitsfeld im Rahmen des Online-Kurses „Digitale Lernangebote selbst gestalten“ eröffnete Lehrenden und Lernenden zugleich ein Feld, dies auch in einem asynchronen Setting zu erproben. Mit einer vertikalen Vernetzung der Kursteilnehmenden aus dem Bildungsbereich in verschiedenen Ausbildungs- und Berufsphasen und unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern konnte ein Kursklima des offenen Feedbacks generiert werden.

Eine Herausforderung stellt die Notwendigkeit der ständigen Aktualisierung in Bezug auf die Eignung digitaler Applikationen für den Bildungskontext dar. Durch den Einsatz von Kursinhalten in der Lehre wurde Zeit an einer Stelle eingespart und damit Ressourcen geschaffen, um sich mit der Weiterentwicklung der Inhalte beschäftigen zu können. Auch die Studierenden konnten durch das Blended Learning in den Lehrveranstaltungen Inhalte eigenständig erarbeiten und in den Gruppenphasen gemeinsam kreative Lernumgebungen erstellen.