5.1 Einleitung

Der Kompetenz, digitale Technologien effektiv und effizient zu nutzen, wird im Zusammenhang mit der Frage, welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler im Rahmen ihrer schulischen Laufbahn erwerben sollen, in der jüngeren Vergangenheit zunehmend Bedeutung zugesprochen (Chalkiadaki, 2018; Voogt & Roblin, 2012). Folglich nehmen digitale Kompetenzen als Teilaspekt der professionellen Kompetenz von Lehrkräften eine immer wichtiger werdende Rolle ein (From, 2017; Krumsvik, 2008). Die universitäre Aus- und Fortbildung von Lehrkräften hat dieser neuen Anforderung an Lehrkräfte durch die Bereitstellung entsprechender Angebote Rechnung zu tragen: Lehrkräfte sind darauf vorzubereiten, digitale Technologien lernzielorientiert und didaktisch begründet in ihren Unterricht zu integrieren; sie müssen mit anderen Worten nicht nur kompetente Nutzerinnen und Nutzer digitaler Technologien sein, sondern darüber hinaus auch Wissen darüber erwerben, wie digitale Technologien im schulischen Unterricht eingesetzt werden können, um Lehr-Lern-Prozesse effektiv und effizient zu unterstützen.

Digitale Technologien

Digitale Technologien werden als Sammelbezeichnung für technische Geräte (Hardware), die darauf befindlichen digitalen Inhalte (Software) sowie für Kombinationen aus beidem verwendet (Roth et al., Kap. 1 in Bd. 1).

Entsprechende Angebote und die dafür notwendige technische Infrastruktur sind jedoch an vielen Standorten erst im Aufbau begriffen, weswegen es nicht überrascht, dass Lehrkräfte in Deutschland eine niedrige Selbstwirksamkeitserwartung mit Bezug auf den Einsatz digitaler Technologien im Unterricht aufweisen (Fraillon et al., 2019) und eine deutliche Ausweitung der Aus- und Fortbildungsangebote zum Einsatz digitaler Technologien von Seiten der Lehrkräfte gewünscht wird (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2020). Das macht erforderlich, der Frage nachzugehen, wie Aus- und Fortbildungsmaßnahmen gestaltet sein müssen, um langfristig eine nachhaltige Integration digitaler Technologien in die schulische Unterrichtspraxis sicherzustellen.

Zahlreiche Studien zeigen, dass die Häufigkeit des Einsatzes digitaler Technologien im Unterricht signifikant und positiv mit der Selbstwirksamkeitserwartung der befragten Lehrkräfte korreliert (Li et al., 2019; Hatlevik & Hatlevik, 2018; Hatlevik, 2017; Scherer & Siddiq, 2015; Player-Koro, 2012). Das legt nahe, dass die Entwicklung und Förderung der Selbstwirksamkeitserwartung von Lehrkräften ein zentrales Anliegen der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften sein sollten (Gudmundsdottir & Hatlevik, 2018). Studien haben zudem gezeigt, dass Emotionen die Entscheidung für oder wider den Einsatz digitaler Technologien im (Mathematik-)Unterricht beeinflussen (Kaleli-Yilmaz, 2015; Mac Callum et al., 2014). Bisherige Forschungsarbeiten adressieren jedoch beinahe ausschließlich unangenehme Emotionen wie Angst. Vor dem Hintergrund, dass Freude als Quelle von Selbstwirksamkeitserwartung bekannt ist (Bandura, 1997), gilt es deshalb zu untersuchen, wie im Rahmen von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen das Zustandekommen angenehmer Emotionen begünstigt werden kann.

5.2 Theoretischer Hintergrund

5.2.1 Selbstwirksamkeitserwartung

Als Konstrukt leitet sich die Selbstwirksamkeit aus der sozialkognitiven Lerntheorie (Bandura, 1977) ab und beschreibt das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, eine bestimmte Aufgabenstellung erfolgreich zu bewältigen (Bandura, 1997). Mit Blick auf die Nutzung digitaler Technologien haben verschiedene Operationalisierungen der Selbstwirksamkeitserwartung Eingang in den Fachdiskurs gefunden, wobei in der Regel zwischen einem Einsatz digitaler Technologien zur Bewältigung alltäglicher Aufgaben und der Nutzung digitaler Technologien als didaktische Werkzeuge im Unterricht unterschieden wird (Fanni et al., 2013; Scherer & Siddiq, 2015; Hatlevik & Hatlevik, 2018).

5.2.2 Freude

Freude kann als angenehme und aktivierende Emotion konzeptualisiert werden (Barrett & Russell, 1998). Das Erleben von Freude während Lernaktivitäten ist direkt mit dem Erleben eigener Kompetenz verknüpft (Pinxten et al., 2014) und wird sowohl während der Leistungserbringung als auch in Bezug auf das Leistungsergebnis erlebt (Putwain et al., 2018a). Mit Blick auf digitale Technologien haben Forschungsarbeiten offengelegt, dass Freude bei der Nutzung digitaler Technologien eine umfangreichere und intensivere Auseinandersetzung mit diesen begünstigt (Agarwal & Karahanna, 2000).

5.2.3 Kontrolle und Wert

Die subjektive Beurteilung des Wertes digitaler Technologien wird gängig als Komponente der Bereitschaft konzeptualisiert, digitale Technologien einzusetzen. Zahlreiche Autorinnen und Autoren betonen deshalb, dass Lehrkräften im Rahmen ihrer Aus- und Fortbildung die Möglichkeit geboten werden sollte, den Wert digitaler Technologien für die Unterrichtspraxis zu erleben (Ottenbreit-Leftwich et al., 2010; Sadaf & Johnson, 2017). Empirische Befunde weisen darüber hinaus auf eine mögliche Bedeutung wahrgenommener Kontrolle über digitale Technologien hin: Wenn Lehrkräfte sich durch gute technische Infrastruktur und/oder die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen unterstützt fühlen, dann wirkt sich das positiv auf ihre Selbstwirksamkeitserwartung aus (Hatlevik & Hatlevik, 2018; Jin & Harp, 2020; Li et al., 2019). Außerdem zeigt sich, dass Berufserfahrung den erfolgreichen Einsatz digitaler Technologien im Unterricht begünstigt (Fraillon et al., 2014). Sowohl vorhandene Unterstützungssysteme als auch die berufliche Erfahrung (durch damit einhergehende Kompetenzen und Strategien) lassen sich konzeptuell unter der subjektiv wahrgenommenen Kontrolle über eine Situation subsumieren. Wahrgenommene Kontrolle stellt im Allgemeinen zudem eine relevante Größe im Zusammenhang mit der Selbstwirksamkeitserwartung dar (Bandura, 1997).

5.2.4 Beziehungen zwischen den Konstrukten

Eine Vielzahl theoretischer Modelle, wie das Will-Skill-Tool-Modell (Velázquez, 2006) oder das Technology Acceptance Model (Davis, 1989) betonen die Bedeutung affektiv-motivationaler Faktoren als unabhängige Variablen für die Vorhersage des Einsatzes digitaler Technologien im Unterricht. Das Technology Acceptance Model modelliert die wahrgenommene Nützlichkeit (Perceived Usefulness) und die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit (Perceived Ease of Use) als wichtigste Einflussfaktoren auf die Bereitschaft, eine bestimmte Technologie zu nutzen. In das Will-Skill-Tool-Modell fließt die Bereitschaft zur Technologienutzung (Will) neben den vorhandenen Fertigkeiten (Skill) und den Merkmalen der Technologie (Tool) hingegen als unabhängige Variable ein. Beiden Modellen ist jedoch die Annahme gemein, dass das Vertrauen von Lehrkräften in ihre eigenen Kompetenzen, digitale Technologien gezielt im Unterricht einzusetzen, gestärkt werden muss, um zu gewährleisten, dass Lehrkräfte digitale Technologien auch tatsächlich im Unterricht einsetzen (Petko, 2012). Auffallend ist allerdings, dass Emotionen in der vorhandenen Literatur in der Regel und mit wenigen Ausnahmen (Stephan et al., 2019) nicht als relevante Faktoren adressiert werden. Da digitale Technologien spezifische emotionale Erfahrungen auslösen (Plass & Kaplan, 2016) und Emotionen sich signifikant auf den Verlauf von Lern- und Leistungsprozessen auswirken (Pekrun & Perry, 2014), stellt dies eine Lücke in der bisherigen Forschung dar.

Auf Grundlage der Control-Value Theory kann angenommen werden, dass Freude erlebt wird, wenn ein Individuum überzeugt ist, Kontrolle über eine bestimmte Situation zu haben, und der Situation, der Domäne oder einer Sache zudem einen hohen Wert bzw. hohe Nützlichkeit beimisst (Pekrun & Perry, 2014; Putwain et al., 2018b). Stephan et al. (2019) haben diesbezüglich gezeigt, dass eine hohe Wertüberzeugung bezogen auf digitale Technologien mit dem Erleben von Freude in digital unterstützten Lernumgebungen einhergeht. Bezogen auf den Einsatz digitaler Technologien durch (angehende) Lehrkräfte betonen die Autorinnen und Autoren der Studie die Wichtigkeit weiterer Forschungsarbeiten zum Einfluss der wahrgenommenen Kontrolle und des wahrgenommenen Wertes auf die Selbstwirksamkeitserwartung.

5.3 Anliegen der Studie

Der vorliegende Beitrag untersucht die Selbstwirksamkeitserwartung von Lehramtsstudierenden mit Blick auf den Einsatz digitaler Technologien im Mathematikunterricht und geht der Frage nach, ob und inwiefern die Selbstwirksamkeitserwartung mit dem Erleben von Freude beim Einsatz digitaler Technologien im Mathematikunterricht zusammenhängt. Darüber hinaus werden mögliche Effekte wahrgenommener Kontrolle und wahrgenommenen Wertes auf beide genannten Konstrukte überprüft. Abb. 5.1 zeigt eine grafische Darstellung aller theoretisch angenommenen Beziehungen zwischen den untersuchten Konstrukten.

5.4 Methoden

5.4.1 Stichprobe

Das theoretische Modell wurde mit n = 249 Lehramtsstudierenden der Humboldt-Universität zu Berlin überprüft. Die deutliche Mehrheit der Teilnehmenden gab an, Frauen zu sein (82,9 % weiblich, 17,1 % männlich). Das durchschnittliche Alter betrug M = 28,2 Jahre (SD = 8,0). Die Teilnehmenden wurden aus den Bachelor- und Masterstudiengängen der Grundschulpädagogik mit Lehramtsoption rekrutiert. Im Schnitt befanden sich die Teilnehmenden im vierten Semester ihres jeweiligen Studiums (M = 3,80; SD = 2,42; Min = 1; Max = 15). Etwa zwei Drittel der Teilnehmenden befanden sich im Bachelorstudium (65 %) und ein Drittel im Masterstudium (35 %). Die Teilnehmenden erhielten keine Anreize für ihre Teilnahme und konnten die Befragung jederzeit und ohne Nennung eines Grundes beenden.

5.4.2 Datenerhebung

Die Datenerhebung erfolgte mittels eines standardisierten Online-Fragebogens. Eine vollständige Auflistung aller Items, mit denen die vier untersuchten Konstrukte (Kontrolle, Wert, Freude, Selbstwirksamkeitserwartung) operationalisiert wurden, ist in der Studie von Jenßen et al. (2021) veröffentlicht. Die Teilnehmenden wurden instruiert, jedes Item des Fragebogens auf einer sechsstufigen Skala von 1 („trifft gar nicht zu“) bis 6 („trifft völlig zu“) einzuschätzen. Höhere Werte bedeuteten in allen Fällen einen höheren Ausprägungsgrad des jeweiligen Merkmals. Die inhaltliche Validität wurde während der Item-Entwicklung in Anlehnung an das Vorgehen in Jenßen et al. (2015) durch systematische Überprüfung und iterative Überarbeitung durch das Projektteam abgesichert.

5.4.3 Datenanalyse

Die Analyse der erhobenen Daten erfolgte über ein Strukturgleichungsmodell, wobei die abgefragten Items als manifeste Indikatoren für latente Faktoren genutzt wurden. Aufgrund der kleinen Stichprobengröße wurde eine Maximum-Likelihood-Schätzung mit robusten Standardfehlern (MLR) angewandt (Rhemtulla et al., 2012). Zur Berücksichtigung fehlender Werte wurde die Full-Information-Maximum-Likelihood-(FIML-)Prozedur angewandt (Little & Rubin, 2019). Gängige Fit-Indizes wurden herangezogen, um die Anpassungsgüte des Modells zu überprüfen (Hu & Bentler, 1999). Alle statistischen Auswertungen wurden mit Mplus 8 (Muthén & Muthén, 2017) durchgeführt. Eine ausführliche Darstellung des gewählten methodischen Vorgehens findet sich bei Eid et al. (2017).

5.5 Ergebnisse

Tab. 5.1 zeigt die deskriptiven Ergebnisse. Unter Berücksichtigung der Spannweite zeigt sich, dass die Teilnehmenden die eigene Kontrolle über digitale Technologien, den Wert digitaler Technologien, die erlebte Freude sowie ihre Selbstwirksamkeitserwartung beim Einsatz digitaler Technologien auf den Skalen als hoch einschätzten.

Alle Faktorladungen waren signifikant (p < 0,001) und substanziell (\(\lambda\) > 0,3). Die Reliabilität der Skalen für Kontrolle (McDonald’s \(\omega\) = 0,79) und Freude (McDonald’s \(\omega\) = 0,83) war gut. Für Wert (\(\omega\) = 0,90) und Selbstwirksamkeitserwartung (\(\omega\)= 0,93) weist das geschätzte McDonald’s \(\omega\) auf sehr gute Reliabilität hin. Varianzen der latenten Faktoren waren signifikant (p < 0,001). Standardisierte Korrelationen zwischen den latenten Faktoren waren substanziell und positiv, wie theoretisch angenommen. Die geschätzten Parameter sind in Tab. 5.2 dargestellt.

Das theoretisch angenommene Modell wies eine hohe Anpassungsgüte auf (χ2(103) = 162,11; p = 0,0002: RMSEA = 0,04 (95 %-KI: 0,03–0,05), CFI = 0,96, SRMR = 0,04). Die Ergebnisse sind in Abb. 5.2 dargestellt. Nur signifikante Koeffizienten sind ausgewiesen (p < 0,001). Geschlecht hatte keinen Einfluss auf irgendeine andere Variable des Modells. Die Semesteranzahl hatte einen direkten negativen Effekt auf die Kontrolleinschätzung. Alter hatte einen direkten negativen Effekt auf Freude. Beide Effekte waren gering. Semesterzahl und Alter wiesen keinen signifikanten Zusammenhang zueinander auf (p = 0,81). Kontroll- und Werteinschätzungen waren positiv korreliert.

Wie theoretisch angenommen, beeinflusste das Erleben von Freude beim Einsatz digitaler Technologien direkt die Selbstwirksamkeitserwartung angehender Lehrkräfte. Der Effekt war positiv und von mittlerer Stärke. Kontroll- und Werteinschätzungen beeinflussten beide das Erleben von Freude positiv. Jedoch erwies sich der Effekt der wahrgenommenen Kontrolle auf Freude als dreimal so stark wie der Effekt des wahrgenommenen Werts. Es konnte weder von der wahrgenommenen Kontrolle noch von dem wahrgenommenen Wert ein direkter Effekt auf die Selbstwirksamkeitserwartung gefunden werden. Es zeigte sich jedoch ein indirekter Effekt von wahrgenommener Kontrolle auf die Selbstwirksamkeitserwartung, der durch das Erleben von Freude vermittelt wurde (\(\beta\) i1 = 0,38, p < 0,05). Da sich keine direkten Effekte von wahrgenommener Kontrolle auf die Selbstwirksamkeitserwartung zeigten, jedoch eine positive latente Korrelation zwischen den beiden Variablen besteht, wenn diese allein betrachtet werden, kann Freude als vollständiger Mediator zwischen der Kontrollüberzeugung und der Selbstwirksamkeitserwartung aufgefasst werden. Der indirekte Effekt des wahrgenommenen Werts auf die Selbstwirksamkeitserwartung betrug \(\beta\) i2 = 0,12, war jedoch nicht signifikant (p = 0,051). Es zeigte sich außerdem ein indirekter Effekt der Semesteranzahl auf Freude, vermittelt durch die wahrgenommene Kontrolle mit \(\beta\) i3 = -0,13. Dieser indirekte Effekt war signifikant (p = 0,04), jedoch gering.

5.6 Diskussion

Unsere Studie zeigt, dass Freude eine wichtige Emotion in der Vermittlung zwischen der wahrgenommenen Kontrolle über digitale Technologien und der Selbstwirksamkeitserwartung hinsichtlich des Einsatzes digitaler Technologien im Unterricht darstellt. Die Ergebnisse zeigen zudem, dass die wahrgenommene Kontrolle in der befragten Gruppe von Studierenden deutlich stärker das Erleben von Freude vorhersagt als der wahrgenommene Wert digitaler Technologien. Zwar sind beide Konstrukte positive Prädiktoren des Erlebens von Freude, das Regressionsgewicht der wahrgenommenen Kontrolle ist jedoch um ein Vielfaches höher als jenes des wahrgenommenen Werts. Hinzu kommt, dass der wahrgenommene Wert digitaler Technologien keinen signifikanten Effekt auf die Selbstwirksamkeitserwartung hatte, weder direkt noch indirekt.

Alter und Semesterzahl haben in unserem Modell geringe Effekte auf andere Variablen; kein Effekt zeigt sich hinsichtlich des Geschlechts. Mit Ausnahme des Effekts bereits absolvierter Semester auf die wahrgenommene Kontrolle, liegen keine weiteren Effekte der Semesteranzahl vor. Dies könnte auf Stabilität des Modells über die Semesterzahl hindeuten; ob dem tatsächlich so ist, müsste in einer Längsschnittstudie überprüft werden. Der Effekt der Semesterzahl auf die wahrgenommene Kontrolle über digitale Technologien war bemerkenswerterweise negativ; d. h., je länger sich eine befragte Person bereits in der universitären Ausbildung befindet, umso geringer ist deren wahrgenommene Kontrolle ausgeprägt. Dieser Effekt könnte damit zusammenhängen, dass Lehrveranstaltungen zum Einsatz digitaler Technologien im Mathematikunterricht zum Zeitpunkt der Befragung eher am Ende des Studiums angesiedelt waren: Die Einsicht, dass die Gestaltung einer guten digital unterstützten Lernumgebung eine komplexe und anspruchsvolle Herausforderung darstellt, hat möglicherweise zur Konsequenz, dass die eigene Kontrolle über digitale Technologien als geringer wahrgenommen wird als vor Besuch einer entsprechenden Lehrveranstaltung. Andererseits können wir auf Grundlage unseres Erhebungsinstruments nicht zwischen Fällen unterscheiden, in denen die Verringerung der wahrgenommenen Kontrolle auf Schwierigkeiten in der Handhabung digitaler Technologien zurückgeht und solchen Fällen, in denen diese Verringerung auf Schwierigkeiten in der didaktisch fundierten Aufbereitung mathematischer Inhalte zurückgeht. Der gefundene Effekt könnte entsprechend auch aus dem Umstand herrühren, dass die didaktische Aufarbeitung mathematischer Ideen und Begriffe in höheren Semestern als anspruchsvoller erlebt wird (und zwar unabhängig davon, ob der Unterricht mit analogen oder digitalen Materialien geplant wird). Der festgestellte Effekt ist zwar von geringer Stärke, kann jedoch als Anlass dienen, über die durch die Studienordnung vorgegebene Abfolge von Inhalten der universitären Ausbildung von Lehrkräften nachzudenken und Impulse dahingehend zu setzen, digitale Technologien möglichst von Studienbeginn an in fachdidaktischen Veranstaltungen zu berücksichtigen. Eine entsprechende curriculare Anpassung könnte zudem dazu beitragen, dass angehende Lehrkräfte digitale Technologien nicht nur als mögliche Ergänzung traditionellen Unterrichts auffassen, sondern digitale Technologien ganz selbstverständlich als Faktor in die Planung, Durchführung und Evaluation von Unterricht einfließen lassen.

Die Resultate der durchgeführten Studie zeigen auch, dass Freude in der Nutzung digitaler Technologien im Mathematikunterricht mit steigendem Alter sinkt. Dieser Effekt kann nicht auf den beobachteten negativen Effekt der Semesterzahl zurückgeführt werden. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass der Enthusiasmus für digitale Technologien unter jüngeren Studierenden stärker ausgeprägt ist. Jüngere Personen könnten digitalen Technologien eher auf emotionaler Ebene begegnen, während ältere Personen möglicherweise einen stärker kognitiv-rationalen Zugang zu digitalen Technologien bevorzugen. Jüngere Personen verfügen darüber hinaus u. U. über mehr Erfahrung mit digitalen Technologien, was sich in einem höheren wahrgenommenen Wert von digitalen Technologien ausdrücken kann (Siddiq et al., 2016). Das wiederum könnte dazu beitragen, dass andere Variablen die beobachtete Beziehung zwischen Alter und erlebter Freude beim Einsatz digitaler Technologien im Mathematikunterricht verursachen: Im Sinne der Control-Value Theory und Evidenzen aus anderen Kontexten lässt sich vermuten, dass das Selbstkonzept und das vorhandene Wissen direkt die erlebten Emotionen beeinflussen (Van der Beek et al., 2017) und mitunter durch die vorhandene Erfahrung in einem bestimmten Bereich bedingt werden.

Die hier berichteten Ergebnisse müssen vor dem Hintergrund ihrer Grenzen betrachtet werden. Die durchgeführte Studie fokussierte auf den Einsatz digitaler Technologien im Mathematikunterricht. Aus diesem Grund sind die Befunde u. U. nicht auf andere Fächer übertragbar. Auch aus der Zusammensetzung der Stichprobe ergeben sich möglicherweise Einschränkungen des Geltungsbereichs der vorliegenden Resultate. Da alle befragten Studierenden in einem Bachelor- oder Masterstudiengang für Grundschulpädagogik immatrikuliert waren, sind die Ergebnisse eventuell nicht auf Lehramtsstudierende übertragbar, die Mathematik prospektiv in der Sekundarstufe I und II unterrichten. Zugleich ist anzumerken, dass die Grundschule in Berlin und Brandenburg auch die Klassen 5 und 6 umfasst und die durchgeführte Studie entsprechend einen Teil der Sekundarstufe I mit abbildet.

Aus den vorgestellten Resultaten lassen sich Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Lehrkräftebildung ableiten. Die Daten bestärken die Vermutung, dass Universitäten eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Förderung digitaler Kompetenzen von Lehrkräften spielen (Bridgstock, 2016). Bildungsprogramme müssen Lehrkräfte auf geeignete Weise auf den Einsatz digitaler Technologien im Unterricht vorbereiten (Erstad et al., 2015). Das erfordert kompetente Dozierende, die angehenden Lehrkräften bei der Entwicklung entsprechender Fähigkeiten beratend und unterstützend zur Seite stehen (Instefjord & Munthe, 2017; Krumsvik, 2014): (1) Diese Unterstützung betrifft allerdings nicht nur die lernzielorientierte Nutzung digitaler Technologien im Unterricht. Die Ergebnisse unserer Studie legen nahe, dass auch der emotionalen Begleitung eine große Bedeutung für die Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung zukommt. Im Besonderen sollte darauf Wert gelegt werden, Freude bei der Erkundung didaktischer Möglichkeiten digitaler Technologien sichtbar und erfahrbar zu machen. Das kann indirekt geschehen, indem angehende Lehrkräfte auf die Bedeutung emotionalen Erlebens für erfolgreiche Bildungsprozesse aufmerksam gemacht werden, oder direkt erfolgen, indem nach persönlichen Erfahrungen von Freude im Zusammenhang mit durchgeführten Lernaktivitäten zum Einsatz digitaler Technologien gefragt wird. (2) Studien belegen, dass die subjektive Wahrnehmung des Wertes digitaler Technologien in Lehrveranstaltungen positiv beeinflusst werden kann, indem der Wert digitaler Technologien direkt thematisiert wird (Anderson & Maninger, 2007). Aufgrund der großen Bedeutung der wahrgenommenen Kontrolle über digitale Technologien für die Stärkung des Vertrauens in die eigene Kompetenz, digitale Technologien effektiv im Unterricht einzusetzen, sollte auch gewährleistet werden, dass Lehramtsstudierende ausreichend Gelegenheiten erhalten, Kontrollerfahrungen bei der Nutzung digitaler Technologien als Unterrichtsmittel zu sammeln. Dazu ist anzumerken, dass subjektiv wahrgenommene Kontrolle sich insbesondere dann erhöht, wenn Personen mit Situationen konfrontiert werden, die überwindbare Herausforderungen beinhalten. Solche Situationen lassen sich im Rahmen von Lehrveranstaltungen bewusst gestalten oder können im Zuge praktischer Erprobungsphasen durch geeignete Aufgabenstellungen herbeigeführt werden. Studien zeigen, dass die Nutzung digitaler Technologien in Schulen durch solche Maßnahmen erhöht werden kann (Choy et al., 2009; Ottenbreit-Leftwich et al., 2018). Beide Herangehensweisen haben jedoch die Verfügbarkeit geeigneter digitaler Technologien zur Voraussetzung. (3) Universitäten und pädagogische Hochschulen sind dementsprechend angehalten, einen Grundbestand digitaler Geräte für den Einsatz in der Lehre bereitzuhalten. Mit Blick auf die nach wie vor unzureichende technologische Infrastruktur an deutschen Schulen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2020) und die eingeschränkte mediale Ausstattung insbesondere der Primarstufe (Vogel et al., 2020) sollten Institutionen, die mit der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften betraut sind, darüber hinaus Angebote zur kurzfristigen Ausleihe digitaler Technologien aufbauen, um sowohl Studierenden während der Praxisphasen als auch angehenden Lehrkräften während des Referendariats den Einsatz digitaler Technologien im schulischen Unterricht zu ermöglichen. Entsprechende Angebote sollten aufgrund der durch die Studie offengelegten Bedeutung wahrgenommener Kontrolle an geeignete Unterstützung in Form fachdidaktischer und technologischer Beratung gekoppelt sein. Die Wirksamkeit der diskutierten Maßnahmen ist in weiteren Studien zu überprüfen.

Abb. 5.1
figure 1

Theoretisches Modell zur Selbstwirksamkeitserwartung von Lehrkräften bezogen auf den Einsatz digitaler Technologien

Abb. 5.2
figure 2

Anmerkung: Die Darstellungsform folgt den gebräuchlichen Standards für Mess- und Strukturmodelle; nur signifikante Koeffizienten sind abgebildet

Latentes Strukturgleichungsmodell zur Überprüfung des theoretischen Modells (Abb. 5.1) zur Selbstwirksamkeitserwartung von Lehrkräften bezogen auf den Einsatz digitaler Technologien.

Tab. 5.1 Deskriptive Ergebnisse
Tab. 5.2 Korrelationen zwischen latenten Variablen (untere Dreiecksmatrix) und Varianzen der latenten Variablen (entlang der Diagonalen)