Zusammenfassung
Der Beitrag vollzieht die beiden gegenläufigen Perspektiven von ‚Bruch‘ oder ‚Kontinuität‘ der globalisiert-vernetzten digitalisierten mit den analogen, massenmedialisierten Lebenswelten nach. Mit soziologischen und medienphilosophischen Langzeitperspektiven auf Zeitlichkeit und Erlebnisorientierung lassen sich zwei kontinuierliche Entwicklungslinien nachzeichnen, die Elemente der gegenwärtigen digitalisierten Lebenswelten in technosozialen ‚Medien- und Ereignistexten‘ verdeutlichen. Die Rastlosigkeit der ‚zeitlosen Zeit‘ in der ‚Kultur der realen Virtualität‘ (Castells) oder die erlebnisorientierte Ästhetisierung des Alltags und des ‚Wirklichkeitsbewussteins‘ (Welsch) werden dabei als Kennzeichen einer Tiefenschicht der gesellschaftlichen Transformationen der Lebenswelt hin zu einem Plural parallel existierender Interaktions- und Erlebnisräume in verschmolzenen On- und Offline-Welten herausgearbeitet.
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Notes
- 1.
Das englische „hacked“ wurde in der deutschen Ausgabe hier mit „geknackt“ übersetzt, später im Buch aber als „gehackt“ übertragen.
- 2.
Mit dieser individualisierenden Personalisierung der medialen Spiegel digitaler Lebenswelten sind entsprechende gesellschaftliche Herausforderungen verbunden, die nicht zuletzt unter dem Titel der „Fake News“ thematisiert worden sind (vgl. dazu Schenk, 2022).
- 3.
Vgl. die „Studie zur Anzeigenwahrnehmung und -wirkung“ (ohne Jahr) unter https://web.archive.org/web/20211116003227/https://www.die-zeitungen.de/forschung-studien/studien/studie-zur-anzeigenwahrnehmung-und-wirkung.html. Memento vom 16.11.2021.
- 4.
Um sich durch konservative Familienwerte zu profilieren, setzte sich der damalige Vizepräsident James Danforth Quayle im Rahmen des Präsidentschaftswahlkampfs 1992 von der populären Serienfigur Murphy Brown ab (verkörpert durch Candice Bergen). Diese stand als erfolgreiche Fernsehjournalistin in der gleichnamigen Serie für einen neuen, unabhängigen und selbstbestimmten Frauentypus und hatte sich im Verlauf der Serienhandlung zu einer unehelichen Schwangerschaft entschlossen. Quayle verurteilte dies (medien-)öffentlich, Brown kritisierte in der nächsten Folge als Zuschauerin dieses Interviews eine solche politische Einmischung in das Privatleben von Frauen, Quayle verlor den Wahlkampf, die Serie Murphy Brown steigerte ihre Quote.
- 5.
Welsch (1993: 28) selbst hofft zum einen auf den dialektischen Umschlagpunkt einer solchen „Hyperästhetisierung der Kultur“ und zum anderen auf die „Sensibilisierungseffekte“ einer ästhetischen Kultur für Differenzen und damit verbundene Ausschlüsse.
- 6.
Vgl. z. B. die Hinweise von „Reach On“ unter https://web.archive.org/web/20210118171515/https://reach-on.de/instagram-feed/. Memento vom 18.01.2021.
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Schenk, S. (2023). Die Herren der Zeit. Aufwachsen in digitalen Kulturen. In: Buck, M.F., Zulaica y Mugica, M. (eds) Digitalisierte Lebenswelten. Kindheit – Bildung – Erziehung. Philosophische Perspektiven. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66123-9_5
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