FormalPara Zusammenfassung

Nach Abbruch der WHI-Studie wegen unerwartet häufiger Brustkrebserkrankungen unter menopausaler Hormontherapie (MHT) im Jahr 2002 gab es in der Fach- und Laienpresse einen Aufschrei, dem ein massiver Einbruch bei den Hormonverordnungen folgte. Andere randomisierte kontrollierte Studien (RCTs; randomized controlled trials ) mit ähnlichen Ergebnissen, z. B. die HERS-Studie ( Heart and Estrogen/Progestin Replacement Study ), fanden weniger Beachtung. Trotzdem lässt sich in den letzten Jahren wieder eine Zunahme von Hormonverordnungen – auch ohne gesicherte Evidenz – beobachten, die an das Ausmaß der Verordnungen in den 1990er Jahren heranreichen könnte, insbesondere durch die Verordnung von transdermalen Östrogenen plus Progesteron, wie die Daten aller GKV-Versicherten von 2000 bis 2021 befürchten lassen. Möglicherweise hat diese Hormonkombination ein günstigeres Risikoprofil als die in der WHI-Studie untersuchten konjugierten Östrogene (CEE) plus Medroxyprogesteronacetat (MPA). Aber bewiesen ist das nicht und groß angelegte Studien, die das nachweisen könnten, sind unseres Wissens nicht in Planung – diese sind aber dringend erforderlich, damit nicht erneut Hormone unkritisch ohne Vorliegen gesicherter Evidenz massenhaft verordnet werden und unzählige Frauen dadurch zu Schaden kommen.

1 Einleitung

David Sackett, einer der Begründer der Evidenzbasierten Medizin (EbM), sprach 2002 von der „Arroganz der präventiven Medizin“, als er die vorzeitige Beendigung der Studie der amerikanischen Women’s Health Inititiative (WHI) (Sackett 2002) kommentierte. Die randomisierte, Placebo-kontrollierte WHI-Studie sollte offene Fragen zur Langzeitbehandlung von Frauen mit Sexualhormonen klären. Die Ergebnisse waren alarmierend: Der Schaden der vermeintlichen Vorsorge überwog den postulierten Nutzen (Manson et al. 2013). Bis dahin waren Östrogene und Gestagene über Jahrzehnte ohne belastbare Evidenz massenhaft zur Prävention verordnet worden. Alterungsprozesse sollten verzögert und Krankheiten verhindert werden. Weltweit haben viele Frauen durch die MHT Schaden erlitten (Hulley und Grady 2009), für die meisten war es offenbar eine Behandlung ohne gesundheitlichen Nutzen. Aus Perspektive der EbM war es ein unkontrolliertes Experiment mit der weiblichen Bevölkerung. Sackett wollte mit seinem Statement deutlich machen, dass auch präventive Maßnahmen nicht ohne Nutzennachweis durch aussagekräftige RCTs propagiert werden dürfen.

Der vorliegende Artikel soll einige Meilensteine der MHT im Kontext der Verordnungspraxis darstellen.

2 Die historische Entwicklung der MHT in den USA

Stephen Hulley und Deborah Grady initiierten die HERS-Studie, die erste RCT zu den Effekten einer MHT auf kardiovaskuläre Endpunkte (Hulley et al. 1998). 2009 kommentieren sie im Wissenschaftsjournal JAMA die Meilensteine der MHT in den USA (Hulley und Grady 2009).

Schon 1942 hatte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) Premarin®, eine Östrogenmischung aus dem Harn trächtiger Stuten (CEE; conjugated equine estrogen), zur Behandlung von Hitzewallungen zugelassen. Diese natürlichen konjugierten Stutenöstrogene erfuhren in den 1960er Jahren durch die Bewegung „weiblich für immer“ enorme Popularität. Der Frauenarzt Robert Wilson und seine Frau, die Krankenschwester Thelma Wilson, veröffentlichten 1963 in einer Fachzeitschrift für Geriatrie den wegweisenden Artikel „Das Schicksal der unbehandelten postmenopausalen Frau: ein Manifest für den Erhalt einer adäquaten Östrogenisierung von der Pubertät bis ins Grab“. Die Publikation postuliert positive Effekte von Östrogen auf unterschiedliche Körperfunktionen. Die Daten stammten aus Laborstudien, Tierexperimenten und meist nicht kontrollierten Beobachtungen auf Surrogatparameter (Zielgrößen) wie Blutwerte, Gefäßreaktion oder Zellfunktion. Auf Basis dieser wenig aussagekräftigen Studien proklamierten Wilson und Wilson einen generellen Östrogenmangel der Frauen mit Einsetzen der Menopause und forderten, die Menopause durch Substitution mit natürlichen Östrogenen zu verhindern (Wilson und Wilson 1963).

In den 1970er Jahren stellte sich heraus, dass CEE das Risiko zur Bildung von Endometriumkarzinomen substanziell erhöhen. Mit der Beobachtung, dass die Kombination von CEE mit Gestagen dem entgegenwirken könnte, flammte die vorübergehend getrübte Begeisterung für die MHT rasch wieder auf. Sie sollte zwei weitere Jahrzehnte anhalten. Einen zusätzlichen Stimulus für die Popularität der MHT brachten Kohortenstudien. Diese suggerierten einen präventiven Effekt auf die koronare Herzerkrankung (KHK). Obwohl die gegenteiligen Wirkungen der Gestagene erkannt wurden, sollte Medroxyprogesteronacetat (MPA) die Vorteile von CEE aufrechterhalten können. Auch zu dieser These lagen nur Tierexperimente oder klinische Studien mit Surrogatendpunkten vor (Hulley und Grady 2009).

Anfang der 1990er war in den USA die Kombination aus CEE und MPA die am häufigsten eingesetzte MHT. Die Propagierung erfolgte unter der Annahme, dass die MHT das KHK-Risiko deutlich reduzieren könne. Seit Mitte der 1980er Jahre häuften sich jedoch auch Hinweise auf ein erhöhtes Brustkrebsrisiko bei MHT-Anwenderinnen. RCTs mit klinisch relevanten Endpunkten fehlten. Manche Fachleute hielten RCTs sogar für unethisch. Ihnen genügten die Evidenz aus epidemiologischen und tierexperimentellen Studien und die Effekte auf Surrogatparameter. In Praxisleitlinien wurde die MHT in der Postmenopause zur Prävention der KHK bereits empfohlen (Hulley und Grady 2009).

Hulley und Grady planten Anfang der 1990er Jahre die HERS-Studie als Placebo-kontrollierte RCT, um die Effekte einer MHT bei Frauen mit hohem kardiovaskulärem Risiko auf kardiovaskuläre Endpunkte zu prüfen. Zudem sollten unerwünschte Wirkungen wie das Risiko für Brustkrebs und thromboembolische Komplikationen untersucht werden. Unterstützt sah sich die Forschendengruppe durch die zunehmende Bedeutung der EbM.

Die Ergebnisse von HERS wurden 1998 im JAMA (Journal of the American Medical Association) publiziert und waren ernüchternd. Frauen mit MHT hatten nicht weniger, sondern im ersten Studienjahr sogar mehr KHK-Ereignisse als mit Placebo und bis Studienende zwei- bis dreifach häufiger Thromboembolien (Hulley et al. 1998). Hulley und Grady berichten über die Ablehnung, die ihre HERS-Studie in den USA damals erfuhr. Die vorwiegende Reaktion war Ungläubigkeit und es wurden schnell Kritikpunkte an der Studie formuliert, um das mancherorts unliebsame Ergebnis zu erklären. Die Studiendauer sei zu kurz gewesen, die Frauen zu alt, zudem hätten Frauen ohne KHK untersucht und andere Hormonpräparate genutzt werden müssen. Die Laienpresse in den USA ignorierte die HERS-Studie. Es gab keine relevanten Änderungen der Praxisleitlinien oder der Verkaufszahlen. Der Glaube an die gesundheitliche Kraft der Östrogene für postmenopausale Frauen blieb in der Öffentlichkeit vorerst ungebrochen. Hingegen erhielt HERS von der Wissenschaft große Aufmerksamkeit (Hulley und Grady 2009).

Der Einbruch der MHT-Verordnungszahlen kam erst mit dem vorzeitigen Studienabbruch der WHI. Die WHI-Studie war wie die HERS-Studie ein RCT mit CEE plus MPA und klinisch relevanten Ergebnisparametern (Manson et al. 2013). Eingeschlossen wurden 16.608 Frauen ohne KHK. Die geplante Studiendauer betrug acht Jahre. Nach 5,2 Jahren wurde die Studie vorzeitig abgebrochen, weil das Risiko für KHK, Schlaganfall, Lungenembolie und Brustkrebs erhöht war. Bei älteren Frauen stieg auch das Risiko für Demenz. Zwei Jahre später wurde auch die zweite WHI-Studie vorzeitig abgebrochen. Sie untersuchte die Östrogenmonotherapie bei 10.739 Frauen, die keine Gebärmutter mehr hatten. Auch hier gab es eine signifikante Zunahme von Thrombosen, Schlaganfällen und Demenz bzw. kognitiver Beeinträchtigung (Manson et al. 2013).

Nach dem vorzeitigen Abbruch der WHI warnte die FDA, dass Östrogenpräparate nicht mehr zur Prävention der KHK und nicht als Ersttherapie zur Prävention von Osteoporose eingesetzt werden sollten. Aktualisierte Praxisleitlinien empfahlen die MHT nur bei belastenden Wechseljahrbeschwerden in möglichst niedriger Dosierung und für möglichst kurze Zeit. In den folgenden Jahren nahm die Anzahl der Frauen mit MHT in den USA kontinuierlich ab, von 15 Mio. Frauen Anfang der 1990er – ein Drittel davon war älter als 60 Jahre – auf etwa die Hälfte zwischen 2002 und 2003 (Hulley und Grady 2009).

3 Hochzeit der MHT in Deutschland

Anfang der 90er Jahre verschafften sich in Deutschland Befürwortende von MHT, z. B. Prof. Christian Lauritzen, vehement Gehör und propagierten eine generelle Behandlung aller Frauen ab der Menopause mit MHT (z. B. Lauritzen 1995). Die Frauen erschienen als defizitäre Hormonmangelwesen, die mit ihrem Leben nicht mehr zurechtkommen und die Substitutionstherapie mit Sexualhormonen versprach, diese Frauen wieder lebenstüchtig zu machen (Mühlhauser 2017).

Zur Veranschaulichung des Mangelzustands Menopause bemühten die Frauenärztinnen und -ärzte gerne eine Analogie zu Typ-1-Diabetes. Der Vergleich hinkt jedoch gewaltig, denn ohne Insulin kann der Mensch nicht leben. Hingegen ist die Menopause ebenso wie die Pubertät keine Erkrankung. Dennoch sprechen die Verfechterinnen und Verfechter der MHT weiterhin von Hormonsubstitution und Hormonersatztherapie, als müsse ein lebenswichtiges Hormon ersetzt werden (Leitlinienprogramm DGGG, SGGG und OEGGG 2020a).

Ebenso verbreitet wurde die These, dass der Hormonmangel ab der Menopause nicht nur Wechseljahrbeschwerden und Wirbelbrüche verursache, sondern auch KHK und viele Altersleiden. Auch in Deutschland wurde die Behandlung mit Sexualhormonen zur Anti-Aging-Bewegung. Versprochen wurde so gut wie alles: Herz-Kreislauf-Erkrankungen ließen sich um 50 % reduzieren, schmerzende Gelenke sollten wieder fit gemacht und unfreiwilliger Harnverlust gebannt werden. Auch die Lebensfreude sollte neu erwachen. Besserer Schlaf, die Vertreibung düsterer Gedanken und ein wieder erwecktes Sexualleben würden die Lebensqualität der Frauen verbessern. Selbst das Äußere sollte sich wieder verjüngen. Weniger Falten, dichtes Haar und eine schlankere Taille wurden in Aussicht gestellt. Und nicht nur das, der Ersatz der vermeintlich fehlenden Sexualhormone würde Demenz und Alzheimer abwenden und geistige Regsamkeit bis ins hohe Alter gewähren (Mühlhauser 2017).

Kritik an der Euphorie für die MHT kam vorerst aus der Diabetologie. Die Gynäkologinnen und Gynäkologen propagierten die MHT vor allem auch für Patientinnen mit hohem kardiovaskulärem Risiko. Dazu zählten Frauen mit Diabetes. Allerdings galt Diabetes als Risikofaktor für venöse und arterielle Thromboembolien. Das arznei-telegramm veröffentlichte 1995 in einer Sonderbeilage eine umfangreiche Darstellung des damaligen Kenntnisstands zur post-menopausalen Langzeitbehandlung mit Sexualhormonen unter besonderer Berücksichtigung des Diabetes. Die Schlussfolgerungen waren eindeutig: Ein Beleg für den Nutzen der MHT fehlte. RCTs wären unverzichtbar zur Beurteilung des Nutzen-Schaden-Verhältnisses (Mühlhauser et al. 1995).

Trotzdem wurden auch in Deutschland die Ergebnisse von HERS nicht zur Kenntnis genommen. Noch im Jahr 2000 warben medizinische Fachgesellschaften massiv für die präventive Langzeitbehandlung von Frauen mit Sexualhormonen (Stellungnahme ärztlicher Fachgesellschaften 2000).

Erst mit dem Abbruch der WHI-Studie im Jahr 2002 kam es auch in Deutschland zu einer Neubewertung der MHT. Tab. 7.1 zeigt die Ergebnisse einer aktuellen Metaanalyse zu klinisch relevanten Endpunkten aus allen RCTs zur Langzeittherapie mit MHT (Gartlehner et al. 2017). Bis heute gibt es Versuche, die WHI zu diskreditieren und die unerwünschten Wirkungen der MHT zu verharmlosen. So werden positive Effekte als Relativprozent kommuniziert, unerwünschte hingegen als Absolutprozent (Mühlhauser 2017). Das Übertreiben von Nutzen und Bagatellisieren von Schaden wird als framing of data bezeichnet. Einige unerwünschte Wirkungen der MHT, wie Gallenblasenerkrankungen oder die massive Zunahme von Harninkontinenz, werden weiterhin ignoriert.

Tab. 7.1 Geschätzte Ereignisrate für Zunahme (Schaden) oder Abnahme (Nutzen) pro 10.000 Frauenjahre unter einer Langzeitbehandlung von Östrogen plus Gestagen bzw. Östrogen allein. (Nach Tabelle 3 aus Gartlehner et al. 2017)

So wurde z. B. für das Brustkrebsrisiko unter kombinierter MHT in der WHI während der Studiendauer von etwa fünf Jahren Folgendes beobachtet: Bei 206 von 8.506 Frauen, das entspricht 0,43 %, wurde invasiver Brustkrebs diagnostiziert, in der Gruppe der Frauen mit Placebo waren es 155 von 8.102 Frauen (0,35 %). Das entspricht einer relativen Risikoerhöhung um 24 %, bezogen auf 10.000 Frauenjahre errechnet sich daraus eine Zunahme von neun Fällen.

4 Die WHI und die Folgen auf das Verordnungsverhalten

Die WHI-Studie wurde 2002 abgebrochen, weil die MHT das Brustkrebsrisiko bei den Teilnehmerinnen signifikant erhöhte. In der Folge nahm die Verordnungsrate weltweit ab. Nach wenigen Jahren meldeten Brustkrebsregister – z. B. aus Schleswig-Holstein und dem Saarland, aus den USA durch das Surveillance, Epidemiology and End Results-(SEER-)Register und aus Kanada – einen Rückgang von Brustkrebsdiagnosen. In dem Studienarm der WHI mit alleiniger Östrogentherapie ließ sich kein Anstieg des Brustkrebsrisikos erkennen. Dieser wurde 2004 abgebrochen, weil die behandelten Frauen häufiger Schlaganfälle hatten.

In der Wahrnehmung der Frauen war die Angst, an Brustkrebs zu erkranken, am größten. Demgegenüber neigten viele Frauenärztinnen und -ärzte dazu, das Brustkrebsrisiko zu relativieren. Dies wird auch deutlich in der aktuellen Leitlinie (Leitlinienprogramm DGGG, SGGG und OEGGG 2020a): „Empfehlung: Frauen, die eine HRT (…) erwägen, sollen darüber aufgeklärt werden, dass eine HRT (EPT/ET) (…) zu einer geringen oder keiner Erhöhung des Brustkrebsrisikos führen kann.“ Im später ergänzten Addendum wird auf die weltweit größte Auswertung von Studien zum Brustkrebsrisiko im Lancet-Journal verwiesen (Beral et al. 2019), die der Leitlinien-Empfehlung eigentlich widerspricht.

Kurz zusammengefasst belegt die Studie, dass eine MHT ab der Dauer von einem Jahr das Risiko für Brustkrebs erhöht und mit Dauer der Einnahme zunimmt. Die Art der Östrogene (Östrogen plus Gestagen bzw. Östrogen allein) macht keinen Unterschied. Je jünger Frauen zu Beginn der Therapie sind, umso höher ist das Risiko.

4.1 Verordnungen von MHT in Deutschland

In die Auswertung wurden ambulante Verordnungsdaten der Versicherten aller gesetzlichen Krankenkassen aus den Jahren 2000 bis 2021 einbezogen.

Während im Jahr 2000 etwa 502 Mio. definierte Tagesdosen (DDD) MHT verordnet wurden, sank die Verschreibungshäufigkeit auf ihrem bisherigen Tiefpunkt 2013 um mehr als die Hälfte auf 225 Mio., um danach wieder auf 285 Mio. DDD im Jahr 2021 anzusteigen (Abb. 7.1). Der Wiederanstieg lässt sich erklären durch Folgeevaluationen und Marketingstrategien. 2007 und 2013 wurden Post-hoc-Auswertungen der WHI-Studie nach Altersgruppen vorgenommen, mit dem Ergebnis, dass die Risiken einer MHT für jüngere Frauen zwischen 50 und 60 Jahren nicht so hoch sind wie die Risiken im Altersdurchschnitt der WHI, der mit 63 Jahren jenseits der Perimenopause lag (Rossouw et al. 2007, Manson et al. 2013). Dann deutete sich allmählich an, dass transdermale Östrogene (Anwendung bspw. als Gele, Cremes oder Wirkstoffpflaster) mit einem geringeren Risiko für Thrombosen und Embolien verbunden sind (Mohammed et al. 2015), was zu einer Zunahme der transdermalen Applikation führte.

Abb. 7.1
figure 1

Tagesdosen (DDD, Verordnungen in Mio.) der in den Jahren 2000 bis 2021 an GKV-Versicherte ambulant verschriebenen Menopausalen Hormontherapie

Im Einzelnen lässt sich die Änderung der Verschreibungspraxis nach der WHI-Studie gut an den verschiedenen Hormongruppen ablesen.

Vor allem die Verschreibung von CEE plus MPA, der Hormonkombination, die in der WHI angewendet wurde, fiel von 212 Mio. DDD im Jahre 2000 auf 1,42 Mio. im Jahr 2021. Damit sind die konjugierten Östrogene aus dem Verordnungsrepertoire der Gynäkologinnen und Gynäkologen so gut wie verschwunden. Das erklärt sich, weil CEE plus MPA für die negativen Ergebnisse der WHI-Studie verantwortlich gemacht wurden. Gynäkologinnen und Gynäkologen in Deutschland rühmen sich, dass Hormone bei uns längst nicht so hoch dosiert und CEE nicht so oft verschrieben worden wären wie in den USA (BVF 2005). Tatsächlich wurde CEE in Deutschland im Jahre 2000 mit 212 Mio. DDD fast so häufig verschrieben wie oral einzunehmendes Östradiol. Auch die Verordnung von Östradiol sank bis zum Jahr 2021 nahezu kontinuierlich auf 84 Mio. DDD ab.

So kam es zu deutlich vermehrten Verschreibungen von transdermalen Östrogenen. Während im Jahr 2000 46 Mio. DDD verordnet wurden, waren es im Jahr 2021 142 Mio. Die S3-Leitlinie von 2020 zur Peri- und Postmenopause betont die Vorteile der transdermalen Behandlung in Bezug auf das Thrombose-, Embolie- und Schlaganfallrisiko, sodass sie aktuell als „Goldstandard“ gilt und ihre Verordnung auf Kosten der oralen Präparate in Zukunft noch zunehmen dürfte.

Dass auch die Behandlung der Scheide mit Östriol-Creme oder -Zäpfchen von 3,54 Mio. DDD im Jahr 2000 auf 0,22 Mio. im Jahr 2021 abgenommen hat, erstaunt. Es wäre doch davon auszugehen, dass postmenopausal eine Reihe von Frauen Schmerzen beim Sex haben, zumal diejenigen, die keine systemische MHT durchführen (Leitlinie Peri- und Postmenopause). Dieses Problem kann durch Gleitmittel und/oder lokale Östriolbehandlung gelindert werden.

Die Verordnung von Gestagenen als Einzelpräparat nimmt parallel mit der Verschreibung von transdermalen Östrogenen zu. Denn es gibt nur wenige transdermale Kombinationspräparate. So müssen Frauen, die einen Uterus haben, zusätzlich zu Pflaster, Spray oder Gel an zwölf Tagen im Monat ein Gestagenpräparat schlucken. Von einem Tiefpunkt der Gestagenverordnung im Jahre 2004 mit 8 Mio. DDD stieg die Verschreibung auf 59 Mio. im Jahr 2021.

Die sogenannten „Designer-Hormone“ wie Tibolon wurden in ihren ersten Jahren nach der Zulassung als Alternative gefeiert, die die Vorteile der Hormone Östrogen, Gestagen und Androgen vereinen, während die Nachteile sich aufheben sollten. Im Jahr 2002 wurden 11,3 Mio. DDD verordnet. Nachdem insbesondere die Million Women Study (Speroff 2003) Hinweise lieferte, dass die Risiken genauso hoch und die Effekte nicht besser sind als bei einer (kombinierten) Östrogentherapie, ließ der Hype wieder nach und die Verkaufszahlen lagen 2021 bei 1,80 Mio. DDD.

Die Verordnungszahlen einer systemischen MHT in verschiedenen Altersgruppen im Jahr 2020 (Abb. 7.2) zeigen, dass evidenzbasierte Erkenntnisse nicht ausreichend in die Praxis umgesetzt werden. Frauen zwischen 50 und 60 Jahren wurden mit 23,22 DDD je Versicherte erwartungsgemäß am häufigsten mit MHT behandelt. Dass Frauen zwischen 60 und 70 Jahren 10,75 DDD je Versicherte bekommen, ist fragwürdig. Denn spätestens ab 65 Jahren sollte Frauen keine MHT mehr verordnet werden. Gänzlich unakzeptabel ist jedoch die Verordnung einer systemischen Hormontherapie an Frauen, die über 70 sind. Tatsächlich erhalten sie jedoch 3,64 DDD je Versicherte. Lokaltherapien wurden dabei explizit nicht berücksichtigt. Für Frauen über 65 Jahre ist eine MHT mit einem stark erhöhten Schlaganfall- und Demenzrisiko verbunden (Manson et al. 2013; Gartlehner et al. 2017). Deswegen sollen Hormone bei Frauen über 65 auch nur in Ausnahmefällen zur Osteoporosebehandlung eingesetzt werden, wenn andere Medikamente nicht in Frage kommen.

Abb. 7.2
figure 2

Verordnungen von Hormonen (DDD) je Versicherte nach Altersgruppen 2021

Die Fehlversorgung wäre dadurch zu erklären, dass vielen Frauen in ihren Fünzigern noch geraten wurde, Hormone bis ins hohe Alter zu nehmen (Kolip 2000). Auch Behandelnde können sich schwertun, subjektive Überzeugungen in Frage zu stellen und Verschreibungsgewohnheiten zu ändern, wenn neue Erkenntnisse deren Umstellung verlangen (Wenderlein 2020; Huber et al. 2012, Klauber et al. 2005). Hinzu kommt, dass das Absetzen einer MHT in jedem Alter die Symptome auslösen kann, deretwegen die Behandlung begonnen wurde (z. B. Hitzewallungen). Stattdessen ist eine entschiedene Dosisreduktion in kleinen Schritten über einen langen Zeitraum notwendig (Leitlinie Peri- und Postmenopause 2020a).

5 Barrieren bei der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse

5.1 Niedrigdosierte Präparate fehlen

Eine Lehre aus der WHI, die von Fachleuten gezogen und in Leitlinien verankert wurde, war die Empfehlung, Hormone so niedrig dosiert wie möglich und so kurz wie nötig einzunehmen. Auf diese Empfehlung hat die pharmazeutische Industrie in Deutschland nicht reagiert und – anders als in den USA – keine Auswahl ultraniedriger Dosierungen auf den Markt gebracht. In den 1970er Jahren waren die Hormonmengen sowohl in Wechseljahrespräparaten als auch in Antikonzeptiva sehr hoch. Die Standarddosis betrug 0,05 mg Ethinylöstradiol in Antikonzeptiva (DAZ 2021) oder 2 mg Östradiol in Menopausenpräparaten. Heute betragen die Standarddosierungen nahezu die Hälfte, 0,03 mg Ethinylöstradiol in Antikonzeptiva und 1 mg Östradiol in Menopausenpräparaten.

Die Erfahrung aus der gynäkologischen Praxis zeigt, dass häufig noch geringere Mengen ausreichend sind, um Wechseljahresbeschwerden zu lindern. Die transdermale Behandlung mit Östrogengel erlaubt Frauen, die Dosierung individuell und abhängig von der aktuellen Symptomatik zu wählen. Es brauchen keine Tabletten geteilt und keine Pflaster zerschnitten werden, um die Dosis zu verringern, sondern lediglich weniger Gel auf der Haut verteilt zu werden. Die Praxis zeigt, dass viele Frauen, wenn sie auf diese Weise ermächtigt werden, die Hormonmenge an ihrem Bedarf auszurichten, viel weniger Östrogen brauchen als die Standarddosierungen vorgeben (persönliche Mitteilung). Dabei ist das Behandlungsziel nicht, überhaupt keine Wärmeschübe mehr wahrzunehmen, sondern heftige und belastende Wallungen zu vermeiden. Häufig treten Hitzewallungen in Phasen und unterschiedlich stark auf. Eine Behandlung, die sich dem Schweregrad anpasst und auch behandlungsfreie Phasen beinhaltet, wurde nie in RCTs auf die durchschnittlich notwendige Hormonmenge, Lebensqualität und unerwünschte Begleiterscheinungen und Risiken getestet. Die Beobachtung anhand ärztlicher praktischer Erfahrungen zeigt, dass häufig der Verbrauch geringer, die Lebensqualität höher und die Risiken geringer sein könnten als mit einer gleichbleibend hohen Standarddosis.

5.2 Präparate, die in RCTs getestet wurden, sind nicht verfügbar

Ein weiteres Manko ist die geringe Auswahl an Gestagen-Einzelpräparaten, die bei den meisten transdermalen Östrogenbehandlungen zur Kombination notwendig sind. Von den lang bekannten und vielfach erforschten Gestagenen ist lediglich MPA in einer Dosierung von 5 mg verfügbar. Norethisteron und Norethisteronacetat gibt es seit 2010 nicht mehr als Einzelpräparat auf dem deutschen Markt. Auch Levonorgestrel steht Frauen in den Wechseljahren nicht zur Verfügung, wenn sie ein Einzelpräparat benötigen. Auf dem Markt ist es nur als Minipille verfügbar. Die pharmazeutischen Firmen begründeten die Rücknahme mit den androgenen Nebenwirkungen dieser Gestagene (Leitlinie Hormonale Antikonzeption 2020b). Das war offenbar ein Vorwand, denn auch das nicht androgen wirkende Medrogeston wird nicht mehr hergestellt. Hintergrund der Marktrücknahme ist eher, dass die Firmen neue Zulassungen für Präparate, die sehr preiswert waren, beantragen müssen. Da scheint es vorteilhafter zu sein, neuere Gestagene auf den Markt zu bringen, zum Beispiel Dienogest, das zu einem erheblich höheren Preis verkauft werden kann. Frauen, die hormonell verhüten, haben aber durch diese Marketingstrategien nicht nur finanzielle Nachteile. Die älteren Präparate, speziell Levonorgestrel, wurden als Gestagen in Antikonzeptiva intensiv in RCTs beforscht. Es ist bei der Einnahme von Anti-Baby-Pillen nur mit einem halb so hohen Thrombose-/Embolie-Risiko verbunden wie die neueren Gestagene Desogestrel, Dienogest und andere (BfArM 2022; AKF e. V. 2021). Derartige Vergleichsstudien gibt es für Menopausenpräparate nicht. Es ist nicht nachgewiesen, dass das günstige Risikoprofil von Levonorgestrel auch auf Frauen in den Wechseljahren übertragbar ist. Grundsätzlich sollte auf die Präparate mit dem geringsten Risiko zurückzugriffen werden.

5.3 Bioidentische Produkte

Hinter dem Begriff „Bioidentische Hormone“ verbirgt sich eine Marketingstrategie. Gerne wird auch von natürlichen oder naturidentischen Hormonen gesprochen und argumentiert, dass Hormone, die chemisch genauso aussehen wie die Hormone, die der Körper selbst herstellt, doch nicht schädlich sein können. Das ist eine letztlich haltlose Argumentation. Denn auch Eierstöcke, die Frauen bis über 80 mit Östrogenen versorgen würden, wären mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko verbunden.

Fakt ist, dass Östradiol seit den 1970er Jahren zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden angewendet wird und somit ein „bioidentisches Hormon“ ist. Auch Progesteron fand früher Anwendung, allerdings nicht oral, weil es kaum resorbierbar ist, sondern als Injektion. Seit über 20 Jahren wird Progesteron als Kapsel oral verabreicht und dadurch die Resorption im Dünndarm ermöglicht. Hinzugekommen ist in den letzten Jahren die lokale Anwendung als systemische Behandlung mit Vaginalkapseln, -gelen und -sprays, da das Vaginalepithel Progesteron gut resorbiert. Dieselben Inhalte haben oft Zulassungen für verschiedene Indikationen und sind je nach Indikation unterschiedlich teuer.

Fachleute gehen davon aus und in Leitlinien wird vorgegeben, dass Progesteron in Verbindung mit einer transdermalen Östrogentherapie ein geringeres Risiko für Thrombose, Embolie und Schlaganfälle birgt als eine orale Östrogentherapie mit Gestagenzusatz. Diese Annahme basiert auf wenigen Studien (Leitlinienprogramm DGGG, SGGG und OEGGG 2020b), die zwar diese Hypothese stützen, aber nicht beweiskräftig sind. Selbstverständlich ist es legitim und sogar Pflicht, Behandlungen zu bevorzugen, die nach dem aktuellen Stand des Wissens das geringste Risiko haben. Aber Ärztinnen und Ärzte sollten keine Sicherheiten vorgeben, wenn keine zuverlässige Evidenzbasis vorhanden ist. Die aktuellen Debatten in der Fach- und Laienpresse vermitteln selten ein differenziertes Bild. Dementsprechend werden Hormone seit 2013 wieder häufiger verordnet. Aussagen wie „Hormontherapie ohne Risiken“ (Rimkus 2022) sind falsch und verharmlosend, denn nicht alle Risiken sind unter bioidentischer Hormontherapie geringer. Das Brustkrebsrisiko bleibt bestehen, Harninkontinenz tritt häufiger auf und Frauen über 65 müssen auch unter dieser Therapie mit einem erhöhten Demenzrisiko rechnen (Gartlehner et al. 2017), zumindest, solange das Gegenteil nicht bewiesen ist.

5.4 Magistralrezepturen

Besondere Fallstricke verbergen sich hinter hormonhaltigen Magistralrezepturen. Das sind Verordnungen, die in den Apotheken individuell auf ärztliche Verordnung hergestellt werden. Sie dürfen nur ausgestellt werden, wenn es keine entsprechenden Fertigarzneimittel gibt. Tatsächlich gibt es Östradiol und Progesteron derzeit in verschiedensten Zubereitungen am Markt, sodass es eigentlich keinen Bedarf gäbe. Die Nachfrage wird allerdings geschaffen durch Versprechen wie: „Individuelle Zubereitungen, ganz auf Sie abgestimmt“ und durch Blutanalysen anscheinend untermauert. Die naturidentischen Hormone würden aus Yamswurzeln gewonnen. Verschwiegen wird, dass auch die industriell gefertigten Hormone aus Yamswurzeln gewonnen werden. Frauen haben keine Kontrolle über die Zusammensetzung der Arzneimittel. In einer Studie (Stanczyk et al. 2019) wird beschrieben, dass die Dosierungen häufig nicht exakt eingehalten werden, denn weder eine interne Qualitätskontrolle noch eine Behörde wachen über die Herstellung der Zubereitungen. Das ist besonders schädlich, wenn die Progesteronmenge nicht ausreicht, um einen Endometriumschutz zu gewährleisten. Magistralrezepturen werden nicht von der GKV erstattet. Insofern gibt es auch keine Kontrolle über das Ausmaß der Verordnungen.

Fazit: Die Medikation (inklusive Blutanalysen) ist für die Frauen sehr teuer und nicht so sicher wie mit Fertigarzneimitteln.

5.5 Partikularinteressen und Interessenskonflikte

Die Umsetzung evidenzbasierter Erkenntnisse in die Praxis scheitert häufig an Konflikten, die mit der Durchsetzung von Partikularinteressen zusammenhängen. Diese Zusammenhänge wurden bereits zu Beginn des Jahrtausends umfangreich analysiert (Klauber et al. 2005; Buksch et al. 2003): Die pharmazeutische Industrie bewirbt ihre Produkte sehr geschickt und häufig manipulativ (Fugh-Berman und Ahari 2007). Sie schafft einen Bedarf und verspricht Lösungen. Frauen erfahren über Medien, Werbung in Arztpraxen und Selbsthilfegruppen von den vermeintlichen Vorteilen der Hormontherapie und berichten anderen davon (TK 2015).

Die überwiegende Zahl der medizinischen Fortbildungsveranstaltungen wird von der Industrie finanziell unterstützt. Kongresse werden flankiert von großen Industrieausstellungen und sog. Lunch-Symposien, die inhaltlich von Unternehmen beeinflusst sind. Ein deutliches Beispiel sind die Fortbildungskongresse (FoKo) des Berufsverbandes der Frauenärzte. Die Folgen derartiger Interessensvermischung werden bei Wall und Brown (2007) beschrieben.

Auch die Besuche von pharmazeutischen Außendienstmitarbeitenden in ärztlichen Praxen verfehlen ihren Zweck nicht, auch wenn Ärztinnen und Ärzte sich eher nicht als beeinflussbar betrachten (Fugh-Berman und Ahair 2007).

Fachzeitschriften werden monatlich unverlangt und kostenlos in die gynäkologischen Praxen geschickt (z. B. die Zeitschriften Gyne, Gyn – Praktische Gynäkologie, Gyn-Depesche u. a.). Oft ist im Impressum keine Verbindung zur Industrie ersichtlich. Aber wer sollte Interesse haben, Frauenärztinnen und Frauenärzte gezielt zu informieren? Die Verlage, z. B. der mgo-Fachverlag, werben auf ihrer Website für pharmazeutische Produkte und bieten sie im Shop zum Verkauf an (www.mgo-Fachverlage.de). Diese Zeitschriften werden tatsächlich viel gelesen, wie regelmäßige Leseranalysen von La-Med zeigen (www.la-med.de). Sie erfahren weit mehr Beachtung als die Quellen evidenzbasierter Informationen im Internet wie z. B. die Cochrane Database. Die meistgelesene Zeitschrift „Frauenarzt“ ist das offizielle Organ des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Schon diese Form der Kooperation wirft Fragen auf, sind doch die Interessen dieser Organisationen höchst unterschiedlich. Der BVF ist laut Satzung eine explizite Interessensvertretung der Berufsgruppe der Frauenärztinnen und Frauenärzte und setzt sich für deren wirtschaftliches Wohl ein. Dieses Ziel wird in Kommentaren und Verlautbarungen, z. B. in den Editorials, deutlich ausgedrückt (Albring 2016a und 2016b).

Diese teils offensichtlichen, teils undurchsichtigen Verflechtungen haben zusammen mit anderen Faktoren zu Lobbyismus und Kommerzialisierung im Gesundheitswesen beigetragen, das Wohl der Patientin gerät aus dem Blick. Beschwerdefreie Frauen in der Praxis davon zu überzeugen, dass sie keine Hormone brauchen, ist oft aufwendiger und kostenintensiver als ihnen ein Rezept zu geben.

Die Wechseljahre verleiten leicht zu Überdiagnostik und Übertherapie,

  • weil sehr viele Frauen davon betroffen sind, ohne wirklich krank zu sein,

  • weil Wechseljahre als vulnerable Phase stigmatisiert worden sind und folglich vielen Frauen Angst machen,

  • weil manche Frauen am Älterwerden und am Verlust der Jugendlichkeit leiden bzw. Angst davor haben,

  • weil manche Frauen sich in dieser Lebensphase neu finden und orientieren.

Die Leitlinie Peri- und Postmenopause definiert, wann und welche Art von Diagnostik angebracht ist. Medizinisch sinnvoll ist ein „Hormonspiegel“ nur, wenn bei Frauen unter 45 Jahren Zyklusstörungen auf vorzeitige Wechseljahre hinweisen. Ansonsten ist der Menopausenstatus allein anhand der Klinik bestimmbar. Eine MHT ist nur indiziert bei Frauen mit Wechseljahresbeschwerden, die sie in ihrem Alltag erheblich beeinträchtigen. Die Belastung kann immer nur subjektiv durch die Frau selbst bewertet werden. Deswegen profitieren viele Frauen von edukativen und supportiven Gesprächen, für die es in einer Praxis Zeit, Raum und Finanzierung geben muss (Beckermann 2020 und 2005).

6 Fazit

Die Geschichte der MHT zeigt, dass Evidenz aus aussagekräftigen RCTs nicht zwangsläufig (am Beispiel HERS-Studie: nur geringer Einfluss auf das Verordnungsverhalten), aber gelegentlich doch (am Beispiel WHI-Studie: markanter Einbruch der Hormonverordnungen) relevante Effekte auf das Verordnungsverhalten haben kann. Sie zeigt aber auch, dass geschäftsorientierte Einflüsse massive Gegenkräfte entwickeln, die stärker sein können als jede Evidenz.