1 Die Ausgangslage

Die Arzneimittelversorgung im Krankenhaus ist internationalen und nationalen Studien zufolge ein Hochrisikoprozess (Institute of Medicine 2000; Schnurrer und Frölich 2003; Lenssen et al. 2016; Patel et al. 2022). Nach Infektionsgefahren stellen Medikationsfehler das größte mit einer Krankenhausbehandlung verbundene Risiko für Patientinnen und Patienten dar. Medikationsfehler geschehen, weil auf dem Weg von der ärztlichen Verordnung bis zur Applikation viele Schritte im Medikationsprozess erfolgen müssen, die von zahlreichen Personen unterschiedlicher Berufsgruppen ausgeführt und in verschiedenen Medien dokumentiert werden. Fehler sind vorprogrammiert, wenn Ärztinnen und Ärzte ohne elektronische Unterstützung Entscheidungen treffen und Verordnungen ansetzen müssen, Pflegekräfte Verordnungen in unterschiedliche Dokumente manuell übertragen, auf dieser Basis Medikamente für die Patientinnen und Patienten stellen – meist in der Nachtschicht – und wenn Krankenhausapothekerinnen und -apotheker als sehr gut ausgebildete Arzneimittelfachleute in diesen Kernprozess der Krankenhausbehandlung gar nicht involviert sind (Baehr 2018). Der tradierte Versorgungsprozess ist fehleranfällig und daher – insbesondere aufgrund mangelnder Transparenz und vor dem Hintergrund der bekannten strukturellen Defizite – im Sinne einer erhöhten Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) dringend zu optimieren.

In Deutschland wird die AMTS im Krankenhaus in den vergangenen Jahren durch Berücksichtigung im Qualitätsbericht der Krankenhäuser (Kapitel A-12.5 „Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS)“), durch den Aktionsplan AMTS 2021–2024 des BMG (u. a. Kapitel 4.1, Maßnahme 26; BMG 2021), durch konkrete gesetzliche Fördermaßnahmen im Krankenhauszukunftsgesetz (Fördertatbestand 5: Digitales Medikationsmanagement; KHZG 2020) sowie durch fortschrittliche Landeskrankenhausgesetze, z. B. in Niedersachsen, deutlich besser gefördert. Dennoch sind die Fortschritte in der Fläche der Krankenhaus-Versorgungslandschaft aktuell noch keinesfalls zufriedenstellend.

2 Closed Loop Medication Management – der Goldstandard für den geschlossenen, voll digitalisierten Medikationsprozess im Krankenhaus

Das Ziel der deutschen Krankenhauspharmazie ist die Bereitstellung einer wirksamen, sicheren und wirtschaftlichen Arzneimitteltherapie für alle Patientinnen und Patienten im Krankenhaus. Diese Aufgabe beinhaltet die sektorenübergreifende Sicherstellung der richtigen Medikation bei Übergängen im Behandlungsprozess von der Aufnahme über die Verlegung bis hin zur Entlassung. Der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker e. V. (ADKA) hat in seinem Fokus-Ziel 2021 die Einführung eines Closed Loop Medication Managements (CLMM) als strategisches Hauptziel zur wirksamen und systematischen Verbesserung der Patienten- und Arzneimitteltherapiesicherheit in deutschen Krankenhäusern benannt (Abb. 15.1; ADKA 2021).

Abb. 15.1
figure 1

ADKA-Fokus-Ziel 2021: Closed Loop Medication Management

Das CLMM soll mithilfe von Digitalisierung und Automatisierung, aber auch durch eine besser strukturierte interprofessionelle Zusammenarbeit dazu beitragen, dass die AMTS auf mehreren Ebenen systematisch und besser als bisher gewährleistet oder erreicht werden kann. Es besteht aus den vier wesentlichen Prozessschritten:

  • Elektronische Verordnung (Arzt, Ärztin):

    Die Grundvoraussetzung für die elektronische ärztliche Verordnung einer pharmakotherapeutischen Leistung ist unmittelbar mit dem Thema Digitalisierung verknüpft, d. h. mit der Einführung der elektronischen Patientenakte mit einem elektronischen Verordnungssystem nicht nur für Arzneimittel, sondern für alle Verordnungen. Es geht um die Einrichtung eines durchgehenden digitalen Medikationsprozesses von der Aufnahme über den Stationsaufenthalt bis zur Entlassung.

  • Medikationsmanagement (Stationsapotheker):

    Ähnlich wie in der Luftfahrt wird die elektronische medizinische Verordnung einem Check-Check-System unterzogen, in dem sie von Stationsapothekerinnen und -apothekern im gleichen System elektronisch vidiert und auf Plausibilität geprüft wird. Bei der Vidierung können Optimierungen vorschlagen oder empfohlen werden, die ärztlich bestätigt und verordnet werden müssen. Dies ist letztlich ein Sicherheitssystem der interprofessionellen Zusammenarbeit im risikobehafteten Medikationsprozess, das deutlich zur Erhöhung der AMTS beiträgt.

  • Krankenhausapotheke (patientenindividuelle Logistik):

    Die vidierte elektronische Verordnung wird in den Herstellungsbereich der Krankenhausapotheke gesendet, wo z. B. im Rahmen der Unit-Dose-Versorgung und Automatisierung des Distributionsprozesses die Tabletten in einem Unit-Dose-Automaten in Tütchen verblistert und mit dem Patientennamen, den Einnahmehinweisen und einem QR-Code versehen werden. Somit wird ein robotikbasiertes Stellen der Medikation zentralisiert, automatisiert und pharmazeutisch durchgeführt. Das Stellen von peroraler Medikation wird nicht mehr innerhalb des stationären Versorgungsprozesses durch Pflegkräfte durchgeführt. Dies führt zu einer deutlichen Entlastung des Pflegepersonals und ist ein ganz wesentliches Kernelement des CLMM.

  • Verabreichung und Dokumentation (Pflege):

    Der QR-Code ermöglicht jederzeit eine Verifizierung der Medikamente am point of care, bevor die Medikamente durch die Pflegekraft verabreicht werden. Der QR-Code ermöglicht es den Patientinnen und Patienten zudem, die Gebrauchsinformation zum Medikament ganz einfach auf dem Smartphone zu lesen. Der Loop wird geschlossen, indem die Pflegekraft die Applikation in der elektronischen Patientenakte dokumentiert, sodass jederzeit digital nachvollzogen werden kann, wer die Medikamente wann verabreicht hat.

3 Fazit und Ausblick

Das Krankenhaus der Zukunft braucht einen sicheren und effizienten geschlossenen Medikationsprozess. Nur mit dem Einsatz ausgereifter digitaler Verordnungs- und Dokumentationssysteme, effizienter automatisierter patientenindividueller Arzneimittellogistik in Verbindung mit dem Einsatz von Stationsapothekerinnen und -apothekern als Managern des Closed-Loop-Medikationsprozesses ist eine systematische Qualitätssicherung des Medikationsprozesses von der Aufnahme bis zur Entlassung möglich. Etablierte Best-Practice-Beispiele finden sich in Deutschland unter anderem an den Universitätsklinika Hamburg-Eppendorf, Schleswig-Holstein und Dresden sowie auch in den Asklepios-Kliniken in Hamburg und Goslar. Im Rahmen der Umsetzung des Krankenhauszukunftsgesetzes sind eine Vielzahl weiterer Implementierungsprojekte beantragt und genehmigt worden. Die ADKA ist überzeugt, dass Krankenhäuser in der Zukunft an diesem Qualitätsstandard gemessen werden, nicht nur von Patientinnen, Patienten und Kostenträgern, sondern auch von Mitarbeitenden, z. B. Pflegenden und ärztlichem Personal, die bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes auf die Sicherheit, Entlastung und Unterstützung im Medikationsprozess achten werden.