Unter dem Begriff Qualität der Arzneimittelversorgung lassen sich aus der Sicht der Patientenvertretung nach § 140f SGB V sehr viele Aspekte subsumieren. Dazu zählt natürlich als grundlegende Prämisse, dass die Patientinnen und Patienten mit wirksamen und sicheren Arzneimitteln versorgt werden und es bei den unterschiedlichen Personengruppen nicht zu Über-, Unter- und Fehlversorgung kommen soll.

Konkret heißt das aber, dass viele Faktoren in eine rationale Arzneimittelversorgung einfließen müssen. Grundlage dafür sind zunächst zugelassene Arzneimittel, außerdem ist es wichtig, dass Transparenz über deren Nutzen – möglichst auf der Grundlage von patientenberichteten Endpunkten – und über möglichen Schaden herrscht. Entsprechend sollen Zulassungsstudien auch repräsentativ für die zu behandelnde Patientenpopulation sein und insbesondere auch das Geschlecht und das Alter in der spezifischen Indikation abbilden. Schließlich sind in der realen Versorgungssituation weitere wesentliche Aspekte von großer Bedeutung für Patientinnen und Patienten, wie z. B. Polypharmazie bei älteren Menschen und somit mögliche Wechselwirkungen.

Für weitere vulnerable Gruppen wie Kinder und Schwangere sind viele Arzneimittel nicht zugelassen oder es liegen konkrete Kontraindikationen vor. Wenn diese Gruppen von Patientinnen und Patienten nicht explizit von der Behandlung ausgeschlossen sind, gibt es in der Regel wenig Daten über die Sicherheit der Arzneimittel und auch keine Angaben zu angepassten Dosierungen. Hier kommt es oft zum sogenannten „Off-Label-Use“, also einem Einsatz des Arzneimittels außerhalb der Zulassung, was mit vielen möglichen, auch rechtlichen Problemen verbunden ist.

Zu einer qualitätsgesicherten Arzneimittelversorgung gehört selbstverständlich auch ein rationaler Einsatz von Antibiotika bzw. Reserveantibiotika und somit eine Vermeidung von Antibiotikaresistenzen.

Eine wesentliche Grundlage für die rationale und qualitätsgesicherte Anwendung sind umfassende und transparente Informationen zu den Studienergebnissen, bezogen auf patientenberichtete Endpunkte, und zu Sicherheitsaspekten. Das gilt auch für die sogenannten Arzneimittel bei seltenen Erkrankungen (Orphan Drugs) und Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMPs) wie etwa Gentherapien.

Um eine hochwertige und wirtschaftliche Arzneimittelversorgung der gesetzlich Krankenversicherten sicherzustellen, hat der Gesetzgeber dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) unterschiedliche Instrumente zur Verfügung gestellt. Die Arzneimittel-Richtlinie regelt unter anderem die OTC-Ausnahmeliste, die Festbetragsgruppenbildungen, die Off-Label-Anwendungen etc.

Eine zentrale Aufgabe ist die Bewertung des Nutzens bzw. Zusatznutzens von neuen Wirkstoffen bzw. neuen Anwendungsgebieten im Rahmen der frühen Nutzenbewertung. In einem transparenten Verfahren wird der Zusatznutzen gegenüber der Standardtherapie bewertet. Alle Dokumente zum Verfahren stehen für Interessierte auf der Website des G-BA zur Verfügung. Die Arbeit der Patientenvertretung hat dabei mehrere Schwerpunkte: Einerseits die qualitätsgesicherte Anwendung der Arzneimittel gemäß den Beschlüssen im Rahmen der Nutzenbewertung, die Hinweise zu Schulungsmaterialen, Patienteninformationen oder Nebenwirkungen enthalten.

Andererseits auch die Einschätzung von Endpunkten und ihrer Relevanz für die Patientinnen und Patienten und die Forderung der Patientenvertretung, dass deren Lebensqualität erhoben werden soll.

Neu hinzugekommen ist die Möglichkeit zur Festlegung von Kriterien für die qualitätsgesicherte Anwendung von Reserveantibiotika, die von der frühen Nutzenbewertung ausgenommen sind.

Ein recht neues Instrument ist die Forderung nach anwendungsbegleitenden Datenerhebungen (AbD), die im Kontext einer unsicheren Datenlage zu einer späteren Quantifizierung des Zusatznutzens von Arzneimitteln zur Behandlung seltener Erkrankungen genutzt werden können.

Die Patientenvertretung ist in alle Beratungen des G-BA aktiv eingebunden und hat auch hier ein Antragsrecht. Dieses wird zum Beispiel im Kontext des Off-Label-Use häufiger eingesetzt. Sie bringt dabei ihre besondere Expertise in die Beratungen ein, die von den weiteren Beteiligten geschätzt wird. Nutzenbewertungen oder Themen aus anderen Arbeitsgruppen, wie die Überarbeitung der Richtlinie zur Versorgung mit Biologika, werden von der ehrenamtlichen Patientenvertretung mit Unterstützung der Stabsstelle Patientenvertretung im G-BA in den Sitzungen kritisch diskutiert und kommentiert. Diese Unterstützung ist wichtig und notwendig, da einzelne Patientenvertreterinnen und -vertreter, gerade am Anfang ihrer Tätigkeit, zu methodischen Fragestellungen oder übergeordneten Aspekten nachvollziehbarerweise wenig Berührungspunkte hatten. In diesem Zusammenhang sind auch die Fortbildungsangebote durch die Stabsstelle positiv hervorzuheben.

Transparente Informationen für Patientinnen und Patienten sowie eine gute Beratung durch die verordnenden Ärztinnen und Ärzte sind entscheidend für die Qualität der Arzneimittelversorgung auf individueller Ebene. Auch Medikationspläne müssen Standard in der Versorgung sein. Dies kann insbesondere für vulnerable Gruppen wie etwa multimorbide Patientinnen und Patienten dazu beitragen, dauerhaft den Therapieerfolg zu gewährleisten.

Gerade auch durch die neuen ATMPs sind indikationsspezifische, also produktunabhängige Register notwendig, um den Nutzen, aber auch mögliche langfristige Nebenwirkungen besser erfassen zu können. Beispielhaft ist dies hinsichtlich der Spinalen Muskelatrophie (SMA) mit drei aktiven Wirkstoffen umgesetzt; damit verbunden ist die Erwartung, dass so Daten erhoben werden, die ein deutlicheres Bild über die jeweiligen Vor- und Nachteile der Produkte aufzeigen.

Gerade wenn die Evidenz zum Zeitpunkt der Zulassung Lücken beinhaltet, können durch indikationsspezifische Register zusätzliche Informationen bereitgestellt werden, damit Patientinnen und Patienten mit ihren Behandlern evidenzbasierte Entscheidungen zu ihrer Arzneimittelversorgung fällen können. Solche Register sind jedoch nicht nur für seltene oder ultraseltene Erkrankungen sinnvoll.

Auch beim Austausch von Biosimilars wäre eine umfassende Erfassung z. B. von möglichen Wirkverlusten, Adhärenzproblemen durch unterschiedliche Devices oder Nebenwirkungen notwendig – nicht zuletzt, um möglichen Fehlsteuerungen entgegenzuwirken. Aber auch die Auswirkungen z. B. von Festbeträgen auf die Versorgungsqualität sind nicht erfasst. Dies ist insbesondere wichtig, wenn kurzfristig keine Arzneimittel zum Festbetrag zur Verfügung stehen und Patientinnen und Patienten Zuzahlungen nicht leisten können.

In Deutschland gibt es einen bemerkenswert schnellen Zugang zu neuen Arzneimitteln. Diesen gilt es künftig zu erhalten, da er einen deutlichen Einfluss auf die hohe Versorgungsqualität hierzulande darstellt. Gleichzeitig sind die steigenden Kosten bei Arzneimitteln insgesamt eine Herausforderung für das solidarische Gesundheitssystem in Deutschland.