FormalPara Zusammenfassung

Palliativversorgung ist die aktive und umfassende Versorgung von Menschen jeden Alters mit erheblichem gesundheitsbezogenem Leiden als Folge unterschiedlichster schwerer und fortschreitender Erkrankungen und insbesondere am Lebensende. Die Einbindung der Palliativversorgung sollte dabei nicht als absoluter Wechsel von einer vorher auf Heilung gerichteten Zielsetzung zu einer ab jetzt nur noch symptomlindernden Behandlung verstanden werden, sondern vielmehr als gradueller Übergang von einer kurativen hin zu einer mehr und mehr palliativen Behandlung. Zur Identifikation von Patientinnen und Patienten mit palliativem Versorgungsbedarf ist bei potentiell lebenslimitierenden Erkrankungen ein Screening sinnvoll. Ebenso kann eine Einteilung in Palliativphasen (stabil, instabil, sich verschlechternd und sterbend) hilfreich sein.

Im internationalen Vergleich liegt Deutschland in der Entwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung auf dem höchsten Niveau. Allerdings zeigt der Vergleich auch Lücken in der Versorgung auf: so liegt Deutschland in der Gesamtzahl der Hospiz- und Palliativdienste pro eine Million Einwohner im Ländervergleich nur im Mittelfeld.

Die Hospiz- und Palliativversorgung kann nach der Versorgungsebene (allgemein und spezialisiert), nach dem Sektor (ambulant oder stationär) und nach den Einrichtungen und Diensten (Palliativstationen, Palliativdienste im Krankenhaus, stationäre Hospize, spezialisierte ambulante Palliativversorgung und ambulante Hospizdienste) unterschieden werden. Die Versorgungspfade von Patientinnen und Patienten mit einer unheilbaren fortschreitenden Erkrankung sind dabei sehr unterschiedlich, und verlaufen im Wechsel von ambulanter, stationärer und häuslicher Versorgung, mit unterschiedlichen Bedarfen an Therapieformen und unterschiedlicher Intensität der Beschwerden. Für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene gibt es spezialisierte pädiatrische Leistungserbringende. Barrieren im Zugang zu einer angemessenen Palliativversorgung (bspw. bei nicht-tumorbedingt erkrankten Menschen mit voraussichtlich jahrelanger Behandlungsdauer) und die Ablehnung der palliativen Versorgung durch die Betroffenen selbst, ist insbesondere durch eine gesellschaftliche Diskussion über den Umgang mit schwerer Krankheit, Sterben und Tod zu begegnen. Eine Anleitung und Befähigung von Mitarbeitenden im Gesundheitswesen zur Verbesserung des Schnittstellenmanagements kann zur Versorgungskontinuität, Handlungssicherheit und Gewissheit über die Diagnose und den Krankheitsverlauf bei allen Beteiligten im Versorgungsnetz beitragen. Eine angemessene Palliativversorgung kann so langfristig bewusst von den Betroffenen wie von den Behandlern angenommen oder sogar eingefordert werden.

Palliative care is the active and comprehensive care of people of all ages with significant health-related suffering as a result of a wide variety of serious and progressive diseases, especially at the end of life. The integration of palliative care should not be understood as an absolute change from a previously cure-oriented care to a treatment that now only alleviates symptoms, but rather as a gradual transition from curative to more and more palliative care. In order to identify patients with palliative care needs, screening is useful for potentially life-limiting diseases. Likewise, a classification into palliative phases (stable, unstable, deteriorating and dying) can be helpful.

Compared with other countries, Germany is at the highest level in the development of hospice and palliative care. However, the comparison also shows gaps in care: for example, in terms of the total number of hospice and palliative services per million inhabitants, Germany is only average.

Hospice and palliative care can be differentiated according to the level of care (general and specialized), the sector (outpatient or inpatient) and the facilities and services (palliative care units, palliative services in hospitals, inpatient hospices, specialized outpatient palliative care and outpatient hospice services). The care paths of patients with an incurable progressive disease are very different and alternate between outpatient, inpatient and home care, with different needs for the form of therapy and different intensities of symptoms. There are specialized pediatric care providers for children, adolescents and young adults. Barriers to accessing appropriate palliative care (e.g., for people with non-tumor-related illnesses who are likely to require years of treatment) and the rejection of palliative care by those affected themselves must be countered in particular by a social discussion about how to deal with serious illness, dying and death. Guidance and empowerment of health care workers to improve interface management can contribute to continuity of care, certainty of action and certainty about the diagnosis and course of the disease for all those involved in the care network. Appropriate palliative care can thus be consciously accepted or even demanded in the long term by those affected and those treating them.

1 Definition

Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation ist die Palliativversorgung ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patientinnen und Patienten mit lebenslimitierenden Erkrankungen und ihren Angehörigen mittels Prävention und Linderung von Leiden, einer frühen Identifikation sowie einwandfreier Erfassung und Behandlung von Schmerzen bzw. anderen Problemen körperlicher, psychosozialer oder spiritueller Art (Sepulveda et al. 2002). Der neuen konsensbasierten Definition der International Association for Hospice and Palliative Care (IAHPC) zufolge ist die Palliativversorgung „die aktive und umfassende Versorgung von Menschen jeden Alters mit schwerem gesundheitsbezogenem Leiden infolge schwerer Erkrankung und insbesondere von Menschen nahe am Lebensende. Sie zielt auf eine Verbesserung der Lebensqualität von Patient*innen, deren Familien und pflegenden Zugehörigen“ (IAHPC 2019). Wie in der Definition der WHO geschieht dies durch Vorbeugung und Linderung von Leiden mittels frühzeitiger Erkennung, hochqualifizierter Beurteilung und Behandlung von Schmerzen und anderen Problemen physischer, psychosozialer und spiritueller Natur. Palliativversorgung bejaht das Leben und sieht das Sterben als einen normalen Prozess an. Sie will den Tod weder beschleunigen noch hinauszögern.

In der Palliativversorgung gelten eine Reihe von Grundwerten und Haltungen (Gaertner et al. 2017; White et al. 2017) wie die Anerkennung von Würde sowie Autonomie der Patientinnen und Patienten und (pflegenden) Zugehörigen. Erreicht wird dies durch einen ganzheitlichen und ressourcenorientierten Ansatz, der die individuellen Bedürfnisse und Prioritäten der Betroffenen berücksichtigt. Dies gilt auch für kulturelle, religiöse und soziale Belange der Patienten.

Palliativversorgung verlangt in besonderem Maße kommunikative Fähigkeiten, da sie Menschen in existenziell bedrohlichen Situationen unterstützt. Sich Zeit nehmen sowohl für die Kommunikation mit Patienten und Zugehörigen als auch innerhalb von Teams und zwischen den unterschiedlichen an Therapie und Begleitung beteiligten Berufsgruppen sowie multiprofessionelle und interdisziplinäre Teamarbeit sind deshalb wesentliche Bestandteile in den Einrichtungen und Diensten der spezialisierten Palliativversorgung.

Palliativversorgung hat sich als Übersetzung für den englischen Begriff „Palliative Care“ etabliert. Palliativmedizin wird oft synonym mit Palliativversorgung verwandt, stellt aber eigentlich den ärztlichen Anteil an der Palliativversorgung dar.

Hospizarbeit (Hospice Care) wird ebenfalls oft synonym mit Palliativversorgung benutzt. In Deutschland wird Hospizarbeit jedoch eher mit der Bedeutung einer Philosophie der Betreuung benutzt, vor allem für Betreuungsleistungen, die ihre Wurzeln in einer Bürgerbewegung haben und stark auf ehrenamtlichem Engagement basieren, wohingegen Palliativversorgung – und noch spezifischer Palliativmedizin – als medizinischer Fachbereich angesehen wird. Während Palliativversorgung vor allem von den Leistungserbringenden als Teil des Gesundheitssystems erbracht wird, ist Hospizarbeit auch eine gesellschaftliche Aufgabe, mit der ein offener Umgang mit dem Lebensende, mit Sterben und Tod in der Gesellschaft thematisiert wird.

2 Indikationen

Im Gegensatz zu anderen Bereichen in der Gesundheitsversorgung ist Palliativmedizin nicht auf bestimmte Erkrankungen oder ein Organsystem fokussiert, sondern auf ein breites Spektrum von schweren und fortschreitenden Erkrankungen und betroffenen Organen. Dies sind sowohl Tumorerkrankungen als auch weit fortgeschrittene Herz-, Lungen-, Nieren- oder neurologische Erkrankungen. Zudem richtet sich Palliativmedizin auch an multimorbide geriatrische Patientinnen und Patienten und an solche mit Demenz (Radbruch et al. 2009; van der Steen et al. 2014).

Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen stellen Tumorerkrankungen einen eher kleinen Anteil an den Diagnosen, die zu einer Palliativversorgung führen; häufiger sind Stoffwechselerkrankungen (zum Beispiel Mukoviszidose), progressive Erkrankungen wie Muskeldystrophie oder irreversible, jedoch nicht progrediente Erkrankungen wie schwerwiegende Zerebralparese oder Mehrfachbehinderung nach Schädel-Hirn- oder Wirbelsäulentrauma (EAPC Task Force on Palliative Care for Children and Adelescents 2007; Himelstein et al. 2004). Gerade bei der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung soll den besonderen Belangen von Kindern durch einen gesonderten Rahmenvertrag Rechnung getragen werden (DGP 2018a).

3 Frühe Integration

Die Einbindung der Palliativversorgung erfolgt in der Praxis oft zu spät und häufig erst kurz vor dem Versterben (Fig. 3.1a) (Braun et al. 2007; Kaur und Mohanti 2011; Peppercorn et al. 2011). Palliativversorgung ist aber nicht nur auf das letzte Lebensstadium und auf sterbende Patientinnen und Patienten beschränkt, sondern kann bei lebenslimitierend Erkrankten bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingesetzt werden, auch parallel zu kurativen Therapieansätzen (Fig. 3.1b). Die Einbindung der Palliativversorgung sollte nicht als absoluter Wechsel von einer vorher auf Heilung gerichteten Zielsetzung zu einer ab jetzt nur noch symptomlindernden Behandlung verstanden werden, sondern vielmehr als gradueller Übergang von einer kurativen hin zu einer mehr und mehr palliativen Zielsetzung. Symptomlinderung ebenso wie psychosoziale und spirituelle Begleitung können bereits früh parallel mit gegen die Erkrankung gerichteten Behandlungsmaßnahmen (wie zum Beispiel Chemo- oder Strahlentherapie bei Tumorerkrankungen) eingesetzt werden. Des Weiteren bieten die Radiologie und Onkologie auch palliative strahlen- oder chemotherapeutische Ansätze, die der Symptomlinderung oder der Verzögerung des Krankheitsprogresses dienen (DGP 2018b).

Abb. 3.1
figure 1

Übergänge von einer kurativen auf eine palliative Therapiezielsetzung. a historisches Modell; b frühe Integration der Palliativversorgung; c phasenorientiertes Modell mit hohem Bedarf an Palliativversorgung in Phasen bei instabilem, sich verschlechterndem Verlauf oder sterbenden Patienten; d Anpassung an Palliativversorgung bei Menschen mit Demenz (nach van der Steen et al. 2014)

Eine möglichst frühe Integration der Palliativversorgung im Krankheitsverlauf von Patienten mit fortschreitenden lebenslimitierenden Erkrankungen ist deshalb wünschenswert. In einer wegweisenden amerikanischen Studie wurde nachgewiesen, dass ein frühzeitiger Zugang zur Palliativversorgung nicht nur die Lebensqualität steigern, sondern auch die Behandlungskosten senken kann (Temel et al. 2010). In dieser randomisierten kontrollierten Studie war die Überlebenszeit der Patienten mit früher Integration der Palliativversorgung sogar signifikant länger als in der Vergleichsgruppe, vermutlich weil in dieser Gruppe weniger belastende Therapiemaßnahmen durchgeführt wurden. Die Vorteile der frühen Integration sind mittlerweile in einer Reihe von Studien belegt worden (Dalgaard et al. 2014; Gaertner et al. 2015, 2017; Haun et al. 2017; Hui et al. 2015; Hui und Bruera 2016; Levine et al. 2016; Tassinari et al. 2016).

In der S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patientinnen und Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung wird deshalb gefordert, dass alle an Krebs Erkrankten unabhängig vom Krankheitsstadium Zugang zu Informationen über Palliativversorgung (z. B. durch Auslage von Flyern) haben sollen (Empfehlung 5.1). Ebenso soll allen Patienten nach der Diagnose einer nicht-heilbaren Krebserkrankung Palliativversorgung angeboten werden, unabhängig davon, ob eine tumorspezifische Therapie durchgeführt wird (Empfehlung 5.2) (DGP 2018b). In vielen Tumorzentren ist die frühe Integration in den onkologischen Behandlungspfaden berücksichtigt worden (Gaertner et al. 2011, 2013).

Für Menschen mit Demenz wird eine Einbindung der Palliativversorgung oft gar nicht oder erst viel zu spät im Verlauf erwogen. Auch wenn die Patienten noch jahrelang mit einer Demenzerkrankung leben können, schreitet die Erkrankung doch unweigerlich voran, ist lebensverkürzend und führt letztendlich zum Tod (van der Steen et al. 2014). Eine Anerkennung von Demenz als unheilbare Erkrankung führt bereits zu einer besseren Patientenversorgung und kann das Wohlbefinden bei fortgeschrittener Demenzerkrankung verbessern. In der Versorgung von Menschen mit Demenz wurden mehrere Übergänge in der Therapiezielsetzung identifiziert, mit kontinuierlichen Übergängen von einer möglichst lebensverlängernden Behandlung zu funktionserhaltenden Therapiezielen und letztendlich zum Erhalt von Lebensqualität (Fig. 3.1c).

4 Palliativphasen

Zur Identifikation von Patientinnen und Patienten mit palliativem Versorgungsbedarf sollte ein Screening in den Behandlungspfaden für potenziell lebenslimitierende Erkrankungen integriert werden (Van Beek et al. 2016). Dabei kann das Vorliegen von belastenden Symptomen geprüft werden, z. B. mit einer kurzen palliativmedizinischen Symptomcheckliste wie dem Minimalen Dokumentationssystem für Patienten (MIDOS) oder dem Integrated Palliative Outcome Score (IPOS) (Murtagh et al. 2019; Stiel et al. 2010).

Vor allem aber ist eine Einschätzung des Verlaufs der Erkrankung sinnvoll. Die australische Einteilung in vier Palliativphasen (stabil, instabil, sich verschlechternd und sterbend) hat sich dafür bewährt (Masso et al. 2015). Während einer instabilen Phase sind dringende Anpassungen des Versorgungsplans erforderlich und damit ist eine intensive Einbindung der Palliativversorgung sinnvoll (Fig. 3.1d), ebenso wenn sich der Zustand kontinuierlich verschlechtert oder in der letzten Lebensphase bei Sterbenden. Die Aufgaben der Palliativversorgung enden nicht mit dem Tod der Patientin, sondern beinhalten auch die Begleitung der Zugehörigen in ihrer Trauer.

5 Palliativversorgung von Pflegebedürftigen in Deutschland

Seit Anfang der 1980er-Jahre entwickelte sich die Palliativversorgung in Deutschland, angestoßen durch die Arbeit von Cicely Saunders in England, die nach langjähriger Vorlaufzeit 1967 in der Gründung des St. Christopher’s Hospice in London als erste moderne Einrichtung der Palliativversorgung mündete.

In Deutschland wurde die erste Palliativstation 1983 in Köln eröffnet, das erste stationäre Hospiz 1986 in Aachen und zeitgleich begann 1984 die ambulante Versorgung mit den ersten Sitzwachengruppen in Stuttgart. Seit den ersten Anfängen ist der Auf- und Ausbau der Palliativversorgung in Deutschland in den letzten 20 Jahren weit vorangekommen.

Erleichtert wurde die Entwicklung der Palliativversorgung in Deutschland durch eine Reihe von Änderungen in den gesetzlichen Rahmenbedingungen (Cremer-Schaeffer und Radbruch 2012a; Maetens et al. 2017). Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung wurde 2007 im Sozialgesetzbuch (SGB) V der gesetzliche Anspruch auf eine ambulante Palliativversorgung verankert, mit dem Hospiz- und Palliativgesetz wurde 2015 in § 27 im SGB V aufgenommen, dass allgemein zur Krankenversorgung auch die palliative Versorgung der Versicherten gehört. Palliativmedizin ist seit 2010 als Pflichtfach ins Medizinstudium aufgenommen worden, sodass mittlerweile alle neu approbierten Ärztinnen und Ärzte in Deutschland zumindest Grundkenntnisse in der Palliativversorgung haben sollte.

Im globalen Atlas der Palliativversorgung wird Deutschland auf dem höchsten Niveau (4b: vollständige Integration in das Gesundheitswesen) eingestuft (WHPCA 2020) Ein detaillierter Vergleich der Palliativversorgung in den europäischen Ländern zeigt dennoch Lücken in der Versorgung auf: So liegt Deutschland in der Gesamtzahl der Hospiz- und Palliativdienste pro eine Million Einwohner im Ländervergleich nur im Mittelfeld (Arias Casais et al. 2019).

Die Hospiz- und Palliativversorgung kann nach der Versorgungsebene (allgemein und spezialisiert), nach dem Sektor (ambulant oder stationär) und nach den Einrichtungen und Diensten unterschieden werden.

6 Ebenen der Palliativversorgung von Pflegebedürftigen

Die allgemeine Palliativversorgung integriert die Arbeitsweisen und die Methoden der Palliativversorgung in der Primärversorgung. Dies schließt nicht nur grundlegende Maßnahmen zur Symptomkontrolle ein, sondern auch die Kommunikation mit Patientinnen und Patienten, der Zugehörigen und mit anderen Versorgungsanbietenden sowie Entscheidungsfindungen und Zielsetzungen gemäß den Prinzipien der Palliativversorgung (Radbruch et al. 2009, 2010). Diese Ebene sollte von niedergelassenen Ärztinnen and Ärzten und dem Personal in Krankenhäusern der Allgemeinversorgung wie auch den ambulanten Pflegediensten und dem Personal in Pflegeheimen erbracht werden (Table 3.1).

Tab. 3.1 Strukturen der Palliativversorgung in Deutschland

Niedergelassene Ärzte können seit 2017 für die allgemeine Palliativversorgung die Gebührenordnungsziffern 03370 (Ersterhebung), 03371 (Zuschlag für die palliativmedizinische Betreuung in der Arztpraxis), 03372 und 03373 (Zuschläge für die palliativmedizinische Betreuung in der Häuslichkeit) im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abrechnen, wenn sie schwerstkranke oder sterbende Patientinnen und Patienten behandeln, deren Lebenserwartung aufgrund einer fortschreitenden unheilbaren Erkrankung bei wenigen Tagen, Wochen oder Monaten liegt. Eine besondere Qualifikation ist für die Abrechnung dieser Ziffern nicht erforderlich.

Ebenfalls im Jahr 2017 wurde mit der Änderung der Häuslichen-Krankenpflege-Richtlinie die Leistung 24a neu aufgenommen, mit der die Symptomkontrolle bei Patientinnen und Patienten mit einem palliativem Versorgunsbedarf verordnet werden kann. Dies umfasst nach den Angaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) das Erkennen, Erfassen und Behandeln von Krankheitszeichen und Begleiterscheinungen bei Patienten mit unheilbaren, weit fortgeschrittenen und zum Tode führenden Erkrankungen. Wie bei den EBM-Ziffern ist für diese Leistungen keine besondere Qualifikation erforderlich.

Behandeldende, die häufiger in Palliativsituationen involviert sind, zum Beispiel in der Onkologie oder Geriatrie, deren Haupttätigkeitsfeld jedoch nicht die Palliativversorgung ist, können eine spezialisierte Weiterbildung in Palliativversorgung erwerben und dadurch zusätzliche Expertise in der allgemeinen Palliativversorgung anbieten.

Auf einer Ebene zwischen der allgemeinen und der spezialisierten Palliativversorgung können sich qualifizierte Ärztinnen und Ärzte mit anderen Leistungserbringenden vernetzen für die „besonders qualifizierte und komplexe ambulante palliativmedizinische Versorgung“ (BQKPMV). Für die Qualifikation werden praktische Kenntnisse (mindestens zweiwöchige Hospitation in einer spezialisierten Palliativeinrichtung oder Betreuung von mindestens 15 Patientinnen und Patienten mit einem palliativem Versorgunsbedarf in den letzten drei Jahren), theoretische Kenntnisse (Kursweiterbildung Palliativmedizin oder Äquivalent) und jährliche Weiterbildungen gefordert. In der BQKPMV können die Ärztinnen und Ärzte die Palliativziffern 37300 (Ersterhebung), 37302, 37305, 37306, 37314 (Konsiliarische Beurteilung, nur für Ärztinnen und Ärzte mit Zusatzbezeichnung Palliativmedizin), 37317 (Bereitschaft), 37318 (telefonische Beratung) und 37320 (Fallkonferenz) abrechnen.Footnote 1 Die BQKPMV ist allerdings in Deutschland kaum umgesetzt worden. Im Bereich der Ärztekammer Nordrhein ist mit den Netzwerken der qualifizierten Palliativärzte (QPA) schon seit längerem ein ähnliches Modell als integrierter Versorgungsvertrag etabliert.

Patientinnen und Patienten mit komplexen Problemen und Bedürfnissen bedürfen einer spezialisierten Palliativversorgung. Sie benötigen ein breites Spektrum an therapeutischen Interventionen zur Symptomkontrolle und zur Bearbeitung von psychologischen, sozialen und spirituellen Problemen. Spezialisierte Angebote der Palliativversorgung erfordern einen Ansatz, der ein multiprofessionelles Team mit einer interdisziplinären Arbeitsweise kombiniert. Die Teammitglieder müssen entsprechend in der Palliativversorgung qualifiziert sein und sollten ihren Tätigkeitsschwerpunkt in der Palliativversorgung haben. Für die spezialisierte Palliativversorgung stehen in Deutschland Palliativstationen und Palliativdienste (zur konsiliarischen Mitbehandlung von Palliativpatienten auf anderen Stationen) in den Krankenhäusern, stationäre Hospize und die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) zur Verfügung.

7 Strukturen der Hospiz- und Palliativversorgung

Eine Übersicht über die Angebote der allgemeinen und der spezialisierten Palliativversorgung bietet der Wegweiser Hospiz- und Palliativversorgung Deutschland.Footnote 2 Zum Jahresende 2020 waren dort insgesamt 337 Palliativstationen mit 2.801 Betten und 245 stationäre Hospize mit 2.490 Betten in Deutschland gemeldet. Damit standen insgesamt 64 Hospiz- und Palliativbetten pro eine Million Einwohnerin/Einwohner zur Verfügung, deutlich weniger als die von der European Association for Palliative Care (EAPC) geforderten 80 bis 100 Betten (Radbruch et al. 2010). Vor allem aber zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern, mit einer Spannbreite von 51 Betten in Bayern bis 101 Betten im Saarland (Table 3.2). Nur das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern erreichen die von der EAPC empfohlene Bettenzahl.

Tab. 3.2 Palliativstationen und stationäre Hospize in Deutschland (Angaben aus dem Wegweiser Hospiz- und Palliativversorgung, Stand 31.12.2020)

In den Palliativstationen, die als eigene Bereiche im Krankenhaus integriert sind, erfolgt in der Regel eine Krisenintervention bei akuten Problemen. Patientinnen und Patienten, die wieder entlassen werden können, werden zu Hause, in einer Pflegeeinrichtung oder in einem Hospiz weiterversorgt und begleitet. Die Finanzierung im Krankenhaus erfolgt über DRG mit einem Zusatzentgelt (ZE 145: palliativmedizinische Komplexbehandlung auf einer Palliativstation) oder als besondere Einrichtung nach einem Tagessatz (Cremer-Schaeffer und Radbruch 2012b; Radbruch et al. 2009).

Die Palliativdienste im Krankenhaus bieten eine multiprofessionelle konsiliarische Mitbehandlung von Patienten in anderen Krankenhausabteilungen an (Finanzierung über ZE 133: palliativmedizinische Komplexbehandlung durch einen Konsildienst, teilweise auch noch über ZE 60: palliativmedizinische Komplexbehandlung außerhalb einer Palliativstation).

In den stationären Hospizen für Erwachsene werden Patienten betreut, bei denen eine Versorgung in der häuslichen Umgebung oder in einer Pflegeeinrichtung nicht möglich oder nicht gewünscht ist – sei es wegen der Komplexität der Symptome oder wegen fehlender Ressourcen im häuslichen Bereich – und eine Krankenhausindikation nicht geboten ist. Die prognostizierte Lebenserwartung beträgt Tage, Wochen oder wenige Monate. Die Finanzierung erfolgt nach § 39a SGB V zu 95 % der anrechenbaren Kosten (Tagessätze) über die Kranken- und Pflegeversicherung. Den restlichen Anteil tragen die Hospize, insbesondere durch Spenden und Ehrenamt.

Schwerstkranke und Sterbende haben unabhängig von ihrem Aufenthaltsort (zu Hause, in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe, in einer stationären Pflegeeinrichtung oder im Hospiz) einen gesetzlichen Anspruch (§ 37b SGB V) auf eine „Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung“ (SAPV), sofern sich die allgemeine palliativmedizinische Versorgung nicht mehr als ausreichend erweist. Die SAPV-Leistung umfasst neben dem pflegerischen und ärztlichen auch einen koordinativen Bereich. Sie wird ärztlich verordnet und muss beantragt werden. Die SAPV wird durch multiprofessionelle Teams erbracht, in denen Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte mit weiteren Berufsgruppen und mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiten. Im Wegweiser Hospiz- und Palliativversorgung waren zum Jahresende 2020 insgesamt 312 SAPV-Teams in Deutschland aufgelistet, allerdings in vielen Bundesländern mit einer rückläufigen Tendenz in den letzten fünf Jahren als Zeichen eines wachsenden Konkurrenzdrucks unter den Teams (Table 3.3). Auch hier schwankt die Versorgungsdichte zwischen den Bundesländern. Die Regelungen zur SAPV unterscheiden sich teilweise deutlich zwischen den Bundesländern bzw. den Bereichen der Landesärztekammern. So sind in der Region Westfalen-Lippe unter einem anderen Vertragskonstrukt 13 Konsiliardienste mit vergleichbaren Aufgaben zu den SAPV-Teams tätig.

Tab. 3.3 Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung in Deutschland (Angaben aus dem Wegweiser Hospiz- und Palliativversorgung, Stand 31.12.2020)

Ambulante Hospizdienste ermöglichen eine psychosoziale Begleitung von Patientinnen und Patienten mit einem palliativen Versorgungsbedarf in der häuslichen Umgebung, in Einrichtungen der Eingliederungshilfe, in Pflegeeinrichtungen und auch im Krankenhaus durch ehrenamtliche Begleitung. Die Ehrenamtlichen sind entsprechend qualifiziert und werden durch hauptamtliche Koordinierende angeleitet und supervidiert. Die Finanzierung erfolgt über einen Zuschuss der Krankenkassen (§ 39a SGB V). Im Wegweiser wurden insgesamt 1.449 ambulante Hospizdienste in Deutschland aufgeführt (Table 3.4). In der Verteilung der Bundesländer zeigt sich ein deutliches West-Ost-Gefälle.

Tab. 3.4 Ambulante Hospizdienste in Deutschland (Angaben aus dem Wegweiser Hospiz- und Palliativversorgung, Stand 31.12.2020)

Für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene gibt es spezialisierte pädiatrische Leistungserbringende, die sich in ihren Versorgungskonzepten von denen für Erwachsene unterscheiden. Im Wegweiser Hospiz- und Palliativversorgung wurden zum Jahresende 2020 insgesamt 3 Palliativstationen, 18 stationäre Hospize, 43 SAPV-Teams und 153 ambulante Hospizdienste für Kinder und Jugendliche in Deutschland aufgeführt.Footnote 3

8 Strukturelle und systemische Barrieren in der Versorgung

Strukturelle und systemische Barrieren können sowohl beim Zugang zu einer angemessenen Palliativversorgung wie auch in den Übergängen von allgemein zu spezialisiert und zwischen den Sektoren der Gesundheitsversorgung auftreten.

Der Zugang zu einer ausreichenden und den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten angemessenen Palliativversorgung ist zwar mit der wachsenden Zahl an spezialisierten Einrichtungen und Diensten in Deutschland mittlerweile insgesamt leichter geworden, jedoch immer noch für Patienten mit anderen unheilbaren Erkrankungen als Tumorerkrankungen, für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen oder Einrichtungen der Eingliederungshilfe oder in ländlichen Gebieten erschwert. Dies hat unterschiedliche Gründe.

Während für Tumorerkrankungen sowohl in der Onkologie wie allgemein in der Gesundheitsversorgung die Einbindung der Hospiz- und Palliativversorgung mit fortschreitendem Verlauf und ungünstiger Prognose zunehmend etabliert wird, ist bei anderen Patientengruppen dieses Bewusstsein noch nicht entwickelt. Bei Lungenerkrankungen wie Lungenfibrose oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, Herzerkrankungen (Herzinsuffizienz), terminalem Nierenversagen, neurologischen Erkrankungen wie amyotropher Lateralsklerose, multipler Sklerose oder Demenz wird von den Behandelnden wie auch von den Patientinnen und Patienten oder ihren Zugehörigen häufig nicht an die Einbindung der Palliativversorgung gedacht. Selbst Patienten mit Tumorerkrankung lehnen eine Einbindung der Palliativdienste und -einrichtungen manchmal ab, weil sie den damit einhergehenden Wechsel zu einem palliativen Therapieziel nicht akzeptieren wollen. Die Palliativversorgung wird dann als Stigma erlebt, die Palliativversorgenden als „Todesengel“ empfunden.

Für die Patienten mit nicht-tumorbedingten Erkrankungen sind zum Teil andere Therapiekonzepte in der Palliativversorgung erforderlich, zum Beispiel wenn die Behandlungsdauer sich voraussichtlich über mehrere Jahre erstrecken wird. In diesen Fällen sind kurze Begleitungen durch die spezialisierten Dienste und Einrichtungen, in denen mit hohem Aufwand Krisen bewältigt werden und Patienten und Angehörige beraten und angeleitet werden können, erforderlich. Zwischen den intensiven Phasen ziehen sich die spezialisierten Dienste wieder zurück und überlassen die Behandlung und Begleitung den Primärversorgenden in der allgemeinen Palliativversorgung, um in der nächsten Krise wieder einzusteigen. Solche „On/Off“-Konzepte sind aber auch in der spezialisierten Palliativversorgung oft nicht ausreichend bekannt, vor allem wenn die Dienste und Einrichtungen ihren Auftrag vor allem in der Versorgung von Tumor-Erkrankten sehen, und werden in den Versorgungsverträgen der spezialisierten Palliativversorgung nicht ausreichend berücksichtigt.

In den ländlichen Gebieten ist eine flächendeckende Versorgung schwierig. Insbesondere eine multiprofessionelle Versorgung zum Beispiel in SAPV-Teams ist angesichts dünner Bevölkerungsdichte und großer Fahrtstrecken kaum kostendeckend möglich.

In den bevölkerungsreicheren Gebieten ist die Versorgungslage demgegenüber mancherorts schon so gut, dass die Koordination der Versorgung durch Konkurrenz zwischen den Anbietenden der spezialisierten Hospiz- und Palliativversorgung geschwächt wird. Ebenso kann der parallele Ausbau der allgemeinen und spezialisierten Palliativversorgung zu Konkurrenz statt zu Vernetzung in der Versorgung führen.

Während Hausärzte in Deutschland Hausbesuche als wesentlichen Bestandteil ihrer Aufgaben ansehen und dadurch die häusliche Versorgung von schwerstkranken und sterbenden Patienten stützen und oft erst möglich machen, werden Hausbesuche durch niedergelassene Fachärzte in aller Regel nicht angeboten. Dadurch entstehen für viele Patienten, zum Beispiel mit Lungenerkrankungen oder neurologischen Erkrankungen, Versorgungsengpässe. Gerade dann, wenn sie die Expertise der bisher die Behandlung leitenden Fachärzte dringend benötigen, aber aufgrund des nachlassenden Funktionszustandes nicht mehr in der Lage sind, die Praxis auszusuchen, steht diese Expertise für sie nicht mehr zur Verfügung.

Andere Berufsgruppen sind entweder nur mit sehr langen Wartezeiten oder gar nicht in der häuslichen Versorgung zu erreichen, zum Beispiel Sozialarbeiter oder Psychotherapeuten.

Bruchstellen in der Versorgung entstehen besonders häufig an den Übergängen zwischen den Sektoren, insbesondere bei Aufnahme oder Entlassung aus dem Krankenhaus. Die Analyse der Patientenakten aus dem Jahr 2016 zweier universitärer Palliativstationen (Augsburg und Bonn) zeigt, dass 81 % (Augsburg) bzw. 70 % (Bonn) der Betroffenen mittlere oder starke Probleme mit der Organisation der Versorgung hatten. Eine sektorenübergreifende Überleitung wurde insbesondere bei jungen Erwachsenen, Familien mit jungen Kindern, Alleinlebenden, Personen mit Migrationshintergrund, spezifischen Krankheitssituationen (nicht-invasiv beatmete oder tracheotomierte Patienten, ALS, Adipositas), komplexer Wundversorgung oder auch Suchterkrankungen als herausfordernd beschrieben. Die befragten Mitarbeitenden im Gesundheitswesen schilderten den Zeitdruck im Krankenhausalltag, der eine ressourcen- und teilhabeorientierte Abstimmung mit den Bedarfen der Patientinnen und Patienten kaum möglich machte. Oft fehlte das Wissen um die vorhandenen Angebote und Versorgungssysteme in der Region.

Als weitere Barriere in der sektorenübergreifenden Versorgung wurden unvollständige Informationen oder fehlende Dokumente (Arztbriefe, Pflegeberichte, Medikationspläne, Rezepte, Verordnungen, Medikationspläne) benannt, die nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nur schwer im ambulanten Bereich zu beschaffen sind.

9 Verbesserungspotenziale

Ein gelingendes Schnittstellenmanagement zwischen ambulanter und stationärer Versorgung trägt zu Versorgungskontinuität, Handlungssicherheit und Gewissheit über die Diagnose und den Krankheitsverlauf bei allen Beteiligten im Versorgungsnetz bei. Das Entlassmanagement nach einer stationären Behandlung wurde 2017 mit der Einführung des Rahmenvertrags Entlassmanagement grundlegend überarbeitet. Im Krankenhaus soll der individuelle Bedarf möglichst früh erfasst werden und ein Entlassplan erstellt werden. Dazu gehört zum Beispiel auch die Prüfung der Notwendigkeit einer SAPV. In dem BMBF-geförderten Projekt TransPaC (Transitions in Palliative Care – Übergänge in der stationären und ambulanten Palliativversorgung) wurden dazu Checklisten für die Versorgungsplanung entwickelt zur Erfassung einer palliativen, komplexen Versorgungssituation, Vorsorgeplanung sowie zur Planung, Organisation und Sicherung der weiteren Versorgung nach der Krankenhausentlassung nach Hause, in die Kurzzeitpflege oder Reha, in eine stationäre Pflegeeinrichtung oder in ein stationäres Hospiz (Table 3.5).

Tab. 3.5 Auszug aus der Checkliste für die Versorgungsplanung nach einer Krankenhausbehandlung durch das Entlassmanagement oder den Sozialen Dienst: bei Entlassung ins häusliche Umfeld dringend erforderliche Dokumente Checklisten (Projekt: Transitions in Palliative Care (TransPaC) (http://www.palliativbonn.de/forschung/projekte/laufende-projekte-biographie-in-ehrenamt/transpac/))

Allerdings wird die Anleitung von Mitarbeitenden zur Verbesserung des Schnittstellenmanagements allein nicht ausreichend sein. Ergänzend ist eine Befähigung der betroffenen Patientinnen und Patienten und ihrer Angehörigen notwendig. In TransPaC wurden deshalb Versionen der Checklisten für Aufnahme und Entlassung im Krankenhaus für Patienten und Angehörige entwickelt, mit denen diese selbst ihre Weiterversorgung überprüfen und unterstützen können, indem sie zum Beispiel auf die Bereitstellung der notwendigen Informationen anhand von Arztbriefen oder Medikamentenplänen achten (Fig. 3.2).

Abb. 3.2
figure 2

Checkliste für Aufnahme oder Entlassung aus Krankenhaus für Patienten und Zugehörige (Projekt: Transitions in Palliative Care (TransPaC) (http://www.palliativbonn.de/forschung/projekte/laufende-projekte-biographie-in-ehrenamt/transpac/.))

Die rechtzeitige Einbindung der Palliativdienste in den Krankenhäusern oder der SAPV in der häuslichen Versorgung kann die Organisation der Versorgung erleichtern und die Primärversorger entlasten, zum Beispiel durch Kommunikation mit Patienten und Angehörigen, die sich verzweifelt an kurative Behandlungsmaßnahmen klammern, auch wenn diese von den Behandelnden schon als erfolglos und nicht mehr indiziert eingestuft werden. Wichtig ist in dieser Kooperation, dass die spezialisierten Dienste nicht immer gleich die Behandlung übernehmen, sondern ihre Aufgabe vor allem in der Anleitung der primär behandelnden Abteilung sehen und deren Mitarbeitende befähigen, die Symptomkontrolle oder Kommunikation später selbst zu übernehmen. Sollten Patienten auf die Palliativstation aufgenommen werden, wurde es positiv bewertet, wenn die bisher behandelnden Fachärztinnen und -ärzte weiterhin zu Gesprächen auf die Palliativstation kommen konnten.

Die Identifikation von Patienten mit Bedarf an Palliativversorgung in den primär behandelnden Krankenhausabteilungen, auch in der Notfallaufnahme, kann durch Screening-Instrumente wie das auch für Deutschland validierte Supportive and Palliative Care Indicators Tool (SPICT) (Arias Casais et al. 2019; Gaertner et al. 2011; Maetens et al. 2017) erfolgen. Die Voraussetzung ist allerdings, dass die Ärzte vor allem bei Patienten mit nicht-tumorbedingten Erkrankungen besser in der Prognoseschätzung der verbleibenden Lebenszeit geschult werden (DGP 2018b). Hier hat sich eine Umkehrung der Fragerichtung bewährt, indem nicht nach der Überlebenszeit gefragt wird, sondern ob es überraschend wäre, wenn die Patientin oder der Patient in einem bestimmten Zeitraum versterben wird. Mit dieser Überraschungsfrage ist die Einschätzung oft realistischer (Downar et al. 2017; White et al. 2017).

Die rechtzeitige Einbindung der Palliativversorgung braucht eine enge Verzahnung der Akteure, die an der Versorgung der individuellen Patienten beteiligt sind. Auf der lokalen und regionalen Ebene wird dies durch Netzwerke der Hospiz- und Palliativversorgung erleichtert. Dazu gehören nicht nur die spezialisierten Einrichtungen und Dienste, sondern auch die Primärversorger, die die allgemeine Palliativversorgung erbringen, ebenso wie Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe, Rettungsdienste, niedergelassener Ärzte und Krankenhausabteilungen. In diesen Netzwerken müssen zunächst gemeinsame Ziele vereinbart werden, da die Interessen der einzelnen Beteiligten nicht unbedingt auf die gleichen Ziele gerichtet sind. Gemeinsame Ziele können zum Beispiel Absprachen zum Schnittstellenmanagement oder gemeinsame Krisen- oder Vorsorgeinterventionen sein. Solche Netzwerke wurden bislang vor allem als Modellversuche initiiert, sollen aber in Zukunft durch die Krankenkassen unterstützt werden, wenn die Kommunen ebenfalls zu einer Förderung bereit sind.

Vor allem aber ist eine gesellschaftliche Diskussion über den Umgang mit schwerer Krankheit, Sterben und Tod notwendig, damit Barrieren abgebaut werden können und der Zugang zu einer angemessenen Palliativversorgung von den Betroffenen wie von den Behandelnden angenommen oder sogar eingefordert werden kann. Dazu ist ein offener Umgang mit der Endlichkeit des Lebens und der Notwendigkeit von Abschiednehmen und Verlusterleben nötig, sowohl bei den Patienten wie auch bei den Angehörigen und den Behandelnden. Beispielhaft sind Projekte wie Hospiz macht SchuleFootnote 4, bei dem geschulte ehrenamtliche Hospizmitarbeitende bereits in Grundschulklassen Projektwochen zu Trauer und Verlust durchführen und damit nicht nur die Kinder, sondern auch immer die dazu gehörigen Familien und die Lehrer erreichen. Ähnlich nachhaltig wirken auch die Letzte-Hilfe-Kurse, in denen den Teilnehmenden analog zum Erste-Hilfe-Kurs, der für den Führerschein benötigt wird, in einem halbtägigen Kurs Grundlagen der Sterbebegleitung vermittelt werden.Footnote 5

Mit der Charta für die Betreuung Schwerstkranker und Sterbender in Deutschland wurde von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, dem Deutschen Hospiz- und Palliativverband und der Bundesärztekammer ein breites Bündnis gegründet, das mittlerweile von mehr als 2.500 Organisationen und Institutionen sowie mehr als 28.000 Einzelpersonen, darunter auch Entscheidungsträgern aus Politik und Gesundheitssystem, unterschrieben worden ist. In der Charta wurden Handlungsfelder zu fünf Leitsätzen (gesellschaftspolitische Herausforderungen, Bedürfnisse der Betroffenen, Anforderungen an Aus-, Fort- und Weiterbildung, Forschung und die internationale Dimension) identifiziert, in denen weitere Anstrengungen erforderlich sind, um für jeden Patienten mit Bedarf an einer Palliativversorgung eine angemessene Versorgung zu gewährleisten (DGP 2010).