FormalPara Zusammenfassung

Das Pflegeberufegesetz hat die Pflegeausbildung(en) grundlegend reformiert. Damit stellt sich die Frage des Verhältnisses zwischen pflegerischer Erstausbildung und pflegeberuflicher Weiterbildung im Prozess des lebenslangen Lernens neu. Es geht um die Klärung, auf welche Anforderungen von Pflege- und Versorgungssituationen ausgewählter Klientengruppen in der Langzeitpflege die Pflegeausbildung hinreichend vorbereitet und welche Kompetenzen dagegen in der pflegerischen Weiterbildung vermittelt werden müssen.

Der Beitrag beantwortet diese Frage in zwei Abschnitten. Der erste Teil skizziert zentrale Innovationen der neuen Pflegeausbildung und beleuchtet vor diesem Hintergrund generell die Konsequenzen für anschlussfähige pflegerische Weiterbildungen. Der zweite Teil greift ausgewählte Pflege- und Versorgungssituationen in der Langzeitpflege auf, die Gegenstand dieses Schwerpunktbandes sind. Anhand exemplarischer Kriterien wird die Frage beantwortet, ob bzw. inwieweit die Ausbildung angemessen auf die Anforderungen solcher Situationen vorbereitet ist und für welche Pflege- und Versorgungsbedarfe anschlussfähige Weiterbildungen erforderlich sind.

The Nursing Professions Act has fundamentally reformed nursing training(s) in Germany. This raises the question of the relation between initial nursing training and vocational nursing training in the process of lifelong learning. It is about clarifying the requirements of nursing and care situations of selected client groups in inpatient long-term care for which nursing training must sufficiently prepare and which competencies, on the other hand, must be taught in vocational nursing training. The article answers this question in two sections. The first part outlines central innovations of the new nursing training and, against this background, generally sheds light on the consequences for connectable nursing training. The second part describes selected care and care situations in long-term care which are the subject of the focus topic of this book. Based on exemplary criteria, the author shows whether or to what extent nursing training adequately prepares for the requirements of such situations and for which nursing and care needs connectable further training is required.

1 Ausbildung und Weiterbildung im Pflegeberuf

Das Pflegeberufegesetz hat die Pflegeausbildung (en) grundlegend reformiert und an neuen Konzepten und Prinzipien ausgerichtet. Die jetzige Ausbildungskonzeption stellt deshalb auch die Frage des Verhältnisses zwischen Erstausbildung und Weiterbildung neu. U. a. ist zu klären, welche Kompetenzen einer professionellen Pflegepraxis künftig bereits in der Ausbildung erworben werden, welchem Anforderungsniveau die Kompetenzen entsprechen, welche Pflegesituationen und welche Klientengruppen im Fokus der Ausbildung stehen. Vor diesem Hintergrund gilt es, die pflegeberufliche Erstausbildung und die Weiterbildung voneinander abzugrenzen und unter einer bildungssystematischen Perspektive zugleich aufeinander zu beziehen. Die grundlegende Neukonzeption der pflegerischen Erstausbildung sowie die raschen und dynamischen gesellschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen erfordern ggf. eine Revision bestehender pflegerischer Weiterbildungsangebote oder ihre grundlegende Neuausrichtung, wenn sie konsequent an die Erstausbildung anschließen und den vielfältigen und komplexen Pflege- und Versorgungbedarfen der Bevölkerung entsprechen sollen.

Die Ausführungen in Sect. 14.2 skizzieren die zentralen Innovationen, die grundsätzliche Konsequenzen für anschlussfähige Weiterbildungen haben. Schwerpunkt des Pflege-Report 2022 sind „Spezielle Versorgungslagen in der Langzeitpflege“. Deshalb wird in Sect. 14.3 die Frage aufgegriffen, welche Anforderungen sich aus den exemplarisch in diesem Band beleuchteten Situationen für die Aus- und Weiterbildungen ergeben, wenn sie den spezifischen Pflege- und Versorgungsbedarfen der hier angesprochenen Klientengruppen gerecht werden sollen.

2 Zentrale Innovationen der pflegeberuflichen Erstausbildung

Die zentralen Innovationen, die mit maßgeblichen Konsequenzen für anschlussfähige Weiterbildungen verbunden sind, lassen sich wie folgt skizzieren (vgl. ausführlich Hundenborn 2021):

Allgemeine Pflege als Kern der Ausbildung

Das Pflegeberufegesetz löst die bislang auf verschiedene Lebensalter ausgerichteten Ausbildungen in der Altenpflege, der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sowie der Gesundheits- und Krankenpflege durch eine generalistische Ausbildung ab. Diese ist auf die Pflege von Menschen aller Altersstufen in unterschiedlichen Pflege- und Lebenssituationen sowie in verschiedenen institutionellen Versorgungskontexten ausgerichtet. Für einen befristeten Zeitraum ist unter bestimmten Voraussetzungen im letzten Ausbildungsdrittel anstelle der generalistischen Ausrichtung eine Fokussierung auf Kinder und Jugendliche oder auf alte Menschen möglich, die mit den gesonderten Berufsabschlüssen in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege oder in der Altenpflege verbunden ist.

Der Pflegeausbildung nach dem Pflegeberufegesetz liegen ein erweiterter Pflegebegriff und ein entsprechendes Pflege- und Berufsverständnis zugrunde. Das Ausbildungsziel nach § 5 ist auf die prozessorientierte Pflege von Menschen in allen Lebensphasen, in unterschiedlichen Pflege- und Lebenssituationen sowie in den verschiedenen institutionellen Versorgungskontexten ausgerichtet und umfasst die Beratung und Begleitung in allen Lebensphasen einschließlich der Begleitung Sterbender. Der weite Pflegebegriff umspannt die verschiedenen Dimensionen des Pflegehandelns: die gesundheitsfördernde und präventive ebenso wie die kurative, rehabilitative, palliative und sozialpflegerische Dimension. Professionelle Pflege ist der Lebenswelt des zu pflegenden Menschen und der Förderung seiner Selbstständigkeit und Selbstbestimmung verpflichtet. Pflegefachpersonen sind zu wissenschaftlicher Begründung ihres Handelns, zur Orientierung am Einzelfall und zur ethischen Reflexion angehalten.

Die generalistische Ausrichtung schlägt sich in der Ausbildung zur „Pflegefachfrau“/zum „Pflegefachmann“ konsequent in den Kompetenzen nieder, die für den theoretischen und praktischen Unterricht und für die praktische Ausbildung gleichermaßen gelten. Pflichteinsätze in der praktischen Ausbildung sind entsprechend für die allgemeinen Versorgungsbereiche der stationären Akutpflege, der stationären Langzeitpflege und der ambulanten Akut-/Langzeitpflege vorgeschrieben, darüber hinaus in der pädiatrischen und in der psychiatrischen Versorgung (vgl. Anlage 7 PflAPrV).

Die generalistisch ausgerichtete pflegerische Erstausbildung ist eine der Antworten auf die gesellschaftlichen Problemlagen und Herausforderungen in der pflegerischen Versorgung der Bevölkerung. Mit der veränderten Ausbildungskonzeption schließt Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern deutlich später an die langjährigen europäischen Bemühungen um eine Harmonisierung der Pflegeausbildung in Europa an. Die „Nurse responsible for general care“, von der die Koordinierungsrichtlinie aus dem Jahr 1977 spricht, betont für die Erstausbildung die Bedeutung der allgemeinen Pflege. Diese „umfasst die Pflege von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und älteren Menschen bei akuten und chronischen Gesundheitsproblemen sowie somatischen oder psychischen Beschwerden und die in oder außerhalb von Krankenhäusern behandelt werden“ (Europäische Kommission 1977, zitiert aus Hundenborn 2015). Auf die Bedeutung einer generalistisch qualifizierten Pflegefachperson macht die WHO 1988 in der Wiener Konferenz nochmals aufmerksam und „empfiehlt schließlich 1993, die Erstausbildung generalistisch auszurichten, hingegen die Spezialisierung der Weiterbildungsebene vorzubehalten“ (ebd.).

Unterschiede und Zusammenhänge zwischen der Erstausbildung und der Weiterbildung verdeutlicht die Gesetzgebung an verschiedenen Stellen und sie betont mehrfach die Notwendigkeit, die Ausbildung in ein transparentes und anschlussfähiges Pflegebildungssystem zu integrieren. „Es soll ein modernes, gestuftes und durchlässiges Pflegebildungssystem geschaffen werden, das die Ausbildung der zukünftigen Pflegefachkräfte derart ausgestaltet, dass sie den Anforderungen an die sich wandelnden Versorgungsstrukturen und zukünftigen Pflegebedarfe gerecht wird und zugleich die notwendige Basis für die im Sinne lebenslangen Lernens erforderlichen Fort- und Weiterbildungsprozesse bildet.“ (Bundesrat 2016, S. 1) Während die neue Ausbildung auf den universellen Einsatz in den allgemeinen Arbeitsfeldern der Pflege vorbereitet, sind für den Aufbau und die (Weiter-)Entwicklung von speziellen und spezialisierten Kompetenzen, die sich aus den Pflege- und Versorgungsbedarfen besonderer Klientengruppen ergeben, anschlussfähige Weiterbildungen erforderlich, die auf der Erstausbildung aufbauen (vgl. ebd.).

Primärqualifizierendes Pflegestudium

Nach einer Phase von Modellstudiengängen ermöglicht das Pflegeberufegesetz regulär ein primärqualifizierendes Studium an Hochschulen, das den Berufsabschluss mit einem Bachelorabschluss verbindet. Wie die berufliche Ausbildung an Pflegeschulen befähigt auch das Studium „zur unmittelbaren Tätigkeit an zu pflegenden Menschen aller Altersstufen“ (§ 37 Abs. 1 PflBG). Die Kompetenzen, die Gegenstand des Studiums sind, haben jedoch ein höheres Anforderungsniveau. Ein vertieftes pflegewissenschaftliches Wissen, Forschungskompetenzen und ein differenzierteres Verständnis für die institutionellen und gesellschaftlichen Kontextbedingungen befähigen zur „Steuerung und Gestaltung hochkomplexer Pflegeprozesse“ (§ 37 Abs. 1 Punkt 1 PflBG).

Mit der Möglichkeit des primärqualifizierenden Studiums trägt die Gesetzgebung der steigenden Komplexität pflegerischer Versorgungssituationen und den damit einhergehenden Anforderungen an (pflege-)wissenschaftliche Kompetenzen und an die Entwicklung von inter- und multidisziplinären Konzepten Rechnung, die zur Bewältigung von komplexen gesundheitlichen und pflegerischen Problemlagen erforderlich sind. Damit gewinnen wissenschaftliche Weiterbildungen an Hochschulen an Bedeutung, die als Zertifikatsweiterbildungen, als Bachelorstudium für beruflich qualifizierte Pflegefachpersonen mit oft langjähriger Berufserfahrung oder als Weiterbildungsstudium auf Masterebene angeboten werden, die jedoch nicht zwingend an die klassische Hochschulzugangsberechtigung gebunden sind, sondern u. U. auch ohne diese besucht werden können (vgl. Feicks und Arnold 2017; Weidlich-Wichmann 2016).

Geschützter Verantwortungsbereich durch vorbehaltene Tätigkeiten

Mit den Regelungen des § 4 PflBG stellt die Gesetzgebung erstmals Pflegetätigkeiten unter einen besonderen rechtlichen Schutz. Die „Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs“, die „Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses“ sowie die „Analyse, Evaluation und Sicherung der Qualität der Pflege“ dürfen nur von beruflich oder hochschulisch ausgebildeten Pflegefachkräften ausgeführt und vom Arbeitgeber nur an diese übertragen werden. Die Vorbehaltsaufgaben markieren den Kern des selbstständigen Verantwortungs- und Aufgabenbereichs von Pflegefachpersonen und dienen dem besonderen Schutz der zu pflegenden Menschen. Zugleich stellen sie den Pflegeprozess als professionelle Arbeitsmethode in den Mittelpunkt des Ausbildungsprozesses (vgl. Hundenborn und Knigge-Demal 2018).

Die Verantwortung für vorbehaltene Tätigkeiten in Verbindung mit dem Pflegeprozess als Handlungsmodell der professionellen Pflege ist in den Mittelpunkt anschlussfähiger Weiterbildungen zu stellen, die sich auf entsprechend komplexere Pflegesituationen beziehen, zu deren qualitätsangemessener Bewältigung spezialisierte, erweiterte und vertiefte Kompetenzen für spezifische Klientengruppen erforderlich sind.

Kompetent werden für komplexe Pflege- und Berufssituationen

Deutlicher und konsequenter als in den bisherigen Ausbildungsgesetzen (Altenpflegegesetz, Krankenpflegegesetz) richtet das Pflegeberufegesetz die Ausbildung auf den Kompetenzerwerb und die Weiterentwicklung solcher Befähigungen aus, die für ein professionelles Pflegehandeln in komplexen Pflege- und Berufssituationen erforderlich sind und die Bereitschaft für die persönliche und fachliche Weiterentwicklung beinhalten. Die Anlagen 1 und 2 PflAPrV konkretisieren die bereits in den Ausbildungszielen angesprochenen Kompetenzen unter einer systemischen Perspektive. Kompetenzbereich I fokussiert die Pflegeprozessverantwortung für zu pflegende Menschen aller Altersstufen und integriert die Vorbehaltsaufgaben des selbstständigen Verantwortungs- und Aufgabenbereichs. „Die einzelnen Kompetenzschwerpunkte fokussieren verschiedene Situationstypen, z. B. Situationen mit gesundheitlichen Problemlagen, Akutsituationen sowie hochbelastete und kritische Situationen, die anhand des Pflegeprozesses gestaltet werden.“ (Hundenborn 2021, S. 10) Kompetenzbereich II ist auf die unmittelbare Interaktion und Kommunikation zwischen der Pflegefachperson und dem zu pflegenden Menschen sowie seinen Bezugspersonen ausgerichtet. Beide Kompetenzbereiche nehmen die unmittelbar klientenbezogenen Kompetenzen in den Blick und sind auf die Mikroebene ausgerichtet. Kompetenzbereich III legt die Kompetenzen fest, die für das intra- und interprofessionelle Handeln in verschiedenen institutionellen Versorgungskontexten erforderlich sind. Die gesellschaftlichen Kontextbedingungen sind Gegenstand des Kompetenzbereichs IV, der mit dem Ziel verbunden ist, normative Regelungen, gesellschaftliche Erwartungen sowie ethische und kulturelle Orientierungen mit ihren Einflüssen auf das Pflegehandeln zu reflektieren. Schließlich ist Kompetenzbereich V in besonderer Weise auf die Identitätsentwicklung sowie die kritische Persönlichkeitsentwicklung der Pflegefachpersonen ausgerichtet. Die fünf systemisch ausgerichteten Kompetenzbereiche fördern in ihrer Verschränkung die Gestaltung situations- und kompetenzorientierter Lehr-Lern-Prozesse, die das Pflegehandeln in Pflegesituationen in die vielfältigen institutionellen und gesellschaftlichen Bezüge und Rahmenbedingungen einbinden. Auf diese Weise wird das Bewusstsein für die Zusammenhänge und Wechselwirkungen gefördert und der Einfluss von multiplen Kontexten auf das Pflegehandeln verdeutlicht.

Situations- und Kompetenzorientierung als zentrale Konstruktionsprinzipien der pflegerischen Erstausbildung sollten sich in anschlussfähigen Weiterbildungen fortsetzen. Im Vergleich zur Ausbildung sind die Situationen jedoch durch eine höhere Komplexität gekennzeichnet und beziehen sich auf besondere Pflegebedarfe spezifischer Klientengruppen. „Einfluss auf die Komplexität haben die Pflegeanlässe selbst, die Ausprägung der Beeinträchtigung im Verhältnis zu den Selbstpflegekompetenzen und die Ressourcen des sozialen Umfeldes sowie die Pflegeziele und -maßnahmen.“ (DBR 2020, S. 13) Auch das Erleben und die Verarbeitung des Erkrankungsgeschehens, von Pflegedürftigkeit oder von Altersbelastungen haben Einfluss auf die Komplexität von Pflegesituationen und die damit einhergehenden Kompetenzanforderungen. Schließlich wirken sich die Situationserwartungen der beteiligten Akteure und ihre Beziehungen zueinander sowie die institutionellen und gesellschaftlichen Kontextbedingungen auf die Komplexität aus (vgl. ebd.)

Kompetenzerweiterung durch heilkundliche Tätigkeiten

Zunächst im Rahmen von Modellversuchen ermöglicht das Pflegeberufegesetz den Erwerb „erweiterter Kompetenzen zur selbständigen Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten“, sofern das Ausbildungsziel hierdurch nicht gefährdet wird (§ 14 PflBG). Die Fachkommission nach § 53 Pflegeberufegesetz hat auf der Grundlage der „Richtlinie nach § 63 Abs. 3c SGB V“ insgesamt neun standardisierte Module entwickelt, die gemeinsam vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigt worden sind (vgl. Fachkommission 2022). „Die Fachkommission hat die Regelungen der G-BA-Richtlinie vor dem Hintergrund des im Pflegeberufegesetz verankerten Pflege- und Berufsverständnisses interpretiert, wonach die Verantwortung für eine selbstständige Pflegeprozessgestaltung in komplexen individualisierten Pflegesituationen zusammen mit den in § 4 PflBG geregelten vorbehaltenen Tätigkeiten in das Zentrum der Ausbildung rückt. Sie hat die Module daher so konzipiert, dass die Versorgungsbedarfe der zu pflegenden Menschen aller Altersstufen stets den Ausgangspunkt der Module bilden und diese dann anhand eines vollständigen und mit dem Therapieprozess verwobenen Pflegeprozesses bearbeitet werden.“ (Hundenborn und Darmann-Finck 2021, S. 321) Mit dem Erwerb erweiterter Kompetenzen zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten durch Pflegefachpersonen ist „die Intention verbunden, die gesundheitliche Versorgung v. a. von Menschen mit chronischen Erkrankungen durch kontinuierliche, alltagsnahe, evidenzbasierte und abgestimmte Behandlungs-, Pflege-, Unterstützungs- und Informationsangebote zu sichern und hierfür die Kompetenzen der Pflegefachpersonen besser als bisher einzusetzen“ (Darmann-Finck und Hundenborn 2021, S. 72).

In Weiterbildungen, die sich auf die standardisierten Module beziehen, die in der pflegeberuflichen Ausbildung oder im primärqualifizierenden Pflegestudium bereits absolviert worden sind, können korrespondierende Kompetenzen und Leistungen über entsprechende Prüfungen mittels eines Äquivalenzverfahrens ganz oder anteilig angerechnet werden.

3 Allgemeine Pflege und Spezialisierung – Aus- oder Weiterbildung

In diesem Abschnitt wird die Frage aufgriffen, ob bzw. inwieweit die speziellen Versorgungsbedarfe von Menschen in der Langzeitpflege und ihren Angehörigen bereits Gegenstand der Ausbildung sind und/oder in einer Weiterbildung bearbeitet werden müssen. Der Schwerpunktband spricht Klientengruppen verschiedener Altersstufen an: im Schwerpunkt I „Versorgungsbedarfe von (schwerst-)pflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen“, im Schwerpunkt II die „Palliativversorgung von Pflegebedürftigen“, im Schwerpunkt III „Außerklinisch Langzeitbeatmete“, „Langzeitpflegebedürftige mit Suchterkrankungen“ und „Menschen mit geistiger Behinderung bei Eintritt von altersassoziierter Pflegebedürftigkeit“ und schließlich im Schwerpunkt IV „Junge Pflege“. Ausführungen hierzu sind aufgrund der Umfangsbegrenzung dieses Beitrags nur exemplarisch möglich.

Lebensalter und institutionelle Versorgungskontexte

Die Ausbildung zur Pflegefachfrau/zum Pflegefachmann ist über die gesamte Ausbildungszeit im theoretischen und praktischen Unterricht auf typische Pflegesituationen des Kindes- und Jugendalters, verschiedene Phasen des Erwachsenenalters sowie der höheren Lebensalter ausgerichtet. Die Regelung der Anlage 6 PflAPrV stellt eine angemessene Verteilung auf die zu pflegenden Menschen der verschiedenen Altersstufen sicher: „In der Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann entfallen über die Gesamtdauer der Ausbildung im Rahmen des Unterrichts zur Vermittlung von Kompetenzen zur Pflege von Menschen aller Altersstufen jeweils mindestens 500 und höchstens 700 Stunden auf die Kompetenzvermittlung anhand der besonderen Pflegesituationen von Kindern und Jugendlichen sowie von alten Menschen.“ Die praktische Ausbildung findet im Rahmen von Pflichteinsätzen in den drei allgemeinen Versorgungsbereichen der stationären Akutpflege, der stationären Langzeitpflege und der ambulanten Akut-/Langzeitpflege sowie in der pädiatrischen und psychiatrischen Versorgung statt. Im letzten Ausbildungsdrittel ermöglicht ein Vertiefungseinsatz eine Schwerpunktbildung, die zum Aufbau eines individuellen Kompetenzprofils beitragen kann. Eine besondere Zugangsberechtigung oder -beschränkung ist damit jedoch nicht verbunden. „Die zukünftigen, generalistisch ausgebildeten Pflegefachkräfte werden in der Lage sein, in allen Bereichen der Pflege – Akutpflege, Kinderkrankenpflege, stationäre oder ambulante Langzeitpflege sowie allgemein-, geronto-, kinder- oder jugendpsychiatrische Versorgung – tätig zu werden. Auch in der generalistischen Ausbildung werden im Rahmen der praktischen Ausbildung mit der Wahl der Ausbildungseinrichtung und eines Vertiefungseinsatzes in einem Bereich besondere Kenntnisse erworben [nicht nur in den gesonderten Berufsabschlüssen, Anmerkung G. H.]. Ein Vertiefungseinsatz ist jedoch keine Bedingung für eine spätere Berufstätigkeit in dem entsprechenden Bereich und er schließt umgekehrt eine spätere Berufstätigkeit in einem anderen Pflegebereich nicht aus. […] Weitere beruflich erforderliche spezialisierte und vertiefte Kenntnisse sind, wie bisher auch, in beruflichen Fort- und Weiterbildungen zu erwerben.“ (BMG und BMFSFJ 2020, S. 3 f.)

Komplexität und Anforderungsniveau

Die berufliche Pflegeausbildung befähigt zur „selbständige[n], umfassende[n] und prozessorientierte[n] Pflege von Menschen aller Altersstufen in akut und dauerhaft stationären sowie ambulanten Pflegesituationen“ (§ 5 Abs. 1 PflBG) sowie zur Steuerung und Gestaltung von Pflegeprozessen und Pflegediagnostik in diesen Situationen (vgl. Anlage 2 PflAPrV). Die hochschulische Ausbildung ist mit einem erweiterten Ausbildungsziel verbunden und befähigt „zur Steuerung und Gestaltung hochkomplexer Pflegeprozesse auf der Grundlage wissenschaftsbasierter oder wissenschaftsorientierter Entscheidungen“ (§ 37 Abs. 3 Punkt 1 PflBG). Der Komplexitätsgrad von Pflegesituationen ist ein Unterscheidungskriterium zwischen der beruflichen und der hochschulischen Ausbildung. Jedoch sind auch die Pflegesituationen der beruflichen Pflegeausbildung durch Komplexität gekennzeichnet, die kontinuierlich über den Ausbildungsverlauf gesteigert wird. Die Rahmenpläne der Fachkommission beschreiben die Komplexitätssteigerung über den Ausbildungsverlauf anhand verschiedener Kriterien: Grad der Pflegebedürftigkeit, Komplexität gesundheitlicher Problemlagen, Stabilität/Instabilität der Situation, Anzahl der beteiligten Akteure und ihre Sichtweisen, Berücksichtigung von Rahmenbedingungen (vgl. Table 14.1).

Tab. 14.1 Kompetenzentwicklung in den Rahmenausbildungsplänen durch Steigerung der situativen Anforderungen in den Handlungsanlässen (vgl. Rahmenpläne der Fachkommission 2020, S. 19)

Mit der Komplexitätssteigerung geht ein sukzessiver Kompetenzaufbau einher, das Anforderungsniveau der Kompetenzen wird über den Ausbildungsverlauf also entsprechend angehoben. Diesem entwicklungslogischen Aufbau trägt der Gesetz- und Verordnungsgeber durch die Anlagen 1 und 2 Rechnung. Anlage 1 legt das Kompetenzniveau zum Zeitpunkt der Zwischenprüfung, d. h. zum Ende des zweiten Ausbildungsdrittels fest, Anlage 2 das Anforderungsniveau für die staatliche Prüfung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann am Ende der Ausbildung (vgl. Table 14.2).

Tab. 14.2 Kompetenzen des Kompetenzschwerpunktes 1.3 in den Anlagen 1 und 2 PflAPrV

Allgemeiner und spezialisierter Pflegebedarf ausgewählter Klientengruppen

Der exemplarische Einblick in den Kompetenzaufbau des Kompetenzschwerpunktes I.3 „Pflegeprozesse und Pflegediagnostik von Menschen aller Altersstufen in hoch belasteten und kritischen Lebenssituationen verantwortlich planen, organisieren, gestalten, durchführen, steuern und evaluieren“ zeigt, dass sowohl pflegerische Versorgungssituationen (schwerst-)pflegebedürftiger Kinder als auch die „Versorgung erkrankter Pflegebedürftiger am Lebensende“ bereits Gegenstand der pflegeberuflichen Erstausbildung sind und die erforderlichen Kompetenzen auf einem entsprechenden Anforderungsniveau vermittelt werden. Werden jedoch spezialisierte und vertiefte Kenntnisse zum professionellen Pflegehandeln in Pflegesituationen benötigt, sind diese „wie bisher auch, in beruflichen Fort- und Weiterbildungen zu erwerben“ (BMG und BMFSFJ 2020, S. 3 f.). Das entscheidende Differenzkriterium zwischen Aus- und Weiterbildung zeigt sich vor allem darin, inwieweit die Situationen der allgemeinen Pflege zuzurechnen oder durch Spezialisierung gekennzeichnet sind.

So ist Spezialisierung fraglos für die Pflege- und Versorgungssituationen in der außerklinischen Langzeitbeatmung gegeben. Die auf die allgemeine Pflege ausgerichtete Ausbildung qualifiziert nicht für intensivpflegerische Handlungsfelder und vermittelt nicht die Grundlagen der außerklinischen Beatmung, wie dies mit dem von der DIGAB (Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung) zertifizierten Basiskurs „Pflegefachkraft für außerklinische Beatmung“ gefordert wird.

Während die Ausbildung auf die allgemeine Begleitung von sterbenden Menschen und ihren Angehörigen angemessen vorbereitet, wird für die Palliativversorgung zwar die Grundlage in der Ausbildung gelegt, zugleich jedoch darauf hingewiesen, dass eine Vertiefung der Kompetenzen in einer spezialisierten Weiterbildung erfolgt. Dies verdeutlicht ein Blick in die Rahmenpläne der Fachkommission nach § 53 Pflegeberufegesetz. Die curriculare Einheit 08 „Menschen in kritischen Lebenssituationen und in der letzten Lebensphase begleiten“ umfasst insgesamt 240 h im Ausbildungsverlauf und ist auch auf die palliative Dimension des Pflegehandelns ausgerichtet. Im didaktischen Kommentar findet sich jedoch der folgende deutliche Hinweis: „Palliative Care als Konzept und Versorgungsansatz kann in vielen Handlungsfeldern verfolgt werden, deshalb können grundlegende Aspekte auch in anderen Lerneinheiten vertieft werden. Es soll jedoch darauf geachtet werden, dass die Tiefe der Auseinandersetzung einer Erstausbildung entspricht. Das Thema Palliative Care kann in Weiterbildungen und Studiengängen vertieft werden.“ (Fachkommission 2020, S. 136)

Für die Zielgruppe von „Menschen mit (geistiger) Behinderung und altersassoziierter Pflegebedürftigkeit“ vermittelt die Pflegeausbildung die erforderlichen Kompetenzen (vgl. Table 12.2). Im curricularen Kontext werden entsprechende Kompetenzen in den curricularen Einheiten 02 „Zu pflegende Menschen in der Bewegung und Selbstversorgung unterstützen“ und 07 „Rehabilitatives Pflegehandeln im interprofessionellen Team“ sowie ebenfalls in den Arbeits- und Lernaufgaben der praktischen Ausbildung angebahnt und gefördert.

Die Auseinandersetzung mit Sucht- und Abhängigkeitsproblemen, mit „Störungen durch Alkohol- und Medikamentenkonsum“ sind ebenfalls Gegenstand der Pflegeausbildung. Die Rahmenpläne der Fachkommission bearbeiten solche Pflege- und Versorgungssituationen in der curricularen Einheit 04 „Gesundheit fördern und präventiv handeln“, in der curricularen Einheit 11 „Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen und kognitiven Beeinträchtigungen personenzentriert und lebensweltbezogen unterstützen“ und auch im Rahmen der praktischen Ausbildung.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass weder das Lebensalter oder die Entwicklungs- und Lebensphase noch der institutionelle Versorgungskontext der Langzeitpflege oder eines anderen allgemeinen Versorgungskontextes entscheidend für die Beantwortung der Frage ist, inwieweit Aus- oder Weiterbildung auf die Anforderungen der Pflege- und Versorgungssituationen vorbereiten. Es ist vielmehr ein besonderes Anspruchsniveau an die Pflegekompetenzen, das vor allem durch spezifische Pflegebedarfe bedingt ist, die spezialisiertes und vertieftes Wissen erfordern, das über die Ausbildung hinausgeht.

4 Fazit

Die generalistische Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz stellt die Pflegeausbildung auf neue konzeptionelle Grundlagen. Sie hebt die bisherige in den separaten Ausbildungen der Altenpflege sowie der Gesundheits- und Krankenpflege/Gesundheits- und Kinderkrankenpflege gegebene Fokussierung auf bestimmte Lebensphasen und Altersstufen der zu pflegenden Menschen auf. Das Pflegeberufegesetz richtet die Ausbildung für die Pflegefachfrau/den Pflegefachmann stattdessen auf die Kompetenzen aus, die für die allgemeine Pflege von Menschen aller Altersstufen in unterschiedlichen Pflege- und Lebenssituationen sowie in verschiedenen institutionellen Versorgungskontexten erforderlich sind. Damit wird die Ausbildung auf eine breitere Kompetenzbasis gestellt, die im Laufe des lebenslangen Lernens vielfältige Weiterentwicklungsmöglichkeiten eröffnet. Diese breitere Basis geht nicht – wie häufig befürchtet – mit einem Verlust des Anforderungsniveaus der Ausbildung einher. Vielmehr fördern das Lernen an exemplarischen komplexen Fallsituationen, die auf die Pflege von Menschen verschiedener Altersstufen und mit unterschiedlichen Pflegebedarfen ausgerichtet sind, sowie das betriebliche Lernen in konkreten Pflegesituationen die Transferfähigkeit und selbstständige Problemlösungskompetenz. Dies zeigen nicht zuletzt empirische Ergebnisse aus zahlreichen Modellversuchen, welche die jetzige Ausbildungsreform vorbereitet haben (vgl. BMFSFJ 2008).

Das grundsätzliche Verhältnis von Ausbildung und Weiterbildung wird durch die Ausbildungsreform nicht verändert. Weiterhin gilt, dass vertiefte und spezialisierte Kenntnisse, die auf der Erstausbildung aufbauen, in beruflichen Fort- und Weiterbildungen zu erwerben sind. Auch mit den speziellen oder gesonderten Berufsabschlüssen, die für eine Übergangszeit noch in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege bzw. in der Altenpflege erworben werden können, wird eine Spezialisierung im engeren Sinne weder angestrebt noch erreicht, und zwar weder nach dem Pflegeberufegesetz noch nach den bisher geltenden Ausbildungsregelungen. Die Ausbildungen nach neuem und altem Recht vermitteln nicht die Kompetenzen für allgemeine und zugleich für spezialisierte, erweiterte und vertiefte pflegerische Kompetenzen für spezialisierte Versorgungsbereiche. Die allgemeinen Zielsetzungen und Merkmale beruflicher Weiterbildungen und ihr bildungssystematischer Anschluss an die pflegeberufliche Erstausbildung bringt auch der Deutsche Bildungsrat für Pflegeberufe in seinen „Empfehlungen zur Musterweiterbildungsordnung für Pflegeberufe“ (DBR 2020) zum Ausdruck: „Berufliche Weiterbildungen vertiefen, erweitern oder ergänzen pflegerische Kompetenzen, die professionell Pflegende in einer beruflichen und/oder hochschulischen Pflegeausbildung als Basis erworben und infolge unterschiedlich langer Berufserfahrung in verschiedenen Handlungsfeldern weiterentwickelt haben. […] Berufliche Weiterbildungen sind auf den Erwerb bzw. auf die Vertiefung und (Weiter-)Entwicklung von Kompetenzen ausgerichtet, die in Pflegesituationen mit besonderer Komplexität, für Menschen mit spezifischem Pflegebedarf und/oder für die verantwortliche Übernahme besonderer Funktionen im pflegepädagogischen, -manageriellen oder -wissenschaftlichen Bereich erforderlich sind.“ (DBR 2020, S. 4) Die für spezialisierte Versorgungsbereiche und Handlungsfelder erforderlichen pflegerischen Kompetenzen unterscheiden „sich … in der Breite und Tiefe der Fachlichkeit, in der Komplexität der Pflege- und Berufssituationen und im Anspruchsniveau“ von den in der pflegeberuflichen Erstausbildung erworbenen Kompetenzen.

Allerdings erfordern anschlussfähige Weiterbildungen eine genaue Abstimmung zwischen Aus- und Weiterbildung, wenn eine unnötige Doppelung vermieden und der besondere Mehrwert und die Notwendigkeit einer Weiterbildung hinreichend deutlich werden sollen. Dazu müssen auch Weiterbildungsangebote die angestrebten Kompetenzen klar ausweisen und dürfen sich nicht auf die stichpunktartige Angabe von Inhalten beschränken. So zeigt eine Weiterbildungsstudie des DIP (2017), dass derzeit viele Angebote besondere Schwachstellen im Bereich der mit der Weiterbildung verbundenen Intentionen und Zielsetzungen aufweisen. Die Ansprüche an kompetenzorientierte Formulierungen werden oft nicht erfüllt und die über die Erstausbildung hinausgehenden Kompetenzen sowie die hiermit verbundenen Berechtigungen in den pflegerischen Handlungsfeldern werden nicht deutlich. Angaben zum Weiterbildungsniveau und die bildungssystematische Einordnung des Angebots in ein gestuftes Pflegebildungssystem, das sich an einschlägigen Referenzsystemen orientiert, unterbleiben. Anschluss- und Anrechnungsmöglichkeiten auf weiterführende Qualifizierungen oder Studiengänge werden kaum angesprochen (DIP 2017).

Sowohl zur Bestimmung von Weiterbildungsbedarfen als auch zur Entwicklung entsprechender Konzepte braucht es gesellschaftliche Verständigungsprozesse, welche die i. d. R. programmatischen und normativen Aspekte von und Zuschreibungen an Weiterbildung um Ergebnisse und Erkenntnisse aus empirischen Handlungsfeld- und Kompetenzanalysen ergänzen. Diesbezüglich besteht zurzeit noch erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf.