FormalPara Zusammenfassung

Die kollektive Pandemieerfahrung wird absehbar einen Einfluss auf die Reformdebatte zur Vergütung von Krankenhausleistungen haben. Nicht zuletzt aufgrund des starken Fallzahlrückgangs steigt die Kritik an einer leistungsorientierten Vergütung und der Ruf nach einer Budgetgarantie wird lauter. Eine Analyse der gegenwärtigen Vergütungssystematik zeigt zunächst, dass die DRG-Fallpauschalen durch zahlreiche weitere Vergütungskomponenten ergänzt wurden. In der Pandemie kamen, insbesondere durch die Freihaltepauschalen, weitere Instrumente hinzu. Bedeutsam ist der Wiedereinstieg des Bundes in die Krankenhausfinanzierung. Ein zentraler Reformschritt in Richtung einer weniger fallzahlabhängigen Vergütung könnte die Vorhaltefinanzierung aus Bundesmitteln sein. In ihrer Systematik müsste sie sich klar von Freihaltepauschalen und klassischer Investitionsfinanzierung unterscheiden. Andere Reformoptionen (u. a. Qualitätsorientierung, Regionalbudgets) werden dargestellt, aber eher skeptisch beurteilt. Bedeutsamer als eine Reform der Vergütungsstruktur dürfte die Reform der Versorgungsstruktur sein.

The collective pandemic experience will foreseeably have an impact on the reform debate on the remuneration of hospital services. Not least because of the sharp drop in the number of cases, there is an increased criticism of performance-based remuneration and calls for a budget guarantee are growing louder. An analysis of the current remuneration system shows that the DRG flat rates per case have been supplemented by numerous other remuneration components. Further instruments were added during the pandemic, in particular through the lump sums for beds kept free. The re-entry of the federal government into hospital financing is significant. The provision of financing from federal funds could be a central reform step in the direction of a reimbursement that is less dependent on the number of cases. In terms of its systematics, it would have to be clearly distinguished from lump sums for keeping beds free and classic investment financing. Other reform options (e.g., quality orientation, regional budgets) are described in this article but regarded with skepticism. Reforming the structure of care is likely to be more important than reforming the structure of reimbursement.

1 Reformstau und kollektive Pandemieerfahrung

Eine Reform der Krankenhausvergütung und eine Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft in Deutschland gelten seit längerem als überfällig. Bislang wurden jedoch keine gesetzgeberischen Konsequenzen gezogen aus der Erosion der Investitionsfinanzierung, der mangelnden Ambulantisierung, der nach wie vor unzulänglichen Konzentration des Leistungsgeschehens sowie den Überkapazitäten in den Ballungszentren. Auch die Notfallversorgung gilt zu Recht als reformbedürftig. Möglicherweise waren die sprudelnden Beitragsgelder der letzten zehn Jahre ursächlich für den Reformstau.

Das Spektrum an Reformvorschlägen ist extrem heterogen und reicht von der Abschaffung des DRG-Systems über die Aufhebung von Sektorengrenzen bis hin zu einer komplett neuen Krankenhausplanung. Inmitten dieser Reformdebatte kam die Coronapandemie. Die folgende Argumentationskette geht davon aus, dass die kollektive Pandemieerfahrung wirkmächtig den Gang der gesundheitspolitischen Diskussion zur Neuordnung der stationären Versorgung beeinflussen wird.

Zunächst wird das bestehende Vergütungssystem dargestellt, das einige für zahlreiche Versorgungsmängel verantwortlich machen. Es zeigt sich, dass auf Basis der DRG-Fallpauschalen ein hochkomplexes Vergütungssystem mit zahlreichen Komponenten entstanden ist, das zahlreiche ergänzende Anreizwirkungen enthält, so z. B. die Verschiebung von Kosten in das Pflegebudget (siehe Abschn. 8.2).

Die Coronapandemie hat eine völlig neue Situation geschaffen: Statt der allgemein erwarteten Überlastung des Gesundheitswesens zeigte sich eine bis dato beispiellose Fallzahlreduktion im Krankenhausbereich. Inwieweit dies ursächlich auf die Freihaltepauschalen zurückzuführen ist, muss der rückblickenden gesundheitspolitischen Analyse überlassen bleiben. Faktum ist eine Vielzahl neuer Finanzierungsinstrumente (Förderung von Intensivbetten, Freihaltepauschalen, Corona-Mehrkostenfinanzierung) und ein Novum: Der Bund steigt wieder in die Krankenhausfinanzierung ein (siehe Abschn. 8.3)!

Noch ist die Pandemie nicht zu Ende. Es deutet sich aber an, dass „das neue Normal“ nicht der Zustand vor der Pandemie sein wird. Natürlich ist vieles Spekulation, aber höchstwahrscheinlich wird es nie wieder so viele innerdeutsche Flüge geben und höchstwahrscheinlich werden nie mehr so viele Menschen gleichzeitig im Büro arbeiten. Vermutlich wird auch die Fallzahl im Krankenhaus nicht wieder dem Vorkrisentrend folgen. Die kollektive Pandemieerfahrung wird die Diskussion verändern: In Zeiten steigender Fallzahlen waren die Fallpauschalen populär, in Zeiten rückläufiger Fälle wird der Ruf nach Budgeterhaltung lauter (siehe Abschn. 8.4).

Einige Reformoptionen zur Vergütung werden diskutiert. Im Zentrum steht eine Vorhaltefinanzierung (siehe Abschn. 8.5), die aus der Pandemie heraus eine breite Resonanz erfahren hat, weil Krankenhäuser aufgefordert waren, für Covid-19-Patientinnen und -Patienten Intensivkapazitäten freizuhalten. Es wird gezeigt, dass Vorhaltefinanzierung nicht mit Freihaltepauschalen gleichzusetzen ist.

Andere Modifikationen der Krankenhausfinanzierung sind Qualitätsorientierung, Regionalbudgets und Finanzierung von Versorgungsstufen (siehe Abschn. 8.6). Eine quantitativ durchaus bedeutsame Finanzierungskomponente stellt nach dem DRG-Pflege-Split die zukünftige Vergütung von Pflegeleistungen dar (siehe Abschn. 8.7). Es ist davon auszugehen, dass die jetzige Finanzierung nach dem Selbstkostendeckungsprinzip historisch keinen Bestand haben wird und deshalb neue Instrumente zur Bestimmung von Pflegebedarf und Pflegeleistung entwickelt werden müssen.

Abschließend stellt sich die Frage, ob Deutschland vorrangig eine Reform des Vergütungssystems braucht oder ob vielmehr eine Reform der Versorgungsstrukturen im Vordergrund stehen sollte (siehe Abschn. 8.8). Durch eine veränderte Krankenhausplanung der Länder wird diese nicht zu erwarten sein. Vielmehr dürften bundeseinheitliche Qualitätsanforderungen geeignet sein, die notwendige Trendwende zu einer stärker spezialisierten und konzentrierten Versorgung einzuleiten.

2 Komponenten der Krankenhausfinanzierung im Status quo

2.1 Die Vergütungskomponenten im Überblick

Der Kern des Vergütungssystems für deutsche Krankenhäuser sind die DRG-Fallpauschalen (siehe Abschn. 8.2.2). Insgesamt gibt es jedoch eine vielfältige Vergütungsstruktur, die in der Pandemie sogar noch um einige Komponenten erweitert wurde. Da viele dieser Komponenten Gegenstand der Reformdiskussion sind und die Reform vorrangig in einem anderem „Mischungsverhältnis“ der Komponenten bestehen könnte, lohnt ein kurzer Überblick und der Versuch einer Quantifizierung.

Die ursprüngliche bedeutsamste zweite Finanzierungskomponente neben den DRG-Fallpauschalen war die Investitionsförderung durch die Bundesländer (siehe Abschn. 8.2.3). Sie ist inzwischen zu einer Marginalie geworden. Durch die Ausgliederung der Pflegekosten aus den DRG-Fallpauschalen im Jahre 2019 ist inzwischen das Pflegebudget zur zweitwichtigsten Finanzkomponente avanciert (siehe Abschn. 8.2.4). Ein eigenständiges Vergütungssystem mit Tagespauschalen existiert für die Psychiatrie. Inwieweit es ebenfalls als leistungsorientierte Vergütung bezeichnet werden kann, ist eine Frage des Betrachtungswinkels. Nach wie vor dominiert eine budgetorientierte Bestimmung des Finanzvolumens (siehe Abschn. 8.2.5).

Das DRG-System hatte – jenseits der psychiatrischen Versorgung – von Anfang an eine Reihe ergänzender Finanzierungsinstrumente, mit denen jene Komponenten vergütet werden sollten, die in einem Fallpauschalensystem nicht adäquat abgebildet sind (siehe Abschn. 8.2.6):

  • Sicherstellung ländlicher Krankenhäuser

  • Funktion von Zentren

  • Neue Untersuchungs- und Behandlungsformen (NUB)

  • Besondere Einrichtungen

Neu hinzugekommen ist inzwischen die differenzierte Finanzierung von Notfallstufen.

An Bedeutung gewinnen inzwischen die ambulanten Krankenhausleistungen (siehe Abschn. 8.2.7). Sie haben eine erstaunliche Formenvielfalt und eine zum Teil wenig transparente Vergütungssystematik – sofern dieses Wort überhaupt die Sachlage zutreffend beschreibt (Leber und Wasem 2016).

In der Coronapandemie sind einige quantitativ bedeutsame Finanzierungskomponenten hinzugetreten: Freihaltepauschalen, Förderung von Intensivbetten, Mittel für coronabedingte Mehrkosten sowie Prämien für Pflegekräfte. Da sie nicht zum klassischen Vergütungssystem gehören, werden sie gesondert in Abschn. 8.3 dargestellt.

Eine Reihe von weiteren Vergütungskomponenten regelt quantitativ eher nachrangige Tatbestände und soll im Folgenden nicht näher diskutiert werden, so z. B. diverse Zuschläge oder Entgelte im Falle einer Organentnahme.

Der Versuch einer Quantifizierung ist Tab. 8.1 zu entnehmen. Sie zeigt, dass die DRG-Fallpauschalen im Jahr 2019 nicht einmal mehr 60 % der Krankenhausvergütung ausmachten. Bei der Reformdebatte sollte dies berücksichtigt werden. Infolge der Coronapandemie flossen den Krankenhäusern weitere Milliardenbeträge zu, was den DRG-Anteil weiter reduzierte. Das gilt auch für die rund 3 Mrd. € KHZG-Förderung (siehe Abschn. 8.4).

Tab. 8.1 Krankenhaus-Finanzierungskomponenten (2019)

2.2 DRG-Systematik

Systematik und Wirkungsweise des DRG-Fallpauschalensystems sind inzwischen Lehrbuchwissen. Die jährlichen Berichte des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), die schwergewichtige (und wenig erkenntnisreiche) Begleitforschung und rund tausend Seiten im Krankenhaus-Report seit 2000 erübrigen eine nochmalige Darstellung an dieser Stelle. Das wesentliche Motiv zur Einführung der leistungsorientierten Vergütung war die Abkehr vom Selbstkostendeckungsprinzip, dessen Anreizwirkung vornehmlich die Produktion von Kosten bewirkte. Die ersten Versuche eines Leistungsbezugs durch Fallpauschalen und Sonderentgelte ab 1995 blieben Stückwerk und führten schließlich zum Initialbeschluss im § 17b KHG, der Einführung des DRG-Systems. Die Vergütung von Leistungen statt der Vergütung von Kosten stieß zunächst auf massiven Widerstand der Krankenhäuser, erfreute sich aber angesichts steigender Fallzahlen alsbald allgemeiner Beliebtheit. Die Einführung eines „lernenden Systems“ mit professioneller Weiterentwicklung durch das InEK auf Basis (einer später repräsentativen Auswahl) von kalkulierenden Krankenhäusern war stilbildend.

Zahl der DRG-Fallgruppen

Die Grundidee des DRG-Systems ist die Kondensation von Abermillionen Prozeduren- und Diagnosekombinationen auf eine überschaubare Zahl von Fallpauschalen vermittels eines Gruppierungsprozesses. Inwiefern dies in zufriedenstellender Weise gelingt, ist Gegenstand einer nach wie vor virulenten Reformdebatte. So sieht z. B. der Bundesrechnungshof (BRH) die Anzahl von DRGs ursächlich für die Häufigkeit strittiger Abrechnungsfragen (BRH 2019). De facto bewegt sich die Anzahl von DRGs auf einem seit ca. zehn Jahren stabilen Niveau (Abb. 8.1). Handlungsleitend bei der Einführung einer weiteren Differenzierung sind in der Regel die Forderungen von Spezialversorgern (z. B. Universitäten), hochpreisige Versorgung besser abzubilden.

Abb. 8.1
figure 1

Anzahl der DRGs in Deutschland seit 2003 (Datenquelle: InEK)

Gegenstand einer anhaltenden Debatte ist zudem die Frage, ob das DRG-System stärker diagnoseorientiert oder aber stärker prozedurenorientiert ausgerichtet sein sollte (Stichwort: DRG versus PRG). Die Forderung, die wirklichen Kosten abzubilden, führt immer wieder zur weiteren Differenzierung des Systems und wird stark gefördert durch den jährlichen Extremkostenbericht des InEK.Footnote 1 Der Streit um die einst mangelnde Repräsentativität der Kalkulationsstichprobe wurde zwischenzeitlich entschärft, seit das InEK zur Verbesserung der Repräsentativität Krankenhäuser im Rahmen einer Stichprobenziehung zur Kalkulation verpflichten kann.

Abbildung von Kinder- und Jugendmedizin

Schon in den ersten DRG-Versionen wurde die gesonderte Abbildung von Leistungen der Kinder- und Jugendmedizin angegangen. Inzwischen gibt es via Alterssplit rund 300 Gruppen für Kinder. Gleichwohl gibt es vernehmbare Forderungen, die Finanzierung von stationärer Kinderversorgung aus dem DRG-System auszugliedern, so z. B. die gesundheitspolitische Forderung in den Wahlprogrammen der SPD. Die Herausnahme aus dem DRG-System würde die Frage eines alternativen Vergütungssystems aufwerfen. Nach den Erfahrungen mit der Selbstkostendeckung im Pflegebudget dürfte eher nach anderen Alternativen gesucht werden. In Abschn. 8.5.3 wird die Sicherstellung der Kinderversorgung durch eine gezielte Finanzierung von Vorhaltekosten empfohlen.

Korrektur aufgrund der Überbewertung von Sachkosten

Durch die Steigerung der Basisfallwerte über die Kostendaten der Krankenhäuser hinaus ergibt sich eine Diskrepanz in der Kalkulation: Wird eine Leistung über ein Zusatzentgelt finanziert, entsprechen die Kosten denen in den Kalkulationshäusern. Wird die gleiche Leistung über DRGs finanziert, so werden die Sachkosten ca. 15 % höher vergütet. Laut Krankenhausstrukturgesetz (KHSG)Footnote 2 hatte deshalb die Selbstverwaltung mit Wirkung ab 2017 die Kalkulationssystematik so zu ändern, dass dieser Effekt abgeschwächt wurde (laut Vereinbarung zunächst 50 %, ab 2018 bis 2021 60 %).Footnote 3

Gezielte Absenkung von mengenanfälligen Leistungen

Im Grundsatz ist die Weiterentwicklung des DRG-Systems regel- und kalkulationsbasiert: Maßgeblich für die Relativgewichte sind die Ergebnisse aus kalkulierenden Krankenhäusern. Die medizinisch nicht indizierten Mengenausweitungen haben den Gesetzgeber bewogen, mit dem KHSG gegenzusteuern: Bis zum 31.05.2016 hatten die Spitzenverbandspartner gezielte Absenkungen vorzunehmen, bei denen es Anhaltspunkte für im erhöhten Maße wirtschaftlich begründete Fallzahlsteigerungen gab. Im Rahmen einer Schiedsstelle wurden schließlich operative Hüftendoprothetik und Eingriffe an der Wirbelsäule abgesenkt bzw. abgestaffelt.Footnote 4

2.3 Investitionsfinanzierung

Das Prinzip der dualen Krankenhausfinanzierung wurde 1972 mit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG)Footnote 5 eingeführt: Investitionskosten werden von den Ländern (und zunächst dem Bund) finanziert, Betriebskosten von den Krankenkassen. Voraussetzung dafür war eine Änderung des Grundgesetzes, mit der in Artikel 74 Nummer 19a dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung „über die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze“ ermöglich wurde. Während sich in den Anfangsjahren der dualen Finanzierung Bund und Länder an der Investitionsfinanzierung beteiligten, baute der Bund seinen Anteil schrittweise ab und mit dem Krankenhaus-NeuordnungsgesetzFootnote 6 wurde diese ab 1985 alleinige Länderangelegenheit.Footnote 7 Die Gesetzgebung verpflichtet die Länder allerdings nicht zu einem bestimmten Förderniveau, weshalb die Investitionsförderung ein kontinuierlich sinkendes Finanzvolumen zu verzeichnen hat – eine Erosion der dualen Finanzierung, die die Träger dazu zwingt, notwendige Modernisierungen aus den DRG-Fallpauschalen zu finanzieren.

2.4 Pflegefinanzierung

Die Regierungskoalition hat im Jahre 2018 beschlossenFootnote 8, die Pflegepersonalkosten besser und unabhängig von Fallpauschalen zu vergüten. Die DRGs wurden mit Wirkung zum 01.01.2019 um die Pflegepersonalkostenvergütung bereinigt und die Personalkosten in Form eines Pflegebudgets nach Selbstkostendeckung finanziert. Es handelt sich um den mit Abstand schwerwiegendsten Eingriff in das DRG-System, der bemerkenswerterweise ohne jegliche konzeptionellen Vorarbeiten erfolgte. Die Umsetzungsschwierigkeiten sind beträchtlich und führen bis heute zu einem erheblichen Vereinbarungsstau: Bis Mitte 2021 konnte nicht einmal für ein Drittel der Krankenhäuser ein Budget für 2020 vereinbart werden. Die Kritik der Autoren an dieser Regel soll hier nicht wiederholt werden.Footnote 9

Die Umsetzung erforderte eine Vielzahl von Vereinbarungen der Spitzenverbandspartner (Leber und Vogt 2020), ohne dass die grundlegenden Probleme damit gelöst worden wären: Es gibt Anzeichen dafür, dass die Krankenhäuser in hohem Ausmaß Kosten in den Pflegebereich verschieben und so die Gefahr einer Doppelfinanzierung droht (siehe Abschn. 8.7.1). Mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG)Footnote 10 ist die Entwicklung eines Instruments zur Ermittlung des individuellen Pflegebedarfs auf den Weg gebracht worden (§ 137k SGB V). Inwieweit dies künftig bei der Bemessung des Pflegebudgets eine Rolle spielt, ist noch offen.

2.5 Vergütung psychiatrischer Leistungen

Zehn Jahre nach dem initialen DRG-BeschlussFootnote 11 hat der Gesetzgeber im Jahre 2009 mit § 17d KHGFootnote 12 versucht, die psychiatrische Vergütung neu zu regeln. Dies geschah nicht nach Fallpauschalen, sondern nach leistungsbezogenen Tagessätzen, deren Regelungen in vielen Fällen Analogien zum DRG-Prozess zeigten (Relativgewichte, ein krankenhausbezogener Entgeltwert, InEK-Kalkulation und vieles mehr) (Haas und Leber 2011). Der Weg zur Einführung des pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (PEPP) nahm allerdings mehr als ein halbes Jahrzehnt in Anspruch und kann im eigentlichen Sinne nach wie vor nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Ursächlich waren unter anderem erhebliche Widerstände der psychiatrischen Krankenhäuser („PEPP muss weg!“) und eine völlig unzureichende Weiterentwicklung der Prozedurenklassifikation (OPS). Die ökonomische Anreizwirkung des Systems ist schwer zu beurteilen, weil die Budgetbestimmung mehr als ein halbes Dutzend Einflussgrößen hat.

2.6 Weitere Vergütungselemente

Das DRG-System wurde von Anfang an durch zusätzliche Finanzierungskomponenten ergänzt. Diese adressieren Fälle, in denen das Fallaufkommen nicht ausreicht, um die Aufrechterhaltung eines angemessenen Versorgungsangebots (Sicherstellungszuschläge für ländliche Krankenhäuser) oder besondere Aufgaben bestimmter Krankenhäuser (Zentrumszuschläge) zu finanzieren. Die wichtigsten ergänzenden Komponenten seien im Folgenden skizziert.

Sicherstellungszuschläge

Krankenhäuser, die für die regionale Basisversorgung der Bevölkerung notwendig sind, aber aufgrund geringer Fallzahlen in der Region ihre relevanten Fachabteilungen nicht kostendeckend finanzieren können, können ein strukturell bedingtes Defizit aufweisen. Sofern kein anderes Haus diese Versorgung übernehmen kann und ein Defizit besteht, kann mit den Krankenkassen ein Sicherstellungszuschlag vereinbart werden. Um die Sicherstellungsrelevanz eines Hauses feststellen zu können, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bundeseinheitliche Vorgaben festgelegt. Diese betreffen insbesondere die Gefährdung der flächendeckenden Versorgung auf Grundlage von Erreichbarkeitsmaßen sowie des geringen Versorgungsbedarfs aufgrund einer geringen Bevölkerungsdichte im Versorgungsgebiet. Als für die Basisversorgung notwendige Vorhaltungen wurden für die Grundversorgung die Fachabteilungen Innere Medizin und Chirurgie, die auch die Kriterien der Basisnotfallstufe erfüllen müssen, und Geburtshilfe bzw. Gynäkologie und Geburtshilfe festgelegt. Zur Verbesserung der regionalen Versorgung von Kindern und Jugendlichen wurde 2020 der Kreis der sicherstellungsrelevanten Fachabteilungen um die der Kinder- und Jugendmedizin erweitert.

Ländliche Krankenhäuser

Durch das eng verwandte Instrument der Liste ländlicher Krankenhäuser hat sich der Anwendungsbereich des eigentlichen Sicherstellungzuschlags jedoch verkleinert. Denn dieses basiert auf den gleichen G-BA-Vorgaben zur Beurteilung der Gefährdung der flächendeckenden Versorgung sowie des geringen Versorgungsbedarfs und erstreckt sich auf die gleichen drei Fachabteilungsfestlegungen Innere Medizin und Chirurgie, Geburtshilfe oder Gynäkologie und Geburtshilfe sowie Kinder- und Jugendmedizin. Jedoch entfällt hier die Notwendigkeit, ein Defizit nachzuweisen, sowie das Genehmigungsverfahren bei den Landesbehörden. Stattdessen vereinbaren die Selbstverwaltungspartner GKV-Spitzenverband, Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und Verband der Privaten Krankenversicherung jährlich eine Liste der Häuser, welche die G-BA-Vorgaben erfüllen. Die Krankenhäuser auf dieser Liste gelten als „bedarfsnotwendiges Krankenhaus im ländlichen Raum“ und haben Anspruch auf eine zusätzliche pauschale Finanzierung durch die Krankenkassen in Höhe von 400.000 € jährlich. Für jede weitere Vorhaltung einer der drei Fachabteilungsfestlegungen erhalten sie seit 2021 zusätzlich 200.000 €; somit kann die pauschale Förderung bis zu 800.000 € betragen. Für das Vereinbarungsjahr 2021 umfasst die Liste insgesamt 140 Krankenhausstandorte.Footnote 13

Zentrumszuschläge

Als Zentren können Krankenhäuser seit 2020 finanzielle Zuschläge nach bundeseinheitlichen Vorgaben erhalten, sofern die Aufgaben über die direkte Patientenversorgung hinausgehen. Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG)Footnote 14 wurde der G-BA beauftragt, bundeseinheitliche Qualitätskriterien für die Zentrumsausweisung und Übernahme besonderer Aufgaben festzulegen. Die Qualitätskriterien müssen sich dabei unmittelbar auf die besonderen Aufgaben beziehen und können insbesondere Vorgaben zu Art und Anzahl von Fachabteilungen, Mindestfallzahlen und Kooperationen mit anderen Leistungserbringern umfassen. Erfolgt ist dies mittlerweile für Zentren in den Bereichen seltene und onkologische Erkrankungen, Trauma, Rheuma sowie für Herz, Lunge und das neurovaskuläre System. Wenn die Qualitätskriterien erfüllt sind und dem Krankenhaus ein entsprechender Versorgungsauftrag seitens der Landesbehörden übertragen wurde, kann das Krankenhaus einen Zentrumszuschlag mit den Krankenkassen vereinbaren.

Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB)

Medizinische Innovationen finden über eine Klassifikationsänderung und ggf. neue DRGs Eingang in das Fallpauschalensystem. Bis zur Umsetzung einer Innovation im DRG-System existiert allerdings eine Lücke von ca. drei Jahren für hochpreisige Produktinnovationen. Um diese „Innovationslücke“ zu schließen, können für noch nicht mit den Fallpauschalen sachgerecht abrechenbare neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden befristete Vergütungen (sogenannte NUB-Entgelte) vereinbart werden. Dazu ist ein Antrag beim InEK zu stellen, das diesen prüft. So darf die Anwendung einer Innovation nicht bereits durch den G-BA ausgeschlossen worden sein und die Entgelte sollen sachgerecht kalkulierbar sein. Bei positivem Ergebnis der Prüfung durch das InEK verhandeln die Vertragsparteien auf der örtlichen Ebene mit dem Krankenhaus das NUB-Entgelt. Dieses gilt dann für ein Jahr und jeweils nur für das beantragende Krankenhaus.

Besondere Einrichtungen

Krankenhäuser oder Teile von Krankenhäusern können als sogenannte besondere Einrichtungen unter bestimmten Voraussetzungen zeitlich befristet vom DRG-Vergütungssystem ausgenommen werden. Infrage kommen dafür Einrichtungen, deren Leistungen insbesondere aus medizinischen Gründen, wegen einer Häufung von schwerkranken Patientinnen und Patienten oder aus Gründen der Versorgungsstruktur mit den Entgeltkatalogen noch nicht sachgerecht vergütet werden. Seit Jahren sind einige wenige Häuser als besondere Einrichtung definiert, die insbesondere palliativmedizinische oder kinder- und jugendrheumatologische Fälle sowie Tropenerkrankungen versorgen.

Notfallstufen

In der initialen Finanzierungssystematik des DRG-Systems wurde lediglich zwischen Krankenhäusern „mit bzw. ohne“ Notfallaufnahme unterschieden. Da diese binäre Differenzierung (de facto 50 € Abschlag je Fall für Nichtteilnahme an der Notfallversorgung) nicht mehr die sehr unterschiedlichen Vorhaltekosten abbildet, hat der Gesetzgeber den G-BA verpflichtet, bis zum 31.12.2017 ein gestuftes System von Notfallstrukturen zu beschließen (§ 136c Absatz 4 SGB V). Die Spitzenverbandspartner hatten den Auftrag, bis zum 30.06.2018 die Höhe sowie das Nähere zur Ausgestaltung der Zu- und Abschläge mit Hilfe des InEK zu ermitteln. Der G-BA hat in seinem Beschluss vom 19.04.2018 eine Basisnotfallstufe sowie eine erweiterte und eine umfassende Stufe definiert. Für die erweiterte Stufe müssen beispielsweise zehn Intensivbetten vorgehalten werden (umfassende Stufe: 20). Es besteht Aufnahmebereitschaft auch für beatmungspflichtige Intensivpatientinnen und -patienten auf die Intensivstation innerhalb von 60 Minuten nach Krankenhausaufnahme.Footnote 15

2.7 Vergütung ambulanter Krankenhausleistungen

Im Krankenhaus-Report 2016 haben die Autoren Leber und Wasem die vielfältigen und weitgehend ungeordneten Vergütungssysteme zur Vergütung ambulanter Krankenhausleistungen dargestellt (Leber und Wasem 2016). Die seinerzeit skizzierte Charakterisierung der „Systematik“ ambulanter Krankenhausleistungen hat sich seither nicht verändert. Mit dem MDK-ReformgesetzFootnote 16 wurde jedoch der Auftrag an die Selbstverwaltungspartner aus § 115b SGB V erneuert, den AOP-Katalog in einer dreiseitigen Vereinbarung von DKG, Kassenärztlicher Bundesvereinigung und GKV-Spitzenverband fortzuentwickeln. Ziel ist die stärkere Ambulantisierung bislang stationärer Leistungen, unter anderem durch die Festlegung der Vorrangigkeit der ambulanten Leistungserbringung im AOP-Vertrag. Grundlage dafür soll ein empirisches Gutachten auf Basis von GKV-Routinedaten sein, das derzeit vom IGES Institut ausgearbeitet wird. Durch die Vorgabe einer entsprechenden Vereinbarung bis Ende Januar 2022 wird dem gesetzlich Nachdruck verliehen.

3 Finanzierung in der Pandemie

3.1 Freihaltepauschale

Das Leistungsgeschehen in deutschen Krankenhäusern im Coronajahr 2020 war geprägt durch zwei Ereignisse:

  1. 1.

    Die Aufforderung der Regierung vom 17.03.2020Footnote 17, elektive Fälle zurückzustellen, um Betten für die Versorgung von Coronapatientinnen und -patienten freizuhalten

  2. 2.

    Eine generelle Zurückhaltung der Bevölkerung, sich in der Coronazeit ins Krankenhaus zu begeben

Beides zusammen bewirkte einen erheblichen Rückgang der versorgten Fälle, der in dieser Form wahrscheinlich nicht politisch intendiert war, aber großenteils das Ergebnis einer politischen Maßnahme sein dürfte: der Freihaltepauschale. Die Bilder von Bergamo vor Augen, brachte die Regierung in atemberaubendem Tempo das Covid-19-KrankenhausentlastungsgesetzFootnote 18 auf den Weg, in dem neben der Finanzierung von Schutzkleidung eine bundesfinanzierte Freihaltung von Betten geregelt wurde (§ 21 KHG). Krankenhäuser erhielten je nicht belegtes Bett (Vergleich war das Vorjahr) einen Betrag von 560 €. Die Beträge wurden zunächst dem Gesundheitsfonds entnommen und später aus dem Bundeshaushalt refinanziert.

In der ersten Welle erfolgte die Leerstandsfinanzierung undifferenziert, was zu einer Unterfinanzierung großer Häuser und einer Überfinanzierung von Basisversorgern führte. Spektakulär ist die Überfinanzierung psychiatrischer Krankenhäuser, deren Tagessatz in der Größenordnung von 280 € liegt. Nicht zuletzt auf Betreiben eines Expertenbeirats, den das BMG zwecks Begleitung der staatlichen Hilfen einberufen hatte (§ 24 KHG), erfolgte zum 01.07.2020 eine Differenzierung. Dies sollte die erste von insgesamt sieben Änderungen der Freihaltepauschalenregelungen in den Jahren 2020 und 2021 sein (Tab. 8.2).

Tab. 8.2 Regelungen zur Freihaltepauschale in den Jahren 2020 und 2021

Für den Zeitraum vom 13.07.2020 bis 30.09.2020 galt eine Staffelung der Pauschalen (360, 460, 560, 660, 760 € und 280 € für die Psychiatrie). Nach wie vor galt die Freihaltepauschale für alle Krankenhäuser – unabhängig davon, ob sie zur Versorgung von Covid-19-Patientinnen und -Patienten einen Beitrag leisten können.

Nach einer kurzen „Auszeit“ wurde die Freihaltepauschale zu Beginn der zweiten Welle wiederbelebt, aber mit einer Fokussierung auf Häuser, die wegen ihrer Intensivstationen einen veritablen Beitrag zu Versorgung von Covid-19-Fällen leisten können. Das 3. BevölkerungsschutzgesetzFootnote 19 griff dabei auf die G-BA-Kriterien für Notfallstufen zurück: Nur Häuser der Notfallstufen 2 und 3 (erweiterte und umfassende Notfallversorgung) kamen in den Genuss der Freihaltepauschale. Nimmt man die Folgeabschätzung des G-BA als Maßstab, dann handelt es sich um etwas über 400 Häuser, also weit weniger als die fast 1.800 Einrichtungen, die in der ersten Welle von der Freihaltepauschale profitierten. Von dieser Fokussierung blieb in den folgenden Monaten jedoch nicht viel übrig. Auf Druck der Länder wurde der Kreis der berechtigten Häuser stetig erweitert, sodass letztlich wieder über 1.000 Häuser von der Freihaltepauschale profitierten. Handlungsleitend für diesen Vorgang dürfte nicht mehr die Covid-19-Versorgung, sondern die allgemeine finanzielle Sicherung der Krankenhäuser gewesen sein. Eine wochenbezogene Auswertung, wie viele Häuser in welchem Zeitraum Freihaltepauschalen erhalten haben, liegt bis heute nicht vor. Die Länder waren zwar aufgefordert, dies im Internet zu veröffentlichen, taten das aber nicht in der notwendigen Differenzierung.

Für das Jahr 2020 haben die Länder ein Auszahlungsvolumen von 10,26 Mrd. € gemeldet. Zur Orientierung: Die Investitionsförderung der Länder für Krankenhäuser beläuft sich auf rund 3 Mrd. €. Dieser (Wieder-)Einstieg des Bundes in die Krankenhausfinanzierung wird in Abschn. 8.4 näher beleuchtet.

3.2 Corona-Ausgleich für 2020 und 2021

Das klassische Instrument zum Ausgleich von (unvorhersehbaren) Belegungsschwankungen sind Mehr- und Mindererlösausgleiche. Sie wurden Mitte der 80er Jahre in das Budgetrecht eingeführt. Der Ausgleichsmechanismus basiert auf einer Fixkostenannahme und gleicht Mindererlöse in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes aus. Umgekehrt fließen Mehrerlöse in der Folgeperiode zurück an die Kostenträger.

Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG)Footnote 20 wurde ein gesonderter Corona-Ausgleich eingeführt (§ 21 Absätze 9 bis 11 KHG). Im Rahmen einer Ganzjahresbetrachtung werden krankenhausspezifisch die Erlöse von 2020 denen von 2019 gegenübergestellt. Dabei sind auch die bis zum 30.09.2020 gezahlten Freihaltepauschalen zu berücksichtigen. Unter Missachtung jeglicher Wirtschaftlichkeitsgebote verblieben Überzahlungen beim Krankenhaus, bei einer Unterzahlung hingegen hatte das Krankenhaus einen Zahlungsanspruch. In einer Vereinbarung einigten sich DKG und GKV auf die 85-85-Regelung: Die bundesfinanzierten Freihaltepauschalen wurden zu 85 % angerechnet und die Erlösminderung wird zu 85 % ausgeglichen.Footnote 21 Ein Haus, das inklusive angerechneter Freihaltepauschalen lediglich 90 % der Erlöse des Vorjahres erreichen konnte, wird also auf 98,5 % der Vorjahressumme angehoben.

Für das Jahr 2021 ist diese Regelung in eine VerordnungFootnote 22 überführt worden, wobei letztlich alle Eckdaten der Vereinbarung übernommen wurden. Zu beachten ist, dass bei den Ausgleichen weder Bund noch Länder in der Finanzierungspflicht sind. Die Ausfallversicherung für nicht erbrachte Versorgungsleistung ist aus den Beitragsgeldern der Kassen sowie anderer Kostenträger zu begleichen.

3.3 Aufbau von Intensivbetten

Mit dem Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz haben Krankenhäuser für den Neuaufbau von Intensivbetten bis zum 30.09.2020 50.000 € je zusätzliches Bett erhalten (§ 21 KHG). Die Zahlung war weder an einen regionalen Bedarf noch an bestimmte Strukturvoraussetzungen geknüpft. Da es keine bundeseinheitliche Definition gibt, was ein Intensivbett ist, und da Nachweispflichten fehlten, gibt es eine bis heute andauernde Debatte über die zweckentsprechende Mittelverwendung („Geisterbetten“). In einem Bericht hat der Bundesrechnungshof Aufklärung angemahnt, die die Länder aber verweigert haben. Ergebnis der mannigfaltigen Forderung nach Transparenz war unter anderem die temporäre krankenhausbezogene Veröffentlichung der gezahlten Beträge durch das BMG – allerdings mit unvollständigen Daten aus Bayern und Thüringen. Die Fördersumme wird aus Beitragsgeldern des Gesundheitsfonds entnommen, aber (anders als die Freihaltepauschalen) nicht aus Bundesmitteln refinanziert.

In welchem Umfang wirklich betreibbare Betten aufgebaut wurden, ist nach wie vor unklar. Das Finanzvolumen beträgt laut Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) 686 Mio. €, was dem Aufbau von 13.700 Betten entspricht. Destatis weist einen Intensivbestand von 26.319 Betten im Jahr 2019 aus. Stellt man dem die aktuellen DIVI-Daten gegenüber, so zeigt sich ein ungeklärtes Delta von rund 2.400 Betten. Das Gros der neu aufgestellten Betten findet sich in einer sogenannten „Notfallreserve“, also Betten, die angeblich in einem Zeitraum von sieben Tagen betreibbar sind.

3.4 Weitere Corona-Folgenfinanzierung

Der Vollständigkeit halber seien einige weitere Finanzierungstatbestände im Gefolge der Coronapandemie erwähnt: die Finanzierung von Mehrkosten, von Tests und von Prämien für das Pflegepersonal.

Mehrkosten

Für die Mehrkosten, die den Krankenhäusern insbesondere in der Frühphase der Pandemie entstanden, um beispielsweise Schutzausrüstung zu beschaffen, hatte das Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz einen Zuschlag von 50 € je Fall bzw. 100 € je Fall bei infizierten Patientinnen und Patienten vorgesehen. Mit Auslaufen dieser Regelung zum 30.09.2020 waren der GKV-Spitzenverband und die DKG aufgefordert, eine Anschlussregelung bis Ende 2021 zu treffen. Sie einigten sich zunächst auf Fortgeltung der Regelung im vierten Quartal und später auf Absenkung der Beträge auf 40 bzw. 80 €.Footnote 23 In der Vereinbarung wird den Vertragspartnern vor Ort empfohlen, die Abschlagszahlungen als endgültigen Betrag zu übernehmen und auf eine detaillierte Aufrechnung mit Nachweisen zu verzichten. Ende 2021 konnte eine Vereinbarung darüber erzielt werden, welche Kosten einzubeziehen und welche Nachweise zu erbringen sind.Footnote 24

Coronatest

Die Finanzierung von Tests auf das Coronavirus ist vielfältig und zum Teil schwer zu ergründen. Mit dem 2. BevölkerungsschutzgesetzFootnote 25 wurde Krankenhäusern die Möglichkeit eröffnet, Coronatests von Patientinnen und Patienten über ein Zusatzentgelt abzurechnen. Nicht von der Regelung umfasst sind die Tests des Personals. Die Höhe des Zusatzentgelts wurde durch die Bundesschiedsstelle am 05.06.2020 festgesetzt (52,50 €). Für PCR-Testungen des Personals durch die Gesundheitsämter hat das BMG die Preise für die Testung festgelegt. Die Preise für die Testung von Patientinnen und Patienten im niedergelassenen Bereich erfolgte durch den (erweiterten) Bewertungsausschuss. Alle drei Testpreise differieren.

Coronaprämie für Pflegekräfte

Für die besondere Belastung der Pflegekräfte in der Pandemie hat der Bund nach der ersten Welle ein Finanzvolumen von 100 Mio. € zur Verfügung gestellt (§ 26a KHG). Einem Vorschlag der Spitzenverbände folgend wurde die Hälfte des Betrages nach der Anzahl der Pflegekräfte und die andere Hälfte nach der Zahl der Covid-19-Fälle ausgezahlt. Mit einer „Betroffenheitsgrenze“ (Mindestzahl von Covid-19-Fällen) wurde die Zahl der Häuser auf 433 eingegrenzt. Nach der zweiten Welle erfolgte eine weitere Zahlung mit einem Gesamtvolumen von 450 Mio. €, für das das BMG erweiterte Verteilungskriterien formuliert hat. Für beide Prämien war in den Krankenhäusern mit den Arbeitnehmervertretungen Einvernehmen über die Pflegekräfte zu erzielen, die diese Zahlung erhalten.

3.5 Das Goldene Jahr der Krankenhausfinanzierung

Das medial pauschal vermittelte Überforderungsszenario der Krankenhäuser kontrastiert deutlich mit der faktischen Absenkung des stationären Versorgungsniveaus. Die Auswertung der Daten für 2020 durch Busse und Augurzky für den Corona-Expertenbeirat (RWI 2021) zeigt, dass lediglich 2 % der Krankenhausbetten durch Covid-19-Fälle belegt waren, auf Intensivstationen 4 %. Die Auslastung der Betten zeigt insgesamt einen erheblichen Leerstand. Insgesamt war 2020 eher ein Jahr der Unterauslastung – keines der Überlastung.

Erstaunlich mag es sein, dass dieses Jahr der verminderten Aktivität nicht zu einem Finanzierungseinbruch und zur Entlastung der Kassenfinanzen geführt hat. Diese sind um 1,7 % gestiegen – nicht gesunken. Ursächlich war eine ganze Reihe von Einzeleffekten, wie z. B. die Erhöhung der Landesbasisfallwerte, die höhere Fallschwere, Tariflohnsteigerungen und eine reduzierte Prüfquote sowie die coronabedingten Mehrausgaben (Leber 2021a). Insgesamt zeigt sich eine Erlössteigerung von 14 % bei einem Fallzahlrückgang von 13 % – ein Ergebnis, das rechtfertigt, von einem „Goldenen Jahr der Krankenhausfinanzierung“ zu reden.

Noch liegen keine endgültigen Daten vor, inwieweit den Erlössteigerungen auch entsprechende Kostensteigerungen gegenüberstehen, aber die gesunkene Insolvenzwahrscheinlichkeit lässt nicht vermuten (Augurzky et al. 2021), dass das Gesamtbild korrigiert werden muss.

4 Reformen nach der Pandemie

Wiedereinstieg des Bundes in die Krankenhausfinanzierung

Was bleibt von dem, was sich während der Coronapandemie geändert hat? Im Folgenden werden einige Prognosen formuliert, die einen gewissen spekulativen Charakter haben, aber sehr wohl wertvoll zur Einschätzung der anstehenden Reformen sein können. Schließlich wird man annehmen können, dass sich bestimmte kollektive Erfahrungen, wie sie die Coronapandemie zweifellos darstellt, in der Reformdebatte niederschlagen werden. Nachhaltige Wirkung dürften die rückläufigen Fallzahlen haben, die Einsicht in die Notwendigkeit konsequenter Digitalisierung, die Bedeutung der Krankenhauspflege, die Strukturierung der Krankenhauslandschaft und – hier als erstes diskutiert – der Einstieg des Bundes in die Krankenhausfinanzierung.

Glaubt man der Zuständigkeit gemäß Grundgesetz, dann hätten eigentlich die für Epidemien und Katastrophenschutz zuständigen Länder die finanziellen Lasten der Coronapandemie schultern müssen. Es kam anders: Der Bund hat sich in allen Bereichen mit milliardenschweren Hilfsprogrammen engagiert und die Hauptlast der Pandemie getragen. Wie im Abschn. 8.3 dargestellt, betrug das finanzielle Engagement des Bundes allein für die Freihaltepauschalen und den Aufbau von Intensivbetten in den Jahren 2020 und 2021 insgesamt 15,23 Mrd. € – ein Vielfaches der Länderinvestitionen. De facto handelt es sich um einen Wiedereinstieg des Bundes in die Krankenhausfinanzierung. In der Anfangszeit des KHG trug der Bund im Rahmen einer Mischfinanzierung ein Drittel der Investitionskosten.Footnote 26 Es wäre konsequent, wenn der Bund sein finanzielles Engagement mit der Durchsetzung bundeseinheitlicher Vorgaben verbinden würde. Bei der Bund-Länder-Mischfinanzierung von 1974 bis 1985 war das nicht der Fall. Auch bei der Freihaltepauschale während der ersten Coronawelle und beim Aufbau von Intensivbetten überließ man die Investitionsentscheidungen den Krankenhausträgern und ließ diese durch Landesbehörden bestätigen. Erst bei der Freihaltepauschale während der zweiten Welle kam in Form der Notfallstufen ein bundeseinheitliches Abgrenzungskriterium zur Anwendung. Mit dem KHZG hat der Bund hingegen zur Förderung der Digitalisierung eigene Kriterien aufgestellt. Inwieweit die detaillierten Richtlinien des BASFootnote 27 bei der Bescheidung durch die Landesbehörden allerdings korrekt angewendet werden, bleibt abzuwarten. Gleichwohl zeichnet sich hier ein neues Politikmuster ab, bei dem der Bund eigenständige Vorgaben zur Strukturierung der Krankenhauslandschaft macht.

Wie dauerhaft das finanzielle Engagement des Bundes ist, ist schwer abzuschätzen. Da allenthalben das Problem der Investitionsfinanzierung als ungelöst angesehen wird, ist ein „kalter Entzug“, also eine Rückführung aller Bundesmittel auf null, eher unwahrscheinlich. Im Folgenden sprechen sich die Autoren für die Bundesfinanzierung von Vorhalteleistungen aus – nach bundeseinheitlichen Kriterien und direktem Finanzfluss von der Bundesebene an die Krankenhäuser.

Pflege im Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit

Neben der Pandemie waren Digitalisierung und Pflege die dominierenden gesundheitspolitischen Themen der letzten Legislaturperiode. Der DRG-Pflege-Split und die Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen seien exemplarisch genannt, auch wenn der eigentliche Handlungsdruck eher im Bereich der Altenpflege bestand und auch in der näheren Zukunft bestehen wird.

Für die Pflegepersonalkosten wurde das Selbstkostendeckungsprinzip eingeführt, also jenes Prinzip, das nach wie vor am besten geeignet ist, ein Sozialsystem zu ruinieren. Da das Pflegebudget fast ein Fünftel der Krankenhauskosten umfasst, sind Bestimmungsgrößen für dieses Budget ein ganz entscheidender Faktor für die Krankenhausfinanzierung insgesamt. Die Pandemie hat den Blick auf das Pflegepersonal nachhaltig verstärkt. Während traditionell eher die Ärztinnen und Ärzte zu Helden der Nation gekürt wurden, galt in der Pandemie die öffentliche Anteilnahme vor allem den Pflegekräften auf der Intensivstation. Aufgrund dieser Entwicklung wird deshalb in Abschn. 8.7 zum Thema Pflegebudget nicht die Rückführung in den DRG-Bereich diskutiert, sondern andere Möglichkeiten, das Pflegebudget am Pflegebedarf und an der Pflegeleistung zu orientieren.

Strukturierung der Krankenhauslandschaft

Wie bei der Darstellung der Freihaltepauschalen (siehe Abschn. 8.3.2) und beim Aufbau der Intensivbetten (siehe Abschn. 8.3.3) beschrieben, erfolgten die ersten Maßnahmen ohne jede Berücksichtigung der Krankenhausstrukturen: Jedes Krankenhaus bekam Unterstützung, egal ob es einen wirkungsvollen Beitrag zur Bewältigung der Coronapandemie leisten kann und wird. Erst im Verlauf des Jahres 2020 wurde deutlich, dass es sinnvoll ist, die Krankenhausstruktur zu berücksichtigen. Die Versorgung der schweren Covid-19-Fälle kann nur von einer Minderheit der Krankenhäuser geleistet werden – was zumindest partiell bei der späteren Verteilung der Förderung berücksichtigt wurde. Durch diese Art wurde die Aufmerksamkeit auf den unterschiedlichen Versorgungsauftrag der einzelnen Krankenhäuser gelenkt: Nicht alle Krankenhäuser sind für jede Versorgung geeignet und beauftragt. Die vermeintliche Gewissheit, dass die Landesplanung den Versorgungsauftrag adäquat definiert, wurde nachhaltig erschüttert. Langsam reift die Erkenntnis, dass die Reform der stationären Versorgung weniger durch eine Reform der Vergütung als vielmehr durch eine Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft erreicht werden könnte (siehe Abschn. 8.8).

Ende des Fallzahlanstieges und der Ruf nach stabilen Budgets

Der langjährige Fallzahlanstieg im Krankenhaus hatte sich schon in den Jahren vor der Pandemie verlangsamt. In der Pandemie kam es dann zu einem historischen Einbruch der Fallzahlen (siehe Abschn. 8.3.5). Die Folgen für den politischen Diskurs zur Krankenhausvergütung folgen einer vergleichsweise simplen Logik: In Zeiten steigender Fallzahlen sprechen sich alle Krankenhäuser für Fallpauschalen aus; wenn die Fallzahl sinkt, wird der Ruf nach Budgetsicherung laut.

Im Mittelpunkt der nächsten Vergütungsreform wird nach der kollektiven Erfahrung eines Fallzahlrückgangs, verbunden mit einer publizistisch hohen Bedeutung der Vorhaltung von Kapazitäten, höchstwahrscheinlich eine Minderung der leistungsbezogenen Komponente stehen. Verbunden mit dem neuen finanziellen Engagement des Bundes könnte dies eine bundesfinanzierte, leistungsunabhängige Vorhaltevergütung sein. Sie wird im folgenden Abschnitt näher ausgeführt, bevor in Abschn. 8.6 einige weitere Reformoptionen diskutiert werden.

5 Vorhaltefinanzierung

5.1 Abkehr von der reinen Leistungsfinanzierung

Die meisten Staaten der Welt haben eine Art Mischfinanzierung im Krankenhausbereich. Auch Deutschland hatte dies bei der Neuordnung der Krankenhausfinanzierung im Jahre 1972: Bund und Länder zahlten in einer Größenordnung von etwas mehr als einem Fünftel der Gesamtkosten leistungsunabhängig die Investitionen, die Kassen zahlten die Betriebskosten. Letztere wurden sukzessive in ein leistungsorientiertes System überführt. Aufgrund der Erosion der Länderfinanzierung ist es zu einer Dominanz der Leistungsorientierung gekommen, die dazu geführt hat, dass nur noch 3 % des Finanzierungsvolumens leistungsunabhängig sind.Footnote 28

Die terminologische Vielfalt im Bereich der leistungsunabhängigen Finanzierung ist groß. Einerseits geht es um Investitionskostenfinanzierung, des Weiteren um Fixkostendeckung, um Sockelfinanzierung und eben um Vorhaltefinanzierung. Die duale Finanzierung trennt (bauliche) Investitionen von Betriebskosten. Bauinvestitionen stellen allein jedoch keine umfassende Vorhaltung dar, weil mit Gebäuden ohne Personal keine Versorgungsleistung garantiert werden kann. Eine Sockelfinanzierung differenziert nicht nach Kostenart und stellt eine Ergänzung zur leistungsorientierten Vergütung dar. Fixkostendeckung hingegen ist immer eine Frage des Betrachtungszeitraums: Kurzfristig sind alle Kosten fix, langfristig alle variabel (von „sunk costs“ abgesehen). Allen Konzepten gemeinsam ist die Unabhängigkeit von der Leistungserbringung. Im Folgenden wird die „Vorhaltefinanzierung“ näher diskutiert, da sie in der Pandemie eine besondere Rolle gespielt hat.

Die Sichtweise, dass Krankenhäuser trotz schwankenden Krankheitslast „einfach da sein müssen“, gehört seit der Pandemie zum kollektiven Erfahrungsmuster. Aber Vorhaltefinanzierung ist keine undifferenzierte Leerstandsfinanzierung, sondern sollte mit einem klar definierten Versorgungsauftrag verbunden sein.

5.2 Grundprinzipien einer Vorhaltefinanzierung

Ein geschlossenes Konzept zur Vorhaltefinanzierung in Deutschland liegt bislang nicht vor. Es sei deshalb versucht, einige Grundprinzipien für eine solche leistungsunabhängige Vorhaltefinanzierung zu formulieren.

Bevölkerungsbezug

Die notwendige Vorhaltung muss sich aus einer Versorgungsaufgabe für eine definierte Bevölkerung ergeben. Das finanzielle Gesamtvolumen leitet sich aus der zu versorgenden Bevölkerung ab. Sollte in einem Kreis die Versorgung durch drei Krankenhäuser wahrgenommen werden, so steht für jedes Krankenhaus, vereinfacht gesagt, nur ein Drittel zur Finanzierung zur Verfügung. Nicht ganz trivial ist die Berücksichtigung von Patientenwanderungen, wie sie typischerweise im Falle einer Umlandversorgung auftreten.

Erreichbarkeit

Das zentrale Kriterium für die Zuordnung von Bevölkerung und Krankenhaus ist die Erreichbarkeit. Aufgrund der Vorarbeiten zur Identifizierung von Sicherstellungshäusern existiert inzwischen ein funktionsfähiges Instrumentarium zur Ermittlung von Erreichbarkeiten, so z. B. der GKV-Kliniksimulator.Footnote 29

Versorgungsstufen

Einigkeit besteht darüber, dass zwischen Basisversorgern, Spezialversorgern und Maximalversorgern ein Versorgungsspektrum existiert, das aber bislang nicht bundeseinheitlich definiert ist. Die Debatte über die Zahl der funktionsfähigen Intensivbetten (siehe Abschn. 8.3.3) hat eindringlich vor Augen geführt, wie wichtig es ist, Strukturvorgaben zu definieren, um ein verlässliches Vorhaltesystem aufzubauen, das halbwegs frei von Mitnahmeeffekten ist. Beispielgebend für die Definition von Versorgungsstufen dürften die Notfallstufen sein. Der G-BA hat aber auch für Stroke Units und die Geriatrie verwendbare Definitionen geschaffen.

Bezug zu Fachabteilungen, Ärzten oder Leistungsgruppen

Für die Ausdifferenzierung des Versorgungsspektrums wird in der klassischen Bettenplanung in der Regel die Fachabteilung verwendet, wobei allerdings keine verbindliche und klare Definition verfügbar ist: Eine gewisse Orientierung an der ärztlichen Weiterbildungsordnung wird wahrscheinlich noch lange eine Rolle spielen. Es gibt inzwischen auch weitergehende Versuche, das Leistungsspektrum differenziert abzubilden, so z. B. die für Nordrhein-Westfalen entwickelte Unterteilung in Leistungsbereiche und Leistungsgruppen (Busse 2020; PD 2019).

Definierter Versorgungsauftrag

Im Kern geht es darum, im Ernstfall für eine definierte Menge an Patientinnen und Patienten eine klinische Versorgung garantieren zu können. Beispielgebend ist hier möglicherweise die „Notfallreserve“ im DIVI-RegisterFootnote 30, bei der die Anzahl der innerhalb von sieben Tagen betreibbaren Intensivbetten registriert wird. Das Beispiel macht deutlich, dass Vorhaltefinanzierung nicht mit Investitionsfinanzierung gleichzusetzen ist, weil „betreibbar“ auch die Verfügbarkeit des Personals voraussetzt. Die Pandemie hat auch gelehrt, dass man sich eine Notfallreserve nicht als leerstehendes, langsam verstaubendes Intensivbettenlager vorstellen muss.

Eigener Finanzierungsweg

Wenn die Finanzierung von Vorhaltekosten leistungsunabhängig sein soll, dann empfiehlt sich ein Finanzierungsweg jenseits der Leistungsvergütung – auch wenn theoretisch Ausgleichsmodelle via DRG-Vergütung möglich sind. Zu denken ist an eine Direktzuweisung der Mittel, insbesondere dann, wenn es sich um Bundesmittel handelt (oder Mittel aus dem Gesundheitsfonds). Das bis heute nicht aufgeklärte Versickern von Finanzmitteln für Freihaltepauschalen und Intensivbetten hat deutlich gemacht, dass das Geld keinesfalls über die Landesbehörden fließen sollte.

5.3 Modell einer Vorhaltefinanzierung der Kinder- und Jugendmedizin

Wie kann eine leistungsunabhängige Vorhaltefinanzierung basierend auf diesen sechs Grundprinzipien konkret ausgestaltet werden? Die Kinder- und Jugendmedizin eignet sich hierfür besonders: Einmal ist sie in der Leistungserbringung verhältnismäßig unabhängig von anderen Fachrichtungen. Zudem gibt es in diesem Bereich weniger Konkurrenz und regional möglicherweise sogar Unterversorgung, sodass eine auskömmliche Finanzierung der Vorhaltung hier besonders relevant ist. Aus diesem Grund gibt es aktuell bereits Forderungen, die Finanzierung der Kinder- und Jugendmedizin zu modifizieren.

Die Vorhaltung einer wichtigen und wünschenswerten Struktur (wohnortnahe Grund- und Spezialversorgung, gestuft nach dem Umfang der zu versorgenden Bevölkerung) soll „geldwert“ gemacht werden. Vorgeschlagen wird dafür ein vorab definierter Fixbetrag, dessen Höhe nach dem Umfang der Vorhaltungen variiert. Das Modell löst sich von bestehenden Angebotsstrukturen hin zu einer Bedarfsorientierung, indem es den Umfang der Vorhaltungen anhand eines definierten und gegebenenfalls gestuften Versorgungsauftrags innerhalb von Erreichbarkeitsschwellen ausgehend vom Wohnort der Bevölkerung bemisst. Sollten mehrere Anbieter Vorhaltung für diese zu versorgenden Einwohner betreiben, erhalten sie den Fixbetrag nur anteilig; bei Unterversorgung besteht dagegen ein Versorgungsanreiz. Die notwendigen Festlegungen für ein solches System von Vorhaltungen, differenziert nach Schwerpunkten und Zusatzweiterbildungen der kinder- und jugendmedizinischen Versorgung, trifft dabei der G-BA. Relevant sind dabei insbesondere Mindestvorgaben zur Anzahl und Qualifikation des vorzuhaltenden Fachpersonals sowie zum zeitlichen Umfang der Bereitstellung und der Erreichbarkeiten.

Die Finanzierung der Pauschalbeträge soll dabei durch Ausgliederung vorhaltungsrelevanter Anteile aus den DRG-Fallpauschalen erfolgen. Diese bemessen sich anhand der Personalkosten der für die jeweilige Vorhaltung erforderlichen fachärztlichen Besetzung; die Pflege wird bereits voll über das Pflegebudget finanziert. Insofern verschiebt sich die Betriebsmittelfinanzierung durch GKV-Mittel etwas in Richtung Leistungsunabhängigkeit, was die personelle und finanzielle Planbarkeit für die Häuser verbessert und gleichzeitig den Anreiz zur Mengenausweitung dämpft. Damit ist das Modell eine Weiterentwicklung der bestehenden Elemente leistungsunabhängiger Vergütung (Sicherstellung, Notfallstufen und Zentren).

Grundsätzlich ergeben sich zwei Lösungsoptionen für die zusätzliche Mittelaufbringung: Zum einen kann das Volumen der DRG-Finanzierung entnommen werden, zum anderen könnte es aus Bundesmitteln direkt an die Krankenhäuser gezahlt werden (siehe Abschn. 8.5.2, Finanzierungsweg).

6 Weitere Modifikationen der Krankenhausfinanzierung

6.1 Qualitätsorientierte Krankenhausfinanzierung

Die gesundheitspolitische Debatte zur qualitätsorientierten Vergütung in Deutschland ist durch ein Paradoxon gekennzeichnet: Alle sind für Qualitätsorientierung, alle sind der Meinung, dass finanzielle Anreize eine wesentliche Rolle in der Versorgung spielen, aber keiner ist der Meinung, dass qualitätsorientierte Vergütung eingeführt werden sollte. Die Ressentiments sind vielfältig. In der „QS-Szene“ dominiert die Attitüde, dass ökonomische Anreize (z. B. in Form von Fallpauschalen) in der Regel Ursache für viele Qualitätsmängel sind, ökonomische Anreize also per se nicht in der Lage sind, eine verbesserte Versorgung herbeizuführen. Fundamental ablehnend ist auch die Haltung der DKG. Erstaunlicherweise gibt es auch in der eher ökonomisch orientierten Kassenlandschaft erhebliche Vorbehalte gegenüber qualitätsdifferenzierender Vergütung. Ursächlich mag die Befürchtung sein, den Versicherten erklären zu müssen, dass die Qualität der Versorgung derzeit nicht optimal ist. Keinesfalls dürfe zudem die Krankenkasse daran verdienen, dass die Versicherten schlecht versorgt würden – was im Falle von Qualitätsabschlägen der Fall wäre.

Die Verbindung von Vergütung und Qualität ist alles andere als trivial – zumindest dann, wenn man sich nicht auf die einfache Variante beschränkt, eine Auswahl von Kliniken höher zu bezahlen, die bestimmte qualitative Strukturanforderungen erfüllen. Will man die Vergütung von Leistungen an die Ergebnisqualität knüpfen, dann muss letztlich eine „Kreuztabelle“ erstellt werden, bei der die DRGs mit den Qualitätsindikatoren gematcht werden. Sollen die Feldbesetzungen nicht zu klein werden, dann müssen bestimmte Indikatoren als Leitindikatoren stellvertretend für die Qualität von ganzen Leistungsgruppen verwendet werden (Mansky 2011).

Der Gesetzgeber hat Ansätze zu einer qualitätsorientierten Vergütung erstmals im Jahre 2015 eingeführt.Footnote 31 Der G-BA hatte bis zum 31.12.2017 vier Bereiche zu definieren. Die Umsetzung ist bislang mit insgesamt 38 Verträgen eher bescheiden (Zahl der Verträge zum 22.07.2021 in Klammern):

  1. 1.

    Endoprothetische Gelenkversorgung (12)

  2. 2.

    Prävention des postoperativen Delirs bei der Versorgung von älteren Patientinnen und Patienten (5)

  3. 3.

    Respiratorentwöhnung von langzeitbeatmeten Patientinnen und Patienten (20)

  4. 4.

    Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen im Krankenhaus (1)

Für alle Verträge ist eine Evaluation durch das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) obligatorisch, was ein Grund dafür sein mag, dass die Kassen nicht in großer Anzahl qualitätsorientierte Verträge vereinbart haben.

Beim Gesetzgeber ist allerdings eine gewisse Hartnäckigkeit zu konstatieren: Das GVWG sieht nunmehr vier weitere Leistungsbereiche vor und die Kassen werden gezwungen, ein Finanzvolumen von 0,30 € je Versicherten für qualitätsorientierte Vergütung zu verwenden (§ 110a Absatz 3 SGB V). Tun sie das nicht, so ist im Folgejahr der fehlende Betrag an die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zu zahlen. Dem GKV-Spitzenverband kommt die Aufgabe zu, dies zu überwachen und entsprechende Bescheide zu erstellen. Es besteht die Verpflichtung für den G-BA, auf der Basis eines IQTIG-Abschlussberichts (Frist: 31.12.2028) bis zum 31.10.2029 Empfehlungen zur weiteren Entwicklung der qualitätsorientierten Vergütung zu geben (§ 136b Absatz 8 SGB V).

Als Zwischenresümee bleibt festzustellen, dass die qualitätsorientierte Vergütung in der gesundheitspolitischen Debatte sehr viel mehr Raum einnimmt als in der deutschen Versorgungswirklichkeit. Sie ist auch eher eine (langfristige) Verfeinerung der leistungsorientierten Vergütung und keine Alternative dazu.

6.2 Regionalbudgets

Die Forderung nach Regionalbudgets gilt als Lösung zur Überwindung der sektoralen Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung im deutschen Gesundheitswesen. Aktuell findet sich diese Forderung im Wahlprogramm der Grünen zur Bundestagswahl 2021Footnote 32 und als gemeinsame Forderung des AOK-Bundesverbandes und einiger privater KlinikträgerFootnote 33 wieder. Inhaltlich bleiben sie weitgehend unbestimmt.

Die strenge sektorale Trennung, die ursächlich für allerhand Mängel in der Versorgung sein soll, existiert de facto so nicht mehr. Seit 1989 wurde quasi jährlich eine neue Rechtsform zur Öffnung von Krankenhäusern für die ambulante Versorgung geschaffen. Die Übersicht im Krankenhaus-Report von 2016 zeigt immerhin 16 unterschiedliche Rechtsformen (Leber und Wasem 2016).

Die ambulante Öffnung von Krankenhäusern ist noch kein Regionalbudget. Dies entsteht erst, wenn die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in eine gemeinsame Organisationsstruktur oder zumindest eine gemeinsame Finanzierungsstruktur eingebunden werden. Bislang ist dies noch nirgends geschehen, da es de facto die territoriale Aufhebung des Monopols der Kassenärztlichen Vereinigung voraussetzt.Footnote 34 Sofern es in der Vergangenheit zu einer organisatorischen Verbindung von Krankenhäusern und Praxen gekommen ist, so gingen diese eher von der Idee eines Ärztenetzes aus, das „sein Krankenhaus“ steuert.Footnote 35 Die neuen Modelle sehen vielmehr das Krankenhaus als leitende Instanz.

Die meisten Versuche in Richtung eines sektorübergreifenden Versorgungsbudgets gibt es in der Psychiatrie.Footnote 36 Sie sind aber allesamt ambulant-stationäre Krankenhausbudgets, beziehen also die ambulante Versorgung durch psychiatrische Institutsambulanzen ein, umfassen jedoch nicht die Versorgung durch niedergelassene Psychiater. Sie sind letztlich nur Gesamtbudgets, bei denen dem Krankenhaus die Wahl der Versorgungsform überlassen wird. Da hierbei immer die Gefahr „ambulant versorgen – stationär kassieren“ besteht, hat sich bislang keines dieser Projekte bundesweit durchgesetzt.

Letztlich ist zu fragen, ob durch ein Regionalbudget die sektoralen Steuerungsprobleme gelöst werden oder ob sich nicht vielmehr die Probleme beider Sektoren addieren und ein paar weitere dazukommen. Stellvertretend für ein zusätzliches Problem sei die Regionsabgrenzung genannt. Sie ist wichtig, weil viele der Modelle von einer Art Capitation mit regionalem Bevölkerungsbezug ausgehen, also von einem Betrag je Regionseinwohner, mit dem das Netzmanagement auskommen muss. Eine klare Regionsabgrenzung mag in abgeschiedenen Schwarzwaldtälern (ohne Fluchtmöglichkeit) einigermaßen funktionieren, völlig unklar aber bleibt, wie ein solches Projekt im Ruhrgebiet ausgestaltet sein könnte. In der Regel wird dann angenommen, dass Fremdversorgung auf Kosten des Netzes in Anspruch genommen werden kann, was eine erhebliche Erhöhung der Abrechnungskomplexität mit sich bringen würde. Unklar ist auch, was passiert, wenn das Regionalbudget nicht ausreicht, also eine Situation droht, in der der gesetzlich zugesicherte Leistungsumfang nicht mehr garantiert werden kann. Der marketingmäßige Charme allerdings bleibt unbestritten: Regionalbudgets verheißen Geborgenheit in überschaubaren Lebensräumen. Am Ende werden diese Modelle jedoch nicht ohne DRGs, Einheitlichen Bewertungsmaßstab, Arzneimittelprüfung und all die anderen Regularien auskommen. Für die Neuordnung der Krankenhausvergütung sind sie keine Lösung, sondern eher eine Zusatzoption in eng begrenzten Regionalkonstellationen.

6.3 Finanzierung von Versorgungsstufen

Das bestehende Vergütungssystem kennt keine Vergütungskomponenten, die an die Versorgungsstufe anknüpfen. Der unterschiedliche Versorgungsauftrag eines Krankenhauses wird ausschließlich im DRG-Leistungsspektrum abgebildet. So erhalten Universitätskliniken keinen „Uni-Zuschlag“, aber ihre hoch komplexen Leistungsspektren (z. B. Organtransplantationen) werden adäquat abgebildet. Lediglich bei den Notfallzuschlägen gibt es inzwischen eine Differenzierung nach Versorgungsstufen (siehe Abschn. 8.2.6).

Die Einführung einer Vergütungskomponente, die sich an der Versorgungsstufe orientiert, ist prinzipiell möglich, verlangt aber einige Vorarbeiten:

  1. 1.

    Die Versorgungsstufen müssten bundeseinheitlich definiert und nach Möglichkeit von einer Bundesinstanz zugewiesen werden. Die Zuordnung einer Versorgungsstufe durch die Planungsbehörden der Länder würde nicht zu einer verzerrungsfreien Bescheidung führen.

  2. 2.

    Die Kalkulation der DRGs müsste um die Versorgungsstufe bereinigt werden. Es müsste also berücksichtigt werden, dass ein Teil der Kosten einer von Universitäten erbrachten DRG-Leistung bereits anderweitig finanziert wird. Eine solche Bereinigung ist nicht trivial.

  3. 3.

    Es müsste ein System zur Festlegung der Höhe dieser Vergütungskomponente gesetzlich verankert werden.

Eine Strukturierung der Krankenhauslandschaft steht ganz oben auf der Agenda der nächsten Krankenhausreform. Es stellt sich allerdings die Frage, ob dies durch strukturbezogene Vergütungskomponenten erreicht werden kann oder ob nicht vielmehr eine klarere Aufgabenteilung zwischen Basis- und Maximalversorgern via gestufte Abrechnungsoptionen durchgesetzt werden könnte. Das DRG-System bietet in hervorragender Weise Möglichkeiten, Basisversorgung von Maximalversorgung zu trennen und den Krankenhäusern einen entsprechenden „Abrechnungskreis“ zuzuordnen. Der landesplanerische Feststellungsbescheid müsste allerdings entsprechend differenziert ausgestaltet und auch aktualisiert werden.

7 Zukünftige Vergütung von Pflegeleistungen

7.1 Probleme des „Pflexit“

Die Umsetzungsprobleme des DRG-Pflege-Splits sind beträchtlich (siehe Abschn. 8.2.4). Die umfangreichen Vereinbarungen, die notwendig sind, um die Kostentrennung zu administrieren, sind bereits an anderer Stelle dargestellt worden (Leber und Vogt 2020). Auch im zweiten Jahr nach dem DRG-Pflege-Split erweist sich die Kostentrennung als schwer lösbares Problem – sowohl auf der Ortsebene als auch auf der Bundesebene bei der Normierung des DRG-Systems. Bei der Vereinbarung des DRG-Systems für 2021 im Herbst 2020 deutet sich ein Anwachsen des Pflegebudgets um mehr als 10 % (ca. 1,6 Mrd. €) an, das schwer durch eine Zunahme des Personalstamms erklärbar gewesen ist. Vielmehr lag die Vermutung nahe, dass größere Finanzvolumina vom DRG-Bereich in das Pflegebudget „umgebucht“ worden sind. Zu einem kleinen Teil war das verständlich, weil die Trennlinie zwischen beiden Bereichen nicht klar war und nun eine für das Krankenhaus positive Zuordnung erfolgte – teils durch Umorganisation (zahlreiche Mitarbeitende waren auf einmal in der „Pflege am Bett“ tätig), teils durch echte Umbuchung. Da mitten in der Coronakrise eine Ersatzvornahme nicht opportun war, einigten sich GKV und DKG auf eine Bereinigung des DRG-Budgets in Höhe von rund 200 Mio. € und vereinbarten ansonsten, die Trennlinie zwischen den Budgets schärfer zu ziehen. Zur Abgrenzung der Berufsgruppen hat man sich an der Abgrenzung bei den Pflegepersonaluntergrenzen orientiert. Trotz dieser schärferen Abgrenzung ist es im zweiten Jahr wiederum zu einem umstrittenen Wachstum des Pflegebudgets in der Größenordnung von 10 % gekommen. Da ein schwer zu ermittelnder Finanzanteil im Pflegebudget absenkend im DRG-Bereich berücksichtigt werden musste, kam es zu keiner Einigung zwischen den Vertragspartnern und das Vergütungssystem für 2022 musste durch ministerielle Ersatzvornahme festgelegt werden.Footnote 37 Aus Kassensicht bleibt die Bereinigung des aG-DRG-Systems mit 175 Mio. € weit unter dem erforderlichen Niveau. Es kommt zu einer massiven Doppelfinanzierung von Pflegekosten.

Alsbald sollte nach alternativen Bestimmungsmöglichkeiten für das Pflegebudget gesucht werden. Hier ergibt sich ein Zusammenhang zu den weiteren auf die Pflege bezogenen gesetzlichen Maßnahmen: Die Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen und die Aufgabe, ein Instrument zur Ermittlung des Pflegebedarfs zu entwickeln.

7.2 Pflegepersonal: Untergrenzen und Bedarfsermittlung

Seit 2019 gelten für bestimmte „pflegesensitive Bereich“ Pflegepersonaluntergrenzen. Da es gegen die Vereinbarung von Untergrenzen ein bis heute gültiges Veto des DKG-Vorstandes gibt, wurden die Untergrenzen per Rechtsverordnung des BMGFootnote 38 zunächst für die Bereiche Geriatrie, Intensivmedizin, Kardiologie und Unfallchirurgie eingeführt (Leber und Vogt 2020; Trewendt und Doumit 2020). Für das Jahr 2020 kamen die Herzchirurgie und drei neurologische Bereiche hinzu, aber zu Beginn der Coronapandemie wurde die Regelung temporär ausgesetzt. Ab 2021 sind nunmehr die gesamte Innere Medizin und die Allgemeine Chirurgie sowie die Pädiatrie geregelt.

Im Koalitionsvertrag von 2017 war vorgesehen, dass für alle Stationen Untergrenzen definiert werden sollten. Will man Verschiebungen vermeiden („Ein Loch stopfen und an anderer Stelle eines aufreißen.“), so ist die Erweiterung auf das gesamte Krankenhaus letztlich zwingend.

Die jetzigen Pflegepersonaluntergrenzen haben zwei wesentliche methodische Mängel:

  1. 1.

    Der individuelle Pflegebedarf wird nicht berücksichtigt, sodass alle Anhaltszahlen von der wenig plausiblen Annahme ausgehen, alle Patientinnen und Patienten hätten den gleichen Pflegebedarf – zumindest in der Stationsaggregation.

  2. 2.

    Mangels pflegewissenschaftlicher Studien gibt es keinerlei Anhaltspunkte, wie hoch die Untergrenzen festgelegt werden müssen, um „gute Pflege“ zu garantieren. Es wurde deshalb auf einen Perzentilansatz zurückgegriffen und Handlungsbedarf im unteren Quartil konstatiert.

Beide Probleme könnten einer Lösung nähergebracht werden, wenn man ein Instrumentarium zur Ermittlung des (individuellen) Pflegebedarfs entwickelt. Diesen Auftrag haben seit dem GVWG die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene. Konkret haben sie „im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit die Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Pflegepersonalbedarfs […] auf bettenführenden Stationen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben“ sicherzustellen, ein Institut ist zu beauftragen und die Erprobung bis Ende 2024 abzuschließen (§ 137k SGB V).

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Verwendung dieses Instruments bislang nicht gesetzlich geregelt ist – nicht einmal ansatzweise. Die schon im Vorfeld erbittert geführten Auseinandersetzungen lassen darauf schließen, dass Krankenhäuser und Krankenkassen davon ausgehen, dass dieses Instrument künftig finanzielle Wirkung entfachen könnte, wenn es nämlich die bestehende Selbstkostenregelung für das Pflegebudget mittelfristig substituiert. Dementsprechend ist die Entwicklung des Instruments mit all jenen Konflikten behaftet, die auch bei Fallpauschalen eine Rolle spielen.

Analytik oder Empirie

Das deutsche Standardmodell zu Ermittlung von Personalbedarf lautet „REFA mit Supervision“. Entsprechend der klassischen Methode zur Ermittlung von Arbeitsaufwand wird der Arbeitsprozess mit der Stoppuhr begleitet und von einer beobachtenden dritten Person beurteilt, um zu garantieren, dass der zu leistende Arbeitsvorgang auch den gewünschten qualitativen Ansprüchen genügt. Eines der jüngeren Beispiele für dieses Vorgehen ist die Ermittlung des Personalbedarfs in der stationären Altenpflege (Rothgang 2020). Unterblieben ist allerdings, das Ergebnis mit dem De-facto-Aufwand (bzw. der Personalausstattung der Häuser insgesamt) abzugleichen. Will man die Wirkung bestimmter Anhaltszahlen antizipieren, erfordert dies immer, die Ergebnisse einer analytischen Mikrosicht der „Laborstudie“ mit dem empirischen Makrobild abzugleichen.

Bedarf oder Versorgung

Für den Versicherten ist es nicht nur wichtig, ob sein Pflegebedarf richtig ermittelt wird – es kommt auch darauf an, dass die Pflege wirklich erfolgt. Das von DKG, ver.di und Deutschem Pflegerat propagierte Modell der PPR 2.0Footnote 39 ermittelt beispielsweise nur den Bedarf, nicht jedoch die tatsächlich erbrachte Pflege. Gegen die Erfassung „jedes Handgriffs“ werden üblicherweise Schlagworte wie „Misstrauenskultur“, „Kontrollwahn“ und „Bürokratielast“ ins Feld geführt. Aber es ist evident, dass ein Finanzierungsinstrument nicht auf dem aufbauen kann, was notwendig wäre, sondern auf dem, was auch an Versorgung geleistet worden ist. Dabei ist allerdings eine „Einzelleistungsfinanzierung“ zu vermeiden.

Ableitung aus der Krankenakte

Die gesetzliche Vorgabe in § 137k SGB V verlangt zurecht ein bürokratiearmes Verfahren. Von den Pflegekräften sollte nichts erfasst werden müssen, nur um Pflegebedarf oder Pflegeleistung zu dokumentieren. Aber all das, was lege artis in einer digitalen Patientendokumentation erfasst werden muss, kann ohne Zusatzaufwand für die Pflegekräfte zur Ermittlung von Bedarf und erbrachter Leistung abgeleitet werden. Man muss die Entwicklung des Instruments zur Pflegebedarfsermittlung im Zusammenhang mit der Förderung der digitalen Dokumentation gemäß KHZG sehen. Der Bund investiert derzeit 3 Mrd. €, um einen digitalen Mindeststandard in den Krankenhäusern zu erreichen. Dies sollte die Ableitung des Pflegebedarfs aus einer digitalen Patientenakte ermöglichen.

Das Standardargument gegen verbindliche Vorgaben zur Personalausstattung ist der Mangel an Pflegekräften. In der Tat sind Pflegekräfte, wie alle Arbeitskräfte in Ausbildungsberufen, nicht kurzfristig verfügbar. Im internationalen Vergleich hat Deutschland jedoch nicht nur viele Ärztinnen und Ärzte, sondern auch viele Pflegekräfte. Die Frage, warum gleichwohl die Zahl der Patientinnen und Patienten je Pflegekraft beispielsweise in skandinavischen Ländern geringer ist, lässt sich leicht beantworten: Weniger Krankenhausfälle! Vieles, was in Deutschland im vollstationären Bereich versorgt wird, wird in Skandinavien ambulant versorgt. Die entsprechenden Regeln zu den Pflegepersonaluntergrenzen sehen dann auch konsequenterweise eine Rückführung der Fallzahl vor, konsequent nach dem Prinzip: Ohne Pflegekräfte keine Patientinnen und Patienten.

8 Vergütungsstruktur und Versorgungsstruktur

Der eigentlich wichtige Reformansatz für die stationäre Versorgung ist wahrscheinlich nicht die fundamentale Umgestaltung der Vergütung, sondern die Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft (möglicherweise sogar der Versorgungslandschaft insgesamt). Üblicherweise wird hier eine Zuständigkeit der Landeskrankenhausplanung gesehen – sowohl von denen, die die gegenwärtige Struktur als erhaltenswert ansehen, und noch mehr von jenen, die sie ändern wollen. De facto fehlen den Ländern die Instrumente, um landesplanerische Entscheidungen durchzusetzen, selbst wenn sie eine rationale Krankenhausversorgung gestalten wollten (was nicht der Fall ist). Gesetzt den Fall, am Rand eines Landkreises stünde ein Haus in privater Trägerschaft, am gegenüberliegenden Rand ein Haus in freigemeinnütziger Trägerschaft, und es wäre aus Gründen der medizinischen Qualität, der Wirtschaftlichkeit und evtl. auch der Erreichbarkeit sinnvoll, stattdessen ein Haus in der Kreismitte zu bauen, dann fehlen dem Land Rechtsmittel, dies gegen den Willen der Träger durchzusetzen, sofern beide Häuser belegt sind. In Zeiten, in denen die Länder noch maßgeblich Investitionen finanzierten, war eine solche Steuerung noch in Ansätzen möglich. Heute funktioniert sie nicht mehr. Landesplanung ist „Fake News“.

Die Antwort der Staaten zur Strukturierung der Krankenhauslandschaft sind unterschiedlich und haben in der Gesundheitsökonomie zum Begriff der „Pfadabhängigkeit“ geführt. Der deutsche Pfad lautet „Trägerautonomie“. Die Krankenhausträger agieren auf dem (zugegebenermaßen stark regulierten) Markt als freie Wirtschaftssubjekte, deren Handeln eigentumsrechtlich und durch das Recht auf freie Berufsausübung geschützt ist. In Deutschland kann keine Landesbehörde ein Krankenhaus schließen, wenn sie dieses für überflüssig hält. Verfassungsrechtlich schlägt lediglich der Patientenschutz die Berufsfreiheit (Leber 2021b). Eine Strukturierung durch Qualitätsvorgaben wird von der Krankenhausseite inzwischen als „kalte Strukturbereinigung“ bezeichnet. Man verlangt, dass die Strukturbereinigung Ergebnis eines landesplanerischen Prozesses sein soll – wohl wissend, dass der nicht funktioniert.

Ein funktionierendes Instrument zur Verbesserung der medizinischen Qualität mit zugleich strukturbereinigender Wirkung sind Mindestmengen. Andere Beispiele sind Strukturanforderungen, wie sie z. B. vom G-BA für Schlaganfalleinheiten oder geriatrische Abteilungen definiert wurden. Es ist hier nicht der Platz, dies weiter auszuführen, aber es sollte die Frage gestellt werden, inwieweit die Vergütungsstruktur einen Beitrag zur notwendigen Bereinigung der Versorgungsstruktur leisten kann. Im Prinzip ist eine leistungsbezogene Vergütung am besten in der Lage, die Versorgungsstruktur zu ordnen. So sind beispielsweise alle Qualitätssicherungsverfahren an Fallpauschalen bzw. an die zugrunde liegenden Prozeduren geknüpft. Dort, wo es keine vernünftige Abbildung des Leistungsgeschehens gibt (wie z. B. in der Psychiatrie), gibt es auch kein Qualitätssicherungsverfahren. Gering ist der Beitrag zur Strukturierung bei undifferenzierter Budgetgarantie. Es kommt deshalb darauf an, dass die Ergänzung der leistungsorientierten DRG-Fallpauschalen nicht durch eine strukturkonservierende Budgetgarantie erfolgt – vielmehr bedarf es klar definierter Versorgungsaufträge.

9 Fazit: Allgemeinpolitischer Handlungsbedarf nach der Pandemie

Die DRG-Fallpauschalen haben es 2021 in den Wahl-O-Mat® geschafft!Footnote 40 Wenn ein eher „technisches“ Thema wie die Krankenhausvergütung für Wert befunden wurde, in die Wahlentscheidung bei der Bundestagswahl einzugehen, dann ist das ein untrügliches Zeichen dafür, wie stark die Coronapandemie die stationäre Versorgung ins grelle Licht des öffentlichen Interesses katapultiert hat. Zweifelsohne war die Krankenhausvergütung auch schon vorher Gegenstand von Debatten, aber es waren eher Fachdebatten. Am Beispiel Pflege, die seit mehreren Jahren die Schwelle von der Fachdebatte zur allgemeinpolitischen Debatte überschritten hatte (vornehmlich allerdings die Altenpflege), kann man beobachten, welche Auswirkungen dies auf die gesetzgeberischen Aktivitäten hat: Mit dem DRG-Pflege-Split wurde auf den allgemeinpolitischen Handlungsdruck reagiert, „bei der Pflege endlich etwas tun zu müssen“. Die darauffolgende Entscheidung, die im Vorfeld von keiner Partei gefordert und von keinem Gesundheitsökonomen zu Papier gebracht worden war, schien eine Lösung zu sein, stellt aber heute eines der größten Probleme für jene Akteure dar, die konkret die Krankenhausvergütung regeln müssen.

Die breite Darstellung der Vergütungstechnik am Anfang dieses Beitrages zeigt ein differenziertes, technisch hoch elaboriertes System, in dessen Zentrum zwar die DRG-Fallpauschalen stehen, das aber durch etliche Spezialregelungen ergänzt und variiert worden ist. Dieses System sah sich zunehmender Kritik ausgesetzt, seit die Fallpauschalen nicht mehr in gewohnter Weise stiegen und den Mittelzufluss mehrten. Die Coronapandemie, von der alle zunächst eine Überlastung der stationären Versorgung erwarteten, hat eine historische Fallzahlreduktion bewirkt, von der allerdings nicht klar ist, ob sie vor allem der Patientenreaktion „Haltet Abstand von Krankenhäusern!“ oder aber der Freihaltepauschale geschuldet ist. Die historische Kollektiverfahrung ist zweifelsohne ein Fallzahlrückgang und der Einstieg des Bundes in alternative Formen der Krankenhausfinanzierung.

Es ist hoch wahrscheinlich, dass sich diese Kollektiverfahrung in den politischen Entscheidungsprozessen niederschlägt: Man wird nach Vergütungsformen suchen, die weniger leistungsabhängig sind (sprich: weniger von der Fallzahl abhängig sind), und man wird – angesichts der schon vorher maroden Landesfinanzierung – Lösungen mit einer Bundesbeteiligung suchen. Aus diesem Grund wird in diesem Beitrag eine Bundesfinanzierung vorgeschlagen, die in Form einer Vorhaltefinanzierung explizit den Versorgungsauftrag in den Vordergrund stellt. Sie soll zudem den aus Qualitätsgründen notwendigen Konzentrationsprozess in der deutschen Krankenhausfinanzierung befördern. Methodisch ist Vorhaltefinanzierung Neuland – zumindest dann, wenn man sie nicht mit Investitionsfinanzierung und Freihaltepauschalen verwechselt. Das DIVI-Register mit seinem Echtzeitmonitoring einer Notfallreserve für Intensivbetten und der Übergang zu einer Hospitalisierungsinzidenz sind jedoch gute Anknüpfungspunkte für eine Weiterentwicklung der Vergütung mit expliziter Finanzierung von Vorhaltekomponenten.