FormalPara Zusammenfassung

Am 06. Dezember 2022 hat die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ Empfehlungen für eine Reform der Krankenhausvergütung vorgelegt. In diesen liegt im Falle einer gelungenen Umsetzung die große Chance, die Krankenhauslandschaft zu modernisieren und wirtschaftlich zu stärken, den Effekt des Fachkräftemangels abzumildern und die Versorgungsqualität zu verbessern. Dieser Beitrag stellt dar, welche Aspekte im Hinblick auf die Umsetzung der Reform erfolgskritisch sind. Dabei stehen ein eindeutiger Bevölkerungsbezug von Versorgungsaufträgen und Vorhaltefinanzierung, ein sanfter Übergang in die neue Finanzierung, eine sorgfältige Vermeidung neuer Fehlanreize, eine ausreichend differenzierte Krankenhausplanung auf der Basis von Leistungsgruppen und -bereichen und der Vorschlag, eine Mindestpopulationsgröße zu etablieren, im Vordergrund. Um mögliche Auswirkungen der Reform zu verdeutlichen, wird ein Umsetzungsszenario skizziert, das aufbauend auf der Systematik der Leistungsbereiche aus Nordrhein-Westfalen exemplarisch die Vorhaltepauschalen pro Kopf und Leistungsbereich quantifiziert.

On 6 December 2022, the “Government commission for modern and needs″​=based hospital care” presented recommendations for a reform of hospital remuneration in Germany. If successfully implemented, they offer a great opportunity to modernise the hospital landscape and to strengthen it economically, to mitigate the effect of the shortage of skilled workers and to improve the quality of care. This paper describes which aspects might endanger the success of the reform. Its focus is on a clear population reference of health care mandates and on advance financing, a smooth transition to the new financing system, a careful avoidance of new false incentives, sufficiently differentiated hospital planning based on service groups and areas, and the proposal to establish a minimum population size for health care mandates. In order to illustrate the possible effects of the reform, the authors outline an implementation scenario which – based on the system of service areas from North Rhine″​=Westphalia – quantifies the retention flat rates per capita and per service area as an example.

1 Einführung

In der dritten Stellungnahme der Regierungskommission mit dem Titel „Grundlegende Reform der Krankenhausvergütung“ vom 06. Dezember 2022 konkretisierte sich die Ankündigung der Neugestaltung von Krankenhausplanung und -finanzierung aus dem fast genau ein Jahr zuvor unterzeichneten Koalitionsvertrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Darin wurde bereits angekündigt, dass eine einzusetzende Regierungskommission Leitplanken für eine auf Leistungsgruppen und Versorgungsstufen basierende Krankenhausplanung erarbeiten wird. Weiterhin fand sich bereits die Vorgabe einer Ergänzung der Krankenhausfinanzierung um ein nach Versorgungsstufen differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen. An diesen Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag hat sich die Regierungskommission eng orientiert und definierte in ihrer Stellungnahme

  • eine bundesweit einheitliche Definition von Versorgungsstufen,

  • die Einführung von definierten Leistungsgruppen und

  • ein Zwei-Säulen-Modell aus Vorhaltung und DRG-Fallpauschale

als „die drei Kernbestandteile der Vergütungsreform“.

Für die Ausgestaltung dieser Kernbestandteile finden sich in der Stellungnahme der Regierungskommission bereits einige Empfehlungen. Aufgrund der hohen Komplexität der Thematik sind aber auf dem Weg bis zur Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes weitere Regelungsdetails zu klären. Beispiele sind die Operationalisierung der Leistungsgruppen und die Berechnungsvorschrift für das Vorhaltebudget.

Aus der Gesundheitsgesetzgebung der letzten Jahre wird überdeutlich, dass eine gute Absicht lediglich eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für ein tragfähiges Gesetz darstellt. Man erinnere sich an die ambitionierten Qualitätsregelungen aus dem KHSG (2015), den Fixkostendegressionsabschlag (PsychVVG 2016) oder das Pflegebudget (PpSG 2018), die bei vergleichsweise hoher Bürokratie und unter zahllosen Konflikten keinen wesentlichen positiven Beitrag für die solidarisch finanzierte Krankenhausversorgung zu leisten vermochten. Mahnende Beispiele sollten diese Gesetze auch deshalb sein, weil die zu lösenden Probleme (Mengenwachstum, Sicherung der Strukturqualität, Überforderung der Mitarbeitenden, Personalmangel) schon die gleichen waren wie heute. Es kommt also nun maßgeblich auf eine gelungene gesetzliche Umsetzung der Ideen der Regierungskommission an, damit sich diesmal ein für die Patientinnen und Patienten, die Solidargemeinschaft und die Beschäftigten im Gesundheitswesen spürbarer Erfolg einstellt.

Ausgehend von den Vorschlägen der Regierungskommission sollen in diesem Beitrag unter Berücksichtigung eines konkretisierten Zielbildes die Voraussetzungen erarbeitet werden, unter denen diese Krankenhausreform erfolgreich sein kann.

Dazu werden im Folgenden zunächst die Ausgangssituation und Zielstellungen konkretisiert. Im Anschluss werden die zentralen Reformbausteine dargestellt. Darüber hinaus wird skizziert, wie die unterschiedlichen Reformbausteine im Rahmen einer Umsetzung konkret ineinandergreifen sollten und welche zentralen Parameter eines Umsetzungsszenarios auf Basis von Datenanalysen approximiert werden können. Neben den zentralen Gestaltungsfragen werden auch besondere Regelungsbedarfe skizziert, die bislang eher eine untergeordnete Rolle in der öffentlichen Debatte gespielt haben, aber wichtig für eine erfolgreiche Umsetzung sein werden.

2 Ausgangslage und Zielstellung

2.1 Ausgangslage

Mit Einführung der DRG-Vergütung seit dem Jahr 2003 konnte die Verteilungsgerechtigkeit auf der Fallebene und die Einzelfalleffizienz der Kliniken gesteigert werden. Gleichzeitig werden durch den Fallbezug aber auch Anreize für eine Ausweitung der Leistungsmenge gesetzt. Bis zur Pflegeausgliederung mit Wirkung auf das Krankenhausbudget des Jahres 2020 lag der fallabhängige Teil der Betriebskostenfinanzierung bei 95 % (Somatik). Auch nach der Pflegeausgliederung liegt der Anteil bei ca. 75 % und ist damit im internationalen Vergleich weiterhin hoch. Hinzu kommt eine geringe Regelungstiefe der Landeskrankenhausplanung. Anstatt den Bedarf der Bevölkerung bei der Planung in den Vordergrund zu stellen, wurden die bestehenden Strukturen im Wesentlichen fortgeschrieben. In Verbindung mit der linearen Mengenabhängigkeit der Vergütung hat dies in den letzten 15 Jahren zu einem auf die Bevölkerung bezogen sehr hohen Mengenniveau geführt. So liegt Deutschland bezüglich der Krankenhausentlassungen pro 100.000 Einwohner mit fast 22.000 im internationalen Vergleich deutlich an der Spitze (OECD 2022a). Die Marke von 20.000 erreicht ansonsten nur noch Österreich. Auch bezüglich der Bettenzahl liegt Deutschland mit 7,9 je 1.000 Einwohnern auf Platz 1 im europäischen Vergleich und im internationalen unter den TOP 5 (OECD 2022b).

Die Kliniken in Deutschland haben teilweise ihr Leistungsportfolio nach ökonomischen Kriterien ausgeweitet und wichtige Ressourcen sowie knappe Fachkräfte in Leistungsbereichen gebunden, die einen hohen Deckungsbeitrag versprechen (Petzold 2018).

Das hohe Mengenniveau und eine zu geringe Konzentration komplexer Versorgungsleistungen führen dazu, dass in Deutschland bei hohem Mitteleinsatz die „Gelegenheitsversorgung“ noch immer weit verbreitet ist, obwohl sie zu keiner signifikanten Verbesserung der Erreichbarkeit führt. Mit anderen Worten: Die Qualitätspotenziale, die in einem Land mit einer hohen Bevölkerungsdichte durch eine Zentralisierung vieler Behandlungen gehoben werden könnten, ohne lange Fahrzeiten für die Menschen zu verursachen, liegen brach.

Der Zusammenhang zwischen Konzentration und besserer Versorgungsqualität wurde erst kürzlich erneut durch die WiZen-Studie belegt. Für alle in der Studie betrachteten Krebsarten wurden statistisch signifikante Überlebensvorteile von in zertifizierten Krebszentren behandelten Patienten festgestellt. Nach Analyse der Krebsregisterdaten zeigen sich besonders große Überlebensvorteile bei Gebärmutterhalskrebs (minus 25,9 % Sterblichkeit), neuroonkologischen Tumoren (minus 15,8 %), Lungenkrebs (minus 15,0 %) und Brustkrebs (minus 11,7 %) (Schoffer et al. 2022a). Die Ergebnisse sind in Zusammenschau mit der Anzahl der Patientinnen und Patienten, die nicht in von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Zentren behandelt werden, alarmierend. Trotz der eindeutigen Zusammenhänge zwischen Überlebenschance und Behandlung in zertifizierten Zentren wurden 2017 in fast allen von der WiZen-Studie untersuchten Krebsentitäten über 50 % der Patienten in nicht zertifizierten Krankenhäusern behandelt. Ausnahmen sind nur Mamma- und Rektumkarzinome. Der größte Anteil von Behandlungen in Zentren findet sich bei Brustkrebspatientinnen. Doch auch hier ist mit 68 % noch viel Luft nach oben (Schoffer et al. 2022b). Die in der Studie festgestellte mehrheitliche Behandlung in nicht zertifizierten Zentren traf 2019 auch auf Lungenkrebspatienten zu, von denen nur 49 % in Zentren versorgt wurden (WIdO 2022). Die Ergebnisse zeigen deutlich, wie wichtig eine entsprechende Konzentration der Versorgung für die Patientensicherheit ist.

Auch aus wirtschaftlicher Sicht und im Hinblick auf die knappen Personalressourcen sind größere Einheiten je Leistungsbereich sinnvoll. So gibt es beispielsweise eine personelle Mindestausstattung für einzelne Fachabteilungen in der Nacht zur Versorgung von Notfällen. In kleineren Fachabteilungen bzw. Krankenhäusern kann es häufiger dazu kommen, dass komplette OP-Teams aus dem ärztlichen Dienst und Funktionsdienst bereitgehalten werden, aber nur sehr selten zum Einsatz kommen. Das gleiche gilt für Pflegekräfte im Nachtdienst auf den Stationen. In größeren Einheiten sind die Vorhaltekosten umgerechnet auf den einzelnen Fall daher tendenziell niedriger. Angesichts des fortschreitenden fachärztlichen Mangels wird es auch umso schwieriger, alle Fachabteilungen rund um die Uhr zu besetzen, desto mehr Fachabteilungen es gibt. Dass dieses Qualitätsmerkmal bereits 2016 in zahlreichen Standorten und Abteilungen nicht sichergestellt wurde, haben diverse Untersuchungen aufgezeigt (Loos et al. 2019). Darüber hinaus können größere Einheiten flexibler mit ihren Kostenkalkulationen umgehen, wenn es zwischen den Leistungsbereichen zu Fallzahlschwankungen kommt. Auch ist eine bessere Abfederung von kurzfristigen personellen Engpässen auf bestimmten Stationen durch eine zeitweilige Umverteilung von Personal möglich.

2.2 Zielstellungen der Reform

Vor dem skizzierten Hintergrund muss die Reform der Vorhaltefinanzierung zwei Ziele verfolgen:

  1. 1.

    Sicherung der Finanzierung bedarfsgerechter Leistungsmengen bei gleichzeitiger Reduktion der Anreize für ökonomisch motivierte Behandlungen

  2. 2.

    Modernisierung der Versorgungsstrukturen mit dem Fokus auf Versorgungsqualität und Bedarfsgerechtigkeit

Kein primäres Ziel der Reform kann hingegen eine kalkulatorisch und betriebswirtschaftlich korrekte Ausgliederung von Vorhaltekosten sein. Stattdessen ist eine pauschale, normative Festlegung des Vorhaltekostenanteils vorzusehen, die für die oberhalb skizzierten Zielstellungen richtig dimensioniert ist und gleichzeitig eine möglichst konfliktarme Abgrenzung von Vorhaltefinanzierung, DRGs und Pflegebudget ermöglicht.

Der wohnortnahe Zugang zu Leistungen der Krankenhausgrundversorgung im ländlichen Raum bleibt im Rahmen der Daseinsvorsorge Aufgabe der Länder und ist von diesen zu gewährleisten.

Zur Daseinsvorsorge gehört zudem die Investitionskostenfinanzierung, die weiterhin durch die Länder zu gewährleisten ist. Vorhaltepauschalen dürfen somit nicht die unzureichende Investitionsfinanzierung kompensieren, sondern sind von dieser als Teil der Betriebskostenfinanzierung klar abzugrenzen. Sollten die Länder ihrer Verpflichtung zur Finanzierung der Investitionskosten auch in Zukunft nicht ausreichend nachkommen, müssen Bund und Länder gemeinsam die erforderliche Finanzierung aus Steuermitteln sicherstellen.

Vorhaltepauschalen dienen ferner weder der Finanzierung einer pandemischen Reservekapazität, deren Finanzierung in die Verantwortung der öffentlichen Hand fällt, noch stellen sie eine pandemiebedingte Leerstandsfinanzierung dar.

2.3 Die Verknüpfung von Vorhaltekostenfinanzierung und Planung

Notwendige Bedingung für eine Reform, mit der die oben beschriebenen Ziele erreicht werden, ist eine Verknüpfung der Vorhaltekostenfinanzierung mit einer reformierten Krankenhausplanung.

Nur durch eine von Bund und Ländern gemeinsam getragene Reform ist eine Korrektur der gravierenden Fehleinschätzung möglich, die bei der Einführung der Fallpauschalen erfolgte: So findet sich in der Bundestagsdrucksache 14/6893 aus dem Jahr 2001 die Erläuterung, dass die Fallpauschalen zu einer „stärker am tatsächlichen Bedarf orientierten Entwicklung der Leistungsstrukturen und Leistungskapazitäten führen“ werden (Deutscher Bundestag 2001). Der Nutzen eines freien Wettbewerbs hinsichtlich der Bedarfsgerechtigkeit der Versorgungsstrukturen wurde auch unter den gegebenen Voraussetzungen des Sachleistungsprinzips unterstellt.

Entgegen diesen Erwartungen hat sich aber gezeigt, dass die letzten 20 Jahre nicht zu bedarfsgerechteren Strukturen geführt haben. Das ist jedoch nicht dem DRG-System an sich geschuldet, sondern den ansonsten bestehenden Rahmenbedingungen. Zu nennen sind hier bspw. eine mangelnde Krankenhausplanung, Defizite in der Qualitätstransparenz und zahlreiche Gesetzesreformen, mit denen die Finanzmittel via Gießkannenprinzip an alle Krankenhäuser verteilt wurden. Es braucht daher bedarfsorientierte und qualitätsrelevante Leitplanken und eine zielgerichtete Krankenhausplanung und -finanzierung. Die Definition von Leistungsgruppen kann hierfür eine geeignete Systematik bieten.

Das heißt nicht, dass man auf wettbewerbliche Aspekte verzichten kann. Die Wettbewerbsbedingungen müssen aber an den Kontext angepasst werden. Ein echter Qualitätswettbewerb kann sich z. B. erst ergeben, wenn sich die Nachfrage (Menge) bei qualitativ unterlegenen Konkurrenten auch tatsächlich reduziert. Hier bietet eine an der Bevölkerung bemessene Vorhaltefinanzierung einen wertvollen Beitrag, da sie nicht beliebig steigerbar ist. Eine sich daran orientierende Landeskrankenhausplanung ist übrigens keine Planwirtschaft, weil der Impuls für die Beantragung der Leistung weiterhin von den Kliniken ausgeht, ebenso wie die Ressourcenallokation im Regelfall der Managementkompetenz der Kliniken überlassen ist.

3 Von Leistungsgruppen und Versorgungsstufen

Der Vorschlag der Regierungskommission, die Vorhaltepauschalen an bundeseinheitlich definierte Leistungsbereiche und -gruppen zu koppeln, bietet viele Vorteile. Die Leistungsgruppen sollten dabei mit Vorgaben verknüpft werden – insbesondere mit einer Mindestbetriebsgröße und Strukturanforderungen. Nur auf diese Weise kann neben der Dämpfung des Mengenanreizes auch eine Modernisierung der Krankenhausstrukturen erreicht werden.

Bei der Erarbeitung eines Leistungsgruppenmodells sollte sorgfältig geprüft werden, wie detailliert die Planung wirklich ausgestaltet werden muss, um die gesteckten Ziele in einem überschaubaren Zeithorizont zu erreichen. Beispielsweise erscheint eine einfache Übernahme der ca. 140 Leistungsgruppen aus der Schweiz (SPLG) wenig sinnvoll, da in Deutschland auf der Basis von § 8 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 KHEntgG in Abrechnungs- und Budgetfragen eine möglichst scharfe und dennoch konfliktarme Definition des Versorgungsauftrags benötigt wird. Wenn die Finanzierung der Vorhaltung an diese Definition geknüpft wird, muss sie überdies auch disjunkt sein, darf also keine größeren Überschneidungen enthalten. Denn ist eine eindeutige Zuordnung von Fallkonstellationen zu Leistungsgruppen nicht gegeben, ist weder eine eindeutige Ausgliederung aus den Bewertungsrelationen der Fallpauschalen möglich noch eine gerechte Verteilung der Vorhaltepauschalen zwischen den Kliniken gewährleistet.

Mit zunehmender Zahl von Leistungsgruppen lassen sich diese Voraussetzungen immer schwerer einhalten. In der Schweiz gibt es keine Budgetverhandlungen und auch keine wettbewerblich gefärbte Rechnungsprüfung. Unter diesen Rahmenbedingungen ergeben sich deutlich weniger Interessenskonflikte, was eine sehr differenzierte Planung ermöglicht, weil Grenzfälle effizient geklärt werden können. Als Einstiegsmodell für das aktuell überregulierte und an allen Fronten extrem kompetitive deutsche System erscheint daher ein Modell, das im Gegensatz zu dem in der Schweiz weniger Detailtiefe enthält, einfacher umsetzbar.

Da in Nordrhein-Westfalen nach zweijähriger Entwicklungszeit bereits unter breiter Beteiligung wissenschaftlicher Fachgesellschaften ein Verfahren mit 60 somatischen Leistungsgruppen unter allen Beteiligten konsentiert werden konnte, bietet es sich an, sich an der Granularität des NRW-Ansatzes als Maßstab zu orientieren. Ein großer Vorteil des NRW-Modells liegt auch darin, dass die 60 Leistungsgruppen wiederum 30 verschiedenen Leistungsbereichen zugeordnet wurden (MAGS 2022), sodass je nach Anforderung eine der beiden Aggregationsebenen verwendet werden kann.

Insgesamt muss die Komplexität der neuen Planungs- und Finanzierungssystematik einen guten Kompromiss zwischen medizinischer bzw. versorgungspolitischer Sachgerechtigkeit und einer politischen/operativen Umsetzbarkeit sicherstellen. Letzteres dürfte aufgrund der Mitbestimmungspflicht der Bundesländer umso größer sein, desto weniger bereits laufende Reformprozesse konterkariert werden.

Um die notwendige Balance herzustellen, kann ein schrittweises Vorgehen gewählt werden. Denkbar wäre z. B. ein Einstieg auf Basis der schon explorierten Herangehensweise in NRW und eine schrittweise evaluationsgetriebene Weiterentwicklung.

Unabdingbar ist es, dass die Leistungsbereiche den Ländern als absolutes Minimalset einer einheitlichen Planungssprache vorgegeben werden, um eine bundesrechtliche Finanzierung der Vorhaltung darauf aufbauen zu können. Auf dieser Basis könnte dann das InEK jeweils die Vorhaltefinanzierung aus dem Casemix-Volumen der Länder ausgliedern, sodass insgesamt eine Erlösneutralität für die Kliniken des jeweiligen Bundeslandes im Startjahr gewährleistet ist. Erlösneutralität zu Beginn ist wichtig, um eine breite politische Akzeptanz für die Reform zu gewinnen und einen beherrschbaren Transformationsprozess einzuleiten. Inhaltlich bliebe die Planung vollständig in der Hoheit der Länder. Verpflichtend ist lediglich die Anforderung, dass den Feststellungsbescheiden auf der Basis einer bundeseinheitlichen Definition zu entnehmen ist, für wie viele Menschen und für welchen Leistungsbereich der Versorgungsauftrag erteilt wurde.

Die Leistungsbereiche und -gruppen sollten vom G-BA definiert werden. Zwar hat die Regierungskommission die Erarbeitung durch eine am InEK angesiedelte Expertenkommission vorgeschlagen. Am InEK müssten jedoch die notwendigen Prozesse anders als beim G-BA erst aufgebaut werden. Die Erarbeitung müsste mit einer gesetzlich definierten Frist verbunden werden, um zu lange Beratungszeiträume zu vermeiden. Dafür wird eine hohe Transparenz und Legitimität der Normsetzung erreicht und eine Beteiligung der Selbstverwaltung (mit der notwendigen technischen Expertise) sichergestellt.

3.1 Bundeseinheitliche Elemente

Die vorgesehene Reform führt zu einer gesteigerten Bedeutung der Krankenhausplanung. Die Entscheidung, welche Klinik welchen Versorgungsauftrag erhält, bleibt wie bislang eine Entscheidung der Planungsbehörden auf der Landesebene. Die Planungsentscheidungen werden nun jedoch mit der Zuweisung von Vorhaltepauschalen verknüpft sein. Die Definition der Leistungsbereiche und -gruppen, für die dann im Rahmen der Planung Versorgungsaufträge vergeben werden sollen, sollte bundeseinheitlich getroffen werden. Der Aufsatzpunkt ist dabei die zu versorgende Bevölkerung und nicht eine aus der Perspektive des Krankenhauses definierte Fallmenge.

Dazu gehört A) eine bundeseinheitliche Planungssystematik auf Basis von Leistungsbereichen und -gruppen, B) Mindestpopulationsgrößen, die als Untergrenzen von Versorgungsaufträgen dienen, sowie C) Strukturqualitätsanforderungen im Sinne von Mindestkriterien, soweit diese sinnvoll definiert werden können. Mittelfristig muss der G-BA ergänzend die benötigte Bedarfsbemessungssystematik entwickeln.

A) Einheitliche Planungssprache

Grundlage für eine bundeseinheitliche Vorhaltefinanzierung ist eine bundeseinheitliche Planungssprache. Ohne einheitliche Planungssprache und damit einen einheitlichen Maßstab für die Allokation von Vorhaltepauschalen würde es zu finanziellen Verwerfungen zwischen der Bundes-, Landes- und Ortsebene kommen, die schon im Kontext von diversen Reformen (vgl. Pflegebudget, Krankenhausstrukturgesetz (KHSG)) zu massiven Fehlentwicklungen bzw. Umsetzungsdefiziten geführt haben.

Zu einer einheitlichen Planungssprache gehören unter anderem folgende Aspekte:

  • Planungssystematik (Leistungsbereiche, denen eine oder mehrere Leistungsgruppen zugeordnet werden),

  • quantitative Dimensionierung des jeweiligen Leistungsauftrags (Fallzahl je Leistungsgruppe, besser aber die Anzahl der zu versorgenden Bürgerinnen und Bürger je Leistungsgruppe),

  • mögliche Planungsebenen (z. B. Landesteil, Regierungsbezirk, Versorgungsgebiet, Kreis etc.).

Im Ergebnis werden räumliche und inhaltliche Planungskriterien deutschlandweit vergleichbar. Darüber sind mittelfristig spezialisierte Leistungen festzulegen, deren Planung und Bedarfsermittlung auch bundeslandübergreifend erfolgen kann.

B) Mindestpopulationsgrößen

Die Vorhaltefinanzierung erfolgt nach Umsetzung der Reform unabhängig von den erbrachten Leistungen. Gleichwohl muss eine wirtschaftliche Mittelverwendung sichergestellt werden, die auch qualitativen Mindestanforderungen genügt. Aus diesem Grund sollte die Vorhaltefinanzierung an Bedingungen geknüpft werden, die als Voraussetzung für eine leistungsunabhängige Vergütung zu erfüllen sind. Voraussetzung ist zunächst eine Bedarfsorientierung, die Höhe der leistungsunabhängigen Finanzierung der Vorhaltung sollte sich also streng am Bedarf in einer Region orientieren. Aus pragmatischen Gründen sollte zunächst die historische Inanspruchnahme auf der Landesebene als Anker für die Bedarfsbemessung genutzt werden. Genau das durch die Ausgliederung aus den DRGs für die Vorhaltefinanzierung zur Verfügung stehende Finanzierungsvolumen wird also zu Beginn innerhalb eines Bundeslandes als Vorhaltefinanzierung, gekoppelt an Versorgungsaufträge, wieder ausgeschüttet.

Neben der Bedarfsorientierung ist auch sicherzustellen, dass die Vorhaltung von Krankenhausstrukturen so finanziert wird, dass wirtschaftliche Mindestkriterien eingehalten werden, d. h. ein relevanter Bevölkerungsanteil versorgt wird. Um dies zu erreichen, ist durch den G-BA je Leistungsbereich eine Mindestpopulationsgröße zu definieren, die im Rahmen der Krankenhausplanung durch die Länder zu berücksichtigen ist. Die Mindestpopulationsgröße stellt das Pendant des „geringen Versorgungsbedarfs“ der Sicherstellungszuschläge dar und bildet damit eine Grenze, oberhalb derer die Länder die Dimensionierung der vorhaltepauschalenrelevanten Versorgungsaufträge festlegen können. Bei Versorgungsaufträgen, die unterhalb dieser Grenze liegen, kann eine Vorhaltefinanzierung dagegen nicht erfolgen. Die Mindestpopulationsgröße stellt sicher, dass die Versorgungsbedarfe innerhalb der Bundesländer durch Kliniken gedeckt werden, die hinreichend große Bevölkerungsgruppen in Abteilungen mit einer tragfähigen Größe versorgen.

Die Mindestpopulationsgröße sollte empirisch abgeleitet werden, um eine zügige Umsetzung zu gewährleisten. Ausgangslage ist die leistungsbereichsbezogene Hospitalisierungsrate der Bevölkerung, anhand derer sich erwartbare Krankenhausfallzahlen ermitteln lassen. Als Mindestpopulation, die ein Versorgungsauftrag einer Klinik umfassen sollte, wird die Bevölkerungszahl definiert, die auf Basis der bekannten Hospitalisierungsinzidenz erwartbar mindestens den Fallzahlwert des 25 %-Perzentils der bundesweiten Fallverteilung nach Standorten eines Leistungsbereichs erreicht. Die daraus resultierende Bevölkerungszahl stellt die Mindestpopulationsgröße für den entsprechenden Leistungsbereich dar. Sie zeigt an, wie groß der Bevölkerungsanteil ist, für dessen Versorgung das Krankenhaus nach Erhalt eines Versorgungsauftrags mindestens zuständig sein muss. Auf Basis von Auswertungen des InEK legt der G-BA entsprechende Mindestpopulationen fest, die sich in Versorgungsaufträge für eine definierte Mindestgröße überleiten lassen.

Die Mindestpopulationen sollten durch den G-BA unter Beachtung der ebenfalls vom G-BA definierten Mindestmengen festgelegt werden. Dabei handelt es sich um einen Katalog planbarer Leistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses nachweislich von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist. Die jeweiligen Leistungen dürfen nur bei Erreichung der entsprechenden Mindestmenge erbracht werden. Zu den Leistungen gehören z. B. Leber- und Nierentransplantationen oder die Versorgung von Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von weniger als 1.250 g (G-BA 2022). Unabhängig von der vom InEK berechneten Mindestpopulationsgröße je Leistungsbereich oder -gruppe gelten die bereits gesetzlich geregelten Mindestmengen für einzelne ggf. darunter fallende Leistungen weiter. Der G-BA stellt ein Kalkulationstool zur Verfügung, in das die Länder die erforderlichen demographischen Informationen einpflegen können, sodass unter Berücksichtigung der Mindestpopulation die mindestens zu vergebenden Versorgungsaufträge berechnet werden können.

Das skizzierte Verfahren ermöglicht ein einheitliches Vorgehen zwischen den Leistungsbereichen sowie den Bundesländern und gewährleistet, dass die festgelegten Grenzen nachvollziehbar sind.

Auf diese Weise werden ausgehend von der Demographie Versorgungsaufträge und daran gekoppelte Vorhaltepauschalen hinreichend konzentriert vergeben sowie die Planungssicherheit für alle Beteiligten erhöht. Kliniken und Krankenkassen wissen bereits im Vorfeld, dass bestimmte Kliniken aufgrund zu geringer Nachfrage keine Vorhaltepauschalen für die Erbringung bestimmter Leistungen erhalten werden. Klar abzugrenzen sind die Mindestgrößen von den Kriterien zum Erhalt von Sicherstellungszuschlägen: Diese gelten weiterhin zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung.

C) Strukturqualitätsanforderungen

Bei der Festlegung der Strukturqualitätsanforderungen sollte der Fokus zu Beginn auf Leistungsbereichen und -gruppen liegen, für die schon klare Kriterien vorliegen und die sich in der Vergangenheit als besonders mengenanfällig oder nicht hinreichend konzentriert erwiesen haben, obwohl Vorteile bezogen auf die Versorgungsqualität und Patientensicherheit belegt sind. Beispielsweise wäre sicherzustellen, dass Krebspatientinnen und -patienten nur noch in dafür zertifizierten Zentren behandelt werden. Bei den vom G-BA festzulegenden Strukturanforderungen handelt es sich um Mindestanforderungen, die für den Patientenschutz unbedingt erforderlich sind. Der Beschluss entsprechender Regelungen durch den G-BA hat – unabhängig von den weiteren Schritten der Reform – gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zur Folge, dass die Nichteinhaltung der Mindestanforderungen dazu führt, dass die Vergütung für die jeweiligen Leistungen wegfällt. Ein Aussetzen der Mindestanforderungen durch die Länder ist auszuschließen. Ergänzende Anforderungen auf der Landesebene können definiert werden, um die Versorgungsqualität zu steigern.

3.2 Bedarfsbemessungssystematik

Mittelfristig entwickelt der G-BA ein Instrument zur Bemessung des Bevölkerungsbedarfs sowie einen Korridor, innerhalb dessen vom ermittelten Bedarf abgewichen werden kann. Dieses Instrument wäre in einer zweiten Stufe der reformierten Krankenhausplanung von den Ländern bei der Vergabe der Versorgungsaufträge zu berücksichtigen. Langfristiges Ziel muss sein, dass sich das Volumen der Versorgungsaufträge ausgehend von der historischen Inanspruchnahme an den tatsächlichen Bevölkerungsbedarf für stationäre Versorgung annähert.

Angesichts der personellen, finanziellen und strukturellen Herausforderungen des Gesundheitswesens müssen parallel die Grundlagen dafür erarbeitet werden, dass langfristig ambulante (selbstverständlich inkl. der Vertragsärzte) und stationäre Kapazitäten zusammen betrachtet und geplant werden können.

3.3 Versorgungslevel und ihre Rolle in der anstehenden Reform

Neben Leitungsbereichen und -gruppen sind Versorgungsstufen bzw. -level zentraler Gegenstand der Vorschläge der Regierungskommission und der öffentlichen Debatte.

Die Regierungskommission schlägt eine unmittelbare Verknüpfung der Vorhaltepauschalen an globale Versorgungsstufen bzw. -level vor, aus denen sich Leistungsbereiche und -gruppen ableiten. Diese starre Herangehensweise würde eine massive Intervention und gleichzeitig eine starke Einschränkung der Planungssouveränität der Länder bedeuten. Die Umsetzung dieses Vorschlags in der von der Kommission skizzierten Planungstiefe, begleitet von einer sich logisch ableitenden algorithmischen Zuordnung der Krankenhäuser, würde unmittelbar zu einer zentralistischen Krankenhausplanung führen, die kompetenzrechtlich nicht umsetzbar erscheint und auch nur auf Basis massiver Investitionen im hohen zweistelligen Milliardenbereich leistbar wäre.

Würden Vorhaltepauschalen wiederum auf Basis „zu grober bzw. beliebiger“ Vorhaltestufen(-level) ausgeschüttet, bestünde ein hohes Risiko, dass lediglich der Status quo zementiert würde und keinerlei Modernisierung der Strukturen erreicht werden kann. Eine exakte Berechnung des landesweiten Vorhaltevolumens wäre nicht möglich, was zwangsläufig Konflikte mit sich brächte.

Versorgungslevel können in die Reform der Vorhaltekostenfinanzierung integriert werden, wenn sie am Ende und nicht am Anfang des Prozesses stehen. So könnten, nachdem die Höhe der Vorhaltepauschale für jede einzelne Klinik ermittelt wurde, zum Beispiel die Kliniken in Abhängigkeit von dem ihnen über alle Leistungsbereiche hinweg zustehenden Betrag den verschiedenen Versorgungsstufen zugeordnet werden. Die Kliniken mit dem höchsten Volumen und dem größten Leistungsspektrum bzgl. der Vorhaltepauschalen würden als Maximalversorger definiert, da sie bedarfsorientiert die größten Anteile an der Versorgung übernehmen. Die Kliniken mit den geringsten Vorhaltepauschalen würden in die Kategorie der Primärversorger fallen.

4 Die Finanzierung der Vorhaltepauschalen

4.1 Aktuelle Finanzierung von Vorhaltekosten

Vorhaltekosten von Krankenhäusern werden bislang als Teil der Betriebskostenfinanzierung in den DRGs abgebildet (bzw. seit der Pflegeausgliederung teilweise durch das Pflegebudget). Explizit adressiert werden Vorhaltekosten im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Mehr- bzw. Mindererlöse, die allerdings während der Pandemie durch den coronabedingten Erlösausgleich pausiert wurden. Bei Mindererlösen aufgrund rückläufiger Fallzahlen werden Anteile der Vorhaltekosten über den Mindererlösausgleich refinanziert und die Krankenkassen zahlen den Krankenhäusern grundsätzlich 20 % des Differenzbetrages aus. Bei Mehrerlösen aufgrund gestiegener Fallzahlen erhalten die Krankenkassen für sehr kostenintensive Behandlungen 25 % und für sonstige Mehrerlöse 65 % des Differenzbetrags vom Krankenhaus zurück, während 35 % der Mehrerlöse vom Krankenhaus einbehalten werden. Zu berücksichtigen ist, dass Minder- und Mehrerlöse nur bei einer prospektiven Budgetverhandlung Wirkung entfalten können. Prospektivität konnte in den letzten Jahren jedoch selten erreicht werden.

Auch der Fixkostendegressionsabschlag dient dazu, mengenbezogene Kostenvorteile von Mehrleistungen zu berücksichtigen, die u. a. mit der Abbildung von Vorhaltekosten verknüpft sind. Er ist jedoch aufgrund seiner aktuellen Ausgestaltung nicht dazu geeignet, in relevantem Umfang eine Steuerungswirkung zu entfalten.

4.2 Finanzneutrale Umsetzung der reformierten Vorhaltekostenfinanzierung

Nach Umsetzung der Reform sollen die Vorhaltekosten über Pauschalen finanziert werden. Die Einführung der Vorhaltepauschalen muss in Bezug auf die Betriebskosten finanzneutral erfolgen. Eine zusätzliche Finanzierung neben den derzeitigen Fallpauschalen würde zu einer Doppelfinanzierung der Vorhaltekosten führen. Zum anderen würde eine Doppelfinanzierung die Anreize für medizinisch nicht notwendige Behandlungen aus ökonomischen Gründen sogar noch steigern und damit der eigentlich mit der Reform intendierten Mengendämpfung entgegenwirken. Eine Konzentration der Versorgung wird nur erreicht, indem eine Umverteilung der bereits über die Betriebskosten gezahlten Vorhaltekostenfinanzierung im Rahmen der Krankenhausplanung erfolgt. Bei einem entsprechenden Bevölkerungsbedarf (bzw. Versorgungsauftrag) steigt für manche Kliniken die Finanzierung für Vorhaltung im Gegensatz zum Status quo, während sie sich für einige Kliniken in einzelnen Leistungsbereichen reduzieren wird. Auf diese Weise kann die intendierte Modernisierung der Krankenhauslandschaft erreicht werden. Vor diesem Hintergrund sind die finanziellen Mittel durch Ausgliederung eines prozentualen Anteils aus den DRGs zu generieren.

Unabhängig davon besteht seit Jahrzehnten ein Investitionsstau in den Kliniken, da die Investitionen der Länder seit vielen Jahren hinter den notwendigen Bedarfen für eine moderne Krankenhausstruktur zurückbleiben (Daten der Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) nach DKG 2021). Hier müssen sich die Bundesländer ihrer Verpflichtung stellen und die Investitionskostenfinanzierung nach § 6 Abs. 1 KHG deutlich erhöhen. Gleichzeitig scheint es unausweichlich, dass der Bund die notwendige Modernisierung der Krankenhausstrukturen finanziell unterstützt. Dabei muss die Zielstellung der Reform handlungsleitend sein: Wird der Ausschluss von Gelegenheitsversorgung als Ziel formuliert, werden überschaubare Mittel notwendig sein. Ein grundlegender Umbau der Krankenhausstrukturen, der mit weitreichenden Umbau- oder Neubauplänen verbunden ist, wird hingegen mit Investitionen im hohen zweistelligen Milliardenbereich einhergehen müssen (Berger et al. 2022).

4.3 Vorschlag zur Ausgliederung der Vorhaltekosten aus den DRGs

Damit die Reform die gewünschte Wirkung entfaltet und einen signifikanten Modernisierungseffekt erzielt, muss der auszugliedernde Anteil ein relevantes Volumen der Betriebskostenfinanzierung umfassen. Klar ist dabei, dass – entgegen der Kommissionsvorgehensweise – das Pflegebudget analytisch von einer Vorhaltefinanzierung zu trennen ist. Das Pflegebudget funktioniert nach dem Prinzip der hausindividuellen Selbstkostendeckung und kann daher nicht einer pauschalierten Vorhaltekostenfinanzierung zugeordnet werden. De facto schlägt die Kommission daher statt 40 % einen Vorhalteanteil von 20 % vor, der zielführend erscheint, um relevante Modernisierungseffekte zu erzielen.

Die von manchen Akteuren diskutierte Begrenzung der Vorhaltefinanzierung auf ein geringes Volumen bzw. schmales Leistungsportfolio (z. B. sicherstellungsrelevante Leistungsbereiche) ist hingegen abzulehnen. Bei einer Umsetzung würde die Reform ausschließlich auf Sicherstellungsfragen fokussiert und grundlegende Modernisierungsimpulse würden nicht erzielt.

Zur raschen und pragmatischen Umsetzung ist bei der Ausgliederung aus den DRGs ein pauschaler Ansatz zu wählen. Durch die pauschale und einheitliche Ausgliederung über alle Leistungsbereiche hinweg können Verlagerungsprobleme und Inkonsistenzen (vgl. Erfahrungen mit dem Pflegebudget) zwischen der Ausgliederung auf der Bundesebene und der Finanzierung auf der Klinikebene ausgeschlossen werden. Strategische Verschiebungen von Leistungen auf Ortsebene produzieren somit keine Verwerfungen.

4.4 Ausgabentransparenz und PKV-Beteiligung

Bereits breit auf der Kostenträgerseite diskutiert wurde die Frage, ob eine Auszahlung von Vorhaltepauschalen über das Bundesamt für Soziale Sicherheit (BAS) erfolgen sollte, wie es die Kommission vorgeschlagen hat. Zentral für die Systemtransparenz wird jedoch weniger die Frage sein, welche Institution am Ende die Auszahlung von Pauschalen übernimmt. Vielmehr ist es von zentraler Bedeutung, dass auch nach Einführung von Vorhaltepauschalen weiterhin Transparenz über die Ausgaben der GKV für die Krankenhausbetriebskosten erhalten bleibt. Das bedeutet: Die finanziellen Mittel für die Vorhaltepauschalen müssen weiterhin vom Gesundheitsfonds an die Krankenkassen zugewiesen werden. Die Krankenkassen übermitteln diesen Anteil der Krankenhausfinanzierung dann an einen Sonderfonds, z. B. beim BAS, über den dann die Abzahlung der Pauschalen an die Kliniken abgewickelt wird.

Würden die finanziellen Mittel direkt vom Gesundheitsfonds in einen Sonderfonds und damit an den Konten der Krankenkassen vorbeifließen, würde die Transparenz über die gesamten Krankenhausausgaben für die Krankenkassen trotz fortbestehender Zahlungsverpflichtung der Versicherten verloren gehen.

Um eine faire Lastenverteilung zu erreichen ist es darüber hinaus essentiell, dass die PKV weiterhin ihrer Finanzierungsverantwortung für die stationäre Versorgung nachkommt. Die Beteiligung der PKV insgesamt sollte nach dem Marktanteil der PKV im Referenzjahr bestimmt werden. Für eine derartige Beteiligung gibt es historische Vorbilder, die für die Ausgestaltung herangezogen werden können: So beteiligt sich die PKV z. B. an der Erstattung der Beschaffung von Antigen-Tests pauschal mit 7 % (§ 150 Abs. 4 SGB XI) oder mit einem Betrag von 10 % an den Kosten der Qualitätsprüfungen der ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen (§ 114a Abs. 5 SGB XI). Innerhalb der PKV kann die Lastenverteilung zwischen den Krankenversicherungen analog zur GKV nach Versicherten erfolgen, um dem Charakter der fallunabhängigen Vorhaltung Rechnung zu tragen.

5 Ein Umsetzungsszenario für die Krankenhausreform

Die angestrebte Krankenhausreform berührt eine Vielzahl von regulatorischen und finanziellen Regelwerken, die sinnvoll ineinandergreifen müssen, wenn die Reform einen wirksamen Beitrag zur Modernisierung der Krankenhauslandschaft leisten soll. Zentral ist es daher, dass frühzeitig das Zusammenwirken der unterschiedlichen Reformbausteine im Sinne einer Umsetzungsplanung erörtert wird.

Im Folgenden wird daher ein konkretes Umsetzungsszenario vorgestellt, das u. a. die Verzahnung der künftigen Vorhaltekostenfinanzierung mit einer reformierten Krankenhausplanung beschreibt (s. Fig. 18.1).

Abb. 18.1
figure 1

Prozess der Vorhaltekostenfinanzierung. (AOK-Bundesverband 2022)

Zunächst muss der Gesetzgeber den erforderlichen gesetzlichen Rahmen für die G-BA-Beauftragung sowie die Finanzierung der Vorhaltepauschalen schaffen und den pauschal aus den DRGs auszugliedernden Anteil festlegen (1).

Anschließend definiert der G-BA die Leistungsbereiche und -gruppen, welche die Grundlage für die reformierte Krankenhausplanung darstellen. Der G-BA legt leistungsbereichs- bzw. gruppenbezogene Mindestpopulationsgrößen, eine einheitliche Planungssprache und teils Strukturmerkmale fest (2).

Sobald das InEK die notwendigen G-BA-Leitplanken für die Leistungsbereiche erhalten hat, nimmt dieses die pauschale Ausgliederung der Vorhaltekosten aus den DRGs vor. Darüber hinaus ermittelt es das Vorhaltevolumen je Bundesland und den Vorhaltekostenschlüssel für Versorgungsaufträge. Das InEK teilt dem BAS anschließend das Fondsvolumen mit (3).

Das InEK informiert zudem die Länder über die Vorhaltevolumina je Bundesland. Die Länder verteilen das Vorhaltevolumen im Rahmen der reformierten Krankenhausplanung über Versorgungsaufträge (unter Berücksichtigung der Vorgaben des G-BA) an die einzelnen Kliniken und informieren diese über die Anzahl und den Umfang der Versorgungsaufträge (4).

Die Kliniken rufen, nach Information über die Versorgungsaufträge durch die Länder, die ihnen zustehenden Vorhaltepauschalen bei einem Sonderfonds des BAS ab (5). Es ist damit keine Verhandlung der Vorhaltepauschalen auf der Ortsebene erforderlich. Dies wäre ansonsten mit einer weiteren Verkomplizierung und Verzögerung der Budgetverhandlungen und einem Auseinanderfallen zwischen Bundes- und Ortsebene sowie Liquiditätsunwuchten verbunden. Die Budgetverhandlungen werden durch die Herausnahme der Vorhaltefinanzierung sogar entlastet und die Komplexität wird reduziert, was dringend erforderlich ist (vgl. auch Sect. 18.7 „Vorhaltung und Komplexitätsreduktion“).

Das BAS zahlt schließlich die Vorhaltepauschalen an die Kliniken aus (6). Der Sonderfonds sollte beim BAS angesiedelt werden, da es eine neutrale Auszahlungsstelle für die Vorhaltepauschalen braucht. Die Abfinanzierung der Leerstandspauschalen in den Pandemiejahren 2020 bis 2022 hat gezeigt, dass das BAS als effektive Auszahlungsstelle fungieren kann. Das BAS übernimmt lediglich die Funktion als Auszahlungsstelle auf Basis definierter Zuweisungen für die Vorhaltefinanzierung, die sich aus den Versorgungsaufträgen der Länder sowie den Berechnungen des InEK ergeben. Das BAS trifft keinesfalls Auswahlentscheidungen dazu, wer Vorhaltepauschalen erhält und wer nicht und bestimmt auch nicht die Höhe der Pauschale. Die Refinanzierung der Vorhaltekosten erfolgt über Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds an die Krankenkassen. Die erhaltenen Zuweisungen werden von den Krankenkassen in den Sonderfonds beim BAS eingezahlt.

5.1 Umsetzungsszenario: Zentrale Parameter des Reformvorschlags

Legt man die nordrhein-westfälischen Leistungsbereiche und -gruppen zugrunde, lassen sich die zentralen Parameter des skizzierten Reformvorschlags darstellen. Datenbasis für die Analyse sind die bundesweiten Abrechnungsdaten aller Krankenhausstandorte des Jahres 2019. Die vollstationären DRG-Fälle wurden entsprechend den Vorgaben aus dem Landeskrankenhausplan von NRW den dort definierten Leistungsbereichen zugeordnet.Footnote 1

Table 18.1 zeigt für das Jahr 2019 je somatischen Leistungsbereich u. a. die Anzahl der beteiligten Standorte sowie die Gesamtfallzahl und DRG-Kosten inkl. Pflege. Auf Basis des 25 %-Fallzahlquartils und der Gesamtbevölkerung werden die Hospitalisierungsinzidenz und die Mindestpopulationsgröße abgeleitet. Zudem wird u. a. simuliert, wie hoch die Vorhaltekosten gewesen wären, wenn diese 20 % der Gesamtkosten betragen hätten und sich nur noch Standorte mit einer Fallzahl oberhalb des 25 % Quartils bzw. eines Versorgungsauftrags oberhalb der Mindestpopulationsgröße an der Versorgung beteiligt hätten.Footnote 2

Tab. 18.1 Leistungskennzahlen 2019 je Leistungsbereich und Simulation der Implementierung von Vorhaltekosten und Mindestpopulationsgröße. (Quelle: Abrechnungsdaten der Kliniken des Jahres 2019, Auswertung durch den GKV-Spitzenverband)

Mit jeweils über 1.200 Standorten sind an den Leistungsbereichen „1. Allgemeine Innere Medizin“ „9. Allgemeine Chirurgie“ und „14. Orthopädie und Unfallchirurgie“ die meisten Standorte beteiligt. Hingegen gibt es in den Leistungsbereichen „6. Rheumatologie“, „30. Transplantation solider Organe“ und „2. Endokrinologie und Diabetologie“ mit bis zu 60 die wenigsten Leistungserbringer. Deutliche Unterschiede zeigen sich auch im Fallzahlvolumen und in der daraus ableitbaren Hospitalisierungsinzidenz. Auch das 25 %-Fallzahlquartil und entsprechend die festzulegende Mindestpopulationsgröße variieren zwischen den LeistungsbereichenFootnote 3: Während letztere im Leistungsbereich „8. Kardiologie mit nur 4.270 Einwohnern anzusetzen wäre, würde der Versorgungsauftrag im Bereich „2. Endokrinologie und Diabetologie“ für mindestens 804.484 Einwohner vergeben. Die 25 % der Standorte mit den wenigsten Fällen erbringen je nach Leistungsbereich nur rund 0,5 % (8. Kardiologie) bis 9,9 % (29. Palliativmedizin) der Fälle.

Diese Kennzahlen zeigen auf, dass die Herausforderungen für die Krankenhausplanung in den Bundesländern je nach Leistungsbereich unterschiedlich sein werden. Gerade bei den kleinen Leistungsbereichen und in ländlichen Regionen sind gute Planungskonzepte – ggf. über Bundeslandgrenzen hinweg – erforderlich, damit zum einen ausreichend große Versorgungsaufträge vergeben werden können, und zum anderen, um die Versorgung durch qualitativ hochwertige Leistungserbringer für die gesamte Bevölkerung zu gewährleisten.

Würden auf Basis von 2019 20 % der fallbezogenen Vergütung über Vorhaltekosten finanziert, ergäbe sich ein bundesweites Volumen von rund 14,2 Mrd. €. Je Einwohner entspricht dies einem Betrag von rund 170 €. Der mit rund 37 € höchste Betrag je Einwohner lässt sich aufgrund des hohen Fallvolumens bei zugleich unterdurchschnittlichen Fallkosten im Leistungsbereich „9. Allgemeine Chirurgie“ ermitteln. Wenn die Versorgungsaufträge nur an Standorte gingen, die im Jahr 2019 schon die Mindestpopulationsgröße erreichten, würden in diesem Leistungsbereich mit knapp über 3 Mio. € auch die zweithöchsten Vorhaltekosten je Standort verteilt. Spitzenreiter wäre hier aufgrund der hohen durchschnittlichen Fallkosten der Leistungsbereich „13. Herzchirurgie“ (4,8 Mio Euro). Insgesamt ergäben sich in mehr als der Hälfte der Leistungsbereiche durchschnittliche Vorhaltekosten von über einer Mio. Euro und durchschnittliche Fallzahlen von über 1.000 je Standort. Für die Thoraxchirurgie (Nr. 15) würden mit rund 263.000 € die geringsten Vorhaltekosten je Standorte ausgeschüttet. Die kleinsten durchschnittlichen Versorgungsaufträge würden für den Leistungsbereich „16. Viszeralchirurgie“ vergeben (81 Fälle).

5.2 Fortschreibung und Aktualisierung

Die definierten Leistungsbereiche und ihre Strukturanforderungen sollten vom G-BA analog zu anderen G-BA-Verfahren nicht regelhaft, sondern anlassbezogen geprüft und ggf. angepasst werden. Regelhaft zu aktualisierende Informationen, wie zum Beispiel ICD-10- und OPS-Kodes, sollten in Anlagen zu den jeweiligen G-BA-Richtlinien gefasst werden. Diese Anlagen können dann mit möglichst geringem bürokratischem Aufwand im jährlichen Turnus – unter Berücksichtigung von Aktualisierungen in den ICD-/OPS-Listen, Weiterbildungsordnungen, ggf. DRGs etc. – fortgeschrieben werden. Dieses Verfahren ist auch in anderen G-BA-Verfahren üblich, wie beispielsweise bei den Mindestmengenregelungen oder den Qualitätssicherungsrichtlinien.

Das Vorhaltevolumen und damit auch die Vorhaltepauschalen werden vom InEK jährlich auf Basis der Landesbasisfallwertveränderung und Änderungen im DRG-Katalog fortgeschrieben. Das bedeutet, dass das InEK die Ausgliederung des pauschalen Anteils aus den DRGs jährlich vornimmt, um jährliche Veränderungen berücksichtigen zu können. Die Vergabe von Versorgungsaufträgen im Rahmen der Krankenhausplanung sollte mindestens alle fünf Jahre überprüft werden, um ausreichend Planungssicherheit für die Krankenhäuser zu gewährleisten und gleichzeitig demographische Entwicklungen hinreichend zu berücksichtigen. Darüber hinaus sollte jährlich automatisiert ein Vergleich zwischen den Versorgungsaufträgen und den tatsächlichen Leistungen vorgenommen werden, damit bei zu großen Abweichungen bereits unterhalb der fünf Jahre Anpassungen vorgenommen werden können. Soll im Ergebnis einem Krankenhaus ein höherer Versorgungsauftrag zugeschrieben werden, müssen andere entsprechend reduziert werden.

6 Besonderer Regelungsbedarf

Eine Veränderung von Vergütungsanreizen birgt immer die Gefahr, neue Fehlanreize zu setzen. So ist es auch bei der Reduktion der fallabhängigen Vergütung zugunsten einer leistungsunabhängigen Vorhaltefinanzierung. Im optimalen Fall sollten diese Gefahren im Vorfeld der Einführung erkannt und negative Effekte vor allem auf die Versorgung verhindert werden.

Besondere Aufmerksamkeit sollte man zwei Konstellationen widmen, bei denen die Effekte auf die Deckungsbeiträge bei der Einführung einer Vorhaltefinanzierung vermutlich extremer ausfallen könnten als aus Anreizaspekten sinnvoll ist. Dabei handelt es sich einerseits um ungeplante Behandlungen und andererseits um besonders sachkostenintensive Leistungen. Ferner ist über den Umgang mit Zusatzentgelten und anderen ergänzenden Entgelten zu entscheiden.

6.1 Ungeplante Behandlungen

Nach der Einführung einer Vorhaltefinanzierung ändert sich am Deckungsbeitrag einer Fachabteilung im Krankenhaus mit einem gegebenen Notfallanteil nichts. Was sich aber ändert, ist der Deckungsbeitrag, den jeder einzelne Fall zum Ergebnis dieser Fachabteilung beisteuert. Während unter einer Vollkosten-Fallpauschale (DRG) auch die meisten Notfälle zur Deckung fixer Betriebskosten beitragen, wird dies nach der Zahlung einer Vorhaltefinanzierung und unter einer dann reduzierten Fallvergütung nicht mehr generell der Fall sein.

Keinesfalls Ziel der hier vorgeschlagenen Vergütungsreform ist aber die Vermeidung von Notfallbehandlungen durch Kliniken aus monetären Gründen. Daher sind Korrekturen an der Vorhaltefinanzierung in Abhängigkeit von der Versorgungsbereitschaft im Notfall empfehlenswert. Infrage kommen drei Alternativen, die jeweils auf Landesebene kostenneutral ausgestaltet werden sollten und zu einer Umverteilung des Vorhaltefinanzierungsvolumens von Fachabteilungen mit unterdurchschnittlichem Notfallanteil zugunsten von solchen mit einem überdurchschnittlichen Notfallanteil führen.

  1. a)

    Vorhaltebonus für erbrachte Notfälle: Über einen Vorwegabzug aus dem Landesvorhaltevolumen wird eine Anhebung der Vorhaltefinanzierung in Abhängigkeit vom jeweiligen Notfallanteil finanziert.

  2. b)

    Malusregelung für Leistungserbringung bei einem Notfallanteil unterhalb der Versorgungsverpflichtung und dem Erwartungswert. Die Mittel fließen zurück in das Landesvorhaltevolumen und werden an alle Kliniken ausgeschüttet.

  3. c)

    Vermeidung von Notfallbehandlungen führt zu planerischen Konsequenzen mit einer konsekutiven Umverteilung der Versorgungsaufträge und entsprechend der Vorhaltefinanzierung in Richtung der aufnahmebereiten Kliniken.

6.2 Sachkostenintensive Leistungen

Die Erbringung von sachkostenintensiven Leistungen ist durch eine besondere Anfälligkeit für ökonomische Fehlanreize gekennzeichnet, die durch die seit 2017 durchgeführte Sachkostenkorrektur in den DRGs nur teilweise gebannt ist. Neben der Option, über eine Optimierung der Einkaufskonditionen einen hohen Deckungsbeitrag pro Fall zu erzielen, ist die Grauzone der Indikationsstellung z. B. bei der Implantation von Devices wie Neurostimulatoren besonders breit und bietet Spielraum für Fallzahlsteigerungen. Dennoch sollte die Einführung einer Vorhaltefinanzierung nicht dazu führen, dass die variablen Betriebskosten bei diesen Fällen regelhaft nicht vollständig gedeckt sind.

Ein extremes Beispiel für eine solche sachkostenintensive Leistung ist die DRG D01B „Kochleaimplantation, unilateral“ mit einem Sachkostenanteil von 84 %. Die durchschnittliche Fallvergütung beträgt rund 27.100 €. Über ein Vorhaltevolumen von beispielsweise 20 % wären demnach schon 5.400 € abgedeckt. Bei Leistungserbringung müsste das Krankenhaus 22.800 € allein in Sachkosten investieren, würde über die Fallpauschale aber nur 22.700 € bekommen. Es bestünde also ein hoher finanzieller Anreiz, einen Patienten nicht zu behandeln, wenn die Vorhaltekosten unabhängig von der Fallzahl gesichert wären.

Als Lösung wäre zu diskutieren, dass analog der Vereinbarung nach § 9 Abs. 1 Nummer 6 KHEntgG auf Bundesebene zur Umsetzung des Fixkostendegressionsabschlags weiterhin eine Liste der besonders sachkostenintensiven Leistungen vereinbart wird, bei denen als Ausnahme ein geringerer Anteil für die Vorhaltung ausgegliedert wird. Die Finanzneutralität wird durch eine entsprechende Minderung des Landesvorhaltevolumens sichergestellt.

6.3 Zusatzentgelte und Sonstige Entgelte

Neben den DRG-Fallpauschalen und den Zu- und Abschlagstatbeständen besteht das aktuelle Finanzierungssystem aus weiteren Vergütungskomponenten. Dazu gehören die bundeseinheitlichen Zusatzentgelte sowie die sonstigen Entgelte nach § 6 KHEntgG, worunter die hausindividuell zu vereinbarenden Zusatzentgelte und fall- und tagesbezogene Entgelte fallen. Bei beiden Varianten der Zusatzentgelte handelt es sich überwiegend um Medikamentengaben mit einem relativ geringen Anteil an Fix- bzw. Vorhaltekosten. Entsprechend wäre es nicht zielführend, hier analog zu den DRG-Fallpauschalen 20 % Vorhaltekosten auszugliedern. Anders sieht es bei den fall- und tagesbezogenen Entgelten aus, bei denen die Preise für den gesamten Fall hausindividuell zu vereinbaren sind. Dennoch bietet es sich der Einfachheit halber an, auf eine Ausgliederung der Vorhaltekosten (zunächst) zu verzichten, da die Preise erst mit der Budgetvereinbarung feststehen. Eine Teilausschüttung über das BAS würde das gesamte Verfahren verkomplizieren. Ziel sollte jedoch mittelfristig sein, diese Leistungen mit in die Leistungsgruppen aufzunehmen und somit analog zu den DRG-Leistungen zu planen. Nach Auflösung des Verhandlungsstaus und der Rückkehr zu prospektiven Verhandlungen ab 2026 ist eine Etablierung von Vorhaltekostenfinanzierung auch bei diesen Leistungen zu prüfen.

7 Vorhaltung und Komplexitätsreduktion

Die Defizite des aktuellen Vergütungssystems wie der Anreiz zur Leistungssteigerung, fehlende Qualitätsorientierung oder eine inadäquate Finanzierung von Vorhalteaufwendungen wurden vor allem seit dem Koalitionsvertrag der 18. Wahlperiode (2013) intensiver diskutiert. Der Gesetzgeber wurde in der Folge immer wieder aktiv, um Verbesserungen umzusetzen. Dabei wurde im Kern an der auf Vollkosten basierenden Fallpauschalenfinanzierung nichts geändert. Stattdessen wurden Zuschläge und Modifikationen ergänzt, die die Komplexität des Systems immer weiter erhöhten.

Die Implementierung einer Vorhaltefinanzierung in der hier vorgestellten Konzeption bietet die Chance, das Vergütungssystem zu „entrümpeln“ und damit Steuerbarkeit und Transparenz wieder zu verbessern. Viele der ergänzenden Instrumente könnten obsolet werden, weil sie sich ebenfalls auf eine Abschwächung des Mengenanreizes oder die Gewährleistung von Vorhaltung bezogen, aber jeweils ein relativ geringes Finanzierungsvolumen bewegten.

  1. 1.

    Der Fixkostendegressionsabschlag wurde vor dem Hintergrund des starken Mengenwachstums als Ersatz für die entfallende Mengendegression in den Landesbasisfallwerten ab 2016 eingeführt, um eine krankenhausspezifische Anwendung zu erzielen statt einer kollektiven Wirkung jeweils im ganzen Bundesland. Da nach einer Ausgliederung der Vorhaltefinanzierung aus den Bewertungsrelationen die fixen Betriebskosten nicht mehr in relevantem Umfang über die Fallpauschalen vergütet werden, ist eine entsprechende Berücksichtigung einer Vergütungsdegression in den Budgets vor Ort nicht mehr sinnvoll.

  2. 2.

    Im Jahr 2017 wurde eine Sachkostenkorrektur in den DRGs eingeführt, um die hohen Anreize zur Erbringung sachkostenintensiver Leistungen zu reduzieren. Hintergrund war unter anderem die damals sehr große Divergenz zwischen der Bezugsgröße (Kosten) und den Basisfallwerten (Erlöse). Da mit der Einführung einer normativ gesetzten Vorhaltefinanzierung in einer einheitlichen Höhe die Attraktivität der Vergütung sachkostenintensiver Leistungen sinkt, kann das Instrument der Sachkostenkorrektur entfallen.

  3. 3.

    Ebenfalls seit 2017 erfolgt eine Absenkung der Bewertungsrelationen für Leistungen, bei denen in erhöhtem Maße wirtschaftlich begründete Fallzahlsteigerungen eingetreten oder zu erwarten sind (§ 17b Abs. 1 S. 5 KHG). Der dieser Maßnahme zugrundeliegende Fehlanreiz wird durch die Ausgliederung der Vorhaltefinanzierung aus den Bewertungsrelationen beseitigt, sodass eine weitere Absenkung entfallen kann.

  4. 4.

    Auch die Zentrumszuschläge, die in der Umsetzung zu einem hohen Arbeitsaufwand bei länderübergreifend völlig unterschiedlichen Effekten und einem gewaltigen Streitpotenzial führen, können in die Vorhaltefinanzierung einfließen. Neben dem aus dem Casemix-Volumen auf Landesebene ausgegliederten Volumen würden auch die Zentrumszuschläge in dem Vorhaltefinanzierungsvolumen des jeweiligen Landes berücksichtigt. In den Planungsentscheidungen der Länder ist dann neben der Ausweisung der besonderen Aufgaben auch die Größe der Bevölkerung vorzusehen, für die diese Aufgaben zu erfüllen sind. Im Effekt ergäbe sich eine konfliktfreie Zentrumsfinanzierung über die Vorhaltung.

  5. 5.

    Ob die Finanzierung der Notfallstufen mit der Einführung einer einheitlichen Vorhaltefinanzierung ersatzlos entfallen kann, hängt davon ab, wie umfassend neuen Fehlanreizen bei ungeplanten Behandlungen entgegengesteuert wird (vgl. Sect. 18.6 „Besonderer Regelungsbedarf“). Durch eine modulare Ergänzung zur einheitlichen Vorhaltung ist aber eine Vereinfachung der Notfallstufenfinanzierung denkbar und anzustreben.

Zu prüfen und zu erörtern ist, inwieweit die zuletzt im Jahr 2020 vom G-BA neu geregelten Sicherstellungszuschläge angepasst werden müssen oder ggf. sogar obsolet werden. Diese sollen die regionale Basisversorgung der Bevölkerung durch Kliniken sichern, die aufgrund der geringen Fallzahlen ihre relevanten Fachabteilungen nicht kostendeckend betreiben können. Ob dies der Fall sein wird, hängt stark von der Ausgestaltung der Vorhaltekostenfinanzierung ab.

Absehbar nicht in die Vorhaltefinanzierung eingegliedert werden kann das Pflegebudget. In den Empfehlungen der Regierungskommission wird es zwar der Vorhaltefinanzierung zugeordnet, jedoch ohne darin Abstand vom Prinzip der Selbstkostendeckung zu nehmen. Diese Zuordnung ist offensichtlich nicht korrekt. Es ist davon auszugehen, dass die Bundesregierung das Selbstkostenprinzip aus politischen Gründen in dieser Legislaturperiode nicht aufgeben wird. Es wird daher zunächst neben der Fallpauschale und den Vorhaltepauschalen das Pflegebudget als dritte Finanzierungssäule geben. Mittelfristig ist jedoch eine Reform der Pflegekostenfinanzierung unabdingbar, da das aktuelle Finanzierungssystem mit Selbstkostendeckungsprinzip manipulationsanfällig, äußerst bürokratisch und mittelfristig nicht finanzierbar ist.Footnote 4

8 Fazit

Die dritte Stellungnahme der Regierungskommission vom 06. Dezember 2022 trägt zwar den Titel „Grundlegende Reform der Krankenhausvergütung“, im Kern geht es aber um eine Harmonisierung der durch Bundesrecht geregelten Krankenhausfinanzierung mit der in der Hoheit der Länder verorteten Krankenhausplanung. Vorgeschlagen wird die Einführung von Versorgungsstufen sowie eine differenzierte und qualitätsorientierte Leistungsplanung durch die Länder, an die eine fallunabhängige Finanzierung der fixen Betriebskosten, also eine Finanzierung der Vorhaltung geknüpft wird.

Der Grundgedanke weist genau in die richtige Richtung. Durch eine Absenkung der Fallpauschalen zugunsten einer fallunabhängigen Vergütungskomponente wird der ökonomische Impuls zur Überschreitung bedarfsgerechter Behandlungszahlen minimiert. Durch die Verknüpfung dieser Finanzierung mit differenzierten Planungsentscheidungen der Länder wird der Mengenwettbewerb der Kliniken reduziert und stattdessen der Qualitätswettbewerb gefördert. So wird eine Modernisierung der Versorgungsstrukturen erreicht.

Diese Ziele können aber nur erreicht werden, wenn bei der Formulierung der gesetzlichen Regelungen die Weichen richtig gestellt werden. Dabei muss ein stringentes und gleichzeitig pragmatisches Vorgehen gewählt werden, das eine rasche Umsetzung und damit einen zeitnahen Modernisierungsschub für die Krankenhauslandschaft ermöglicht und sich nicht in starren und überkomplexen Regelungen verliert. Zentral für eine erfolgreiche Umsetzung werden eine verbindliche Umsetzung der Vorhaltefinanzierung durch einen eindeutigen Populationsbezug, klare und transparente Prozesse zur Berechnung und Bezahlung der Vorhaltefinanzierung, eine starke und auf Leistungsgruppen basierende qualitätsorientierte Landeskrankenhausplanung sowie die Antizipation drohender neuer Fehlanreize mit den entsprechenden Gegenmaßnahmen sein. Der Ansatz gewährleistet durch eine vollständige Erlösneutralität der Betriebskosten auf Landesebene einen schonenden Übergang in die neue Finanzierungsform. In Abhängigkeit von dem angestrebten Modernisierungsgrad der Reform müssen die notwendigen investiven Mittel für den Strukturumbau von der öffentlichen Hand im Zuge der Daseinsvorsorge zur Verfügung gestellt werden. Hat diese Reformidee Erfolg, so profitieren Patientinnen und Patienten, die Solidargemeinschaft, die Kliniken und deren Mitarbeitende gleichermaßen.