Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen vier Grundtypen imagefördernder (S)D von Unternehmen, die empirisch aus den erhobenen Erzähltexten methodisch (Abschn. 6.2.1) hervorgehen. Diese Grundtypen bilden immaterielle Werte der Unternehmen ab, die aus einem Selbstverständnis in ein gewünschtes Selbstbild geleitet werden, wie es aus Prozessen der Corporate Identity (Abschn. 1.1) hervorgeht. Vorrangig geht es um die Vermittlung dreier grundlegender Bezugspunkte zum Unternehmen, nämlich: Wer sind wir? Was zeichnet uns aus? Nach welchen Werten richtet sich unser Handeln? Entlang der drei Bereiche zeigen sich in den erhobenen Erzählungen folgende vier Grundtypen von imagefördernden (S)D:

  • (S)D als traditionell verankertes Unternehmen

  • (S)D als krisenerprobtes Unternehmen

  • (S)D als verantwortungsbewusstes Unternehmen

  • (S)D als attraktiver Arbeitergeber

Diese Typen zielen darauf, der Öffentlichkeit wie auch Unternehmensangehörigen die eigene Bedeutung für das gesellschaftliche Gefüge aufzuzeigen (vgl. Abschn. 7.1.1.2). Luhmann (1972) begründet das Bemühen zur (S)D von Unternehmen parallel zu dem von Einzelpersonen:

Jeder Mensch muß seine Persönlichkeit als eine Art ideale, sozial gefällige Identität entwickeln und anderen ausschnittsweise kommunizieren, oder er bekommt Anpassungsschwierigkeiten. Und so benötigt auch ein soziales System eine wirksame Selbstdarstellung der eigenen Bedeutung. Sie ist nicht einfach vorhanden, sondern muß konstituiert, ausgebaut, laufend gepflegt und verbessert werden.“ (Luhmann 1972, nach Willems 1998: 57, Hervorhebung, U.A.)

Zur Konstitution, Pflege und Verbesserung der (S)D gehört es, dem Informationsbedürfnis der Bezugsgruppen gerecht zu werden. Heutzutage geht dieses Informationsbedürfnis über Sachinformationen hinaus. Ebenso sind die Bezugsgruppen daran interessiert herauszufinden, nach welchen Maßstäben Unternehmen nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht agieren. Dadurch werden diese narrativ gestützten Typen der (S)D zu einer grundlegenden Option, sich angesichts zahlreicher Konkurrenten positiv hervorzutun. Im Zusammenhang mit kommunikativen, imagebildenden Maßnahmen weist Biere (1994) darauf hin, dass (S)D die „Einlösung einer kommunikativen Pflicht“ (ebd. 1994: 13) sind, die reaktiv auf eine Erwartungshaltung der Öffentlichkeit zurückgeht. In Anlehnung an das einleitende Zitat von Holly (1990) stehen allerdings auch Unternehmen vor der Problematik, dass es schwierig ist, den Bezugsgruppen die eigenen Werte und die eigene Philosophie durch einfaches Behaupten überzeugend zu vermitteln. Hinzu kommt das „Dilemma der Selbstdarstellung“ (Biere 1994: 10), das darin besteht, jemandem ein positives Bild von sich selbst zu vermitteln, ohne des stigmatisierten Eigenlobs bezichtigt zu werden. Daher suchen Unternehmen „andere Formen des Sagens“ (Biere 1994: 11) oder ein geeignetes Transfersystem für ihre (S)D. Erzählungen sind in diesem Zusammenhang eine andere Form des Ausdrucks für die eigene (S)D, da das Darzustellende diskret in einen Begründungszusammenhang gestellt werden kann, und in einer Erzählung (S)D situativ akzeptabel sind. Darüber hinaus ist jede Erzählung durch wechselnde Akteure und Settings verschieden. So kann ein und dieselbe (S)D dank verschiedener Perspektiven und individueller Erlebnisqualitäten wiederholt und dennoch interessant dargeboten werden: entweder durch verschiedene „Stimmen“ innerhalb einer Erzählung (Polyphonie) oder durch die Wiederholung thematisch verwandter Geschichten mit unterschiedlichen Erzähler/innen. Das ist insbesondere deswegen bedeutend, da (S)D keine stabilen Größen sind. Sie bedürfen einer adäquaten Stilisierung, ständiger Wiederholung und Aktualisierung, um im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankert zu bleiben.

Sich selbst als etwas darzustellen, erfordert – nach dem Eruieren des gewünschten Selbstbildes – die Stilisierung zu etwas Bedeutendem, mithilfe von Merkmalen, die mit dem Selbstbild übereinstimmen. In der Managementsoziologie fasst Buß (2012: 170 ff.) die Elemente eines Selbstbildes als Selbstbeschreibungskonzept auf, das Unternehmen brauchen, um ihr „Anders-Sein“ (Buß 2012: 170) nach außen zu tragen:

„Über Selbstbeschreibungen oder wie man neuerdings auch sagt: „corporate stories“ oder „company stories“ bestimmt eine Organisation sich selbst, gewinnt ein Gesicht, wird plastisch sichtbar, hebt sich von der Konkurrenz ab, erhält eine Identität, die kommunizierbar ist.“ (Buß 2012: 170)

Selbstbeschreibungen stellen nach Buß einen kreativen Akt dar: Unterschiedliche Facetten der Unternehmensentwicklung, also das, „was ihm [dem Unternehmen] widerfuhr, was es leistete, welche Enttäuschungen es erlitt, wodurch es geprägt wurde und worauf es zu hoffen wagte“ (Buß 2012: 170 f.), sollen seine Einzigartigkeit begründen. Die Auseinandersetzung mit diesen Aspekten ist eine identitätsbildende Maßnahme im Sinne der Corporate Identity. Daraus resultieren Selbstbeschreibungskonzepte, die der Autor Merkmale der Leistungsidentität und Merkmale der Wertidentität nennt. Die Merkmale der Leistungsidentität drücken nach Buß (2012: 172) „die Stellung eines Unternehmens im Vergleich zum Wettbewerb“ aus, während sich die Merkmale der Wertidentität auf „eine tiefere historisch gewachsene Identität“ (ebd.) richtet (Tab. 8.1):

Tab. 8.1 Identitätsmerkmale der Selbstbeschreibung nach Buß (2012: 171)

In den erhobenen vier Grundtypen narrativ umgesetzter (S)D finden sich sowohl Merkmale der Wertidentität als auch der Leistungsidentität, obwohl es in den Erzählungen vordergründig um die Kommunikation immaterieller Werte geht – was eigentlich einen Ausschluss bestimmter Merkmale der Leistungsidentität bedeuten würde (z. B. Produktbezug). Dabei offenbart sich eine weitere Stärke des Erzählens, die Unternehmen in den erhobenen Daten nutzen: Sämtliche Merkmale, also auch die der Leistungsidentität, können aufgrund des narrativen Deutungsrahmens, individueller Erzählerbezüge und Sinnzusammenhänge beliebig miteinander kombiniert und in Erzählungen eingebracht werden, auch wenn die Erzählungen nicht explizit der Produktwerbung dienen. So ist es auch möglich, Merkmale der Leistungsidentität – wie z. B. den Bezug von Mitarbeiter/innen zu Marken und Produkten – einzubringen und als identitätsstiftendes Potenzial für Unternehmensmitglieder mit einem immateriellen Mehrwert zu belegen (besonders deutlich im Fall von figurierten Erzähler/innen, Abschn. 7.2.2.1).

Die Typenstilisierung von (S)D wird in den Erzählungen anhand von mehr oder weniger umfangreichen ÄußerungseinheitenFootnote 1 sprachlich greifbar. Die Äußerungseinheiten unterscheiden sich einerseits darin, von wem eine typisierende Zuschreibung getroffen wird. Es handelt sich also um eine Frage der Perspektive auf ein bestimmtes Referenzobjekt. Dabei geht es nicht immer explizit um das Unternehmen selbst. Es ist ebenso möglich, dass Handlungen, Initiativen oder Verhaltensweisen von Unternehmensangehörigen stellvertretend zur Typenbildung herangezogen werden. Eine Äußerung zur (S)D kann ein Unternehmensmitglied oder eine außenstehende Person vornehmen. Vollzieht ein Unternehmensmitglied die imagefördernde Äußerung zur (S)D, nimmt es eine Innenperspektive ein, da die Perspektive von unternehmensinternen Einflüssen geprägt ist, wie bspw. Vorgaben hinsichtlich der Corporate Identity. Dadurch handelt es sich um die Kommunikation eines spezifischen „Selbst“. Ebenso kann sich eine unternehmensexterne Person über ein Unternehmen äußern. In diesem Fall handelt es sich um die Aussage einer Person, die nicht Mitglied des Unternehmens ist; die also eine Außenperspektive auf das Unternehmen hat. Zum anderen unterscheiden sich die Äußerungseinheiten darin, welche Sprechhandlungen zur (S)D vollzogen werden. Sprechhandlungen, die sich zur (S)D in einem narrativen Kommunikationsmodus eignen, sind: Behaupten, Beschreiben und Bewerten. Auf dieser Basis zeigen sich in den Daten folgende Möglichkeiten für selbstdarstellende Äußerungseinheiten im Rahmen narrativer Praktiken von Unternehmen (Tab. 8.2):

Tab. 8.2 Optionen für selbstdarstellende Äußerungseinheit

Für ein besseres Verständnis folgen zur Illustration drei unkommentierte, kurze Beispiele für Äußerungseinheiten aus einer Innenperspektive und im Anschluss daran drei Äußerungseinheiten aus einer Außenperspektive: (Bsp. 1) Eine Selbstaussage von einem Unternehmen findet sich beispielsweise im Kontext der Gründergeschichte von Robert Bosch:

„Das nach ihm benannte Krankenhaus in Stuttgart eröffnete Robert Bosch 1940. Dass Gesundheit für das Unternehmen bis heute ein wichtiges Anliegen ist … zeigt Bosch unter anderem mit der Entwicklung moderner Telemedizingeräte zur Betreuung chronisch Kranker.“ (Bosch, U.-Homepage, 2016-12-02. Korpusquelle: BOSCH_467_WS)

Eine Selbstbeschreibung über eine Situation und Handlung (Bsp. 2), die von einem Unternehmen initiiert wird und die für eine imagefördernde (S)D bedeutend ist, verdeutlicht der Vorspann einer Erzählung auf der U.-Homepage der Rewe-Group:

Das Wir-Gefühl stärken und dabei etwas Gutes tun: Gründe genug für ein Team der REWE Group-Konzernrevision, sich in seiner Freizeit für das Kölner Naturerlebnisgelände Finkens Garten zu engagieren. Einen Vormittag lang wurde dort geschuftet, geschleppt und geschwitzt. Zum Schluss stand eine neue Trockenmauer – und die Erkenntnis, dass man viel erreichen kann, wenn jeder mit anpackt.“ (Rewe-Group, U.-Homepage, 2016-11-22. Korpusquelle: REWE_311_WS)

Auch Bewertungen von Mitarbeiter/innen (Bsp. 3) wie z. B. [i]ch hätte vorher nie gedacht, dass das Werk so schön und sauber und Volkswagen so ein guter Arbeitgeber ist (VW, U.-Homepage, 2015-04-09. Korpusquelle: VW_405_WS), sind in den Daten wiederholt verzeichnet. Diesbezüglich greifen Unternehmen regelmäßig auf die „Stimme“ von Mitarbeiter/innen zur (S)D zurück. Da diese als Unternehmensrepräsentant/innen fungieren, fallen ihre Äußerungen ebenfalls in die Kommunikation von einem „Unternehmens-Selbst“ (= Innenperspektive).

Äußerungseinheiten aus einer Fremdperspektive sind weniger häufig, da unternehmensexterne Personen als Unternehmensfürsprecher/innen nicht so (zahlreich) verfügbar sind wie Mitarbeiter/innen. In den Daten handelt es sich in diesen Fällen um audiovisuelle, narrative Formate oder Einschübe, die die Authentizität der Dargestellten und die Wahrhaftigkeit ihrer Äußerungen belegen sollen. Ein Beispiel für eine Fremdaussage (Bsp. 4) findet sich in einer Bewegtbilderzählung auf der Unternehmenshomepage von Bosch. Ein Mitglied der Gemeinde Braderup in Nordfriesland erzählt in einer audiovisuellen Reportage, wie die Bürger erfolgreich einen Windpark zur eigenen Stromerzeugung realisierten. Das Elektrotechnologieunternehmen Bosch ist in das Projekt involviert. Der erzählende Bürger trifft dabei eine positive Fremdaussage (Z. 33–35) über das Unternehmen (Bosch, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: BOSCH_544_WS):

figure a

Das vorletzte Beispiel einer Fremdbeschreibung (Bsp. 5) entstammt einer audiovisuellen YouTube-Sequenz, die in eine Corporate Blogerzählung eingebunden ist. Die Erzählung handelt von einem Workshop für Schüler/innen unter dem Projektnamen Think Big. Initiatoren sind die Telefónica Stiftung, die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und Telefónica Deutschland. Ein Team der Initiatoren bietet in den Regionen München, Berlin, Düsseldorf und Stuttgart an verschiedenen Schulen zu dem Themenbereich Big Data Workshops an. In eine der Erzählungen ist eine Bewegtbildaufnahme von einem Lehrer integriert. In der Aufnahme gibt der Lehrer aus seiner Perspektive eine positive Fremdbeschreibung über den absolvierten Workshop, die positiv für die (S)D des Unternehmens Telefónica als Veranstalter ist (Telefónica Dtl., YouTube, 2016-06-23. Korpusquelle: Telef_767.5_YT):

figure b

Das letzte Beispiel zeigt eine Fremdbewertung (Bsp. 6), die das Energieunternehmen Energie Baden-Württemberg (EnBW) im Zusammenhang mit einem karitativen Projekt in ein positives Licht stellt. Die Bewertung wird von einer Person, die von dem Einsatz des Unternehmens profitiert, in einem YouTube-Film wiedergegeben. Sie bewertet, während sie zusammen mit Mitarbeiter/innen der EnBW an einer Mountainbikestrecke für Kinder arbeitet, die Initiative der EnBW (EnBW, YouTube, 2016-07-09. Korpusquelle: EnBW_720.4_YT):

figure c

Äußerungseinheiten für einen speziellen Typen lassen sich anhand lexikalischer Indikatoren bündeln, die hermeneutisch als SchlüsselwörterFootnote 2 aus den Erzählungen gewonnen werden. Daraus ergeben sich bestimmte Facetten der jeweiligen Typen von (S)D. Unternehmen nutzen diese Facetten zur Präsentation eines gewünschten und möglichst reichhaltigen Fremdbildes (Image). Anhand dieser Facetten ist es möglich, die Typenbildung unabhängig von den einzelnen Unternehmen und der jeweiligen Branche nachzuvollziehen. Grundsätzlich bedienen alle untersuchten Unternehmen mindestens drei der vier erhobenen Grundtypen in ihren Erzählungen. Sie unterscheiden sich jedoch darin:

  • welche Facetten eines Typs im Vordergrund stehen,

  • wie die Facetten inhaltlich belegt und ausgebaut sind und ebenso

  • wie frequent ein Typ in dem Korpus auftritt.

Dadurch deuten die Daten auf branchenspezifische Präferenzen hin. Beispielsweise lässt sich bezüglich der (S)D als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ in den Daten beobachten, dass Energie- und Lebensmittelunternehmen stärker die Facette eines ,ökologisch bewussten Unternehmens‘ ausbauen. Dagegen tritt in dem Korpus bezüglich der Automobil- und Elektrotechnologieunternehmen die Facette des ,sozial und kulturell engagierten Unternehmens‘ häufiger in den Vordergrund.

Das Kapitel über die Grundtypen narrativ gestützter (S)D ist so aufgebaut, dass zuerst typübergreifend Merkmale der narrativen Inszenierung von Äußerungseinheiten zur (S)D vorgestellt werden. Im Anschluss daran lege ich anhand von Beispielen markante Gemeinsamkeiten zur Stilisierung der einzelnen Grundtypen dar. Da die Analyse zeigt, dass die Stilisierung der Grundtypen eine jeweils spezifische Rhetorik verfolgt, mit deren Hilfe die (S)D besonders überzeugend und schlüssig präsentiert werden soll, fasse ich die Ergebnisse nach der jeweiligen Typstilisierung zusammen. Im folgenden Kapitel geht es nun darum, wie die erhobenen Äußerungseinheiten in die Erzähltexte eingebunden werden. Das bedeutet, wie (S)D typübergreifend narrativ inszeniert werden und welche Funktion die selbstdarstellenden Äußerungseinheiten dadurch für die Erzählung erfüllen.

8.1 Typübergreifende Merkmale der narrativen Inszenierung

Mit dem Begriff ,darstellen‘ ist ein bewusstes ,Präsentieren‘ verbunden. Dieses Präsentieren beinhaltet zwei Aspekte. Zum einen ,sich als xy zu präsentieren‘ – mithilfe bestimmter Eigenschaften und Merkmale. Dabei handelt es sich um die Typenstilisierung. Zum anderen ist es nicht unerheblich, wie dieses Präsentieren im Erzählverlauf am besten zur Geltung kommt. Diesen zweiten Aspekt fasse ich vor dem Hintergrund des folgenden Zitats als Inszenierung der Äußerungseinheiten zur Typenstilisierung im Erzähltext auf:

„Der Begriff der Inszenierung weist auf ein wesentliches Merkmal sozialen Handelns hin: Soziales Handeln ist kein einfaches Verhalten, es ist auch nicht nur sinnhaft an anderen orientiert, sondern muß so vollzogen werden, daß es seinen Sinn für andere erkennbar machen kann.“ (Knoblauch 1998: 303, Hervorhebung, U.A.)

Das Zitat von Knoblauch lässt sich auf Erzählungen in ihrer Funktion zur (S)D anwenden, indem man Inszenieren als ein Plausibelmachen der (S)D für die kommunikative Handlung versteht. Das Ziel der Inszenierung ist demzufolge, das Zusammenspiel des narrativen Kommunikationsmodus und der (S)D als sinnvolle Einheit erkennbar zu machen. Inszenierung bedeutet dadurch auch, dass das Darzustellende funktional für die Erzählung ist: In welcher Funktion, an welcher Stelle im Erzählverlauf Äußerungseinheiten zur Typenstilisierung platziert werdenFootnote 3, ist relevant. Inszenierungen beinhalten ein Maß an Kunstfertigkeit (vgl. Knoblauch 1998: 308), das es erlaubt dem kommunikativen Handeln einen bestimmten Reflexionsgrad zu unterstellen. Bezogen auf die Inszenierung sind zwei Untersuchungsbereiche von Interesse:

  1. 1.

    die lokale Einbindung der Äußerungseinheit im Erzähltext

  2. 2.

    die sprachliche Realisierung der selbstdarstellenden Äußerungseinheit, z. B. Statement, Situations- und Verhaltensdeskription, evaluierende Zusammenfassung.

Die analytische Unterscheidung zwischen Stilisierung und Inszenierung der Typen im Erzähltext zeigt, dass (S)D und imagefördernde Erzählungen interdependent sind. Das bedeutet, (S)D geben der imagefördernden Erzählung Sinn (z. B. Erzählanlass, Einstellungs- und Meinungskundgabe), während die Erzählung wiederum auf den Sinn der (S)D rückwirkt (z. B. Begründungszusammenhang, Deutungsrahmen). So erscheinen selbstdarstellende Äußerungseinheiten aufgrund der Wechselbeziehung erzählenswert und die Gefahr des Eigenlobs nimmt ab.

Ein Erzähltext kann grob in einen Beginn, eine Mitte und – abhängig vom VermittlungsvorkommenFootnote 4 – einen Schluss unterteilt werden. Die Inszenierung von (S)D findet in jedem Teilabschnitt einer Erzählung statt. Bestimmte Realisierungsmöglichkeiten sind jedoch häufiger am Beginn, in der Mitte oder am Ende der Erzählung zu finden. Daraus ergeben sich zwei Fragen: Inwiefern ist die (S)D für einzelne Erzählabschnitte funktional? Wie wird die (S)D sprachlich als Bestandteil der Erzählung inszeniert?

8.1.1 Inszenierung der (Selbst)Darstellungen zu Beginn der uRE

Es ist kein Zufall, dass gleich zu Beginn der Erzählung eine selbstdarstellende Äußerungseinheit platziert wird. Der Anfang einer Erzählung gibt nicht nur wichtige Informationen zu Akteuren, Ort, Zeit, Handlungssituation (Labov/Waltetzky 1973: 113) und/oder Bedingungen für den Handlungsverlauf (van Dijk nach Gülich/Raible 1977: 266). Für die (S)D ist der kommunikativ-funktionale Aspekt wesentlich, die Rezeption gleich zu Beginn darauf zu lenken, wie die folgenden Erzählinhalte im Sinne der Imageförderung zu verstehen sind. Dazu muss die (S)D so mit der Erzählung verbunden werden, dass sie die erzählten Ereignisse rahmt und trägt. Damit fokussiert eine Äußerung zur (S)D am Anfang einer Erzählung darauf, in welchem Sinnzusammenhang die Rezipient/innen die narrativ präsentieren Informationen wahrnehmen sollen. Aus diesem Grund werden (S)D am Anfang einer Erzählung kommunikativ-funktional als Behauptungen und/oder Begründungen versprachlicht. Zu Beginn der Erzählung sind (S)D entweder der Einleitung (a) vorangestellt oder (b) in die Einleitung integriert.

Wollen die Erzähler/innen unmissverständlich deutlich machen, welche imagefördernde Kernaussage sie mit der Erzählung vermitteln möchten, stellen sie ihrer Einleitung eine Behauptung voran. In den uRE treten vorangestellte Behauptungen direkt nach der Überschrift auf. Das folgende Beispiel auf einem Traineeblog von Bosch illustriert ein vorangestelltes Statement. Als Themenhinweise in der Überschrift fungieren Bosch und JMP (= Junior Managers Program). Damit verdeutlicht die Erzählerin, dass sie die folgende Erzählung in ihrer Rolle als Teilnehmerin des Junior Managers Program verfasst. Daran schließt sie eine direkte, sloganähnliche Aussage (Bosch, Traineeblog, 2014/12. Korpusquelle: BOSCH_495_WB):

figure d

Hier markiert die Verfasserin ihre Erzählung über ihre Teilnahme am Primavera e. V. Frühjahresbenefizkonzert mit dem darstellungsrelevanten Statement: Bosch redet nicht nur über social Engagement, sondern engagiert sich aktiv. Auf den besonderen Sachverhalt ihrer Erzählung verweist sie bereits in der Überschrift grafisch (Schriftgröße und -farbe, Unterstreichung, Fettschrift, Auslassungszeichen mit Zeilenumbruch) und sprachlich mit dem Satzabbruch: Bosch und JMP ist mehr. Das selbstdarstellende Statement betont die Verfasserin in kursiver Schrift. Mittels einer Kontrastspezifikation (grammis.ids-mannheim) durch die adversative Konjunktion sondern weist sie ihre Behauptung als etwas Besonderes aus. Sie impliziert, dass es Unternehmen gibt, die über soziales Engagement reden, es aber nicht umsetzen. Die folgende Erzählung steht daher im Deutungsrahmen der vorangestellten Behauptung, dass Bosch sich durch soziales Handeln auszeichnet. Die (S)D ist damit über den Informationsgehalt hinaus sinngebend für die Gesamterzählung.

Vorangestellte Begründungen, die Äußerungseinheiten zur (S)D beinhalten, können unterschiedlich elaboriert sein. In den Daten indiziert wiederholt die Präpositionalphrase ,um + zu-Infinitiv einen Begründungszusammenhang. Der Begründungszusammenhang besteht darin, dass die Präpositionalphrase einen Finalsatz einleitet, der eine Absicht, einen Zweck oder ein Ziel ausdrückt, welches mit benannten Zuständen, Situationen oder Informationen verbunden ist, wie im folgenden Beispiel (Telefonica Dtl., bolg.telefonica, 2012-12-06. Korpusquelle: Telef_778_WB):

„Proniño von Telefónica ist die weltgrößte Initiative eines Privatunternehmens gegen Kinderarbeit. Das Programm ist in 13 Ländern aktiv und versorgt mehr als 211.000 Kinder. Damit wird Proniño nur von den Kinderhilfswerken der Vereinten Nationen übertroffen. Ganz regelmäßig reisen auch europäische Telefónica-Mitarbeiter als freiwillige Helfer nach Lateinamerika, um dort den Kindern zu helfen. In diesem Jahr war ich selbst mit dabei sehe [sic!] seitdem viele Dinge mit anderen Augen. Davon möchte ich heute berichten.

Am 14.Juli 2012 habe ich endlich die Chance, nach Südamerika zu fliegen und Teil des Freiwilligenprogramms zu werden. Schon um 3 Uhr klingelt der Wecker …“

Die (S)D besteht darin, sich durch ein Programm gegen Kinderarbeit als wohltätig zu zeigen. Die vorangestellte Beschreibung der Initiative Proniño bereitet die (S)D vor und wertet sie auf (weltgrößte Initiative, nur von … übertroffen). Drei sprachliche Elemente konstituieren die selbstdarstellende Äußerungseinheit: (1) das Iterationsmerkmal ganz regelmäßig reisen […] Mitarbeiter, (2) das Merkmal des Außerordentlichen als freiwillige Helfer und (3) der Begründungszusammenhang (= der Zweck der Handlung), der durch die Präpositionalphrase ,um + zu-Infinitiv‘ (um dort Kindern zu helfen) versprachlicht wird. Danach leitet die Erzählerin auf der Metaebene in ihre Erlebniserzählung über (Davon möchte ich heute berichten). Die Begründung ist, ausgehend vom Textgefüge, retrospektiv ausgerichtet.

Weitere selbstdarstellende Äußerungseinheiten, die die Erzähler/innen mit der Präpositionalphrase ,um + zu-Infinitiv‘ realisieren, sind beispielsweise:

(Bsp. 1) „…, um den Kaffeebauern und ihren Familien ein gutes Einkommen zu sichern und Vorsorge für die Zukunft zu ermöglichen.“ (Korpusquelle: REWE_310_WS)

(Bps. 2) Um ihren gemeinnützigen Charakter zu unterstreichen, änderte die Vermögensverwaltung 1969 ihren Namen in Robert Bosch Stiftung.“ (Korpusquelle: BOSCH_482_WS)

(Bsp. 3) „…, um die Auswirkungen auf die Umwelt noch weiter zu reduzieren.“ (Korpusquelle: E.ON_618_WS)

(Bsp. 4) „…, um den Bedarf zu decken, hat der Konzern an Standorten mit besonders vielen Beschäftigen eigene Kindertagesstätten eingerichtet.“ (Korpusquelle: DTKOM_805_WS)

(Bsp. 5) „Um sich besser kennenzulernen, bauten sie [die Mitarbeiter] einen Tag lang in Gruppen an neuen Projekten.“ (Korpusquelle: DAIMLER_043_WS)

Da die Erzähler/innen bestrebt sind, die (S)D so früh wie möglich in der Erzählung zu kommunizieren, um die Rezeption auf imagefördernde Aspekte zu lenken, tauchen (S)D „spätestens“ in der Einleitung von Erzählungen auf. In dem folgenden Erzählbeginn kommuniziert die Erzählerin die (S)D, indem sie eine darstellungsfördernde Handlung benennt (den Naturschutzbund unterstützen). Da dem Kompositum ,Naturschutzbund‘ zusammen mit dem Vollverb ,unterstützen‘ das Merkmal ,Umweltschutz‘ inhärent ist, muss die Erzählerin die (S)D nicht explizieren. Die folgende Einleitung verdeutlicht, wie sich die (S)D durch vor- und nachbereitende Elemente über den gesamten Erzählbeginn erstreckt:

„Früher Morgen an einem Sommertag 2014: [Simon Walter], Auszubildender bei Daimler im zweiten Lehrjahr, beginnt seinen Arbeitstag nicht wie gewohnt in einer Untertürkheimer Werkshalle, sondern in einem Naturschutzgebiet – dem Moorgebiet von Hinterzarten – dem Höhenluftkurort im Hochschwarzwald. Zusammen mit 22 weiteren Auszubildenden von Daimler unterstützt er aktiv den Naturschutzbund Baden-Württemberg (NABU) bei der Moorrenaturierung. Zupacken und vollen Arbeitseinsatz zeigen, das ist der 20-jährige [Simon Walter] aus seinem Arbeitsalltag als angehender Industriemechaniker gewohnt. Die Hauptaufgabe der einsatzwilligen Helfer im Moorgebiet von Hinterzarten ist an diesem Tag aber eine andere – [Simon Walter] über den Einsatz: „Unser Ziel ist es, das Moor in Hinterzarten im Südschwarzwald vor dem Entwässern und damit vor der Freisetzung von CO2 zu bewahren.““ (Daimler, U.-Homepage, 2014. Korpusquelle: DAIMLER_048_WS)

Die uRE beginnt ohne Vorspann oder Statement mit dem direkten Einstieg in die erzählte Welt: Früher Morgen an einem Sommertag 2014 (Episodenmerkmal, Gülich et al. 1979: 90). Zu Beginn wird die (S)D narrativ vorbereitet, indem das erzählenswerte an der Geschichte sprachlich gekennzeichnet wird: (a) durch die Negation als Abweichung vom Gewöhnlichen (nicht wie gewohnt) sowie (b) in Verbindung mit der adversativen Konjunktion sondern. Der erste Teil der (S)D erfolgt in der Handlungsbenennung, dass Auszubildende von Daimler ,den Naturschutzbund bei einer Moorrenaturierung unterstützen‘. Die Charakterisierung der Mitarbeiter/innen als zupackend, voller Arbeitseinsatz und mit Einsatzwillen indiziert, wie die Aufgabe bewältigt werden wird. Im weiteren Verlauf untermauert sie die (S)D, indem sie mithilfe eines wörtlichen Zitats den Sinn und Zweck der Initiative wiedergibt: das Moor […] vor dem Entwässern und damit vor der Freisetzung von Co2 zu bewahren. Deutlich wird an dem Beispiel, dass die (S)D ausgebaut und gestützt wird, da die Einleitung mehr Raum anbietet als ein vorangestellter Vorspann oder ein Statement.

8.1.2 Inszenierung der (Selbst)Darstellungen innerhalb der uRE

Nachdem bereits einleitend der Fokus auf die (S)D gerichtet wurde, ist die Perspektive, unter der die Erzählung stehen soll, vorbereitet. Die weitere Inszenierung der (S)D kann nun in der Ereignisdarstellung direkt oder komplex vollzogen werden.

Mit einer direkten Inszenierung der (S)D ist gemeint, dass der/die Erzähler/in sie im Anschluss an eine vorausgehende Sprechhandlung plausibel macht. Ein sprachliches Mittel zu einer solchen Inszenierung ist die Frage. Wird eine Frage gestellt, ist eine Antwort erwartbar und notwendig. Diese Annahme ist abgeleitet aus der Konversationsanalyse, die davon ausgeht, dass Frage und Antwort „durch ein sehr enges sequenzielles Format aneinander gebunden [sind], nämlich das der Paarsequenz (Auer 2013: 19). Die Erwartungshaltung, dass auf eine Frage eine Antwort folgt, ist ebenso in Bezug auf schriftlich formulierte Äußerungen einleuchtend. Daher kann auch in schriftlichen Erzählungen diese enge Verbindung zur Inszenierung einer (S)D genutzt werden. Sie stellt dann quasi einen selbstinitiierten Zugzwang dar. Mittels der Gedankenrede formuliert der/die Erzähler/in eine Frage an „sich selbst“ und setzt so die selbstdarstellende Antwort konditionell relevant. Diese Form der Inszenierung ist vor allem kennzeichnend für Internetplattformen der sozialen Medien. Dabei handelt es sich um eine InvolvierungsstrategieFootnote 5, mit der ein Rezipientenbezug hergestellt wird.

Als Beispiel folgt ein Ausschnitt aus der Erzählung eines Telekombloggers, der die Geschehnisse eines Recruiting Events für Berufseinsteiger, das unter dem Thema Elektromobilität steht, auf dem Blog.Telekom festhält:

„Dass Autos für die Steckdose extrem sexy sein können, wusste ich also schon. Aber was hat das mit der Telekom zu tun? Telefonieren kann ich ja auch im Auto mit herkömmlichem Verbrennungsmotor?

Tjaja, wissen wohl die wenigsten, dass die Telekom was mit eMobility zu tun hat. Bekommt man es dann aber erklärt, macht das ganze irgendwie total Sinn. Als DER Netzbetreiber überhaupt in Deutschland ist die Telekom natürlich prädestiniert dafür, sich auch mit der Infrastruktur für Elektroautos zu befassen […] So war es den Tag über die Aufgabe der Studentinnen und Studenten, sich mit einem „Paper“ […] zur Elektromobilität zu befassen. Wie können Entscheidungsträger in Wirtschaft, Politik oder auch im Finanzsektor überzeugt werden auf eMobility zu setzen und damit einen Beitrag zur Zukunft unserer Welt zu leisten?“ (Deutsche Telekom, Blog.Telekom, 2015-06-29. Korpusquelle: DTKOM_831_WB)

Das Arbeitsfeld ,Elektromobilität‘ wird in der Frage als ungewöhnlich für ein Telekommunikationsunternehmen ausgewiesen. Da eine Frage eine Antwort fordert, wird der Raum für die (S)D als DER Netzbetreiber, der sich mit seinem Beitrag zur Zukunft unserer Welt beschäftigt, eröffnet.

Ein zweites Mittel der direkten Inszenierung von (S)D ist die Beschreibung. Die Inszenierung fußt darauf, dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn einer Beschreibung ein mehr oder weniger wertender Kommentar folgt. Allerdings sind bereits der Beschreibung Merkmale der (S)D inhärent. Der die Beschreibung abschließende Kommentar pointiert dabei wichtige Aspekte der (S)D. Zur Veranschaulichung folgt ein Erzählausschnitt von Edeka. In der Erzählung geht es darum, wie mittels der EDEKA Stiftung das Projekt Aus Liebe zum Nachwuchs. Gemüsebeete für Kids ausgeführt wird. Gegen Ende der letzten Episode beschreibt die Verfasserin, wie sie und die betroffenen Kinder die Umsetzung der Aktion erlebt haben:

Christoph und Margreta haben jeden Schritt der Bepflanzung lustig und kindgerecht erklärt – und dazu noch etliche Tipps zur richtigen Pflege und Ernte verraten. Zum Beispiel den Einsatz des „Feuchtigkeitsmessgerätes“. Das hat man immer dabei, es passt in jede Hosentasche und ist: der eigene Zeigefinger! Mit dem kann man einfach ein Stück in die Erde bohren und prüfen, ob die Pflanzen genug Wasser haben. „Aber nicht zu tief graben, sonst kommt ihr in China an!“. Darauf folgten großes Kreischen und leuchtende Kinderaugen.

In den ca. 2,5 Stunden Pflanzzeit hingen die Kinder dem Dreiergespann an den Lippen und bekamen jede noch so knifflige Frage beantwortet. Nun wachsen Möhren, Radieschen, Spinat, Salat und Kohlrabi fleißig der Sonne entgegen und warten darauf, geerntet zu werden.“ (Edeka, Blog Edeka, 2015-06-17. Korpusquelle: EDEKA_216_WB)

Die vorausgehende Situationsbeschreibung zielt darauf, die Kompetenz der Durchführenden (1. Aspekt der (S)D)), den damit erreichten Spaß bei den teilnehmenden Kindern (2. Aspekt der (S)D)) und somit den Erfolg der gemeinnützigen Veranstaltung vorzuführen (= imagefördernde (S)D)). Die Beschreibung ebnet dem abschließenden Kommentar den Weg, die Kinder hingen an den Lippen der Veranstaltenden, die Durchführenden nahmen die Kinder ernst (jede noch so knifflige Frage beantwortet) und erfüllten damit die „Mission“, den „Bildungsauftrag“ für eine gesunde Ernährung (Aufklärung der Kinder über Nahrungsmittel, Anpflanzen von frischem Gemüse).

Die Inszenierung von (S)D ist vor allem in der Ereignisdarstellung von umfangreichen uRE (z. B. Blogerzählungen) komplex. Komplexe (S)D kennzeichnen zwei Merkmale: Zum einen ist die Inszenierung der (S)D in der uRE zerdehnt. Sie besteht aufgrund dessen aus mehreren, meist sprachlich unterschiedlich realisierten Äußerungseinheiten, die die Erzähler/innen miteinander in Verbindung bringen und die sie über die gesamte Ereignisdarstellung verteilen. Zum anderen werden in komplexen Inszenierungen unterschiedliche Darstellungsobjekte herangezogen, die miteinander kompatibel sind. Beispielsweise findet man für die (S)D als ,attraktiver Arbeitgeber‘ häufig das Darstellungsobjekt ,Mitarbeiter/in‘ in Verbindung mit dem Darstellungsobjekt ,Tätigkeit‘, die wiederum auf die (S)D als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ abzielt. Eine komplexe Inszenierung mündet in ein Geflecht von assertiven, deskriptiven oder explanativen Äußerungseinheiten, die in der chronologischen Ereignisabfolge, als eigene Episoden, in erster Linie semantisch miteinander in Beziehung stehen. Das Ziel einer komplexen Inszenierung ist es, die (S)D nicht nur zu proklamieren, sondern sie mit „Leben“ zu füllen: durch Veranschaulichen, Ausbauen, Spezifizieren u. a. Es ist bezeichnend für die untersuchten uRE, dass sie in der Überzahl über keinen klassisch narratologischen Höhepunkt verfügen. Warum die uRE erzählenswert ist, müssen die Erzähler/innen demnach anderweitig rechtfertigen. Das bewerkstelligen sie in weiten Teilen, indem sie ihr Erleben in den Mittelpunkt stellten: Freude, Aufregung, Staunen, Zusammengehörigkeitsgefühle u. a.

Im Folgenden stelle ich ein Beispiel für eine komplexe (S)D innerhalb einer uRE vor. Aus Platzgründen gebe ich die uRE nicht in Gänze wieder, sondern greife aus den aufeinanderfolgenden Episoden (Absatzbildung und Zwischenüberschriften) diejenigen Elemente heraus, die die komplexe Inszenierung der (S)D abbilden (Unterstreichungen). Anhand grauer, zentrierter Überschreibungen weise ich metasprachlich auf die Strukturierung der einzelnen Episoden hin. In kursiver Schrift erkläre ich die Funktion der Inszenierung für die (S)D. Die Pfeile am rechten Außenrand verbinden die einzelnen Episoden der zwei Darstellungsobjekte, um die Verschränkung zu verdeutlichen.

In dem veranschaulichenden Beispiel von E.ONs Neue Energie-Blog führt die Überschrift In Malmös Stadtteil Hyllie wird nachhaltig gelebt, gefahren, geschwommen. Mittendrin: Projektleiter und Fliegenfischer [Urs Müller] die zwei Darstellungsobjekte ein: das Unternehmensprojekt Hyllie und der Projektleiter Urs Müller. Demnach beinhaltet die uRE ein Projektportrait und ein Mitarbeiterportrait. Der gemeinsame Bezugspunkt ist das Unternehmen E.ON. Die (S)D erfolgt zum einen direkt durch Bewertungen und indirekt anhand von Personen- und Zustandsbeschreibungen:

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Das Beispiel illustriert, dass die Erzählung aus mehreren Episoden besteht, die abwechselnd auf die Darstellungsobjekte ,Hyllie‘ und ‚Projektleiter Urs‘ eingehen. Die Verbindung zwischen den beiden Darstellungsobjekten ist das Unternehmen E.ON. Dabei repräsentiert Hyllie Innovation (herausragender Vorreiter) und umweltrelevante Aspekte (erneuerbaren oder recycelten Energie). Während das Darstellungsobjekt ,Urs‘ für Kompetenz (Know-how, gefragter Mann) und gelebte (bringe ich die Kinder zur Kita) wie auch erlebte (von E.ON gebauten und an seine Mitarbeiter vermieteten Hauses) Familienfreundlichkeit steht. Die Zwischenüberschriften lenken die Aufmerksamkeit auf das jeweilige Darstellungsobjekt der kommenden Episode. Auch wenn sprachliche Episodenmerkmale, wie während, eine halbe Stunde später, der nächste Termin oder nach einer Besichtigung die chronologische Abfolge strukturieren, stehen die Passagen mit assertiven, deskriptiven und explanativen Äußerungen häufig sprachlich unverbunden hintereinander. Einen sinngebend Bezugsrahmen bietet innerhalb der Episode das zuvor gesetzte Darstellungsobjekt als semantischer Kontext. Durch die sich abwechselnden Episoden der beiden Darstellungsobjekte wirkt die Erlebniserzählung abwechslungsreich. Zwar kann man in diesem Fall nicht von einer Dramatisierung sprechen, aber zumindest von einer Dynamisierung der Gesamterzählung, der in weiten Teilen die Inszenierung selbstdarstellender Äußerungseinheiten zugrunde liegt. Darüber wird offensichtlich, wie omnipräsent (S)D in den uRE sind und wie die Erzähler/innen sie ganz selbstverständlich in den Erzählablauf integrieren.

8.1.3 Abschließende Inszenierung von (Selbst)Darstellungen

Ist die uRE geschlossen, also verfügt sie über ein Ende, dann erfolgt die Inszenierung der (S)D für gewöhnlich in einer expliziten oder impliziten Bewertung. Bewertungen tragen in Erzählungen zur Imageförderung konstitutive Aspekte der intendierten (S)D, da die Bewertungen inhaltlich und thematisch mit Unternehmensbelangen verbunden sind. Grundsätzlich sind Bewertungen keine „epistemologisch objektiven Tatsachen, sondern […] subjektive Aussagen“ (Searle 2009: 25, nach Burel 2015: 399), weswegen sie ein Merkmal von Erzählungen sind. Labov/Waletzky (1973) sehen Bewertungen für Erzählungen als signifikant an, da sie auf das Ziel der Erzählung verweisen (ebd. 1973: 114). Es liegt daher nahe anzunehmen, dass wenn eine (S)D in der Bewertung enthalten ist, die (S)D das Ziel der Erzählung ist. Deutlich wird das in der abschließenden Bewertung einer Praktikantin des Telekommunikationsunternehmens Telefonica Dtl. Die Erzählerin reflektiert zuerst die zuvor erzählten Inhalte. Abschließend benennt sie ihr Fazit explizit. Sie bewertet auf diese Art das Unternehmen zugunsten einer imagefördernden (S)D. Zusätzlich macht sie mit ihrem Fazit die Funktion der Erzählung deutlich:

„Mein Praktikum bei Telefónica Deutschland hat mir sehr gut gefallen. Von Anfang an wurde ich wie eine vollwertige Kollegin behandelt. Direkt zu Beginn durfte ich spannende und interessante Aufgaben erledigen und immer selbstständig arbeiten. In den letzten sechs Wochen habe ich viel gelernt und einen guten Einblick in das Berufsleben bekommen.

Ich werde mein Praktikum sehr positiv in Erinnerung behalten und könnte mir Telefónica Deutschland gut als meinen zukünftigen Arbeitgeber vorstellen.“ (Telefonica Dtl., Blog, 2016-08-29. Korpusquelle: Telef_759_WB)

Rückblickend reflektiert die Erzählerin, was ihr in ihrem Praktikum besonders gefallen hat. Die benannten Merkmale enthalten Aspekte der (S)D des ,attraktiven Arbeitgebers‘. In ihrem letzten Satz bewertet sie das Praktikum allgemein als sehr positiv und begründet darüber, dass sie sich Telefonica Dtl. als zukünftigen Arbeitgeber vorstellen kann. Da die Erzählerin nicht nur die Bedeutung des Praktikums (viel gelernt), sondern auch ihr persönliches Fazit festhält (möglicher zukünftiger Arbeitgeber), verstärkt sie die (S)D und gibt das Ziel der Erzählung preis: (S)D zur Mitarbeiterwerbung. Hinsichtlich der Frage, welche Funktion eine (S)D am Ende einer Erzählung erfüllt, wird deutlich, dass sie den Sinn der Gesamterzählung mehr oder weniger offen anzeigen.

Inszenierungen von (S)D in Bewertungen sind entweder direkt oder indirekt. Evaluationen, die eine (S)D indirekt tragen, basieren auf Sprechhandlungen. In den Daten bestehen solche Sprechhandlungen in der Formulierung von Dank oder Wünschen. Sie sind nicht immer unbedingt als Bestandteil der narrativen Struktur zu betrachten. Sie bilden aber immer das letzte schriftliche Element der Erzählung. Spezifisch ist diese indirekt bewertende Schlussgestaltung für Internetplattformen des Social Web: Vorrangig betrifft das die Plattform Facebook und Corporate Blogs. Eine dankende Abschlusshandlung formuliert beispielsweise eine Erzählerin in einem Facebookpost von Daimler. Die Erzählung handelt von ,Susi‘, die in dem Unternehmen ein Praktikum absolvierte. Im Schlusssatz richtet sich die Erzählerin direkt an die ehemalige Praktikantin:

„Bevor es für [Susi] im Herbst für den Master zurück an die Uni geht, macht sie nun ein Praktikum an unserem Standort in Aussicht in den Niederlanden. Vielen Dank für deine Unterstützung und auf ein baldiges Wiedersehen, liebe [Susi]! ☺“ (Daimler, Facebook, 2016-02-25. Korpusquelle: DAIMLER_114_FB)

Der persönlich an die Praktikantin gerichtete Dank ist Ausdruck für das Existieren einer einladenden Unternehmensatmosphäre durch eine familiäre wir-Gemeinschaft, die ein Merkmal der (S)D als ,attraktiver Arbeitergeber‘ ist. Der Umstand, dass der Dank online veröffentlicht ist, legt nahe, dass er zwar Ausdruck der Wertschätzung ist, da sich die Erzählung jedoch an ein breites Publikum richtet, handelt es sich ebenso um eine Handlung, die die positive Arbeitsatmosphäre demonstrieren soll. Dadurch entsteht eine verdeckte positive Bewertung. Wie ein Wunsch zu einer bewertenden und selbstdarstellenden Sprechhandlung wird, ist in dem folgenden Facebookpost des Energieunternehmens E.ON zu sehen. Nachdem der Obdachlose ,Marco‘ für die von E.ON unterstützte Kunst für Obdach Benifiz-Verkaufs-ausstellung warb, lebt er nicht mehr auf der Straße, sondern in einer Wohnung. Die letzten zwei Sätze lauten:

„Inzwischen lebt er in einer Wohnung. Wir freuen uns für [Marco] und wünschen ihm wie auch seinen Schicksalsgenossen alles Gute!“ (E.ON, Facebook, 2015-12-21. Korpusquelle: E.ON_674_FB)

Auch in diesem Beispiel handelt es sich bei der Sprechhandlung ,Wünschen‘ um eine verdeckte Bewertung: Da das Unternehmen sich für Obdachlose eingesetzt hat und sich darüber als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ darstellt, bewertet der benannte Erfolg die Aktion als ,gelungen‘. Der abschließende Wunsch lenkt den Blick von der Einzelperson Marco auf andere Obdachlose, die von der Benefizveranstaltung profitiert haben können, und ist damit Teil der (S)D. Den Sprechhandlungen ,Danken‘ und ,Wünschen‘ ist gemeinsam, dass sie Erzählungen in den sozialen Medien abschließen und die imagefördernde Bewertung verdeckt transportieren. Eine implizite Bewertung liegt dadurch vor, dass die Sprechhandlung eine bestimmte (S)D positiv unterstützt. Ein Akt der (S)D ist die Sprechhandlung, da durch die Handlung ein darstellungsrelevantes Merkmal symbolisch „vorgelebt“ und nicht nur behauptet wird: Im ersten Beispiel von Daimler ist es die mitarbeiterfreundliche Unternehmensatmosphäre und in Beispiel zwei von E.ON die Anteilnahme an gesellschaftlichen Problemstellungen außerhalb des Unternehmens.

Bewertungen, in denen die Erzähler/innen eine (S)D abschließend direkt kommunizieren, unterscheiden sich nach dem Grad ihrer Einbettung in die narrative Struktur (Labov/Waletzky 1973: 121). Die Einbettung bewegt sich graduell zwischen zwei Polen. Der stärkste interne Typ einer Einbettung entspricht der evaluierenden Handlung einer dritten Person, während der stärkste externe Typ einer Einbettung in einer „direkten Aussage des Erzählers über seine Gefühle zum Zeitpunkt der Handlung gegenüber dem Zuhörer“ (ebd. 1973: 121) besteht. Wenn solche Bewertungen (S)D enthalten, ist die Form ihrer Einbettung in die Erzählung auch eine Form der Inszenierung von (S)D. Ein Beispiel dafür, wie eine selbstdarstellende Bewertung nach dem externen Typ erfolgen kann, zeigt das Ende der folgenden Blogerzählung von Daimler:

„An diesem Tag sind meine Kollegen nicht nur Kollegen gewesen – sie sind Verbündete geworden. Verbündete in dem Versuch, die Welt in unserem Einflussbereich ein wenig besser werden zu lassen. Man kann nicht alle retten, nicht allen helfen. Aber jedem, dem man zumindest einen Augenblick mit aufrichtigem Interesse schenken kann, den hat man erreicht. Jede Handlung erzielt eine Wirkung – auch die kleinen und leisen.“ (Daimler, Das Daimler-Blog, 2016-02-17. Korpusquelle: DAIMLER_068_WB)

In dieser Schlussgestaltung bewertet die Erzählerin selbst eine gemeinsam mit ihren Kolleg/innen durchgeführte karitative Aktion im Rahmen des Refugee Help Day von Daimler. Ihre Gefühle zum Zeitpunkt der Handlung drückt sie in dem Satz aus: … sind meine Kollegen nicht nur Kollegen gewesen – sie sind Verbündete geworden …. Das Gefühl einer starken Wir-Gemeinschaft (Verbündete) entstand aufgrund der zuvor erzählten Erlebnisse, über das gemeinsame soziale Engagement. Das Erlebnis beeindruckt die Erzählerin und bewegt sie bereits zum Zeitpunkt der erzählten Handlung emotional. Die (S)D als ,sozial engagiert‘ erfolgt in der Aussage die Welt in unserem Einflussbereich ein wenig besser werden zu lassen. Die direkte Bewertung nimmt die Erzählerin im Schlusssatz vor: Jede Handlung erzielt eine Wirkung – auch die kleinen und leisen. Ist eine Bewertung nach dem internen Typ im Erzähltext inszeniert, nimmt sie eine andere Person als der/die Erzähler/in vor. Das entspricht der Strategie zur (S)D in Form der Substitution (Biere 1994: 15). In dem folgenden Beispiel ist es der Ersatz einer Selbstaussage durch das Zitat einer Fremdaussage:

„Das Besondere: Als festangestellte Mitarbeiterin erhielt sie Dank eines Gehaltsplittings während der Freistellung ein angepasstes Gehalt und war somit weiterhin sozialversichert. „Die Zeit war unbeschreiblich und die Erinnerungen an Erlebtes sind unbezahlbar. Und die Sicherheit, in seinen Job zurückzukönnen, ist ein unheimlich gutes Gefühl.“ erzählt die 29-Jährige.“ (Rewe, Facebook, 2015-11-19. Korpusquelle: REWE_372_FB)

Die Bewertung der Mitarbeiterin wird in direkter Rede inszeniert. Darin ist für das Unternehmen die (S)D enthalten, dass das Unternehmen die Interessen seiner Mitarbeiter/innen (Sicherheit in den Job zurückzukönnen) unterstützt, indem es ein Sabbatical ermöglicht. Das direkte Zitat transportiert zusätzlich die ursprünglichen Emotionen der Zitierten und unterstreicht den Wirklichkeitsanspruch der (S)D durch die Authentizität der Formulierung (vgl. Burger 2014: 129).

Die unternehmensübergreifenden Arten der Inszenierung von (S)D in bestimmten Strukturphasen der Erzählung deuten darauf hin, dass die Inszenierung nicht zufällig gewählt wird. Ursächlich dafür ist, dass selbstdarstellende Äußerungseinheiten nicht herausstechen, sondern selbstverständlich in die Erzählung einfließen sollen. Zusätzlich zeigt das Ergebnis, dass (S)D der Erzählung Sinn geben.

8.2 Stilisierung und narrative Rhetorik der vier Grundtypen

Stilisierung ist zu verstehen „als Bündelung beobachtbarer Handlungen, die ausgeführt werden, um eine einheitlich abgestimmte Präsentation zu erzielen“ (Soeffner 1986: 319, nach Spiegel, 1997: 286 f.). Die Bündel beobachtbarer Handlungen kommen in den und durch die einleitend benannten Optionen von Äußerungseinheiten zur (S)D zum Ausdruck, die in einzelnen Erzählepisoden auftreten. Sie sollen Haltungen, Einstellungen und Werte präsentieren, die mit Vorannahmen über sozial erwünschte Erwartungen an Unternehmen korrespondieren. Zu dem Vorgang der Stilisierung gehört nicht nur welche Handlung (d. h. wie etwas gesagt wird), sondern auch welcher Inhalt „zur Realisierung einer sprachlichen Aktivität ausgewählt [wird]“ (Spiegel 1997: 287) (d. h. was gesagt wird). Entsprechend sind für die untersuchten Erzählungen die Inhalte bedeutend, da sie den „Erzählstoff“ bereitstellen, auf dessen Basis die narrative Stilisierung auf- und ausgebaut wird. Eine narrative Stilisierung zielt darauf, darstellungsrelevante Inhalte als besonders auszuzeichnen. Daher unterliegt die narrative Stilisierung zielgerichteten inhaltlichen und handlungsorientierten Selektionsprozessen.

Diese Selektionsprozesse münden in bestimmte Typen der (S)D. Ein Typ basiert auf Teil- oder Untergruppen, „die gemeinsame Eigenschaften aufweisen und anhand der spezifischen Konstellation dieser Eigenschaften beschrieben und charakterisiert werden können“ (Kluge 2000: Absatz 2). Grundlegende Eigenschaften, die die jeweiligen Typen auszeichnen, sind in den selbstdarstellenden Äußerungseinheiten kondensiert. Die Untergruppen, aus denen sich ein Typ zusammensetzt, entsprechen in der vorliegenden Arbeit den herausgearbeiteten thematischen Facetten eines Grundtyps der (S)D. Sie basieren auf den dargebotenen Inhalten in den Erzählungen und zeichnen sich durch eine thematische Nähe zueinander aus (Kriterium der internen Homogenität auf der „Ebene des Typs“, Kluge 2000: Absatz 2). Im Gegensatz dazu sind die Grundtypen untereinander verschieden (Kriterium der externen Heterogenität auf der „Ebene der Typologie“, ebd.). Diese Differenzierung führt zu der Erkenntnis, dass die jeweiligen Typen eine eigene narrative Rhetorik hervorbringen. In einem weiten Sinne können sie als eine Form der Angewandten Rhetorik gesehen werden. Die Erkenntnis ist theoretisch nachvollziehbar, da rhetorisches Handeln „im strategisch gelenkten, also zielgerichteten und nach Möglichkeit geplanten bzw. kalkulierten Proagieren […]“ (Knape 2009: 22) zu sehen ist. Die Funktion dieser narrativen Rhetorik liegt darin, einen Grundtyp möglichst überzeugend, glaubhaft und nachvollziehbar (vgl. Ottmers 2007: 54) den Bezugsgruppen darzubieten. Erzählungen, die einer imagefördernden (S)D unterliegen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie – wie rhetorisches Sprechen im Allgemeinen – „eine auf Wirkung bedachte Form des Kommunizierens“ (Ottmers 2007: 6) sind. Bereits Fischer (1987, nach Till 2019: 132 ff.) postulierte, dass Erzählungen insbesondere dann aus strategischen Erwägungen angeführt werden können, wenn es darum geht, Werthaltungen und Handlungen zu stützen. Das persuasive Potenzial auszuschöpfen, bedeutet eine „logic of good reasons zu bedienen“ (Till 2019: 133, Hervorhebung i.O.), indem die Vermittlung geteilter Werte in das Zentrum der Kommunikation gestellt wird (ebd. 2019: 134). Lakoff (2008) untersucht den strategischen Einsatz von Erzählungen in der Politik und sieht die Verwendung „falscher“ Narrative als Ursache für „das Scheitern der Demokraten in den Wahlen der 1990er und 2000er Jahren“ (Till 2019: 135). Dabei sind bestimmte narrative Rahmen besonders erfolgsversprechend, die tradierten Erzählmustern entspringen und allgemeine Wertschätzung erfahren und auf deren Basis wir Ereignisse und Figuren interpretieren, wie bspw. das Narrativ des Helden oder des ehrenwerten Helfers. (Till 2019: 132 ff,; vgl. hierzu Schach 2016: 53 oder Stücheli-Herlach/Perrin 2013: 31) Die hier verfolgte Beschreibung einer narrativen Rhetorik hat zum Ziel, nachzuzeichnen, wie die jeweiligen Grundtypen erzählerisch plausibel gemacht werden. Es geht darum, welche Funktion spezifische Versprachlichungen übernehmen, damit sich Unternehmen einem Typ zuschreiben können. Die herausgearbeiteten Grundtypen verstehe ich als Idealtypen, im Sinne der verstehenden Soziologie Max Webers. Idealtypen sind „Resultate von Isolierung und Überspitzung bestimmter Aspekte konkreter empirischer Phänomene“ (Kluge 1999: 62). Sie entsprechen einem Idealbild, in dem bestimmte Aspekte der „Realität“ herausgestellt sind. Damit ist unter einem Idealtypus ein „konstruierter Begrifft zu verstehen, der zum einen zielgerichtet ist und zum anderen Formen und Facetten der sozialen Wirklichkeit benennt, verortet und klassifiziert“ (Hanifzadeh 2016: 39). Stilisieren sich Unternehmen aufgrund verschiedener Inhalte zu einem der Grundtypen, verorten sie sich in dem gewählten Idealbild. Indem sie den Idealtypen aufrufen, reduzieren sie die Komplexität von sozialen Konstrukten wie Haltungen, Orientierungen oder Werten für Außenstehende und machen die eigene Position diesbezüglich möglichst einfach und schnell für Außenstehende erkennbar.

Ich stelle die Typenstilisierung anhand von spezifischen Inhalten der ermittelten Facetten (= Beschreibungsebenen) und deren spezifischer Gestaltung (= Merkmalsbereiche) vor. Dabei gehe ich im ersten Schritt auf die allgemeine, inhaltliche Konstitution der entsprechenden Grundtypen ein. Hierfür beziehe ich fachexterne Hintergrundinformationen mit ein, die für die Typenkonstitution wesentlich sind. Dieses Vorgehen ergibt sich aus der datengeleiteten Frage, wie es sein kann, dass in vollkommen verschiedenen Branchen und einem äußerst heterogenen Datenmaterial bezüglich der Grundtypen und der narrativen Stilisierung ein weitgehender Gleichklang besteht. Zusätzlich unterstreichen die Hintergrundinformationen die Bedeutung der Grundtypen für Unternehmen und ihre Spezifik in dem Anwendungskontext. Sie verdeutlichen, dass betriebs- und wirtschaftswissenschaftliche Vorgaben Handlungsfelder für narrative (S)D eröffnen und beeinflussen. Sie wurden gegen Ende der Datenanalyse recherchiert, um das vorgefundene Phänomen – in das interdisziplinär beeinflusste Forschungsvorhaben – einordnen zu können. Im zweiten Schritt zeige ich ausgehend von den einzelnen Facetten der Grundtypen charakteristische Realisierungsmerkmale in den selbstdarstellenden Äußerungseinheiten. Sie beziehen sich auf Merkmale, die erzähltypisch sind (Merkmalsbereich 2). Sie werden anhand von sprachwissenschaftlichem Beschreibungsinventar (Lexik, Semantik, Grammatik) nachvollzogen (Merkmalsbereich 1). Durch dieses Vorgehen verbinde ich das narrative ,Was‘ mit dem umgesetzten ,Wie‘. Als Gestaltungsmittel der narrativen Stilisierung habe ich das ,Dramatisieren‘, ,Personalisieren‘ und ,Emotionalisieren‘ als Charakteristika identifiziert. Wie in Abschnitt 4.1 beschrieben, ist das Dramatisieren in gunui ein narrationsspezifisches Kennzeichen (vgl. Hausendorf/Quasthoff 1996: 139). Unter Personalisieren ist zu verstehen, dass die Erzählung auf eine Person oder mehrere Personen bezogen ist. So verbinden die Rezipient/innen mit der Geschichte ein „Gesicht“, das sie näher an das Erlebte heranführt. Damit das Erleben der Protagonist/innen wiederum nachvollzogen werde kann, geht es darum Emotionen zu kommunizieren. Wenn Erzähler/innen ihre Emotionen in einer uRE zur (S)D vorführen, dann nicht nur um sich selbst zu reflektieren, sondern vor allem, um diese Emotionen in den Rezipierenden zu wecken. Den Ausdruck von Emotionen, mit dessen Hilfe die Rezipient/innen affektiv erreicht werden sollen, verstehe ich unter dem Merkmal ,Emotionalisieren‘. Die Merkmale grenzen die erhobenen uRE explizit vom Berichten ab. Im dritten Schritt schließe ich die jeweilige Typenstilisierung in den erhobenen Erzählungen damit ab, dass ich daraus Rückschlüsse auf eine pragmatische Funktion des Erzählens im Sinne einer narrativen Rhetorik für eine imagefördernde (S)D ableite. Der analytische Dreischritt (inhaltliche Grundlage / charakteristische Realisierungsmerkmale / rhetorische Funktion im Sinne der (S)D)) vermag die Stilisierung der vier ermittelten Grundtypen als eine narrative Praktik von Unternehmen zu beleuchten.

8.3 Grundtyp 1: das traditionell verankerte Unternehmen

Die (S)D als ein ,traditionell verankertes Unternehmen‘ zielt darauf, das Bild zu schaffen, etwas Altbewährtes sei über Generationen gepflegt und weitergegeben worden, aus dem sich eine Unternehmenskultur herausgebildet habe. Daher geht die Typenstilisierung auf Aspekte aus der Unternehmensgeschichte ein. Die (S)D etabliert eine Erinnerungskultur, die zum Erfolg führende wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte der Unternehmensgeschichte sowie besondere Leistungen aufgreift. Diese Typenbildung soll der zunehmenden Markengleichheit (Brand Parity) entgegenwirken und das Unternehmen „individualisieren“. Auf Basis von Traditionen stilisieren sich Unternehmen als „historische Wesen“ (Schug 2004: 90), die eine Entwicklung durchlaufen haben. Die Kommunikation von Tradition vermittelt den Bezugsgruppen ein „Gefühl von Vertrautheit“ (ebd. 2004: 91) und soll die Einmaligkeit der Unternehmen unter Beweis stellen, um so ein „wettbewerbsdifferenzierendes Argument aufzubauen“ (ebd.). Die Grundlage zur Stilisierung als ,traditionell verankertes Unternehmen‘ bilden zwei thematische Facetten: Die erste Facette umfasst Inhalte rund um Themenbereiche zum ,Generationenbetrieb oder Familienunternehmen‘. In der zweiten Facette werden Inhalte zur ,unternehmenseigenen Denkmalpflege‘ eingesetzt. Die folgende Abbildung zählt mögliche Inhalte zur Typenstilisierung des ,traditionell verankerten Unternehmens‘ innerhalb der entsprechenden thematischen Facette auf (Abb. 8.1):

Abb. 8.1
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Konstitutive Elemente des ,traditionell verankerten Unternehmen‘ auf Basis thematischer Facetten und ihrer inhaltlichen Merkmale

Dabei liefern Inhalte der Facette ,Generationenbetrieb oder Familienunternehmen‘ Vorbilder für Verhaltens- und Handlungsmuster, während die ,unternehmenseigene Denkmalpflege‘ an etwas kulturell Bedeutsames erinnert und die Erinnerung daran kultiviert. Beide Facetten stilisieren das entsprechende Unternehmen zu etwas Außergewöhnlichem, meist in Verbindung mit besonderen erbrachten Leistungen. Da Erzählungen eine teleologische Dimension inhärent ist, „die in ihrem Charakter als Wirklichkeitszurichtungsaufforderung besteht“ (Kleeberg 2017: 203), trägt diese Stilisierung imagefördernde Unternehmensmerkmale wie Qualität und Beständigkeit. Diese beiden Aspekte stellen eine vertrauensbildende Grundlage für die Bezugsgruppen und ein Kompetenzversprechen (vgl. Schug 2004: 90) dar. Dabei erstrecken sich die Vertrauensgrundlage wie auch das Kompetenzversprechen sowohl auf die Marke und ihre Produkte wie auch auf die Handlungen der Unternehmen. Das Vorkommen der Typenstilisierung besteht in den Daten vorwiegend auf der U.-Homepage, mit integrierten eigenen Historyblogs und etwas seltener auf YouTube. Auf den Internetplattformen Twitter, Facebook und Xing wird dieser Grundtyp nur marginal bis gar nicht bedient. Im nächsten Unterkapitel exemplifiziere ich anhand der erhobenen Äußerungseinheiten, auf welchen Inhalten die zwei Facetten die Typenstilisierung aufbauen.

8.3.1 Stilisierung der Facette ,Generationenbetrieb oder Familienunternehmen‘

Die erste Facette ,Generationenbetrieb oder Familienunternehmen‘ gründet auf Erzählelementen rund um die Unternehmensentstehung. Lexikalische Indikatoren verweisen diesbezüglich auf eine temporale Zerdehnung (Temporaladverbien: damals und heute, Jahreszahlen), Hinweis auf die ,Familie‘ oder involvierte Familienmitglieder (Bruder, Söhne, Ehefrau, Onkel, Großvater, Urgroßvater) und handlungsweisende Ausgangspunkte (Verbalgefüge mit gründen, eine Historie haben oder in etwas rein geboren sein). In diesem Rahmen werden inhaltlich drei Teilbereiche zur Typenstilisierung des ,traditionell verankerten Unternehmens‘ in der Facette aufgegriffen: (a) der ,Gründer- und/oder Unternehmensethos‘, (b) das ,Unternehmertum‘ und (c) ,Wirkungsbereiche‘ der UnternehmenFootnote 6.

(a) Inhalte über den ,Gründer- und/oder Unternehmensethos‘ geben eine auf das Geschäft bezogene moralische Gesamthaltung eines Gründermitglieds wieder. Insbesondere Schlüsselwörter wie Werte, Kultur,Footnote 7 Passion und Firmenphilosophie deuten auf eine Orientierungsfunktion für das gegenwärtige Unternehmen hin. Um das zu erreichen, zeichnen die Autor/innen eine Unternehmensentwicklung nach, die sich auf den Zeitraum von ,damals bis heute‘ erstreckt. Das Erzählmuster fokussiert darauf, vergangene Haltungen, Einstellungen und Erfolge aus den Unternehmensursprüngen in Form eines altbewährten Erfolgsrezepts mit der „Jetzt-Zeit“ zu verbinden. Die Erzähllogik läuft darauf hinaus, dass solche Visionen, Haltungen oder Einstellungen der Gründer auch dem heutigen Unternehmen zugrunde liegen: Aufgrund des bestätigenden Unternehmenserfolges wurde der Gründer-/Unternehmensethos gewissermaßen über die Zeit zu einer Unternehmenstradition. Typenstilisierende Äußerungseinheiten verbalisieren den Aspekt direkt als Argumentation in eigener Sache. Hierzu eine Äußerungseinheit aus der Mitte einer der Gründererzählungen von Werner von Siemens, die maßgebende typenstilisierende Passage ist unterstrichen:

„Werner von Siemens ist am Ziel. Zeit seines Lebens drängt es ihn, etwas zu schaffen, das bleibt. Für sich, die Familie – und für die Welt. Es ist ihm gelungen. Um 1880 dominiert seine Firma als elektrotechnischer Universalanbieter den deutschen Markt. Aus der kleinen Hinterhofwerkstatt hat sich ein transnational agierendes Technologieunternehmen entwickelt, mit Produktstandorten in England, Russland, Österreich – und inzwischen rund 1.500 Mitarbeitern.“ (Siemens, Historyblog, o.J. Korpusquelle: SIEMENS_588_WB)

Die moralische Gesamthaltung als ein Vermächtnis von Werner von Siemens wird in Form der Beständigkeit, die sein Handeln bestimmt haben soll, benannt (etwas zu schaffen, das bleibt). Die Beständigkeit geht vorausschauend über den Eigennutz hinaus, indem sie auch der „Welt“ um das Unternehmen herum von Nutzen sein soll. Das Präsens historicum verortet den implizierten Gründerethos ,Beständigkeit‘ als weiterhin gegenwärtig und aktuell (vgl. Weinrich 1964; Eroms 2014: 175). Eine weitere Verbindung zur Jetzt-Zeit leitet die ergebnisorientierte Assertion Es ist ihm gelungen ein. Der anschließend zu erwartende argumentative Beweis ist nachgestellt. Er besteht in der Unternehmensentwicklung Aus der kleinen Hinterhofwerkstatt hat sich ein transnational agierendes Technologieunternehmen entwickelt und wird mit Zahlen und Fakten über die heutige Unternehmensgröße belegt. In der Äußerungseinheit ist es die Wertvorstellung des Gründers, die sein damaliges Handeln bestimmt, welches grundlegend für den heutigen Unternehmenserfolg ist. Daher wird die Vision ,etwas Beständiges für alle zu schaffen‘ zu einer Tradition, einem Unternehmensethos stilisiert, der nach wie vor die heutige Unternehmensphilosophie prägt und zugleich als ein Qualitätsversprechen für die Bezugsgruppen fungiert.

(b) Die Facette ,Generationenbetrieb oder Familienunternehmen‘ zur (S)D als ,traditionell verankertes Unternehmen‘ gründet sich des Weiteren auf selbstdarstellende Äußerungseinheiten zum ,Unternehmertum‘. Solche Inhalte drehen sich um makro- und seltener um mikroökonomische Unternehmensmerkmale, die mit den Unternehmensanfängen in Verbindung gebracht werden. Insofern knüpfen die Inhalte an die Typenstilisierung als ,traditionell verankertes Unternehmen‘ an. Der Begriff ,Unternehmertum‘ unterliegt keiner allgemeingültigen Definition. Merkmale und Eigenschaften des Konzepts werden heute in der Fachliteratur unter dem Anglizismus Entrepreneurship diskutiertFootnote 8. Unter einer volkswirtschaftlichen Perspektive beschreibt Fritsch (2019) den Terminus wie folgt:

„Der Begriff Entrepreneurship steht für Faktoren wie unternehmerische Initiative, Kreativität, Innovation und das Eingehen ökonomischer Wagnisse. Er bezeichnet diejenigen Formen von Unternehmertum, die eine zentrale Triebkraft für wirtschaftliche Entwicklung darstellen.“ (Fritsch 2019: 2)

Gerade die Unternehmensgründung charakterisierende Handlungen, wie „unternehmerische Initiative, Kreativität, Innovation und das Eingehen ökonomischer Wagnisse“ (ebd.) eigenen sich für Erzählungen. Sie bieten den narrativen Stoff für veränderte Anfangs- und Endzustände, die in einem emotionalen und dynamischen Prozess von Entbehrungen, Selbstzweifeln, dem Einwirken von Zweiflern und Kontrahenten oder schlechten Startbedingungen zu etwas Großartigem, etwas Innovativem führen. Damit orientiert sich die Stilisierung eines ,Unternehmertums‘ vornehmlich an wirtschaftlichen Aspekten. Charakteristisch für das Handeln der Verantwortlichen ist ein „Experimentieren mit neuen Produkten bzw. Geschäftsideen“ (Fritsch 2019: 8), mit denen ein Risiko oder Unsicherheiten einhergehen. Personen, die mit Unternehmertum in Verbindung stehen, schreibt der Fachdiskurs nach Fritsch (2019: 8) dementsprechend Eigenschaften zu, wie Wachheit und das Erkennen von Gelegenheiten, Kreativität, Initiative und Gestaltungswille, Einführung neuer Ideen, Streben nach Selbstverwirklichung, eigenverantwortliches Handeln, Durchsetzungswille und -fähigkeit sowie Risikobereitschaft.

Der nun folgende Ausschnitt einer Erzählung über Gottlieb Daimler nimmt typische Merkmale des Unternehmertums auf, um das Unternehmen als ,traditionell verankert‘ zu stilisieren. In der Erzählung, macht Daimler sich nach Differenzen mit der Geschäftsleitung seines damaligen Anstellungsunternehmens selbständig. Dazu erwirbt er eine Villa mit einem großen Garten, auf dem sich ein Gewächshaus befindet. In diesem Gewächshaus experimentiert er mit seinem Geschäftspartner Wilhelm Maybach an einem Verbrennungsmotor. Das Kondensat der Erzählung ist in der abschließenden Äußerungseinheit zur (S)D enthalten. Sie ist im Zitat unterstrichen:

„Die Versuche liefen unter größter Geheimhaltung, denn Gottlieb Daimler hatte Angst, dass seine Idee der Konkurrenz bekannt werden könnte. Selbst die Hausangestellten und der für die große Parkanlage notwendige Gärtner waren nicht darüber informiert, was er und Maybach im Gartenhaus trieben. Das weckte vor allem bei dem Gärtner Weinbuch heftiges Misstrauen. Weinbuch erzählte eines Tages einem Polizeiwachtmeister, er vermute, Daimler und Maybach stellten im Gewächshaus Falschgeld her, denn er würde es oft klopfen und nach Metall klingen hören. Als die Polizei den beiden Ingenieuren nachts einen Besuch abstattete, fand sie zu ihrer Überraschung statt einer Münzpresse nur Werkzeuge und Motorteile vor. Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach konnten fortan unbehelligt von der Polizei ihre Forschungen verfolgen und entwickelten bis 1883 den ersten schnelllaufenden Viertaktmotor. Damit verwirklichte Gottlieb Daimler seine Vision von einem universell einsetzbaren Antrieb und veränderte die Welt.“ (Daimler AG, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: DAIMLER_034_WS)

Der Unternehmensgründer erkennt die Gelegenheit und geht das Wagnis ein, sich selbständig zu machen, um sich mit seiner innovativen Idee selbst zu verwirklichen. Daimler lebt seine Kreativität im Geheimen aus, da er sich der Konkurrenz bewusst ist und experimentiert an einem neuen Produkt. Durch sein Verhalten weckt er in seinem Umfeld Misstrauen und muss sich in der Konsequenz einer Anzeige erwehren. Danach kann Daimler seine Forschung zu Ende führen und veränderte [dadurch] die Welt. Der/die  Erzähler/in schreibt Daimler in der uRE die Merkmale des Unternehmertums ,Initiative‘, ,Kreativität‘, ,Innovation‘ und ein ,ökonomisches Wagnis‘ zu. Die abschließende Äußerungseinheit betont den ökonomischen Nutzen der Innovation, die zur Geschäftsgrundlage wird und an deren Reputation und Weiterentwicklung das heutige Unternehmen anknüpft, auch wenn es schon lange nicht mehr die Ursprungsfamilie führt. Stilisierungen, die auf das Unternehmertum in den uRE abzielen, werden mit Substantiven wie Vordenker, Tüftler, Pionier, Selfmademan, Weltunternehmen oder Weltfirma aufgewertet, um die ökonomische Leistung zu betonen. Daneben verweisen Verben wie entwickeln, expandieren oder etwas erschließen auf den kreativen Prozess. Adjektive im Komperativ oder Superlativ (erste/r/s, hervorragend, weltweit führend) betonen die Tragweite der Leistung.

(c) Damit Erzähltextinhalte über ,Wirkungsbereiche‘ der Unternehmen die (S)D des ,traditionell verankerten Unternehmens‘ stützen und die dazugehörige Facette des ,Generationenbetriebs oder Familienunternehmens‘ konstituieren, bestehen die Inhalte z. B. aus einer grundlegenden Einflussnahme durch ein besonderes Leistungsmerkmal oder vorausschauenden Entscheidungen und Handlungen der Unternehmensleitung. Hierfür lehnen sich selbstdarstellende Inhalte über ,Wirkungsbereiche‘ sowohl an das Unternehmertum als auch an Aspekte des Gründer- und Unternehmensethos an. Dabei geht es darum, eine Wirkung auf bestimmte Personengruppen zu demonstrieren. Eine solche Einflussnahme umfasst neben Unternehmensmitgliedern vor allem Außenstehende. Da Unternehmen für ihr Bestehen und ihr Funktionieren auf die „Außenwelt“ angewiesen sind, sehen sie sich in einem „Rechtfertigungszwang“ hinsichtlich ihrer Existenz und ihrer Leistungsgenerierung, die über ihren eigenen Nutzen hinaus geht. Aus diesem Grund ist es für sie von Bedeutung nicht nur aktuelle Leistungen, sondern auch vergangene Leistungen und ihre Bedeutung für die „Außenwelt“ hervorzuheben. Anschaulich machen Unternehmen solche gesellschaftsrelevanten Wirkungsbereiche mithilfe von unternehmensspezifischen Innovationen, die das Leben der Bevölkerung revolutioniert haben sollen. In einer multimodalen Gründererzählung über Werner von Siemens wird das beispielsweise mit einer Aufzählung seiner einflussreichsten Erfindungen umgesetzt. Eingeleitet wird die Episode mit dem Satz Eine technische Innovation jagt die andere. Danach folgen alte Fotografien, auf denen Menschengruppen zu sehen sind, die vermeintlich die jeweils benannten Erfindungen „erstmals“ nutzten. Insgesamt werden sieben Fotografien mit einer Jahreszahl und einem Schriftzug, der die Erfindung benennt, eingeblendet. Da es sich bei Siemens um ein Elektrotechnologieunternehmen handelt, wird Bezug auf neue Mobilitäten genommen, die nur mithilfe von Elektrotechnologie entstehen konnten (Abb. 8.2):

Abb. 8.2
figure 2

Nutzenbringendes Leistungsmerkmal des Unternehmens Siemens für Außenstehende (Siemens, U.-Homepage/Siemens Historical Institute, o. J. Korpusquelle: SIEMENS_588_WS)

In dieser Machart kann der/die Rezipient/in darüber hinaus sechs weitere Leistungsmerkmale zum Nutzen von unternehmensexternen Personen nachverfolgen (1880: Erster elektrischer Personenaufzug der Welt, 1881: Erste elektrische Straßenbahn der Welt, u. a.) bevor die uRE dem weiteren chronologischen Ablauf folgt.

Nicht immer können Unternehmen Leistungsmerkmale einer Gründerpersönlichkeit bemühen. Das Unternehmen Energie Baden-Württemberg (EnBW) beruft sich daher in seinem Unternehmensportrait auf seine geschichtliche Entstehung aus einer Fusion von kommunalen Zweckverbänden. Der angesprochene Wirkungsbereich und seine Einflussnahme auf die Außenwelt kommt explizit in dem unterstrichenen Satz zum Ausdruck:

„EnBW Energie Baden-Württemberg AG – unser Name verweist auf unsere Wurzeln und unser Engagement. Unsere Vorgängerunternehmen haben vor über einhundert Jahren begonnen, Elektrizität und damit Industrie und Wachstum nach Baden-Württemberg zu bringen. Heute gehören wir zu den größten Energieversorgungsunternehmen in Deutschland und in Europa. Mit rund 20.000 Mitarbeitern versorgen wir 5,5 Millionen Kunden mit Strom, Gas, Wasser und energienahen Produkten und Dienstleistungen.“ (EnBW, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: EnBW_684_WS)

Das Substantiv Wurzeln verweist auf die Unternehmensanfänge und setzt für das Folgende die Rahmung als ,traditionell‘. Die Unternehmenstätigkeit wird zu einer Tradition stilisiert, da das Unternehmen in Baden-Württemberg über einen Zeitraum von über einhundert Jahren ein Stromnetz installiert und betreibt. Das Pronominaladverb damit setzt die Installation von Elektrizität in eine instrumentale Beziehung mit dem Wirtschaftswachstum. In der selbstdarstellenden Äußerungseinheit wird festgehalten, dass das Unternehmen eine Infrastruktur zur Verfügung stellt(e), auf deren Basis sich Industriebetriebe erst ansiedeln konnten. Damit spricht sich das Unternehmen einen grundlegenden Anteil an der industriellen Entwicklung im Land zu, die vor allem für Außenstehende von Interesse und Nutzen ist.

Neben leistungsbezogenen Wirkungsbereichen stilisiert sich beispielsweise Siemens auf Basis seiner langen Geschichte als Traditionsunternehmen auch als einflussnehmend in gesellschaftspolitischen Themenbereichen. Hierfür nimmt die Unternehmensgeschichte Bezug auf den Umgang als Arbeitgeber mit der Berufstätigkeit von Frauen. Der Textinhalt vermittelt den Eindruck, dass das Unternehmen aufgrund seiner offenen Haltung aktiv an der gesellschaftspolitischen Entwicklung beteiligt war. Die Erzählinhalte werden im Folgenden anhand von aufeinander bezogenen Erzähltextausschnitten wiedergegeben, die aufgrund von Episodensignalen (Gülich 1979: 91) kausale Zusammenhänge indizieren (im Zitat unterstrichen). Die Kausalität läuft auf die selbstdarstellende Funktion für den ,Wirkungsbereich des Unternehmens hinsichtlich gesellschaftspolitischer Fragen‘ hinaus. Die Basis bildet auch hier der unternehmensgeschichtliche Hintergrund und eine Entwicklung über einen Zeitraum:

„Die Geschichte der Frauen bei Siemens in Karlsruhe begann mit den ersten Anfängen des Werkes. Bis Mitte der 50 Jahre wurden sie als Botinnen eingestellt. […] Fast zeitgleich setzten Mitte der 50er Jahre Streikwellen ein, in denen auch die Rechte der Frau am Arbeitsplatz thematisiert wurden. Daraufhin durften sich Frauen auch bei Siemens direkt für den jeweiligen Fachberuf bewerben. […] Im Laufe der Jahrzehnte haben sich Frauen im Unternehmen voll integrieren können und sind heute erfolgreich in allen Geschäftsbereichen und Positionen am Siemens-Standort Karlsruhe tätig. […] Seit 2002 beteiligt sich der Karlsruher Siemens-Standort am Mädchen-Zukunftstag und öffnet am Girls Day seine Pforten, um neugierige Mädchen für Technik zu begeistern und um mehr Frauen in technischen Berufen zu gewinnen.“ (Siemens, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: SIEMENS_553_WS)

Da heute die Arbeitstätigkeit von Frauen nicht in demselben Ausmaß gesellschaftspolitisch zur Diskussion steht, schlägt die uRE einen Bogen zur „Jetzt-Zeit“. Dafür schwenkt der Textinhalt auf den aktuelleren Themenbereich um, dass Frauen in Technikberufen unterrepräsentiert sind. Auch hier vermittelt der Erzähltext den Eindruck, Siemens würde sich ausgehend von dem früheren Engagement zur beruflichen Gleichberechtigung von Frauen auch heute für gesellschaftspolitische Aspekte rund um die Belange von Frauen einsetzen. Der Wirkungsbereich ist damit doppelt besetzt: Zum einen durch den vermittelten Eindruck, das Unternehmen habe sich in der Vergangenheit für die Gleichberechtigung von Frauen eingesetzt. Zum anderen dadurch, dass sich das Unternehmen auch heute für die Belange von Frauen starkmacht.

8.3.2 Stilisierung der Facette ,unternehmenseigene Denkmalpflege‘

Die ,unternehmenseigene Denkmalpflege‘ schafft eine Erinnerungskultur, die die Außenwirkung von Unternehmen positiv unterstützt. Schug (2004) spricht diesbezüglich von „History Marketing“ (ebd. 2004: 89), dessen Funktion darin liegt, die Erinnerung an positive Aspekte aus der Unternehmensgeschichte aufzunehmen. Dabei geht es vorrangig um Merkmale, die zum Erfolg eines Unternehmens führten. Sie beruhen in den erhobenen Daten zu weiten Teilen auf historischen Objekten oder auf ehemals bedeutenden Unternehmenspersönlichkeiten. Die identifizierten Erzählanlässe gehen zurück auf (a) Jubiläen und/oder Gründergeburtstage, (b) für die Unternehmen bedeutsame Gedenkstätten (z. B. Geburtsstätten oder Wohngebäude von Unternehmenspersönlichkeiten, Museen) sowie von Unternehmen initiierte, (c) traditionelle Gebräuche (z. B. das Maikäfertreffen von VW). Im Vordergrund steht, an etwas zu erinnern, das für die Unternehmen ein hohes und einzigartiges Identifikationspotenzial hat. Auf diese Weise setzen sich Unternehmen ein eigenes Denkmal. Um es im Bewusstsein der Unternehmensumgebung zu verankern, muss das Denkwürdige wiederholt kommuniziert und zelebriert werden, daher nehmen sie bestimmte Aspekte zur ,unternehmenseigenen Denkmalpflege‘ auch in Erzählungen auf. Die Verbindung zur Typenstilisierung als ,traditionell verankertes Unternehmen‘ liegt darin, dass es sich um identitätsstiftende Objekte und/oder bedeutungsvolle Ereignisse (ausgelöst von bestimmten Unternehmenspersönlichkeiten) aus der Unternehmenshistorie handelt. Hierfür bedienen die Kommunikationsverantwortlichen verschiedene Internetplattformen. Diese Erzähltexte finden sich in Blogerzählungen (z. B. Mitarbeitererzählungen über Jubiläen) wie auch in Kompakterzählungen auf Xing oder Facebook (z. B. kleine Episoden über das Leben von Unternehmenspersönlichkeiten zu Gründergeburtstagen) bis hin zu audiovisuellen Reportagen auf YouTube oder der U.-Homepage (z. B. Oldtimer-Rallyes und -Rennen). Vor allem Nominalphrasen mit Adjektivattributen wie glorreiche Ära, epochenmachende Neuheit, historische/s/r Schauplätze/Jubiläum/Geburtstag/Triumph, traditionelle *treffen, legendärer *sieg, restauriertes Schmuckstück schreiben den Erzählobjekten das Merkmal einer zurückliegenden, außerordentlichen Qualität zu, ebenso substantivische Benennungen wie Kulturgut, Zeitzeuge, Sensation oder Nostalgie. Zwei Beispiele veranschaulichen exemplarisch, wie die Erzähltextinhalte zur ,unternehmenseigenen Denkmalpflege‘ aufgegriffen werden und darüber den Grundtyp eines ,traditionell verankerten Unternehmens‘ konstituieren.

(a) In dem folgenden Beispiel nimmt das Automobilunternehmen Daimler AG ein Jubiläum zum Anlass, um die Facette der ,unternehmenseigenen Denkmalpflege‘ für die (S)D als ,traditionell verankertes Unternehmen‘ in einer Erzählung zu stilisieren. Es ist ein Blogbeitrag, der an den fulminanten Mercedes-Dreifachsieg beim Großen Preis von Frankreich 1914 bei Lyon (Daimler, Daimler-Blog, 2014-05-19) erinnert. Der Erzählanlass ist das 100-jährige Jubiläum des Ereignisses. Dazu stellt das Unternehmen das Rennen mit den Originalfahrzeugen am Ort des damaligen Geschehens nach. Nach einem einleitenden Vorspann im Präsens, markiert der Autor den Erzähleinstieg in das historische Ereignis mit dem Tempuswechsel zum Präteritum und thematisiert das Jubiläum:

„Denn vor genau 100 Jahren, als die Silberpfeile noch eierschalenfarben waren und Flugzeug- statt Hybridtechnik besaßen, dominierten sie das Renngeschehen fast ebenso nach Belieben wie heute in der Formel 1.“ (Daimler, Das Blog, 2014-05-19. Korpusquelle: DAIMLER_087_WB)

Der Autor setzt den Fokus auf den historischen Aspekt zur (S)D mithilfe des Tempuswechsels in die Vergangenheit und der vorangestellten Zeitinformation (vor genau 100 Jahren). Bereits in diesem Satz deutet er auf die anvisierte Tradition in dem charakterisierenden Vergleich hin: dominierten sie [die Silberpfeile] das Rennengeschehen fast ebenso […] wie heute. Damit kann das Unternehmen auf eine zeitlich lang bestehende Tradition in Form der Produktion von Rennfahrzeugen zurückblicken. Im Anschluss an die selbstdarstellende Äußerungseinheit folgt eine fachliche Erläuterung über die sich verändernde Bauart des Sportwagens, bevor der Autor wieder inhaltlich zu seiner Erlebniserzählung zurückkehrt. Dabei formuliert er das Jubiläum als Erzählanlass und Rahmung zum ersten Mal explizit (unterstrichen):

„[…] Rechtzeitig zum großen Jubiläum lud Mercedes-Benz Classic nach Lyon, um den legendären Dreifachsieg an historischen Schauplätzen für Journalisten nacherlebbar zu machen. Zu Beginn der Planung dürfte das Team aus Mercedes-Benz-Museum und Classic-Center kaum zu hoffen gewagt haben, wie hoch der Aktualitätsbezug dieses historischen Triumphes im frühen Verlauf der Formel-1-Seison 2014 sein würde. Besser planbar, aber dennoch nicht minder schwierig in der Umsetzung: drei Originalfahrzeuge der insgesamt nur sieben jemals gebauten Exemplare nach 100 Jahren zurück an dem Ort ihres Triumphes zu bringen. Denn wohlgemerkt: es gibt weltweit nur noch genau drei, und nur eines befindet sich im Besitz der Daimler-Classic-Sammlung.“ (Daimler, Das Blog, 2014-05-19. DAIMLER_087_WB)“

Das Objekt der Stilisierung sind die Fahrzeuge, deren Seltenheitswert der Autor in den zwei letzten Sätzen wiederholt betont. Das Jubiläum ist der Träger der (S)D. Es dient der Denkmalpflege der historischen Objekte, indem es sie auf zweifache Weise „nacherlebbar“ macht: zum einen für die Teilnehmer/innen selbst und zum anderen für die Rezipient/innen der Erzählung. Das Objekt ,Silberpfeil‘ trägt wiederum das Leistungsmerkmal (schnelles Autor) als Identifikationspotenzial. Dabei ist das Leistungsmerkmal das Bindeglied zu dem selbstdarstellenden Aspekt, es steht nämlich für eine unternehmensspezifische Tradition. Sie besteht – dieser Äußerungseinheit zufolge – in der dauerhaften Leistung der produzierten Sportwagen und dem darauf begründeten, anhaltenden Erfolg (wie hoch der Aktualitätsbezug dieses historischen Triumphes […] sein würde.).

(b) Unternehmen restaurieren bestimmte Gebäude (z. B. Wohnhäuser der Gründer) oder erbauen Museen, die als Gedenkstätten der Unternehmensgeschichte fungieren. Gebäuden wie bspw. der ehemalige Wohnsitz von Robert Bosch (Robert-Bosch-Haus), das Benz-Haus in Ladenburg, die Carl-Benz-Werkstatt in Mannheim oder die Gottlieb-Daimler-Gedächtnisstätte in Bad Cannstatt wurden umfunktioniert. Sie beherbergen heute Stiftungen, Schulungszentren, dienen anderen Veranstaltungen oder Ausstellungen zum Leben der Gründer. In diesen Ausstellungen wird nachgezeichnet, welche Grundsteine die Gründer für die Unternehmensentwicklung legten. Neben der „Wiederbelegung“ von unternehmensspezifischen historischen Orten haben die zwei Automobilunternehmen Daimler AG und Volkswagen AG eigens Museen errichtet, in denen sie besondere Exponate und damit Meilensteine ihrer Geschichte ausstellen. Die Museen werden zu unterschiedlichen Erzählanlässen genutzt. Daimler veranstaltete beispielsweise eine Aktion für Journalisten. Daraus ging die uRE Nachts im Museum mit Alfred hervor. Bei der Veranstaltung konnten ausgewählte Blogger/innen eine Nacht in dem Museum verbringen. In Anspielung auf die Filmkomödie Nachts im Museum lässt der Autor zu Beginn seiner uRE Geschichten im Zusammenhang mit den Ausstellungsstücken zum Leben erwachen. Um die damalige Situation möglichst schillernd nachzuerzählen, schildert er den Sachverhalt detailliert. Er gibt in direkter Rede mögliche Dialoge wieder, spricht den Exponaten eine „Seele“ zu und spürt dem Geist von Alfred, dem ehemaligen Rennleiter von Mercedes, nach:

„Es ist der 12. September 1926. Stuttgart. Beim Solitude-Rennen steht ein rundlicher Mann mit Mantel und Hut gefährlich dicht an der Strecke. Und jedes Mal, wenn ein Mercedes-Benz mit kreischendem Kompressor in die nächste Runde fährt, fuchtelt er wie wild mit beschriebenen Tafeln und Flaggen. Der Veranstaltungsleiter eilt herbei. „Hören Sie auf mit Ihrem Mumpitz, das irritiert die Fahrer!“ Der Mann mit Mantel und Hut antwortet freundlich, aber bestimmt: „Ich bin der Rennleiter“. Der Sportpräsident tobt: „Sind Sie von Sinnen? Der Rennleiter bin ich!“ „Männer, Frauen und Motoren“ heißt das uralte, vergilbte Buch vom Flohmarkt, das ich ins Mercedes-Benz-Museum mitnehme. Gewissermaßen als Museumsführer. Geschrieben von Alfred Neubauer, dem ehemaligen Rennleiter bei Mercedes. An jenem Tag an der Solitude erfindet Neubauer die Rennstrategie, das Steuern eines Rennteams mit Flaggensignalen und Tafeln: „Schneller“ oder „langsamer“, wie ist die Position der Fahrer, wann muss getankt werden. Mir gefällt der Gedanke, dass wenn ich zusammen mit den anderen Bloggern hier im Museum die Nacht verbringe, ich doch auch den Geist von Alfred treffen könnte. Schließlich stehen fast alle Rennfahrzeuge hier, die Neubauer in seiner langen Karriere von 1926 bis 1955 als Leiter des Mercedes-Benz-Grand-Prix-Teams begleitet haben. Und Maschinen haben eine Seele, das weiß ich schon seit Kindertagen. Na gut, nicht alle. Es gibt ja auch „hohle“ Menschen.“ (Daimler, Das Blog, 2015-02-18. Korpusquelle: DAIMLER_086_WB)

Nach der einleitenden Binnenerzählung schlägt der Erzähler den Bogen zu der Unternehmenspersönlichkeit ,Alfred Neubauer‘ und geht auf dessen Einflussnahme auf heute noch bestehende „Rennstrategien“ ein. Eine Sporttradition, die der Blogger auf den Rennleiter von Mercedes zurückführt. Die weitere uRE folgt dem einleitenden Muster, eine Geschichte über ein ausgestelltes Automobil mit bestimmten Personen und Situationen zu verbinden. Dabei kommt er immer wieder auf den Rahmen ,Nachts im Museum‘ zurück:

„Es ist toll, dass wir Nachtschwärmer im Museum zu dieser späten Geisterstunde etwas näher an die Fahrzeuge herandürfen, als es Besuchern normalerweise gestattet ist. Soar [sic!] übernachten, entweder im Museum oder im vor dem Museum geparkten Top Fit Truck.“ (ebd.)

Durch die narrative Strategie, kleine Anekdoten aus der Vergangenheit zu sammeln, wird das Museum als Gedenkstätte von einem reinen Ausstellungsort hin zu einem Ort voller Geheimnisse und Geschichten über unternehmensspezifische Traditionen stilisiert.

Volkswagen verfügt neben dem AutoMuseum Volkswagen in Wolfsburg über das Museum des Tochterunternehmens Porsche in Stuttgart. Das Museum arbeitet konzeptuell damit, alte Traditionen in die Gegenwart zu überführen. Hierfür haben sie das sogenannte Rollende Museum ins Leben gerufen. Dem Museumsleiter und Verantwortlichen für historische Öffentlichkeitsarbeit zufolge ist das Rollende Museum eine Art mobiles Museum für Veranstaltungen. Das Einzigartige an dem Museum ist, dass die Exponate aus der Vergangenheit nicht „stillgelegt“ sind, sondern bei Bedarf z. B. bei Oldtimer-Rallyes (z. B. von Ennstal-Classic) mobilisiert werden können. Auch hierrüber gibt es eine Erzählung auf der U.-Homepage von VW, in der über die mobilen Zeugen der Vergangenheit (VW, U.-Homepage, 2015-03-05. Korpusquelle: VW_403_WS) als Beweis steter Jugendlichkeit, als Trägern von Träumen und Erinnerungen, die gerade auch jüngere Menschen faszinieren (ebd.), erzählt wird.

(c) Unter traditionellen Gebräuchen sind das Sponsoring und insbesondere das Initiieren von spezifischen Veranstaltungen zu verstehen, die durch Wiederholungen zu Unternehmensgepflogenheiten werden. In diesem Zusammenhang initiiert beispielsweise VW das sogenannte Traditionelle Maikäfertreffen, bei dem sich Oldtimerbesitzer von alten VW-Automobilen zum gemeinsamen Schaulaufen und Feiern versammeln. Die Veranstaltung wird gefilmt und in einer audiovisuellen Reportage narrativ aufbereitet. Ausschnitte aus dem multimodalen Transkript geben Äußerungseinheiten in Verbindung mit Standbildern wieder, die für die Stilisierung des Grundtyps des ,traditionell verankerten Unternehmens‘ mit der Facette der ,unternehmenseigenen Denkmalpflege‘ konstitutiv sind. Auf die Kameraeinstellung und den Ton (Musik, Geräusche) gehe ich nicht nähre ein, da sie für die Typenstilisierung an dieser Stelle weniger wichtig sind als die Sprechtexte und Bilder. Während die Voice-Over-Stimme spricht, ist eine aktivierende fröhliche E-Gitarrenmusik zu hören. Sprechen Teilnehmer/innen, dann sind Umgebungsgeräusche oder Motorengeräusche zu hören. Die Reportage beginnt mit einer Kameraeinstellung, die eine Ansammlung von Oldtimern filmt, die vermutlich an dem Treffen teilnehmen. Währenddessen leitet die Voice-Over-Stimme in die Erzählung ein:

(Bsp.) Ausschnitte aus dem multimodalen Filmtranskript der Reportage über das jährlich stattfindende „Maikäfertreffen“ von VW (VW, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: VW_417_WS)

Die Stilisierung basiert auf zwei Ebenen, damit eine abgestimmte, einheitliche Präsentation zur (S)D erzielt wird. Die erste Ebene bezieht sich auf die Oldtimer als Darstellungsobjekte und als Identifikationsobjekte des Unternehmens mit historischem Wert. Dazu gehören die gefilmten Aufnahmen der Fahrzeuge, die den Andrang, also die quantitative Qualität visualisieren. Es geht darum zu zeigen, wie viele Menschen sich für die Fahrzeuge begeistern und sich dem Brauch anschließen. Insofern unterstützen sie nicht nur die Denkmalpflege, sondern legitimieren sie. Zu dieser ersten Ebene der (S)D gehören ebenfalls, die bewertenden Kommentare von Teilnehmern. Sie drücken die Qualität der Denkmalpflege in Worten, Mimik und Gestik aus. Lachen, Emotionswörter (total geil, so toll) und Gesten (Bild 05, geballte Siegerfaust) verstärken die Bewertungen. Die zweite Ebene bezieht sich darauf, dass der traditionelle Brauch des Unternehmens ebenfalls eine Tradition von Oldtimerbesitzer/innen ist. In diesem Sinne ist die Anekdote der fünften Sprecherin eingebunden. Die Voice-Over-Stimme fasst die Einstellung der Erzählerin als Leidenschaft zusammen. In der folgenden Erzählung sagt die Sprecherin selbst, dass sie ihre Hochzeitspläne nach dem Maikäfertreffen ausgerichtet (Z. 32–36) und gemeinsam mit eigentlich unbekannten Personen ausgelassen gefeiert habe (Z. 39). Dass das heute noch so ist, zeigt das achte Standbild in Form einer Champagnerflasche mit Gläsern im Bus der Erzählerin. Die Erzählerin hat die unternehmenseigene Denkmalpflege sowohl auf der Ebene des Oldtimers als auch auf der persönlichen Ebene verinnerlicht, da sie die Treffen seit Jahren zelebriert (Z. 41).

Anhand der exemplarisch vorgestellten Möglichkeiten, die jeweiligen Facetten inhaltlich zu gestalten, werden beobachtbare Handlungen gebündelt, die auf eine abgestimmte Selbstpräsentation mit der Verortung als ,traditionell verankertes Unternehmen‘ abzielen. Damit die Selbstpräsentation schlüssig wirkt, lassen sich in den Äußerungseinheiten Spezifika ausmachen, die ich im Folgenden als spezielle narrative Rhetorik zu dieser (S)D fasse.

8.3.3 Narrative Rhetorik: Übertragung

Im Sinne einer narrativen Rhetorik ist für die Etablierung des Typs ,traditionell verankertes Unternehmen‘ die Übertragung von Bedeutung. Übertragen werden:

  • Einstellungen und Werte von Unternehmenspersönlichkeiten (Gründer/-Unternehmensethos),

  • Handlungsmerkmale von Unternehmenspersönlichkeiten (Unternehmertum),

  • Leistungsmerkmale (Wirkungsbereiche, Gedenkstätten) sowie

  • Erfolgsmerkmale (Jubiläen, traditionelle Gebräuche) von Unternehmen aus der Vergangenheit.

Die Chronologie in den erhobenen uRE begünstigt die Übertragung der gewünschten Merkmale. Sie entsteht durch einen Vergleich, der sich auf eines der benannten Merkmale von ,damals‘ im Vergleich zu dem Merkmal von ,heute‘ gründet. Die Übertragung des Merkmals kann der/die Erzähler/in sprachlich ,eins zu eins‘ kommunizieren oder das zu übertragende Merkmal von damals im Vergleich zu heute mit weiteren positiven Merkmalen anreichern. Das entspricht einer Merkmalsübertragung von ,eins zu eins plus‘.

Die einfache ,eins zu eins‘-Übertragung findet sich in reinen Vergleichssätzen mit dem W-Adverb wie (Zifonun et al 1997: 2333). In selbstdarstellenden Äußerungseinheiten ermöglicht der reine Vergleichssatz in Verbindung mit den Temporaladverbien damals und heute/jetzt oder mit bestimmten Jahreszahlen eine ,eins zu eins‘-Übertragung, indem ein gleichberechtigter qualitativer Bezug zwischen den Merkmalen aus den zwei verschiedenen Zeitabschnitten entsteht. Das folgende Beispiel einer selbstdarstellenden Äußerungseinheit veranschaulicht einen solchen ,konvergenten Vergleich‘. Das Beispiel entstammt einer Blogerzählung über eine Oldtimer-Rallye, die das Autorennen von 1914 in Lyon nachspielt:

„Am Nachmittag des 4. Juli 1914, nach genau 752,6 Kilometern und wenig mehr als 7 Stunden, rasen drei Mercedes-Boliden dieser neuen Bauart als erste über die Ziellinie – weit vor einer noch kurz zuvor übermächtig scheinenden Konkurrenz. Die Sensation ist perfekt, damals wie heute!“ (Daimler, Das Blog, 2014-05-19. Korpusquelle: DAIMLER_087_WB)

Die Sensation ist Ausdruck für ein Leistungsmerkmal (Erfolg), das sich auf den damaligen Sieg stützt. Der nachgestellte Vergleich damals wie heute! bezieht sich anaphorisch auf das zuvor genannte Diktum. Durch den ,konvergenten Vergleich‘ wird die Sensation aus der Vergangenheit in der Gegenwart mit der gleichen Qualität und Wertigkeit verortet. Das bedeutet, dass die behauptete Wirkung des damaligen Rennens ,eins zu eins‘ auf das nachgespielte Rennen übertragen, die Erinnerungskultur im imagefördernden Sinne gepflegt und ein Aspekt des ,traditionell verankerten Unternehmens‘ kommuniziert wird.

Eine ,eins zu eins‘-Übertragung durch einen Vergleich kann mit der Fokuspartikel ,noch‘ und dem Temporaladverb ,heute‘ hervorgehoben werden. Auch in diesem Fall wird ein Merkmal aus der Vergangenheit in die Jetzt-Zeit übertragen. Allerdings erhält die Übertragung durch die Fokuspartikel eine Betonung. Da das Groß- und Lebensmittelunternehmen Rewe nicht auf eine Gründergeschichte wie Siemens oder Bosch zurückgreifen kann, übernimmt es Merkmale seiner Vertragspartner/innen, um sich eine Tradition zu geben. Die folgende Äußerungseinheit stammt daher aus der Entstehungsgeschichte eines Unternehmenspartners:

„Jedenfalls gründete die Familie Hageböck 1884 die Bachmann-Likörfabrik, und der süße Kräuterlikör mit edlem Jamaika-Rum und einer leichten Kaffeenote wurde zum erfolgreichsten Produkt. Selbst die „Hageböck’schen Probierstuben“ wurden in „Bachmann-Stuben“ umbenannt. Und der Bachmann-Magenlikör wird heute noch nach dem gleichen Rezept hergestellt. Seit zehn Jahren macht das die traditionsreiche Kornbrennerei Friedrich Schwarze. Die Familie Schwarze brennt seit zwölf Generationen und 346 Jahren in Ostwestfalen Korn.“ (Rewe Dortmund, Blog, o. J. Korpusquelle: REWE_321_WS)

In diesem Beispiel zielt die Übertragung auf ein Qualitätsmerkmal aus der Vergangenheit, da das Produkt 1884 als „erfolgreichstes“ Produkt gekürt wurde. Die Qualität von damals ist auch heute noch gewährleistet, da der Likör auch heute noch nach dem gleichen Rezept hergestellt wird. Das Qualitätsmerkmal von damals wird auf heute übertragen, da das Rezept nach wie vor Anwendung findet, nämlich seit zwölf Generationen. Darüber hinaus betont das Satzglied heute noch den Aspekt, der das ,traditionell verankerte Unternehmen‘ stützt.

Eine ,eins zu eins‘-Übertragung kann darüber hinaus betont werden, indem einzelne Aspekte des zu übertragenden Merkmals unterschiedlich gewichtet werden. Das ermöglicht einen impliziten Vergleich von Vergangenem mit dem Heutigen anhand des Universalkonjunktors ,nicht nur … sondern (auch)‘. Dabei wird die Wahrheit der ersten Proposition p vorausgesetzt, während der Anspruch „gerade auf die nicht aus p zu folgernde Proposition q ausgedehnt [wird]“ (Zifonun et al. 1997: 2420). Die Proposition q wird so mit „größerem Gewicht“ (ebd.) ausgestattet wie beispielsweise in der folgenden selbstdarstellenden Äußerungseinheit aus einer Gründererzählung über Robert Bosch:

12. März 1842: Robert Bosch stirbt im Alter von 80 Jahren. Nicht nur sein Testament prägt das Unternehmen bis in die Gegenwart … [sondern] auch seine Werte, sein Verantwortungsgefühl und sein unternehmerischer Geist inspirieren die Mitarbeiter weltweit noch heute.“ (Bosch, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: BOSCH_467_WS)

Die ,eins zu eins‘-Übertragung zielt darauf, Merkmale des Gründerethos auf das heute bestehende Unternehmen zu übertragen. Damit die zu übertragenden Merkmale entsprechend herausstechen, wird zuerst das wenig Spektakuläre – also das Testament – vorangestellt (= Proposition p). Die fokussierende Konjunktion ,sondern‘ impliziert die Auslassungspunkte in Verbindung mit der dazugehörigen Fokuspartikel auch. Dann folgt die Proposition q, also Aspekte des zu übertragenden Unternehmensethos (Werte, Verantwortungsgefühl, Unternehmergeist), auf dem die Betonung liegt. Auch in diesem Beispiel liegt die temporale Kombination von ,noch + heute‘ vor, die auch hier das übertragene Merkmal als etwas Besonderes markiert.

Eine Erweiterung der ,eins zu eins‘-Übertragung zur Typenstilisierung als ,traditionell verankertes Unternehmen‘ liegt dann vor, wenn eine Steigerung (,eins zu eins plus‘) versprachlicht wird. Das ermöglichen komparierende Adjektiv, wie in der folgenden selbstdarstellenden Äußerungseinheit von VW über einen Meilenstein in der Produktentwicklung im Rahmen der Unternehmensgeschichte:

Damals ein Hauch von Exklusivität heute legendär: das Volkswagen Cabriolet“ (VW, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: VW_396.3_WS)

In diesem Beispiel wird das Leistungsmerkmal des Produkts von damals auf heute übertragen und mit dem Adjektiv legendär weiter aufgewertet, also gesteigert. Häufig wird die Merkmalsaufwertung auch mithilfe von quantitativen Entwicklungen vollzogen wie in dem folgenden Beispiel aus einer Gründergeschichte von Robert Bosch:

Anfang 1821 vereinbarten Bosch und die Hamburger Firma Max Eisenmann & Co, dass diese für Bosch „in Hamburg Einbauten von Beleuchtungsanlagen vornimmt und auch Reparaturen in Beleuchtungsanlagen ausführt“. Dies war der erste Bosch-Dienst. Heute gibt es über 15 000 solcher Servicebetriebe in aller Welt.“ (Bosch, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: BOSCH_467_WS)

In diesem Beispiel wird das Unternehmertum des Gründers in seiner Weitsicht nachgezeichnet. Übertragen werden soll das Merkmal ,Beständigkeit‘ von damals auf heute. Die quantitative Ausweitung des Unternehmens in alle Welt addiert das Merkmal ,Erfolg‘ zu der ursprünglichen Merkmalsübertragung hinzu, während in der Äußerungseinheit die Stilisierung als ,traditionell verankertes Unternehmen‘ vollzogen wird.

8.4 Grundtyp 2: das krisenerprobte Unternehmen

Das Kennzeichen einer Krise ist ein problematischer Wendepunkt, also eine kritische Situation. Für das Erzählen können Krisen als außergewöhnliche, zu bewältigende Situationen fruchtbar gemacht werden, die drastische Auswirkungen und Konsequenzen nach sich ziehen und auf diese Weise eine Zustandsveränderung bewirken. Eine Krise trägt dadurch ein narratives Potenzial zur Dramatisierung. Im Unternehmenskontext sind unter Krisen

„hochgradig ambivalente Situationen [zu verstehen], die mit geringer Wahrscheinlichkeit eintreten und potenziell schwere Folgen nach sich ziehen. Krisen gefährden […] die Lebensfähigkeit von Organisationen und werden von Anspruchsgruppen und Organisationen als bedrohlich, negativ und belastend wahrgenommen.“ (Schwarz/Löffelholz 2014: 1305, Hervorhebung, U.A.)

Als wie bedrohlich so eine Krise wahrgenommen wird, hängt damit zusammen, inwiefern durch die Krise Zielsetzungen oder das Fortbestehen eines „betroffenen Systems in seiner bisherigen Form zumindest hypothetisch [gefährdet sind]“ (Schwarz/Löffelholz 2014: 1305). Herausforderungen, die es in solchen Unternehmenskrisen zu bewältigen gilt, reichen in den erhobenen Erzählungen von den Zeiten unter dem NS-Regime und der Nachkriegszeit über Konkurrenzsituationen bis zu Wirtschaftskrisen. Die Typenstilisierung basiert auf der narrativen Musterbildung, dass die Unternehmen (zumindest auf lange Sicht) gestärkt aus einer Krisen hervorgehen. Damit verbundene, vergangene Entscheidungen führen die Unternehmen retrospektiv zu Erfolg und Stabilität. Schließlich bestehen sie noch heute und haben expandiert. Des Weiteren beinhaltet der Grundtyp die Reflexion vergangener Krisen und ihrer Konsequenzen, die Unternehmen in der uRE als bereits überwunden oder als im Aufarbeitungsprozess präsentieren. Auf diese Weise unterstützt die Stilisierung des Grundtyps Unternehmen darin, sich als bewährt und krisenerprobt darzustellen. Er zielt folglich auf eine Vergangenheitsbewältigung, in der es darum geht, „die Deutungshoheit über die eigene Geschichte [zu] behalten oder zurückzugewinnen“ (Schug 2004: 88). Entsprechend stützt sich die Stilisierung zum ,krisenerprobten Unternehmen‘ – ebenso wie das ,traditionell verankerte Unternehmen‘ – auf Aspekte aus der Unternehmensgeschichte und ist vorrangig auf der U.-Homepage vertreten.

Thematisch lässt sich die Stilisierung als ,krisenerprobtes Unternehmen‘ zum einen in der Facette ,Krisenbewältigung‘ und zum anderen in der Facette ,Läuterung‘ zusammenfassen. Für die Facette ,Krisenbewältigung‘ sind in den selbstdarstellenden Äußerungseinheiten inhaltlich Situationen und Ereignisse von Belang, die sich auf die ,Bewältigung und den Umgang mit der Krise‘ sowie auf ,überwundene Krisen‘ beziehen. Die Inhalte der Facette ,Läuterung‘ greifen Aspekte über die ,Aufarbeitung der NS-Zeit‘ und über einen ,Neuanfang nach dem Kriegsgeschehen‘ auf. Die folgende Abbildung veranschaulicht die zwei Facetten (= Beschreibungsebenen) und für die sie konstitutiven Inhalte in den erhobenen uREFootnote 9 (Abb. 8.3):

Abb. 8.3
figure 3

Konstitutive Elemente des Grundtyps ,krisenerprobtes Unternehmen‘ auf Basis thematischer Facetten und ihrer inhaltlichen Merkmale

Merkmal der Typstilisierung ist die ansatzweise „Aufarbeitung“ von kritischen, belastenden Faktoren aus der Unternehmensvergangenheit und ein meist indirektes „Eingeständnis“ einer sich daraus ableitenden Verantwortung, insbesondere mit Blick auf die Zeit während des Zweiten Weltkrieges. Je nach dem ob und wie Unternehmen den Zeitabschnitt in der Unternehmenshistorie behandeln, beinhaltet die Typstilisierung eine moralische Dimension, die sich im Nachhinein als brisant und darüber als potenzieller Krisenfaktor für ein Unternehmen herausstellen kann (hierzu Abschn. 9.4.2).

8.4.1 Stilisierung der Facette ,Krisenbewältigung‘

Inhalte der Facette ,Krisenbewältigung‘ nehmen auf sämtliche bereits genannte Möglichkeiten zur inhaltlichen Realisierung Bezug. Sie umfassen daher sowohl die Kriegs- und Nachkriegszeit, kritische Wettbewerbssituationen als auch Wirtschafts- und Finanzkrisen. Die selbstdarstellenden Äußerungseinheiten handeln diesbezüglich von dem Umgang mit der Krise ebenso wie von der Darstellung der Krise als überwunden. Dabei betonen erstere Prozesse in Form von Handlungsmaßnahmen während im Zusammenhang mit der überwundenen Krise die daraus entstandenen Resultate im Vordergrund stehen.

(a) Der Umgang mit der Krise wird für gewöhnlich von außen bedingt. Die Unternehmen werden mit einer Situation konfrontiert, die sie dazu veranlasst, Mittel und Wege aus der Krise herauszufinden, um das Unternehmen zu schützen und zu erhalten. Das bedeutet, dem Unternehmen widerfährt etwas, auf das es in den erhobenen uRE immer aktiv und dabei kreativ, risikobereit oder umsichtig reagiert. Mittels dieser kausalen Erzähllogik – eine Aktion/ein Einfluss von außen führt zu einer Reaktion seitens des Unternehmens – stellt sich das Unternehmen als handlungsmächtig dar, denn es behält in dieser schwierigen Situation die Kontrolle oder erlangt sie zurück. Das kommende Beispiel aus der Unternehmensgeschichte der Rewe Group illustriert, wie das Unternehmen eine Krise im zweiten Weltkrieg aktiv durch kreative Handlungen bewältigt, um sein Überleben zu sichern. Die selbstdarstellende Äußerungseinheit ist in dem Ausschnitt unterstrichen und das Signalwort der Krise hervorgehoben:

„Harte Zeiten: 1939–1945 Der Zweite Weltkrieg

Das restriktive Bewirtschaftungssystem der Nationalsozialisten mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hat natürlich auch für die REWE drastische Folgen und schlägt sich mit großer Härte auf die Beschäftigungs- und Regulierungstätigkeit der REWE-Zentrale nieder. Betroffen sind Waren wie Mehl, Teigwaren, Margarine, Butter, Marinaden, Kaffee-Ersatz, Seifen und Waschmittel. Zudem müssen viele Kaufleute an die Front. Die Konsequenz: Aus der Not versucht die REWE-Zentrale, die Aktivitäten auf die Produktion zu verlagern und gründet eine Konservenproduktion sowie einen Trockenfrucht-Herstellungsbetrieb, den sie 1939 im Iran aufbaut, der allerdings später im Krieg zerstört wird. Große Weinkellereien in Köln, eine Kaffee-Großrösterei-Anlage sowie einen Abpackerei-Betrieb runden die aus der Not geborenen Versuche, in den Produktionsbereich vorzudringen, ab.“ (Rewe, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: REWE_313_WS)

Verursacht wird die Unternehmenskrise durch den Zweiten Weltkrieg – explizit durch das restriktive Bewirtschaftungssystem der Nationalsozialisten. Diese äußere Einflussnahme hat drastische Folgen für das Unternehmen, denn sie schlägt sich mit großer Härte auf die Beschäftigungs- und Regulierungstätigkeit der REWE-Zentrale nieder. Das Unternehmen handelt aus der Not heraus und sucht nach einer kreativen Lösung. Diese Lösung liegt darin, den Produktionsbereich an die äußeren Gegebenheiten und Bedarfe anzupassen und zu erweitern. Dramatisierende Formulierungen in der Situationsbeschreibung durch bewertende Adjektive (restriktiv, drastisch, großer Härte, harte Zeiten) und die Phrase aus der Not geborene[] Versuche verdeutlichen, dass eine bedrohliche Krise vorliegt. Dieser Situation begegnet das Unternehmen aktiv, indem es seine Produktion verändert. Die drastischen Formulierungen kontrastieren hierbei mit dem referierenden Erzählduktus. Damit wird die Anpassungsleistung betont, ohne zu „dick aufzutragen“: Oder bezüglich des einleitenden Zitats von Holly: Das Unternehmen reklamiert nicht durch Behaupten, sondern verdeutlicht durch erzähltes Handeln seine Selbstdarstellung. So sollen erzählerische Dramatik und Objektivität miteinander in Einklang gebracht werden.

Außer dem Kriegsgeschehen bringen Wirtschaftskrisen Herausforderungen mit sich, die Unternehmen bewältigen müssen. Eine solche Krise wird in dem folgenden Ausschnitt aus der Gründererzählung über Carl Benz aufgegriffen. Auch hier „rutscht“ das Unternehmen unverschuldet durch äußere Einflüsse in eine geschäftsbedrohende Situation, der sich der Gründer aktiv entgegenstellt:

„Als die Wirtschaft ihren Schwung verlor, Aufträge storniert und Bauten gestoppt wurden, gingen es auch Carl Benz' Geschäfte sichtbar schlechter. Es kam noch schlimmer, denn bald folgte die Zahlungsunfähigkeit und Carl Benz musste die Pfändung seiner Werkzeuge erleben – nur noch die Werkstatt war ihm geblieben. Er musste nun sehr rasch Zukunftsweisendes anbieten und begann mit den Entwicklungsarbeiten zu einem Motor für stationäre Zwecke. Zum Jahreswechsel 1879/80 funktionierte der Motor störungsfrei. Ein erster Durchbruch war geschafft, die Maschine wurde in Frankreich und England patentrechtlich anerkannt.“ (Daimler, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: DAIMLER_031_WS)

In diesem Beispiel wird die Dramatisierung über die allgemeine Krise (Wirtschaftsabschwung) hin zu den speziell bedrohlichen Konsequenzen für den Protagonisten und sein Unternehmen (Pfändung seiner Werkzeuge) mit der einleitenden Phrase Es kam noch schlimmer aufgebaut. Aus dieser Situation heraus wächst der Gründer über sich hinaus und entwickelt sehr rasch Zukunftsweisendes. Daraus geht ein Erfolg (Durchbruch) hervor, der aufgrund des bestehenden Zeitdrucks als außerordentlich hervorgehoben wird. Die selbstdarstellende Äußerungseinheit (im Zitat unterstrichen) zeigt auf, dass der Protagonist aus der Not eine Tugend macht. Sein Handeln soll verdeutlichen, dass sich das Unternehmen bereits in seiner Vergangenheit im Umgang mit Krisen bewährte.

Darüber hinaus treten Unternehmenskrisen in der Folge von Konkurrenzkämpfen auf. Eine bebilderte Animation über den Gründer Werner von Siemens nimmt eine solche Krise auf. Auch in diesem Erzählformat folgt die Erzähllogik dem kausalen Muster: äußerer bedrohlicher Einfluss → aktives Handlen seitens des Unternehmens/Gründers → Rettung des Unternehmens. Der Dramatisierung dienen in diesem Erzählformat zusätzlich Hintergrundmusik und grafische Mittel, die im Zusammenspiel mit der sprachlich minimalistischen Gestaltung eine dynamische und beunruhigende Atmosphäre kreieren. Der folgende Erzählausschnitt in acht Bildern ist zeilenweise von links nach rechts zu lesen (Abb. 8.4):

Abb. 8.4
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Ausschnitt aus einer audio-visuellen Gründergeschichte von W. v. Siemens; durch Manipulation verursachte Krisensituation (Siemens, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: SIEMENS_587_WS)

Die „Einleitung“ der Erzählepisode charakterisieren drei Schlagworte (schnell, entschlossen, risikobereit), die die Einstellung der zwei verantwortlichen Unternehmenspersönlichkeiten (W. v. Siemens und G. Halske) verbalisieren. In dem zweiten Standbild wird der Fokus auf die Art der notwendigen Krisenbewältigung gelegt, indem das Adjektiv risikobereit zu volles Risiko gesteigert wird. Die dunkle Hintergrundfärbung der schäumenden Wellen verheißt ein schwieriges Unterfangen. Das nächste Standbild visualisiert anhand von Linien die Reichweite der Aktion. Der davor gestellte Text Siemens plant die Verlegung eines Transatlantikkabels benennt das geplante Vorhaben. Auch in diesem Bild hat das schäumende, dunkle Meer im Hintergrund eine spannungsfördernde Funktion. Nun folgt die Explikation der Komplikation vor einem schwarzen Hintergrund, die zugleich die Krise darstellt: Die Konkurrenz will das verhindern. Zugespitzt wird die Situation anhand der syntagmatischen Rechtsherausstellung: Mit allen Mitteln. Funktional dient der Nachtrag der näheren Umstandsbestimmung (vgl. Schwitalla 2006: 115) und dramatisiert den Verlauf der Erzählung. Ergänzend wird der Schriftzug grafisch dreifach betont (Schriftfarbe, Schriftgröße und Unterstreichung). Im folgenden Standbild lenkt der in bordeaux eingefärbte Kreis die Aufmerksamkeit auf sich. Die darin enthaltenen drei Pluszeichen symbolisieren zusammen mit der durchgehenden Großschrift eine Telegrafenmeldung, derzufolge das im Hintergrund angedeutete Schiff an einem Eisberg scheitert. Aufgrund von kausalen Verknüpfungen liegt nahe, dass es sich dabei um jenes Schiff handeln soll, das das Transatlantikkabel verlegt. Unter dem Schriftzug folgt der Manipulationsversuch der Konkurrenz als Ellipse. Im Anschluss daran ist ein Schiff im düsteren Wellengang zu sehen. Darunter steht der Schriftzug Wir ziehen es durch. Auch hier indiziert die Dunkelheit im Hintergrund zusammen mit dem Seegang die Bedrohlichkeit der Situation. Die Iteration der Phrase im nächsten Bild in Verbindung mit dem farblich hervorgehobenen Ausrufezeichen unterstreicht die Entscheidung und damit verbundene Handlung. Dass die Entscheidung im Moment der Krise die richtige war, verdeutlicht das episodenschließende Bild, in dem die zwei Entscheider zu einem Gesicht vereint sind und das Gitternetz das beständige Wachstum des Unternehmens symbolisiert. In dieser Erzählepisode beweist sich das Unternehmen im Konkurrenzkampf und demonstriert, mit Krisen umgehen zu können, da die Verantwortlichen – aufgrund der Risikobereitschaft – handlungsmächtig bleiben.

(b) Neben der ,Bewältigung und dem Umgang‘ mit der Krise begründen Inhalte zu ,überwundenen Krisen‘ die Facette der ,Krisenbewältigung‘ zur (S)D als ,krisenerprobtes Unternehmen‘. Eine Grundtypstilisierung im Sinne der ,überwundenen Krise‘ kennzeichnet, dass die uRE ein aus der Krise hervorgebrachtes positives Ergebnis betont. Im Gegensatz zum ,Umgange mit der Krise‘ liegt die Betonung nicht auf der Handlung zur Krisenüberwindung, sondern auf dem Ergebnis nach der Krisenüberwindung. Die Umsetzung erfolgt anhand der Kontrastierung von Anfangs- und Endzustand. Die Stilisierung entsteht auf verschiedenen Ebenen und durch ihre Kombination miteinander: a) der semantischen Ebene in Form von positiver Schlüssellexik, b) auf der grammatischen Ebene in Form einer Resultativkonstruktion (z. B. resultatives Perfekt), c) auf der Ebene der Formulierungsverfahren z. B. in Form von Reformulierungsarten wie der Iteration und der Paraphrase.

In dem folgenden Beispiel aus der Unternehmensgeschichte der Daimler AG entsteht die Kontrastbildung von Anfangs- und Endzustand durch das Zusammenspiel der drei benannten Ebenen. Der Erzähltextausschnitt handelt von der überwundenen Wirtschafts- und Finanzkrise ab dem Jahr 2007. Krisenindizierende Signalwörter (fett markiert) stehen einleitend im ersten Satz und benennen die ungünstige Ausgangssituation. Alle folgenden Sätze beziehen sich auf das Ergebnis, das trotz der Krise erreicht wurde (im Text unterstrichen). Die Maßnahmen der Krisenbewältigung kommen in der Episode nicht zur Sprache:

„Hatte die Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 noch zu massiven Markteinbrüchen geführt, so ist Daimler 2010 ein glänzendes Comeback gelungen – mit zweistelligen Wachstumsraten in allen Geschäftsfeldern. Die Produkte sind stark gefragt, die Auftragsbücher gut gefüllt. Viele Daimler-Werke arbeiten an der Kapazitätsgrenze. Bei Mercedes-Benz Cars hatte das Unternehmen den zweithöchsten Absatz in seiner bisherigen Unternehmensgeschichte erzielt. In China konnte Daimler im Vergleich zum Vorjahr um volle 137 Prozent zulegen.“ (Daimler, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: DAIMLER_020_WS)

Auf der grammatischen Ebene beginnt die Stilisierung anhand der im Perfekt realisierten Formulierung ist […] ein glänzendes Comeback gelungen. Die Verwendung des Perfekts unterscheidet sich vom Präteritum durch eine Bedeutungsvariante. Erkennbar wird das daran, dass sich die Bedeutung der Kommunikationsabsicht ändert, würde statt des Perfekts das Präteritum verwendet, also: „gelang ein glänzendes Comeback“. Der Unterschied liegt in der resultativen Bedeutung des Perfekts. Das heißt,

„[d]er in der Vergangenheit liegende Akt wird nicht unter dem Aspekt seines prozessualen Verlaufs, sondern unter dem des für die Sprechzeit relevanten Folgezustands betrachtet.“ (Helbig/Buscha 2001: 135, Hervorhebung, U.A.)

Die Kommunikationsabsicht, das resultative Perfekt zu verwenden, legt nahe, dass die Auswirkungen des glänzenden Comebacks und der damit verbundene Geschäftserfolg weiterhin bestehen, bzw. ein Fundament für den heutigen guten Unternehmenszustand darstellen. Hinzu kommt eine im Unternehmenskontext positiv besetzte substantivische Schlüssellexik (= semantische Ebene), die teilweise mit positiven adjektivischen Attributen (glänzendes Comeback, zweistellige Wachstumsrate, Kapazitätsgrenze, zweithöchster Absatz und 137 Prozent zugelegt) kombiniert wird. Auf der Ebene der Formulierungsverfahren geht es in der gesprochenen Sprache darum, „wie schon Gesagtes noch einmal bearbeitet wird“ (Schwitalla 2006: 172). Das beinhaltet Wiederholen, Paraphrasieren, Korrigieren und Resümieren (ebd.). Die Frage, wie bereits Gesagtes bearbeitet wird, ist zwar vor einem Hintergrund aber ebenfalls auch für die schriftliche Stilisierung relevant, da mithilfe von Reformulierungen wichtige Aspekte in den uRE herausgestellt werden können. Auf der Ebene der Formulierungsverfahren wird die vorliegende Stilisierung dadurch sichtbar, dass das positive Ergebnis erst benannt wird (glänzendes Comeback). Der anschließende Text wiederholt dann das positive Ergebnis in Form der verschiedenen positiven Ausprägungen (z. B. starke Nachfrage der Produkte, gut gefüllte Auftragsbücher u. a.). Diese Stilisierung legt den Schwerpunkt darauf, den Unternehmenserfolg nach der Krise zu betonen. Das Unternehmen geht dem Erzähltext zufolge aus der Krise gestärkt hervor und steht besser denn je da – es weist sich als krisenerprobtes Unternehmen aus.

8.4.2 Stilisierung der Facette Läuterung

Setzt bei einer Person ein Läuterung ein, dann geht es darum, dass sie sich verändert, wandelt und reifer wird. Ursächlich dafür ist meist die Reflexion von mehr oder weniger weit zurückliegenden Handlungen, Meinungen und Einstellungen, die zu dem gegebenen Zeitpunkt neu bewertet werden. Betrachtet man Unternehmen als lernende Entitäten, können sie ebenfalls aus verschiedenen Gründen mit dem Thema ,Läuterung‘ konfrontiert werden. Die zweite Facette ,Läuterung‘ zur Typstilisierung als ,krisenerprobtes Unternehmen‘ bezieht sich auf Handlungen von Unternehmen in der Kriegs- und direkten Nachkriegszeit. Die Inhalte der thematischen Facette handeln hierbei zum einen von der ,Aufarbeitung der NS-Zeit‘ und zum anderen von einem ,Neuanfang nach dem Kriegsgeschehen‘. Insbesondere die Aufarbeitung von Unternehmenshandlungen zu Zeiten des NS-Regimes ist potenziell heikel. Erst seit ca. den 1970er, 1980er-Jahren sehen sich Unternehmen dazu „aufgefordert“, auf diese Zeit in ihrer Vergangenheit einzugehen. Aufgrund der Frage nach einer „institutionellen Schuld“ (Schug 2004: 87) versuchen sich Unternehmen auf verschiedene Weise zu „resozialisieren“ und zu beweisen, dass sie sich geläutert haben. Dazu gehört es, sich mit der eigenen Geschichte und der daraus erwachsenen Verantwortung kritisch auseinander zu setzen. Andernfalls können andere Interessensgruppen diese Vergangenheit für ihre Zwecke instrumentalisieren, was spätestens dann einen Zugzwang für das betroffene Unternehmen auslöst. Diese Erfahrung machte bspw. Daimler-Benz in den 90er-Jahren. Da sich das Unternehmen mit diesem Teil seiner Vergangenheit – zumindest nicht öffentlich ersichtlich – auseinandersetzte, haben andere für das Unternehmen die Leerstelle in der Unternehmensgeschichte gefüllt. Auslöser dafür war das hundertjährige Firmenjubiläum. Veranlasst von der „>>Huchelei der Daimler-Benz AG anlässlich ihrer pompösen Hundertjahrfeier<< und der >> riesigen Inszenierung des >Es war ja alles halb so schlimm<<<“ (Brünger 2017: 245) veröffentlichte die Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts die kritische Schrift: Das Daimler-Benz-Buch. Ein Rüstungskonzern im Tausendjährigen Reich. Das Buch wurde in den Medien (ARD-Sendung Monitor, Stern, FAZ u. a.) kontrovers diskutiert und war Anlass hitziger Debatten unter den Rezipient/innen. Dabei wurde dem Unternehmen u. a. Verdrängung und Beschönigung der eigenen Vergangenheit im Dritten Reich vorgeworfen, insbesondere in Bezug auf das Schicksal der ZwangsarbeiterFootnote 10.

An diesem Beispiel wird deutlich, dass die stetige Beobachtung von verschiedenen Interessensgruppen die Stilisierung als ,krisenerprobtes Unternehmen‘ insofern beeinflusst, als eben auch weit zurückliegende Ereignisse bewältig werden müssen. Das gesellschaftliche Interesse an der Aufarbeitung wird zusätzlich aufgrund der heutigen Perspektive auf Unternehmen vorangetrieben. Demnach sind Unternehmen nicht „nur“ Wirtschaftsbetriebe, die Sachgüter und Dienstleistungen herstellen. Unternehmen sind „komplexe soziale Organisationen, die […] durch ihr Handeln Geschichte auf allen Ebenen der Gesellschaft mitgestalten“ (Schug 2004: 87). Daher ist die Unternehmensgeschichte auch Teil des öffentlichen Interesses und Diskurses. Durch die Aufarbeitung der Vergangenheit im Rahmen der Unternehmensgeschichte demonstrieren Unternehmen, dass sie sich mit den Vorgängen auseinandersetzen, aus diesen gelernt haben und ggf. Konsequenzen daraus ziehen.

(a) Inhalte der Facette ,Läuterung‘, die sich auf die ,Aufarbeitung der NS-Zeit‘ beziehen, vermitteln den Eindruck von Transparenz und Verantwortungsübernahme für Entscheidungen und Handlungen während des Dritten Reiches. Die Inhalte symbolisieren einen Lernprozess, aus dem die Rezipient/innen schließen sollen, dass Handlungen der Unternehmen aus NS-Zeit nicht eins zu eins mit dem heute bestehenden Unternehmen gleichzusetzen sind (= Ergebnis der Läuterung). Durch diesen Aspekt der (S)D führen sich Unternehmen als lernende Organisationen vor. Daimler hat – nach der zuvor benannten Erfahrung – das brisante Thema in seine Unternehmensgeschichte wie folgt aufgenommen. Die Äußerungseinheit, die die (S)D des Unternehmens betont, ist unterstrichen:

„Das Unternehmen forciert nun die Herstellung und Montage von militärischen Komponenten für das Heer, die Luftwaffe und die Marine. Große Bedeutung gewinnt auch die Ersatzteilfertigung und die Reparatur von Militärfahrzeugen und Motoren. Für die gesteigerte Rüstungsproduktion werden neue Arbeitskräfte benötigt, weil zahlreiche Arbeiter als Soldaten an der Front kämpfen. Zunächst stellt das Unternehmen Frauen ein, um die geforderten Stückzahlen herstellen zu können. Da diese Arbeitskräfte jedoch nicht ausreichen, kommen auch bei Daimler-Benz Zwangsarbeiter zum Einsatz. Diese Kriegsgefangenen, verschleppten Zivilisten oder Häftlinge aus Konzentrationslagern werden in der Nähe der Werke untergebracht: Zwangsarbeiter aus Westeuropa wohnen in Gasthöfen, Privatquartieren oder Schulen. „Ostarbeiter“ und Kriegsgefangene sind unter schlechten Haftbedingungen in Barackenlagern interniert. KZ-Häftlinge bewacht die SS unter menschenverachtenden Bedingungen. Sie werden gegen Entgelt an Unternehmen „ausgeliehen“. 1944 ist fast jeder zweite der 63.610 Daimler-Benz-Mitarbeiter ein ziviler Zwangsarbeiter, Kriegsgefangener oder KZ-Häftling. Nach dem Krieg bekennt sich Daimler-Benz zu seinen Verstrickungen in das NS-Regime und engagiert sich auch in der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, die u. a. humanitäre Leistungen für ehemalige Zwangsarbeiter erbrachte.“ (Daimler, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: DAIMLER_013_WS)

In der uRE werden zwei brisante Aspekte der Unternehmensgeschichte aufgegriffen. Zum einen, dass das Unternehmen militärische Komponenten für das Kriegsgeschehen produzierte und zum anderen, dass diese Tätigkeit Zwangsarbeiter übernahmen. Warum das so war, wird mit den „äußeren Umständen“ begründet (zahlreiche Arbeiter als Soldaten an der Front). Die chronologische Erzählabfolge ist besonders an der Stelle von Bedeutung, an der anfangs Frauen eingestellt und erst dann Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. So steht implizit im Raum: Der Einsatz von Zwangsarbeitern war den situativen Umständen geschuldet; zuerst wurde ein anderer Weg gewählt. Die Gruppe der Zwangsarbeiter besteht aus Kriegsgefangenen, verschleppten Zivilisten oder Häftlingen aus Konzentrationslagern. Die Zusammenfassung aller betroffenen Personengruppen unter das Hyperonym Zwangsarbeiter setzt alle Beteiligten gleich. Erst in der Beschreibung der Unterbringen findet eine Steigerung in Form der schlechten Unterbringung statt und darüber ein indirektes Zugeständnis in Hinsicht auf die daraus resultierende Verantwortungsübernahme. In dem Satz [s]ie werden gegen Entgelt an Unternehmen „ausgeliehen“ wird das Geschehen erneut im Kontext der Zeit verortet, in der dies als gängige Unternehmenspraxis formuliert ist. Darauf wird bereits im ersten Drittel der Erzählung anhand der Fokuspartikel auch hingewiesen (kommen auch bei Daimler-Benz Zwangsarbeiter zum Einsatz). Für die (S)D des Unternehmens ist der abschließende Satz grundlegend. Darin wird in der Phrase „sich zu etwas bekennen“ ausgedrückt, dass das Unternehmen das damalige Verhalten unter der heutigen Perspektive bewertet und mittels Wiedergutmachungsleistungen (Stiftungsinitiative) Verantwortung übernehmen möchte. Der Erzählstil ist geprägt von beschreibender Sachlichkeit, da objektivierende Aussagen (Zahlen und Fakten) benannt werden und die Geschehnisse im Kontext der Zeit verortet sind. Bewertungen werden bezüglich der Unterbringungen vorgenommen. Das Substantiv Verstrickung zeigt an, dass sich das Unternehmen durch sein Verhalten, Zwangsarbeiter zu beschäftigen, in den Kreislauf der menschenverachtenden Praxis „hineinziehen ließ“. Die durch den Krieg ausgelöste Krise, ist der Dreh- und Angelpunkt für das Verhalten. Dadurch trägt das Substantiv sowohl eine aktive Seite wie auch die Seite einer bedrohlichen, einflussreichen Außeneinwirkung. Sowohl die Lexik als auch die Umsetzung der Erzählung vermitteln den Eindruck einer reflektierten Distanz. Zustande kommt der Eindruck aufgrund des referierenden, sachlichen Stils im Zusammenspiel mit der ausgewählten Lexik, die mit dem Eingeständnis menschenverachtend Offenheit implizieren. Die Botschaft soll lauten: Wir verschleiern nichts. Demgegenüber stehen „relativierende“ Feststellungen, die aus der Kontextverortung hervorgehen. Dadurch oszilliert die uRE zwischen einem Eingeständnis und situativ gegebener „Ausweglosigkeit“. Das Fazit der uRE ist die (S)D, aus der Krise gelernt zu haben und damit im Rahmen der eigenen Möglichkeiten umzugehen. In den erhobenen Gründer-/ und Unternehmenserzählungen gehen Daimler und VW auf Handlungen während des Zweiten Weltkriegs ein. Die eben beschriebenen Erzählstrategien sind in der Erzählepisode von VW nahezu identisch. In den verbleibenden acht untersuchten Unternehmenserzählungen bezieht sich Siemens kurz auf den Deutsch-Französischen Krieg 1970/71 und Bosch auf den Ersten Weltkrieg ein. Das indiziert, dass Unternehmen sich der thematischen Brisanz bewusst oder mit der Kommunikation überfordert sind.

(b) Wie die Semantik des Substantivs ,Neuanfang‘ erwarten lässt, mussten Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg unter schwierigen Bedingungen um ihre Existenz kämpfen. Auflagen der Besatzungsmächte, die Situation der Bevölkerung und Infrastruktur wie auch der veränderte Produktionsbedarf stellen die Unternehmensführung vor große Herausforderungen. Die Bewältigung der Situation ist ein grundlegender Aspekt der Läuterung. Dieses „Sichbefreien von etwas“ findet – anders als im Fall der ,Aufarbeitung der NS-Zeit‘ – direkt in der erzählten Zeit statt. Günstig für die (S)D des Grundtyps ,krisenerprobtes Unternehmen‘ ist in dem Zusammenhang, dass erzählte Widrigkeiten, gegen die Unternehmen sich behaupten müssen, nun mit einem gesamtgesellschaftlichen Nutzen und Erfolgen verknüpft werden können, wie die folgende Episode aus der VW-Unternehmensgeschichte verdeutlicht:

„In den Wirren der unmittelbaren Nachkriegszeit signalisierten Rauchschwaden über dem Volkswagenwerk die Kontinuität der Produktion und die Hoffnung auf einen Neuanfang. Als größter und wichtigster Arbeitgeber einer industriearmen Region sicherte Volkswagen das Überleben der ansässigen Bevölkerung. Die Fabrik gab den Menschen Arbeit, Wohnraum und Nahrung. Dieser Funktion war sich die britische Militärregierung, die Mitte Juni 1945 Treuhänderin des Unternehmens geworden war, wohl bewusst. Ihre Entscheidung freilich, eine zivile Produktion aufzubauen und die Volkswagen Limousine in Serie zu fertigen, folgte primär eigenen Interessen. Mit Wahrnehmung der Besatzungsaufgaben stieg der Bedarf an zusätzlichen Transportmitteln rapide an, zumal der Krieg den Bestand der britischen Militärfahrzeuge verringert hatte. Die Produktionsverpflichtung für die Besatzungsmächte und britischer Pragmatismus bewahrten letztlich das Volkswagenwerk vor der drohenden Demontage und die Belegschaft vor einschneidenden Entnazifizierungsmaßnahmen.“ (VW, U.-Homepage, o, J. Korpusquelle: VW_396.3_WS)

Das Kriegsende birgt neben viel Entsetzen auch Hoffnung in sich, die in dem Bild der aufsteigenden Rauchschwaden über dem Werk atmosphärisch inszeniert wird. Nunmehr besteht das Unternehmen nicht um seiner Selbstwillen, sondern sichert […] das Überleben der ansässigen Bevölkerung (Existenzgrundlage). In der Erzählung ist dem Unternehmen diese bedeutende Funktion möglich, da es sich als geschickter Interaktionspartner mit der Treuhändlerin vorführt (Produktionsverpflichtung für und britischer Pragmatismus). Dafür plädiert die Aussage Dieser Funktion war sich die britische Militärregierung […] wohl bewusst. Die Modifikation (wohl) der Behauptung zeigt, dass die Begründung auf einer Interpretation beruht, die auf das Geschäftsverhalten der Treuhänderin zurückgreift. Das Ziel der argumentativen Ausführung ist es die eigene Bedeutung im gesellschaftlichen Gefüge, mithilfe der einleitenden Beurteilung der damals weisungsbefugten Instanz (britische Militärregierung), wenngleich unter einem anderen Blickwinkel, zu bestätigen. Es werden keine Differenzen, Konflikte oder Dispute erzählt, sondern das Szenario eines Plussummenspiels nachgezeichnet, in dem das Unternehmen seine Existenz sichert und sich darüber hinaus schützend vor seine Belegschaft stellt (bewahren).

Die Umsetzung der zwei Facetten des ,krisenerprobten Unternehmens‘ zeigt neben der Stilisierung der (S)D, dass die Facetten sich nicht nur inhaltlich, sondern ebenfalls bezüglich ihrer narrativen Umsetzung unterscheiden. Daraus lässt sich auf rhetorische Unterschiede schließen.

8.4.3 Narrative Rhetorik: Versachlichung und Distanzierung

Die narrative Rhetorik der Facette ,Krisenbewältigung‘ zielt auf zwei grundlegende Aspekte. Zum einen zielt sie darauf, mithilfe von Inhalten über die ,Bewältigung und den Umgang‘ mit der Krise zu demonstrieren, dass das Unternehmen die Kontrolle über die Situation behält. Das Unternehmen stellt sich als handlungsmächtig dar, indem es aktiv handelt. Für gewöhnlich kommt der Auslöser für eine Krise von außen und nötigt den Unternehmensverantwortlichen eine Reaktion ab, um das Unternehmen zu retten. Sprachliche Indikatoren hierfür sind substantivische Signalwörter, die die Krise mehr oder weniger direkt benennen (Weltkrieg, Konkurrenz, *krise, *mangel, Ausnahmezustand, Problem, Instabilität, Nachkriegsrezension, Kriegsschäden), wie auch Verben, die den krisenverursachenden äußeren Einfluss markieren (zerstören, durchkreuzen, erschweren, zwingen, beschränken, ablehnen u. a.). Damit die (S)D als ,krisenerprobtes Unternehmen‘ in dieser Facette deutlich zur Geltung kommt, werden die Krise und ihre Auswirkungen darüber hinaus mit ausdrucksstarken (Präpositional-)Phrasen dramatisiert (aus der Not, im Schatten des Krieges, in voller Härte niederschlagen, ins Schlingern bringen, unter Druck geraten, ins Wanken geraten, von Neuem beginnen müssen, kaum Boden gewinnen, dramatischer Rückgang u. a.). Dramatisierung bedeutet in diesem Zusammenhang, den Konflikt (= Überlebenskampf) herauszustellen. Mithilfe der lexikalischen Mittel kommunizieren die Unternehmen, welche Anstrengungen und Risiken sie in Anbetracht der Krise ertragen haben.

Der zweite grundlegende Aspekt der narrativen Rhetorik der Facette ,Krisenbewältigung‘ betrifft die Inhalte der ,überwundenen Krise‘. Im Mittelpunkt der Rhetorik steht der Erfolgstopos. Er wird von einer deutlichen Ergebnisfokussierung getragen, die sich sprachlich in wiederholter Benennung (Iteration) des Erfolges abzeichnet: Zahlen, Fakten und Vergleiche (zweithöchsten Absatz in seiner bisherigen Unternehmensgeschichte, bisheriger Umsatzrekord, umsatzmäßig drittgrößte[s] deutsche[s] Industrieunternehmen) betonen das Spektakuläre an der Leistung und etablieren darüber den Erfolgstopos. Die Facette der ,Krisenbewältigung‘ dient durch die narrative Rhetorik der Selbstbestätigung von Unternehmen: Denn folgen wir der Logik der uRE, dann floriert und expandiert das Unternehmen aufgrund der vergangenen, gemeisterten Krise. Das muss nicht unbedingt in der Erzählung expliziert sein, da der heutige Unternehmenserfolg ja durchaus auch dafür spricht.

Die Facette ,Läuterung‘ lässt auf eine andere narrative Rhetorik schließen. Das liegt vorrangig in den darin aufgegriffenen Inhalten über das Dritte Reich begründet. Entscheidend dafür ist ein referierender Stil. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er wenig ausdrucksstark und dramatisierend ist. Die Aussagen werden allgemein gehalten und die Reihenfolge der erzählten Inhalte impliziert Begründungszusammenhänge. Dadurch entsteht eine Versachlichung der und Distanzierung von den erzählten Inhalten. Da „Geschehenes […] nicht rückgängig gemacht werden [kann]“ (Schug 2004: 88), die Öffentlichkeit jedoch ein Aufklärungsinteresse daran hat, können Unternehmen solche Aspekte aus ihrer Vergangenheit schwerlich ausblenden. Eigentlich bezweckt die Rhetorik der Versachlichung und Distanzierung in diesem Fall, einen kritisch reflektierten Umgang aufzuzeigen, der eine Anerkennung der Verantwortung in Bezug auf die Geschehnisse kommunizieren soll. Dadurch, dass Unternehmen ihr Handeln im Kontext der Zeit verorten, kommt jedoch der Eindruck einer gewissen „Normalisierung“ ihres Verhaltens auf. Zusätzlich entsteht das Bild, dass sie sozusagen von den gegebenen Umständen in eine prekäre Situation geleitet wurden. Reflektiert ein Unternehmen seine Handlungen retrospektiv nach dem heutigen Meinungsbild, um zu signalisieren, dass es sich der Tragweite seiner Handlungen bewusst ist, erfolgt das in der Unternehmens-/Gründergeschichte mithilfe von Wiedergutmachungsleistungen. Nach der Untersuchung der Episoden über die NS-Zeit stellt sich die Frage, wie Unternehmen damit anders umgehen können. Der Ansatz, die Geschehnisse transparent zu machen, ist eine große Herausforderung. Das Bestreben, so objektiv wie möglich damit umzugehen, ist möglicherweise ein Ausdruck dafür, dass das verursachte Leid respektiert wird. Relativierungen, die den Anschein erwecken, man habe sich so wie alle anderen auch verhalten, schwächen die im Grunde angemessen erscheinende Rhetorik ab; durch sie kann die Facette der ,Läuterung‘ fehlschlagen.

8.5 Grundtyp 3: das verantwortungsbewusste Unternehmen

Was veranlasst Unternehmen aus der Elektrotechnologie, dem Groß- und Lebensmittelhandel, der Telekommunikation, der Automobilherstellung und Energieerzeugung dazu, sich als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ darzustellen – insbesondere da sich das narrativ kommunizierte Verantwortungsbewusstsein in weiten Teilen gerade nicht auf zweckrationale und wirtschaftliche Bereiche bezieht? Ein Erklärungsansatz ist das Verständnis von Unternehmen als mitgestaltende Akteure der GesellschaftFootnote 11. Das bedeutet für Unternehmen im Umkehrschluss, da sie in ein gesellschaftliches Umfeld eingebettet sind, dass ihr Erfolg mit ihrem Umfeld verbunden ist. Sie versprechen sich auf diesem Weg ihre Rentabilität, ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre Resilienz zu stärken (Schneider 2015: VII). Das ist ein wichtiger Grund dafür, dass Unternehmen auf freiwilliger und nicht gesetzlich vorgeschriebener Basis Verantwortung innerhalb des gesellschaftlichen Gefüges übernehmen, indem sie hierfür zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen. Die Europäische Kommission definiert 2011 die Verantwortung von Unternehmen als „responsibility of enterprises for their impacts on society” (nach Schneider 2015: 25). Lohmeyer (2017) hält hinsichtlich der Definition fest, dass aufgrund des Beziehungscharakters, den die Definition aufzeigt, Unternehmensverantwortung als relationaler Begriff zu verstehen ist. Es wird darin

„ein Verhältnis aufgespannt zwischen einem Subjekt der Verantwortung – dem Unternehmen – und einem Objekt der Verantwortung – die nicht weiter bestimmte Gesellschaft“ (Lohmeyer 2017: 38 f., Hervorhebung, U.A.)

Wem gegenüber Unternehmen sich verantwortungsvoll verhalten und wie sie die Verantwortung ausgestalten, ist abhängig von der Zeit, dem Kontext wie auch von den Akteuren (vgl. Abschn. 7.1.1.2). Damit besteht eine gewisse Offenheit in der Umsetzung, die einem steten Aushandlungsprozess unterliegt. (vgl. Lohmeyer 2017: 40 ff.) In den untersuchten Erzählungen begründet sich die (S)D als ,verantwortungsbewusst‘ vorrangig auf unternehmensethischen AspektenFootnote 12. Unter dem Schlüsselbegriff Corporate Responsibility sind verschiedene Konzepte zusammengefasst, an denen sich Unternehmen – den Analyseergebnissen zufolge – bezüglich ihrer (S)D als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ orientieren. Die Corporate Responsibility beinhaltet insgesamt drei Konzepte: a) Corporate Social Responsibility (CSR), b) Corporate Citizenship (CC) und c) Corporate Governance (CG).Footnote 13 Anteile aus den ersten zwei Konzepten erklären, welche Handlungen die (S)D als ,verantwortungsbewusst‘ symbolisieren. Der Corporate Governance Kodex „beschäftigt sich mit den verbindlichen Spielregeln verantwortungsvoller Unternehmensführung“ (Arbeitskreis Nachhaltige Unternehmensführung 2015: 45, Hervorhebung i. O.). Hierbei geht es um moralische Werte, an denen Unternehmen ihr Handeln ausrichten. Daher bilden Grundsätze des Kodex eher eine theoretische Handlungsbasis für die Unternehmen, an der sich die narrativ dargebotenen Unternehmenshandlungen zur Imageförderung orientieren. Der dahinterstehende Grundsatz wird in den Erzählungen nur selten expliziert. Gerade auch in Hinblick auf das Zitat von Holly zu Beginn des Kapitels werden die umgesetzten Maßnahmen als Erzählstoff und somit als gelebte Grundsätze narrativ aufbereitet. Bereiche, in denen solche Maßnahmen ergriffen werden können, sind im Konzept der Corporate Citizenship und im Corporate Social Responsibility-Konzept aufgegliedert. Das Konzept der Corporate Citizenship bezieht sich auf bürgerschaftliches Engagement, über das sich Unternehmen als „gute Bürger“ (Gabler Wirtschaftslexikon Online) präsentieren. Eine typische Umsetzungsform ist das „Engagement am Standort, z. B. finanzielle Unterstützung, persönliches Einbringen der Mitarbeiter mit Zeit und Know-How“ (Schneider 2015: 34) wie auch die „finanzielle Unterstützung humanitärer Projekte, Unternehmensstiftungen oder das Sponsoring lokaler Sportvereine“ (Arbeitskreis Nachhaltige Unternehmensführung 2015: 45). Bezogen auf das Corporate Social Responsibility-Konzept sehen sich Unternehmen mit der Erwartungshaltung konfrontiert, neben profitablen Geschäften einen aktiven gesellschaftlichen Beitrag in ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht zu leisten (= drei Teilbereiche der CSR). Im Zusammenhang mit der (S)D als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ nehmen Unternehmen Themen und Inhalte bezüglich einer ökologischen Verantwortung auf, die im weiten Sinne an die Inhalte des Konzepts anknüpfen.Footnote 14 Der Bereich der sozialen Verantwortung ist für die (S)D als ,attraktiver Arbeitgeber‘ relevant, während der Bereich der ökonomischen Verantwortung innerhalb der erhobenen Erzählungen zur (S)D eine untergeordnete Rolle spielt. Damit kommt der Anreiz, sich als ,verantwortungsbewusst‘ zu präsentieren in erster Line von außerhalb des Unternehmens. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum narrative Praktiken zur (S)D als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ über mehrere Internetplattformen verteilt sind. Im Gegensatz zu den zwei vorausgegangenen (S)D, die überwiegend auf der U.-Homepage und nur marginal auf YouTube oder Xing kommuniziert werden, finden sich die Facetten zur (S)D als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ über die U.-Homepage hinaus auf Facebook und YouTube.

Die (S)D als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ spiegelt sich in zwei thematischen Facetten mit jeweils zwei inhaltlichen Bereichen wider (siehe die Abb. unten). Die erste Facette beruht darauf, den eigenen Beitrag zum gesellschaftlichen Allgemeinwohl zu verdeutlichen. Die Inhalte der Facette lassen sich anhand der aufgegriffenen Ereignisse in karitativ und sozial motiviertes Engagement unterteilen. Karitativ motivierte Handlungen kennzeichnet, dass sie gemeinnützig sind. Sie betonen den Nutzen für Dritte, die nicht der Unternehmensgemeinschaft angehören. Sozial motivierte Handlungen sind davon geprägt, dass sie sowohl dem Unternehmen als auch Teilen der Gesellschaft nutzen, dem Unternehmen aber einen besonderen Einsatz abverlangen. Richtungsweisend für diese Facette ist in vielerlei Hinsicht das Corporate Citizenship-Konzept. Die zweite Facette stellt demgegenüber das ökologische Bewusstsein von Unternehmen in den Mittelpunkt. Sie orientiert sich im weiten Sinne an dem entsprechenden Bereich des Corporate Social Responsibility-Konzepts. Narrativ aufbereitete Ereignisse beziehen sich auf sämtliche Maßnahmen, die einen positiven Beitrag für die Umwelt bedeuten. Inhalte, die diese Facette konstituieren, führen technologische Fortschritte zu Gunsten der Umwelt vor und nehmen Handlungen rund um den Natur- und Tierschutz aufFootnote 15. Dass Unternehmen sowohl das gesellschaftliche als auch das ökologische Engagement als zusammengehörig interpretieren, also als zwei Aspekte einer gesellschaftlichen Verantwortung, zeigt sich in der diskurslinguistischen Untersuchung von Burel über Identitätspositionierungen der DAX-30-Unternehmen. Burel führt eine Liste von adjektivischen Bi-Grammen, dazu gehören u. a. „ökologisch und gesellschaftlich“ (2015: 257). Die Funktion von N-Grammen besteht darin, zu zeigen, dass zusammen benannte Sachverhalte zusammengehören (ebd. 2015: 253) – dass also der Beitrag zum gesellschaftlichen Allgemeinwohl und der Beitrag für die Umwelt verbunden sind. Die folgende Abbildung visualisiert die Facetten der (S)D in den erhobenen Daten (Abb. 8.5):

Abb. 8.5
figure 5

Konstitutive Elemente des Grundtyps ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ auf Basis thematischer Facetten und ihrer inhaltlichen Merkmale

8.5.1 Stilisierung der Facette ,Beitrag zum gesellschaftlichen Allgemeinwohl‘

Der narrativ präsentierte Grundtyp zur (S)D als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ stellt einen von Unternehmen indirekt kommunizierten Gegenpol zu den diskursiv untersuchten offiziellen Stellungnahmen der DAX-30-Unternehmen von Lohmeyer (2017) dar. Insbesondere die Facette ,Beitrag zum gesellschaftlichen Allgemeinwohl‘ vermittelt den Eindruck von moralisch ausgerichteten Unternehmenshandlungen. In offiziellen Stellungnahmen der DAX-30-Unternehmen stellt Lohmeyer (2017) dagegen fest, dass „moralische Motive kaum und wenn, dann nur selten für sich allein stehend vorgebracht werden“ (ebd. 2017: 374). Dabei „distanzieren sich einige der Unternehmen explizit von diesen [moralischen] Motiven“ (ebd.) oder schließen sie gleich ganz aus dem Vokabular aus. Lohmeyer kommt in ihrer Diskursanalyse zu dem Ergebnis, dass moralische Motive – sofern sie vorhanden sind – im Unternehmensdiskurs „selten ganz ohne Verweis auf unternehmerische Vorteile aus[kommen]“ (Lohmeyer 2017: 375). Daraus lässt sich schließen, dass der veränderte Kommunikationsmodus nicht nur für ein anderes Zielpublikum konzipiert ist, sondern auch einer anderen Funktion und Botschaft zuträglich ist. Entsprechend stellen uRE, in denen sich Unternehmen über ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Allgemeinwohl als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ stilisieren, einen Kontrapunkt zu den offiziellen und an den Fachkreis adressierten Textformaten dar. Dies unterstützt wiederum die Beobachtung in den vorliegenden Daten, dass solche uRE eine gesellschaftlich präferierte Erwartungshaltung aufnehmen. Die Facette ,Beitrag zum gesellschaftlichen Allgemeinwohl‘ steht daher im Zeichen eines zeitbezogenen, gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses hinsichtlich der Sinngebung von Unternehmen – und zwar jenseits monetärer Aspekte unter Betonung einer gesellschaftlich moralischen Mitverantwortung. Vor diesem Hintergrund stilisieren sich Unternehmen auf der Basis von Inhalten ihres karitativen und sozialen Engagements als ,verantwortungsbewusste Unternehmen‘.

(a) Inhalte der Facette ,Beitrag zum gesellschaftlichen Allgemeinwohl‘, die ein karitatives Engagement von Unternehmen aufgreifen, nehmen eine wohltätige Unternehmenshandlung als Erzählanlass. Vorgeführt werden soll darüber der Nutzen für Dritte, die nicht der Unternehmensgemeinschaft angehören. Das „Objekt“, dem die Handlung zugutekommt, wählt das Unternehmen aus. In den erhobenen Daten sind die Empfänger/innen dieser karitativen Maßnahmen Personen/Personengruppen, die zum Zeitpunkt der Handlung im gesellschaftlichen Diskurs als unterstützenswert- und/oder schutzbedürftig gelten. Grundsätzlich betrifft das sozial benachteiligte Menschen. Da die Gemeinnützigkeit von Unternehmen auch ein Spiegel dafür ist, welche Themen den aktuell gegebenen gesellschaftlichen Diskurs bestimmen, richtet sich das karitative Engagement in dem Erhebungsraum auf soziale Randgruppen der Gesellschaft (z. B. Obdachlose), sozial benachteiligte KinderFootnote 16 und Geflüchtete. Die Erzählungen treten auf verschiedenen Internetplattformen auf (U.-Homepage, Corporate Blog, Facebook). Dadurch sind sie hinsichtlich ihrer konkreten Umsetzung verschieden. Dennoch lassen sich bezüglich der Stilisierung der (S)D zwei Gemeinsamkeiten nachvollziehen:

  1. 1.

    Das erzählerische Gestaltungsprinzip: Der Hinweis auf die Außerordentlichkeit der Unternehmenshandlung muss mit einer „gewissen Bescheidenheit“ der Unternehmen einhergehen.

  2. 2.

    Ausrichtung des Gestaltungsprinzips an folgendem Grundsatz: Das Unternehmen darf sich nicht auf Kosten der Begünstigten als Wohltäter vorführen, sie also nicht offensichtlich zu Werbezwecken benutzen.

Wie sich Unternehmen unter diesen Voraussetzungen mithilfe der Facette ,Beitrag zum gesellschaftlichen Allgemeinwohl‘ darstellen, veranschaulichen zwei sehr unterschiedliche Beispiele. Das erste Beispiel stammt von der U.-Homepage des Groß- und Lebensmittelunternehmens Rewe. Das zweite Beispiel ist ein Facebook Post des Energieunternehmens E.ON. Um die Prämissen einzuhalten, werden die sprachlichen Stilisierungen den Voraussetzungen auf den unterschiedlichen Internetplattformen angepasst. Die herausgearbeitete sprachliche Stilisierung der beiden Beispiele entspricht in den erhobenen Daten ebenfalls Erzählungen von Bosch, Daimler, Edeka und Telefónica Deutschland. Die ausschlaggebende Äußerungseinheit zur (S)D ist in den Beispielen unterstrichen. Sie beruht darauf, das karitative Engagement lediglich zu nennen (Börse für soziales und ökologisches Engagement, Benefizveranstaltung), da diese Signalwörter bereits mit einer positiven Semantik aufgeladen sind. Die Merkmale der Stilisierung sind in dem linken Beispiel (Rewe) fett hervorgehoben:

(Bsp.) An die Plattformen angepasste Stilisierungen der Facette ,Beitrag zum gesellschaftlichen Allgemeinwohl‘

Das Gestaltungsprinzip – den Hinweis auf die Außerordentlichkeit der Unternehmenshandlung mit einer „gewissen Bescheidenheit“ zu kommunizieren – setzt der Erzähler in dem Beispiel von Rewe mithilfe persönlicher Beweggründe des Initiators um: helfen wollen, praktisch unterstützen, eine Vorbildfunktion für andere einnehmen. Die Motivation und Handlung geht von dem Mitarbeiter aus. Seine Motive sind selbstlos und moralischer Art. Der Beitrag des Unternehmens ist auf das Zitat des Mitarbeiters ausgelagert, der den immateriellen Beitrag in Form einer professionellen und umfassenden Unterstützung betont. Die benannte Leistung, mehr Farbe in das Leben der Flüchtlinge gebracht zu haben, schränkt der Erzähler mit dem Quantor wenig ein. Implizit steht dahinter die metaphorische Vorstellung, dass das Leben der Betroffenen farblos, also trostlost sei. Würden in Anbetracht der Situation der Geflüchteten vier renovierte Küchen und farbige Wände als große Verbesserung stilisiert, würde der Autor die Bescheidenheitsregel missachten. Nur die Handlungsempfänger/innen können sozusagen den Wert der karitativen Maßnahme einordnen. Daher ist die behauptete Reaktion der Empfangenden von Bedeutung, um das Außerordentliche an dem karitativen Engagement angemessen aufzunehmen.

E.ON setzt die Inhalte des karitativen Engagements für die Facette ,Beitrag zum gesellschaftlichen Allgemeinwohl‘ in einem Facebook Post um. Da auf der Internetplattform das Platzangebot reduziert ist, wählt der Verfasser eine weitere Versprachlichungsstrategie, um den Prämissen gerecht zu werden. Der Autor stilisiert das Außerordentliche der Unternehmenshandlung, indem er es einleitend auf das persönliche Glück des Betroffenen projiziert. Auch hier liegt die sprachliche Strategie der Einschränkung eines kleinen, persönlichen Glücks vor. Ausschlaggebend ist – ähnlich wie in dem Beispiel von Rewe – das karitative Engagement nicht unverhältnismäßig auf Kosten der Betroffenen zu stilisieren. Dabei wird in diesem Beispiel die Bewertung des Handlungsempfängers nicht anhand eines sprachlichen Zitats, sondern mithilfe einer unten angefügten kleinen Slideshow vorgeführt. Die „gewisse Bescheidenheit“ kommuniziert das Unternehmen zusätzlich in Form der sprachlichen Implizitheit, denn der tatsächliche Anteil des Unternehmens an dem Glück des Obdachlosen wird nicht expliziert. Lediglich die chronologische Abfolge der Ereignisse legt eine Kausalität zwischen der karitativen Maßnahme von E.ON und der Zustandsverbesserung des Empfängers nahe:

  1. a)

    Dass Dieter für die Werbung der Benefizveranstaltung von E.ON zugunsten von Obdachlosen ausgesucht wurde und

  2. b)

    nun davon profitiert und eine Wohnung angeboten bekommt, steht in Verbindung mit

  3. c)

    dem Wunsch von E.ON (wünschen ihm und seinen Schicksalsgenossen alles Gut!).

Beide Sätze sind mit dem Temporaladverb inzwischen verbunden. Die Funktion von Temporaladverbia liegt darin, Abläufe zeitlich zu verorten: In diesem Fall hat es zusätzlich die pragmatische Funktion, die chronologische Abfolge der Ereignisse zu bestätigen. So stilisiert sich das Unternehmen implizit als Vermittler der positiven Entwicklung für Dieter, ohne sich sprachlich direkt damit zu verbinden.

Die Beispiele zeigen, dass die Stilisierung des Außerordentlichen darauf beruht, das persönliche Erleben/Empfinden von Handlungsteilnehmer/innen und -empfänger/innen in den Vordergrund zu stellen. Das Unternehmen selbst tritt dabei in den Hintergrund, was in der Prämisse als eine „gewissen Bescheidenheit“ benannt ist. Da das Unternehmen in der selbstdarstellenden Äußerungseinheit anhand der Schlüsselwörter verdeutlicht, die Aktion erst ermöglicht zu haben, ist es immer „im Stillen“ präsent. Zusätzlich zeigt das Beispiel von E.ON, dass implizite Zusammenhänge aufgrund der Handlungsabfolge ebenfalls eine sprachliche Strategie zur Umsetzung der „gewissen Bescheidenheit“ sind. So präsentiert sich das Unternehmen auf eine unprätentiöse Weise als Wohltäter. Das Gebot, sich nicht auf Kosten der Handlungsempfänger selbst darzustellen, setzen Unternehmen um, indem sie die Verhältnismäßigkeit ihrer karitativen Handlung zu der ungünstigen Situation der Handlungsempfänger/innen wahren. Sprachlich beschränken die Verfasser/innen daher die eigene karitative Leistung und mäßigen darauf ausgerichtete eigene Bewertungen. Zusätzlich lagern sie Bewertungen auf die direkt Betroffenen aus. Mithilfe des Gestaltungsprinzips – Hinweis auf die Außerordentlichkeit der Handlung in Verbindung mit einer gewissen Bescheidenheit – verzichten die Erzähler/innen darauf, offensichtlich mit dem karitativen Engagement des Unternehmens zu werben. Daraus lässt sich ableiten, dass die Kombination von Wohltätigkeit mit Eigenwerbung sozial nicht erwünscht ist. Den karitativen Dienst des Unternehmens aus einer Erlebnisperspektive der Beteiligten und anhand von Handlungen und Maßnahmen zur Erfüllung des karitativen Engagements zu erzählen, scheint den Daten zufolge legitim zu sein.

(b) Inhalte der Facette ,Beitrag zum gesellschaftlichen Allgemeinwohl‘ nehmen neben dem karitativen Engagement auch ein bestimmtes soziales Engagement auf. Im Gegensatz zum karitativen Engagement dient die soziale Handlung dazu, die Handlungsmöglichkeiten von Personen/Personengruppen zu fördern oder zu stärken. Die Grundlage ist eine weite und vorausschauende Perspektive, die die Gesellschaft bereichern sollte. Damit richtet sich das soziale Engagement von Unternehmen nicht ausschließlich auf Dritte außerhalb des Unternehmens, sondern schließt Unternehmensangehörige oder potenzielle Unternehmensangehörige ein. In den erhobenen Daten betrifft das zwei Teilbereiche: Ausbildung/Arbeit und Vertreten partikularer Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen. Das Verantwortungsbewusstsein von Unternehmen und der damit verbundene gesellschaftliche Nutzen liegen in dem Teilbereich ,Ausbildung und Arbeit‘ darin, Personen hinsichtlich ihrer beruflichen Perspektiven und Orientierung zu begleiten (Praktika), dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken (Bildungsreisen und Fachakademien) und eine qualitativ hochwertige Ausbildung (Arbeitsplatzsicherheit) anzubieten. Das ,Vertreten partikularer Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen‘ spiegelt das Verantwortungsbewusstsein insofern, als die Interessen dieser Gruppen mit denen der Gesellschaft in eine gewinnbringende Übereinstimmung gebracht werden.

Bezogen auf die Stilisierung der Facette zeigen sich durch die inhaltliche Trennung von karitativem und sozialem Engagement deutliche Unterschiede. Besonders deutlich wird das in der betont positiven Selbst-/ und Fremdbewertung. Diese sind das Kennzeichen für die Stilisierung rund um den Teilbereich ,Ausbildung und Arbeit‘. Dementsprechend spricht VW einer seiner Ausbildungsmaßnahmen, mit der das Unternehmen dem Fachkräftemangel entgegenwirken möchte, in dem nächsten Beispiel eine hohe Ausbildungsqualität zu. Die (S)D in der folgenden selbstdarstellenden Äußerungseinheit erfolgt mittels einer Erzählung über den Inder Mirza. Mirza möchte Automechaniker werden, schon als kleiner Junge reparierte er zusammen mit seinem Vater Autos. Jetzt ist er ein junger Erwachsener und hat von einem Ausbildungsprogramm der Daimler AG in Mumbai erfahren, das laut dem Unternehmen dem Zweck dient, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken:

„Doch [Mirza] fand, dass er viel zu wenig darüber wusste. „Ich möchte meine Kenntnisse über neue Autos verbessern“, sagte er zu seinem Vater. Ein befreundeter Mechaniker erzählte von einem der modernsten Ausbildungsprogramme in dem Bereich, das in Kooperation von Volkswagen angeboten wird. VG-TAP (Volkswagen Group Technical Education Program) nennt sich diese technische Ausbildung, die das Father Agnel ITI College etwas außerhalb von Mumbai anbietet. [Mirza] bewarb sich und bestand dank seiner Vorkenntnisse sofort den Aufnahmetest.“ (VW, U.-Homepage, 2017-02-04. Korpusquelle: VW_406_WS, Hervorhebung, U.A.)

Die Stilisierung entspricht dem Phänomen, das Burel „Lobpreisung“ (2015: 223) nennt. Das Qualitätsadjektiv modern steht im Superlativ und positioniert das Ausbildungsangebot als eines der besten. Bewertet wird der Sachverhalt „Ausbildung“, der eine positive Konsequenz für die Allgemeinheit hat. Wie Burel (2015) festhält, handelt es sich hierbei „nicht um epistemologisch objektive Tatsachen“ (ebd. 2015: 399). Das Unternehmen fungiert in diesem Zusammenhang als „Auto-Sanktions- und Beurteilungsinstanz“ (Stockinger 1998: 25, nach ebd.), denn der Wert und die Wirklichkeit, die das Unternehmen bewertet, liegt im Referenzbereich des Unternehmens selbst und ist dort als eigenes qualitatives Prinzip verhaftet (Burel 2015: 399). Die Stilisierung erfolgt anhand explizit bewertender Adjektive. Möglich ist die positive Selbstbewertung aus zwei Gründen. Zum einen beinhaltet die (S)D einen Selbstentwurf, der „logischerweise mit positiven (Selbst-)Bewertungen einhergeht“ (Burel 2015: 399). Zum anderen bezieht sich das soziale Engagement – im Gegensatz zu Inhalten über das karitative Engagement – darauf, zum Nutzen der Gesellschaft und nicht Einzelner zu sein (Maßnahme gegen den Fachkräftemangel).

Ebenfalls in den Themenbereich soziales Engagement bezüglich ,Ausbildung und Arbeit‘ fallen Erzählungen von Praktikant/innen, die zur beruflichen Orientierung in einem Unternehmen hospitieren. Diese nehmen eine besonders positive Fremdbeurteilung für die (S)D des entsprechenden Unternehmens vor. Erzähleinleitungen wie die folgende deuten auf den sozialen Aspekt des Angebots hin:

Zum Glück, gibt es das Schülerpraktikum bei Telefónica! Das hat mir wirklich geholfen, ein wenig klarer auf meine berufliche Lebensplanung zu sehen. Denn obwohl ich schon in der 11. Klasse bin, weiß ich immer noch nicht genau, was ich nach dem Abitur machen möchte.“ (Telefónica Dtl., Blog, 2017-01-03. Korpusquelle: Telef_770_WB)

Die Stilisierung auf Basis der positiven Fremdbeurteilung beginnt damit, dass die Praktikantin sehr dankbar für das Praktikumsangebot ist. Das drückt sie affektiv in dem Exklamativsatz aus: Zum Glück, gibt es…! Die besondere Leistung des Unternehmens sieht sie darin, dass das Praktikum sie hinsichtlich ihrer beruflichen Orientierung unterstützte. Hierbei bestärkt die Erzählerin ihren subjektiven Eindruck zusätzlich mit einem Wirklichkeitsmarker (wirklich geholfen). Das Unternehmen hat der uRE nach die Praktikantin dazu befähigt, direkt nach ihrem Schulabschluss in eine Ausbildung ihrer Wahl zu wechseln. Zusätzlich können die Erzähler/innen am Ende ihrer uRE die Qualität des unternehmensbezogenen Engagements resümieren:

„Ich sehe jetzt endlich klarer und habe konkretere Vorstellungen für meine Zukunft. Das unglaubliche Wirrwarr der Studienangebote und Möglichkeiten für den Berufseinstieg lässt sich mit meinen neuen Erfahrungen viel besser durchblicken. Meine Studien- und Berufsorientierung war ein voller Erfolg. 1:0 für StuBo! Voller Tatendrang und neuer Ziele bedanke ich mich …“ (Telefónica Dtl., Blog, 2017-01-03. Korpusquelle: Telef_776_WB)

Die letzten beiden Beispiele verdeutlichen, dass in dem Bereich ebenfalls eine sehr positive Fremdbewertung zu der Stilisierung als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ in der Facette ,soziales Engagement‘ gehört. Die selbstdarstellenden Elemente beruhen sowohl in der Selbst- wie auch in der Fremdbewertung auf Assertiva, die subjektiver Natur sind.

Für den Teilbereich ,Vertreten partikularer Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen‘ sind „Pseudo-Argumentationen“ eingestreut. Hierbei handelt es sich nicht um klassische Argumentationsmuster, die entgegengesetzte Standpunkte diskutieren. Die Ursache dafür ist, dass der Gegenstand, auf den sich die angedeutete Argumentation bezieht, nicht strittig ist: Schließlich geht es um etwas Gemeinnütziges, dass für die (S)D grundlegend ist. „Pseudo-Argumentationen“ dienen vielmehr dazu, sich das Wesen der Argumentation zu eigen zu machen, das darin besteht, sich „auf Welt unter dem Gesichtspunkt der Begründbarkeit von Handlungen [zu beziehen]“ (Hausendorf/Kesselheim 2008: 94). Die Begründung bleibt in den Erzählungen „einseitig“ (daher „pseudo“). Das Ziel besteht darin, den eigenen Standpunkt über ein soziales Unterfangen plausibel zu machen, ohne zu dialektisieren. Es handelt sich daher eher um ein begründendes Argumentieren für die eigene Sache, das sich dadurch auszeichnet, dass es keine Reibungs- oder Angriffsfläche bietet.

Daimler baut seine argumentativ konnotierte Begründung für das soziale Engagement Unterstützung von Spitzensportlern gezielt in eine uRE ein. Um zu begründen, warum das Unternehmen sich der Initiative (Förderer der Deutschen Sporthilfe) angeschlossen hat, wird die Argumentation des Betroffenen für die eigene (S)D übernommen (im folgenden Bsp. unterstrichen). Der gesellschaftliche Nutzen der Maßnahme liegt der uRE zu Folge darin, den hohen Stellenwert des Sports in unserer Gesellschaft zu würdigen und zu unterstützen. Die Erzählung beginnt mit dem Schicksal und der Entwicklung des behinderten Sportlers:

„[Johannes Müller] hat seit seiner Geburt eine Rückenmarkserkrankung, durch die sich bei ihm hüftabwärts nicht alle Muskeln, Sehnen und Körperfunktionen entwickelt haben. Doch mit seinem zähen Willen widerlegte er die Aussagen der Ärzte, dass er niemals laufen werde: Er zog sich an der Tischkante hoch und machte seine ersten Schritte. Das war vor ca. 25 Jahren. Heute ist [Johannes Müller] ein hervorragender Rollstuhlbasketballer und angehender Masterstudent. [,,,]. [Johannes Müller] betont wie wichtig es ist, sich neben der Sportlerkarriere ein zweites Standbein aufzubauen: „Bis auf wenige Ausnahmen ist es als Leistungssportler kaum möglich, dauerhaft seinen Lebensunterhalt durch den Sport zu bestreiten. Deshalb sollte man vorausschauen und während seiner aktiven Laufbahn einen weiteren Bildungsweg einschlagen.

Das hat auch Mercedes-Benz erkannt und unterstützt seit über 20 Jahren sportartübergreifend Sportlerinnen und Sportler durch das Engagement als Förderer der Deutschen Sporthilfe. Somit trägt das Unternehmen einen großen Anteil daran, dass die Sportler es schaffen, Training, Wettkampf, Ausbildung, Studium und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Vor sechs Jahren hat Mercedes-Benz sein Engagement ausgebaut und ist seitdem […] einer der vier „Nationalen Förderer“ der Stiftung Deutsche Sporthilfe. In dieser Funktion leistet Mercedes-Benz sowohl einen materiellen, ideellen und sozialen Beitrag zur nachhaltigen Förderung deutscher Spitzensportler. Unterstützt werden fast alle olympischen Disziplinen, traditionsreiche nicht-olympische Sportarten sowie der Behinderten- und Gehörlosensport.“ (Daimler, Das Daimler Blog, o. J. Korpusquelle: DAIMLER_049_WS)

Auch für diese Erzählung gilt, dass es im Rahmen von sozialem Engagement legitim ist, die eigene Investition deutlich hervorzutun. Die explizite Selbstbewertung erfolgt in dem Beispiel anhand des dimensionalen Adjektivs groß im Positiv (trägt das Unternehmen einen großen Anteil). Zusätzlich vermittelt das adjektivische Tri-GrammFootnote 17 in Form der Adjektivkopplung materiell, ideell und sozial die Bedeutung und den Umfang des Engagements. Dabei liefert die zitierte Konklusion des jungen Mannes den Bedeutungszusammenhang für das soziale Engagement des Unternehmens ([Johannes Müller] betont wie wichtig es ist …).

Das abschließende Beispiel über die Teilnahme einer Daimler-Delegation am Christopher Street Day (CSD) veranschaulicht, dass Unternehmen ihre (S)D mit einem gesellschaftsrelevanten Thema argumentativ verknüpfen. Es handelt sich um einen Hinweis auf den allgemein geteilten Wert: Einsetzen für Vielfalt. In diesem Rahmen stilisiert sich das Unternehmen u. a. in einer Vorbildfunktion, da es impliziert, dass diese Werte zur eigenen (gelebten) Unternehmenskultur gehören. Der soziale Aspekt des Engagements besteht darin, sich öffentlich und außerhalb des Unternehmens für diese Werte und betroffene Personengruppen einzusetzen (Flagge zeigen). Eingebunden in die Erzählung eines Organisierenden aus dem Unternehmen kommt es zu folgender selbstdarstellenden Äußerungseinheit:

Dass Daimler an einer Veranstaltung teilnimmt, die für ein buntes, weltoffenes und tolerantes Miteinander unabhängig der sexuellen Orientierung wirbt, verdeutlicht das Eintreten für Vielfalt. Nach innen und außen. Flagge zeigen am CSD macht den ebenso zentralen wie abstrakten Unternehmenswert Diversity lebendig. Learned lessons: Weiter so! Vielfalt lebt vom Engagement. Als Vertreter von GL@D nehme ich die ausschließlich positiven Rückmeldungen in der Besprechung zufrieden zur Kenntnis. Gleichzeitig erschrecke ich ein wenig: Die beschlossene erneute Teilnahme 2015 wird wieder viel Arbeit für die Kollegen des Netzwerks bedeuten, die den Auftritt in großen Teilen selbständig und zusätzlich zu ihren ganz regulären Jobs organisieren. Aber Vielfalt lebt schließlich von Engagement.“ (Daimler, Das Blog, 2015-07-29. Korpusquelle: DAIMLER_090_WB)

Der vorangestellte Akkusativobjektsatz bezieht sich auf das Objekt der (S)D, nämlich die Teilnahme an der Veranstaltung (= soziales Engagement). Der darauffolgende, untergeordnete Relativsatz nimmt die Funktion der Veranstaltung in ihren Einzelheiten und den gemeinnützigen Aspekt der Handlung auf. Das argumentative Merkmal besteht darin, dass diese beiden Nebensätze als Belege für die im Hauptsatz angeführte, darstellungsrelevante Wertegesinnung fungieren. Diese Beweisführung in Verbindung mit den ausschließlich positiven Rückmeldungen sollen die Wahrhaftigkeit der Behauptung unterstreichen. Dass Engagement zur Durchsetzung der Werte als notwendig erachtet wird, zeigt sich in der nahezu identischen Iteration der Phrase Vielfalt lebt vom Engagement.

Die inhaltliche Trennung von selbstdarstellenden Äußerungseinheiten, die entweder auf karitatives oder soziales Engagement abzielen, zeigt unterschiedliche Stilisierungsverfahren. Deutlich wird das an sprachlichen Merkmalen, die ein „Sich-zurücknehmen“ (= (S)D bzgl. karitativen Engagements) und ein „Sich-loben, bzw. -loben-lassen“ (= S(D) bzgl. sozialen Engagements) indizieren. Ebenfalls verschieden ist der Fokus, auf den die (S)D zielt. Erzählungen, die das karitative Engagement aufnehmen, fokussieren das „Wie“ der Unternehmenshandlung (z. B. Erlebnisperspektive, durchgeführte Maßnahmen), während der Fokus in Erzählungen über das soziale Engagement auf dem Begründungszusammenhang – also dem „Warum“ der Unternehmenshandlung – liegt.

8.5.2 Stilisierung der Facette ,Beitrag für die Umwelt‘

Bezüglich der (S)D als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ sehen sich Unternehmen seit einigen Jahren nicht nur in einer karitativen und sozialen Verpflichtung, sondern ebenso mit der Forderung nach einer ökologischen Verantwortungsübernahme konfrontiert. Der Diskurs steht in weiten Teilen in einem Zusammenhang mit dem Corporate Social Responsibility-Konzept. Der entsprechende Teilbereich „Ökologische Verantwortung“ beinhaltet die Reduzierung des Ressourcen- und Energieverbrauchs, aber auch die Entwicklung umweltverträglicher Innovationen“ (Arbeitskreis Nachhaltige Unternehmensführung 2015: 45). Inhalte zu diesem Teilbereich finden sich in den untersuchten Erzählungen unter dem Schlüsselwort „Nachhaltigkeit“. Die Bedeutung von ,Nachhaltigkeit‘ zeigt sich auch in der Sprachverwendung von Unternehmen. Diesbezüglich identifiziert Burel (2015: 239) mithilfe der linguistischen Diskursanalyse den Lexemverband *nachhaltig* als frequent wiederkehrenden Begriff zur Positionierung der DAX-30-Unternehmen. Nachhaltiges Verhalten von Unternehmen bezieht sich u. a. auf ein umweltbewusstes Verhalten. Es gibt unterschiedliche Erklärungsansätze dafür, warum Unternehmen sich dem Leitprinzip anschließen. Die It-Pays Theorie geht davon aus, dass über umweltschonendes Verhalten Kosten gesenkt werden und eine Vernachlässigung des Bereichs der Öffentlichkeit ineffizientes Wirtschaften signalisiert. Die Stakeholdertheorie sieht durch schlechte Nachhaltigkeitsleistungen die Beziehung von Unternehmen zu ihren Bezugsgruppen gefährdet, während die Natural Resource Base View Theorie Unternehmen, die sich an das Leitprinzip halten, in einem Wettbewerbsvorteil sieht. (Arbeitskreis Nachhaltige Unternehmensführung 2015: 43) Zudem zeichnet sich ab, dass immer mehr Unternehmen dazu bereit sind, über ihr nachhaltiges Handeln Bericht zu erstatten (Nachhaltigkeitsberichte oder CSR-Reports) und sich in einem Ranking einordnen zu lassenFootnote 18. Die instrumentell ausgerichteten Erklärungsansätze, das Untersuchungsergebnis von Burel (2015) und die zunehmende Bereitschaft von Unternehmen, an einer Nachhaltigkeitsberichterstattung teilzunehmen, erklären, warum in den Daten die (S)D als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ ebenfalls eine Facette inkludiert, in der sich das Unternehmen über seinen ,Beitrag für die Umwelt‘ präsentiert. Erhobene Erzählungen hierüber finden sich häufig in der dafür eingerichteten Rubrik ,Nachhaltigkeit‘. Die Facette konstituieren Inhalte über a) den ,technischen Fortschritt‘ zugunsten der Umwelt und b) gezielte Maßnahmen für den ,Natur- und Tierschutz‘. Diese Inhalte nehmen alle untersuchten Unternehmen auf. Es fällt jedoch auf, dass die Energie-, Elektrotechnologie-, Telekommunikations- und Automobilunternehmen in ihren uRE den technologischen Fortschritt in den Vordergrund stellen. Den Bereich ,Natur- und Tierschutz‘ greifen neben den Energie- und Automobilunternehmen vor allem die untersuchten Groß- und Lebensmittelunternehmen auf.

(a) Narrativ aufbereitete Inhalte über den ,technologischen Fortschritt‘ handeln von fachspezifischen Aktivitäten, die Unternehmen in den Kontext ihrer nachhaltigen Orientierung stellen. Die Stilisierung der (S)D zeichnet sich in den Daten durch zwei Merkmale aus. Einerseits durch eine Personalisierung und andererseits durch explanative Textelemente. So wird der relevante Erzählgegenstand – also der technologische Fortschritt – in eine Erzählung übersetzt, die (1.) auf eine betroffene Person zentriert und (2.) von deren persönlicher Sicht geprägt ist. Zusätzlich bringt (3.) die Person explanative Elemente über den Sachverhalt in ihre Erzählung ein. Der Vorteil einer solchen Personalisierung besteht darin, dass „[e]in Thema […] nicht abstrakt dargelegt, sondern einer Protagonisten-Story zugeordnet [wird]“ (Ulrich/Knappe 2015: 145). Mithilfe dieser Stilisierung wird nicht nur der technologische Fortschritt erklärt, sondern seine Bedeutung durch das Erleben dieser Person/Personen evident. Das folgende Filmtranskript der Firma Bosch illustriert eine solche Stilisierung als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘: Der Beitrag nutzt die Personalisierung, um das Engagement für die Umwelt durch eine spezifische technologische Erfindung zu verdeutlichen. Die Erzählung handelt von dem Ort Braderup in Norddeutschland. Ein Bürger des Ortes (der veränderte Name lautet: Jo Sebastian Hager) kam auf die Idee, dort einen „eigenen“ Windpark zu bauen. Seine Erzählerstimme ist immer dann voice-over, wenn Landschafts- oder Objektbilder gezeigt werden. In den anderen Teilen sind die Erzählstimme und der Erzähler synchronisiert. Das audiovisuelle Erzählformat unterstützt die (S)D mithilfe der Personalisierung: Die Rezipient/innen sehen eine „authentische“ Person (lokale Spezifika prägen die Intonation und Aussprache, Kleidung, Mimik und Gestik) in ihrer „natürlichen“ Umgebung, während Jo die Rezipient/innen durch seine „Welt“ führt (Arbeitsfeld, Wohnort/-haus, Familienmitglieder u. a.). Zusätzlich verstärken verschiedene Kameraeinstellungen (Weit- vs. Großaufnahmen) emotionale Momente sowie Eindrücke über die lokale Atmosphäre (Landschaftsbilder und Wetterverhältnisse). Im Hintergrund läuft dezente Musik, die immer dann leiser wird, wenn der Erzähler spricht oder Naturgeräusche (Wind, Möwen) zu hören sind. Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen steht der Erzähler in Verbindung mit exemplarischen Standbildern. Die Hintergrundgeräusche begleiten die Erzählung punktuell und dienen der atmosphärischen Verstärkung. Aus Platzgründen nehme ich diese Geräusche nicht in einer eigenen Spalte auf, sondern füge sie an entsprechender Stelle in das Transkript ein.

Für das inhaltliche Verständnis folgt nun die vollständige Erzählung. In der anschließenden Ausführung über die Stilisierung beginne ich mit Merkmalen der Personalisierung und wie sie für die (S)D des Unternehmens genutzt werden. Danach gehe ich auf explanative Textelemente zur (S)D ein.

(Bsp.) Filmtranskript Bosch als ,verantwortungsbewusstes Unternehmen‘ durch einen Beitrag für die Umwelt (Bosch, YouTube, o. J. Korpusquelle: Bosch_544_YT)

Insbesondere die audiovisuell präsentierte Personalisierung stellt eine Vertextungsstrategie dar, „die in erster Linie der Themenvermittlung dient“ (Ulrich/Knappe 2015: 146). Die Themenvermittlung bezieht sich in dieser Erzählung auf erneuerbare Energien. Wichtige Aspekte der (S)D transportiert die personalisierte Heldenreise des Braderupp Bürgers Jo Sebastian Hager, der sich für eine nachhaltige Energiegewinnung einsetzt. Äußere Umstände (finanzielle Schwierigkeiten, Z. 27–31) lassen den Protagonisten nach einer Problemlösung suchen, die er in der Windenergie entdeckt:

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Jo muss auf dem Weg zum Ziel verschiedene Hürden überwinden. Zum einen nehmen seine Mitbürger/innen den Vorschlag nur zögerlich an:

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Zusätzlich scheitert der erste Versuch, die durch die ersten aufgestellten Windräder gewonnene Energie nachhaltig zu nutzen (Niederlage):

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Doch der Protagonist gibt nicht auf. Er hat die Vision (Z. 39), einen Windpark mit Stromspeicher zu bauen (Z. 41–42). Der Stromspeicher ist eine technologische Innovation, für die der Erzähler Bosch als Experten exponiert:

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Damit präsentiert Jo das Unternehmen mit seiner technologischen Innovation als Mentor auf seinem Weg. In dieser Funktion ist das Unternehmen mit seinem Produkt und seiner Dienstleistung der Akteur, der dem Kunden erst seine eigene Heldengeschichte ermöglicht (Beyer 2018: 53). Durch die Kombination von Thema und Mentorenrolle produziert der Protagonist die Darstellung eines verantwortungsbewussten Unternehmens. Die (S)D beruht darauf, dass nur mit der Unterstützung der innovativen Technologie das umweltfreundlich motivierte Projekt realisiert werden konnte. Den Beitrag für die Umwelt kommuniziert Jo mithilfe der diskursiv verdichteten Komposita Energiewende (Anreißer), Windkraft (Z. 12) und Windpark (Z. 41). Aufgrund von Boschs technologischer Erfindung kann der Protagonist letztlich den „Schatz“ heben, d. h. finanzielle Sicherheit erreichen: ernte ich MEHR strOm als getrEIde (Z. 10 oder Z. 31). Durch die Personalisierung wird das Einzelschicksal einer unmittelbar betroffenen Person zu einem „Induktionsbeweis“ (Ulrich/Knapp 2015: 145) anhand des Einzelfalls, der sich auf eine konkrete Tatsache beruft. Eben diesen Effekt spiegelt die abschließende selbstdarstellende Äußerungseinheit im Anreißer (fett hervorgehoben): Sie bändigen die launischen Lüfte ihrer Heimat für die Stromerzeugung – mit Bosch-Technik.

Doch die Personalisierung beruht nicht nur auf dem Ablauf der Heldenreise. Auch visuelle und sprachliche Merkmale sind von Bedeutung. Bereits im Anreißer werden sprachliche und visuelle Komponenten miteinander in Einklang gebracht. Auf dem Eingangsbild ist Jo in Alltagskleidung mit Mütze und Dreitagebart abgebildet (Standbild 01). Sein äußeres Erscheinungsbild wirkt adäquat für seine Rolle als Landwirt. Er steht mit verschränkten Armen zentriert im Vordergrund eines Windparks. Die Charakterisierung in der Überschrift Ein energisches Nordlicht beschreibt den Protagonisten in Anspielung auf die Erzähltextinhalte – Energiegewinnung. Die Verwendung der norddeutschen Varietät tüttelig (Z. 15) mit der Aussprache des Suffix -ig als Ich-Laut [ç] und eine charakteristische Intonation der Phrasen unterstützen die Authentizität des Erzählers, der gleichzeitig mit einer Geste – Deuten des rechten Zeigefingers in Richtung seiner Stirn – die Bedeutung der Varietät anzeigt (Standbild 09). Das Ziel der Vorführung ist es, das äußere Erscheinungsbild und sprachliche Merkmale in Übereinstimmung zu bringen. Um die Personalisierung abzurunden, erfahren wir Einzelheiten über den persönlichen Hintergrund des Protagonisten (Z. 07–09, Z. 16–22), die visuell belegt werden (Wohnhaus für vier Generationen (Standbild 12), Tätigkeitsfeld (Standbild 10)). Die Personalisierung weckt Sympathie durch eine unpathetische, natürlich wirkende Hauptfigur und begünstigt die Annahme der selbstdarstellenden Botschaft für das Unternehmen. Die (S)D profitiert darüber hinaus von der Glaubwürdigkeit, die die Rezipient/innen infolge einer gelungenen Personalisierung dem Protagonisten zusprechen. Um das zu erreichen geht es nicht nur um Authentizität, sondern auch darum, die Rezipient/innen zu involvieren. Mithilfe der Personalisierung erfolgt das auf der emotionalen Ebene (wie z. B. der Rettung in der Not), aber auch dadurch, dass der Erzähler uns als „Gesprächspartner/innen“ einbezieht. Besonders deutlich wird das an der Kameraeinstellung: In dem Standbild 06 läuft Jo direkt auf die Kamera zu, während er sich vorstellt (Z. 07 ff.). Wenn der Protagonist, wie in den Standbildern 07, 08 und 13, etwas verbalisiert, dann unterstützt er das Gesagte körperlich. In Bild 08 lehnt er sich in Denkerpose nach hinten und blickt auf die Windräder, während er erzählt, über Windkraft nachgedacht zu haben. In Bild 13 deutet er in Richtung Himmel, als wolle er zeigen, wie stark der Wind gerade weht. Das Zusammenspiel der verschieden Präsentationsmodi von audiovisuellen Erzählungen (Telling und Showing) vermittelt den Eindruck, dass der Protagonist für und mit seinen Rezipient/innen spricht. Die Personalisierung dient demnach dazu, die (S)D von Bosch anhand einer individuellen Heldenerzählung zu festigen. Dabei unterstützt die Personalisierung diese (S)D auf mehreren Ebenen: a) Vereinfachen von etwas Abstraktem, b) referenzielle Wahrhaftigkeit (Authentizität des Erzählers) und c) Annahme der Botschaft (Involvierung der Rezipient/innen).

Das zweite Merkmal der Stilisierung für die (S)D von Bosch sind explanative Elemente, die der Protagonist in seine Erzählung einbringt. Nach Hausendorf und Kesselheim (2008) stellen u. a. sprachliche Hinweise auf eine Warum-Frage, Hinweise auf eine Problemstellung und präzisierende Erläuterungen und Klärungen explanative Textualitätshinweise dar (Hausendorf/Kesselheim 2008: 101 f.). Die vorliegende Erzählung beantwortet die Warum-Frage im Sinne der (S)D, indem eingebunden wird, warum die technologische Innovation einen Beitrag für die Umwelt leistet (erschließen natürlicher Energiequellen). Indikatoren hierfür sind, dass die vorhandene Energie überhaupt erst nutzbar gemacht werden muss (Z. 04–06). Um die potenzielle Energiequelle zu belegen, werden in der Erzählung Naturbilder mit Windgeräuschen abgespielt (Standbilder: 02–05, 11) und mit lexikalischen Signalwörtern beschrieben (tosender Orkan, Wind, Gezeiten, raues Klima, blasen). Doch die (S)D geht über das ernten (Z. 10) der Energie hinaus. Es geht vor allem darum, die Energie jederzeit verfügbar zu machen (mit Stromspeicher, Z. 42). Dieser Aspekt ist zugleich ein Hinweis darauf, dass bezüglich der Stromspeicherung ein Problem vorlag, welches mithilfe der technologischen Innovation behoben wird (Z. 53–55). Zusätzlich zeigt der Erzähler den Rezipient/innen die technische Anlage und erläutert das innovative Detail der Technik (Z. 57–62). Eingeblendete Abbildungen (Standbild 19 und 20) visualisieren zusätzlich seine Erläuterung. Auf Basis der Stilisierung durch eine Personalisierung und der explanativen Elemente wird die Bedeutung der technischen Innovation unmittelbar einsichtig. Das abschließende Statement von Jo nimmt das wichtige Schlüsselwort Zukunft (Z. 69) auf, von dem die induktive Schlussfolgerung implizit ausgeht – dieser technologische Fortschritt bedeutet Zukunft und das nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger von Braderup.

(b) Erzähltextinhalte über den ,technologischen Fortschritt‘ sind eng mit der Profession des jeweiligen Unternehmens verbunden. Inhalte über den ,Natur- und Tierschutz‘ zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass sie nicht direkt mit den üblichen Betätigungsfeldern der Unternehmen verbunden sind. Damit Unternehmen in diesen Gebieten wirken können, bewegen sie sich aus ihrem gewohnten Umfeld oder Tätigkeitsgebiet hinaus. Dadurch exponieren sie die erzählte Handlung und verstärken den Wert der Maßnahme. Dabei geht es weniger um eine Ressourcenschonung durch spezifische technologische Innovationen, sondern eher um die Ressourcenpflege der Flora und Fauna unter dem Stichwort der biologischen Vielfalt. Ein personenbezogenes Engagement wird in diesem Bereich häufig mit einer Teamentwicklungsmaßnahme verbunden. Das bedeutet, dass Mitarbeiter/innen auf freiwilliger Basis bestimmte Naturgebiete pflegen. Hier zwei Beispiele zur Verdeutlichung:

(Bsp. 1) „Schubkarre statt Schreibtisch: […] Zuhause für Laufkäfer und Co. Vor allem jedoch unterstützt das Team mit seinem freiwilligen sozialen Engagement die biologische Vielfalt in Finkens Garten. Trockenmauern sind wichtige Biotope für zahlreiche Pflanzen und Tiere.“ (Rewe, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: REWE_311_WS)

(Bsp. 2) „Moore mit Stern: […]. Zusammen mit 22 weiteren Auszubildenden von Daimler unterstützt er aktiv den Naturschutzbund Baden-Württemberg (NABU) bei der Moorrenaturierung. […]„Unser Ziel ist es, das Moor in Hinterzarten im Südschwarzwald vor dem Entwässern und damit vor der Freisetzung von CO2 zu bewahren.“ (Daimler, Das Blog, o.J. Korpusquelle: DAIMLER_048_WB)

Neben diesen Teambildungsmaßnahmen zugunsten des Natur- und Tierschutzes streuen Unternehmen uRE, die kommunizieren, dass das Unternehmen durch seine Präsenz die Umwelt nicht zerstört, sondern neuen und wichtigen Lebensraum ermöglicht. Im Falle der Energieunternehmen handelt es sich um den Einfluss auf natürliche Lebensräume durch Stromtrassen. Der bauliche Eingriff in die Natur und die Pflege der Trassen stellen einen Angriffspunkt dar, der sich ungünstig auf das Unternehmensimage auswirken kann. E.ON griff daher zu einer Maßnahme, die das Unternehmen auf seiner Homepage in einer uRE aufbereitet. Der stimmungsvermittelnde Erzählbeginn baut die intendierte (S)D auf. Die ausschlaggebende selbstdarstellende Äußerungseinheit ist unterstrichen:

„Tierisch gute Landschaftspflege unter Strom: Neugierig wenden sich die riesigen Köpfe samt imposanten Hörnern in Richtung Hügel. 16 Augenpaare sind auf den Bauern gerichtet, der auf seinem Kontrollgang über die Weide spaziert. Hinter den massigen Galloway-Rindern ragen meterhohe Hochspannungsmasten auf. Nein, wir befinden uns nicht in den schottischen Highlands, sondern unter einer Hochspannungsfreileitung in der Oberpfalz. Und die Galloways haben eine wichtige Aufgabe: Sie helfen, ein „Strom-Biotop“ zu pflegen.

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Die sanften Riesen aus Schottland halten die Schneisen unter der 110.000-V-Leitung auf natürliche Art und Weise frei von schnellwüchsigen Pflanzen. Das ist wichtig, weil der Netzbetreiber so den störungsfreien Betrieb der Stromleitungen sicherstellen kann. Statt den Bewuchs regelmäßig von Facharbeitern entfernen zu lassen, kümmern sich die vierbeinigen Helfer um die Landschaftspflege und halten dabei den Eingriff für die Tier- und Pflanzenwelt gering. Denn sicher ist: Die Hochspannungsnetze können nicht nur der sicheren Energieversorgung dienen. Mit den alternativen Maßnahmen können die Bereiche unter den Stromleitungen als geschütztes Biotop einen wertvollen Beitrag für den Umweltschutz leisten.“ (E.ON, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: E.ON_617_WS)

Die uRE wird mit dem imaginierten Bild einer Bergidylle eröffnet, das sprachlich auf der detaillierten Beschreibung der Rinder und deren fotografischer Abbildung basiert. Die Überformung nimmt der Autor in dem humorvoll anmutenden Einschub auf: Nein, wir befinden uns nicht in den schottischen Highlands, sondern unter einer Hochspannungsfreileitung. Auf diese Weise betont er bereits das Besondere der Unternehmenshandlung, das er in dem Neologismus Strom-Biotop sprachlich zusammenführt. Dadurch entsteht die Verbindung zwischen zwei Dingen, die eigentlich als unvereinbar gelten: Stromtrasse und Umweltpflege. Nach dem begründenden und rechtfertigenden Abschnitt nimmt der Autor den Kritikpunkt explizit in dem Satz auf: Denn sicher ist: Die Hochspannungsnetze können nicht nur der sicheren Energieversorgung dienen. Mit den alternativen Maßnahmen können die Bereiche unter den Stromleitungen als geschütztes Biotop einen wertvollen Beitrag für den Umweltschutz leisten. Im Rest der Erzählung werden anhand von Unterüberschriften bereits erwirkte Erfolge aus der Handlungsmaßnahme (Neuer Lebensraum für bedrohte Arten, Chancen für Biotope) vorgeführt. In dem abschließenden Zitat kumulieren die selbstdarstellungsrelevanten Schlüsselbegriffe Naturraum, Artenschutz, Biotope und die Aktiva erhalten und aufwerten. Für die Stilisierung der Inhalte ,Beitrag für die Umwelt‘ ist bezeichnend, dass die Unternehmenshandlung in unmittelbarer Nähe zu dem umweltrelevanten Mehrwert steht. Darüber wird sicher gestellt, dass die Rezipient/innen im Sinne der imagefördernden (S)D schlussfolgern: (1.) Das Unternehmen zerstört nicht, sondern fördert den Umwelt- und Tierschutz, (2.) das Unternehmen öffnet seinen Blick über die eigenen Belange hinaus.

8.5.3 Narrative Rhetorik: Vorführen und Exemplifizieren

Die narrative Rhetorik des ,verantwortungsbewussten Unternehmens‘ hat zum Ziel, einen geleisteten Beitrag zum gesellschaftlichen Allgemeinwohl und einen Beitrag für die Umwelt vorzuführen. Die narrative Beweisführung knüpft an die Empfehlung des einleitenden Zitats von Holly an. Übersetzt auf diesen Kontext bedeutet das, dass es wenig zielführend ist, wenn Unternehmen ein verantwortungsbewusstes Verhalten einfach behaupten. Um der Außenwelt diese Botschaft zu vermitteln, präsentieren Unternehmen entsprechende uRE, in denen sie sich aktiv, engagiert und erfolgreich handelnd in den beschriebenen Bereichen zeigen. Das Besondere an den Unternehmenshandlungen besteht darin, dass das Engagement auf freiwilliger und nicht gesetzlich vorgeschriebener Basis erfolgt. Außerordentlich ist der Beitrag, da er – zumindest vordergründig – nicht ausschließlich den unternehmenseigenen Interessen zukommt (Ausbildungsangebote für Nicht-Unternehmensangehörige, Stiftungen, Pflegen der Flora und Fauna u. a.). Im Vordergrund der Stilisierung zu einem verantwortungsbewussten Unternehmen steht die Rhetorik einer narrativen Beweisführung. Die uRE sollen belegen, dass Unternehmen in den Bereichen nicht ausschließlich zum Selbstzweck handeln, sondern die Allgemeinheit davon profitiert.

Die Stilisierungen der Facette ,Beitrag zum gesellschaftlichen Allgemeinwohl‘ sind, je nach Inhalten, unterschiedlich. Insbesondere für Inhalte über den Teilbereich ,karitatives Engagement‘ deutet die Stilisierung darauf hin, dass hinsichtlich der narrativen Beweisführung Grenzen bestehen. In den erhobenen uRE wird das anhand des Grundprinzips der „gewissen Bescheidenheit“ mit dem dazugehörigen Grundsatz, „Wohltätigkeit nicht zur offensichtlichen Eigenwerbung zu benutzen“, deutlich. Ein probates Mittel der Stilisierung ist es, die Erlebensperspektive der Akteure aufzunehmen. Im Zusammenhang mit dem karitativen Engagement ist es die Bewertung aus der Perspektive jener Personen, denen eine wohltätige Handlung zugutekommt. Der Anteil der Unternehmen wird durch die einfache Benennung des Engagements in die Erzählungen eingebunden. Ansonsten hält sich das Unternehmen selbst eher im Hintergrund. Aus der narratologischen Perspektive sind solche uRE daran ausgerichtet, eine positive Zustandsveränderung zu erfassen, die sich auf die innergeschichtlichen Akteure sowie die erzählte Welt bezieht (Abschn. 5.2.2), ohne das die Unternehmen sich offensiv selbst wertend ins Zentrum stellen.

Im Gegensatz dazu ist die Bewertung in uRE über das ,soziale Engagement‘ offensiv, da das Unternehmensengagement darauf ausgerichtet ist, „lediglich“ die Handlungsmöglichkeiten von Personen/Personengruppen zu fördern und zu stärken. Neben klaren Selbst- und/oder Fremdbewertungen ergänzen argumentative Anteile den Teilbereich des sozialen Engagements ,Vertreten partikularer Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen‘. Dabei sind die argumentativen Textmerkmale jedoch „eindimensional“, insofern als der Argumentationsgegenstand im Grunde nicht strittig ist („Pseudo-Argumentation“). Im Sinne der Beweisführung geht es darum, ein soziales Unterfangen plausibel zu machen, ohne belehrend aufzutreten. Die narrative Beweisführung dient dazu, das Leben und Vertreten von ethisch moralischen Einstellungen zu belegen.

Bezüglich der Facette ,Beitrag für die Umwelt‘ profitieren uRE über technologische Fortschritte von der Erlebnisqualität personalisierter Erzählungen. Damit ist die Fremdbewertung ein wesentliches Merkmal der (S)D. Neben Evaluationen der Akteure tragen ebenso die erzählten Handlungen in den Erzählungen die narrative Beweisführung. Die uRE unterstützen darüber hinaus explanative Passagen mit einfachen Visualisierungen. URE die sich auf den ,Natur- und Tierschutz‘ beziehen sind darauf ausgelegt ressourcenschonendes Verhalten herauszustellen, um eine nachhaltig orientierte Grundgesinnung unter Beweis zu stellen. Die narrative Logik impliziert, dass Unternehmen den Lebensraum pflegen oder gar erst wichtigen Lebensraum aktiv gestalten. Wegweisend für die Facette ,Beitrag für die Umwelt‘ scheint das Schlagwort ,Nachhaltigkeit‘ zu sein. Die inhaltsbezogene Beweisführung in uRE über einen ,Beitrag zur Umwelt‘ deutet in den Daten auf eine Branchenspezifik hin, die darauf ausgerichtet ist, bestimmten Kritikpunkten am Unternehmen entgegenzuwirken und die imagefördernde (S)D danach auszurichten.

8.6 Grundtyp 4: der attraktive Arbeitgeber

Bezüglich der Stilisierung zum attraktiven Arbeitgeber rücken in den Erzähltextinhalten die Belange der Mitarbeiter/innen in den Mittelpunkt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Erzählungen – mit nur wenigen Ausnahmen – von Mitarbeiter/innen stammen. In dem Datenmaterial erhobene dazugehörige Facetten können ebenfalls unter das CSR-Konzept summiert werden (Soziale Verantwortung). Darunter verorten die Betriebs- und Wirtschaftswissenschaften u. a. die Mitarbeiterverantwortung und die Work-Life-Balance. Die Belange der Mitarbeiter/innen zu berücksichtigen, liegt jedoch auch unabhängig vom CSR-Konzept im Interesse von Unternehmen, da Studien aus der Organisationspsychologie zeigen, dass sie auf diese Art, die Motivation für die berufliche Tätigkeit fördern und die Bindung der Mitarbeiter/innen an das Unternehmen stärken können. Dadurch erhöhe sich die emotionale Bindung an und die Identitfikation mit dem Unternehmen (= affekties commitment), was sich wiederum positiv auf die Arbeitsleistung und Produktivität auswirke. Darüber hinaus sinke die Kündigungsabsicht, was auch einen wirtschaftlichen Aspekt bedeutet (vgl. Stempel/Dettmers 2018, Allen et al. 2010, Hakanen et al. 2008). Allerdings lässt sich die Frage stellen, warum Unternehmen diese Interna in Erzählungen nach außen tragen. Antworten auf diese Frage verdeutlichen, warum überhaupt der Grundtyp des ,attraktiven Arbeitgebers‘ aus den Daten hervorgeht. Insgesamt basiert die Stilisierung des Grundtyps auf drei Facetten. Die erste Facette behandelt Inhalte zu den Arbeitsgebieten und Aufgabenbereichen. Die zweite Facette nimmt Inhalte über Maßnahmen der Mitarbeiterunterstützung auf, die funktional eine Form der Wertschätzung seitens der Unternehmen gegenüber ihren Mitarbeiter/innen kommuniziert, während die letzte Facette das Identifikationspotenzial des Unternehmens für die Mitarbeiter/innen herausstreicht. In allen drei Facetten geht es letztlich darum, wie das Unternehmen seine Mitarbeiter/innen „pflegt“Footnote 19. Sich auf dieser Basis als attraktiven Arbeitgeber zu stilisieren, fördert auf der einen Seite „das Unternehmensbild in den Medien und gegenüber der Öffentlichkeit“ (Arbeitskreis Nachhaltige Unternehmensführung 2015: 55) – es ist demnach eine imagefördernde Handlung. Auf der anderen Seite wird so das CSR-Konzept für den Bereich Human Ressource fruchtbar gemacht, denn

„Unternehmen, die „Corporate Social Responsibility“ in ihre Unternehmensstrategie aufgenommen haben und den daran geknüpften Anspruch glaubhaft leben, sind attraktiver für hochqualifizierte Mitarbeiter und wettbewerbsfähiger am Markt“ (Sutter 2015: 647).

Das bedeutet, dass mit der narrativen Stilisierung dieses Grundtyps zwei Ziele zugleich erreicht werden: Die (S)D als attraktiver Arbeitgeber fördert das allgemeine Unternehmensimage und unterstützt das Personal Recruiting im Kampf um Fachkräfte (War for Talents). Mithilfe von Erzählungen über Mitarbeiterbelange sorgen Unternehmen diesbezüglich gezielt „für Gesprächsstoff in den Zielgruppen“ (Esser/Schelenz 2011: 72). Entsprechend werden „themenaffine[] Inhalte und Geschichten zielgerichtet [platziert]“ (ebd. 2011: 75). Auf welche konkreten Inhalte hierfür in den drei Facetten Bezug genommen wird, zeigt die untenstehende Abbildung. Internetplattformen, die uRE zu diesen Facetten aufweisen, sind die U.-Homepage, U.-Weblogs, Xing und Facebook (Abb. 8.6).

Abb. 8.6
figure 6

Konstitutive Elemente des Grundtyps ,attraktiver Arbeitgeber‘ auf Basis thematischer Facetten und ihrer inhaltlichen Merkmale

8.6.1 Stilisierung der Facette ,Arbeitsgebiete und Aufgabenbereiche‘

URE, die die Facette ,Arbeitsgebiete und Aufgabenbereiche‘ betonen, gehen inhaltlich auf zwei wesentliche Aspekte ein. Zum einen handeln die Erzähltextinhalte davon, dass die (a) beruflichen Betätigungsfelder fordernd und interessant sind. Zum anderen bilden (b) berufliche Entwicklungsmöglichkeiten den Gegenstand der selbstdarstellenden Äußerungen. Beide inhaltlichen Aspekte können miteinander verbunden sein und so innerhalb einer Erzählepisode im Zentrum stehen. Die Stilisierung als attraktiver Arbeitgeber beruht darauf, dass das Interesse von Mitarbeiter/innen gewahrt wird, sich zu entwickeln, Verantwortung zu übernehmen und eine langfristige Perspektive in einem Unternehmen zu haben. Stempel und Detmers (2018) unterstreichen diesbezüglich in ihrer organisationspsychologisch ausgerichteten Studie, dass der aus solchen Maßnahmen entstehende Handlungsspielraum für Mitarbeiter/innen ein wesentlicher Einzelindikator dafür ist, ihr Wohlbefinden und darüber ihre Bindung an das Unternehmen zu stützen. Zwar können hieraus erwachsende Herausforderungen auch einen Stressor darstellen, doch die Autorin und der Autor fanden in ihrer Befragung von 453 Vollzeitbeschäftigten heraus, dass es sich primär um einen Challange Stressor handelt, der die Mitarbeiter/innen zwar beansprucht, aber zu einer Steigerung der Arbeitsleistung und Persönlicheitsentwicklung führt. Ein deutlicher sprachlicher Hinweis in den uRE auf die Stilisierung zum attraktiven Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Facette sind Benennungen von Auszeichnungen wie Top Job, Top Arbeitgeber oder Great Place to Work. Dabei handelt es sich um Arbeitgeberwettbewerbe, an denen Unternehmen kostenpflichtig teilnehmen. Sie beruhen hauptsächlich auf Mitarbeiterumfragen (Flutlicht 2017, im Internet). Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Bezeichnungen das „Bezeichnete aufgrund ihrer sehr positiven Inhaltsseite [aufwerten]“ (Janich 2010: 169) und daher bei der Stilisierung als attraktiver Arbeitgeber als Hochwertwörter fungieren. Die mittransportierte positive Inhaltsseite beruht auf einem Kompetenz- und Qualitätsversprechen zu Gunsten der Arbeitnehmer/innen.

(a) In Bezug auf berufliche Betätigungsfelder kommt das Qualitätsversprechen in Form von interessanten, spannenden und fordernden Tätigkeiten zum Ausdruck. Die Merkmale ,interessant‘ und ,spannend‘ werden letztlich unter den Begriffen Vielfalt und Einblicke zusammengeführt. Auf dem Traineeblog von Bosch erzählt bspw. ein Trainee, dass er sich mit diversen Themen (Bosch, Trainee-Blog, 12/2014. Korpusquelle: BOSCH_508_WB) beschäftigt und auch bei Rewe wird man in verschiedenen Teilbereichen und Schnittstellen (Rewe, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: REWE_288_WS) eingesetzt, aus denen laufend wechselnde Aufgaben (ebd.) resultieren. Als Elektroniker bei VW ist man MULtifunktional überall im werk EInsetzbar und das is_nicht immer das GLEIche (VW, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: VW_435_WS). In einer Erzählepisode von Rewe wird das Merkmal mittels der adversativen Konjunktion sondern betont, die sich dadurch auszeichnet, dass der vorausgehenden Hauptsatz eine Negation beinhalten muss, damit im folgenden Nebensatz der direkte Gegensatz genannt werden kann (Helbig/Buscha 2001: 396): die tätigkeiten sind NICHT einseitig beschränkt, / sondern so wie der geSAMten konzern, / BREIT gefächert und vIElseitig (Rewe, YouTube, o. J. Korpusquelle: REWE_394_YT). Den Aussagen folgt für gewöhnlich eine belegende Aufzählung von Tätigkeiten, wie in dem folgenden Zitat einer Rewe-Mitarbeiterin:

„… es gleicht dennoch selten ein Tag dem anderen. […]. Während meines Einsatzes bei der Nachwuchskräftebetreuung durfte ich selbst Telefoninterviews durchführen und als Beobachterin/Beurteilerin an einem Assessment Center für duale Studenten mitwirken. Im Teilbereich „Arbeitgeber-marketing“ war die Begleitung und Unterstützung meiner Kolleg/-innen bei verschiedenen Messen eine neue und vor allem sehr interessante Erfahrung. Bei Meetings dabei zu sein, Schnittstellen besser nachvollziehen zu können und die Arbeit im Hintergrund zu verstehen, finde ich sehr spannend.“ (Rewe, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: REWE_288_WS)

Persönliche Bewertungen wie extrem lehrreich, es gleicht dennoch selten ein Tag dem anderen, sehr interessant oder in dem obigen Beispiel finde ich sehr spannend runden die Botschaft ab. Persönliche Bewertungen transportieren eine Euphorie bezüglich des beruflichen Tätigkeitsbereiches. Auf der Formulierungsebene entsteht die euphorische Wirkung, da das bereits positiv besetzte Adjektiv (spannend, interessant, vielseitig, abwechslungsreich u. a.) den Normwert bildet, der mit einer Intensitätspartikel (sehr spannend, extremFootnote 20 lehrreich, total faszinierend) überschritten wird.

Das Merkmal, einer fordernden Tätigkeit nachzugehen, drücken die Erzähler/innen über persönliche Eindrücke bezüglich ihrer beruflichen Aufgaben aus. Für solche beruflichen Aufgaben müssen sie ihre Komfortzone verlassen und sich auf etwas Neues einlassen:

„Zum Beispiel arbeiten wir aktiv auch in konzernübergreifenden, strategischen Projekten mit. Wir übernehmen viel Verantwortung.“ (Dt. Telekom, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: DTKOM_796.4_WS)

Verantwortung steht mit anspruchsvollen Aufgaben in Verbindung, wie bspw. konzernübergreifende, strategische Projekte. Ein attraktiver Arbeitgeber zeichnet sich demnach dadurch aus, dass er seinen Mitarbeiter/innen auf diesem Weg Verantwortung überträgt. Daher werden in den Erzählungen herausfordernde Tätigkeit zusätzlich mit etwas Neuartigem, Innovativem verbunden, das zukunftsweisend ist:

„Bei unseren Projekten betreten wir in Deutschland teilweise absolutes Neuland. Das ist zwar fordern, macht die Arbeit aber unheimlich interessant. […] An Baltic 1 mitzuarbeiten war der bisherige Höhepunkt in meinem Berufsleben und zugleich eine große Herausforderung. Ich hatte mit der Arbeitssicherheit ein neues Aufgabengebiet, das mit viel Verantwortung verbunden war.“ (EnBW, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: EnBW_688_WS)

Ebenso wichtig ist es für die (S)D als attraktiver Arbeitgeber, dass die Mitarbeiter/innen nicht nur monetär von ihrem Arbeitgeber profitieren, sondern ebenso an den Herausforderungen wachsen. Das bedeutet, die berufliche Tätigkeit bietet den Mitarbeiter/innen eine Möglichkeit zur Persönlichkeitsentwicklung. Daher wird die persönliche Entwicklung in den selbstdarstellenden Äußerungseinheiten ebenfalls verbalisiert:

(Bsp. 1) „Dadurch entwickelt man sich ständig weiter und hört nicht auf zu lernen, was mir besonders wichtig ist.“ (Rewe, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: REWE_294_WS)

(Bsp.2) „Ich durfte feststellen, dass Bosch eine wirklich sehr, sehr große Firma ist; was im Gegenzug fast schon unbegrenzte Möglichkeiten der (persönlichen) Entwicklung zulässt.“ (Bosch, Trainee-Blog, 12/2014. Korpusquelle: Bosch_508_WB)

Herausforderungen verbalisieren die Erzähler/innen besonders deutlich in ihren Erzählungen über das Erleben von Auslandseinsätzen. Grundlegend für die Stilisierung ist, dass sie die Chancen an einem Auslandsprojekt mitzuwirken als eine Bereicherung aufzeigen. Die Erzähler/innen implizieren, dass sie die Chance als Wertschätzung seitens des Unternehmens interpretieren. Daher ist es charakteristisch für Mitarbeitererzählungen über Auslandseinsätze, dass sich die Erzählenden davon retrospektiv tief beeindruckt geben. In selbstdarstellenden Äußerungseinheiten manifestiert sich das in einem affektiv geprägten, emotionalen Ausdruck. Das bedeutet, dass die Erzähler/innen ihre Gefühle und ihr Erleben auf verschiedene Weise zum Thema machen (vgl. Fiehler 2001: 1430). Charakteristisch für das Thematisieren des Erlebens einer solchen beruflichen Möglichkeit ist die hohe Qualität des Erlebnisses. Sie zeigt sich in verabsolutierenden Bewertungen durch Superlative (hier die Suppletivform von ,gut‘):

„Diesen Auslandsaufenthalt zu machen war wahrscheinlich die beste Entscheidung die ich bisher in meiner beruflichen Laufbahn getroffen habe.“ (Telekom, Blog.Telekom, 2016-07-12. Korpusquelle: DTKOM_836_WB)

Darüber hinaus zeigt sich die Qualität des Erlebnisses in einer dominant positiven Erlebensbeschreibung (Fiehler 2001: 1431), die stilistisch auf der expliziten Adjektivderivation mit dem Präfix,-un‘ beruht: Eine wirklich unglaubliche und unvergessliche Erfahrung (Rewe, Facebook, 2014-07-08. Korpusquelle: REWE_354_FB), ein unfassbar spannender Start in die Energiebranche (EnBW, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: EnBW_688_WS). Zusätzlich wird die Erlebnisqualität eines Auslandseinsatzes anhand der Kumulation von positiven Eindrücken verdeutlicht, wie in dem folgenden Ausschnitt aus der Erzählung eines Ehepaars, das im Auftrag von Daimler als ExpatriateFootnote 21 für sieben Jahre in China arbeitete. Über ihre Auslandserfahrungen schreiben sie zwei uRE. In der ersten Erzählung fassen sie ihr Erleben in folgende Worte:

„Sieben erfüllte, reich an Erfahrungen, farbenfrohe, interkulturell fordernde, persönlich fördernde, alle Sinne packende Jahre. Jahre, die einen Apfel von sanftem Grün bis zum saftigen Rot haben reifen lassen.“ (Daimler, Das Blog, 2014-03-14. Korpusquelle: DAIMLER_062.1_WB).

Anhand der Aufzählung von sechs verschiedenen äußerst positiven Eindrücken aus ihrer Zeit im Ausland und dem abschließenden Bild eines gereiften Apfels kommuniziert das Paar euphorisch seine Begeisterung. In ihrer zweiten Erzählung nehmen sie die Begeisterung in Form ihrer persönlichen Entwicklung auf, die ihnen das Unternehmen mit dem Auslandseinsatz ermöglichte: Unsere Zeit im Ausland hat uns stärker und reifer gemacht, gelassener, noch offener für Kulturen, für Anderssein, für Individualität, für die Welt (Daimler, Das Blog, 2015-04-24. Korpusquelle: DAIMLER_062.2_WB). Die Adjektivflexion in den Komparativ drückt die positive Persönlichkeitsentwicklung in Form einer Verbesserung von erstrebenswerten Eigenschaften aus. Das Fazit China ist in unseren Herzen. Ein Schatz, den es zu entdecken und zu bewahren gilt (ebd.) bringt abschließend die Einzigartigkeit des Erlebnisses zum Ausdruck. Die Erzählerin benennt ihre Eindrücke und Erfahrungen als ihren Schatz, den sie mit ihrem Partner gehoben hat, da sie sich auf das Abenteuer ,Auslandseinsatz‘ einließen.

Die bisherigen Beispiele zeigen, wie ein affektiv geprägter, emotionaler Ausdruck in einer syntaktischen Einheit umgesetzt wird. Eine komplexe, satzübergreifende Versprachlichung der emotionalen Beteiligung eines/r Erzähler/in geschieht beispielsweise mit einer vorangestellten sekundären Interjektion. Steht die sekundäre Interjektion am Beginn, „signalisiert sie den emotionalen Wert der drauffolgenden Proposition“ (Schwarz-Friesel 2013: 157). Die Proposition ist hierbei ein Sachverhalt, der in unmittelbarer Beziehung zu einem Angebot des Unternehmens an den Arbeitnehmer steht. In dem folgenden Beispiel handelt es sich um eine Entsendung ins Ausland:

Absolut genial! [sekundäre Interjektion] Seit Jahren hatte ich davon geträumt, nach Südafrika zu reisen [Beschreibung eines erlebensrelevanten Sachverhaltes] und nun hatte ich tatsächlich die Chance [Sachverhalt] bekommen …“ (Daimler, Das Blog, 2015-08-26. Korpusquelle: DAIMLER_066_WB)

Die in dem Ausruf kommunizierte Emotion bezieht sich auf die Sachverhaltsrepräsentation im Folgesatz. Gegenstand der Sachverhaltsrepräsentation ist die Chance an einem Auslandsprojekt von Daimler in Südafrika mitwirken zu können. Die sekundäre Interjektion kommentiert sozusagen den Sachverhalt auf der emotionalen Ebene. Dass die Mitarbeiterin von einem Aufenthalt in Südafrika schon lange geträumt hat, ist eine zweite emotionale Stellungnahme. In Form der Beschreibung eines erlebensrelevanten Sachverhaltes emotionalisiert die Erzählerin die gebotene Chance erneut in Form einer Wunscherfüllung (seit Jahren hatte ich davon geträumt) für ihre Rezipient/innen. Die starken Gefühle beziehen sich auf Erlebnisse und Erfahrungen, die im Ausland gemacht werden. Die Arbeit an dem jeweiligen Projekt ist dabei sekundär. So betont diese Stilisierung den Gewinn, den Mitarbeiter/innen durch die Unternehmensmaßnahme haben.

(b) Das zweite Element der Stilisierung zum attraktiven Arbeitgeber sind gezielt berufliche Entwicklungsmöglichkeiten als Inhalte der Facette ,Aufgabengebiete und Arbeitsbereiche‘. Erzähltextinhalte, die sich darauf beziehen, handeln von Aufstiegschancen und Weiterbildungsmöglichkeiten. Erzählepisoden über Aufstiegschancen sind im Gegensatz zu Erzählepisoden über vielseitige und fordernde berufliche Betätigungsfelder vergleichsweise nüchtern gestaltet. Sie gleichen einem ausformulierten Lebenslauf. Deutlich wird das an der chronologischen Abfolge, die Daten und berufliche Meilensteine strukturiert. Der sprachliche Ausdruck ist sachlich, da keine Emotionsindikatoren (z. B. Emotionswörter, Erlebnisbeschreibungen, primäre/sekundäre Interjektionen u. a.) auftreten. Die Stilisierung zum attraktiven Arbeitgeber erfolgt in diesem Bereich durch einen kontrastiven Vorher-Nachher-Vergleich, der impliziert, dass jeder in dem Unternehmen sich hinsichtlich seiner Karriere weiterentwickeln kann:

„Am 1.12.2000 startete ich im Werk Mettingen als Sekretärin eines Abteilungsleiters in der IT. Nach Kind Nr. 1 und einem Jahr Pause ergab sich die Gelegenheit, die Aufgabe einer Kollegin zu übernehmen und so machte ich meine ersten Schritte in Richtung Performance Management/ Abteilungscontrolling. Da ich (fast) meine ganze Laufbahn in der IT bzw. mit IT-nahen Aufgaben verbracht habe, folgte nach dem 2. Kind eine knapp 2-jährige Exkursion: Gemeinsam mit einem kleinen Projektteam habe ich ein System zur Unterstützung unseres Abteilungscontrollings implementiert. Im Jahr 2010 wurde unsere Abteilung neu ausgerichtet. Diese Veränderung eröffnete mir die Chance, die neue Abteilung – in Sachen Controlling – zu strukturieren und die gesammelten Erfahrungen einzubringen. Nach 4 Jahren habe ich mich letztes Jahr auf eine neu geschaffene Stelle innerhalb unserer Abteilung beworben und bin seitdem für die Gestaltung von Prozessen, inkl. Systemunterstützung zur Priorisierung der Fachbereichsanforderungen an uns [sic!] als IT verantwortlich – übergreifend für den gesamten Bereich. Im Dezember hatte ich mein 15-jähriges Jubiläum bei Daimler und ich lerne immer noch jeden Tag etwas dazu.“ (Daimler, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: DAIMLER_007_WS)

Die Erzählerin begann ihre Laufbahn als Sekretärin und ist nun mit einer neugeschaffenen Stelle mit aktiven Gestaltungsprozessen und Prozessverantwortung betraut. Die verschiedenen Etappen ihrer beruflichen Entwicklung sollen verdeutlichen, dass das Unternehmen lebenslanges Lernen mit beruflicher Weiterentwicklung bietet, was für die (S)D des Unternehmens von Belang ist: Im Dezember hatte ich mein 15-jähriges Jubiläum bei Daimler und ich lerne immer noch jeden Tag etwas dazu (ebd.). Diese Leistung und Arbeit honoriert das Unternehmen mit entsprechenden Aufstiegschancen. In diesen uRE steht das berufliche Ergebnis und nicht das berufliche Erlebnis im Vordergrund. Das darstellungsrelevante Mittel ,kontrastiver Vergleich‘ führt letztlich eine langfristige Perspektive für die Arbeitnehmer/innen in den Unternehmen vor, die auf spezifischen Entwicklungsmöglichkeiten beruht.

In den Bereich der beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten gehören des Weiteren uRE über Weiterbildungsmöglichkeiten. Für die (S)D als ,attraktiver Arbeitgeber‘ sind – neben der Benennung von Qualifizierungsprogrammen – zwei Aspekte relevant: Zum einen geht es darum, dass die Unternehmen sich an der Realisierung von Weiterbildungswünschen der Mitarbeiter/innen beteiligen (fachliches, zeitliches und monetäres Entgegenkommen). Die Inhalte beziehen sich auf die Art und Weise der Beteiligung zur Umsetzung einer Qualifizierungsmaßnahme. In der narrativen Stilisierung werden die Inhalte so aufbereitet, dass die persönliche Bedeutung der Weiterbildung für den/die Mitarbeiterin deutlich wird. Zum anderen ist von Belang, wie Unternehmen mit den Wünschen der Angestellten umgehen (Motivation, Beratungsangebote, FeedbackFootnote 22). In diesem Fall steht inhaltlich die Entscheidungsfindung des/der jeweiligen Mitarbeiter/in und die Reaktion von Unternehmensangehörigen darauf im Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang beruht die narrative Stilisierung auf Merkmalen der emotionalen Involviertheit der Erzähler/innen. Inwiefern Erzählungen sich dafür eignen, die Aspekte im Sinne der (S)D umzusetzen, verdeutlichen Ausschnitte aus den folgenden zwei uRE. In dem ersten Beispiel sind darstellungsrelevante Aussagen aus der Erzählung einer Mitarbeiterin zusammengeführt, die zeigen, auf welche Art und Weise sich das Unternehmen an den Weiterbildungswünschen beteiligt, und wie die narrative Umsetzung Schlüsse auf die Bedeutung der Weiterbildungen für die Erzählerin zulässt:

„[…] 2007 wechselte ich in den Compliance Bereich, in welchem ich seitdem verschiedene Aufgaben übernommen habe. Mir liegt dieses Aufgabengebiet. […] Ich merkte aber schnell, dass mir trotz meiner breit angelegten Ausbildung und der vielschichtigen Erfahrungen und Kenntnisse, die ich im Konzern gesammelt habe, noch spezifische Rechtskenntnisse fehlten [..]. Deshalb war ich privat auf der Suche nach Möglichkeiten, mich auf diesem Gebiet entsprechend weiter zu bilden, konnte mich aber aufgrund der hohen Kosten noch nicht zu einer Bewerbung durchringen. Als ich dann erfuhr, dass Daimler sich unter bestimmten Bedingungen an den Kosten für ein Compliance Studium in Berlin ganz maßgeblich beteiligt, bewarb ich mich sofort auf einen von der Daimler Academic Programs ausgeschriebenen Studienplätze. […] Rückblickend war dieses Studium für mich eine wertvolle Erfahrung – und ich bin meiner Firma dankbar dafür, mich auf diesem Weg entsprechend unterstützt zu haben.“ (Daimler, Das Blog, 2016-01-07. Korpusquelle: DAIMLER_055_WB)

Die Erzählerin ist seit 25 Jahren in wechselnder Funktion in dem Unternehmen angestellt. 2007 wechselt sie ihren Aufgabenbereich (Compliance Bereich), den sie schätzt (Mir liegt dieses Aufgabengebiet). Während ihrer Tätigkeit stellt sie fest, dass ihr noch wichtiges Wissen fehlt, um die Aufgabe nach ihren Ansprüchen zu erfüllen. So begründet sie ihren Entschluss, sich weiterbilden zu wollen, zweckmäßig. Daraufhin informiert sich die Erzählerin erst einmal privat, welcher Studiengang für sie gewinnbringend wäre. Sie stellt jedoch fest, dass das gewählte Studium zu kostspielig ist. Doch dann wird sie auf das Studienförderprogramm Academic Program ihres Arbeitgebers aufmerksam. Mit Geldern aus dem Programm kann sie nun ihren Qualifizierungswunsch erfüllen, denn das Unternehmen beteiligt sich ganz maßgeblich. In der uRE schildert die Erzählerin ihre Beweggründe, die verdeutlichen, dass ihre persönliche Motivation sehr hoch ist (intrinsische Motivation). Eine initiale erste Entmutigung erfährt die Mitarbeiterin, als sie die Kosten für das Studium in Erfahrung bringt. Doch dank ihres Unternehmens kann sie ihren Wunsch verwirklichen. Die Steigerungspartikel ganz betont die Reichweite (maßgeblich) der monetären Beteiligung des Unternehmens. Aufgrund der hohen inneren Motivation hat diese Unterstützung für die Erzählerin eine intensive Erlebnisqualität, die sich den Rezipient/innenen intuitiv erschließt: ein Wunsch wird erfüllt. Im weiteren Verlauf verweist die Erzählerin darauf, dass das Unternehmen seine Unterstützung altersunabhängig gewährt (noch 15 Arbeitsjahre bis zur Rente). Somit hat das Unternehmen auf zweierlei Art das persönliche Vorhaben der Mitarbeiterin gefördert: 1) Studienförderprogramm und 2) Aufbau der Expertise „älterer“ Mitarbeiter/innen. Mithilfe der Förderung gelingt es der Erzählerin das Studium erfolgreich zu absolvieren. Welche Bedeutung das persönlich für sie hat, formuliert sie in ihrem Abschlusssatz als wertvolle Erfahrung und indem sie ihre positive Einstellung (dankbar zu sein) zu ihrem Unternehmen kundtut. Erst mithilfe der Erzählung einer persönlichen Erfahrung kann die Bedeutung (intrinsische Motivation) und Bewertung (Wert und Dank) der Wunscherfüllung ausgedrückt werden: nämlich, dass das Unternehmen für die Erzählerin neben der rein monetären Zuwendungen noch mehr geleistet hat.

Anhand des folgenden zweiten Beispiels zeige ich, dass es für die Stilisierung zum ,attraktiven Arbeitgeber‘ ebenfalls relevant ist, wie Unternehmen mit den Weiterbildungswünschen von Mitarbeiter/innen umgehen (Motivationshilfen: Gespräche, Ermunterung, Informationsangebot). Der Fokus verlagert sich in der Erzählung, da das Ziel ,Weiterbildung‘ zum Erzählzeitpunkt (noch) nicht erreicht ist. Es wird somit auf die Wunschgenerierung und die Reaktion des Unternehmens eingegangen. Daher kennzeichnet Erzählungen mit dieser inhaltlichen Fokussierung eine starke emotionale Beteiligung der Erzählenden. Nach ausschweifenden emotional aufgeladenen Passagen (Ich war unzufrieden, konnte nicht schlafen, als wäre ein wildes Tier in einem [sic!] eingesperrt) beginnt der Erzähler unter der Unterüberschrift Das macht Daimler darzulegen, wie die Resonanz im Unternehmen auf seinen Qualifizierungsgedanken war:

„Übrigens … gleich nach diesem Gespräch habe ich meinen Meister mit meinem Anliegen konfrontiert. Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich mit mir und meiner momentanen Situation nicht zufrieden bin […]. Ich habe nach den ersten Anlaufstellen für eine Weiterbildung gefragt und habe eine positive Rückmeldung von ihm erhalten. Er hat sich Zeit für mich genommen, mir Mut gemacht. Fand ich super! Am nächsten Tag habe ich die Personalabteilung kontaktiert. Auch da habe ich nur unterstützende Worte und Aufmunterung erhalten, meinen Weg zu verfolgen.“ (Daimler, Das Blog, 2015-11-25. Korpusquelle: DAIMLER_057_WB)

In dieser Erzählpassage geht es darum, dass das Unternehmen grundsätzlich bereit ist, den Mitarbeiter zu fördern. Die Verantwortlichen nehmen sich Zeit, sprechen ihm zu, motivieren ihn und geben ihm notwendige Informationen. Die Reaktion in seinem Umfeld bewertet der Mitarbeiter mit dem emotional-verbalen Ausruf: Fand ich super! Durch die komplexe emotionale Stilisierung mithilfe von Emotionswörtern (unzufrieden), Zustands- und Emotionsbeschreibungen (nicht schlafen können, fühlen wie) sowie der emotional-verbalen Äußerung (super!) manifestiert sich in der Erzählung die starke emotionale Involviertheit des Erzählers. Da der Qualifizierungswunsch noch nicht in die Tat umgesetzt ist, steht weniger die sachmittelbezogene Unterstützung des Arbeitgebers, sondern vielmehr die Reaktion und der Umgang des Unternehmens mit dem persönlichen Entwicklungsanliegen im Zentrum der ErzählungFootnote 23. Die emotionale Haltung des Erzählers zu dem Sachverhalt (Weiterbildung) wertet die entgegenkommende Haltung im Unternehmen auf und stützt dadurch die Stilisierung als ,attraktiver Arbeitgeber‘.

Die Inhalte der gerade beschriebenen Facette und die Stilisierung des Unternehmens zum attraktiven Arbeitgeber beziehen sich auf Möglichkeiten von berufsbezogenen Leistungen. Darüber hinaus zeichnet sich der attraktive Arbeitgeber ebenso durch einen als respektvoll empfundenen Umgang mit seinen Mitarbeiter/innen aus. Die erhobenen Erzählungen deuten darauf hin, dass Unternehmen sich dessen bewusst sind, da in den uRE Merkmale, die die Wertschätzung des Unternehmens zum Ausdruck bringen, relevant gesetzt werden.

8.6.2 Stilisierung der Facette ,Wertschätzung der Mitarbeiter‘

Ein ,attraktiver Arbeitgeber‘ zeichnet sich ebenfalls dadurch aus, dass er seinen Mitarbeiter/innen den Eindruck vermittelt, sie wertzuschätzen. Der Ausdruck von Wertschätzung ist dabei nicht zwingend an die berufliche Leistung der Mitarbeiter/innen gebunden. Es existieren zwar in dem Korpus vereinzelt Daten, die das berufliche Mitarbeiterengagement zum Anlass von Wertschätzung nehmen, doch ihr Vorkommen ist marginal. Bezieht sich der Ausdruck von Wertschätzung auf eine berufsbezogene Leistung, wird sie durch Einstellungsbekundungen der Unternehmen und durch monetäre Zuwendungen formuliert, wie bspw. bei VW unter der Überschrift Kleine Ideen, große Wirkung: Mitarbeiter-Vorschläge sparen sechs Millionen Euro (VW, U.-Homepage, 2015-11-10. Korpusquelle: VW_412_WS). In dem benannten Beispiel von VW drückt der verantwortliche Abteilungsleiter die Wertschätzung der Mitarbeiter/innen von Seiten des Unternehmens folgendermaßen aus:

„Ideen und Engagement unserer Mitarbeiter sind unverzichtbarer Bestandteil für den Erfolg unseres Unternehmens. Wir brauchen diese Kreativität, um unsere Produktionsprozesse weiter zu optimieren. Dabei sind es gerade die vermeintlich kleinen Neuerungen, die oft große Wirkungen erzielen. Deshalb sind wir stolz auf unsere Mitarbeiter mit ihren vielfältigen Ideen. Wir fördern und belohnen dies.“ (ebd.)

Die Wertschätzung steht in diesem Beispiel in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer bestimmten berufsbezogenen Leistung. Der Abteilungsleiter verbalisiert sie, indem er die Mitarbeiter/innen als unverzichtbar anerkennt, stolz auf ihr Engagement ist, und ihre Ideen letztlich monetär belohnt werden. Doch in den verbleibenden Erzählungen drückt sich die Wertschätzung überwiegend auf eine andere Art aus; nämlich dadurch, dass die Unternehmen ihre Mitarbeiter/innen als Personen wahr- und ernstnehmen. Das zeigen sie, indem sie die (a) privaten Bedürfnisse ihrer Arbeitnehmer/innen berücksichtigen und ihnen in persönlichen Belangen entgegenkommen. Außerdem fallen unter diese Facette Erzähltextinhalte über (b) besondere Maßnahmen, die das Wohlbefinden der Arbeitnehmer/innen fördern. Mithilfe solcher Erzähltextinhalte stellen sich Unternehmen als ,attraktive Arbeitgeber‘ dar.

(a) Gehen Erzähler/innen in den erhobenen uRE darauf ein, wie Unternehmen ihre privaten Interessen berücksichtigen, dann geht es darum, dass sie den Mitarbeiter/innen bestimmte Freiheiten einräumen. Das beinhaltet vor allem, den Arbeitnehmer/innen zu ermöglichen, Beruf und Freizeit sowie Beruf und Familie miteinander in Einklang zu bringen. Erzählungen, die solche Inhalte aufgreifen, handeln von der Verwirklichung zeitintensiver Freizeitaktivitäten (z. B. Fußball, Marathonlauf, Klettern, Reisen) und Möglichkeiten zur Kinderbetreuung (z. B. Kindertagesstätten, Mutter-/Vater-Kind Büros, Elternzeit). Darüber hinaus beinhalten Erzähltextinhalte dieser Facette Maßnahmen von Unternehmen, mit denen sie überhaupt erst die Wünsche und Vorstellungen ihrer Arbeitnehmer/innen in Erfahrung bringen. Auf dieser Grundlage ist die Formulierung der Mitarbeiterzufriedenheit das bezeichnende Stilisierungsmittel der Facette. Ein Beispiel dafür, dass Unternehmen veröffentlichen, wie sie Mitarbeiterwünsche berücksichtigen, ist die Erlebniserzählung einer Mitarbeiterin über den Workshop Gen-Y-Day von Daimler:

„Auftakt des Gen-Y-Day in der Stuttgarter Innenstadt: in der „Bar 5“ kamen 60 Kolleginnen und Kollegen der Generation Y im Alter von 20 bis 35 Jahren zusammen, um über die beruflichen Wünsche und Möglichkeiten der eigenen Generation zu diskutieren.“ (Daimler, Das Blog, 2015-06-03. Korpusquelle: DAIMLER_067_WB)

Die Intention für diesen Workshop liegt der Erzählung nach u. a. darin, die Arbeitswelt im Unternehmen mit den Bedürfnissen von Mitarbeiter/innen abzustimmen, die im Zeitraum von 1980–1995 geborenen sind. Die oben zitierte Einleitung nimmt diesbezüglich das Substantiv Wunsch im Plural auf. Die Unternehmensinitiative, den Dialog mit den Angestellten aufzunehmen (zu diskutieren), ist bereits ein grundlegender Aspekt der (S)D. Die Erzählerin formuliert in dem Fließtext verschiedene Vorstellungen der Mitarbeiter/innen, die sie in Arbeitsgruppen ausarbeiteten. Sie nutzt dazu das corporate we, mit dem sie sich als Teil der Adressat/innen zu erkennen gibt. Dabei formuliert sie in dem folgenden Beispiel mit dem Modalverb wollen grundlegende Vorstellungen der Teilnehmer/innen über die zukünftige Arbeitszeitregelung unter dem Schlüsselbegriff Work-Life-Balance:

„Wir wollen schließlich gar keine Trennung von Beruf- und Privatleben, sondern vielmehr eine eigenständige Einteilung unserer Arbeitszeitegal zu welcher Uhrzeit.“ (ebd.)

Flexible Arbeitszeiten sind – der Erzählung nach – ein essenzieller Wohlfühlfaktor für die Mitarbeiter/innen. Sie werden in den erhobenen Erzählungen wiederholt als ein Beleg für einen attraktiven Arbeitgeber angeführt. In dieser Erzählung sind sie in anderer Funktion ausschlaggebend für die (S)D, da sie im Erzähltext exemplarisch als Beweis dafür stehen, dass das Unternehmen die Belange seiner Angestellten ernstnimmt und zumindest teilweise umsetzt (Zitatbeleg: Für uns bleibt es spannend: in welchen Bereichen werden unsere Vorschläge wohl pilotiert?). Die abschließende Bewertung der Workshopteilnehmerin zeigt ihre Zufriedenheit mit der Veranstaltung und der dahinter stehenden Botschaft, die Bedürfnisse der Mitarbeiter/innen einzubeziehen:

„Es waren zwei erlebnisreiche Tage, in denen wir uns intensiv mit den verschiedenen Generationen innerhalb der Daimler AG und deren Wünschen auseinander setzen konnten. Wenn es eine Fortsetzung des Workshops gibt, stehen wir gerne wieder dafür bereit!“ (ebd.)

Abgesehen davon, das die Erzählerin den Workshop als erlebnisreich und gewinnbringend bewertet (… intensiv […] auseinander setzen konnten), signalisiert der Exklamativsatz ihre Kooperationsbereitschaft für weitere Veranstaltungen. Ihre Zufriedenheit formuliert die Mitarbeiterin, indem sie sich gerne an weiteren Workshops beteiligen würde.

Häufiger finden sich in den Daten jedoch Erlebniserzählungen von Mitarbeiter/innen, die sich einen Traum erfüllen, der nur möglich wurde, weil das Unternehmen ihnen bestimmte Zugeständnisse machte. Die narrative Stilisierung läuft in den erhobenen Erzählungen auf ein triadisches Erzählschema im Zusammenspiel von mehreren Äußerungseinheiten hinaus. Es basiert auf den drei grundlegenden Elementen: 1.) Bedürfnisformulierung des/der Arbeitnehmer/in, 2.) Bereitstellung und Inanspruchnahme des dafür notwendigen Unternehmensangebots und 3.) erfolgreiche Umsetzung der Maßnahme zur Bedürfnisbefriedigung. Auf diese Weise transportieren diese Erzählungen das grundlegende Merkmal der (S)D: die Zufriedenheit der Mitarbeiter/innen. Diese kommt nicht immer zwingend durch eine Bewertung des Unternehmens durch die Mitarbeiter/innen über ihr Unternehmen zum Tragen (wie in dem Beispiel oben). Die konkrete Bedürfniserfüllung (z. B. das Erklimmen eines Berges) verbunden mit dem Hinweis darauf, dass die Erfüllung nur durch das Unternehmen möglich war, ist ausreichend. Schließlich ist diese Zufriedenheit erst aufgrund des Einsatzes des Unternehmens möglich. Der Ausdruck von Zufriedenheit entsteht dadurch, dass der Mitarbeiter ein Zugeständnis seines Unternehmens anerkennt, das ihm zugleich einen Mehrwert verschafft. Wie eine solche Stilisierung mithilfe des triadischen Erzählschemas aussieht, veranschaulicht der folgende Ausschnitt einer uRE. Der erzählende Mitarbeiter betreibt Kletterleistungssport und möchte einen achttausend Meter hohen Berg ohne Sauerstoffsubstitution besteigen. Darauf muss er sich zum einen vorbereiten (er benötigt flexible Arbeitszeiten) und zum anderen eine ungewöhnlich lange Arbeitsausfallzeit genehmigt bekommen (sieben Wochen). Darstellungsrelevante Äußerungen innerhalb der drei Elemente sind in den Zitaten fett hervorgehoben:

(Bsp.) Elemente des triadischen Erzählschemas zur Stilisierung von Mitarbeiterzufriedenheit (Daimler, Das Blog, 2015-01-30. Korpusquelle: DAIMLER_083_WB)

Element 1: Bedürfnisformulierung des Arbeitnehmers

Element 2: Inanspruchnahme des dafür notwendigen Unternehmensangebots

Element 3: erfolgreiche Umsetzung einer Maßnahme zur Bedürfnisbefriedigung

„In meiner Freizeit spielt Sport eine große Rolle und dabei zieht es mich seit frühster Kindheit in die Alpen. Anfangs noch zum Wandern, interessierte mich im Laufe der Zeit etwas schwierigere Unternehmungen in den Bergen anzugehen.“

„[…] Da ich in unserem Arbeitsbereich sporadisch Schichtarbeit habe, […], kann ich meinen Trainingsplan so gestalten, dass ich das Ausdauer- und Klettertraining dementsprechend gestalte und organisiere. […] So konnte ich Erfahrungen u. a. im Fels- und Eisklettern, sowie im Bergsteigen wie z. B. den Mont Blanc (4819 m) – dem höchsten Berg der Alpen – über die Jahre sammeln. Schließlich zog es mich an einen Achttausender im Himalaja. […] Um mir dies zu ermöglichen, musste natürlich nicht nur die Erfahrung […] stimmen, sondern auch der Arbeitgeber mitspielen. Für die Expedition benötigte ich insgesamt sieben Wochen. Dies war nur möglich […] und ich meine eingeplanten Schichten in dieser Zeit mit meinen Kollegen tauschen oder abgeben konnte.“

[Es folgt eine Reiseerzählung über die verschiedenen Bergetappen.]

„Wir erreichten dann […] Lager 2, […] wobei ich wie oben angesprochen nicht ohne Stolz sagen kann, dass ich dabei keinen künstlichen Sauerstoff benutzt, und mir einen langgehegten Traum verwirklicht habe.“

Der Erzähler stellt wiederholt sein privates Bedürfnis als Ausgangspunkt der Ereignisse in den Mittelpunkt: mit dem Phraseologismus eine große Rolle spielen, der Interessensbekundung interessiere mich und der Assertion einen langgehegten Traum verwirklichen. Die gewichtige Rolle des Unternehmens hinsichtlich der Umsetzung formuliert er argumentativ mithilfe der Infinitivkonstruktion um … zu. Dabei indizieren die Formulierungen etwas möglich machen und etwas ermöglichen eine tragende Rolle des Unternehmens. Den Erfolg, den der Erzähler erzielt, formuliert er mit der Emotion Stolz. Die Verbindung der drei Erzählelemente in den selbstdarstellenden Äußerungseinheiten drückt die Zufriedenheit des Arbeitnehmers aus, die vordergründig auf die Zielerreichung gerichtet ist und hintergründig dem Arbeitgeber zugeschrieben wird, ohne den das Unterfangen (= Bedürfnisbefriedigung) nicht stattgefunden hätte.

Ebenso wichtig wie die Rücksichtnahme auf die Freizeitplanung der Mitarbeiter/innen ist es für die Unternehmen sich in den erhobenen uRE als familienfreundlich zu geben. Schlüsselbegriffe wie Elternzeit, Vaterschaftsurlaub, Kinderbetreuung, Homeoffice und Eltern-Kind-Büro sollen zeigen, dass das Unternehmen Konzepte und Unterstützungsangebote etabliert hat, mit deren Hilfe die Mitarbeiter/innen Beruf und Familie harmonisieren. Der Aspekt ist für die (S)D als attraktiver Arbeitgeber offensichtlich von Belang, da er gezielt durch Interviewfragen herausgestellt wird. Durch Interviewfragen „entwirft der Interviewer […] explizit oder präsupponiert“ (Bungarten 1994: 17) das selbstdarstellungsrelevante Merkmal, indem er den Befragten zu der intendierten Selbstdarstellung auffordert. Da die so induzierten Erzählanlässe in schriftlicher Form wiedergegeben werden, ist es möglich die entsprechenden Antworten nachzubearbeiten. Die Fragen können explizit fokussierend gestellt werden (z. B. Wie schaffen Sie es Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen? Wie unterstützt Sie Daimler dabei? (Daimler, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: DAIMLER_007_WS) oder bedingt offen. Bedingt offen bedeutet, dass die Interviewfrage das Themengebiet vorgibt (in dem folgenden Beispiel durch das Schlüsselwort Work-Life-Balance), ohne den Beitrag des Arbeitgebers direkt anzusprechen. Die Antworten zeigen dabei, in welche Richtung die Frage hinsichtlich der (S)D für das Unternehmen zielt. In dem Beitrag Boris‘ Story von E.ON stellt der Interviewer dem Mitarbeiter die bedingt offene Frage: Du wolltest bei deinem Wechsel [vom externen Energieberater zum Senior Manager] auch eine bessere Work-Life-Balance, hat das funktioniert? Der Mitarbeiter antwortet im Sinne der (S)D:

Definitiv. Ich verbringe nun deutlich mehr Abende zuhause und kann aktiver am Familienleben teilnehmen. Im vergangenen Jahr haben wir sogar im Rahmen eines erweiterten Vaterschaftsurlaubs gemeinsam mit unseren zwei Kindern eine Weltreise unternommen.“ (E.ON, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: E.ON_606_WS)

Die elliptische Antwort ist von einer vollständigen Aussage wie bspw. „Das ist definitiv der Fall“ auf das Adjektiv definitiv reduziert. Das Adjektiv fungiert in der Aussage als Modalfunktion. Sie erfüllt eine „Wahrheitswertfunktion“ (Zifonun et al. 1997: 860), die die persönliche Einschätzung des Sachverhalts als absolute Gewissheit eines repräsentativen WissensFootnote 24 ausgibt. Das bedeutet in diesem Beispiel, dass es sich um die persönliche Erfahrung der Person handelt, die sie aufgrund ihrer Sicht auf die eigene Welt vornimmt. Es handelt sich also um eine subjektive Einschätzung und nicht um ein Faktum. Deswegen macht der Sprecher seine Aussage nachvollziehbar, indem er seine Beobachtungen über seine Work-Life-Balance aufzählt: mehr Abende zuhause, aktiver am Familienleben teilnehmen, erweiterter Vaterschaftsurlaub. Dabei zeigt der Komparativ – neben der zuvor kommunizierten Gewissheit (definitiv) – an, wie zufrieden der Mitarbeiter ist, da die Steigerungsform für eine Zustandsverbesserung steht. Diese Belege sind wiederum darstellungsrelevant für das Entgegenkommen des Unternehmens zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Neben der Erzählung aus der Mitarbeiterperspektive formulieren Unternehmen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als konkretes Angebot, wie bspw. die Deutsche Telekom: Telekom-Angestellte nehmen ihren Nachwuchs in Notfällen einfach mit zur Arbeit. Dafür hat die Telekom inzwischen drei Eltern-Kind-Büros eingerichtet (Telekom, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: DTKOM_803_WS). Das Unternehmen formuliert die damit verbundene Botschaft selbst in Form einer Selbstbewertung und der darauffolgenden Selbstaussage: Gerade in solchen Ausnahmesituationen zeigt sich, wie familienfreundlich ein Unternehmen wirklich ist. Die Telekom signalisiere mit dem Eltern-Kind-Büro: „Wenn ein Problem auftaucht, dann kriegen wir das gemeinsam hin“ (ebd.). Auch in dieser Erzählung folgt die narrative Stilisierung der triadischen Konzeption, um die Mitarbeiterzufriedenheit zum Zweck der (S)D in den Mittelpunkt zu stellen. Dies verdeutlicht die folgende Zusammenfassung: 1.) Das Bedürfnis der Mitarbeiter/innen wird anhand eines Zitats des Human Resource Leiters formuliert: [Eltern] wünschen […] sich die Unterstützung ihres Arbeitgebers. 2.) Daran schließt die Erlebniserzählung eines Mitarbeiters an, der das Angebot in Anspruch nahm und 3.) seine Zufriedenheit mit der Bewertung kundtut: Das hat ganz problemlos funktioniert. Die Beispiele zeigen, dass zur Stilisierung der Facette ,Berücksichtigung privater Interessen von Mitarbeiter/innen‘ das Merkmal Zufriedenheit einen hohen Stellenwert besitzt. Zum Ausdruck kommt diese Zufriedenheit einerseits im Zusammenspiel der Elemente eines triadischen Erzählschemas und andererseits im Aufzeigen einer Zustandsverbesserung, die sich auf den privaten Bereich positiv auswirkt.

(b) Darüber hinaus zeigen Unternehmen durch besondere Maßnahmen ihren Mitarbeiter/innen Wertschätzung. Der für die (S)D relevante Punkt ist, dass die Maßnahme die Mitarbeitererwartung übertrifft. Diese Maßnahmen schließen neben der Gestaltung der Arbeitsplatzumgebung, die das Wohlbefinden der Angestellten fördern soll, ebenso außerordentliche Veranstaltungsangebote ein. Charakteristisch für die narrative Stilisierung der Inhalte ist es, drauf hinweisende Merkmale zu exponieren und dadurch für die (S)D relevant zu setzen. Die Erzählenden exponieren die Merkmale, indem sie ihre Überraschung und ihr Erstaunen darüber kundtun. Sprachlich spiegelt sich das in einem expressiven Ausdruck wider. Darunter fallen nach Zifonun (1997) Äußerungen,

„deren Zweck primär darin besteht, mit einem Gegenstand oder Sachverhalt verbundene Empfindungen des Sprechers kommunikativ zugänglich zu machen“ (Zifonun 1997: 151).

Bezüglich des Stilisierungsmerkmals ,Exponieren durch Erstaunen und Überraschung‘ ist die Art und die Intensität der erzählten Empfindung ausschlaggebend. Die Anforderung zeigt sich in Erzählpassagen über die Arbeitsplatzgestaltung. Dazu formulieren die Erzähler/innen ihre Sinneseindrücke und persönlichen Empfindungen zu den bestehenden Räumlichkeiten. So ein Staunen und Überraschtsein über die Arbeitsplatzgegebenheiten besteht in der folgenden Corporate Blog Erzählung der Dt. Telekom. Darin schildert eine Mitarbeiterin, wie sie die vorgefundenen Räumlichkeiten des Cration Center der Telekom bei ihrer ersten Sichtung erlebte:

„Direkt nach unserer Ankunft geht es in ein Gebäude in Schöneberg, durch ein ganz schön hässliches Treppenhaus, hinein in einen knallgrünen Flur, und, zack!, in eine neue Welt: das Creation Center der Telekom Laboratories. Fast falle ich rückwärts wieder heraus, — so unglaublich schön ist das hier: helle Büros mit offenen Regalen. Sofas, so weit das Auge reicht. Und als wir uns alle um einen langen Holztisch setzen, merke ich erst, dass die Bürostühle hier nicht nur fast kuschelig aussehen, sondern auch noch irre bequem sind. (Telekom, Corporate Blog, 2013-11-05. Korpusquelle: DTKOM_821.1_WB)

Ihre Überraschung formuliert die Erzählerin durch den Kontrast zwischen dem hässlichen Treppenhaus und den dann vorgefundenen Räumlichkeiten. Der sinnlich wahrgenommene knallgrüne Flur signalisiert bereits eine Veränderung, die dann als primärer Emotionsausdruck mit der Geräuschinterjektion zack! und der Phrase in eine neue Welt die Überraschung der Erzählerin verdeutlicht. Interjektionen sind ein spontaner Ausdruck für innerpsychische Vorgänge. Sie dienen „ausschließlich der Expressivität“ (Schwarz-Friesel 2013: 155). In diesem Beispiel ist es die unmittelbare Reaktion auf das nonverbale Ereignis: visueller Eindruck von den Räumlichkeiten. Da die Interpretation von Interjektionen „absolut kontextbedingt“ (Schwarz-Friesel 2013: 157) ist, definiert die anschließende Phrase in eine neue Welt den Grund für die Überraschung. Darauf folgt die Beschreibung der Räumlichkeiten (helle Büros, offene Regale, Sofas, Holztisch, irre bequeme Bürostühle), die den Kontrast zu den Erwartungen an einen gewöhnlichen Arbeitsplatz verdeutlicht, da die beschriebene Büroausstattung auf Behaglichkeit abzielt. Die Körpermetapher Fast falle ich rückwärts wieder heraus und die intensivierte Bewertung so unglaublich schön ist das hier indizieren, dass die Erwartungen der Erzählerin übertroffen wurden: Sie ist erstaunt und überrascht. Durch die expressive Stilisierung exponiert sie das Beschriebene als Abweichung von der Norm und dadurch als ein besonderes Entgegenkommen des Unternehmens für seine Mitarbeiter/innen.

Um sich als attraktiver Arbeitgeber darzustellen, der seine Angestellten wertschätzt, weisen die uRE besondere Veranstaltungsangebote auf. Die damit kommunizierte Wertschätzung beruht darauf, Mitarbeiter/innen etwas Erfreuliches zu bieten. Dafür stellen Unternehmen Gelder bereit und nehmen einen zusätzlichen Organisationsaufwand in Kauf. Überwiegend handeln die Erzählungen von Firmenfeiern. Empfindungen, die damit in Zusammenhang stehen, sind Bewertungen nach dem Muster, etwas war gelungen (z. B. Es war ein gelungenes Fest!), oder Freude auf eine Wiederholung (Ich freue mich schon auf das nächste Sommerfest!). Darüber hinaus werden besondere Programmpunkte expressiv hervorgehoben, wie in dem folgenden Facebook Post (Abb. 8.7):

Abb. 8.7
figure 7

Überraschung als positive Bewertung einer Unternehmenshandlung (Rewe, Facebook, 2017-06-06. Korpusquelle: REWE_374_FB)

In diesem Post wird die Emotion, überrascht zu sein, formuliert (zur Überraschung). Die zusätzlich geposteten Bilder zeigen verschiedene Angebote, wie Grillgut, Kickerspiel, die Band und ansatzweise die Lokalität. Die sprachlichen Anteile in der bimodalen Kompakterzählung (siehe hierzu Abschn. 9.3) sollen zusammen mit stimmungsindizierender Mimik und Gestik auf den Bildern den Rezipient/innen vor Augen führen, dass es ein gelungenes Unternehmensevent war. Indem Unternehmen diesen Einsatz in die Öffentlichkeit bringen, nutzen sie die Handlung für ihre imagefördernde (S)D als attraktiver Arbeitgeber.

8.6.3 Stilisierung der Facette ,Identifikationspotenziale‘

Die Stilisierung der Facette baut auf Äußerungen über das emotionale Erleben der Mitarbeiter/innen in Bezug auf ihren Arbeitgeber auf. Signalisieren Mitarbeiter/innen, dass sie sich in ihrem Unternehmen wohlfühlen, machen sie das Unternehmen für Außenstehende attraktiv. Eine wichtige Rolle für das Wohlbefinden der Mitarbeiter/innen spielt u. a., „wie stark sie sich mit ihrer Organisation verbunden fühlen und wie sehr sie sich mit ihr identifizieren“ (Schneider et al. 2014: 452, vgl. auch Stempel/Dettmers 2018). Identifizieren sich Mitarbeiter/innen mit ihrem Unternehmen, zeigt sich das allgemein daran, dass sie Unternehmensmotive und -ideale übernehmen (vgl. Duden 2010 [CD-ROM] zu „identifizieren“). In den entsprechenden Erzählepisoden sind daher Äußerungseinheiten vorhanden, aus denen im Speziellen hervorgeht, aus welchen Gründen sich Mitarbeiter/innen mit ihrem Unternehmen identifizieren. Zum einen tritt die Identifikation in Äußerungen zu Tage, in denen Arbeitnehmer die Emotion ,Stolz‘ in den Vordergrund stellen. Erzähltextinhalte, die Merkmale (a) stolze/r Arbeitnehmer/innen aufgreifen, summiere ich daher als ein inhaltliches Merkmal der Facette ,Identifikationspotenziale für Mitarbeiter/innen‘. Das zweite inhaltliche Merkmal zur Stilisierung der (S)D ist die Identifikation der Mitarbeiter/innen mit der kollegialen Gemeinschaft. Dabei geht es um die unternehmensinterne (b) Wir-Gemeinschaft. Die entsprechenden Inhalte gehen auf eine kollegiale Arbeitssituation ein, die mit dem Erleben von ,Zugehörigkeit‘ einhergeht. So ist die Unternehmensgemeinschaft ein wichtiger Bestandteil der Identifikation von Arbeitnehmer/innen mit dem Unternehmen. Im Zusammenhang mit der (S)D als attraktiver Arbeitgeber ist die Identifikation ein Beleg für eine wünschenswerte Arbeitsatmosphäre.

Diese inhaltsbezogenen Merkmale spiegeln sich in der sprachlichen Stilisierung wider. Sie basiert daher auf Versprachlichungen von ,Stolz‘ und ,Zugehörigkeit‘. Das Ausdrucksmittel der Stilisierung sind – ausgehend von Bühlers Organon-Modell (1934) – „emotionsbezeichnende Sprachausdrücke, deren deskriptiver Symbolwert in der Referenz auf außersprachliche Zustände liegt“ (Schwarz-Friesel 2013: 144). Im hiesigen Kontext handelt es sich um äußerst positive Gefühle der Mitarbeiter/innen bezüglich ihres Arbeitsumfeldes. Da emotionale Einstellungen „konzeptuelle Bewertungsrepräsentationen hinsichtlich bestimmter Referenzbereiche [darstellen]“ (Schwarz-Friesel 2013: 81), ist die positive emotionale Einstellung von Mitarbeiter/innen zu ihrem Unternehmen für die (S)D als ,attraktiver Arbeitgeber‘ von enormer Bedeutung.

Schwarz-Friesel (2013: Abschn. 3.5) unterscheidet zwischen Gefühl und Emotion. In ihrer Unterscheidung sind Gefühle eine kognitive Betrachtungsweise von Emotionen. Darunter versteht sie „die bewusste Erfahrung einer emotionalen Komponente“ (Schwarz-Friesel 2013: 140). Emotionen fasst sie im Vergleich dazu „als komplexe[], mehrdimensionale[] Kenntnis- und Bewertungssysteme“ (Schwarz-Friesel 2013: 139) auf. Die Komplexität geht auf drei Realisierungsformen zurück: a) den nonverbalen Ausdruck, b) reaktiv emotionsbegleitende, körperliche Zustände und c) verbale Repräsentationsformen, auf der Wort-, Satz- und Textebene (ebd. 2013: 57). In den uRE können im Grunde sprachlich und (audio-)visuell alle drei Ebenen realisiert werden. Der nonverbale Ausdruck sowie emotionsbegleitende, körperliche Zustände sind häufig auf (audio-)visuelle Anteile in Erzählungen ausgelagert, da verbale Beschreibungen umfangreicher ausfallen. Das zeigt sich vor allem auf Internetplattformen, auf denen die Zeichenverwendung begrenzt ist (z. B. Twitter, Facebook, siehe hierzu Abschn. 9.3; 9.4). Erzählungen auf der U.-Homepage oder Corporate Blogs haben dagegen höhere Anteile von verbalen Repräsentationsformen. Die verbale Repräsentation von Emotionen kommt nach Fiehler (1990; 2001) zum Ausdruck durch die:

„(1) begriffliche Erlebensbenennung [und Emotionsbenennungen], (2) die Erlebensbeschreibung, (3) die Benennung/Beschreibung von erlebensrelevanten Ereignissen/Sachverhalten und (4) die Beschreibung/Erzählung der situativen Umstände, in deren Rahmen ein Erleben stattfand.“ (ebd. 2001: 1431)

(a) Um den/die ,stolze/n Mitarbeiter/in‘ zu stilisieren, finden sich insbesondere die ersten drei verbalen Repräsentationen in den uRE wieder. Die Analyse der Äußerungseinheiten zeigt, dass die sprachliche Stilisierung komplex ist. Um die Darstellung zu intensivieren, werden meist mehrere der vier Optionen miteinander kombiniert. Daraus folgt, dass die Darstellung im Regelfall satzübergreifend ist. Somit muss die nähere Umgebung bspw. einer Emotionsbenennung berücksichtigt werden. Zusätzlich sind Eigenschaften der Emotionen, in Form von „Intensität, Dauer und Wertigkeit/Qualität“ (Schwarz-Friesel 2013: 69), Teil der Stilisierung.

Die Emotion Stolz beinhaltet, dass man auf etwas stolz ist oder, dass einen etwas stolz macht. Die explizite verbale Stilisierung stolze/r Mitarbeiter/in erfolgt daher in erster Linie durch die direkte Emotionsbenennung in der wörtlich wiedergegebenen Rede von Mitarbeiter/innen:

  1. 1.

    Es macht mich / uns … stolz

  2. 2.

    Darauf bin ich / sind wir … stolz.

Die Intensität der Emotion wird mit wenigen Ausnahmen mit dem Intensifikator sehr hervorgehoben. Zu der weiteren Stilisierung gehört allerdings auch, worauf sich der Stolz bezieht, wie z. B.:

(Bsp. 1) „Es macht mich nach wie vor stolz, wenn ich unsere Fahrzeuge im Straßenverkehr sehe und weiß, „ich bin ein Teil davon“.“ (Daimler, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: Daimler_008_WS) => Stolz auf ein bestimmtes Produkt des Unternehmens und daran Anteil zu haben.

(Bsp. 2) „Mit diesem Windpark werden rund 50.000 Haushalte mit grünem Strom versorgt. Darauf sind mein Team und ich sehr stolz.“ (EnBW, U.-Homepage, 2015. Korpusquelle: EnBW_690_WS) => Stolz auf ein Produkt des Unternehmens, das mit einem ideellen Wert belegt ist.

(Bsp. 3) „Es [das Projekt] macht mich sehr stolz! Schließlich war genau das der Grund, weswegen ich in die Entwicklung zu Volkswagen gegangen bin. Ich wollte etwas bewegen – im wahrsten Sinne. Etwas schaffen, das die Zukunft prägt.“ (VW, U.-Homepage, 2016. Korpusquelle: VW_432_WS) => Stolz auf die Vision des Unternehmens.

Der empfundene Stolz gründet vordergründig auf einem Produkt oder einem produktbezogenen Projekt des Unternehmens, das jedoch mit einem höheren Ideal zusammenhängt. Da es um die (S)D als attraktiver Arbeitgeber geht, sind mit den Begründungen für den empfundenen Stolz zwei elementare Fragen verbunden: 1.) Wofür steht mein Unternehmen? 2.) Warum arbeite ich in dem Unternehmen? Äußerungseinheiten, die die Identifikation von Mitarbeiter/innen mit ihrem Unternehmen auf diese Weise mit der Emotion ,Stolz‘ kommunizieren, sind daher eng an ein Sinn- und Werteangebot des Unternehmens geknüpft, das die Mitarbeiter/innen begeistert. In den obenstehenden Beispielen sind es: Fahrzeuge, grüner Strom und die Zukunft prägen. Bezieht man die Textumgebung in die Stilisierung mit ein, zeigt sich, dass die Basisemotionen ,Glück/Freude‘ die Stilisierung verstärken bzw. unterstützen. Dazu formulieren die zitierten Erzähler/innen eine Erlebensbeschreibung mittels erlebensdeklarierender Formeln. Dabei handelt es sich um „Ausdrücke, die das, was in ihrem Skopus auftritt, als Erleben oder Emotion deklarieren und somit als Ganzes ein spezifisches Erleben beschreiben“ (Fiehler 2001: 1431):

(Bsp. 1) „Ich freue mich sehr, dass ich bei diesem Projekt dabei war! Mit diesem Windpark werden rund 50.000 Haushalt mit grünem Strom versorgt. Darauf sind mein Team und ich sehr stolz.“ (EnBW, U.-Homepage, 2015. Korpusquelle: EnBW_690_WS)

(Bsp. 2) „Als ich dann die Zusage für einen Studienplatz [im dualen Studium bei Daimler] erhalten habe, war ich überglücklich. Es macht mich nach wie vor stolz, wenn ich unsere Fahrzeuge im Straßenverkehr sehe und weiß, „ich bin ein Teil davon“.“ (Daimler, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: Daimler_008_WS)

Im ersten Beispiel gilt die Freude dem Projekt, das den/die Mitarbeiter/in ebenfalls mit Stolz erfüllt. Dadurch referieren beide Emotionen (Freude und Stolz) auf das Gleiche; nämlich das Projekt. Im zweiten Beispiel bezieht sich die Basisemotion ,Glück‘ darauf, dass der/die Mitarbeiter/in eine Stelle für das duale Studium bei Daimler errungen hat: Er somit ein Unternehmensmitglied geworden ist. Der Stolz gründet sich darauf, dass der/die Mitarbeiter/in den Fahrzeugen eine hohe Qualität zubilligt, an denen er/sie mitwirkt. Da die Fahrzeuge unmittelbar mit dem Unternehmen verbunden sind, sind die beiden Emotionen direkt (Glück) und indirekt (Stolz) auf das Unternehmen gerichtet. Durch die Häufung von gleichgerichteten Emotionen verstärkt sich die Stilisierung des/der ,stolzen Mitarbeiter/in‘. Auch in diesen beiden Beispielen steigern die Erzähler/innen ihre Emotionen: 1.) mit dem Intensifikator sehr und 2.) mit der Präfigierung über- des expressiven Adjektivs glücklich.

Das nun folgende letzte Beispiel zur direkten Stilisierung von ,Stolz‘, veranschaulicht, wie eine komplexe Stilisierung in der textuellen Umgebung einer selbstdarstellenden Äußerungseinheit aufgebaut werden kann. Es handelt sich um das bereits teils in Ausschnitten angeführte Interview eines VW-Mitarbeiters. Im folgenden Beispiel liegt das Augenmerk auf der Einleitung. Zur Kontextualisierung wird die selbstdarstellende Äußerungseinheit des Mitarbeiters anschließend erneut aufgeführt. Die Einleitung beginnt wie folgt:

Es ist 8 Uhr morgens. Der Laptop fährt hoch, der Kaffee läuft durch die Maschine. [Jay Bakshi] steht am Fenster seines Büros. Ein kurzer Blick, ein zufriedenes Lächeln. Dort unten stehen sie. Die E-Fahrzeuge. Die Autos der Zukunft. Und er hat sie mitentwickelt.

Redaktion: Guten Tag oder besser: „Namastee!“, Herr [Bakshi]! Schön, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben, obwohl Sie gerade mitten in der Optimierung von e-Fahrzeugsystemen sind. Wie ist das, in so einem Projekt mitzuarbeiten?

[Jay Bakshi]: Es macht mich sehr stolz! Schließlich war genau das der Grund, weswegen ich in die Entwicklung zu Volkswagen gegangen bin. Ich wollte etwas bewegen – im wahrsten Sinne. Etwas schaffen, das die Zukunft prägt.“ (VW, U.-Homepage, 2016. Korpusquelle: VW_432_WS)

Die Einleitung beschreibt atmosphärisch und in medias res den Arbeitsbeginn des Mitarbeiters: unmittelbarer Einstieg in die erzählte Zeit, typische Handlungen und der Geruch des Morgenkaffees. Der Autor beschreibt, wie der Mitarbeiter am Fenster seines Büros steht und auf das Objekt seines Stolzes blickt, und interpretiert das nonverbale Körpersignal ,Lächeln‘ als Zufriedenheit. Die Zufriedenheit des Mitarbeiters spricht der Interviewer dem Arbeitsprojekt E-Fahrzeuge zu. Im Anschluss daran wird die unternehmenspezifische Vision Autos der Zukunft (= Elektromobilität) eingeführt, die das Bezugsobjekt für den Stolz des Mitarbeiters ist. Der Aussagesatz Und er hat sie mitentwickelt vermittelt abschließend, dass das für den Mitarbeiter etwas Besonderes ist. Diese Einleitung und die (S)D fokussierende Frage (Wie ist das, in so einem Projekt mitzuarbeiten?) sind bereits Bestandteil der Stilisierung eines stolzen Mitarbeiters, der diese Hinweise aufnimmt und aus seiner Perspektive wiedergibt. Die Komplexität entsteht demnach durch verschiedene Perspektiven auf beobachtete Emotionen: 1.) die Perspektive von außen übernimmt der Erzähler in der Einleitung, 2.) die Perspektive von „innen“ formuliert der betroffene Mitarbeiter. Diese Option der Stilisierung basiert darauf, durch verschiedene verbale Möglichkeiten Emotionen im Text zu generieren.

Der Stolz eines/einer Mitarbeiter/in auf sein/ihr Unternehmen wird in uRE nicht nur durch die direkte Emotionsbenennung ,Stolz‘ mit und ohne Verstärker stilisiert, sondern ebenso anhand von Mitarbeiterbeschreibungen. Dabei handelt es sich um eine Form der indirekten Stilisierung stolzer Mitarbeiter/innen, die sich aus deren Verhalten ableiten lässt. Der folgende Ausschnitt aus einer Blogerzählung vom Corporate Blog der Dt. Telekom exemplifiziert eine solche Stilisierung mittels einer erzählten Personencharakterisierung:

„[Tobias] hat uns schon am Abend zuvor in Kiel begleitet und erzählt heute in einem Workshop auf der Fahrt etwas darüber, wieso er seit vielen Jahren verrückt nach Magenta ist. Als subtilen Beweis für seine Zuneigung zu dieser Farbe trägt er einen dezenten magentafarbenen Hoodie und dazu ein riesiges, goldenes Telekom-T um den Hals. 4010 ist im RAL-Farbsystem der Farbcode für das Magenta der Telekom.“ (Telekom, Blog.Telekom, 203-11-05. Korpusquelle: DTKOM_821.1)

Die Erzählepisode handelt von dem Mitarbeiter ,Tobias‘, der seit langer Zeit für die Telekom arbeitet. Die Erzählerin führt ihn anhand seines Erscheinungsbildes und der daraus abgeleiteten Einstellung zu dem Unternehmen ein. Die Stilisierung beruht auf dem Farbsymbol des Unternehmens, das der Mitarbeiter in seine Garderobe integriert hat sowie dem Unternehmensemblem, welches er an einer Kette um den Hals trägt. Die Affinität zu der Farbe (verrückt nach Magenta) wird als ausgeprägte Zuneigung beschrieben. Dabei steht die Farbe symbolisch für das Unternehmen (Farbcode … der Telekom), auf das in der Stilisierung letztlich die Zuneigung des Mitarbeiters gerichtet ist. Zur Verdeutlichung ist die Farbe selbst im abschließenden Statement ideell aufgeladen: Für [Tobias] ist 4010 keine Farbe, sondern eine Frage der Haltung. Die Mitarbeitercharakterisierung verdeutlicht, dass der Mitarbeiter sich mit dem Unternehmen identifiziert und verbunden fühlt. Die beschriebene Affinität von Tobias demonstriert seinen Stolz, dem Unternehmen zugehörig zu sein.

(b) Ein Identifikationspotenzial besteht für Mitarbeiter/innen ebenfalls in einem Dazugehörigkeitsgefühl zu der Unternehmensgemeinschaft. Im Mittelpunkt steht dabei der zwischenmenschliche Umgang. URE die diesen Aspekt aufgreifen, evozieren daher den Eindruck einer starken ,Wir-Gemeinschaft‘. Unternehmen stellen ihr Interesse an einer solchen Wir-Gemeinschaft dar, indem sie Maßnahmen unternehmen, die die Gemeinschaftsbildung aktiv unterstützen. Signale dafür sind Lexemverbände rund um das Lexem team*Footnote 25. URE, die auf dieses Engagement referieren, handeln zum einen von Aktionen zur Teamentwicklung/Teambuilding oder von außerbetrieblichen Veranstaltungen, die das gegenseitige Kennenlernen begünstigen. Aktionen zur Teamentwicklung werden häufig mit einem gesellschaftlichen Engagement verbundenFootnote 26, wie die folgenden Beispiele illustrieren:

(Bsp. 1) „Das Wir-Gefühl stärken und dabei etwas Gutes tun: „18 Kollegen der Konzernrevision haben heute den Schreibtisch gegen Schubkarre und Schaufel getauscht und errichten eine neue Trockenmauer.“ (Rewe, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: REWE_311_WS)

(Bsp. 2) „Als Maßnahme für eine Teamentwicklung entschied sich eine IT-Abteilung von Daimler für ein Sozialprojekt in einem Kinder- und Jugenddorf.“ (Daimler, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: DAIMLER_042_WS)

(Bsp. 3) „Anstelle eines Betriebsausfluges oder einem Outdoor-Seminar entschied sich eine IT-Abteilung für ein soziales Projekt als Maßnahme für besseres Zusammenarbeiten. (Daimler, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: DAIMLER_043_WS)

Die sozial ausgerichtete Unternehmung, gemeinsam für andere etwas Gutes zu tun, soll die Motivation der einzelnen Teilnehmer/innen stärken. Zum Ausdruck bringen das wörtliche Zitate von Teilnehmenden, die die Emotion Spaß und Freude benennen, wie beispielsweise die folgenden Zitate:

(Bsp. 1) „[Arnold Meister] kommt eigentlich aus der Qualitätssicherung. Diesmal schwang der Teamleiter die Schaufel und setzte Stein auf Stein. Ihm machte es richtig Spaß zu helfen. „Ich finde, es ist ein tolles Projekt und eine reizvolle Aufgabe, zumal wir hier nicht lange unter uns geblieben sind.“ (Daimler, U.-Homepage, 2016. Korpusquelle: DAIMLER_041_WS)

(Bsp. 2) „Es macht viel Spaß, aber bis heute Abend werde ich meinen Rücken spüren. Es ist eine schöne Gelegenheit, mich auch mal für Flüchtlinge einzubringen.“ (ebd.)

(Bsp. 3) „Der Tag im Kinder- und Jugenddorf hat unserem Team sehr viel Spaß bereitet. Wir hatten die Möglichkeit, vollen Teameinsatz mal außerhalb des Büros fernab von der IT-Welt zu zeigen.“ (Daimler, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: DAIMLER_042_WS)

Das außerbetriebliche Betätigungsfeld soll dabei eine Gleichstellung aller Teilnehmer/innen bewirken, um die Zusammenarbeit zu fördern. Auch das wird in den Erzählungen anhand von Mitarbeiterzitaten angesprochen:

(Bsp. 1) „Wir stehen hier alle gemeinsam im Dreck“, fasst [Manfred Hahn], Leiter der REWE Group Konzernrevision, lachend zusammen. „Aber genau um dieses Gemeinsame geht es auch: Heute gibt es keine Hierarchien, alle packen mit an – da entsteht eine richtige Gruppendynamik.“ (Rewe, U.-Homepage, o.J. Korpusquelle: REWE_311_WS)

(Bsp. 2) „Die Aktion stärkt vor allem den Zusammenhalt in der Abteilung. „Man lernt sich anders kennen, weil es hier viel persönlicher ist“, erklärt [Helmut Klein], Praktikant in der mechanischen Fertigung.“ (Daimler, U.-Homepage, 2016. Korpusquelle: DAIMLER_041_WS)

Die Unternehmen stellen sich mithilfe der Erzähltextinhalte als attraktive Arbeitgeber dar, indem sie an konkreten Beispielen veranschaulichen, dass sie ein kollegiales Miteinander stärken. Kennzeichnend für diese Erzählungen ist, dass sie von einer Person verfasst werden, die nicht selbst an der Veranstaltung teilgenommen hat, also einem heterodiegetischen Erzähler, „der nicht zu den Figuren seiner Geschichte gehört“ (Martinez/Scheffel 2007: 81). Aus diesem Grund muss die Stilisierung der Wir-Gemeinschaft durch die wörtliche Redewiedergabe von Teilnehmer/innen erfolgen. Daraus resultieren zwei spezifische Merkmale: 1.) Zum einen soll die Maßnahme vom Standpunkt möglichst vieler Teilnehmer/innen kommentiert werden. Daher sind die Erzählungen polyphon angelegt. Im Sinne der Stilisierung zielen die verschiedenen Stimmen jedoch nicht auf inhaltliche Vielfalt oder entgegengesetzte Standpunkte, sondern vielmehr darauf, anhand verschiedener Stimmen das Gleiche zum Ausdruck zu bringen. Das Merkmal ist demnach die inhaltliche Iteration mittels verschiedener wörtlicher Redezitate. Das zweite Merkmal wird von dem ersten bedingt. 2.) Dadurch, dass die Stilisierung auf Zitaten beruht, verbleibt das Gesagte (wie im Fall der figurierten Erzählter, Abschn. 7.2.2.1) in einem Behauptungsmodus (Beyer 2018). Das bedeutet, Emotionen werden benannt und Meinungen festgestellt. Daraus lässt sich schließen, dass für diese Option zur Stilisierung einer Wir-Gemeinschaft die inhaltliche Information und weniger das Erleben im Vordergrund steht.

In der gerade beschriebenen Option zur narrativen Stilisierung einer Wir-Gemeinschaft ist der Dreh- und Angelpunkt die teambildende Maßnahme und wie die Mitarbeiter/innen davon profitieren. Die zweite Möglichkeit zur narrativen Stilisierung einer Wir-Gemeinschaft liegt darin, Mitarbeiter/innen die Möglichkeit zu bieten, über ihre eigenen Erfahrungen im öffentlichen kollegialen Austausch zu erzählen. Das können sie anhand eines Beitrags auf dem Corporate Blog oder anhand von Antworten auf fokussierende Interviewfragen, die die Unternehmenskommunikation im Nachgang für die Öffentlichkeit verschriftlicht. Das Kennzeichen solcher selbstdarstellenden Erzählepisoden ist, dass die wiedergegebene Mitarbeiterstimme umfangreicher auf das Erleben der Wir-Gemeinschaft eingeht. Deutlich wird das speziell durch Inhalte über eine positive Interaktion zwischen den Kolleg/innen. Dadurch rückt das Erzählen situativer Umstände im Zusammenhang mit dem persönlichen Erleben (Fiehler 2001: 1431) der Wir-Gemeinschaft in den Mittelpunkt sowie die dadurch verursachte Wirkung auf den/die entsprechende/n Mitarbeiter/in. Die Mitarbeiter/innen gehen – der Analyse zufolge – hierfür auf folgende Darstellungsbereiche ein: 1.) die Arbeitsatmosphäre, 2.) den Erstkontakt mit Kolleg/innen, 3.) Verhaltensnormen und 4.) die alltägliche Zusammenarbeit.

(1) Das Erleben der Arbeitsatmosphäre prägt ein dynamisches freundschaftliches Miteinander, wie das folgende Beispiel aus einer Blogerzählung von E.ON verdeutlicht:

„Die Wetterlage hier im Büro ist deutlich heiterer als draußen, Berlin Style: Schon bei der Begrüßung ein Mischmach aus Deutsch und Englisch, High Fives, ein Kaffee im Stehen, Lachen, Lächeln, kurzer Austausch was anliegt, Tastaturklappern, während man schnattert.“ (E.ON, Blog, o. J. Korpusquelle: E.ON_638_WB)

Der metaphorische Vergleich der Wetterlage draußen und drinnen (= Büro) charakterisiert bereits die Arbeitsatmosphäre mit dem Adjektiv heiter und wird im weiteren Verlauf sukzessiv spezifiziert. Der folgende Ausdruck Berlin Style ist konnotiert mit Aspekten wie Entwicklungsfreude, Dynamik, Lebensfreude oder Vielfalt, die der Erzähler anhand beobachteter Vorgänge aufzählt. Erzählte auditive und visuelle Reize wie Lachen, Lächeln, Schnattern oder Tastaturklappern mischt er mit dem von ihm beobachteten, lockeren zwischenmenschlichen Umgang (High Fives), Geschäftigkeit (Kaffee im Stehen) und sprachlichen Indikatoren für kulturelle Vielfalt (Mischung aus Deutsch und Englisch). Damit erhöht der Erzähler die gegebene Büroatmosphäre von einem freundlichen Miteinander zu einem Erlebnis.

(2) Das Erleben des Erstkontakts leiten die Erzählenden mit der ersten interaktiven Handlung ein, der Begrüßung. Sie verwenden die Verben begrüßen, zugehen, aufnehmen und empfangen. Die Art und Weise, wie der Erstkontakt stattfindet, verdeutlichen die Adjektive herzlich und (sehr / so) nett:

(Bsp. 1) „…von allen Mitarbeitern herzlich begrüßt.“ (Telefonica, Blog, 2016-08-29. Korpusquelle: Telef_759_WB)

(Bsp. 2) „…und bin meinen Kollegen sehr dankbar für den herzlichen Empfang hier :)“ (Telekom, Blog.Telekom, 2016-07-12. Korpusquelle: DTKOM_836_WB)

(Bsp. 3) „Die Kollegen gingen sehr nett auf mich zu…“ (Telefónica, Blog, 2016-08-29. Korpusquelle: Telef_759_WB)

(Bsp. 4) „Ich wurde so nett im Team aufgenommen, alle waren sympathisch und ich fühlte mich wohl.“ (Telekom, Blog.Telekom, 2014-09.15. Korpusquelle: DTKOM_824_WB)

Im Verlauf der weiteren Stilisierung einer Wir-Gemeinschaft ist von Bedeutung, wie sich der Erstkontakt auf den/die neue/n Mitarbeiter/in auswirkt; also was der kollegiale Erstkontakt bei den neuen Mitarbeiter/innen auslöst. Denn auch wenn ein herzlicher Empfang angenehm ist, zu etwas Besonderem wird er erst dann, wenn der/die Betroffene dadurch einen Effekt verspürt, der für ihn/sie von Bedeutung ist:

(Bsp. 1) „Ich muss gestehen, ich hatte nicht erwartet, dass mein Start so problemlos verläuft…“ (Telekom, Blog.Telekom, 2016-07-12. Korpusquelle: DTKOM_836_WB)

(Bsp. 2) „Deshalb kroch ich langsam aus meinem Schneckenhaus und merkte, dass die Erwachsenenwelt gar nicht so beängstigend ist, wie sie mir früher oft erschien.“ (Telefónica, Blog, 2016-08-29. Korpusquelle: Telef_759_WB)

(Bsp. 3) „Meine anfängliche Nervosität verschwand schnell – jetzt konnte es richtig losgehen!“ (Telekom, Blog.Telekom, 2014-09.15. Korpusquelle: DTKOM_824_WB)

(Bsp. 4) „Ein Highlight war definitiv, wie ich von meinen neuen Kollegen aufgenommen wurde. Das war richtig klasse! Ich habe mich schnell zugehörig gefühlt und muss sagen, dass ich ein super Team habe.“ (Daimler, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: DAIMLER_010_WS)

Die Bedeutung des Erstkontakts liegt für die Erzähler/innen darin, dass sie sich schnell der Gemeinschaft zugehörig fühlen und mögliche Hemmungen für die weitere Zusammenarbeit verlieren. So werden die Neuankömmlinge zu einem Mitglied der als positiv empfundenen Wir-Gemeinschaft. Die Erleichterung über die freundliche Aufnahme in den Kollegenkreis wird gestalterisch betont. Die Stilisierung erfolgt hier im Ausdruck von Erstaunen, das die Negation von etwas weniger Erfreulichem kommuniziert (ich hätte nicht erwartet, nicht so … wie es mir erschien), durch den Ausdruck von Befreiung, der durch die Markierung eines Ausrufs in Verbindung mit dem Beginn von etwas Neuem (jetzt konnte es richtig losgehen!) entsteht und durch die explizite Bewertung mit dem positiv besetzten Anglizismus Highlight in Verbindung mit der Modalfunktion definitiv.

(3) Das Erleben einer positiv empfundenen Wir-Gemeinschaft verbinden die Erzählenden – insbesondere im institutionellen Kontext – mit Signalen, die Nähe und Vertrautheit herstellen. Darunter fällt bspw. die Anrede der Kolleg/innen. Auch wenn im Deutschen die Trennung zwischen der Du-Anrede und der Sie-Anrede im institutionellen Bereich bei Weitem nicht mehr so strikt gehandhabt wird, wird mit der Sie-Anrede nach wie vor persönliche Distanz verbunden (Ankenbrand 2013: 137). Daher hebt eine Erzählerin zur Stilisierung der Wir-Gemeinschaft die vom Unternehmen herausgegebene Verhaltensregel hervor, die Du-Anrede zu verwenden:

„Alle stellen sich mir beim Vornamen vor, denn bei Telefónica duzen sich alle Mitarbeiter untereinander, egal welche Position sie im Unternehmen haben.“ (Telefonica, Blog, 2016-08-29. Korpusquelle: Telef_759_WB)

Den besonderen Aspekt betont die Erzählerin anhand der Rechtsherausstellung. Eine Rechtsherausstellung nimmt Ergänzungen und Umstandsbeschreibungen auf (Schwitalla 2006: 115). In diesem Beispiel ist es die Umstandsbeschreibung, dass die Regelung für alle Unternehmensmitglieder gilt, egal welche Position sie im Unternehmen haben. Damit bezieht sich die Erzählerin auf das reziproke Du, das sie als etwas Besonderes erlebt. Heute gehört zwar das reziproke Du nicht nur zwischen Kolleg/innen, sondern auch zwischen unterschiedlichen Hierarchieebenen zur Unternehmenskultur vieler Unternehmen (Ankenbrand 2013: 137), doch die Erzählerin empfindet diese Entformalisierung des unternehmensinternen Umgangs als ein positives Merkmal einer Wir-Gemeinschaft.

(4) Die letzten Aspekte zur Stilisierung einer Wir-Gemeinschaft beziehen sich auf die alltägliche Zusammenarbeit. In der Organisationspsychologie zeigen Stempel und Dettmers (2018) mit ihrer Studie, dass soziale Beziehungen ein signifikanter Prädiktor für das Wohlbefinden von Mitarbeiter/innen in ihrem Unternehmen sind. Insbesondere Hidrance Stressoren, also arbeitsbezogene Anforderungen, die die persönliche Leistung und Weiterentwicklung einschränken (z. B. Zeitdruck), kompensieren Mitarbeiter/innen darüber (siehe hierzu auch Humphrey et al. 2007). Dadurch ist das soziale Miteinander ein entscheidendes Element dieser (S)D. So verwundert es auch nicht, dass das Erleben der Wir-Gemeinschaft darauf beruht, dass es üblich ist, sich gegenseitig zu helfen, sich zu unterstützen und einen freundlichen Umgang miteinander zu pflegen. Die folgenden Zitate veranschaulichen, wie die Mitarbeiter/innen das versprachlichen und was sie darunter verstehen:

(Bsp. 1) „ … habe ich noch nie Unfreundlichkeit erlebt. Bisher fand ich die Atmosphäre immer sehr angenehm kollegial. Man kann so entspannt zur Arbeit gehen, wenn man weiß, dass man immer Fragen stellen kann und hilfsbereite Antworten erhält.“ (Rewe, U.-Homepage, 2016-06-02. Korpusquelle: REWE_289_WS)

(Bsp. 2) „Aber wie sollte ich über die verschieden Bereiche eines Konzerns mit 10.000 Mitarbeitern berichten und damit wirklich im Intranet erscheinen? Das war im ersten Moment schon ungewohnt. Doch durch die vielen super lieben Kollegen hatte ich kein Problem damit. Denn sobald mal eine Frage auftauchte, halfen sie mir sofort und standen mit Rat und Tat zur Seite.“ (Telefónica, Blog, 2015-01-03. Korpusquelle: Telef_771_WB

(Bsp. 3) „Die Atmosphäre im Low Friction Competence Center von Volkswagen gefällt ihm sehr gut: „Wir sind hier sehr teamorientiert. Wenn jemand eine neue Idee hat, dann setzen wir uns in einem kleinen Kreis zusammen und besprechen das. Jeder bekommt Rückmeldungen, Tipps und Unterstützung. Wenn es zum Beispiel um Messtechniken geht, kann ich auf die betreffenden Fachleute zugehen. Ich habe noch nie erlebt, dass einer sich nicht zuständig gefühlt oder keine Zeit hat“ berichtet er.“ (VW, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: VW_431_WS)

(Bsp. 4) „In schwierigen Situationen, in denen es im Projekt intensiv wird und man danach im Team darauf zurückblickt, darüber erzählt und lacht. Denn in genau diesen Situationen erfährt man den besonderen ECON-Teamgeist. Jeder versucht zu helfen und zu unterstützen. Das ist das Entscheidende, was uns als Team wirklich zusammenbringt.“(E.ON, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: E.ON_603_WS)

(Bsp. 5) „Der Teamspirit bei uns ist wirklich toll. Das hat mir geholfen sehr schnell zu verstehen, wie die Dinge bei Daimler ablaufen.“ (Daimler, U.-Homepage, o. J. Korpusquelle: DAIMLER_009_WS)

Zu etwas Außerordentlichem bzw. etwas Erstaunlichem werden diese Äußerungsinhalte stilisiert durch Verallgemeinerung: noch nie, jeder, immer. Daraus werden positive Konsequenzen für die Zusammenarbeit abgeleitet: man kann so entspannt zur Arbeit gehen, hatte ich keine Probleme damit, die Atmosphäre gefällt mir sehr gut. Und dann vor dem Hintergrund der Wir-Gemeinschaft bewertet: sehr teamorientiert, Team, ECON-Teamgeist, Teamspirit. Um die Bewertung zu begründen, greifen die Erzähler/innen auf Situationen zurück, mit denen sie dieses Teamerlebnis aufgrund der kollegialen Interaktion verbinden: man immer Fragen stellen kann und hilfsbereite Antworten erhält, halfen sie mir sofort und standen mit Rat und Tat zur Seite, Jeder bekommt Rückmeldungen, Tipps und Unterstützung, Jeder versucht zu helfen und zu unterstützen.

Das Zusammenwirken der vier Darstellungsbereiche mündet in eine deutlich positive Stilisierung der Wir-Gemeinschaft. Sie bringt zum Ausdruck, dass die Erzählenden die erlebte Interaktion unter den Mitarbeiter/innen nicht als Normalfall betrachten. Die situativen Beschreibungen als Ausdruck des Erlebens, gehen auf die Merkmale Freundlichkeit und Unterstützung zurück, die die Erzähler/innen einer vorbildlichen Wir-Gemeinschaft zuschreiben. Zugleich signalisieren die nahezu euphorischen Schilderungen, dass die Mitarbeiter/innen gerne Teil der Gemeinschaft sind. Die Stilisierung des ,attraktiven Arbeitgebers‘ profitiert von dieser Facette, da die eigenen Angestellten als Vermittler/innen für ein positives Image fungieren und potenzielle Mitarbeiter/innen dadurch Interesse an dem Unternehmen als Arbeitgeber entwickeln.

8.6.4 Narrative Rhetorik: Selbstidealisierung

Die Stilisierung des Grundtyps ,attraktiver Arbeitgeber‘ offenbart die narrative Rhetorik der Selbstidealisierung. Das Determinativkompositum setzt sich aus den zwei Konstituenten selbst und Idealisierung zusammen. Das Determinatum Idealisierung wird von dem Determinans selbst in seiner Bedeutung näher bestimmt. Das bedeutet, dass die Idealisierung von einem Selbst vorgenommen wird. Obwohl die selbstdarstellenden Äußerungseinheiten von verschiedenen Mitgliedern des Unternehmens stammen, bezieht sich das Pronomen ,selbst‘ auf das Unternehmen als Ganzes. Der Grund dafür ist, dass die Mitarbeiter/innen in ihrer beruflichen Rolle als Repräsentant/innen des Unternehmens und pars pro toto für das Unternehmen stehen. Den Vorgang etwas zu idealisieren definiert der Duden als, „etwas vollkommener sehen, als die betreffende Person oder Sache ist“ (Duden 2010 [CD-ROM], Fremdwörterbuch). Dieses Idealisieren entsteht in den erhobenen uRE durch zwei Vorgänge. Zum einen, da Angestellte versuchen ihr positives Erleben in Bezug auf das Unternehmen mithilfe von einem intensiven Emotionsausdruck intersubjektiv nachvollziehbar zu machen (= Emotionalisieren durch Emotionsmanifestationen). Diese starke Stilisierung erweckt mitunter den Eindruck einer einseitigen, verherrlichenden und verklärenden Konstruktion der Unternehmenswirklichkeit. Zum anderen wirkt bei der Stilisierung das narrative Merkmal der Mehrstimmigkeit: entweder sind in eine heterodiegetische Erzählung mehrere Mitarbeiterstimmen eingearbeitet oder einzelne homodiegetische Erzählungen/Erzählepisoden werden gebündelt veröffentlicht. So kommt es durch das vermehrte Stimmvolumen zu einer „eindeutigen Vieldeutigkeit“, da sich das gewünschte Merkmal der (S)D in Variationen wiederholt. Zusätzlich lädt jede/r Erzähler/in die selbstdarstellenden Merkmale mit einem persönlichen Bezug auf, sodass daraus ein Mehr an Bedeutung erwächst. Die narrative Rhetorik lässt sich in die Nähe des Arbeitsbegriffs Einigkeitsdiskurs von Hartz/Habscheid (2009) stellen, der „den Eindruck von Einigkeit und Partizipation vermitteln soll“ (ebd. 2009: 120). Die Autoren verstehen unter dem Arbeitsbegriff ,Einigkeitsdiskurs‘ einen Typ sprachlicher Inszenierung, durch den seitens der Unternehmen der Versuch unternommen wird,

„mediale Rituale zu stiften, die für die Rezipienten unidirektionaler Kommunikation Partizipation und Einigkeit symbolisch repräsentieren und damit auch auf soziale Kontrolle – im Sinne einer Regulation von Identität – zielen.“ (Hartz/Habscheid 2009: 20).

In der Analyse drei verschiedener Arten von Mitarbeiterzeitungen (Werksnachrichten, Produktionsnachrichten, Konzernnachrichten) identifizieren die Autoren vier Kernelemente. Darunter fällt u. a. der Bereich Affektion und Emotion (Hartz/Habscheid 2009: 129), der sich auch auf den Arbeitsprozess von Mitarbeiter/innen bezieht, in Form von deren Arbeitsethos (Engagement und Teamarbeit). Die herausgearbeiteten Merkmale ,Freundlichkeit‘ und gegenseitige ,Unterstützung‘ als spezifische Ausprägungen der (S)D des ,attraktiven Arbeitgebers‘ zielen aus der Perspektive der „Betroffenen“ auf einen Arbeitsethos. Allerdings in Form eines Einigkeitsdiskurses, den die Unternehmensmitglieder nicht für die interne, sondern für die externe Unternehmenskommunikation nutzen, um im Sinn der (S)D regulierend zu wirken.

Eine Rhetorik im Sinne der (S)D hat zum Ziel, einen gewünschten Grundtyp (,attraktiver Arbeitgeber‘) möglichst wirkungsvoll und glaubwürdig zu formulieren. Je nach (S)D zeigt die Analyse der Typenstilisierung Merkmale der Versprachlichung, die wiederum der narrative Kommunikationsmodus begünstigt. Da es in den benannten Erzählungen grundsätzlich darum geht, eine positive Arbeitsatmosphäre, also eine positive Mitarbeiterkultur, vorzuführen, ist das Erleben der Betroffenen dieser Unternehmenswelt essenziell. Es geht somit darum, die positive Gefühlshaltung zu dem erzählten Sachverhalt – also zu dem Unternehmen – bei den Gesprächspartner/innen zu stärken (vgl. Knape 2009: 39). Das geschieht auf Basis von Handlungen, Intentionen und Gefühlen die die einzelnen Mitarbeiter/innen erzählen und bewerten. In dieser Vermittlung von Erfahrungshaftigkeit (Experientiality) sieht Fludernik (1996) das Wesen der Narrativität begründet. Mit Blick auf die untersuchten Erzähltextepisoden kann daraus abgeleitet werden, dass die emotive Stilisierung der (S)D in den Erzählungen nicht störend wahrgenommen werden muss. Das bietet Unternehmen die Möglichkeit, sich anders als in den rein informationsbezogenen Texten von einer anderen Seite zu präsentieren. Das Abweichen von dem rein Faktischen hin zum persönlichen Erleben ist somit eine Maßnahme, um die Botschaft möglichst wirkungsvoll zu transportieren. Dadurch, dass Mitarbeiter/innen von sich und ihren persönlichen Erfahrungen erzählen, wird ihnen eine bestimmte Glaubwürdigkeit zugestanden. So ist die Stimme der Mitarbeiter/innen der Mittler für die (S)D.