Formulare sind Leerstellen-Module für asymmetrische Kommunikationen.Footnote 1 Sie führen eine Art schriftliches Verhör: Nach herrschaftsunfreiem patriarchalen Muster ›redet‹ der das Formular ausfüllende ›Dialog‹-PartnerFootnote 2 ›nur, wenn er gefragt wird‹, und nur zu den ihm gestellten Fragen – der manchmal vorgesehene Raum für ›Freitext‹ (oder die Möglichkeit der Beigabe eines sog. ›formlosen‹ Anhangs zum Formular) versucht das nachträglich und eher augenwischend zu kompensieren. Die (Staats-)Macht manifestierende Asymmetrie der Formularkommunikation hat auch schon vor Peter Schneiders oben zitiertem exemplarischen 68er-Aufbegehren deren Verweigerung nahelegt, sei es, dass man sie durch eine überbordend-umständliche und pseudo-genaue Beantwortung ad absurdum führte (wie in Ernst Salomons Der Fragebogen von 1951), öffentlich zweckentfremdete (Volkszählungsboykotteure hatten 1987 die Berliner Mauer mit den Erfassungsbögen tapeziert) oder historistisch-ironisch zitierte (die Tagung »Niklas Luhmann am OVG Lüneburg« im Januar 2017 präsentierte ihre Unterlagen in einer im klassischen Kanzlei-Stil der 50er Jahre designten Mappe, inklusive sauberster Sütterlin-Handschrift).Footnote 3 Peter Beckers einleitender Aufsatz zum von ihm herausgegebenen Sammelband »Sprachvollzug im Amt« (2011) beginnt mit der Analyse eines dpd-Pressefotos aus dem Jahr 1948, auf dem eine ältere Dame vor dem Schalter eines Beamten das ›Kommunikationsangebot‹ der Aushändigung eines ihr gereichten Formulars mit abweisender Geste ablehnt. »Die Gestik der Frau als Partei fiel deutlich aus dem Rahmen, weil offene, wenn auch lächelnde Verweigerung gegenüber den Angeboten der Behörden nicht selbstverständlich war und als Provokation aufgefasst werden konnte« (Becker 2011a, 11). Wenn das Formular das »Fließband« der ›Maschine‹ der Verwaltung ist (vgl. Becker 2009), dann ist die Versuchung, es zumindest temporär zum Stottern oder Stillhalten zu bringen, so verlockend subversiv, wie es Charlie Chaplin in Modern Times am ›echten‹ Fließband vorgeführt hat.

Die Unterwürfigkeitsgeste des Formular-Ausfüllens gerät meist dadurch aus dem Blick, dass der Ausfüllende eigentlich kein ›Verhörter‹, sondern ein Antragsteller mit einem bestimmten Ziel und Anliegen ist. Er will schließlich etwas von der Behörde, ist also selbst an der ordnungsgemäßen, vollständigen, zielführenden Erledigung interessiert und ordnet sich seinem angestrebten Zweck unter. Das Formular wird zum bloßen Instrument: lästig, aber unvermeidlich. Die Ahnung, trotzdem einer veritablen »Zumutung« (Schneider) ausgesetzt zu sein, erwächst aus dem sich bald einstellenden Eindruck, das Formular, das meinem Willen Ausdruck verleihen soll, setze diesem einen renitenten Eigenwillen entgegen, einen Bedingungen und Forderungen stellenden Widerstand, der sich kaum als sachlich zwingend und rational durchschaubar verstehen lässt. Die Weitläufigkeit und Redundanz der abgefragten Informationen (von denen man zudem meist weiß, dass sie der abfragenden Behörde und ihren Organen schon längst bekannt sind) machen die Formularfragen zu einem reinen Gehorsamkeits-Ritual, in dem es offenbar gar nicht mehr um die Informationen selbst, sondern um den durch so rückhalt- wie sinnlose Auskunftsbereitschaft zu vollziehenden Unterwerfungsakt als solchen geht. Dem »Ausschuß für wirtschaftliche Verwaltung e. V.« war es folgerichtig 1971 trotz aller Überlegungen zu einer besseren, Bürokratiefeindlichkeit vorbeugenden Formulargestaltung wichtig, bei jedem amtlichen Vordruck doch stets dafür zu sorgen, »daß der Bürger richtig reagiert« (Zit. Becker 2009, 294; Hervorhebung JL).

Ein Gedicht und sein Kontext

Während es vermutlich bei den üblichen Antragsformularen kein Entkommen aus diesem double-bind von Eigen- und Fremdwillen gibt, liegt die Sache dort anders, wo ein Formular deutlich einseitig (die Asymmetrie explizierend) etwas will, also von sich aus, ohne Veranlassung durch den ›Bürger‹, Auskunft erheischt, wie bei dem erwähnten Zensusvorgang. Dieser Sonderfall eines offenbar auf Staatsinitiative vorgelegten, ausschließlich bürgerlichen Input fordernden Zensus-Fragebogens liegt einem bekannten Gedicht von Christian Morgenstern zugrunde, das, »vermutlich in der 1. Januarhälfte 1910 entstanden« (Cureau 2013, 679), zuerst 1910 in der Gedichtsammlung »Palmström« erschienen ist. Schon in der Wahl dieses speziellen Formulartyps ist eine nicht nur poetisch, sondern auch sachlich legitime Verdichtung zu sehen, die die Problematik des ungleichen Behörden-Mensch-Kontakts auf paradigmatische Weise verdeutlicht. So erhält das »geharnischt« Formular eine quasi militärische Statur; das autoritäre Gebaren und Auftreten beschränkt sich im wilhelminischen Obrigkeitsstaat nicht auf Ämter und Amtspersonen, sondern reicht auch unter Bedingungen der Abwesenheit tele-schriftlich bis in die Privatwohnungen hinein. Althussers viel zitierte Anrufung (interpellation) des Polizisten, »He, Sie da«, die den Passanten vom Individuum zum subiectum, zum unterlegenen Subjekt macht (Althusser 1977, 142 ff.),Footnote 4 verlagert sich von der Straße ins Haus und präsentiert sich, im wiedererkennbaren »Harnisch« des Tonfalls, in den bekannten scharfen W-Fragen an den Adressaten des Formulars.

Verse

Verse Die Behörde

Verse

Verse Korf erhält vom Polizeibüro ein geharnischt Formular, wer er sei und wie und wo.

Verse

Verse Welchen Orts er bis anheute war, welchen Stands und überhaupt, wo geboren, Tag und Jahr.

Verse

Verse Ob ihm überhaupt erlaubt, hier zu leben und zu welchem Zweck, wieviel Geld er hat und was er glaubt.

Verse

Verse Umgekehrten Falls man ihn vom Fleck in Arrest verführen würde, und drunter steht: Borowsky, Heck.

Verse

Verse Korf erwidert darauf kurz und rund: »Einer hohen Direktion stellt sich, laut persönlichem Befund,

Verse

Verse untig angefertigte Person als nichtexistent im Eigen-Sinn bürgerlicher Konvention

Verse

Verse vor und aus und zeichnet, wennschonhin mitbedauernd nebigen Betreff, Korf. (An die Bezirksbehörde in – ).«

Verse

Verse Staunend liest‘s der anbetroffne Chef.Footnote

Hier nach der Fassung in Morgenstern 2013, 120 f.

In sieben, aus vier- bzw. fünfhebigenFootnote 6 Trochäen gebildeten TerzinenFootnote 7 wird hier ein nach konventionell-administrativen Kriterien scheiternder amtlicher Kommunikationsablauf beschrieben: auf ein behördlicherseits vorgelegtes Anfragebündel erfolgt eine replizierende ›Antwort‹, an die sich die knappe Andeutung einer Art von ›Feedback‹-Reaktion anschließt: vier Strophen schildern die Ausgangssituation, drei die dadurch veranlasste Handlung des Protagonisten und eine einzige Zeile genügt als ›Duplik‹: der bei Terzinen übliche freistehende Schlussvers bringt eine (nachgeschobene) Pointe. Die strenge poetische Form kommentiert bereits ironisch die offizielle Formalität des ›Verfahrens‹: die übersichtliche Strophen-Gliederung, deren enge Reimverzahnung sowie die ausschließlich ›männlichen‹ Versschlüsse imitieren das Staccato des behördlichen Kommunikationsstils. Die formelhafte Strukturvorgabe der Gedichtform hat selbst einen gewissen Formularcharakter: Wer ein Sonett, ein Ghasel oder eben Terzinen schreibt, muss ›Leerstellen‹ in einem ›Formular‹ mit ›passenden‹ Worten ›ausfüllen‹ (wie Poesie prinzipiell ein Schreiben mit Leerstellen darstellt: nicht nur in Hölderlins späten Fragmenten bleiben konstitutive ›weiße Flecken‹, sondern jeder neue Verszeilenanfang unterbricht ja den ›Fließtext‹ und impliziert die bewusste Lücke, die ›Platzverschwendung‹ in der nicht vollständig genutzten Zeile davor.Footnote 8 Auch das kennt man von jedem Formular: die Papierfläche, die nicht beschrieben werden darf …).Footnote 9

Literaturgeschichtlich kann Morgensterns Gedicht als Beispiel für lyrische Bürokratiekritik rubriziert werden und zählt zu jenen »Verwaltungsgedichten«, die Michael Kilian (Kilian 2001) anführt: Zwei Gedichte mit dem Titel Der Beamte (von StormFootnote 10 und Weinheber), der Zyklus Das Grundbuchamt von Georg Heym und eben Morgensterns Behörden-Poem werden genannt.Footnote 11 Die geringe Zahl könnte an einer Genre-Inkompatibilität liegen: für die literarische Auseinandersetzung mit der Bürokratie dient »insbesondere der verhältnismäßig offene und flexible Roman« (Stüssel 2004, 9).Footnote 12

In der unvollendeten Morgenstern-BiografieFootnote 13 seines Freundes Michael Bauer wird die Entstehung des Gedichts in einen Zusammenhang mit realen Erlebnissen des Dichters gebracht, als sich 1910 im Vorfeld seiner Hochzeit mit Margareta Gosebruch von Liechtenstern die »Beschaffung der für die Heirat erforderlichen Papiere verzögerte«: »Die Antwortschreiben der Behörden ›in Ansehung nebigen Betreffs‹ veranlaßten Morgenstern, seine weiteren Anfragen in einem Kanzleideutsch abzufassen, das die Vorbilder noch übertraf« (Bauer 1985, 205). Leider gibt Bauer für solche behördlichen Eingaben von der Hand Morgensterns keinerlei Beleg; in der im Rahmen der »Stuttgarter Ausgabe« veröffentlichten BriefsammlungFootnote 14 findet sich kein Beispiel für solche Amtsbriefe Morgensterns; in einem Brief vom 11.11.1909 berichtet er allerdings seinem Freund Kayssler, auch seine »eigenen Anschriften [zeichneten] sich durch klassisches Juristendeutsch aus« (Morgenstern 2018, 170).Footnote 15

Dass diesem Gedicht, anders als bei den meisten kaum auf konkrete Erlebnisse zurückzuführenden und eher am absurd-komischen Sprachspiel orientierten Morgenstern-Schöpfungen, reale Erfahrungen zugrunde liegen, ist anzunehmen, auch eingedenk Morgensterns eigener Einschätzung (im Tagebuch 1911/12), seine »Galgenpoesie«, zu deren Nachfolge-Werken die Palmström-Sammlung gehört, sei »Erlebnisdichtung« (zit. bei Nyczka-Pisarski/Sośnicka 2018, 22). Alfred Liede meinte, so wie die Sammlung »Palmström« das »Charakterbild ihres Dichters« spiegle, so komme im Behörden-Gedicht seine »Abneigung gegen […] Ämter« (Liede 1992, 345) zum Ausdruck. Tiefer ginge aber vielleicht eine biografisch-charakterologische Untersuchung, die in dem Lebensdaten-Verweigerer Korf eine Projektions- und Identifikationsfigur seines Autors sieht. Als Morgenstern 1908 seinen Freund Kayssler auf den ersten Besuch mit seiner Verlobten vorbereiten will, bittet er darum, die Althusser-Vokabel wörtlich vorwegnehmend, »auch (!) sie […] nicht zu sehr ›an[zu]rufen‹«, um seinetwillen. Denn: »Ich muss alles ausserhalb der üblichen ›Begriffe‹ halten […]. In dem Moment, wo ich mich irgendwie oder irgendwo zu sehr eingereiht fühlte, beginnt die Gefahr für mich […]. Ich hatte mich selbst schon seit Langem weit mehr der ›Hauslosigkeit‹ verschworen, als Ihr ahnt« (Morgenstern 1911, 675; Hervorhebung im Original).

Herr (von) Korf, eine poetologische Figur

Die 1910 bei Bruno Cassirer erschienene Palmström-Sammlung sollte an den Erfolg der »Galgenlieder« anschließen, sie aber nach dem Willen ihres Autors auch »nach und nach etwas überschatten« (Morgenstern 2018, 189).Footnote 16 Die Figur von Herrn Korf (oft auch aristokratisch »Herr von Korf«: nicht einmal die einfache Frage, »welchen Stands« er sei, scheint bei ihm eindeutig geklärt) taucht gleich im ersten Gedicht der Palmström-Sammlung zusammen mit dessen Namensgeber auf, und zwar aus Anlass einer gemeinsamen Reise »in ein sogenanntes Böhmisches Dorf«: für diese namensgebende Gedichtzeile wird ein »Herr v. Korf«, wie auch gleich zugestanden wird, »des Reimes wegen« benötigt. Schon diese extradiegetische, poetologisch legitimierende Introduktion deutet an, dass es sich um eine Figur höher potenzierter, nämlich selbstreflexiver Imagination handelt, deren rein »poetische Existenz« nicht stillschweigend voraus-, sondern reflexiv und erzählstrategisch eingesetzt wird: eine als Fiktion deklarierte (Anti-)Fiktion. In der Tat berufen sich eine ganze Reihe von (weniger bekannten) Palmström-Gedichten auf die explizite Fiktionalität der Korf-Figur; der für das Behörden-Gedicht zentrale »Witz« der Inkongruenz von Wirklichkeit und poetischer Erfindung findet sich etwa auch in dem Gedicht »Korf-Münchhausen« (worin dem Leser versichert wird, dass Korf wie weiland Münchhausen und als sein direkter Imitator nicht in dem Sumpf untergehen wird: »Denn, wie man schon oft erfuhr, / ist v. Korf kein Mensch wie wir, / ist ein Mensch pro forma nur«; Morgenstern 2013, 267). Auch in »Korf in Berlin« »ist [Korf] weder männ- noch weiblich / sondern schlechterdings ein Geist, / dessen Nichtsein unausbleiblich« (Morgenstern 2013, 268). In »Die Waage«, die jedem sein Gewicht durch eine »Glockenspielansage« musikalisch mitteilt, heißt es in fast wörtlicher Entsprechung: »Nur v. Korf entsendet keine Weise, / als (man weiß) nichtexistent im Sinn / abwägbarer bürgerlicher Kreise« (Morgenstern 2013, 268). In »Palmström wird Staatsbürger« gewinnt die »Unfaßlichkeit« der Figur handgreifliche Züge: »Alle werfen sich auf Korfen --- / Doch umsonst geworfen! / Korf ist – Geist …« (Morgenstern 2013, 261). Auch dem allesfressenden »frommen Riesen« entkommt Korf, »weil er ein ›Geist‹, wie schon beschrieben« (Morgenstern 2013, 270).Footnote 17

Das Spiel mit der Interferenz und Inkongruenz von Realität und Fiktion, für die Morgensterns Korf-Figur generell steht, führt im Behörden-Gedicht zum Scheitern der Kommunikation mit der Behörde, die zunächst versucht, imitiert und simuliert wird: der Rückzug in die eingestandene Irrealität der poetischen Erfindung liefert ein Modell für die Irritation eines Verwaltungsakts durch staatsbürgerliche Unbotmäßigkeit und Verweigerung.Footnote 18 Die im Gedicht erfolgreiche Widerstandsleistung soll sicher kein realpolitisches oder revolutionäres Vorbild liefern; der radikale Register- und Ebenenwechsel, der eine fiktive Figur mit einer auf ›belastbare Wahrheit‹ pochenden Behörde konfrontiert, und den man erzähltheoretisch als »Metalepse« ansprechen könnte, als eine Transgression oder Grenzverletzung mit GenetteFootnote 19 oder als »frame breaking« mit GoffmanFootnote 20, thematisiert gleichwohl eine in ihrem Ausgang völlig unsichere Bewährungsprobe sowohl der Poesie (als besserer Wirklichkeits-Alternative) als auch der Realität (als sich als geistig unbefriedigend erweisende Sphäre banaler Prosa). Die unmittelbare Konfrontation von Wirklichkeit und dichterischer Imagination erfüllt den Tatbestand der Brechtschen »Verfremdung« (vgl. Schimmang 2013, 135Footnote 21), gleichwohl ist eine pessimistisch-eskapistische Grundhaltung nicht zu überhören: dem behördlichen (Daten-)Zugriff ist nur durch den Rückzug in das transzendenteFootnote 22 Reich der Fiktion zu entrinnen – ein Rückzug, der einen realen zivilbürgerlichen Widerstand um den Preis jeder »Bürgerlichkeit« überhaupt aufgibt.Footnote 23 Auch für Korf wird gelten, was Morgenstern für die Palmström-Figur in Anspruch nimmt: ihr »Wert aber liegt […] fast ganz nur in der Art von Geistigkeit, die sich in ihr zu offenbaren strebt, u. die vor allem von jenem stumpfen Ernst befreien zu können scheint, von jenem Zustand des ›ganz Drinnen-seins‹ in der Welt der Erscheinung, die den Menschen von heute in so hohem Maasse gefangen u. geknebelt hält« (Briefentwurf von 1912; Morgenstern 2018, 514). Dass der entscheidende Punkt der Haus- und Existenzlosigkeit »im Eigensinn / bürgerlicher Konvention« ein vollständiges Aus-dem-Rahmen-Fallen bedeutet, wird auch durch den nur hier »eigensinnig« veränderten trochäischen Grundrhythmus deutlich: das Gedicht verstößt holpernd auch gegen seine eigenen formalen Konventionen.

Formularfelder und Poesie-Spielräume

Zur hier interessierenden Frage nach dem kommunikations- und organisationstheoretischen Status von Formularen lässt sich sagen: Formulare sind vorformulierte Halb-Texte auf der Suche nach einem ungewissen, nur ungefähr antizipierbaren Adressaten. Wenn der »Bürger« in ihnen »seine Wirklichkeit unter institutionelle Kategorien subsumieren« (Becker 2011a, 237) muss, operieren Formulare immer mit dem Risiko der Inkongruenz, der mehr oder weniger deutlichen Nicht-Passung zum von ihren Erstellern intendierten Zweck. Hegelianisch formuliert: Das Allgemeine, das das Formular vertritt und das durch das je Einzelne, das in die vom Formular frei gelassenen ›Felder‹ einrücken soll (die militärische Metapher scheint angebracht), erst zum konkreten Besonderen, zum ordnungsgemäß erfassten ›Fall‹ wird, riskiert, mit seinen formalen Leerstellen auf inhaltliche Leere zu treffen, auf Nicht-Passungen, auf vollständig ›Nicht-Zutreffendes‹ (wo es nichts ›Zutreffendes anzukreuzen‹ gibt) oder gar auf vollständige Absenzen. Um dieses Maximalrisiko der Null-Adäquatheit, der vollständigen Aussagelosigkeit und Unzuständigkeit des Formulars im je konkreten Fall zu mindern, sehen zumindest moderne elektronische Formulare meist (als solche besonders gekennzeichnete) sog. ›Pflichtfelder‹ vor, also Leerstellen, die nicht nicht ausgefüllt werden können, wenn man nicht auf jeden beabsichtigten Zweck verzichten will. Das elektronische Formular ist dadurch schon mit einem präselektiven Abwehr-Mechanismus ausgestattet, der wesentlich unvollständig (und daher grundsätzlich ›falsch‹) ausgefüllte Formulare gar nicht erst an die verarbeitende Behördeninstanz weitergibt; es handelt sich um eine Art erste Bedingungs- und Hindernis-Mauer, eine erste von mehreren Hürden, die das per Formular mitgeteilte Begehren auf seinem Weg bis zum gewünschten amtlichen Respons überwinden muss – auf dem strengen Prüfweg der Verwaltungs-Konditionallogik von den notwendigen zu den hin- und ausreichenden Bedingungen.

Allerdings werden durch diese im Formular markierte Unterscheidung zwischen ›wesentlichen‹ und ›optionalen‹ Informationsanforderungen nicht nur Ermessensspielräume eröffnet, die es einem als selbstverantwortlichen ›Dialogpartner‹ verstandenen User anheimstellen, wieviel an nicht-notwendigen Auskünften er mitteilen will – womit aber auch der Verdacht der Willkür naheliegt. Wenn Formulare eingestandenermaßen immer mehr abfragen, als eigentlich strikt nötig ist, riskieren zumindest alle weitergehenden Fragen den Verdacht, zu weit zu gehen. Die Vermutung, unnötig intensiv und indiskret durch formularisierte und standardisierte Abfragen ausgefragt zu werden, ist natürlich bei gänzlich auf behördlicher Initiative und rein staatlichem Auskunftsverlangen beruhenden Erhebungen besonders gegeben (etwa bei Volkszählungen). Seit die massiven Widerstände vor dem 1987 durchgeführten Zensus 1983 zu einer verfassungsgerichtlich verfügten Abfrage-Änderung führten, sind wir datenschutz-rechtliche Vorbehalte (›Recht auf informationelle Selbstbestimmung‹) gewohnt. Morgensterns widerspenstiger Herr Korf antizipiert gewissermaßen solche Bedenken, denn seinerzeit waren Volksbefragungen mit diesen Modalitäten gar nicht üblich: Im Deutschen Reich wurden seit 1871 alle fünf Jahre Volkszählungen durchgeführt, wobei die Informationen nicht per postalisch zugestelltem Fragebogen und Formular gesammelt wurden, sondern durch von Haus zu Haus in den einzelnen »Zählbezirken« vorstellig werdende Beauftragte, die unter Leitung der Lokalbehörden die Daten in »Haushaltungslisten« eintrugen (Michel 1985, 90). Es gehört also schon zur anachronistisch-vorausblickenden Fiktion der dargestellten Situation (bzw. zur paradigmatischen Verkürzung realer Gegebenheiten), wenn Morgenstern ein von der Behörde vorgelegtes Zensus-Formular imaginiert, das rein fordernden Charakter hat.

Deswegen muss es eben auch »geharnischt« auftreten, weil – im Unterschied zu vielen anderen formularisierten Gelegenheiten – auf kein reziprokes Interesse des Adressaten an der ›freiwilligen‹ Selbstauskunft gezählt werden kann. Diese zu verweigern, ist gerade wegen der radikalen, existentiellen ›Wesentlichkeit‹ der vorgelegten Fragen praktisch unmöglich: das Formular stellt den ›ganzen Menschen‹, eben sein ganzes »Wesen« (mit Heidegger als Verb verstanden) in Frage. Wer keine oder nur ungenügende Basis-Definitionen zum eigenen Sein (Name, Herkunft, Wohnort, Beruf) liefern kann, hat seine Existenz verwirkt, nicht nur aus behördlicher Sicht. Morgensterns Gedicht schafft insofern eine radikal ambivalente Situation, weil ein dezidiert die Existenz in Frage stellendes Formular auf ein dezidiert nicht-existentes Wesen trifft. Es wird nicht nur eine poetologisch brisante Konstellation verhandelt, nicht nur ein ironisch-parodistischer Witz über bürokratische Zumutungen gemacht, sondern vielleicht das konstitutive ›Leerstellen‹-Problem von formalisierten Verwaltungsakten allgemein thematisiert.

Morgensterns Figur Korf sieht sich attackiert (»geharnischt« ist, wer seine offensiven Absichten durch defensive Gewappnetheit verschleiert) von einem aggressiv Personaldaten fordernden Formular, das ihn mit einer (vom Leser leicht verlängerbaren) Reihe von W-Fragen bedrängt, die seine ›Persönlichkeitssphäre‹ betreffen. Dazu werden sie in indirekter Rede so reformuliert, dass sie eben diese Intimität verdeutlichen; die übliche und scheinbar harmlose Standardfrage nach der ›Religionszugehörigkeit‹ (so würde das entsprechende Formularfeld benannt) wird hier nacherzählt als ziemlich indiskrete Erkundigung danach, »was er glaubt«. Der oft als typisch für die Kanzleisprache und als »bürgerfern« empfundene Nominalstil (also die »Hauptwortsucht«, Becker 2011b) des (vom Leser zu imaginierenden) Formularvordrucks – ›Name‹, ›Aufenthaltsort‹, ›Geburtsort und -datum‹, ›Aufenthaltsgenehmigung‹, ›Einkommen‹ usw. – wird aufgelöst in Fragepronomina und -sätze, wodurch eine Verhör-Situation evoziert wird. Die Veralltagssprachlichung des Formulartexts markiert daher einerseits Korfs Distanz zu den Formular-Verantwortlichen und ihrem Ansinnen, gleichzeitig unterstreicht sie aber auch die lebensweltliche Aufdringlichkeit, mit der die scheinbar harmlosen behördlichen Fragen in die individuelle Sphäre eingreifen und das Individuum zwingen, privat-persönliche Gewissensinhalte preiszugeben. Schon die Frage nach dem »Zweck«, um dessentwillen man »hier lebt«, kann mit der Angabe des Berufs (wenn das denn damit gemeint sein sollte) nicht wirklich erschöpfend beantwortet werden; vor allem aber erfordert die Übersetzung der Auskunft der Religions- oder Konfessionszugehörigkeit in die Frage, »was man glaubt«, eigentlich eine sehr intime geständnisartige Gewissensprüfung, eine wirkliche »Konfession«. Vermutlich nicht zufällig steht diese alleraufdringlichste Frage am Schluss der behördlichen Indiskretionen, als ihr Höhepunkt; und wie sollte jemand wie Morgenstern, der 1906 in einem Brief geschrieben hatte: »was lebendig macht, ist allein der Geist des Allumfassens, Alldurchdringens, des Glaubens an nichts und alles, und zwar zugleich an restlos nichts und an restlos alles« (Morgenstern 2011, 143), auf diese Formularfrage »was er glaubt« auch antworten? Das überfallsartige Gebaren des im Formular metonymisch auftretenden »Polizeibüros« wird im Übrigen dadurch verdeutlicht, dass im Eröffnungssatz der semantisch eigentlich notwendige Relativsatz-Einschub – »Korf erhält […] ein […] Formular, [das ihn danach fragt], wer er sei und wie und wo« – ersatzlos gestrichen ist. Rhetorisch würde man hier von einer Figur der brevitas sprechen; im vorliegenden Zusammenhang weist der Text aber damit auch die ›Leerstellen‹ auf, von denen er spricht.

Das so mit den ersten beiden Strophen in seinen Grundzügen angedeutete Formular schließt mit zwei ungewöhnlichen und auch widersprüchlichen Rahmen-Informationen. Man hat ›keine weiteren Fragen‹, sondern noch amtliche Mitteilungen zu machen. Da ist zum einen die Androhung unmittelbarer staatlicher Gewalt: dass diese Korf »vom Fleck [weg]« verhaften lassen kann, verstärkt noch einmal den Eindruck handgreiflichster Präsenz der eigentlich nur durch das symbolische boundary object des Formulars anwesenden Macht. Gleichwohl – aber das gehört wohl zur effizienten Ausübung von Macht – wird der Eintretungsgrund der Drohung, das den Gewaltzugriff auslösende Moment, gar nicht genau beschrieben: die bürokratische Genitiv-WendungFootnote 24 »Umgekehrten Falls« lässt sich auf keinerlei ›richtigen Fall‹ beziehen, das ›Entweder‹ zu diesem angedrohten ›Oder‹ ist unklar (»ill-defined«, Moray 1984): Macht man sich durch die ›falsche‹, die ›unvollständige‹ Beantwortung der Formularfragen oder die Nicht-Beantwortung schuldig? Auch hier wird offenbar wieder eine präzisierende Erläuterung (vom Typ ›Sie werden verhaftet, wenn Sie x, y, z, nicht tun‹) unterschlagen. Die behördlichen Formularproduzenten bearbeiten also das oben beschriebene, gerade durch seine ungenaue Beschreibbarkeit brisante »Risiko der Inkongruenz« mit der Inaussichtstellung extremer Sanktionen.

Die andere Information ist eine, die man bei Behördenformularen (heute) am wenigsten erwartet: das Formular präsentiert sich mit (Nach-)Namen, hier sogar mit zweien. Die sonst in der Anonymität ›der‹ Behörde ungehört verhallende Frage jedes Formularausfüllenden: ›Wer will denn das von mir wissen?‹ erhält hier eine scheinbar konkrete Antwort; jeder weiß, dass nur eine »kafkaeske« Aussicht besteht, diesen Personen jemals face-to-face gegenüberzustehen. Das Gedicht lässt außerdem offen, ob es sich um tatsächliche Unterschriften handelt oder um ›vorgedruckte‹ feste Bestandteile des Formulars. Bürokratie tritt hier jedenfalls nicht neutral-unpersönlich in Erscheinung, sondern Korf erhält zwei (relativ) individuelle Gegenspieler gegenübergestellt. Die Behörde erhält zwei Nachnamen, und zwar vermutlich die von zwei auf verschiedenen Hierarchiestufen angesiedelten Beamten: einer von beiden wird der verantwortliche Chef, der andere der im Auftrag handelnde ›Sachbearbeiter‹ sein. Auf ihre Funktionen reduziert, benötigen sie keine Vornamen. In der Tat tragen diese Namensnennungen kaum zu einem besonderen human touch des Formulars bei. Viel eher potenzieren sie die eben ausgesprochene Arrest-Drohung. Wenn hier jemand zum Beschluss dieses Formulars ›ich‹ sagt, dann vermutlich nur, um mitzuteilen: ›Ich hab’ Sie genau im Visier…‹. Unter der Maske des Formular-›Harnischs‹ gibt es zwei reale Augenpaare, die Korf ›fest im Blick haben‹.

Korfs devot-subversive Selbstanzeige

Die den zweiten Teil des Gedichts ausmachende ›Antwort‹ des Adressaten Korf fällt auf manche Weise radikal ›anti-bürokratisch‹ aus; zunächst natürlich, weil sie offenbar im formlosen Brief und im Fließtext erfolgt – die Leerstellen des Formulars werden nicht pflichtschuldigst ausgefüllt, die einzelnen Personendaten-Abfragen schlichtweg ignoriert. Korf versteht das Kommunikationsangebot des Formulars wörtlich und man darf annehmen: es sind gerade die beiden Namensnennungen, durch die die Behörde zwei ›Gesichter‹ erhält, die Korf zu einer ›persönlichen‹ Erwiderung einladen. Gleichwohl geht er dieser fingierten Bürgernähe der Behörde nicht so weit auf den Leim, dass er die beiden Beamten direkt ›anschreiben‹ würde. Er wahrt die kommunikative Konvention durch die Vermeidung einer direkten Anrede, die gleichwohl mit der Respektformel der »hohen Direktion« beginntFootnote 25 und mit einer paradoxen Selbstpräsentation als Nicht-Präsentation endet. Korfs »kurzes und rundes« Schreiben verweigert und ersetzt eine Formular-konforme Rückantwort mit einer so unwahrscheinlichen wie schlagenden Begründung: sie negiert die unumgängliche Voraussetzung für die Adressierbarkeit des (›hauslosen‹) Formularempfängers, seine physische Existenz. Das poetische Paradox, dass trotzdem aus dem ›Off‹ eines Nicht-Seins eine Reaktion (wenn schon keine wirkliche ›Antwort‹) auf das Formular-Ansinnen erfolgt, ist auch auflösbar als dichterischer Topos der irrealen subversiven Übererfüllung als Reaktion auf staatliche Überforderung – so etwa wie in Brechts »Ballade vom toten Soldaten« ein bereits gefallener Soldat noch einmal in den »Heldentod« zieht. Der vorauseilende und überschießende Gehorsam auch von Seiten eigentlich nicht Betroffener und nicht ›Geeigneter‹ zersetzt die norm- und normalitätsorientierte Pflichterwartung der MachthaberFootnote 26 (ein anderes literarisches Beispiel dafür wäre die Aushebungs- bzw. Rekrutierungsszene in Thomas Manns Felix Krull).

Korfs in direkter Rede (während die Formularformulierungen nur in indirekter Rede wiedergegeben sind) präsentierte Antwort oszilliert daher auf charakteristische Weise zwischen gefügigem Gehorsam und radikaler Verweigerung. Sie imitiert das Amtsdeutsch der Behördensprache (deutlich z. B. die textimmanenten, selbstreferenziellen Adjektive »untig« und »nebig«)Footnote 27 und gibt sich daher zunächst pseudo-servil (»mitbedauernd«); als »subversiv« könnte aber bereits angesehen werden, dass sie, in drei Terzinen kunstvoll gereimt, einen langen Satz mit einem über drei Zeilen auseinandergezogenen zusammengesetzten Verb, mit dem brachylogisch verkürzten, artifiziell und manieriert wirkenden Zeugma »stellt sich […] vor und aus« ausspannt. Dabei führt sie das Bürokratendeutsch über sich selbst hinaus: das Adverb »wennschonhin« steht in keinem Duden, ist eine nach dem Muster von »mithin« (bei Grimm als Wort der Kanzleisprache erwähnt) – vgl. auch »weiterhin«, »weithin«, »fernhin«, »leichthin« oder »ohnehin« – frei gebildete Neuschöpfung von Morgenstern; gleichwohl wirkt es als ›typisches‹ Beamtendeutsch.

Korfs Stellungnahme schließt mit einer quasi dokumentarischen Volte, indem sie nach der Unterschrift die Ortsangabe der Adressaten unterschlägt: Wie die hier geschilderte poetische Situation gerade durch Absenz »erstaunliche« Präsenz manifestiert, wirkt diese Auslassung (quasi: aus ›Zeugenschutzgründen‹) als Pseudo-Kennzeichen eines authentischen Dokuments und gleichzeitig als Mittel poetischer Universalisierung. Auch dieser den fehlenden Ort markierende Bindestrich »– « zeigt an, dass reale Existenz nur eine Frage eigensinniger, partikularer »bürgerlicher Konvention« ist; sie spielt keine Rolle für das Gelingen des Gedichts: »Sinn« reimt sich eben auch auf »in –«. Man hätte hier auch einen beliebigen, irgendwie reimenden Stadt- oder (böhmischen) Dorfnamen einsetzen können, aber Poesie kann eben auch Leerstellen integrieren, sie kann auch mit Gedankenstrichen dichten (wie es Morgenstern in »Fisches Nachtgesang« mit anderen Graphemen vorgeführt hat).

Die (im traditionellen Terzinen-Schema vorgesehene) alleinstehende Schlusszeile schildert knapp und bündig die unwahrscheinliche Reaktion der »Behörde« auf eine unwahrscheinliche Reaktion auf ein Formular: der »anbetroffene Chef« (das Behördendeutsch hallt hier zurück-wirkend nach), mit dem die Behörde nun zwar eine persona, aber noch keinen Namen erhält (ist es Herr Borowsky oder Herr Heck oder keiner von beiden?), reagiert auf die einzige Weise, mit der der Vertreter des ›Allgemeinen‹, des mit ›Allem‹ Rechnenden, auf trotz alledem völlig unvorhergesehene, ›unvorbereitete‹ Phänomene reagieren wird: mit offenem Mund. Dieses Staunen muss auch das des »Chefs« höchstpersönlich sein; nur »der Chef« ist zuständig für den nonkonformen Publikumsrespons der ungewöhnlicheren Art, nur er kann ihn sich leisten (auf allen unteren Bearbeitungsebenen der Organisation werden außergewöhnliche Fälle ›nach oben‹ gegeben), aber auch nur er exemplifiziert die fundamentale Überforderung der gesamten im Titel angesprochenen »Behörde« durch diesen nicht vorgesehenen ›Sonderfall‹. Erst hier, beim staunend lesenden Chef (alle anderen Instanzen der Behörde haben wahrscheinlich gar nicht gelesen, sondern nur ›registriert‹) kommt der durch Rückzug in die poetische (Selbst-)Fiktion produzierte zivile Widerstand gegen das bürokratische Prinzip zu seiner Geltung. Das »Fließband« stottert plötzlich, denn für diesen Fall, der den Horizont der Verwaltungsmaschinerie über-(eigentlich: unter-)schreitet, liegen keine Routine-Anweisungen vor. Ein »staunender« Chef-Bürokrat, das ist nicht viel (denn dass er dadurch schon, nach Platon, zum Philosophen wird, mag zuviel gehofft sein); als unterschwellig-rebellische An- und Verleitung des Lesers, beim nächsten Ausfüllen „unzumutbarer“ Formulare für ähnliche Irritationen der gegenlesenden Behördenvertreter zu sorgen, wird man Morgensterns Gedicht trotzdem verstehen dürfen.

Un epilogo italiano

Wem die Idee, ein Formular könne sich auch an nicht-existierende Personen wenden und von ihnen auch ausgefüllt werden, nach belangloser poetischer Lizenz klingt, der darf noch einen abschließenden Blick auf ein dann doch erstaunlich wesensverwandtes Phänomen aus der Bürokratie-Geschichte Italiens werfen, die ja für eine ganze Reihe von »unglaublichen« realsatirischen Exempeln gut ist (vgl. Amendola 2016 und dazu Venanzoni 2016). In einem 2015 in der Turiner Tageszeitung »La Stampa« erschienen Artikel von Giuseppe SalvaggiuloFootnote 28 wird unter den »zehn absurdesten Formularen der öffentlichen Verwaltung« auch das für die »Autocertificazione della morte« genannt; also allen Ernstes eine »selbst ausgestellte Todesurkunde«. »Ich bescheinige hiermit eigenhändig, daß ich tot bin« (»Autocertifico che sono morto«) lautet die Überschrift des sarkastischen Berichts aus dem italienischen Bürokratie-Absurdistan.Footnote 29 Herr von Korf kann froh sein, dass seine »selbst-zertifizierte« Nicht-Existenz zwischen Leben und Tod noch eine dritte Möglichkeit zulässt.