1 Haftung für konventionelle Fahrzeuge im Allgemeinen

Vor einem näheren Blick auf die Produkthaftung selbst sollte zunächst in Erinnerung gerufen werden, wie sie in das Gefüge des Deliktsrechts im Allgemeinen passt, und welche Bedeutung sie bei der Zuordnung von Risiken des motorisierten Verkehrs im Besonderen hat. Dies erscheint notwendig, um überhaupt beurteilen zu können, ob und inwieweit die Produkthaftung de lege lata den Anforderungen an ein Schadenersatzrecht in Zeiten des autonomen Fahrens überhaupt gewachsen sein wird, oder ob hier Anpassungen erforderlich sein werden.

Der primäre Fokus des klassischen Haftungsrechtes für Verkehrsunfälle liegt auf dem Fahrer und seinem Verhalten bei der Verwendung des Fahrzeuges, ist doch die Verschuldenshaftung nicht nur der historische Kern aller modernen Deliktsrechte, sondern im Rechtsvergleich auch das verbindende Element mit jenen Rechtsordnungen, die noch keine Gefährdungshaftung für Kraftfahrzeuge vorsehen.

Ob der Fahrer für einen Verkehrsunfall haftet, hängt aber natürlich vom Zusammenspiel einer Reihe von Faktoren ab, insbesondere auch von der Frage, ob sein Verhalten die alleinige Ursache für den Schaden war, oder ob es noch andere kausale Einwirkungen auf das Geschehen gab. Schließlich kann ja das Opfer selbst zum Unfall zumindest beigetragen haben, aber auch weitere Verkehrsteilnehmer oder etwa die Wegehalter. Dazu kommen mögliche Einflüsse höherer Gewalt. Weiters kann ein unfallkausaler Mangel dem Staat zuzuschreiben sein, etwa unzureichende Maßnahmen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs. Schon derartige weitere mögliche Schadensursachen können zumindest zu einer Kürzung der Haftpflicht des Fahrers führen, sofern sein Verhalten überhaupt vorwerfbar war und seine Haftung nicht schon mangels Verschuldens ausscheidet.

Viele (wenn auch nicht alle) Rechtsordnungen haben aber längst andere Haftungsgrundlagen eingeführt, die nicht auf ein (Fehl-)Verhalten abstellen, sondern auf die Zurechnung von Risiken einer Sache, die deren Betrieb oder Verwendung mit sich bringt. Die Einführung von Gefährdungshaftungen im Laufe der Zeit war ja schon bisher im Wesentlichen eine Reaktion des Gesetzgebers auf befürchtete Schäden durch neue Technologien der jeweiligen Zeit.Footnote 1 Die Haftung der Halter oder Betreiber, die oft mit einer ihnen vorgeschriebenen Deckungsvorsorge verknüpft ist, hat sich im Laufe der Zeit durchaus bewährt. Dies zeigt sich insbesondere beim motorisierten Verkehr: Gerade das durch die Kraftfahrzeug-Haftpflicht-Richtlinie (KHRL)Footnote 2 und deren Vorläufer geprägte System der europaweiten Versicherungsdeckung für Verkehrsunfälle fördert die Abwicklung und damit das Funktionieren der jeweils anwendbaren Haftungsrechte in besonderem Maße, was auch bei zunehmendem Einsatz von automatisierten oder autonomen Fahrzeugen mitzuberücksichtigen sein wird.

2 Produkthaftung für konventionelle Fahrzeuge im Besonderen

2.1 Produkthaftung im Allgemeinen

Insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts trat neben die Verschuldens- und Gefährdungshaftung noch ein dritter Ansatz zur Risikoverteilung, bei dem ein anderer Aspekt in den Vordergrund rückte: Statt an ein Fehlverhalten oder die Beherrschung einer Gefahrenquelle anzuknüpfen, fokussiert die Produkthaftung auf den Hersteller und dessen Verantwortung für fehlerhafte Erzeugnisse, die von ihm in Verkehr gebracht wurden. Auch dieser Haftungstyp ist verschuldensunabhängig, aber im Gegensatz zur Gefährdungshaftung, die auf den Halter und damit auf eine Person abstellt, die die Gefahrenquelle typischerweise innehat und kontrolliert, geht es hier um jemanden, der das Produkt gerade nicht mehr hat, weil es bereits an andere weiterverkauft wurde.Footnote 3 Sofern die Schadensursache auf einen Fehler eines Rohstoffs oder eines Bauteils zurückzuführen ist, kann auch dessen Zulieferer zur Haftung herangezogen werden.

Schon bevor sich die EG auf eine Harmonisierung der Produkthaftung durch die entsprechende Richtlinie (PHRL)Footnote 4 einigen konnte, hatten sich in den Mitgliedstaaten allerdings bereits andere Wege herausgebildet, die zu einem Schadenersatzanspruch gegen den Hersteller führten, etwa über Varianten der Verschuldenshaftung, erleichtert durch eine Beweislastumkehr, oder über an das Vertragsrecht angelehnte Konstrukte wie den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.Footnote 5 Auf Letzterem basiert ja in Österreich die sogenannte Produzentenhaftung.Footnote 6 Diese Parallelsysteme waren und sind teilweise nach wie vor wohl die Hauptgründe dafür, dass sich die praktische Relevanz der umgesetzten PHRL in den Mitgliedstaaten erst sehr zögerlich einstellte, um es vorsichtig zu formulieren.Footnote 7

Während die PHRL die Haftung hauptsächlich auf den Hersteller des Endproduktes kanalisiert,Footnote 8 nimmt sie dennoch Bezug auf die übrigen zuvor erwähnten an einem Schadensereignis Beteiligten und regelt ausdrücklich, wie deren Zusammenspiel beim Schadensausgleich zu berücksichtigen ist.Footnote 9

2.2 Produkthaftung für Software und andere digitale Komponenten in Fahrzeugen

Im Verlaufe der Zeit nach Umsetzung der PHRL und mit fortschreitender Technik stellte sich unter anderen eine Frage immer häufiger: Wie passen Erzeuger von digitalen Inhalten in das Konzept der Richtlinie?Footnote 10 Bis heute bleibt dies aber unbeantwortet und damit nicht geklärt, ob z. B. Softwareentwickler „Hersteller“ iSd PHRL sind, sind doch deren Produkte nicht körperlich, sondern eben digital.Footnote 11

In der Praxis wird sich dies Frage zumindest dann den unmittelbar Geschädigten kaum stellen, wenn es sich um mangelhafte Firmware oder andere digitale Komponenten von Fahrzeugen handelt: Bieten diese gerade deshalb nicht mehr jene Sicherheit, die von ihnen erwartet werden kann, werden sie als Ganzes fehlerhaft, und dass sie selbst der PHRL unterliegen, ist klar. Bedenkt man, dass – wie gerade erwähnt – die PHRL ohnedies primär auf den Endhersteller abstellt, und dieser für das Opfer typischerweise der naheliegendste Anspruchsgegner sein wird, der für die Fehlerhaftigkeit auch bloßer Bestandteile seiner Produkte einzustehen hat, wird die Haftpflichtbegründung von dieser Problematik daher nicht tangiert sein; Letztere wird allerdings auf die Regressebene verlagert. Dort stehen sich aber mit dem Fahrzeughersteller und dem Softwareentwickler zwei Parteien in einem B2B-Verhältnis gegenüber, in dem die Risikoverteilung wohl typischerweise vertraglich geregelt sein wird (oder zumindest sein sollte).

3 Produkthaftung für autonome Fahrzeuge

3.1 Verkehrsunfälle in Zeiten autonomen Fahrens

Sind nun aber diese verschiedenen Haftungssysteme im Straßenverkehr der Zukunft auch noch tauglich, um Verkehrsopfer adäquat zu entschädigen? Auch wenn es vielleicht noch etwas dauern wird, werden dennoch über kurz oder lang immer mehr vollautonome Fahrzeuge auf unseren Straßen unterwegs sein.Footnote 12 Sind Verschuldens-, Gefährdungs- und Produkthaftung, wie wir sie bisher kennen, dann auch weiterhin „verkehrstauglich“?

Auf den ersten Blick erscheint zumindest die Ausgangslage nicht grundlegend verschieden – wie im Straßenverkehr mit konventionellen Kraftfahrzeugen können auch bei Unfällen mit selbstfahrenden Autos andere Verkehrsteilnehmer oder Unbeteiligte geschädigt werden, und auch das Spektrum der möglichen Schäden bleibt weitgehend gleich.Footnote 13 Abgesehen davon, dass das autonome Fahren ja vor allem auch deswegen vorangetrieben und beworben wird, weil es die Wahrscheinlichkeit von Unfällen signifikant senken soll, steht aber schon jetzt jedenfalls fest, dass die Bedeutung eines Fehlverhaltens im Straßenverkehr bei der Beurteilung von Schadensfällen wohl deutlich abnehmen wird, sieht man vom neu hinzutretenden, aber eigenständigen Problem von Hackern ab, die mit Schädigungsabsicht die (Fern-) Steuerung von Fahrzeugen übernehmen.Footnote 14 Es werden aber daneben wohl noch weitere Beteiligte hinzukommen, denen mögliche Unfallursachen zugerechnet werden könnten, und die daher bei einer adäquaten Risikoverteilung mitzuberücksichtigen sind.

Am auffälligsten zeigt sich dies bei der sicherlich deutlich stärkeren Interaktion der am Unfall beteiligten Fahrzeuge, sei es untereinander, sei es mit anderen externen Informationsquellen. Zu Letzteren gehören etwa GPS-Systeme oder Straßenleitsysteme. Der Halter wird mit hoher Wahrscheinlichkeit verstärkt Verträge mit Backend-Systemen abschließen müssen, die entweder vom Hersteller selbst oder von Drittanbietern bereitgestellt werden und mit dem Fahrzeug Daten austauschen. All diese Informationsflüsse werden wohl nahezu ausschließlich über (dazwischen geschaltete) mobile Kommunikationsdienste laufen und nicht über Direktverbindungen.Footnote 15 womit zumindest ein weiterer Player dazu tritt, dem auch eine nicht zu unterschätzende potenzielle Störungsquelle zuzurechnen ist, selbst wenn die Fahrzeuge bei Abbruch der Onlineverbindung vermutlich Notbremssysteme implementiert haben werden.

Abgesehen von Daten, die in Echtzeit über das Verkehrsgeschehen und zur direkten Steuerung desselben ausgetauscht werden, dürfen natürlich Softwareupdates und Aktualisierungen von anderen digitalen Inhalten wie Kartenmaterial nicht vergessen werden, die wiederum entweder vom Fahrzeughersteller oder von Dritten angeboten und entweder durch OTA-Update direkt auf das Fahrzeug überspielt werden oder anlässlich eines Werkstattaufenthalts, aber jedenfalls nach Inverkehrbringen des Fahrzeugs, dem zumindest bislang „magischen Moment“ der PHRL.Footnote 16

Auch der Staat wird möglicherweise insoweit eine stärkere Rolle im Gesamtgeschehen spielen, als zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen nötig sein werden, die wiederum vielleicht zumindest teilweise mit den Fahrzeugen kommunizieren werden, etwa Sensoren in der Straße oder Ampelsteuerungen.Footnote 17

Müssen wir angesichts dieser gesteigerten Komplexität des Verkehrsgeschehens unter anderem auch die Produkthaftungsregeln anpassen?Footnote 18 Sehen wir uns dazu die einzelnen Anspruchsvoraussetzungen im Lichte der neuen Technologien an.

3.2 Voraussetzungen eines Produkthaftungsanspruchs

3.2.1 Ersatzfähiger Schaden

Wie bei allen Schadenersatzansprüchen ist zunächst zu klären, ob überhaupt ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist. Dies wird im Falle der Produkthaftung vor allem begrenzt durch Art 9 PHRL, wonach lediglich Personenschäden und bestimmte Sachschäden vom Haftungsregime der Richtlinie erfasst sind. Letztere sind zudem doppelt begrenzt: Zum einen verlangt die deutsche Fassung dabei eine „Selbstbeteiligung“ des Opfers in der Höhe von (nunmehr) € 500, was der österreichische § 2 Z 2 PHG so umgesetzt hat, dass der Hersteller „nur mit dem 500 Euro übersteigenden Teil“ haftet, während andere MitgliedstaatenFootnote 19 das lediglich als Mindestschaden verstehen (und dem Opfer daher auch die ersten € 500 Euro ersetzen, sofern der Sachschaden insgesamt diese Schwelle übersteigt). Zum anderen sieht Art 9 lit b PHRL Ersatz nur für Schäden an solchen Sachen vor, die „gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt“ sind und (kumulativ!) vom konkreten Opfer auch tatsächlich nur so verwendet wurden.Footnote 20 Beide Einschränkungen sind zwar unbefriedigend,Footnote 21 führen aber bei autonomen Fahrzeugen zu keinen anderen Ergebnissen als bei konventionellen.

Eine schon bislang beim Schadensbegriff der Produkthaftung höchst umstrittene Frage hat aber bei selbstfahrenden Autos und ähnlichen stark von Software abhängigen Produkten besondere Relevanz, und zwar die Ersatzfähigkeit sogenannter Weiterfresserschäden.Footnote 22 Gem Art 9 lit b PHRL ist zwar klar, dass nur die „Beschädigung oder Zerstörung einer anderen Sache als des fehlerhaften Produktes“ Ansprüche aus Produkthaftung auslöst, womit der Eigentümer eines autonomen Fahrzeugs nicht dessen (End-)Hersteller auf Ersatz klagen kann, wenn etwa vorinstallierte, aber fehlerhafte Firmware oder KI das Auto im wahrsten Sinne des Wortes an die Wand fährt. Dies schließt aber keineswegs Ansprüche gegen den Softwareentwickler als Zulieferer des problematischen digitalen „Bauteils“ aus;Footnote 23 was aber natürlich wiederum voraussetzt, dass digitale Inhalte überhaupt als Produkte iSd Richtlinie gelten.Footnote 24

Schließlich stellt sich umgekehrt gerade auch bei stark „datenlastigen“ Produkten die Frage, ob Schäden an den digitalen Inhalten selbst ersatzfähig sind, wenn also etwa durch eine Kollision mit einem autonomen Fahrzeug Daten korrumpiert oder gelöscht werden, sei es in einem anderen Fahrzeug, sei es in Infrastruktureinrichtungen oä, was zumindest einen Neuinstallationsaufwand auslöst. Auch hier geht es um den Begriff der „Sache“ iSd PHRL und damit wiederum insbesondere um die Voraussetzung der Körperlichkeit, aber eben nicht bei der Produktdefinition, sondern beim Schadensbegriff. Dennoch muss wohl ein und derselbe Begriff „Sache“ an beiden Stellen der Richtlinie (Art 2 und Art 9 lit b PHRL) gleich interpretiert werden: Schließt man Software als Produkt wegen mangelnder Körperlichkeit aus, können auch Schäden an Daten nicht ersatzfähig sein. Dies hat der österreichische Gesetzgeber – allerdings ohne klare Deckung im Richtlinientext – konsequenterweise so entschieden, indem gem § 1 Abs 1 PHG nur Schäden an „körperlichen“ Sachen ersetzt werden können, so wie gem § 4 PHG nur „körperliche“ Sachen Produkte sein können.

3.2.2 Produkt

Soweit es um ein autonomes Fahrzeug als Ganzes geht, ist es zweifelsohne ein Produkt iSd PHRL, ist dies in Art 2 PHRL doch definiert als „jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet“. Selbst wenn ein unfallkausaler Fehler des Fahrzeugs nicht in dessen Hardware, sondern in seiner Steuerungssoftware lag, ist doch das Auto als Ganzes fehlerhaft iSd PHRL, womit Unfallopfer auf dieser Basis Entschädigungsansprüche haben können.

Fraglich ist aber, ob die Software selbst auch als Produkt von der PHRL erfasst ist, was nicht nur dann schlagend wird, wenn sie erst nach Inverkehrbringen des Fahrzeugs installiert wurde, insbesondere von einem Drittanbieter. Zwar sind Software und andere digitale Inhalte „das dominante Wirtschaftsgut der modernen Ökonomie“,Footnote 25 dennoch ist umstritten (und von der PHRL in ihrem Wortlaut offengelassen), ob auch solche unkörperlichen Sachen „Produkte“ sein können oder nur körperliche.Footnote 26

Der österreichische Gesetzgeber hat die Frage, wie soeben erwähnt, in § 4 PHG in ersterem Sinne entschieden, obwohl diese Konkretisierung nicht dem Wortlaut der Richtlinie entspricht. Allerdings ist zu bedenken, dass die PHRL auf Grund ihrer Entstehungsgeschichte wohl mit deutschem Verständnis des Sachbegriffs zu lesen ist, und gem § 90 BGB sind „Sachen im Sinne des Gesetzes … nur körperliche Gegenstände“, während das österreichische Pendant § 285 ABGB keine derartige Einschränkung kennt. Damit fielen Schäden durch fehlerhafte Software aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie, obwohl die Kommission 1988 ausdrücklich bestätigt hatte, dass die Richtlinie „auf Computer-Software Anwendung“ finde.Footnote 27 Dies ist allerdings wohl im Lichte der damaligen Zeit zu interpretieren, als Software lediglich auf physischen Datenträgern vermarktet wurde und nicht per Download, weil das Internet damals noch gar nicht kommerziell genutzt wurde.

Dennoch sollten Hersteller digitaler Inhalte wie Software für deren Fehler genauso haften wie die Produzenten körperlicher Erzeugnisse. Sofern dies nicht durch entsprechende Interpretation der PHRL erreicht werden kann,Footnote 28 ist diese entweder zu ändern oder durch ein korrespondierendes Haftungsregime zu ergänzen, wie dies auch die New Technologies Formation der Expert Group on Liability for New TechnologiesFootnote 29 in ihrem Endbericht fordert.Footnote 30 Die Product Liability Formation derselben Expert Group hat in dieser Frage noch nicht Stellung bezogen. Angedacht war dort allerdings zuletzt zumindest eine Art erläuterndes Dokument;Footnote 31 in so wesentlichen Fragen wie der Produktdefinition scheint jedoch bislang noch keine Einigung erzielt worden zu sein.Footnote 32

3.2.3 Haftpflichtige

Die Schlüsselperson der Produkthaftung ist – wie schon erwähnt – der Endhersteller, bei selbstfahrenden Kraftfahrzeugen also derjenige, der sie unter eigener Marke „schlüsselfertig“ vertreibt. Da es sich dabei jedenfalls um körperliche Gegenstände handelt, stellt sich die vorhin diskutierte Detailfrage zumindest aus Opfersicht also grundsätzlich zunächst nicht. Auch die Zulieferer von Bauteilen wie Getriebe, Reifen etc haften als Teilhersteller solidarisch mit dem Erzeuger des Endprodukts, wenn gerade diese Komponenten fehlerhaft sind.

Schwieriger ist es bei der Frage der (direkten) Haftung der Softwareentwickler und Erzeuger von digitalen Inhalten wie Navigationskarten. Sind diese Daten fehlerhaft bei Auslieferung des Fahrzeugs, kann sich das Opfer wiederum an den Endhersteller desselben halten, der sich dann allenfalls (primär wohl vertraglich) bei seinen Zulieferern regressieren kann. Wie schaut es aber mit einem Direktanspruch der Opfer gegen die Datenentwickler aus? Dies kann nicht nur bei zwischenzeitlicher Insolvenz des Fahrzeugproduzenten relevant sein, sondern vor allem in jenen Fällen, in denen der Halter des Fahrzeugs nach dessen Auslieferung Updates bezieht, und zwar nicht nur über Direkterwerb vom Dritten, sondern auch dann, wenn er dessen Aktualisierungen über den Fahrzeughersteller erwirbt, der in Bezug auf diese Daten dann ja nur Lieferant iSd Art 3 Abs 3 PHRL ist und als solcher zumindest aus Produkthaftung derzeitigen Zuschnitts nur eingeschränkt haftet, nämlich dann, wenn er seinen Zulieferer nicht rechtzeitig bekannt gibt.Footnote 33 Ein Direktanspruch gegen Hersteller von digitalen Inhalten kommt aber nur dann in Frage, wenn dieselben als Produkte iSd PHRL anerkannt sind, was zuvor zwar gefordert wurde, aber derzeit noch höchst umstritten ist.

Schwieriger wird es in der zweiten Fallgruppe der Aktualisierungen, die vom ursprünglichen Fahrzeug-(end-)hersteller selbst regelmäßig auf das Fahrzeug hochgeladen werden, sei es OTA oder bei einem Serviceaufenthalt in einer Vertragswerkstätte, endet die produkthaftungsrechtliche Verantwortung des Herstellers doch an sich mit Inverkehrbringen des Fahrzeugs (Art 7 lit b PHRL). Genau dieser Punkt ist aber derzeit (ebenso) umstritten, werden doch viele Produkte mittlerweile laufend direkt von ihren Produzenten (oder zumindest in ihrem Namen) aktualisiert. Zwar tritt der Produktabnehmer dazu typischerweise in ein Vertragsverhältnis mit dem Hersteller,Footnote 34 aber zumindest für innocent bystanders ist daraus nichts gewonnen, die gerade bei Verkehrsunfällen sehr häufig Geschädigte sind. Hierzu wird diskutiert, ob der Zeitpunkt des Inverkehrbringens neu definiert werden solle, wenn bereits bei Auslieferung des Produkts feststeht, dass dieses zumindest noch auf bestimmte zukünftige Zeit an vom Hersteller stammende Updates gebunden bleibt, womit Fehler, die gerade aus diesen Aktualisierungen resultieren, dann noch in die Verantwortlichkeit des Produzenten fielen, von dem sowohl ursprüngliches Erzeugnis als auch Updates stammen.Footnote 35

3.2.4 Fehler

Der Hersteller haftet nur für Schäden, die durch Fehler seines Produktes verursacht wurden. Fehlerhaft ist es gem Art 6 Abs 1 PHRL dann, „wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände … zu erwarten berechtigt ist“, wobei insbesondere auf die „Darbietung des Produkts“, dessen zu erwartenden Gebrauch (einschließlich sozialüblicher missbräuchlicher Verwendung)Footnote 36 sowie auf den Zeitpunkt seines Inverkehrbringens abzustellen ist. „Die Sicherheit, die zu erwarten man nach dieser Bestimmung berechtigt ist, ist … vor allem unter Berücksichtigung des Verwendungszwecks und der objektiven Merkmale und Eigenschaften des in Rede stehenden Produkts sowie der Besonderheiten der Benutzergruppe, für die es bestimmt ist, zu beurteilen.“Footnote 37

„Sicherheit ist … nicht gleichzusetzen mit völliger Ungefährlichkeit in jedem erdenklichen Sinne.“Footnote 38 Auch geht es nicht um die mit aktueller Technik höchstmöglich erzielbare Sicherheit, sondern um einen dem Beworbenen entsprechenden Standard (der aber natürlich Mindestvorgaben der Rechtsordnung jedenfalls entsprechen muss). Gerade bei Kraftfahrzeugen ist allen Marktteilnehmern klar, dass es unterschiedliche Ausstattungsvarianten gibt, die verschiedene Sicherheitsniveaus zur Folge haben; nicht alle Autos haben sämtliche bei Inverkehrbringen technisch möglichen Fahrassistenten und Zusatzausstattungen, die typischerweise nur mit Aufpreis zur Standardvariante erkauft werden können.Footnote 39

Die Erfahrungen mit traditionellen Produkten, gerade auch mit konventionellen Kraftfahrzeugen, können natürlich für die Bestimmung der Sicherheitserwartungen an autonome Fahrzeuge herangezogen werden, wodurch auch die Latte für die Beurteilung von deren allfälliger Fehlerhaftigkeit gelegt wird. Hierbei ist allerdings zum einen zu bedenken, dass die Technologie des autonomen Fahrens vor allem auch mit dem Argument besonders stark propagiert wird, dass die Unfallfrequenz dramatisch sinken werde und das Verkehrsgeschehen insgesamt um vieles „sicherer“ werde, womit die „Darbietung“ derartiger Produkte die Erwartungen wohl in die Höhe schraubt. Andererseits ist zu fragen, ob wir uns als Konsumenten nicht schon mittlerweile damit abgefunden haben, dass neu auf den Markt kommende technische Geräte ständig aktualisiert und damit verbessert werden, wir also gar nicht mehr erwarten, dass ein Produkt bei Inverkehrbringen schon perfekt ist.

Insbesondere bei Produkten mit KI und damit auch autonomen Fahrzeugen kommt dazu, dass deren Funktionen nicht notwendigerweise ab Werk vorbestimmt sind, sondern durch eigene Weiterentwicklung verändert werden können, womit das Verhalten im Verkehr nicht zwingend dem entspricht, was ursprünglich vorprogrammiert wurde. Welche Erwartungen kann man an ein System haben, das sich planmäßig unerwartet verhält?Footnote 40 Sind die Sicherheitserwartungen an ein autonomes Fahrzeug einfach nur abstrakt, dass es im Ernstfall die richtigen Entscheidungen treffen wird, obwohl wir gar nicht wissen, wie weit sein maschinelles Lernen schon fortgeschritten ist? Und was ist im Ernstfall die „richtige“ Entscheidung – was dient dazu als Maßstab? Das was ein menschlicher Fahrer unter den Umständen getan hätte? Wohl kaum (oder zumindest nicht immer), schließlich sollen autonome Fahrzeuge ja bessere Entscheidungen treffen. Wie kann aber etwa auf ein anderes autonomes Fahrzeug abgestellt werden, das sich möglicherweise ganz anders entwickelt, weil es völlig andere Verkehrssituationen „gelernt“ hat? Natürlich wird es hier weitreichende Standardisierungen geben, die mit ständigen Updates zumindest flottenweit verbreitet werden, so dass es auf das individuelle „Lernen“ eines einzigen Fahrzeugs kaum ankommen wird. Dennoch wird es (z. B. wetterbedingt) zumindest in den ersten Jahren immer wieder neuartige Situationen geben, die noch nicht systemweit eingespeist sind – wie soll dann das „Verhalten“ der KI eines Fahrzeugs beurteilt werden, und vor allem: ist das Fahrzeug fehlerhaft (ab Auslieferung!), weil seine KI im Ernstfall die „falsche“ Entscheidung getroffen hat?

Dazu kommt die zumindest bislang in den meisten LändernFootnote 41 bestehende Entlastungsmöglichkeit für Hersteller, die der optionale Art 7 lit e PHRL bietet: Können sie nachweisen, dass ein vom Kläger nachgewiesener Fehler „nach dem Stand der Wissenschaft und Technik“ zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produktes „nicht erkannt werden konnte“, haften sie für diesen Fehler nicht. Dies war zwar schon ursprünglich höchst umstritten und ist nach überwiegender Meinung nur in sehr engen Grenzen möglich,Footnote 42 dennoch könnte dies in den hier interessierenden Fällen einer Produkthaftung für autonome Fahrzeuge häufiger greifen, wenn man bedenkt, dass die KI sich systembedingt selbstständig entwickelt und verändert.Footnote 43 Daher wird die nie verstummte Kritik an dieser Einrede zu Recht gerade in der Diskussion um den Anpassungsbedarf der PHRL im Lichte neuer Technologien wieder stärker.Footnote 44

3.2.5 Beweislast

Die in der Praxis vermutlich größte Herausforderung für Opfer eines Verkehrsunfalles mit autonomen Fahrzeugen wird vermutlich der ihnen obliegende Nachweis der Schadensursache sein, schließlich haben sie gem Art 4 PHRL „den Schaden, den Fehler und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden zu beweisen“.Footnote 45 Im Gegensatz zu traditionellen Produkten, die den Verfassern der Richtlinie in den 1970er-Jahren vorgeschwebt sind, verlassen moderne Produkte und vor allem selbstfahrende Autos nicht die Sphäre des Herstellers in einem finalen Zustand, der es im gleichen Maße zuließe, aus einem später auftretenden Schadensereignis auf einen bereits vor Auslieferung passierten Fehler zu schließen. Der Betrieb von autonomen Fahrzeugen hängt von so vielen externen Faktoren und ständigen Veränderungen ab, einerseits durch laufend erfolgende Updates, andererseits durch kontinuierliche Verarbeitung von Daten durch das Auto selbst, dass nicht so wie bei einer explodierenden Mineralwasserflasche ein bei Inverkehrbringen bereits vorliegender Fehler derselben naheliegt, sofern eine typischerweise überschaubare Reihe von möglichen anderen (externen) Ursachen wie unsachgemäße Lagerung der Flasche ausgeschlossen werden kann. Dazu kommen Individualisierungen durch den Fahrzeughalter, der das vom Hersteller ausgelieferte Auto mit weiterer Software oder Daten zusätzlich an seine persönlichen Bedürfnisse und Präferenzen anpasst.

Nun könnte man natürlich argumentieren, dass autonome Fahrzeuge wohl mit Unfalldatenspeichern oder ähnlichen Logging-Systemen ausgestattet sein werden, die im Nachhinein die Abläufe wenigstens im Fahrzeug rekonstruieren lassen.Footnote 46 Aber abgesehen davon, dass diese selbst fehlerhaft sein können, wird es möglicherweise schwierig sein, zum Beispiel die rückblickend falsche „Reaktion“ der KI des Autos auf ein Außenereignis als einen bereits bei Auslieferung vorliegenden Fehler der KI und damit des Fahrzeugs zu identifizieren. Viele sprechen sich daher dafür aus, Art 4 PHRL zugunsten der Opfer zu entschärfen, bis hin zu einer Beweislastumkehr.Footnote 47

4 Produkthaftung für autonome Fahrzeuge im Kontext

4.1 Gründe der Schadenszurechnung

Der Rechtsausschuss des Europaparlaments schlägt in seinem jüngsten Vorschlag einer Verordnung zur Haftung für KIFootnote 48 eine weitreichende Gefährdungshaftung (ua) der Halter von hochriskanten KI-Systemen vor, zu denen wohl auch autonome Fahrzeuge ab Stufe 4 zählen sollen. Die Frage ist also, ob aus Sicht des Opferschutzes die Produkthaftung überhaupt noch Bedeutung (und damit Sanierungsbedarf) hat, oder ob durch eine solche Fokussierung auf den Fahrzeughalter nicht ohnehin eine adäquate Risikoverteilung, zumindest auf der Primärebene, vorgenommen würde. Dazu ist zu fragen, ob die Gründe für eine Ersatzpflicht der beiden alternativen Haftpflichtigen – Halter oder Hersteller – eindeutig für den Vorrang des einen oder des anderen sprechen. Dies ist allerdings zu verneinen.Footnote 49

Liegt die Unfallursache in einem (nachgewiesenen oder vermuteten) Fehler des autonomen Fahrzeugs, spricht natürlich für die Produkthaftung, dass das Problem seinen Ausgang in der Sphäre des Herstellers nahm, der sie (und damit die Fehlerquelle) kontrolliert, den Fehler also vermeidenFootnote 50 oder die Benutzer zumindest vor den daraus resultierenden Risiken warnen hätte können. Dagegen spricht allerdings, dass das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt ja gerade nicht mehr in der Kontrolle des Herstellers ist, weshalb er zumindest nach konventionellem Verständnis vor erst später hinzutretenden Problemen abgeschirmt werden sollte, ist das Auto dann doch in der Sphäre und Kontrolle des Halters, der über die Fahrzeugverwendung, -aktualisierung und -kontrolle entscheidet. Bedenkt man allerdings, dass gerade bei KI-gesteuerten Fahrzeugen der Hersteller deutlich bessere Möglichkeiten einer Ursachenfindung hat (schon durch Zugriff auf den Sourcecode und die Technik zum Auslesen und Interpretieren von Blackboxdaten), spricht dies wiederum für eine Fokussierung auf den Hersteller. Andererseits profitiert der Halter zum Unfallzeitpunkt von der Verwendung des Fahrzeugs und sollte demzufolge auch die damit verbundenen Nachteile tragen. Die Frage der Versicherbarkeit gegen Unfallrisiken führt zumindest bei Kraftfahrzeugen zu einer Pattsituation: Einerseits stimmt es weiterhin, dass der Hersteller die Prämien einer Versicherung gegen Produkthaftungsrisiken auf den Fahrzeugpreis anteilig umlegen kann, andererseits gibt es gerade über das System der KH-Versicherung eine sehr effiziente und umfassende Risikogemeinschaft von Fahrzeughaltern, die auch bei einem Technologiewechsel zum autonomen Fahren problemlos weitergeführt werden kann, da die Deckung ja auf Fahrzeuge und nicht auf Fahrer bezogen ist, wie der Wortlaut der KHRL belegt.

Die Entscheidung zwischen Halter und Hersteller als idealem Primäradressaten einer Haftung für Unfälle mit autonomen Fahrzeuge könnte allerdings durch Strukturveränderungen am Markt ohnehin zunehmend obsolet werden, wenn man Prognosen glaubt, die eine stärkere Verlagerung von individuellem Fahrzeugeigentum hin zu Car Sharing-Systemen voraussagen, in denen möglicherweise die Hersteller selbst Halter der Fahrzeuge bleiben und diese nicht mehr als solche vertreiben, sondern nur noch Nutzungszeit mit ihnen.Footnote 51

4.2 Haftung des autonomen Fahrzeugs selbst?

Immer wieder argumentieren manche, dass die zunehmend selbstständiger werdenden Produkte digitaler Technologien wie Roboter oder autonome Fahrzeuge Rechtspersönlichkeit erhalten und so selbst für von ihnen verursachte Schäden haften sollen. Unterstützt wurde diese Meinung von der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2017 mit Empfehlungen an die Kommission zu zivilrechtlichen Regelungen im Bereich Robotik,Footnote 52 die in Punkt 59 lit f die Kommission aufforderte, „langfristig einen speziellen rechtlichen Status für Roboter zu schaffen, damit zumindest für die ausgeklügeltsten autonomen Roboter ein Status als elektronische Person festgelegt werden könnte, die für den Ausgleich sämtlicher von ihr verursachten Schäden verantwortlich wäre …“

Abgesehen davon, dass dies voraussetzen würde, dass diesen „elektronischen Personen“ finanzielle Mittel gewidmet werden müssten, um Schadenersatz überhaupt leisten zu können, was in Wahrheit einer verschleierten Haftungsbegrenzung gleichkäme, sprechen eine Vielzahl von weiteren Gründen gegen diese künstliche und keineswegs intelligente Konstruktion.Footnote 53 Dementsprechend groß und prominent ist auch die Gegnerschaft dieser Idee.Footnote 54

4.3 Gerechte Zuweisung der Risiken des autonomen Fahrens?

Wenn man bedenkt, dass die PHRL mit dem primären Ziel einer „gerechten Zuweisung der mit der modernen technischen Produktion verbundenen Risiken“ eingeführt wurde,Footnote 55 und wenn dies auch in Zeiten des autonomen Fahrens gelten solle, muss dies dennoch nicht notwendigerweise sofort zum Fahrzeughersteller führen, wie bereits oben angedeutet.

Während die Produkthaftung auf lediglich eine Schadensquelle abstellt, den Herstellungsprozess, fokussiert die Haftung des Fahrzeughalters auf die Gefahren des Straßenverkehrs insgesamt.Footnote 56 Damit scheint aber das an diese Risiken angedockte und europaweit seit langem etablierte System einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung nach wie vor geeignet, zumindest die Schäden der primären Opfer abzugelten.Footnote 57 Vor allem gibt es aus Praktikabilitätsgründen wohl kaum Alternativen dazu, solange wir sowohl konventionelle als auch autonome Fahrzeuge im Straßenverkehr haben werden, und diese Übergangsphase dürfte nicht allzu kurz ausfallen. Die vom Produzenten ausgehenden möglichen Schadensursachen fallen dabei keineswegs durch den Rost, sondern werden (erst) auf einer Regressebene verfolgt, auf der sich die Versicherer der Fahrzeughalter einerseits und jene der Hersteller andererseits gegenüberstehen.Footnote 58 Diese werden angesichts der zu erwartenden Fallzahlen möglicherweise ein effizienteres System der Schadensverteilung untereinander entwickeln, als dies bei der Abwicklung von Einzelschäden gegenüber dem Hersteller denkbar wäre.Footnote 59

5 Ausblick

Unabhängig davon, welche Rolle die Produkthaftung im Gesamtgefüge des Haftungsrechts im künftig autonomen Straßenverkehr spielen wird, steht schon jetzt fest, dass die PHRL dringend angepasst werden muss, um den aktuellen Erfordernissen der bereits veränderten Realität zu entsprechen. Zumindest muss klargestellt werden, ob Software und andere digitale Inhalte vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst sind oder nicht. Verneinendenfalls müsste dann ein alternatives Haftungsregime angedacht werden. Letzteres erscheint aber keineswegs notwendig, könnte doch die PHRL mit ihrem aktuellen Wortlaut bei entsprechend großzügiger Interpretation auf Schäden durch fehlerhafte Daten anwendbar gemacht werden. Jedenfalls darf aber die Praxis darüber nicht länger im Unklaren gelassen werden.

Wie der EuGH schon vor fast zwei Jahrzehnten klargestellt hat, bleiben Ansprüche aus anderen Grundlagen als der Produkthaftung iSd PHRL daneben bestehen, sofern es nicht ebenso um eine (alternative) verschuldensunabhängige Haftung für Produktfehler geht.Footnote 60 Schon deshalb gibt es ja bereits jetzt bei konventionellen Fahrzeugen die Gefährdungshaftung des Halters neben der Produkthaftung des Fahrzeugherstellers, die auf je unterschiedlichen Ansätzen beruhen. Diese Dualität kann auch in Zeiten autonomen Fahrens fortbestehen, ist die Gefährdungshaftung doch schon bislang nicht an ein menschliches Verhalten geknüpft; Schäden durch selbstfahrende Autos werden ebenso „beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entstehen (vgl § 1 EKHG).

Das mit der Gefährdungshaftung aktuell verknüpfte Versicherungsregime kann dementsprechend genauso fortbestehend, setzt dieses doch ebenso wenig einen menschlichen Fahrer voraus. Damit scheint aber zumindest aus der Sicht der Primäropfer eines Verkehrsunfalls kein allzu dringender Handlungsbedarf gegeben; die geforderten Änderungen der PHRL bleiben aber jedenfalls auf der Regressebene (und natürlich auch für andere Produkte als autonome Fahrzeuge) notwendig.