Wir durchleben eine Zeit der Zumutungen, die uns persönlich, aber auch die Gesellschaft insgesamt betreffen. Wir sind mitten in der zweiten Welle. Die COVID-19-Epidemie breitet sich dramatisch schnell aus. Überall in Europa und in der Welt zeigen die Kurven sehr steil nach oben – nun auch in Deutschland. Heute Morgen, am 30.10.2020, meldete das Robert Koch-Institut 18.681 Neuinfektionen und 77 weitere Todesfälle in 24 h. Mehr als jede zweite Kommune und drei Viertel aller Landkreise sind mittlerweile als Risikogebiete eingestuft. Die Zahl der Neuinfektionen ist an vielen Orten inzwischen so hoch, dass die Gesundheitsämter die Nachverfolgung der Infektionsketten nicht mehr schaffen. Die Ausbreitung des Virus ist nicht mehr kontrollierbar! Die Politik reagiert und versucht, mit immer strengeren Maßnahmen gegenzuhalten. Ein „Lockdown Light“ gilt ab dem kommenden Montag, dem 2. November, für zunächst vier Wochen. Ziel des Ausnahmezustandes ist es, die Fallzahlen so weit zu senken, dass die Gesundheitsämter die Kontaktverfolgung wieder vollständig durchführen und die Krankenhäuser die Behandlungsbedürftigen versorgen können.

In einer Zeit, in der wir die Auswirkungen eines Infektionserregers auf alle gesellschaftlichen Bereiche erleben, ist es wichtig, auf die komplizierten Zusammenhänge von Infektionen und Gesellschaft aus verschiedenen Blickwinkeln zu schauen. Im interdisziplinären Diskurs wollen wir deshalb heute die Bedrohung durch Infektionserreger einerseits und die Reaktionsmöglichkeiten der Gesellschaft andererseits betrachten.

Es ist uns wichtig, dabei den Dialog zu führen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen: Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das ist eine der zentralen Aufgaben nicht nur unserer, sondern aller Wissenschaftsakademien. Wissenschaft ist aber nicht allwissend! Wir müssen als Forschende über den aktuellen Stand der Forschung informieren und auch deutlich machen, dass Unsicherheit zur Wissenschaft dazugehört.

Es freut mich und es freut uns sehr, dass exzellente Repräsentanten der Wissenschaft zugesagt haben, sich heute gemeinsam den Fragen der Auswirkungen von Infektionen auf die Gesellschaft zu stellen. Dabei haben wir ausdrücklich nicht nur die COVID-19-Pandemie im Auge, sondern beleuchten diese auch im Kontext anderer Infektionsgeschehen sowie vergangener und zu befürchtender neuer Infektionsgefahren.

Allen Vortragenden danke ich sehr für die Bereitschaft, ihre jeweils fachspezifische Expertise und Perspektive in die Diskussionen und Überlegungen mit einzubringen.

Danken möchte ich aber auch unserer Akademie-Arbeitsgruppe „Infektionsforschung und Gesellschaft“, ganz besonders ihrem Sprecher Ansgar Lohse, für die Konzeption des Symposiums und die Einwerbung der Kolleginnen und Kollegen, die als Vortragende heute mitwirken!

Ein besonderer und großer Dank geht an Veronika Schopka aus unserer Akademie, die dieses Symposium organisatorisch so hervorragend vorbereitet und die immer wieder neuen Rahmenbedingungen sowie die damit verbundenen Herausforderungen umsichtig gemeistert hat. Nicht zuletzt möchte ich Frau Ohlhäuser danken, der Sekretärin von Herrn Lohse, die in den letzten Wochen stets schnell und effizient die Verbindung zwischen Herrn Lohse und der Akademie hergestellt hat!

Trotz der derzeit ernsten Lage, aber auch der Ungewissheit, die vielen Menschen Angst macht, will ich mit Erich Kästner schließen, der auf die Risiken im Leben hinwies und aufmunternd schrieb:

„Wird’s besser? Wird’s schlimmer?“

fragt man alljährlich.

Seien wir ehrlich:

Leben ist immer

lebensgefährlich.

In diesem Sinne hoffe ich auf einen anregenden und produktiven Austausch und freue mich auf die Diskussionsergebnisse!