Ein wesentlicher Teil des Projekts Altern als Zukunft besteht in der Erforschung von Altersbildern. Wir untersuchen also die Vorstellungen, die Menschen vom Alter im Allgemeinen, aber auch von ihrem persönlichen Alter haben. Warum tun wir das? Hätten wir nicht lieber das Alter und Altern selbst untersuchen sollen, statt nur Vorstellungen oder Einstellungen, die Menschen von oder zu ihrem Alter haben?

Tatsächlich lässt sich das Alter als individuelles und gesellschaftliches Phänomen weder angemessen beschreiben noch verstehen, ohne eine genaue Kenntnis unserer Erwartungen und Vorstellungen zum Alter zu haben. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen ist Altern kein objektiver Tatbestand, den man unabhängig von unseren Vorstellungen vom Alter eindeutig identifizieren könnte. Zum anderen werden tatsächliche Veränderungen im Alter ganz entscheidend von unseren Altersbildern und Erwartungen geprägt.

Aus unserer Perspektive ist Alter also so etwas wie eine soziale und individuelle Konstruktion. Alter und Altern wie wir es kennen sind kein naturgegebenes, rein biologisches Phänomen; wir erschaffen unser Alter und Altern zum großen Teil selbst, dabei spielen unsere Altersbilder eine entscheidende Rolle. Nur wenn man die Erwartungen, Vorstellungen und Einstellungen kennt, die Menschen mit dem Alter verbinden, kann man die vielfältigen Erfahrungen, die sie mit dem Alter machen, verstehen. Schauen wir uns die beiden oben genannten Punkte nun etwas genauer an.

FormalPara Was ist eigentlich Alter? – Altersbilder als Konstruktionsgrundlage des Alters

Hier lautet unsere Devise: Es gibt kein Alter und Altern unabhängig von unseren Altersbildern. Denn was bedeutet es genau, alt zu sein? Im Folgenden diskutieren wir eine Reihe von naheliegenden Kriterien, an denen das Alter häufig festgemacht wird.

FormalPara Das chronologische Alter

Heißt alt sein, eine bestimmte Anzahl von Jahren gelebt zu haben? Sicherlich spielt das chronologische Alter eine zentrale Rolle für unseren Begriff vom Alter, es liefert die einzig wahre Antwort auf die direkte Frage „Wie alt sind Sie?“. Genauso sicher sind die bereits gelebten Jahre aber nicht das einzige Kriterium, das unsere Verwendung des Altersbegriffs bestimmt, sonst würden wir nicht verstehen, was es heißt, trotz vieler Jahre noch jung geblieben zu sein oder vorzeitig zu altern. Welche Zahl von Jahren sollte es auch sein, ab der jemand ‚alt‘ ist? Ist es vielleicht das Renteneintrittsalter? Die Rentenaltersgrenze wird häufig benutzt, wenn wir zum Beispiel über den Anteil alter Menschen an der Gesamtbevölkerung sprechen, und sie kann auch für die Selbstwahrnehmung als alter Mensch von erheblicher Bedeutung sein. Aber was ist mit Ländern, in denen es so etwas wie ein festes Rentenalter gar nicht gibt (und dabei sollte man auch bedenken, dass es sich bei der Rente um eine relativ neue Erfindung handelt, die gerade einmal gute hundert Jahre alt ist)? Kennt man dort das Phänomen des Alt-Seins nicht oder werden die Menschen dort nie alt? Wie schätzen wir das Alter von Personen ein, die gar keiner bezahlten Beschäftigung nachgehen? Eigentlich zeigt der Einfluss, den die Rentenaltersgrenze auf unsere Wahrnehmung des Alters von Personen hat, vor allem eins: Unser Verständnis von und unser Umgang mit dem Alter sind zu einem großen Teil sozial hergestellt und geprägt. Ein wesentlicher Teil unseres Altersbilds in westlichen Industrienationen hängt damit zusammen, ob eine Person noch am Berufsleben teilnimmt oder nicht mehr. Außerdem werden Rentenaltersgrenzen recht beliebig festgesetzt, sie unterscheiden sich historisch und zwischen Ländern und können von einem Tag auf den anderen verschoben oder auch ganz wieder entfernt werden. Diese größtenteils nach politischen und ökonomischen Gesichtspunkten erfolgenden Änderungen von gesellschaftlichen Altersgrenzen haben aber trotz ihrer Beliebigkeit und Variabilität immense Auswirkungen auf das Alterserleben der betroffenen Menschen sowie auf ihre Lebensbedingungen im Alter.

Interessanterweise hängen die Grenzen, ab denen wir dazu neigen, eine Person als alt zu bezeichnen, auch davon ab, von welchem Lebensbereich wir sprechen (Kornadt & Rothermund, 2011a). Das Rentenalter bezieht sich auf die Domäne Arbeit und Beruf, aber an welchen Altersgrenzen orientieren wir uns, wenn es um Alterszuschreibungen im Bereich der Freizeitgestaltung geht, oder der sozialen Beziehungen oder bei der Wahl eines Lebenspartners? Hier zeigen sich zum Teil gravierende Unterschiede, ab wann wir Menschen als alt kategorisieren (s. hierzu auch die Abschn. 3.3.2 und 3.3.4).

FormalPara Lebenserwartung

Es ist aber nicht nur das chronologische Alter, an dem wir das Alter und Altern festmachen. Neben den bereits gelebten spielen auch die noch verbleibenden Jahre eine wichtige Rolle für unser Alterserleben (s. hierzu auch die detaillierteren Ausführungen in den Kap. 4 und 5). Die Nähe zum Tod ist ein wichtiges Kriterium des Alt-Seins, und wer sich wirklich ‚alt fühlt‘, sieht dieses Ende in greifbarer Nähe vor sich und erwartet nicht mehr viel vom Leben. Ein direktes Kriterium des Alters ist aber auch dieses Merkmal nicht. Ohne ein bereits gelebtes (langes) Leben hinter sich zu haben, macht einen Menschen auch die Aussicht auf den bevorstehenden Tod nicht alt. Außerdem wissen die meisten von uns gar nicht genau, wie viele Jahre Lebenszeit ihnen noch bevorstehen. Es gibt ja meistens keine objektiv eindeutig zu bestimmende noch zu lebende Zeit, die sich in Jahren angeben ließe. Auch daran sieht man, welche wichtige Rolle persönliche Erwartungen und Bewertungen für unser Alterserleben spielen: Wie lange glaubt jemand noch zu leben? Unter welchen Umständen erwartet er, die noch verbleibenden Jahre zu verbringen? Wie lange will er überhaupt noch leben (siehe Kap. 4)? Diese Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen sind ganz entscheidend für unser Alterserleben, aber auch sie bilden wiederum nur einen, wenn auch sehr wichtigen Teil des großen und komplexen Begriffs des Alters und der altersbezogenen Vorstellungen ab (vgl. hierzu die Abschn. 4.3.6 und 5.3).

FormalPara Charakteristische Veränderungen und Merkmale des Alters

Vielleicht sollten wir das Alter weniger an Jahreszahlen bemessen, sondern eher von tatsächlichen Veränderungen in bestimmten Merkmalen abhängig machen. Welche Merkmale könnten das sein? Bedeutet alt zu sein so etwas wie nachlassende Leistungsfähigkeit, oder zunehmende Vergesslichkeit, Gebrechlichkeit? Falten, gebeugte Haltung, graue Haare? Altmodische Kleidung? Oder positiv gewendet: Ein Mehr an Erfahrung, Gelassenheit oder Weisheit?

Bei den genannten Merkmalen handelt es sich vor allem um geläufige und gesellschaftlich verbreitete Altersstereotype. Häufig prägen solche Attribute sicherlich unseren Eindruck bezüglich des Alters von Personen, manche von diesen Merkmalen werden in der Forschungsliteratur als sogenannte age marker bezeichnet; hierunter versteht man äußerlich sichtbare Zeichen des Alters (Featherman & Petersen, 1986). Wir orientieren uns automatisch an diesen Merkmalen, wenn wir das Alter einer Person einschätzen. Dennoch sind auch diese Merkmale nicht unbedingt deckungsgleich mit dem subjektiven Alterserleben (Linn & Hunter, 1979). Ob und wie alt eine Person sich fühlt, hängt sehr stark von ihren individuellen Bewertungskriterien ab (Kotter-Grühn et al., 2016): Orientiert sie sich bei ihrer Wahrnehmung vor allem an positiven (Erfahrung) oder negativen (Leistungseinbußen) Attributen, und welche Maßstäbe legt sie bei ihrer Einschätzung an? Identifiziert sie sich mit anderen Personen ihres Alters oder versucht sie, sich von ihrer Altersgruppe zu distanzieren (Weiss & Lang, 2012)?

Darüber hinaus unterscheiden sich die Merkmale und Standards, an denen wir ein hohes Alter festmachen, erheblich zwischen Kontexten und Kulturen (Filipp & Ferring, 1989; Hess et al., 2017; Kornadt et al., 2018a). Sportler gelten bereits als alt, wenn ihre Körperkraft oder Schnelligkeit anfängt nachzulassen, in beruflichen Kontexten orientieren wir uns vielleicht an der geringer werdenden Lernfähigkeit (‚zu alt für den Job‘) oder an der noch nicht vorhandenen Erfahrung (‚noch nicht alt genug für diese Aufgabe‘), bei der Partnerwahl mag dagegen vor allem das äußere Erscheinungsbild eine wichtige Rolle für unsere Alterseinschätzungen spielen. Nicht zuletzt werden Alterseinschätzungen durch die altersbezogenen Erwartungen beeinflusst, die in einer Gesellschaft verbreitet sind. Vergesslichkeit etwa ist ein Merkmal, das vor allem in westlichen Ländern mit dem Alter assoziiert wird, nicht aber in Asien. Interessanterweise konnte gezeigt werden, dass selbst in dem scheinbar objektiven Merkmal der Gedächtnisleistung altersbedingte Leistungsbeeinträchtigungen in westlichen Kulturen deutlicher ausgeprägt sind (Levy & Langer, 1994).

Die Erklärungen für solche Erwartungseffekte sind unterschiedlich. Sie haben damit zu tun, was wir uns im Alter noch zutrauen, wo wir hoch motiviert sind, aber auch welche Aufgaben wir vermeiden und in welchen Situationen wir Angst haben, zu versagen. Alterseinbußen oder stabile Leistungen hängen auch damit zusammen, wie wir Leistungen in einem Bereich erklären: Neigen wir dazu, Fehler und Defizite auf unser hohes Alter zurückzuführen (Rothermund et al., 2021a) oder suchen wir eher nach anderen Erklärungen, wie etwa schlechte Tagesform, Ablenkung, mangelnde Übung, Über- oder Unterforderung, Ausgrenzung?

FormalPara Fazit

Diese Überlegungen zeigen, dass Alter und Altern vielschichtige Phänomene sind, die stark von altersbezogenen Erwartungen bestimmt werden. Wenn wir verstehen wollen, wovon das Alterserleben von Menschen abhängt, müssen wir uns auf die verschiedenen, teilweise widersprüchlichen Konstruktionen des Alters einlassen und versuchen, die unterschiedlichen Kriterien, Erwartungen, altersbezogenen Regeln und Vorschriften zu identifizieren, die hierbei eine Rolle spielen können. Es reicht sicher nicht, sich auf einfache Unterteilungen nach Jahreszahlen zu beschränken; genauso wenig hilft es uns, wenn wir nur auf scheinbar objektive oder biologische Kriterien des Alters schauen, obwohl natürlich alle diese Perspektiven und Kriterien ihre Berechtigung haben und für unseren Begriff des Alters eine wichtige Rolle spielen. Alter und Altern von Menschen ist ein komplexes Thema. Ein und dieselbe Person kann sich in verschiedenen Situationen und Lebensbereichen unterschiedlich alt fühlen, und selbst Personen, die anhand objektiver Kriterien eine hohe Ähnlichkeit aufweisen, können ihre eigene Lebenssituation und ihr Alter ganz anders bewerten, je nachdem, an welchen Erwartungen und Standards sie sich orientieren, mit wem sie sich vergleichen, etc.

Kurz und knapp: Was Alter und Altern bedeutet, wer sich wie alt fühlt, wen wir für alt halten und als alt behandeln, das alles wird beeinflusst von unseren altersbezogenen Vorstellungen und Altersbildern. Diese Vorstellungen sind aber sehr heterogen, sie unterscheiden sich zwischen Kulturen, zwischen Lebensbereichen und zwischen Personen – sogar innerhalb ein und derselben Person existieren gleichzeitig verschiedene Altersbilder für verschiedene Situationen.

FormalPara Die Folgen von Altersbildern

Altersbilder bestimmen nicht nur, was Altern für uns bedeutet, und wen wir unter welchen Bedingungen als alt bezeichnen. Sie prägen auch unser Leben im Alter, und erzeugen auf diese Weise häufig genau die Veränderungen im Leben der Menschen, die diesen Altersbildern entsprechen.

FormalPara Altersgrenzen und ihre Folgen

Ganz offensichtlich wird dieser Einfluss bei altersbezogenen gesellschaftlichen Regelungen. Das Renteneintrittsalter ist hierfür das beste Beispiel (siehe oben). Der mit Erreichen eines bestimmten Alters verordnete Übergang vom Berufsleben in den ‚Ruhestand‘ (zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Begriff des Ruhestands, siehe Kap. 5) stellt einen drastischen Eingriff in die Lebensumstände der betroffenen Person dar. Diese Veränderung geht mit einem Rollenverlust einher, aber auch mit nachlassenden Verpflichtungen und einem Mehr an Freiheiten, also mit einer völlig neuen zeitlichen Strukturierung des AlltagslebensFootnote 1, und auch mit einer neuen und qualitativ anderen finanziellen Versorgungssituation. Der entscheidende Punkt dieses Beispiels ist, dass sich der Zeitpunkt des Übergangs nicht aus vorgefundenen objektiven, z. B. biologischen, altersbedingten Veränderungen ergibt, er ist häufig auch nicht das Ergebnis einer individuellen Entscheidung, sondern eine mehr oder weniger willkürliche, allgemeine Festsetzung, die ihrerseits von altersbezogenen – aber auch ökonomischen oder politischen – Vorstellungen geprägt ist: Wann erwarten wir typischerweise ein Nachlassen der Arbeitskraft? Wie viele Jahre alimentierten Ruhestand halten wir als Gesellschaft für angemessen und bezahlbar? Wie gestalten sich Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt? Wie lassen sich die Renten und die gesundheitliche Versorgung im Alter finanzieren, wenn die Lebenserwartung insgesamt steigt und sich die Alterszusammensetzung der Gesellschaft durch die demographische Entwicklung ändert?

FormalPara Altersnormen und ihre Folgen

Nicht nur solche durch Gesetze und Tarifverträge regulierte bzw. diktierte altersbedingte Veränderungen sind weichenstellend für unser tatsächliches Leben im Alter. Unsere Vorstellungen davon, wie ältere Menschen sind und was sich im hohen Alter verändert, gehen auch mit Erwartungen einher, wie ältere Menschen sein sollen (de Paula Couto et al., 2022; Rothermund, 2019). Welches Verhalten halten wir für altersangemessen? Die Forschung spricht an dieser Stelle von präskriptiven Altersnormen bzw. normativen Altersbildern (Neugarten et al., 1965; Rothermund & Wentura, 2007). Diese Normen sind nicht gesetzlich verankert und sind auch nicht mit direkten Sanktionen verbunden. Ihre Wirkweise ist subtil und indirekt: Sie zeigen sich vor allem darin, wie wir das Verhalten älterer Menschen bewerten. Zum Beispiel erwarten wir von älteren Menschen, dass sie für die nachfolgende Generation ‚Platz machen‘, dass sie bescheiden sein sollen, wenn es um knappe gesellschaftliche Ressourcen geht, und dass sie sich entsprechend ihres Alters benehmen (‚act your age‘) und sich keine jugendliche Identität anmaßen sollen (North & Fiske, 2013). Alten Menschen, die mit ihrem Verhalten gegen diese Normen verstoßen, etwa indem sie in ihren beruflichen und gesellschaftlichen Rollen verbleiben und ihre Ansprüche geltend machen, werden negative Eigenschaften zugeschrieben, wie etwa Verbissenheit, Nicht-Loslassen-Können, oder Egoismus (Martin & North, 2021). Um solche negativen Bewertungen zu vermeiden, orientieren sich ältere Menschen mit ihrem Verhalten an diesen Altersnormen, oder sie verinnerlichen diese Vorschriften so sehr, dass sie ihnen völlig natürlich vorkommen. Altersnormen werden zu persönlichen Bewertungsmaßstäben, die das eigene Verhalten lenken. Normative Altersbilder steuern somit direkt oder indirekt (vermittelt über die Internalisierung) das Handeln und Leben älterer Menschen und prägen so die Lebenswirklichkeit im Alter.

FormalPara Persönliche Altersbilder und ihre Folgen

Zu guter Letzt prägen auch unsere ganz persönlichen Erwartungen altersbezogener Veränderungen unser Leben im Alter. Unsere Altersbilder nehmen Einfluss auf unser Denken und Handeln und können so zu selbsterfüllenden Prophezeiungen werden. Wie kann man sich das vorstellen? Grob kann man diesen Prozess in drei Schritte unterteilen (Rothermund, 2018; siehe Abb. 3.1).

Abb. 3.1
figure 1

(Nach Rothermund, 2018)

Erwerb, Internalisierung und Entwicklungssteuerung durch Altersbilder über die Lebensspanne.

Zuerst erwerben wir Altersbilder als Vorstellungen vom Alter und alten Menschen. Dies geschieht typischerweise, wenn wir selbst noch jung sind. Das heißt, wir erwerben unsere – überwiegend negativen (Kite et al., 2005) – Altersbilder zu einem Zeitpunkt, an dem diese Vorstellungen auf uns selbst noch gar nicht zutreffen. Es sind Bilder von anderen Menschen – von ‚den Alten‘. Sie prägen unser Denken, Fühlen und Handeln im Umgang mit älteren Menschen (Rothermund & Mayer, 2009). Schon jetzt nehmen sie also Einfluss auf das Leben im Alter, etwa wenn wir ältere Menschen auf Grund von negativen Altersbildern meiden, ausgrenzen oder bevormunden (Ayalon & Tesch-Römer, 2018). Aber zu diesem Zeitpunkt ist dieser Einfluss der Altersbilder noch auf das Leben anderer Menschen beschränkt, er betrifft uns nicht selbst.

Das ändert sich jedoch mit dem nächsten Schritt. Irgendwann kommt die Zeit, in der wir anfangen, uns die Frage zu stellen, wie eigentlich unser eigenes Leben im Alter aussehen wird. Der Auslöser für diese Frage kann sehr unterschiedlich sein, vielleicht bemerken wir irgendwelche Veränderungen an uns selbst, vielleicht erleben wir hautnah mit, wie sich die eigenen Eltern durch das Alter verändern, vielleicht stellen wir uns die Frage, was es bedeutet, mit einem deutlich jüngeren oder älteren Partner zusammen zu sein, oder vielleicht denken wir auch einfach nur darüber nach, wie wohl unser Verhältnis zu den eigenen Kindern sein wird, wenn diese einmal erwachsen sind. Wenn sich die Frage nach dem eigenen Alter und Altern stellt, sind wir typischerweise selbst noch nicht ‚alt‘, das heißt, wir haben noch so gut wie keine eigenen Erfahrungen mit dem Alter gemacht. Um die Frage zu beantworten, müssen wir also auf Altersbilder zurückgreifen, und dies ist genau der entscheidende Punkt, an dem unsere Altersbilder, die sich ursprünglich nur auf andere Menschen bezogen, plötzlich zu Alters-Selbstbildern werden: sie prägen jetzt unsere Vorstellungen davon, wie unser eigenes Alter und Altern einmal aussehen könnte. Diese Übertragung altersbezogener Vorstellungen auf die eigene Person wird als Internalisierung von Altersbildern bezeichnet, gemeint ist damit ein Abfärben von Altersbildern auf unser Selbstkonzept (Rothermund & Brandtstädter, 2003; vgl. auch Kornadt & Rothermund, 2012; Kornadt et al., 2017; ausführlicher hierzu siehe Abschn. 3.3.5).

Dieser vermeintlich harmlose Schritt markiert einen entscheidenden Übergang in der Entwicklung der Altersbilder. Denn sind die Altersbilder erst einmal zu einem Teil unseres Selbstbilds geworden, dann beeinflussen sie anschließend unser Denken, Fühlen und Handeln und prägen dadurch unsere tatsächliche Entwicklung im Alter. Die englischsprachige Literatur hat für diesen letzten Schritt in der Übersetzung von Altersbildern in unsere Lebenswirklichkeit den Begriff des embodiment geprägt (Levy, 2009). Dieses Wort lässt sich nicht gut ins Deutsche übersetzen; gemeint sind die konkreten Folgen und Auswirkungen verinnerlichter Altersbilder, die sich im Leben einer älteren Person ausdrücken und somit sichtbar und greifbar werden, quasi wie geronnene Sedimente und Ablagerungen immer gleicher, sich wiederholender Erfahrungen, Gedanken und Handlungen.

Es gibt kaum einen mächtigeren Einfluss auf die menschliche Entwicklung im Erwachsenenalter als unser Selbstbild. Vorstellungen davon, wer wir sind und wie wir sind, was wir können und was nicht, wie wir sein wollen und wovor wir uns fürchten, diese Vorstellungen bestimmen unser Leben – im Guten wie im Schlechten. Rückfallquoten bei Straftätern und Drogen- oder Alkoholabhängigkeit werden entscheidend davon beeinflusst, ob die Person sich selbst als Straftäter oder als abhängig definiert (Blevins et al., 2018; Greve & Enzmann, 2003; Tombor et al., 2013). Genauso helfen uns unsere positiven Selbstbilder im Alltag, um gerecht oder ehrlich zu handeln, als gute Mutter oder Vater für die Kinder und für die Familie zu sorgen, oder um berufliche Rollenvorstellungen zu erfüllen. Nach diesem Muster prägen auch unsere Altersselbstbilder unser Leben im Alter (Rothermund, 2018): Wer glaubt, im Alter könne man nichts Neues mehr lernen, der wird auch die Fortbildungsangebote seines Arbeitgebers ignorieren – und daher tatsächlich nichts mehr dazulernen. Wer denkt, Romantik und Sexualität seien im Alter ein Tabu, der wird sich schämen, wenn er dennoch solche Bedürfnisse verspürt und wird entsprechende Verhaltensweisen unterdrücken. Am Ende steht dann ein Leben ohne Romantik und ohne Sexualität. Wer Krankheit für eine unvermeidliche Begleiterscheinung des Alters hält, der hat wenig Grund, seinen Gesundheitszustand regelmäßig überprüfen zu lassen, sich eine gesunde Lebensweise anzueignen oder Risikoverhaltensweisen zu vermeiden – krank wird man ja sowieso. Genau das ist dann häufig auch die mittelbare Folge einer solchen Überzeugung.

Altersselbstbilder wirken aber nicht erst im hohen Alter. Bereits im Vorfeld prägen sie insbesondere unsere Vorbereitung auf das Alter und entsprechendes Vorsorgeverhalten. Negative Altersbilder untergraben die Motivation, sich überhaupt mit dem eigenen Alter auseinanderzusetzen und sich angemessen auf die möglichen Veränderungen im Alter vorzubereiten; positive Vorstellungen vom eigenen Alter sind dagegen eine Motivationsquelle, um das eigene Alter zu planen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen, sodass die positiven Vorstellungen Wirklichkeit werden können (s. hierzu Abschn. 3.3.7 und Kap. 4).

3.1 Die Fragestellung

Ausgehend von dem in Abb. 3.1 dargestellten Schaubild stellt die Untersuchung von Altersbildern und ihren Folgen das Hauptanliegen des Teilprojekts dar, in dem die großangelegte Fragebogenstudie durchgeführt wurde. Ein erster zentraler Komplex von Fragestellungen unseres Projektes besteht darin, Altersbilder zunächst einmal systematisch und differenziert zu beschreiben. Welche Vorstellungen haben Menschen vom Alter und von alten Menschen? Wie groß ist die Übereinstimmung in diesen Vorstellungen, wie groß sind die Unterschiede? Wie verändern sich diese altersbezogenen Vorstellungen im Laufe des Lebens? Wie und in welcher Hinsicht unterscheiden sich altersbezogene Vorstellungen zwischen verschiedenen Ländern und Kulturen?

Um die Vielschichtigkeit und Spezifität altersbezogener Vorstellungen abzubilden, haben wir nach Altersbildern in verschiedenen Lebensbereichen gefragt. Forschungsleitend war hierbei die Vermutung, dass Vorstellungen vom Alter und Altern sich stark unterscheiden, je nachdem, auf welchen Bereich sie sich beziehen (Familie, Arbeit, Freizeit etc.).

Weiterhin haben wir zwischen allgemeinen Altersbildern (Bilder von alten Menschen) und Altersselbstbildern (Vorstellungen von der eigenen Person im Alter) differenziert. Die separate Erfassung von Altersstereotypen und persönlichen Vorstellungen vom eigenen Alter erlaubt uns eine genaue Analyse des Zusammenhangs zwischen diesen beiden Facetten altersbezogener Vorstellungen; insbesondere wollten wir Prozesse der Internalisierung und Projektion untersuchen (Rothermund & Brandtstädter, 2003), also eine Übertragung von allgemeinen altersbezogenen Vorstellungen auf Vorstellungen des eigenen Alterns (Internalisierung) bzw. eine Verallgemeinerung eigener altersbezogener Erfahrungen zu Vorstellungen vom Alter schlechthin (Projektion).

Ein weiteres Ziel des Projekts bestand darin, neben deskriptiven (beschreibenden) Altersbildern auch präskriptive Altersbilder zu erfassen, also Vorstellungen davon, wie alte Menschen sein sollen. Auch hier interessierte uns eine differenzierte Erfassung dieser normativen Vorstellungen im Spannungsfeld gesellschaftlicher Vorstellungen, die traditionell zwar einen Rückzug älterer Menschen aus wichtigen Positionen und Lebensvollzügen fordern (disengagement), neuerdings aber ergänzt werden durch Forderungen des aktiven Alterns (active aging). Das zentrale Anliegen des Projektes besteht in der Erfassung von Veränderungen in der Akzeptanz und Verinnerlichung altersbezogener Normen über die Lebensspanne.

Das zweite Kernanliegen unserer Forschung zu Altersbildern war es, Konsequenzen zu identifizieren, die Altersbilder auf das Leben im Alter haben. Wie wirken sich positive im Vergleich zu negativen Altersbildern auf das Leben, das Verhalten und die Lebenszufriedenheit älterer Menschen aus? Wie prägen unsere Altersbilder die Entwicklung?

Der Rest dieses Kapitels liefert eine Übersicht der zentralen Ergebnisse unseres Projekts zu diesen Fragen.

3.2 Der Forschungsstand

Einstellungen zum Alter als eindimensionales Konstrukt

In der bisherigen Forschung zu Altersbildern geht es zum überwiegenden Teil um generelle Altersstereotype und Vorurteile gegenüber älteren Menschen. Insgesamt zeigen diese Untersuchungen, dass negative Vorstellungen zum Alter oder zu alten Menschen dominieren (z. B. Kite et al., 2005). Dieser Forschung liegt die implizite Annahme zu Grunde, es gäbe so etwas wie das Altersbild – die eine Vorstellung vom Alter, die eine Gesellschaft, ein Mensch oder eine Gruppe von Personen haben. Dies ist allerdings eine irreführende Vereinfachung. Zwar lassen sich Untersuchungsteilnehmerinnen und Untersuchungsteilnehmer dazu bewegen, auf die Frage, wie alte Menschen sind oder ob sie alte Menschen eher gut oder schlecht bewerten, eine Antwort zu geben, und diese Antwort fällt tendenziell eher negativ aus. Allerdings hat diese verallgemeinernde Auskunft nicht viel mit unseren tatsächlichen Vorstellungen zum Alter und Altern zu tun, die viel komplexer und vielschichtiger sind.

Altersbezogene Gewinne und Verluste

Schaut man sich die Inhalte altersbezogener Vorstellungen genauer an, so spielen hierbei sowohl Gewinne als auch Verluste eine wichtige Rolle (Heckhausen et al., 1989): Die meisten von uns verbinden das Alter mit gesundheitlichen Einbußen und mit nachlassender körperlicher Fitness, mit Vergesslichkeit oder mit geringer werdender Lernfähigkeit, aber eben auch mit einem Zugewinn an Lebens- und sonstiger Erfahrung, mit größerer Gelassenheit, mit Fürsorge und Warmherzigkeit.

Alte Menschen als warm aber inkompetent

Ein erster Versuch, diese unterschiedlichen altersbezogenen Erwartungen zusammenzufassen und zu systematisieren, stammt von Susan Fiske. Aufbauend auf dem sogenannten Stereotype Content Model (Fiske et al., 2002) ist die Wahrnehmung alter Menschen durch die Kombination von Inkompetenz und Wärme gekennzeichnet, etwas verniedlichend oder auch paternalistisch wurde hierfür die Beschreibung älterer Menschen als „doddering but dear“ (dt. tatterig aber lieb) gewählt (Cuddy & Fiske, 2002).

Diese differenzierende Charakterisierung mag zentrale Elemente verbreiteter Altersbilder widerspiegeln, allerdings ist auch sie immer noch zu grob, um unsere tatsächlichen altersbezogenen Vorstellungen angemessen einzufangen. Zu unseren Altersbildern gehört ja beispielsweise auch die Vorstellung, dass ältere Menschen erfahren und weise sind, was sicherlich ein Ausdruck von Kompetenz ist; gleichzeitig werden ältere Menschen auch als streng, rigide und stur wahrgenommen, was mit einer Charakterisierung als ‚warm‘ nicht ohne weiteres zu vereinbaren ist.

Prototypen alter Menschen

Ein anderer Differenzierungsvorschlag stammt von Mary Hummert, die darauf hingewiesen hat, dass die vielen unterschiedlichen Eigenschaften, die wir mit dem Alter und mit alten Menschen verbinden, weder isoliert nebeneinander stehen, noch immer sämtlich gemeinsam auftreten. In ihren Studien zeigte sich, dass bestimmte Teilmengen dieser Eigenschaften häufig zusammen auftreten. Nach Hummert repräsentieren diese „Merkmalscluster“ unterschiedliche Prototypen älterer Menschen, die wir als modellhaft betrachten. Hummert konnte in ihrer Forschung verschiedene solcher Typen identifizieren: Etwa den wertbetonten, traditionell denkenden älteren Menschen (John Wayne conservative), die fürsorglichen Großeltern, den armen, auf Sozialhilfe angewiesenen, einsam und alleinlebenden Rentner, dem man morgens mit einer Plastiktasche auf dem Weg zum Lebensmitteldiscounter begegnet, oder den stark beeinträchtigten, abhängigen und hinfälligen Heiminsassen (Hummert, 1990).

Kontextspezifische Altersbilder

Diese Unterscheidung von Eigenschaftsclustern, die einem bestimmten prototypischen Muster entsprechen, liefert einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis von Altersbildern. Möglicherweise verbirgt sich hinter dieser Differenzierung nicht nur eine Unterscheidung verschiedener Typen älterer Menschen, die mit der jeweiligen Charakterisierung bereits umfassend beschrieben wären, sondern vielmehr die Tatsache, dass wir für verschiedene Situationen und Kontexte jeweils unterschiedliche Altersbilder haben. Zum Beispiel glauben wir, dass die meisten älteren Menschen im Umgang mit moderner Technik (Computer, Smartphone) wenig Erfahrung haben, ungeschickt sind und Unterstützung brauchen. Im Umgang mit ihren Enkelkindern halten wir sie dagegen für äußerst kompetent, fürsorglich und souverän. Denken wir an Kontexte wie ein Alters- oder Pflegeheim, dann assoziieren wir das Alter mit Gebrechlichkeit und Unselbstständigkeit. Wenn es jedoch darum geht, eine Krise zu bewältigen, dann erwarten wir von älteren Menschen auf Grund ihrer Erfahrung, dass sie in der Lage sind, die wichtigen und richtigen Entscheidungen zu treffen, oder wenden uns an sie, um Rat und Unterstützung zu erhalten. Genau diese Situations- und Kontextabhängigkeit von Altersbildern konnte bereits in experimentellen Studien nachgewiesen werden (Casper et al., 2011). Sie zeigt sich nicht nur für Altersbilder sondern auch für die Art, wie wir über andere soziale Gruppen denken (z. B. Männer vs. Frauen, Politiker, Professoren/innen oder Ausländer; Casper et al., 2010; Wigboldus et al., 2003; Wittenbrink et al., 2001); sie zeigt sich sogar darin, wie wir über uns selbst nachdenken (Casper & Rothermund, 2012). Bezogen auf das Alter lässt sich diese Perspektive wie folgt auf den Punkt bringen: Wir haben nicht nur ein Altersbild, sondern wir haben für jede Situation ein eigenes, jeweils anderes Altersbild, das alten Menschen in dieser Situation ganz bestimmte Merkmalen zuschreibt.

Diese Altersbilder sind weitgehend unabhängig voneinander: Man kann das Alter in einem Bereich mit negativen Eigenschaften verknüpfen, in einem anderen Bereich mit positiven. Dabei bedeutet auch ‚negativ‘ und ‚positiv‘ in jedem Kontext inhaltlich etwas anderes: Wenn es um das äußere Erscheinungsbild und Attraktivität geht, dann denken wir vielleicht an Falten, schütteres Haar, oder an altmodische Kleidung. Bei der Freizeitgestaltung sind diese Merkmale völlig bedeutungslos, hier denken wir vielleicht daran, dass ältere Menschen mehr Zeit für Freizeitaktivitäten haben als andere, oder auch, dass sie gerne wandern. Es geht bei unseren Altersbildern also immer nur um solche Eigenschaften, die in dem jeweiligen Kontext eine wichtige Rolle spielen und handlungsleitend sind, insofern sie entweder das Verhalten der alten Person oder unser Verhalten ihr gegenüber beeinflussen.

3.3 Die Befunde im Überblick

3.3.1 Erfassung kontextspezifischer Altersbilder

Die Auffassung, dass Altersbilder kontextspezifisch sind, war forschungsleitend für unser Projekt. Ein wesentliches Ziel der Fragebogenstudie bestand daher gleich zu Beginn des Projektes darin, ein standardisiertes Erhebungsinstrument zu entwickeln, das uns eine Erfassung von Altersbildern in verschiedenen Lebensbereichen ermöglicht. Hierzu wurden für verschiedene Lebensbereiche spezifische Inhalte genannt, die mögliche positive vs. negative Entwicklungen für den jeweiligen Bereich enthalten, und die als prägnante Aussagen formuliert wurden. Sämtliche Aussagen wurden in einem bipolaren Format präsentiert, bei dem jeweils entgegengesetzt formulierte Inhalte den positiven und negativen Pol der Antwortskala markierten (Kornadt & Rothermund, 2011a; für eine Kurzversion siehe Kornadt et al., 2020). Eine Übersicht der Bereiche und exemplarisch hierzu formulierter Aussagenpaare findet sich in Abb. 3.2.

Abb. 3.2
figure 2

Ausgewählte Itemformulierungen für verschiedene Lebensbereiche zur Erfassung kontextspezifischer Altersbilder mit bipolarem Antwortformat

Zur Erfassung allgemeiner Altersbilder sollten alte Menschen im Allgemeinen anhand der vorgegebenen Items eingeschätzt werden. Hierzu wurden die Aussagenpaare mit der Formulierung „Alte Menschen…“ überschrieben, also z. B. für den Bereich Familie und Partnerschaft:

figure a

Ein erstes wichtiges Ergebnis unserer Studien war, dass die Antworten zu den Aussagen, die einen Lebensbereich abbildeten, untereinander starke Zusammenhänge aufweisen, allerdings kaum mit den Einschätzungen für die jeweils anderen Bereiche korrelieren.Footnote 2

Inhaltlich bedeutet dieses Ergebnis, (a) dass sich die verschiedenen Aussagen eines Bereichs zu Skalenwerten zusammenfassen lassen, mit denen sich die Positivität (vs. Negativität) des Altersbilds in dem jeweiligen Bereich quantifizieren lässt, und (b) dass diese Skalen jeweils separate Altersbilder abbilden, die voneinander unabhängig sind. Eine Person kann also ein relativ positives Altersbild in einem Bereich (z. B. Familie) haben, aber gleichzeitig ein vergleichsweise negatives Altersbild in einem anderen Bereich (z. B. Gesundheit), oder umgekehrt. Genauso können natürlich auch Kombinationen vorkommen, bei denen die Altersbilder in zwei Bereichen beide positiv oder beide negativ sind. Die Unabhängigkeit impliziert jedoch, dass gleichvalente Kombinationen von Altersbildern in verschiedenen Bereichen nicht wahrscheinlicher sind als Altersbilder mit entgegengesetzter Valenz in den verschiedenen Bereichen. Aus der Tatsache, dass eine bestimmte Person in einem Bereich ein eher positives Altersbild hat, lässt sich also nicht vorhersagen, wie ihr Altersbild in einem anderen Bereich aussieht. Die Altersbilder existieren nebeneinander, sie bilden jeweils unabhängige Facetten der Überzeugungen und Bewertungen ab, die eine Person zu dem komplexen Thema Alter besitzt.

Welches dieser verschiedenen Altersbilder in einer bestimmten Situation aktiviert wird und dann unser Denken und Handeln prägt, hängt davon ab, welchem Kontext die aktuelle Situation zugeordnet wird, und welches bereichsspezifische Altersbild zu dieser Situation „passt“ (Casper et al., 2011). Im Berufskontext – etwa bei der Frage, wen man zum Vorstellungsgespräch einladen soll, oder welche Aufgabe bzw. Tätigkeit für welchen Mitarbeiter geeignet ist – werden arbeitsbezogene Überzeugungen und Altersbilder abgerufen (z. B. bezogen auf Erfahrung, Kompetenz, Flexibilität, Mobilität oder Lernfähigkeit älterer Arbeitnehmer), die natürlich auch von den jeweiligen Stellenanforderungen abhängen (Diekman & Hirnisey, 2007). Im familiären Kontext werden dagegen gänzlich andere Vorstellungen aktiviert und werden dann handlungsleitend (z. B. zur Fürsorglichkeit und Großzügigkeit von Großeltern, zu ihren Wünschen nach Nähe zu ihren Kindern und Enkelkindern, ihren Vorstellungen von respektvollem und angemessenem Verhalten oder zu Geschlechtsrollenverteilungen in der Ehe).

Die Komplexität und Kontextabhängigkeit der Altersbilder, die wir mit unseren Skalen nachweisen konnten, ist auch charakteristisch für die Vorstellungen, die wir von anderen sozialen Gruppen haben (von Frauen oder Männern, von Mitgliedern bestimmter Nationalitäten, Berufsgruppen, etc.; Blair, 2002; Casper et al., 2010). Eine detaillierte Darstellung bereichsspezifischer Altersbilder steht allerdings bislang noch aus, genauso wie es wenig systematische Studien zu bereichsspezifischen Vorstellungen bei anderen Gruppen gibt. In den folgenden Abschnitten wollen wir diese unterschiedlichen Vorstellungen, die wir von alten Menschen in verschiedenen Lebensbereichen haben, genauer beschreiben.

3.3.2 Altersbilder in verschiedenen Lebensbereichen

Die Unabhängigkeit bereichsspezifischer Altersbilder sagt noch nichts darüber aus, wie positiv oder negativ diese Vorstellungen in den verschiedenen Kontexten jeweils sind. Unsere Befragungen liefern allerdings eindeutige Belege dafür, dass sich die Bewertungen älterer Menschen in verschiedenen Kontexten gravierend unterscheiden.

Einschätzungen älterer Menschen in verschiedenen Lebensbereichen

Schauen wir hierzu auf die Ergebnisse der deutschen Kernstichprobe des Projektes – also jene Personen, die zu allen Befragungszeitpunkten über einen Zeitraum von 10 Jahren an der Fragebogenuntersuchung teilgenommen haben (siehe Abb. 3.3). Positive Altersbilder zeigen sich hier vor allem für die Bereiche Familie, Arbeit und Freizeit. In diesen Bereichen liegen die Antworten etwa einen Skalenpunkt über dem Mittelpunkt der Skala und damit eindeutig im positiven Bereich (die bipolare Skala hatte 8 Antwortmöglichkeiten, sodass der neutrale Mittelpunkt der Skala einem Wert von 4,5 entspricht). Deutlich weniger positiv fallen die Einschätzungen alter Menschen in den Bereichen Freunde, Finanzen und Fitness aus – hier entsprechen die Einschätzungen ziemlich genau der Skalenmitte. Leicht positive Einschätzungen alter Menschen – etwa einen halben Punkt oberhalb der Skalenmitte – finden sich für die Bereiche Persönlichkeit, Aussehen und Autonomie.

Abb. 3.3
figure 3

Mittlere Einschätzungen alter Menschen auf den bipolaren Skalen für die verschiedenen Lebensbereiche (Kernstichprobe der deutschen Befragung; erster Messzeitpunkt; Wertebereich: 1 = negatives Ende, 8 = positives Ende der Skala)

Offenbar unterscheiden sich die Vorstellungen, die wir von alten Menschen haben, sehr stark in Abhängigkeit von den Situationen und Kontexten, in denen wir uns alte Menschen vorstellen. Es ist wenig verwunderlich, dass wir etwa in den Bereichen der geistigen und körperlichen Fitness und der sozialen Beziehungen (Freunde und Bekannte) weniger positive Vorstellungen finden, da sich hier möglicherweise negative Altersstereotype von Hinfälligkeit und Einsamkeit im Alter Bahn brechen.

Wahrgenommene Altersgrenzen in verschiedenen Lebensbereichen

Möglicherweise sind unsere Vorstellungen von alten Menschen in den einzelnen Bereichen auch davon geprägt, dass wir in den jeweiligen Bereichen unterschiedliche alte Menschen antreffen: Die erstaunlich positive Bewertung alter Menschen im Arbeitskontext mag auch damit zusammenhängen, dass alte Menschen im Arbeitskontext typischerweise das Rentenalter noch nicht erreicht haben, also jünger sind als der durchschnittliche alte Mensch in einem anderen Lebensbereich. Ein erster Hinweis auf solche selektiven Einflüsse besteht etwa darin, dass die Altersgrenzen in den verschiedenen Lebensbereichen sehr unterschiedlich eingeschätzt werden (Abb. 3.4; vgl. Kornadt & Rothermund, 2011a). Im Arbeitsbereich liegt die wahrgenommene Altersgrenze in unserer deutschen Stichprobe zum letzten Messzeitpunkt im Durchschnitt bei ca. 65 Jahren, was in etwa der (für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer geltenden) Rentenaltersgrenze entspricht, und damit um mehr als 5 Jahre niedriger als in allen anderen Lebensbereichen.

Abb. 3.4
figure 4

Durchschnittliche Altersgrenzen in den verschiedenen Lebensbereichen (Kernstichprobe der deutschen Befragung; Angaben für den letzten Befragungszeitpunkt)

Die positiven Einschätzungen alter Menschen im Bereich Arbeit mögen also auch damit zusammenhängen, dass wir in diesem Bereich an vergleichsweise junge alte Menschen denken, da die Altersgrenze in diesem Bereich sehr niedrig ist. Darüber hinaus können die Unterschiede zwischen den Altersbildern durch selektive Vorstellungen bestimmter alter Menschen zustande kommen, die in den jeweiligen Kontexten überrepräsentiert sind. Beispielsweise denken wir im Kontext Familie und Partnerschaft möglicherweise vor allem an solche alten Menschen, die engen Kontakt zu ihrer Familie haben, bzw. die noch mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin zusammenleben – und nicht unbedingt an diejenigen, für die es diese engen familiären Bindungen nicht (mehr) gibt. Der Gesundheits- und Fitnesskontext und der Autonomiebereich wecken dagegen möglicherweise Assoziationen an alte Menschen, die krank oder gebrechlich sind.

Vergleiche älterer Menschen mit Menschen mittleren Alters

Vor allem aber werden die Einschätzungen auf den bereichsbezogenen Aussagen auch durch den jeweils spezifischen Inhalt dieser Aussagen beeinflusst. Es ist also denkbar, dass die Ergebnisse auch damit zu tun haben, dass die Aussagen in den verschiedenen Bereichen unterschiedlich gut zwischen dem jeweiligen negativen und positiven Pol ausbalanciert waren.Footnote 3 Um solche Inhaltseffekte auszuschließen, und um sicher zu sein, dass die Unterschiede in den bereichsbezogenen Bewertungen auch tatsächlich unterschiedliche Bewertungen alter Menschen widerspiegeln, benötigen wir eine neutrale Kontrollmessung, in der dieselben Aussagen zur Einschätzung einer hinsichtlich ihres Alters unbestimmten Person benutzt werden. In unserem Fragebogenprojekt haben wir zu diesem Zweck Einschätzungen von nicht näher bestimmten Menschen im mittleren Lebensalter verlangt, also z. B.:

figure b

Für jeden Bereich werden dann die Einschätzungen alter Menschen mit den Einschätzungen der Menschen im mittleren Lebensalter verglichen. So kann ausgeschlossen werden, dass mögliche Bereichsunterschiede auf die spezifischen Formulierungen der Aussagen zurückgehen, denn diese Formulierungen gehen ja auch in die Einschätzung der neutralen Kontrollmessung ein. Einflüsse der Itemschwierigkeit werden durch den Vergleich mit der Kontrollmessung also eliminiert. Die resultierenden Ergebnisse stellen somit ein bereinigtes und damit eindeutiges Maß altersbezogener Unterschiede dar.

Die Ergebnisse dieses Vergleichs sind in der Abb. 3.5 dargestellt. Weitgehend bestätigen diese Analysen das in Abb. 3.3 dargestellte Ergebnis altersbezogener Einschätzungen, es finden sich allerdings auch wichtige Ergänzungen und Abweichungen. Ganz generell zeigt sich, dass ältere Menschen in allen Lebensbereichen weniger positiv eingeschätzt werden als Menschen mittleren Lebensalters. Lediglich für den Bereich Familie/Partnerschaft findet sich kein Unterschied, was zu der positiven Einschätzung alter Menschen in diesem Bereich passt. Auch in den Bereichen Freizeit und Arbeit fallen die Unterschiede gering aus, was die Ergebnisse der einfachen Analyse zur Einschätzung alter Menschen (Abb. 3.3) bestätigt. Allerdings zeigen sich ähnlich geringe Abweichungen zwischen alten und mittelalten Menschen nun auch für die Bereiche Persönlichkeit und Finanzen. Offenbar werden alte Menschen in diesen Bereichen ähnlich eingeschätzt wie andere Erwachsene auch – die weniger positiven Einschätzungen für alte Menschen in diesen Bereichen sind also nicht spezifisch für alte Menschen, sondern spiegeln allgemein weniger positive Wahrnehmungen in diesen Bereichen wider, die unabhängig vom Alter sind und die somit eher mit den im Fragebogen verwendeten Aussagen zu tun haben.

Abb. 3.5
figure 5

Vergleichende Einschätzung alter Menschen und Menschen mittleren Alters (Kernstichprobe der deutschen Befragung; erster Messzeitpunkt; Wertebereich: 1 = negatives Ende, 8 = positives Ende der Skala)

Mit Blick auf negativere Einschätzungen alter Menschen stechen die Bereiche Freunde, Fitness/Gesundheit, Aussehen und Autonomie hervor. Insbesondere für die letzten beiden Bereiche ist dieses Ergebnis insofern überraschend, als es sich bei der einfachen Betrachtung der Einschätzungen alter Menschen so nicht zeigte. Die vergleichende Analyse belegt somit, dass auch in diesen Lebensbereichen trotz einer positiven Einschätzung alter Menschen dennoch im Vergleich zur Einschätzung von Menschen mittleren Alters insgesamt eher negative Altersbilder vorherrschen.

3.3.3 Altersbedingte Unterschiede in Altersbildern

Bislang haben wir Altersbilder in den verschiedenen Bereichen ganz allgemein beschrieben, d. h., wir haben Durchschnittswerte für die Gesamtstichprobe aller Personen berichtet. Altersbilder sind jedoch nicht für alle Personen gleich, sie können sich systematisch zwischen verschiedenen Personengruppen unterscheiden.

In diesem Zusammenhang ist eine besonders interessante Frage, ob und ggf. wie sich Altersbilder über die Lebensspanne verändern. Das Alter ist insofern besonders, als alle Menschen im Laufe ihres Lebens die Zugehörigkeit zu Altersgruppen wechseln. Wir erwerben Bilder vom Alter bereits als junge Menschen, hier beziehen sich die Altersbilder noch auf andere Menschen, sozialpsychologisch gesprochen also auf eine Fremdgruppe. Irgendwann jedoch gehören wir selbst zur Gruppe der ‚Alten‘, und unsere Altersbilder beziehen sich plötzlich auf die Eigengruppe, also indirekt auf uns selbst.

Bereits Rothbaum (1983) konnte zeigen, dass ältere Menschen einen altersbezogenen Eigengruppen-Bias zeigen: Sie bewerten Eigenschaften und Inhalte, die typisch sind für ältere Menschen, positiver als junge Menschen dies tun. Heckhausen et al. (1989) berichten, dass ältere Menschen differenziertere Vorstellungen über altersbezogene Veränderungen besitzen als jüngere Personen. In einer Studie von Rothermund und Brandtstädter (2003, siehe auch de Paula Couto et al., 2021) zeigte sich, dass Einschätzungen alter Menschen mit zunehmendem Alter positiver werden.

Auch in unseren Daten finden sich Hinweise auf positivere Altersbilder bei älteren Menschen (Kornadt & Rothermund, 2011a). Allerdings verläuft diese Zunahme nicht gleichmäßig über die Lebensspanne (Abb. 3.6): Im Übergang vom jüngeren zum mittleren Erwachsenenalter zeigt sich zunächst ein Trend, dass Altersbilder negativer werden, der sich mit Eintreten in den Bereich des höheren Erwachsenenalters wieder umkehrt. Im hohen Alter zeigt sich dann eine Zunahme positiver Bewertungen alter Menschen.

Abb. 3.6
figure 6

Einschätzung alter Menschen und Menschen mittleren Alters in verschiedenen Altersgruppen (Kernstichprobe der deutschen Befragung; erster Messzeitpunkt; Wertebereich: 1 = negatives Ende, 8 = positives Ende der Skala)

Derselbe Verlauf zeigt sich auch, wenn anstelle der Einschätzungen älterer Menschen der Unterschied in den Bewertungen alter Menschen und Menschen mittleren Lebensalters betrachtet wird (siehe Abb. 3.6). Der abnehmende Knick im Übergang vom jungen zum mittleren Lebensalter fällt bei dieser Betrachtung noch deutlicher aus, insgesamt ist die anschließende Zunahme in der relativen Positivität der Bewertung alter Menschen aber weitgehend parallel zur vorherigen Analyse, da sich die Bewertung der Menschen mittleren Alters im höheren Alter nicht mehr nennenswert verändert. Hier kommen folgende Einflüsse zusammen: Zum einen haben jüngere Erwachsene ein vergleichsweise negatives Bild von ‚Menschen mittleren Lebensalters‘, das daher rühren mag, dass diese Personen wichtige gesellschaftliche Rollen und Einflusspositionen besetzen, die von den jüngeren Erwachsenen angestrebt werden. Die negativeren Bewertungen mittelalter Menschen drücken aus, dass die Jungen dieser Gruppe selbstbewusst gegenübertreten und sie keinesfalls als überlegen einschätzen. In die Differenzvariable gehen diese Bewertungen mit umgekehrtem Vorzeichen ein und machen so die relative Einschätzung alter Menschen positiver. Zum anderen zeigen gerade mittelalte Personen eine Tendenz, sich vom hohen Alter abzugrenzen. Diese äußert sich in negativen Altersbildern, die dann dazu benutzt werden, um eine Selbstkategorisierung als ‚alt‘ abzuwehren, sowie in einer Aufwertung der eigenen (also der ‚mittleren‘) Altersgruppe. Zusammengenommen entstehen daher in dieser Altersgruppe die negativsten relativen Einschätzungen alter Menschen.

Schlüsselt man die Altersverläufe in der Bewertung alter Menschen nochmals nach Bereichen auf, so zeigen sich zum Teil unterschiedliche Muster (Abb. 3.7). Während sich in den meisten Bereichen das typische Muster einer positiveren Bewertung der Eigengruppe zeigt, d. h., dass die Bewertungen alter Menschen mit zunehmendem Alter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer positiver ausfallen, finden sich in den Bereichen Finanzen und Freizeit dagegen über die Altersgruppen hinweg stabile bzw. sogar leicht abnehmende Einschätzungen alter Menschen. Über die Hintergründe lässt sich nur spekulieren: Möglicherweise haben jüngere und/oder mittelalte Erwachsene gerade in diesen Bereichen recht positive Altersbilder, da sie alten Menschen viel Freizeit und zumindest finanzielle Sicherheit zusprechen. Diese Vorstellungen werden dann aber zumindest im Leben einiger alter Menschen selbst nicht erfüllt, die vielleicht nicht mehr in der Lage sind, Freizeitangebote wahrzunehmen oder die im Alter in eine prekäre finanzielle Situation geraten. Diese Enttäuschung ursprünglich positiver Erwartungen wird dann auf die allgemeinen Vorstellungen des Alters projiziert und führt zu einer negativeren Bewertung des Lebens alter Menschen in diesen Bereichen.

Abb. 3.7
figure 7

Einschätzung alter Menschen, aufgeschlüsselt nach Lebensbereichen, in verschiedenen Altersgruppen (Kernstichprobe der deutschen Befragung; über alle Befragungszeitpunkte gemittelte Werte; Wertebereich: 1 = negatives Ende, 8 = positives Ende der Skala)

3.3.4 Länderunterschiede in Altersbildern

Altersbilder unterscheiden sich möglicherweise nicht nur zwischen Altersgruppen, sondern auch zwischen Ländern. Ein zentrales Anliegen unseres Projektes besteht gerade darin, die unterschiedlichen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Alterns zu untersuchen, und diese sollten sich in jeweils spezifischen Vorstellungen vom Alter und Altern abbilden.

Ein intensiv diskutiertes Thema in Bezug auf solche unterschiedlichen ‚Kulturen des Alterns‘ ist der Unterschied zwischen West (Europa und Nordamerika) und Ost (Asien). Asiatische Kulturen legen nicht nur generell einen größeren Wert auf kollektive Werte – also Gemeinschaftsgefühl, Zusammengehörigkeit und Solidarität –, während westliche Kulturen als eher individualistisch gelten (Markus & Kitayama, 1991). Insbesondere sollte älteren Menschen in asiatischen Ländern auf Grund spezifischer Werte der Ehrerbietung („filial piety“) mehr Respekt und Wertschätzung entgegengebracht werden (Ng, 1998).

Allerdings zeichnet die bisherige Forschung zu Länderunterschieden in Einstellungen zum Alter und Altern eher ein anderes Bild. Eine vielbeachtete Metaanalyse nahezu sämtlicher zu diesem Thema publizierter Studien kommt zu dem Ergebnis, dass altersbezogene Einstellungen in asiatischen Ländern tendenziell negativer ausfallen als in westlichen Ländern (North & Fiske, 2015). Die Befundlage ist allerdings heterogen, manche Studien belegen die ursprüngliche These der positiveren Altersbilder in östlichen Ländern, andere zeigen praktisch keine Ost-West-Unterschiede, und wieder andere Untersuchungen, die allerdings in der Mehrheit sind, weisen positivere Altersbilder in westlichen Ländern aus. Dies wird vor allem mit Unterschieden in der staatlichen sozialen Alterssicherung in Verbindung gebracht (Löckenhoff et al., 2009): In asiatischen Ländern könnte die Verpflichtung zur Versorgung älterer Menschen, auf die ältere Menschen gegenüber ihren Kindern sogar ein gesetzlich einklagbares Recht haben, von der in der Pflicht stehenden jüngeren Generation als Belastung empfunden werden, insbesondere vor dem Hintergrund eines rapide zunehmenden Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung.

Mit unserem Projekt wollen wir zu dieser noch nicht abschließend geklärten Frage einen Beitrag leisten. Hierzu vergleichen wir Altersbilder in westlichen (Deutschland, USA) und asiatischen Ländern (Hongkong/China, Taiwan). Zusätzlich betrachten wir auch noch Tschechien als fünftes Land, um einen ersten Einblick in die vorherrschenden Altersbilder eines osteuropäischen Landes zu erhalten, dessen jüngste Geschichte durch einen Wechsel von sozialistischer Staatsmonopolwirtschaft hin zu einer liberalen Wirtschaftsordnung gekennzeichnet ist, in der sich der Staat gleichzeitig zunehmend aus der sozialen Absicherung im Alter zurückzieht.

In den bisherigen Untersuchungen zu Ländervergleichen wurden meist globale Instrumente zur Erfassung von Altersbildern und altersbezogenen Einschätzungen eingesetzt. Durch die bereichsspezifische Betrachtung lassen sich mit den Daten unseres Projekts zum einen sehr viel differenziertere Aussagen über Altersbilder in den verschiedenen Ländern treffen, zum anderen liefert diese Betrachtungsweise vielleicht auch einen Schlüssel um unterschiedliche Ergebnisse früherer Studien zu erklären, die möglicherweise unbeabsichtigt unterschiedliche Aspekte von Altersbildern erfasst haben, die auf unterschiedliche Lebensbereiche oder Kontexte verweisen.

Länderunterschiede in der Bewertung alter Menschen

Unsere Ergebnisse belegen zum einen gravierende Unterschiede zwischen den untersuchten Ländern (Abb. 3.8, siehe auch Voss et al., 2018b). In den westlichen Ländern (USA, Deutschland) treten die positivsten Altersbilder auf, die asiatischen Länder China (Hongkong) und Taiwan zeigen vergleichsweise weniger positive Altersbilder, die aber immer noch im neutralen bzw. positiven Bereich der Antwortskala liegen. In Tschechien finden sich mit deutlichem Abstand die negativsten Einschätzungen alter Menschen, die sogar im Gesamtdurchschnitt unter dem Skalenmittelwert von 4,5, und damit auch absolut im negativen Bereich liegen.

Abb. 3.8
figure 8

Einschätzung alter Menschen, aufgeschlüsselt nach Lebensbereichen, in verschiedenen Ländern (Gesamtstichprobe; Ergebnisse des dritten Befragungszeitpunkts; Wertebereich: 1 = negatives Ende, 8 = positives Ende der Skala)

Allerdings wird dieses generelle Muster noch in interessanter Weise durch die Aufschlüsselung in bereichsspezifische Einschätzungen qualifiziert. Das allgemeine Muster (USA/D > HK/TW > CZ) zeigt sich für die Bereiche Freizeit, Fitness, Aussehen und Autonomie. Vergleichsweise positive Altersbilder in den asiatischen Ländern zeigen sich allerdings in den sozialen Bereichen (Familie, Freunde) aber auch für den Bereich Persönlichkeit. Gerade hier bilden sich möglicherweise Einflüsse traditioneller asiatischer Wertvorstellungen ab, die älteren Menschen auf Grund ihrer Erfahrung (= Persönlichkeit) Respekt, Hochachtung und soziale Zuwendung zuschreiben. Mit der bereichsspezifischen Erfassung altersbezogener Einschätzungen ist es uns also möglich, die heterogenen Ergebnisse früherer Studien zu Ost-West-Vergleichen in altersbezogenen Einschätzungen zumindest teilweise aufzuklären.

Die negativen Bewertungen alter Menschen in der tschechischen Stichprobe zeigen lediglich für den Bereich Arbeit eine zumindest im Mittelfeld der anderen Länder liegende Einschätzung. Über die Ursachen für die ansonsten deutlich negativeren Bewertungen in Tschechien können wir zum aktuellen Zeitpunkt nur spekulieren. Die ausgesprochen negativen Bewertungen alter Menschen in den Bereichen Finanzen und der körperlichen bzw. geistigen Fitness und Gesundheit legen die Vermutung nahe, dass sich in diesen Einschätzungen auch die prekäre Versorgungslage der älteren Generation widerspiegelt, die durch den Systemumbruch in eine Situation geraten ist, in der die staatliche Unterstützung fehlt, gleichzeitig aber auch keine Möglichkeit mehr bestand oder besteht, die persönliche Situation aus eigener Kraft noch zu verbessern.

Länderunterschiede in wahrgenommenen Altersgrenzen

Auch bezüglich der bereits oben angesprochenen Altersgrenzen (Abb. 3.3) haben wir Ländervergleiche vorgenommen (siehe Abb. 3.9). In diesen Analysen zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den untersuchten Ländern: Die höchsten Altersgrenzen fanden sich in den USA, im mittleren Bereich liegen Deutschland und Tschechien, die mit Abstand niedrigsten Altersgrenzen zeigen sich in Hongkong und Taiwan. Diese Ergebnisse belegen einen gravierenden Ost/West-Unterschied in Alterszuschreibungen. Zwischen den USA und Taiwan beträgt der Unterschied im Alter, ab dem eine Person als alt gilt, nahezu zehn Jahre. Eine Person Anfang siebzig würde in Taiwan bereits seit ca. fünf Jahren als alt gelten, während sie in den USA erst in weiteren fünf Jahren zu den Alten gezählt würde.

Abb. 3.9
figure 9

Durchschnittliche Altersgrenzen in den Ländern der Altersstudie der VolkswagenStiftung, aufgeschlüsselt nach Lebensbereichen (Gesamtstichprobe; Angaben für den dritten Messzeitpunkt)

Wie erklärt man diese Unterschiede? Ein wesentlicher Faktor hierbei ist sicherlich das Renteneintrittsalter, das als Anker für eine Einteilung von Personen als alt bzw. noch nicht alt genutzt wird. Interessanterweise zeigen sich jedoch gerade mit Bezug auf den Bereich Arbeit die geringsten Länderunterschiede in den Altersgrenzen. Die asiatischen Länder (China und Taiwan) liegen hier auf demselben Niveau wie Deutschland und Tschechien. Während in den westlichen Ländern der Übergang ins hohe Alter in den meisten Bereichen allerdings fünf oder mehr Jahre über dem Arbeitsbereich liegt, also deutlich nach dem Renteneintritt, unterscheiden sich die Altersgrenzen in den asiatischen Ländern nur unwesentlich zwischen den Bereichen. Offenbar ist die Alterswahrnehmung in diesen Ländern weniger differenziert, es herrscht ein globalerer Altersbegriff vor als in den westlichen Ländern, insbesondere sticht der Arbeitsbereich nicht mehr deutlich aus den anderen Bereichen heraus. Diese reduzierte Variabilität deutete sich bereits in den Altersbildanalysen an (siehe Abb. 3.8), bei den Altersgrenzen kommt sie allerdings noch wesentlich klarer zum Ausdruck. Über die Hintergründe dieses Unterschieds in der Bereichsdifferenzierung können wir auf der Basis unserer Daten nur spekulieren. Unsere Interviewstudien belegen jedoch, dass in Asien (Taiwan, Hongkong) das Alter vor allem als Gelegenheit gesehen wird, ein ruhiges, zurückgezogenes und abgeschiedenes Leben zu führen – die dort vorherrschende Konzeption des Alters wird als „tranquil life“ beschrieben (Liou, 2016). In den westlichen Kulturen dominieren dagegen Vorstellungen eines aktiven, durch Engagement und/oder Genuss gekennzeichneten dritten Alters (Kornadt & Rothermund, 2011b). Hier beginnt das wirkliche Alter noch nicht mit dem Austritt aus dem Erwerbsleben, sondern wird an dem Übergang ins vierte Lebensalter festgemacht, wo sich Einbußen in der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit bemerkbar machen, gepaart mit Einbußen in der Autonomie der Lebensführung. Die Erwartung oder Aussicht auf eine solche Phase des aktiven Alters nach dem Renteneintritt scheint es in asiatischen Ländern in dieser Form nicht zu geben, sodass eine wesentlich engere Kopplung des Beginns des Alters an die Beendigung des Berufslebens erfolgt.

3.3.5 Altersfremd- und Altersselbstbilder

Wenn wir im alltäglichen Sprachgebrauch von Altersbildern und Altersstereotypen sprechen, dann ist klar, auf wen sich diese Vorstellungen beziehen: Es geht um Vorstellungen, die wir von alten oder älteren Menschen haben. Ältere Menschen sind eine soziale Gruppe und Altersbilder beschreiben, welche Eigenschaften wir den Mitgliedern dieser Gruppe zuschreiben: Was charakterisiert ältere Menschen im Gegensatz zu jüngeren Menschen?

Das Besondere am Alter ist jedoch, dass die Gruppengrenzen nicht starr sind, sodass jede Person im Laufe ihres Lebens die Gruppenzugehörigkeit wechselt: Irgendwann ist man nicht mehr jung und gehört dann selbst zu „den Alten“ (Rothbaum, 1983). Aus dieser dynamischen Beschaffenheit der Alterszugehörigkeit, die jeden von uns betrifft, folgt, dass es neben dem Bild älterer Menschen im Allgemeinen auch noch ein Bild des Alters im Besonderen gibt. Dieses besondere Bild umfasst die Vorstellungen, die wir von unserem eigenen Alter haben, es ist also ein Bild davon, wie es sein wird, wenn wir selbst einmal alt sein werden. Dieses Bild vom eigenen Alter und Altern bezeichnen wir als Altersselbstbild. Wie eingangs erwähnt bildet sich ein vom allgemeinen Altersbild unabhängiges Bild vom eigenen Alter erst relativ spät heraus. Zwar haben schon Kinder Vorstellungen davon, was es heißt, alt zu sein (Vauclair et al., 2018). Diese negativen Altersbilder beziehen sich aber noch nicht auf sie selbst und ihr mögliches eigenes Altern, sondern zunächst nur auf andere Menschen, eben auf ‚die Alten‘. Im Laufe des Lebens stellt sich dann allerdings irgendwann – für manche Menschen früher, für manche später – die Frage, wie denn unser eigenes Leben einmal aussehen wird, wenn wir selbst alt sein werden. Dann beginnen wir, unsere ganz persönlichen Altersselbstbilder auszubilden.

In unserem Projekt haben wir die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht nur nach ihren allgemeinen Vorstellungen von alten Menschen befragt (siehe oben, Abschn. 3.3.1); um Altersselbstbilder zu erfassen, haben wir exakt dieselben Fragen auch mit Bezug auf die eigene Person gestellt:

figure c

Vergleich von Einschätzungen des eigenen Alters und alter Menschen im Allgemeinen

Im Einklang mit früheren Untersuchungen (Rothermund & Brandtstädter, 2003) zeigt sich auch in unserer Studie, dass die bereichsbezogenen Altersselbstbilder unserer Probandinnen und Probanden im Durchschnitt deutlich positiver ausfallen als ihre allgemeinen Vorstellungen vom Alter und Altsein. Statistisch handelt es sich hierbei um einen sehr großen Effekt (partielles ƞ2 = .33). Dieser Unterschied ist also substanziell. Wie kommt dieser Unterschied zustande?

Vor allem muss bei der Interpretation bedacht werden, dass sich Altersselbst- und Altersfremdbilder letzten Endes auf dieselben Personen bezieht: Die Stichprobe unserer Studie stellt ja eine – sehr große und annähernd repräsentative – Zufallsauswahl aus der Gesamtbevölkerung dar. Wie kann es dann sein, dass die Bewertung des eigenen Alters im Durchschnitt so viel positiver ausfällt als die Wahrnehmung älterer Menschen im Allgemeinen? Um die zugrundeliegenden Mechanismen für diesen Unterschied in Altersfremd- und Altersselbstbildern besser zu verstehen, ist es hilfreich, diesen Befund genauer aufzuschlüsseln. Zum einen zeigen unsere Daten, dass große Unterschiede vor allem in solchen Bereichen auftreten, die mit der privaten bzw. persönlichen Lebenssituation zu tun haben (Familie, Persönlichkeitsentwicklung, Gesundheit/Fitness, Aussehen, Autonomie), während in den eher sozialen Bereichen (Freunde und soziale Beziehungen, Freizeitgestaltung, Finanzen, Arbeit) kaum oder jedenfalls deutlich geringere Unterschiede zwischen Altersselbst- und Altersfremdbildern zu finden sind (siehe Abb. 3.10).

Abb. 3.10
figure 10

Durchschnittliche Bewertung alter Menschen und der eigenen Person im hohen Alter („wenn ich alt bin“), aufgeschlüsselt nach Lebensbereichen (Kernstichprobe der Deutschen Erhebung; Ergebnisse des ersten Messzeitpunkts; Wertebereich: 1 = negatives Ende, 8 = positives Ende der Skala)

Ebenso interessant und aufschlussreich ist die Tatsache, dass sich der Abstand zwischen Altersselbst- und Altersfremdbildern mit zunehmendem Alter verringert (siehe Abb. 3.11). Während sich bei den Einschätzungen alter Menschen eine insbesondere bei den über 50-Jährigen eine deutliche Zunahme der Positivität der Altersbilder abzeichnet, bleiben die Altersselbstbilder im höheren Alter weitgehend unverändert und auf hohem Niveau stabil. So kommt es zu einer Annäherung des allgemeinen Altersbilds an das Altersselbstbild.

Abb. 3.11
figure 11

Vergleich von Altersselbst- und Altersfremdbildern in verschiedenen Altersgruppen (Kernstichprobe der deutschen Erhebung; Ergebnisse des ersten Messzeitpunkts; Wertebereich: 1 = negatives Ende, 8 = positives Ende der Skala)

Zusammengenommen sprechen diese Ergebnisse dafür, dass der Unterschied zwischen Altersselbst- und Altersfremdbildern zu großen Teilen mit einer übertrieben optimistischen Wahrnehmung der für die eigene Person erwarteten Lebenssituation im Alter zu erklären ist. Gerade in Bereichen der privaten Lebensgestaltung besteht lange die Illusion, das Leben auch im hohen Alter nach eigenen Vorstellungen leben und kontrollieren zu können, was gerade in diesen Bereichen zu übermäßig positiven Altersselbstbildern führt. Mit zunehmendem Alter werden diese überzogenen Selbsteinschätzungen im Lichte eigener Erfahrungen mit dem Alter dann aber wieder korrigiert und durch realitätsnähere Vorstellungen ersetzt.

Zusammenhang von Altersselbst- und Altersfremdbildern

Widmen wir uns jetzt der Frage nach dem Verhältnis von Altersselbst- und Altersfremdbildern. Auf den ersten Blick suggeriert der Niveauunterschied zwischen der Einschätzung alter Menschen und der zukunftsbezogenen Einschätzung der eigenen Person im Alter, dass es sich hierbei um separate Vorstellungen handelt, die eher in einer antagonistischen, also entgegengesetzten Beziehung zu einander stehen. In der Literatur herrscht daher tatsächlich die Vorstellung vor, allgemeine und persönliche Altersbilder würden als Gegensatz oder Kontrast fungieren und dienten der Abgrenzung zwischen individuellen und allgemeinen Altersvorstellungen („social downgrading“, Heckhausen & Brim, 1997; „Abwärtsvergleiche“, Pinquart, 2002; siehe auch Weiss & Lang, 2012).

Diese Annahme ist jedoch trügerisch, insbesondere übersieht sie die starke Abhängigkeit zwischen diesen beiden Typen von Altersbildern. Tatsächlich ist es so, dass Altersselbst- und Altersfremdbilder positiv miteinander zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen (Kornadt & Rothermund, 2012; Kornadt et al., 2017; Rothermund & Brandtstädter, 2003). In der Gesamtstichprobe unseres Projektes findet sich eine Korrelation von r = .69, also ein deutlich positiver Zusammenhang, bei dem etwa die Hälfte der Unterschiede in Altersselbstbildern durch Unterschiede in den Altersfremdbildern erklärt werden können (der Prozentsatz der aufgeklärten Varianz berechnet sich über den quadrierten Korrelationskoeffizienten, und beträgt in diesem Fall r2 = .49). Anders ausgedrückt: Je negativer/positiver die Vorstellungen vom Alter im Allgemeinen sind, die eine Person hat, desto negativer/positiver fallen auch ihre Vorstellungen vom eigenen Alter aus.

Wie kommt dieser Zusammenhang zustande und wie kann man ihn erklären? Eine Antwort liefert das eingangs dargestellte Modell (Abb. 3.1): Der dort skizzierte Prozess der Internalisierung (Verinnerlichung) von Altersbildern (Rothermund & Brandtstädter, 2003; siehe auch Kornadt & Rothermund, 2012; Kornadt et al., 2017), beschreibt eine Übertragung von Vorstellungen, die sich ursprünglich nur auf andere Menschen bezogen (auf ‚die Alten‘), auf uns selbst.

Diese Internalisierung von Altersbildern stellt einen kritischen Moment für die weitere Entwicklung einer Person dar. Sie birgt die Gefahr, dass wir negative Altersbilder in unser altersbezogenes Selbstbild übertragen. Sind sie erst einmal dort, prägen sie unsere Erwartungen und unser Handeln, sie beeinflussen, welche Erfahrungen wir machen und wie wir uns auf unser Alter vorbereiten (Kornadt et al., 2015, 2019; Levy, 2009; Voss et al., 2017). Unsere negativen Altersbilder führen also nicht nur dazu, dass wir andere alte Menschen negativer bewerten und uns eventuell auch unangemessen ihnen gegenüber verhalten (Rothermund & Mayer, 2009; siehe auch de Paula Couto & Rothermund, 2019; Rothermund et al., 2021b; Voss et al., 2018a; Voss & Rothermund, 2018). Pointiert formuliert könnte man sagen, dass wir uns durch negative Altersbilder am Ende selbst diskriminieren (Rothermund, 2018).

Wir gehen auf die möglichen Folgen von Altersbildern für die eigene Entwicklung in den folgenden Abschnitten noch detaillierter ein (s. Abschn. 3.3.7). Für den Moment halten wir als zentrales Ergebnis fest, dass unsere persönlichen Altersselbstbilder zwar deutlich positiver ausfallen als unsere allgemeinen Vorstellungen von alten Menschen, dass sie aber gleichzeitig entscheidend von diesen Vorstellungen mitgeprägt werden.

3.3.6 Präskriptive Altersnormen

Altersbilder enthalten nicht nur Überzeugungen davon, wie alte Menschen sind, sie enthalten auch Vorstellungen davon, wie alte Menschen sein sollen. In diesem Fall spricht man von normativen Altersbildern oder präskriptiven Altersnormen (Rothermund & Wentura, 2007). Diese Altersnormen spiegeln Erwartungen wider, die wir an ältere Menschen richten – oder die ältere Menschen an sich selbst haben, um ihrer Rolle als alter Mensch gerecht zu werden. Pointiert gesagt geht es bei diesen präskriptiven Altersbildern darum, was es bedeutet, ein „guter alter Mensch“ zu sein (Rothermund, 2019).

Die Forschungsliteratur zu diesem wichtigen Thema hat zwei grundsätzlich unterschiedliche Typen von Altersnormen identifiziert. Die klassische normative Sichtweise auf das Alter fordert, dass sich ältere Menschen aus gesellschaftlichen Rollen und Aktivitäten zurückziehen, dass sie ihre Ressourcen an die nachfolgende Generation weitergeben, und dass sie sich nicht mehr als jung darstellen oder versuchen, weiterhin eine jugendliche Identität zu behalten (North & Fiske, 2013). Der englische Fachausdruck für diese übergeordnete Norm des Rückzugs aus dem öffentlichen Leben lautet disengagement.

Altersforscher hatten ursprünglich den Rückzug aus Verpflichtungen und Aktivitäten als förderliches Element einer gesunden Entwicklung im Alter propagiert, das dabei helfen soll, sich auf das unausweichliche Lebensende vorzubereiten (Cumming & Henry, 1961). Bei der Norm des Rückzugs geht es allerdings nicht zuerst darum, was gut für die alten Menschen selbst ist, sondern was von ihnen erwartet wird. Bisherige Forschung zeigt, dass ältere Menschen kritisiert und negativ bewertet werden, wenn sie dieser Norm nicht entsprechen, d. h., wenn sie ihre angestammten Positionen nicht freiwillig räumen, ihre Ressourcen für sich nutzen und beanspruchen, oder wenn sie weiterhin einen Lebensstil und ein Erscheinungsbild zeigen, das eher jüngeren Menschen entspricht (Martin & North, 2021; North & Fiske, 2013).

Neben der Rückzugsnorm hat sich allerdings eine zweite, scheinbar entgegengesetzte Norm etabliert, nämlich die Erwartung, dass ältere Menschen versuchen sollen, aktiv zu bleiben, und so lange wie möglich am beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und für sich zu sorgen (Ekerdt, 1986; Pavlova & Silbereisen, 2016). Die Norm des aktiven Alterns hat eine wichtige sozialpolitische Funktion; sie steht im Zusammenhang mit Forderungen nach einer Verschiebung bzw. Erhöhung des Renteneintrittsalters, längerer aktiver Teilnahme am Berufsleben und einer damit einhergehenden Entlastung der sozialen Wohlfahrtssysteme (Rentenversicherung, Krankenversicherung) angesichts weiter wachsender Anteile älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung (Kohli, 1989; siehe auch Kap. 6 zu einer ausführlicheren Beschäftigung mit Rückzugs- und Aktivierungsnormen für ältere Menschen). Ältere Menschen selbst stehen dieser Norm offenbar aufgeschlossen gegenüber, weil sie eine Aufrechterhaltung bisheriger Lebensvollzüge und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in Aussicht stellt. Die Norm, aktiv zu bleiben, suggeriert implizit, dass es möglich ist und in der Verantwortung jedes einzelnen liegt, das Alter aufzuschieben oder aufzuhalten und auch weiter sinnvollen Beschäftigungen nachzugehen. Die dahinter stehende Vorstellung vom ‚alt sein ohne alt zu sein‘ hat offenbar etwas Verlockendes, auch für die älteren Menschen selbst.

In unserem Projekt haben wir die persönliche Zustimmung zu beiden Altersnormen, Rückzug und Aktivierung, in einem speziell für diesen Zweck entwickelten Fragebogen erfasst (de Paula Couto et al., 2022; siehe Tab. 3.1).

Tab. 3.1 Präskriptive Altersnormen der Aktivierung und des Rückzugs: Beispielitems aus dem Erhebungsinstrument

Altersverläufe in der Zustimmung zu Altersnormen der Aktivierung und des Rückzugs

Unsere Daten zeigen, dass die Aktivierungsnorm generell mehr Zustimmung erhält als die Rückzugsnorm. Dies stimmt mit der Vermutung überein, dass Erwartungen, die ein mehr oder weniger unverändertes, nicht im stereotypen Sinne ‚altes‘, Leben fordern – und damit auch als Möglichkeit in Aussicht stellen – auf höhere Akzeptanz stoßen, als Forderungen, die im Ergebnis einer Ausgrenzung älterer Menschen entsprechen.

Interessanterweise zeigen sich für beide Normen höhere Zustimmungswerte bei älteren Personen (siehe Abb. 3.12). Offenbar werden Erwartungen, die von einer Gesellschaft an ältere Menschen gerichtet werden, von diesen im Laufe der Zeit übernommen und verinnerlicht. Auch wenn mit dem Übergang ins höhere Alter nicht automatisch eine neue Identität entsteht – die meisten älteren Menschen bezeichnen sich nicht explizit als ‚alt‘, sondern sehen sich zumindest explizit immer noch als die erwachsene Person, die sie auch früher schon waren (siehe Kap. 5) – so deuten unsere Befunde doch darauf hin, dass eine aktive und intensive Auseinandersetzung mit dem Alt-sein bzw. Älter-werden stattfindet. Eine direkte Selbstidentifikation als ‚alt‘ fällt wegen der damit verbundenen Negativ-Konnotationen offenbar vielen älteren Menschen schwer. Trotzdem stellen sich ältere Menschen die Frage, wie man die neue, vielleicht von außen zugeschriebene soziale Rolle ausfüllen soll und wie man den Erwartungen, die an alte Menschen gerichtet werden, gerecht werden kann. Was muss ich tun, um mich meinem Alter entsprechend zu verhalten und angemessen zu leben? Eine solche Internalisierung von Rollenerwartungen ist nicht außergewöhnlich, ähnliche normative Orientierungen entstehen auch bei der Übernahme anderer sozialer Rollen (etwa bei Elternschaft, Berufstätigkeit, Übernahme eines öffentlichen Amtes, etc.; Goffman, 1959; Parsons, 1951). Unsere Daten zeigen, dass sich eine Orientierung an und Verinnerlichung von sozialen Erwartungen und Normen auch für die Rolle eines alten Menschen zeigt, selbst wenn diese Identität von vielen älteren Personen ausdrücklich zurückgewiesen wird.

Abb. 3.12
figure 12

Altersverläufe im Grad der Zustimmung zu altersbezogenen Rückzugs- und Aktivierungsnormen (Gesamtstichprobe; Ergebnisse des dritten Messzeitpunkts)

Die altersbedingte Zunahme in der Zustimmung zur Aktivierungsnorm setzt bereits früh ein und stabilisiert sich anschließend auf hohem Niveau. Die Norm des Rückzugs steigt erst später an, die Zustimmung nimmt dann aber bis ins höchste Alter zu. Neben Prozessen der Internalisierung (Verinnerlichung) altersbezogener Normen lässt sich die erhöhte Zustimmung zu diesen Normen des Alters im höheren Alter auch damit erklären, dass eigene Erfahrungen und altersbedingte Veränderungen im Leben einer Person als angemessen erlebt und anschließend zur Norm erhoben werden. In diesem Fall spricht man von einer Übertragung (Projektion) eigener Erfahrungen auf altersbezogene, normative Vorstellungen (Krueger, 2000; Rothermund & Brandtstädter, 2003). Die Tatsache, dass man irgendwann selbst aus dem Berufsleben ausgeschieden ist – und sich mit dieser Veränderung auch irgendwie arrangiert hat – wird von der Person im Rückblick als ‚richtig‘ eingeschätzt, positiv bewertet und auch für andere alte Menschen als Maßstab für ein ‚normales‘ Altern angesehen. Auf diese Weise wird die eigene Entwicklung nachträglich gerechtfertigt, und es entsteht ein normativer Erwartungsdruck auf die nachfolgende Generation, es genauso zu machen.

Natürlich ist zu bedenken, dass die hier berichteten Daten zu Altersunterschieden in Altersnormen auf Vergleichen von Personen unterschiedlicher Geburtsjahrgänge beruhen. Ein solcher Kohortenvergleich spiegelt nicht nur altersbedingte Veränderungen in Überzeugungen wider, sondern möglicherweise auch unterschiedliche Sozialisationserfahrungen. Es ist durchaus möglich, dass eine höhere Zustimmung zur Rückzugsnorm in den älteren Kohorten damit zu tun hat, dass frühere Generationen stärker mit dieser Erwartung sozialisiert wurden.

Länderunterschiede in Altersnormen der Aktivierung und des Rückzugs

Auch für die Zustimmung zu Altersnormen finden sich deutliche Länderunterschiede (siehe Abb. 3.13). Während sich in den USA, Hongkong und Deutschland eine deutlich höhere Zustimmung zur Aktivierungs- im Vergleich zur Rückzugsnorm finden, ist dieser Unterschied in Tschechien und Taiwan nur noch minimal. Auffällig ist auch die ausgeprägt hohe Zustimmung zur Rückzugsnorm in Taiwan.

Abb. 3.13
figure 13

Länderunterschiede im Grad der Zustimmung zu altersbezogenen Rückzugs- und Aktivierungsnormen (Gesamtstichprobe; Ergebnisse des dritten Messzeitpunkts)

Zusammenhang und übergeordnete Funktion von Aktivierungs- und Rückzugsnormen des Alters

Eine weitere spannende Fragestellung bezieht sich auf das Verhältnis von Aktivierungs- und Rückzugsnormen. Auf den ersten Blick scheinen diese Normen entgegengesetzte Erwartungen zu formulieren. Eine nähere Betrachtung zeigt jedoch, dass möglicherweise beide Normen ein und dieselbe übergeordnete Funktion erfüllen: Sowohl die Rückzugs- als auch die Aktivierungsnorm verlangt von älteren Menschen, knappe gesellschaftliche Ressourcen nicht in Anspruch zu nehmen. Die Rückzugsnorm fordert Bescheidenheit oder Verzicht bezüglich finanzieller Ressourcen und bei eventueller Knappheit gesellschaftlicher Rollenpositionen. Allerdings kann auch die Aktivierungsnorm als Aufforderung verstanden werden, möglichst lange für sich selbst zu sorgen, und von den sozialen Sicherungssystemen (Rente, Krankenkasse, Pflegesystem) möglichst wenig Leistungen zu beanspruchen (de Paula Couto et al., 2022).

Tatsächlich belegt unsere Studie, dass die Zustimmung zur Aktivierungs- und zur Rückzugsnorm positiv miteinander zusammenhängen (r = .42). Personen, die der einen Erwartung zustimmen, tendieren dazu, auch die jeweils andere Forderung zu akzeptieren, und umgekehrt. Die hierfür angebotene Erklärung, dass beide Normen derselben übergeordneten Funktion entspringen, wird ebenfalls durch unsere Daten gestützt: Beide Normen zeigen einen deutlich positiven Zusammenhang mit der übergeordneten Norm, dass ältere Menschen „keine Last für andere und die Gesellschaft“ werden sollen (beide r > .50).

Aktivierungs- und Rückzugsnorm hängen also positiv miteinander zusammen, zeigen ähnliche Altersverläufe und weisen gemeinsame Bezüge zur übergeordneten Norm, keine Last zu sein, auf. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass die beiden Normen keineswegs identisch sind, sondern unterschiedliche Inhalte abdecken, und auch andere Ursachen und/oder Folgen haben. Diese Unterschiede werden erkennbar, wenn wir die Zusammenhänge zwischen diesen normativen Überzeugungen und den individuellen Rahmenbedingungen betrachten, unter denen ihre Träger leben (de Paula Couto et al., 2022). So wird die Aktivierungsnorm besonders von Personen angenommen, die gesund sind, über ein hohes Einkommen verfügen, mit ihrem Leben zufrieden sind und die sich ein hohes Ausmaß an Kontrolle über ihr eigenes Leben auch im höheren Alter zuschreiben. Personen, die der Aktivierungsnorm zustimmen, haben in sämtlichen Bereichen positivere Altersbilder und möchten auch ihr eigenes Alter aktiv gestalten. Ganz anders sehen die Zusammenhänge mit der Rückzugsnorm aus. Hier fällt die Zustimmung höher aus bei Personen mit schlechter Gesundheit und geringem Einkommen, mit eher niedriger Zufriedenheit und geringer Kontrolle über das eigene Leben. Auch fallen die Altersbilder etwa in den Bereichen Arbeit und äußeres Erscheinungsbild weniger positiv aus.

Natürlich könnte man vor diesem Hintergrund denken, dass die Aktivierungsnorm erfolgreiches Altern begünstigt. Diese Interpretation wäre jedoch ein Missverständnis. Möglicherweise sind Personen, denen es gut geht und die auch im Alter über vielfältige gesundheitliche und/oder materielle Ressourcen verfügen, eher geneigt, Aktivität im Alter zu erwarten und auch zu fordern. Das heißt aber nicht unbedingt, dass diese Norm die Ursache einer positiven Lebenssituation im Alter darstellt. Sicherlich ist es naheliegend, das Alter aktiv gestalten zu wollen, solange man dazu in der Lage ist. Allerdings darf man den Wunsch nach Möglichkeiten einer aktiven Beteiligung und Partizipation im Alter nicht mit der normativen Forderung verwechseln, dass alte Menschen im Allgemeinen aktiv sein sollten.

Ebenso wenig wie die Aktivierungsnorm unterschiedslos auf alle alten Menschen angewendet werden kann, sollte man die Rückzugsnorm nicht in Bausch und Bogen verteufeln. Natürlich hat es Züge von Altersdiskriminierung, wenn gesunden, aktiven und lebensfrohen alten Menschen der Zugang zu Positionen und die Teilnahme am öffentlichen Leben verweigert und die Nutzung ihrer Ressourcen für eigene Wünsche und Ziele kritisiert wird. In diesem Falle ist die Rückzugsforderung offensichtlich fehl am Platz. Gleichzeitig verbirgt sich hinter der Rückzugsforderung möglicherweise aber auch eine Einsicht: Dass nämlich bloße Aktivität und hartnäckiges Streben nach einem Ideal der Jugendlichkeit im hohen Alter unangemessen und vielleicht auch ein Zeichen mangelnder Weisheit und Lebenserfahrung sein kann. Vielleicht sollte man von älteren Menschen doch erwarten können, dass sie Geld, Erfolg und Aussehen nicht mehr als das Wichtigste im Leben ansehen. Auch bei jungen Leute spricht eine solche Orientierung nicht unbedingt für einen guten Charakter. Trotzdem sind wir toleranter, wenn ein junger Mensch sich oder anderen noch etwas beweisen möchte und ja vielleicht auch noch Versorgungsverpflichtungen gegenüber Familie und Kindern hat. Bei alten Menschen haben wir allerdings für übertriebenen Ehrgeiz nur noch wenig Verständnis: Wer, wenn nicht sie sollte gelernt haben, was wirklich wichtig ist im Leben und was nicht? Hinter solchen Einstellungen verbirgt sich möglicherweise die Erwartung, dass ältere Menschen im Zuge ihres Lebens vor allem eins gelernt haben sollten: Weise zu sein.

3.3.7 Individuelle Unterschiede in Altersbildern und Folgen für die Entwicklung

In den bisher dargestellten Ergebnissen zu Altersbildern ging es vor allem um allgemeine Tendenzen, das heißt um Durchschnittswerte, die sich auf große Stichproben von Personen beziehen. Auch in diesen Analysen zeigten sich bereits wichtige Unterschiede: zwischen verschiedenen Bereichen, auf die sich die Altersbilder beziehen, zwischen Altersselbst- und Altersfremdbildern, zwischen deskriptiven und normativen altersbezogenen Vorstellungen, zwischen verschiedenen Ländern und Kulturen des Alters, und auch zwischen Altersgruppen.

Individuelle Unterschiede in Altersbildern

In diesem Abschnitt treiben wir die Differenzierung noch einen entscheidenden Schritt weiter. Nun geht es nicht mehr in erster Linie um Gruppenmittelwerte, sondern wir betrachten Unterschiede in den Altersbildern zwischen verschiedenen Individuen. Technisch ausgedrückt geht es jetzt um die Variabilität – die Unterschiedlichkeit – von Altersbildern innerhalb von Bereichen, Ländern und Altersgruppen. Diese Unterschiede sind gravierend. Der Anteil der Variabilität, der auf Unterschiede zwischen verschiedenen Personen innerhalb von Gruppen zurückgeht, ist meist um ein Vielfaches größer als die Unterschiede, die wir zwischen Altersgruppen, Ländern oder zwischen Bereichen beobachten. In den meisten Analysen mit unseren Daten übersteigt die personenbedingte Variabilität innerhalb der Gruppen die Variabilität zwischen den Gruppen um mehr als das Zehnfache, manchmal auch um das Hundertfache! Obwohl also die Unterschiede zwischen Altersgruppen und Ländern in Altersbildern und altersbezogenen Einstellungen teilweise substanziell und systematisch sind, unterscheiden sich die Personen innerhalb dieser Gruppen nochmals deutlich stärker.

Interessanterweise sind die Unterschiede in den Vorstellungen, die sich auf alte Menschen beziehen, sogar noch größer als die Unterschiede in den Bildern, die wir von (mittelalten) Erwachsenen haben. Wenn wir der Einfachheit halber das über Lebensbereiche gemittelte Altersbild mit dem ebenfalls über Bereiche gemittelten Bild einer mittelalten erwachsenen Person vergleichen, so ist die Variabilität der Altersbilder um 85 % größer, d. h., die Unterschiedlichkeit der Altersbilder ist fast doppelt so hoch wie die Einschätzungen einer Durchschnittsperson.Footnote 4 Dieses Ergebnis ist überraschend, denn man hätte erwarten können, dass gesellschaftliche Altersstereotype die Vorstellungen, die wir von alten Menschen haben, vereinheitlichen sollten. De facto zeigt sich jedoch eine Polarisierung: Manche Personen haben eher positive Altersbilder, andere eher negative, sodass die Unterschiede gegenüber der Einschätzung einer mittelalten erwachsenen Person deutlich größer ausfallen.

Schon die bloße Tatsache, dass sich altersbezogene Vorstellungen so stark zwischen Personen unterscheiden, ist ein wichtiges und bemerkenswertes Ergebnis (nicht nur) unserer Studie. Zeigt es doch, dass Altersbilder nicht nur bloßes Ab- oder Spiegelbild allgemein vorherrschender gesellschaftlicher Vorstellungen sind, sondern zu entscheidenden Anteilen durch eigene Erfahrungen und Überlegungen geprägt sind. In unserem Projekt stand aber nicht die Frage nach der Entstehung bzw. nach den Quellen individueller Unterschiede in Altersbildern im Vordergrund. Das zentrale Anliegen des Projekts war eine Untersuchung der Konsequenzen dieser Unterschiede für die individuelle Entwicklung im Alter. Wie in den vorangehenden Abschnitten bereits erwähnt, war eine der Kernannahmen unserer Studie, dass Altersbilder das Denken, Fühlen und Handeln von Personen beeinflussen, und sich wie selbsterfüllende Prophezeiungen auf das Leben und die Entwicklung einer Person auswirken (siehe Abb. 3.1).

In Abschn. 3.3.5 haben wir unter dem Stichwort der Internalisierung (Verinnerlichung) von Altersbildern bereits festgestellt, dass sich allgemeine altersbezogene Vorstellungen auf die Vorstellung auswirken, die eine Person vom eigenen Alter hat. Ein negatives Bild vom Altern im Allgemeinen wirft somit seine Schatten voraus und führt langfristig dazu, dass auch die eigene Zukunft als bedrohlich oder wertlos eingeschätzt wird, während ein insgesamt eher positives Altersbild auch ein positives Licht auf das eigene Alter wirft. Diese Altersselbstbilder bestimmen dann, so unsere These, auch die tatsächliche Entwicklung der Person.

Altersbilder und Lebenszufriedenheit

Ein erster, sehr globaler Indikator für eine gelungene oder problematische Entwicklung ist die allgemeine Lebenszufriedenheit einer Person. Tatsächlich gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Altersbild einer Person und ihrer Lebenszufriedenheit: Je positiver die Altersbilder, desto höher die Lebenszufriedenheit (Kornadt & Rothermund, 2011a). Allerdings ist bei diesem Zusammenhang unklar, ob die Altersbilder wirklich Ursache der Lebenszufriedenheit sind; möglicherweise geht der Zusammenhang ja auch auf einen Einfluss in einer anderen Richtung zurück, vielleicht färbt eine hohe aktuelle Lebenszufriedenheit auf die altersbezogenen Erwartungen ab, oder vielleicht stehen hinter dem Zusammenhang von Lebenszufriedenheit und Altersbildern ganz unspezifische Unterschiede im Optimismus/Pessimismus von Personen.

Um den Einfluss der Altersbilder auf die Lebenszufriedenheit eindeutiger zu bestimmen, haben wir Effekte der Altersbilder auf nachfolgende Veränderungen der Lebenszufriedenheit untersucht. Auch hier zeigt sich im Einklang mit unserer These der erwartete positive Effekt der Altersbilder. Insbesondere die selbstbezogenen Altersbilder sagen Veränderungen in der Lebenszufriedenheit für das nachfolgende Fünfjahresintervall vorher (β = .22).Footnote 5 Für Personen, die aktuell eher positive Altersselbstbilder haben, findet sich in den nachfolgenden fünf Jahren eine Zunahme ihrer Lebenszufriedenheit, bei Personen mit initial negativen Altersbildern nimmt die Lebenszufriedenheit dagegen ab. Dieses Ergebnis stellt einen starken Beleg für den kausalen Einfluss der Altersbilder auf die allgemeine Lebenszufriedenheit dar. Allerdings ist auch klar, dass es sich hierbei nicht um eine Beeinflussung im physikalisch-mechanistischen Sinne handelt. Wie kann man sich den Einfluss der Altersbilder auf die Lebenszufriedenheit psychologisch erklären? Was sind die vermittelnden Prozesse, auf die die Effekte zurückgehen?

Altersbilder und Altersvorsorge

In der Stereotype Embodiment Theory von Becca Levy (2009) werden unterschiedliche Pfade skizziert, die den Einfluss von Altersbildern auf das Leben und die Entwicklung älterer Menschen verständlich machen. Ein wichtiger vermittelnder Pfad ist das Verhalten des jeweiligen Individuums. Personen können sich auf ihr Alter und auf altersbedingte Veränderungen ihrer Lebenssituation vorbereiten, sie können gesundheitsbezogene oder finanzielle Risiken meiden, sie können Pläne schmieden, wie sie im Alter gerne leben möchten, sie können auf regelmäßige körperliche und geistige Aktivität achten, um entsprechenden Funktionsverlusten vorzubeugen, sie können ihre familiären und sozialen Beziehungen pflegen, um auch im Alter eingebunden zu sein, ihre Wohnsituation überdenken, um mögliche Mobilitätsverluste im Alter auszugleichen und in der Nähe von Verwandten und Bekannten zu sein – oder sie können alles dies nicht tun, die Auseinandersetzung mit dem Alter vermeiden und im Hier und Jetzt leben.

Viele dieser Aktivitäten lassen sich unter dem Stichwort der altersbezogenen Vorsorge zusammenfassen (Kornadt & Rothermund, 2014; Kornadt et al., 2015; Lang & Rohr, 2013; siehe Kap. 4). Altersvorsorge – nicht nur in finanzieller Hinsicht – ist ein wesentliches Element des gelingenden Alters und ein zentraler Prädiktor für ein gutes Leben im Alter (Prenda & Lachman, 2001). Allerdings ist die Bereitschaft und Motivation zur aktiven Auseinandersetzung mit dem eigenen Alter und zur Altersvorsorge bei verschiedenen Personen sehr unterschiedlich ausgeprägt.

In unserem Projekt sind wir der Frage nachgegangen, ob das Ausmaß, in dem eine Person für ihr Alter vorsorgt, von den Altersbildern der Person abhängt (Kornadt et al., 2015; Park et al., 2020). Tatsächlich zeigt sich zwischen den Altersselbstbildern und dem Ausmaß der Vorsorge ein positiver Zusammenhang (r = .40).Footnote 6

Wie schon bei den oben analysierten Zusammenhängen zwischen Altersbildern und Lebenszufriedenheit stellt sich allerdings auch hier die Frage nach der Wirkrichtung. Sind es die Altersbilder, die die Vorsorge bedingen, oder ist es umgekehrt die Vorsorge, die ein positives Alter in Aussicht stellt? Diese Frage haben wir wieder mit längsschnittlichen Analysen, in denen der Einfluss der Altersselbstbilder auf nachfolgende Veränderungen in der Vorsorge untersucht wird, beantwortet. Hier zeigte sich, dass positive Altersselbstbilder tatsächlich eine nachfolgende Erhöhung des Vorsorgeniveaus bewirken, sodass der kausale Einfluss der Altersbilder auf das Vorsorgeverhalten als gesichert angesehen werden kann (β = .09).Footnote 7 Positive Erwartungen bezüglich des eigenen Alters begünstigen also die Vorsorge, negative Erwartungen behindern sie. Die Motivation zur Altersvorsorge hängt offenbar davon ab, dass das Individuum eine positive, d. h. lebenswerte und anzustrebende Vorstellung des eigenen Alters besitzt.

Weitere Analysen ergaben, dass tatsächlich ein Teil des Einflusses, den die Altersbilder auf die Lebenszufriedenheit nehmen, über Altersvorsorge vermittelt wird (siehe Abb. 3.14): Positive Altersbilder führen zu einer anschließenden Zunahme der Altersvorsorge, die ihrerseits eine höhere Lebenszufriedenheit im Alter zur Folge hat. Umgekehrt gilt aber auch, dass negative Altersselbstbilder die Vorbereitung auf das Alter blockieren, was sich langfristig ungünstig auf die Lebenszufriedenheit auswirkt.

Abb. 3.14
figure 14

Mediationsmodell des Einflusses von Altersselbstbildern auf die Lebenszufriedenheit, vermittelt über Vorsorgeverhalten (Datengrundlage ist der zweite und dritte Befragungszeitpunkt, die Ergebnisse basieren auf den Teilstichproben aus Deutschland, den USA und Hongkong)

Die Kernthese unseres Ansatzes lautet, dass die Altersbilder einer Person ihr tatsächliches Leben im Alter prägen. Die vorangehenden Analysen zum Zusammenhang von Altersbildern mit altersbezogenem Vorsorgeverhalten und daraus resultierender Lebenszufriedenheit machen klar, wie diese Konsequenzen zustande kommen können. Unsere Altersbilder prägen unser Denken über das Alter, sie färben unsere Gefühlswelt ein, wenn wir an unser Alter denken, und sie haben auf diese Weise auch eine handlungsleitende Funktion.

Altersbilder und kritische Lebensereignisse

Noch ein weiterer Befund des Projektes illustriert die Grundannahme, dass Altersbilder selbsterfüllende Prophezeiungen sind, die das Leben ganz unmittelbar beeinflussen, in erstaunlicher Weise (Voss et al., 2017). In einem Teil des Untersuchungsinstruments haben wir die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Untersuchung danach gefragt, ob und wenn ja welche bedeutsamen Ereignisse sie in den vergangenen Jahren erlebt haben. Jedes berichtete Ereignis musste anschließend bewertet werden, es musste also danach eingeschätzt werden, ob es sich für die Person um ein negatives oder um ein positives Ereignis handelte. Diese Ereignisangaben wurden zum zweiten Messzeitpunkt (2014) erhoben und bezogen sich auf Ereignisse, die in den letzten fünf Jahren auftraten – also zwischen dem ersten (2009) und zweiten (2014) Messzeitpunkt.

Unsere Probandinnen und Probanden berichteten eine große Menge unterschiedlicher Ereignisse, die ihnen widerfahren waren (z. B. Versöhnung mit dem Partner, einem Kind, einem Freund; Scheidung; Verlust oder Wiedergewinnen des Glaubens; Entdeckung einer neuen oder Verlust einer früheren Freizeitbeschäftigung; finanzielle Gewinne und Verluste; Krankheit und Genesung). Insgesamt traten mehr positive als negative Ereignisse auf (pro Person wurden im Schnitt 1,4 positive und 0,8 negative Ereignisse berichtet). Das entscheidende Ergebnis ist jedoch, dass sich die Häufigkeit positiver und negativer Ereignisse durch die Altersbilder vorhersagen ließ, die die Person zum ersten Messzeitpunkt – also noch vor dem Auftreten der Ereignisse – angegeben hatte. Für Personen mit positiven Altersbildern war die Wahrscheinlichkeit höher, positive Ereignisse zu erleben (r = .13), während die Wahrscheinlichkeit, negative Ereignisse zu erleben, reduziert war (r = −.17). Nimmt man noch die Bewertungen hinzu, so zeigt sich, dass die durchschnittliche Bewertung der Ereignisse, die eine Person berichtet, positiv mit den Altersselbstbildern der Person zusammenhängt (r = .23).

Unsere Analysen zeigen also tatsächlich, dass Altersbilder nicht nur das Handeln von Personen bestimmen (siehe oben), sondern auch das Auftreten wichtiger Lebensereignisse beeinflussen. Positive Altersbilder ziehen positive Ereignisse nach sich, negative Altersbilder gehen mit negativen Ereignissen einher. Angesichts dieses Befundes mag man sich fragen, wie das überhaupt sein kann. Lebensereignisse sind doch Widerfahrnisse, man kann sie sich doch nicht einfach nur aussuchen. Das stimmt – aber nur auf den ersten Blick. Denn natürlich beeinflussen wir das Auftreten wichtiger Ereignisse in unserem Leben zu einem wesentlichen Teil auch selbst, wenn auch indirekt, durch unser Verhalten und auch durch unser Denken. Ob wir auch im Alter eine glückliche Partnerschaft führen oder nicht, hängt entscheidend von unserem Verhalten ab und von unserer Bereitschaft, uns auf die veränderte familiäre Situation im hohen Alter einzustellen. Ob wir im Alter krank oder gesund sein werden hängt – jedenfalls auch – von unserem Verhalten ab, etwa von gesundheitlichem Risikoverhalten oder von unserer körperlichen Aktivität und unserer Ernährung (Fries et al., 2011).

Vor allem aber hängt die Bedeutung und Bewertung von Ereignissen ganz wesentlich davon ab, was wir aus bestimmten Widerfahrnissen und Ereignissen machen. Stellen wir uns vor, wir wachen eines Morgens auf und haben fürchterliche Rückenschmerzen. Wie interpretieren wir ein solches Ereignis – sehen wir es als Beweis, dass das Alter zugeschlagen hat, dass wir unsere sportlichen Aktivitäten einstellen sollten, und dass ab jetzt alles nur noch schlimmer wird? Oder deuten wir es als Signal, dass wir an unserer Lebensführung etwas ändern sollten, vielleicht gezieltes Training oder mehr körperliche Aktivität? Oder nur als Folge davon, dass wir am Abend zuvor zu lange am offenen Fenster gesessen haben?

Sowohl durch unser Verhalten als auch durch unsere Interpretationen beeinflussen wir massiv das Auftreten positiver und negativer Ereignisse in unserem Leben. Hinter unserem Verhalten und Denken stecken aber wiederum unsere Altersbilder. Was erwarten wir vom Alter? Sehen wir eher die Chancen oder die Gefahren? Die Einschränkungen oder die dazugewonnene Freiheit? Den Verlust an körperlicher Fitness oder die Lebenserfahrung? Und was erwarten wir von uns selbst im Alter – und von anderen alten Menschen? Sehen wir die Notwendigkeit, altersbedingte Veränderungen durch gezielte Maßnahmen auszugleichen, reagieren wir passiv und resignieren angesichts der unabwendbaren Veränderungen, oder wollen wir unser Leben neu ausrichten? Sind wir bereit, uns auf den Lebensabschnitt des hohen Alters einzulassen, ihn als wichtige Phase unseres Lebens zu begrüßen, mit ganz neuen und einzigartigen Erfahrungen? Oder kleben wir krampfhaft an dem vorangegangenen Lebensabschnitt, den wir nicht loslassen können und wollen, weil das Alter sowieso nur Schlechtes zu bieten hat?

3.4 Fazit: Die Multidimensionalität des Alterns

Was ist eigentlich Alter? Mit dieser Grundfrage haben wir diesen Abschnitt begonnen – und es gibt auf diese Frage keine einfache Antwort. Die Antworten unterscheiden sich zwischen Kulturen und Personen, und selbst innerhalb ein und derselben Person finden wir ganz unterschiedliche Altersvorstellungen. Wer ist gemeint (ich oder andere)? Auf welchen Bereich beziehen sich die Vorstellungen? Geht es um Vorstellungen von alten Menschen wie sie sind, oder wie sie sein sollten? Diese Vielschichtigkeit des Altersbegriffs müssen wir im Blick behalten, wenn wir verstehen wollen, wie Personen ihr Alter erleben und gestalten.

Vor allem aber lohnt es sich, die expliziten und impliziten Vorstellungen vom Alter so genau wie möglich darzustellen und zu verstehen. Denn Altersbilder sind nicht nur Abbilder des Alters. Altersbilder bestimmen unsere tatsächliche Entwicklung im Alter, noch bevor diese sich überhaupt vollzogen hat, in diesem Sinne sind unsere Altersbilder Ursache unseres Alterns. Außerdem beeinflussen sie, welche Aspekte unseres Lebens wir mit dem Alter verbinden und wie wir sie interpretieren. In diesem Sinne sind unsere Altersbilder konstitutiv für das, was wir als Alter erleben.

Was folgt aus diesen Überlegungen für unsere Perspektive auf das Alter? Welche praktischen Erwägungen lassen sich für eine Optimierung und Gestaltung des Alterns aus unseren Ergebnissen ableiten? Die grundlegendste Einsicht, die unsere Studie über das Altern liefert, lässt sich kurz und knapp so ausdrücken: Altern ist keine unveränderliche Gegebenheit, es ist keine biologische Tatsache, sondern Altern ist das Ergebnis einer Konstruktion. Diese Konstruktionen des Alters können sehr unterschiedlich ausfallen. Eine naheliegende Implikation dieser Perspektive ist, dass sich das Altern beeinflussen und gestalten lässt, indem man die Konstruktionen verändert. Eine Schlüsselfunktion nehmen hierbei die Altersbilder ein.

Genauso wichtig, wie es ist, den konstruierten Charakter des Alters und damit auch die Variabilität und Gestaltbarkeit des Alters zu betonen, ist es auch wichtig, zu sehen, dass unsere Konstruktionen des Alters nicht beliebig sind, und daher auch nicht beliebig ausgetauscht werden können. Grenzen der Gestaltbarkeit und Modifizierbarkeit des Alters resultieren aus biologischen, gesellschaftlichen, und persönlichen Randbedingungen. Dennoch verstehen wir unsere Perspektive auf das Alter und Altern vor allem als Befreiung. Wir sehen unsere Forschungsergebnisse als Aufforderung, scheinbare Selbstverständlichkeiten und ‚Tatsachen des Alters‘ immer wieder neu in Frage zu stellen und nach alternativen Konstruktionsmöglichkeiten zu suchen. Welche Ereignisse und Veränderungen lassen sich durch unser individuelles Handeln beeinflussen? Welche gesellschaftlichen Veränderungen sind nötig und wünschenswert, um die Lebensmöglichkeiten im Alter zu erweitern und zu verbessern (Nussbaum & Levmore, 2017)? Welche – vielleicht einzigartigen – Chancen, Freiheiten und Sinnperspektiven bietet der letzte Lebensabschnitt? Aber auch: Mit welchen Einschränkungen ist zu rechnen? Wie verschieben und verändern sich unsere Möglichkeiten zur erfolgreichen Teilnahme an bestimmten Lebensvollzügen? Welche Konsequenzen hat das auf unser Selbstverständnis und unsere Identität als alter Mensch?

Diese Fragen sollen zum kreativen Nachdenken einladen, und sie sollen etablierte – insbesondere negative – Vorstellungen vom und Einstellungen zum Alter in Frage stellen. Dass ein solches Überdenken altersbezogener Vorstellungen eminent wichtige Folgen für die reale Gestaltung des Alters hat, zeigen unsere Befunde zur Internalisierung und zu den Entwicklungsfolgen von Altersbildern: Zunächst als Fremdstereotyp erworben, färben diese im Laufe der Entwicklung die Vorstellungen des eigenen Alters ein, die unser Handeln und Denken prägen und als selbsterfüllende Prophezeiungen unser Leben im Alter mitbestimmen. Weitergehende Fragen, etwa nach der Angemessenheit und Veränderbarkeit von Altersbildern und ihren Auswirkungen auf tatsächliche und erlebte Altersdiskriminierung, greifen wir im abschließenden Kap. 6 nochmals auf, in dem wir praktische Implikationen unserer Befunde diskutieren.