KZP muss entsprechend § 42 SGB XI einen hochkomplexen Versorgungsauftrag mit fachlich und organisatorisch anspruchsvollen Aufgaben gerecht werden, die sich nicht zuletzt u. a. in der Weichenstellerfunktion widerspiegeln (Deckenbach und Pflug 2019). Um dem sozialrechtlich verankerten Versorgungsauftrag gerecht werden zu können, muss KZP – abgesehen davon, dass eine Ausweitung des quantitativen Angebots an KZP-Plätzen notwendig ist – inhaltlich neu gedacht und gestärkt werden (Vonau o.J.).
Quantitative Ausweitung
Zur Stärkung der KZP bedarf es grundsätzlich einer Ausweitung des quantitativen Angebots an KZP-Plätzen. Erfahrungen aus der Praxis und aus versorgungswissenschaftlicher Perspektive weisen darauf hin, dass feste solitäre KZP-Plätze im Gegensatz zu flexiblen eingestreuten Plätzen für eine nachhaltige, qualitätsorientierte Versorgung von Bedeutung sind. Bei eingestreuten KZP-Plätzen in stationären Einrichtungen besteht die Gefahr, dass diese im Zuge steigender Nachfrage nach vollstationärer Dauerpflege immer weniger zur Verfügung stehen (Deckenbach und Pflug 2019). Für stationäre Pflegeeinrichtungen ist es hingegen aufgrund der derzeitigen Refinanzierungsbedingungen oftmals wenig lukrativ, ein entsprechendes Angebot an „fixen“ Kurzzeitpflegeplätzen vorzuhalten (Brettschneider 2019). Es besteht die Gefahr, dass eingestreute Betten im Pflegealltag untergehen, mit der Folge, dass der oftmals komplexe und heterogene Versorgungsbedarf unzureichend beachtet wird (Deckenbach und Pflug 2019).
Finanzierung und Vergütung
Um das quantitative Angebot an KZP-Plätzen, insbesondere an solitären Plätzen, nachhaltig auszubauen, sind vorrangig finanzielle Anreize und eine wirtschaftlich tragfähige Finanzierung der Einrichtungen notwendig (Braeseke et al. 2017; Deckenbach und Pflug 2019). Dies beinhaltet u. a. veränderte Refinanzierungsregelungen, um Verluste durch Auslastungsschwankungen zu reduzieren (Braeseke et al. 2017). Auch eine zielgerichtete Förderung, etwa in Form der Investitionskostenförderung durch die Länder – dies ist bislang erst in acht Bundesländern der Fall –, muss geschaffen werden. Ebenso sind höhere Pflegesätze für die oftmals sehr aufwendige Kurzzeitpflege notwendig (Braeseke et al. 2017; Deckenbach und Pflug 2019). Hieran anknüpfend müssen andere Vergütungsmöglichkeiten geschaffen werden, z. B. in Form von höheren Leistungspauschalen, die grundsätzlich den Einbezug interdisziplinärer und vor allem integrierter Versorgung berücksichtigen, aber auch den Organisationsaufwand, der mit der KZP verbunden ist (ebd.).
Pflegerische Bedarfsplanung und die Rolle der Kommunen
Grundlage eines zielgereichten KZP-Angebots, sowohl qualitativ als auch quantitativ, ist eine funktionierende Pflegebedarfsplanung, verbunden mit einer inhaltlichen Anpassung und Erweiterung des Versorgungsauftrages der KZP im Sozialrecht. Durch die in der aktuellen Form bestehende Pflegestrukturplanung der Länder und Kommunen sind die vor Ort benötigten Kapazitäten nur schwer kalkulierbar, nicht nur im Hinblick auf quantitative Aspekte, wie die reine Betten- respektive Platzzahl, sondern auch mit Blick auf die Frage nach bedarfsgerechten Versorgungsansätzen (SVR 2014). Daneben stellt sich die Frage nach der Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten der Akteure vor Ort, die die Planung, Steuerung und Koordinierung der pflegerischen Versorgungsstrukturen verantworten. Die Stärkung der Rolle der Kommunen, wie sie in der pflegerischen Versorgung seit vielen Jahren gefordert wird (Blom und Görres 2012; Naegele 2010; CDU/CSU/SPD 2013), könnte auch für die Weiterentwicklung der KZP von zentraler Bedeutung sein. Durch eine Stärkung kommunaler Verantwortlichkeit und Handlungsfähigkeit könnte passgenauer auf regionalspezifische Bedarfe reagiert und die Versorgungsgestaltung vor Ort entsprechend angepasst werden. Damit der bereits heute vorhandene Flickenteppich in der KZP dadurch nicht weiter verstärkt wird, braucht es klare Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung der KZP. Ungeachtet der Problematik im Bereich der Pflegebedarfsplanung verfügen die Kommunen derzeit kaum über Regulierungs- und Steuerungsmöglichkeiten mit Blick auf das Angebot an pflegerischen Versorgungsstrukturen (Brettschneider 2019). In einigen Bundesländern können die Kommunen durch die Investitionsbedingungen einen begrenzten Einfluss z. B. auf stationäre Pflegeeinrichtungen nehmen, doch geht es dabei vorrangig um eine Eingrenzung des Angebots. Im Kontext der KZP wird hingegen ein Ausbau des Angebots angestrebt, da diese zur Entlastung pflegender Angehöriger und somit wiederum zur Stabilisierung häuslicher Pflegearrangements beitragen kann (Brettschneider 2019).
Ansätze zur quantitativen Ausweitung des Angebots an KZP-Plätzen
2018 wurde in NRW die sogenannte „Fix/Flex-Regelung“ für eingestreute KZP beschlossen. Mittels einer finanziellen Förderung sollen Anreize für Pflegeeinrichtungen geschaffen werden, einzelne eingestreute Kurzzeitpflegeplätze in solitäre (fixe) KZP-Plätze umzuwandeln (Tillmann und Sloane 2018). Neben solchen Konzepten, die darauf zielen, Anreize auf Seiten der Pflegeeinrichtungen zu schaffen, bestehen Bestrebungen, KZP in Krankenhäusern durch die Krankenhäuser selbst anzubieten (siehe Tab. 9.2). Derzeit existiert z. B. in NRW ein Versorgungsvertrag zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen und dem Landschaftsverband Rheinland zur „Erprobung von Kurzzeitpflege im Krankenhaus“ als Modellprojekt nach § 72 SGB XI (ebd.). Auch wurden während der COVID-Pandemie 2020 Reha-Kliniken für die KZP geöffnet (Deutscher Bundestag 2020).
Tab. 9.2 Darstellung aktueller Modelle und Projekte zur Kurzzeitpflege Beide Konzepte zielen darauf, das Angebot an KZP-Plätzen quantitativ auszuweiten. Grundlage bilden im Wesentlichen wirtschaftliche Anreize für die Einrichtungen respektive Krankenhäuser. Aussagen darüber, ob die Anreize ausreichen, um das bestehende Angebot zu erweitern, sind bislang schwierig, da es aus unterschiedlichen Gründen an abschließenden Evaluationen mangelt. Des Weiteren bestehen strukturelle Hürden bei der Umsetzung der Konzepte, wie etwa die Konkurrenz zwischen KZP- und Dauerpflegeplätzen. Betriebswirtschaftlich ist es für Krankenhäuser nicht rentabel, wenn Patientinnen und Patienten Krankenhauskapazitäten blockieren, während auf freie KZP-Plätze gewartet wird, gleichzeitig sind Krankenhäuser seit 2015 durch das GKV-Versorgungstrukturgesetz nach § 39 Abs. 1a SGB V dazu verpflichtet ein Entlassmanagement durchzuführen, das auch die Gewährleistung der (pflegerischen) Anschlussversorgung beinhaltet. Entsprechend stellt sich die Nutzung von leerstehenden Krankenhausbetten als KZP-Plätze als sinnvoll dar. Gleichwohl bestehen auch hier strukturelle, organisatorische sowie förderrechtliche Hürden, die betriebswirtschaftliche Einschränkungen mit sich bringen, u. a. mit Blick auf Auslastungsquoten, Investitionskosten, die Verrechnung von Erlösen aus den Pflegekosten mit dem Pflegebudget des Krankenhauses sowie den Aspekt, dass die medizinische Versorgung in der Zuständigkeit der vertragsärztlichen Versorgung liegt.Footnote 2
Versorgungsmanagement im Sinne der „Weichenstellerfunktion“ nach § 42 SGB XI respektive § 39c SGB V und weiterführend therapeutische, aktivierende Ansätze sind in beiden Ansätzen hingegen nicht im Spezifischen vorgesehen und aufgrund der Einbettung in die bestehenden sozialrechtlichen Strukturen auch nur eingeschränkt möglich.
Neue Versorgungsansätze
Versorgungsansätze, die über die aktuell bestehenden Versorgungsstrukturen hinausgehen, spiegeln sich u. a. im „Pflege-Plus“-Konzept des AOK-Bundesverbandes oder in der vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) geförderten „REKUP“-Studie wider (Grund et al. 2020).
Grundlage des Pflege-Plus-Konzeptes bildet die Versorgung durch ein spezialisiertes ambulant-geriatrisches Versorgungsteam, das in interdisziplinärer Zusammenarbeit eine stärkere Verknüpfung des ambulanten, teilstationären und vollstationären Sektors ermöglichen und durch eine aktivierend-therapeutische Pflege die Autonomie und die Partizipation der Pflegebedürftigen in Abhängigkeit von ihren individuellen Ressourcen stärken soll (Ehmen et al. 2019). In der REKUP-Studie wird ein multidisziplinärer rehabilitativer Ansatz im Kurzzeitpflegeprozess – rehabilitative KZP – evaluiert. Geriatrische Patientinnen und Patienten erhalten direkt nach ihrem Krankenhausaufenthalt die rehabilitative KZP, mit dem Ziel, Rehabilitationsfähigkeit herzustellen sowie unerwünschte Ereignisse wie Komplikationen und Krankenhauseinweisungen oder die Überleitung in die vollstationäre Dauerpflege zu vermeiden. Beiden Ansätzen ist gemein, dass sie einer Reform der gesetzlichen Rahmenbedingungen bedürfen. Die finanziellen Aufwendungen z. B. für Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie zur Unterstützung der aktivierend-therapeutischen Pflege werden bislang nicht durch die Pflegekassen getragen, hier steht u. a. die Trennung zwischen SPV und GKV einer Finanzierung im Wege. Auch fehlt es an Vergütungsmöglichkeiten für koordinierte niedrigschwellige Angebote zur Stärkung, Wiedererlangung und zum Erhalt der Selbstständigkeit der Patientinnen und Patienten für den stationären Bereich, damit diese nicht durch die Pflegebedürftigen selbst getragen werden müssen. Die existierenden (Pflege-)Pauschalen reichen für solche Versorgungskonzepte derzeit nicht aus, auch eine Umwidmung von finanziellen Mitteln aus dem Bereich der Prävention (u. a. § 5 SGB XI) ist nach der aktuellen Gesetzeslage nicht möglich. Mit Inkrafttreten des Präventionsgesetzes (PrävG) hat die soziale Pflegeversicherung einen konkreten Präventionsauftrag erhalten, gesundheitsfördernde Angebote in stationären Pflegeeinrichtungen zu etablieren. Diese lassen sich jedoch vergütungstechnisch nicht mit kurativen, rehabilitativen oder anderen Versorgungsansätzen verknüpfen. Die bestehenden Ansätze zeigen ferner auf, dass der Bedarf an wissenschaftlich fundierten Kenntnissen über die Möglichkeiten von KZP als Versorgungsansatz mit unterschiedlichen Ausrichtungen und besonders mit dem Ziel der Herstellung von Rehabilitationsfähigkeit groß ist.