8.1 Einleitung

Soziale Medien und soziale Netzwerke sind allgegenwärtig. Laut dem Global Digital Report 2019 sind bereits 45 % der Deutschen aktive Nutzer von Social Media Plattformen (Kemp 2019). Durch ihre Omnipräsenz beeinflussen digitale soziale Netzwerke die Art und Weise, wie Menschen überall auf der Welt miteinander kommunizieren, Informationen austauschen und interagieren (Stocker et al. 2012). Der Erfolg von Social Media hat dazu geführt, dass soziale Plattformen wie Facebook, Wikis, Blogs und Instant Messenger (z. B. Slack) immer häufiger auch in Unternehmen genutzt werden und sich in einigen Branchen bereits als moderne betriebliche Kommunikationsmittel etabliert haben (Matthews et al. 2014). Ein gewisser Wildwuchs und eine unsystematische Einführung solcher Werkzeuge birgt jedoch auch Gefahren, bspw. Scheitern des Einsatzes, Überlastung des Personals und Überwachungstendenzen, um nur einige zu nennen. Daher bedarf es einer systematischen Strukturierung und methodischer Hilfestellung, damit der Einsatz sozialer Technologien erfolgreich ist und neben den ökonomischen nicht zuletzt auch den weiteren Anforderungen von Unternehmen, etwa nach Datenschutz und Mitarbeitergesundheit, gerecht wird.

Konkretes Ziel des Forschungsprojekt SB:Digital ist es zu untersuchen, inwiefern betriebliche soziale Netzwerke dazu dienen können, ökonomische, soziale und ökologische Mehrwerte zu schaffen. Social Business ist dabei als Unternehmenskonzept zu verstehen, welcher die inner- und überbetriebliche Nutzung von Social Software/Medien fördert, um (digitale) kollaborative Arbeitsprozesse zwischen internen (Gruppen, Abteilungen etc.) sowie externen Stakeholder (Angestellten, Lieferanten usw.) systematisch zu unterstützen und zu gestalten. Social media ist hierbei als eine Gruppe von „internet-based applications that build on the ideological and technological foundations of Web 2.0 [..] that allow the creation and exchange of User Generated Content“Footnote 1 (Kaplan und Haenlein 2010) zu verstehen. Als digitale Kollaboration wird das Abbilden vormals analoger Arbeitsprozesse innerhalb von digitalen Strukturen beschrieben, etwa in Form von collaborative writing (paralleles editieren von Textdokumenten), content co-creation (gemeinsamen Verfassen von Inhalten, z. B. in Form eines Wikis/Blogs) oder Projektmanagement.

Die zentralen Forschungsfragen, deren Beantwortung das Ziel des vorliegenden Beitrages ist, sind:

  1. 1.

    Wie kann der aktuelle Stand eines Unternehmens in Hinblick auf Social Business bzw. des systematischen Einsatzes von Social Media/Social Networks in Unternehmen analysiert werden?

  2. 2.

    Welche Erkenntnisse bzw. weitere Schritte lassen sich aus der Ermittlung des individuellen Stands in Hinblick auf Social Business für ein Unternehmen ableiten?

Ziel ist es, methodische und technische Möglichkeiten und Wege aufzuzeigen, um digitale Kollaboration zu stärken. Neben einer grundlegenden methodischen Einführung und einer Vorstellung des Reifegradmodelles werden im Sinne der Beantwortung der formulierten Forschungsfragen Ansätze zur Etablierung von Social Business diskutiert.

8.2 Social Business Transformation

Anhand der qualitativen Studie über den Einsatz interner sozialer Netzwerke in Unternehmen ist zu empfehlen, dass sich Unternehmen vorab der Grundfragestellung stellen sollten, wie in Ihrem Unternehmen kommuniziert, kollaboriert und zusammengearbeitet wird und wie die Zukunft aussehen soll. Somit ist der erste und wichtigste Schritt zum Social Business die Klärung der strategischen Ausrichtung im Unternehmen. Entscheidend wäre auch zu klären, ob die Implementierung von Enterprise Social Networks (ESN) für das Unternehmen überhaupt zielführend ist? Gibt es hier eine strategische Präferenz für die Etablierung neuer digitaler und kollaborativer Ansätze ist der Social Business Ansatz, welcher hier vorgestellt wird zu empfehlen.

Zur Entwicklung des Social Business Transformation Ansatzes erwies sich die Design Sciences Research, da sie auf die praktische Forschung ausgerichtet ist, als konstruktive Methode. Gemäß Hevner und March (2003) ist das Ziel der Design Sciences Research „to create innovations, or artifacts, that embody the ideas, practices, technical capabilities, and products required to efficiently accomplish the analysis, design, implementation, and use of information systems“ (Frauchinger 2017). Um diesen Ansatz umzusetzen, wurde von Peffers ein generatives Verfahren für die Informatik entwickelt. Peffers geht in der designorientierten Forschung von sechs wesentlichen Schritten aus: 1. Die Problemerklärung, 2. Die Entwicklung eines Lösungsansatzes, 3. Das Artefaktdesign und -implementierung, 4. Die Demonstration, 5. Die Bewertung (und ggf. Einleitung eines weiteren Designzyklus) und 6. Die Ergebniskommunikation (Peffers et al. 2006). Der weitere Verlauf der Arbeit orientiert sich an Peffers entwickeltes Verfahren und zielt insbesondere auf die Entwicklung eines Vorgehens zur Transformation inkl. der Anwendung eines Reifegradmodells ab, um die individuelle digitale Reife eines Unternehmens zu verdeutlichen. Zur besseren und vor allem nachvollziehbareren Darstellung der Anwendung des entwickelten Reifegradmodells und der Herausarbeitung wirtschaftlicher Potenziale der Etablierung von Social Business entschied man sich im Rahmen der Studie für ein Anwendungsbeispiel. Anhand dieser exemplarischen Anwendung soll der transformative Prozess hin zum Social Business verdeutlicht werden. Als Use-Case dient ein Unternehmen, welches bereits das technische Verständnis mitbringt und den Bedarf einer Modernisierung hin zum Social Business erkannt hat. Insbesondere die Potenziale im Bereich des Wissensmanagement und der Kollaborationsprozesse sowie dem Informationsfluss innerhalb des Unternehmens standen im Fokus des Vorhabens.

Um eine Social Business Transformation umzusetzen, schlagen die Autoren folgendes Vorgehen vor (Abb. 8.1):

  1. 1.

    Analyse der Situation

  2. 2.

    Entwicklung der Zielstellung auf Basis der Ausgangslage

  3. 3.

    Gestaltungs- und Transformationsprozesse für

    1. i.

      Technologische Grundlage

    2. ii.

      Organisation

    3. iii.

      Akteure (Mensch)

  4. 4.

    Implementierung

Abb. 8.1
figure 1

Darstellung des Vorgehens

Es ist zu empfehlen, die Entwicklung als solche als kontinuierlichen Prozess im Unternehmen zu etablieren – wie es bei einigen Unternehmen schon der Fall ist – bspw. durch „continuous improvement“ ProzesseFootnote 2 (Bessant et al. 1994).

8.2.1 Analyse der Situation

Um den Status Quo eines Unternehmens hinsichtlich des Transformationsprozesses für Social Business zu ermitteln und daraus ggf. Handlungsempfehlungen ableiten zu können, wurde im Rahmen des Forschungsprojektes SB:Digital auf Basis qualitativer Interviews und einer umfangreichen Literaturstudie ein Reifegradmodell für Social Business entwickelt. Reifegradmodelle bilden unterschiedliche Entwicklungsstadien oder „eine Folge von Reifegraden für eine Klasse von Objekten [entlang eines] antizipierten, gewünschten oder typischen Entwicklungspfad[es] dieser Objekte in aufeinander folgenden diskreten Rangstufen; beginnend in einem Anfangsstadium bis hin zur vollkommenen Reife“ (Knackstedt et al. 2009) ab.

8.2.1.1 Entwicklung des Reifegradmodells

Grundlage für das Reifegradmodell waren qualitative Interviews (18 Fragen, teilstandardisiert). Die verschriftlichten Interviews wurden in einem offenen Kodierverfahren im Sinne des Grounded Theory Ansatzes analysiert. Das zunächst offene Kodieren verfolgt das Ziel des „analytische[n] Herauspräparieren[s] einzelner Phänomene“ (Strübing 2014). Nachdem zunächst jedes Interview einzeln bearbeitet wurde, erfolgte die axiale Kodierung, um ein „phänomenbezogene[s] Zusammenhangsmodell“ (Strübing 2014) zu erarbeiten. Dabei wurde zunächst fallimmanent und später fallübergreifend vorgegangen. Auf diese Weise konnten Vergleichsdimensionen ermittelt, gruppiert und in Sinnzusammenhängen erfasst werden. Schließlich wurde eine Matrix von Aussagen entwickelt, welche die unterschiedlichen Perspektiven der Befragten bzw. Dimensionen von Social Business verdeutlichte und die jeweiligen Ausprägungen (Reifegrade) abbildbar machte.

Um den ersten Entwurf des lediglich auf den Erkenntnissen der qualitativen Interviews aufbauenden Reifegradmodells wissenschaftlich zu fundieren, wurde zudem ein Literatur Review vollzogen. Hierzu wurde eine Schlagwortsuche nach wissenschaftlichen Publikationen (peer-reviewed) mit Volltextzugriff in Englisch oder Deutsch auf den Datenbanken EBSCOhost sowie GoogleScholar durchgeführt. Zudem wurde eine Einschränkung auf Publikationen seit 2008 vorgenommen. Die konkrete Suche erfolgte nach Publikationen, deren Abstracts eine Kombination der Schlagworte Reifegradmodell bzw. maturity model und Enterprise 2.0, Enterprise Social Network, Social Business oder Kollaboration bzw, collaboration enthielten. Insgesamt wurden neun Reifegradmodelle ermittelt, die sich aufgrund ihrer inhaltlichen Schwerpunkte für einen Vergleich, mit dem auf Basis der qualitativen Studie entwickelten Reifegradmodell eigneten. Eine ausführliche Darstellung des Analyseprozesses und der gewonnenen Erkenntnisse findet sich in der noch nicht öffentlich verfügbaren Publikation „Ready for collaboration? An eight dimension maturity model for social business“ (voraussichtlich veröffentlicht Anfang 2020 – Zinke-Wehlmann, Friedrich).

8.2.1.2 Das Reifegrademodell Social Business

Das resultierende Reifegradmodell dient als Theorierahmen, welches von Unternehmen bei der Umsetzung ihres Social Business Konzeptes unterstützen soll, indem es die vielfältigen Wirkungsmechanismen (Dimensionen) und ihre Zusammenhänge darstellt. Das Social Business Reifegradmodell umfasst insgesamt acht Dimensionen (Abb. 8.2).

Abb. 8.2
figure 2

Social Business Reifegradmodell

Diese speisen sich aus drei Ebenen, die den Bereich Mensch, Organisation und Technik abdecken. Technisch betrachtet, erreicht ein Unternehmen den höchsten Reifegrad hinsichtlich der Social Business Infrastruktur, wenn es soziale Netzwerktechnologien vollständig und nahtlos in die technische Infrastruktur des Unternehmens eingebunden hat. Das Enterprise Social Network (ESN), welches als Austauschplattform dient und weitere genutzte Systeme integriert, spielt dabei eine zentrale Rolle. Denn es ermöglicht so einen unternehmensweiten Austausch von Informationen und Daten. Die Dimension der Kollaborationprozesse knüpft an die der Social Business Infrastruktur an und ermittelt, in welchem Umfang innerhalb des Unternehmens auf digitaler Ebene zusammengearbeitet werden kann. Während auf unterster Stufe Zusammenarbeit ohne technische Unterstützung und lediglich bilateral erfolgt, ist es auf höchster Stufe möglich, in Teams zusammenzuarbeiten, Dokumente parallel zu editieren und eng vernetzt innerhalb eines erweiterbaren Netzwerkes (B2B oder B2C) zu arbeiten. Dabei entsteht eine Art „virtuelle soziale Welt“ (Geyer und Krumay 2015), in der sich kollaborative Arbeitsprozesse vollständig digital abbilden und ausführen lassen und die Kompetenzen aller Beteiligten strategisch gebündelt werden können (Sari et al. 2007).

Auch das Vorhandensein und Umsetzen von Rollen im Zusammenhang mit Social Business gibt Aufschluss über den Reifegrad eines Unternehmens. Neben Marketingverantwortlichen können das etwa Community-Manager oder Verantwortliche für Inhalte in Wissensmanagementsystemen sein. Während eine reine Beschränkung auf Marketingaktivitäten auf eine noch nicht allzu ausgeprägte Reife schließen lässt, spricht das Vorhandensein weiterer Zuständigkeiten bzw. die zunehmende Ausprägung eines strukturierten Rollensystems für eine höhere Reife. Die Frage nach dem Selbstbestimmtheitsgrad solcher Verantwortungsbereiche ist wiederum stark an die Art der Unternehmensführung geknüpft. Da Social Business vom freien Austausch und der Partizipation aller Angestellten lebt, stehen stark hierarchisch geprägte Strukturen dem Prinzip des Social Business konträr entgehen. Mitbestimmungsrechte, ob über Teamversammlungen oder Crowdvoting-Tools, und ein größtmöglicher Handlungsspielraum für die vernetzten Akteure sind hingegen Faktoren, die auf einen höheren Reifegrad hindeuten. Deutlich wird dies am Beispiel des Wissensmanagements. Restriktive Strukturen und strenge Hierarchien gelten als Barrieren, die Unsicherheit und Angst begünstigen und Mitarbeitende davon abhalten, an Wissensmanagementaktivitäten zu partizipieren. Offene Strukturen und Selbstbestimmungsrechte führen hingegen dazu, dass alle Arbeitskräfte frei und offen miteinander in Austausch treten können und ermutigt werden, den kollektiven Wert ihrer individuellen Kompetenzen zu erkennen. Eine weitere Dimension, welche aus unserer Sicht zur Bestimmung der Reife auf Ebene der Organisationsstruktur herangezogen werden sollte, ist die Empowerment-Kultur. Die Kultur des Empowerments in einem Unternehmen gibt Aufschluss darüber, wie selbstbestimmt die Belegschaft ihre Tätigkeiten ausführen und ist eng an die Führungsprinzipien geknüpft. Während restriktive Strukturen die Einhaltung von Vorgaben und Ausführungsbereitschaft in den Fokus rücken, beschreibt der höchste Reifegrad des Empowerments eine Situation, in der Mitarbeiter*innen ihre Arbeitsziele mit maximaler Eigenverantwortlichkeit erreichen. Dies betrifft sowohl die Wahl der Arbeitswerkzeuge als auch die Zusammenstellung von Teams. Autonomie und ergebnisorientierte Eigenverantwortung führen dabei zu einem hohen Engagement der Mitarbeitenden, welche sich für den Erfolg des Unternehmens direkt mitverantwortlich fühlen. Mit dem Grad des Empowerments einher geht auch die Dimension der Arbeitsgestaltung. Das Konzept des Social Business bietet die Möglichkeit zu agilen Prozessen und einer Flexibilisierung der Arbeitsorganisation. Dabei vollzieht sich ein Wandel von starren Rahmenbedingungen hinsichtlich Arbeitszeit und -ort hin zu flexiblen Strukturen und einer primär zielorientierten Arbeitsgestaltung, bei der auf Grundlage einer entsprechenden technischer Infrastruktur (mobiles Büro) die Wahl der Arbeitszeit und des Ortes, wiederum im Sinne des Empowerments, den Mitarbeiter*innen überlassen werden (McAfee 2009). Die beiden letzten Dimensionen des Reifegradmodells beziehen sich auf das Personal des Unternehmens. Um kollaborative digitale Arbeitsprozesse erfolgreich zu etablieren, bedarf es eines Bewusstseins für Social Business. Während das Fehlen eines Bewusstseins kennzeichnend für den niedrigen Reifegrad ist, steigt der Reifegrad mit zunehmendem Problem- und Prozessbewusstsein für Social Business Aktivitäten. Auf höchster Stufe haben die Mitarbeiter*innen ihre eigene Position und die Relevanz ihres Handelns für das Gelingen von Social Business vollends erkannt und initiieren eigenständig neue Kampagnen, machen Verbesserungsvorschläge und arbeiten aktiv an der Umsetzung mit. Dies geht einher mit erhöhten Anforderungen eines Unternehmens an die Belegschaft. Im Kontext von Social Business sind hier die benötigten Kompetenzen zur effizienten Nutzung der Social Networks gemeint Je weiterentwickelt ein Unternehmen im Sinne des Social Business Gedankens ist, desto höher sind die Anforderungen hinsichtlich Selbstorganisation, Eigeninitiative und technischem Verständnis. Während zu Beginn des Transformationsprozesses (Stufe 2) lediglich ein grundlegendes Verständnis für Technologien und Funktionalitäten erforderlich ist, bedarf es bei zunehmender Reife eines Partizipationswillens und schließlich auch der Fähigkeit, aus einer zunehmenden Eigeninitiative heraus, Netzwerkaktivitäten anzustoßen und voranzutreiben.

8.2.1.3 Anwendung des Reifegrademodells

Um den aktuellen Reifegrad eines Unternehmens messen zu können, bedarf es einer Operationalisierung. Aus diesem Grund wurde ein Fragebogen entwickelt, welcher es Unternehmen ermöglicht, die eigene Social Business Reife im Self-Assessment zu ermitteln. Der Fragebogen beinhaltet insgesamt 36 Fragen, welche verschiedene Aspekte aller acht das Reifegradmodell umfassenden Dimensionen beleuchten. Beispielsweise wird zur Ermittlung der Reife für die Social Business Infrastruktur gefragt welche sozialen Technologien bereits im Unternehmen etabliert sind und zu welchem Zweck Social Media und sozialen Netzwerken im Unternehmen genutzt werden (etwa Recherche, externe Kommunikation bzw. Marketing, interne Kommunikation bzw. Vernetzung) sowie in welchem Umfang diese eingesetzt werden (etwa Teamintern oder auch in der Zusammenarbeit mit Unternehmenspartnern).

Die Auswertung des Fragebogens erfolgt durch einen gewichteten Score. Dabei wurde jedes Item (Frage) mit einem Faktor für die Wichtigkeit belegt. Die Ergebnisse werden im Anschluss normalisiert und ein Score zwischen 1 und 4 berechnet, welches die Stufe für die Dimension widerspiegelt. Die Einschätzung des Gewichtes war Teil der Operationalisierung – ist damit erst einmal ein Schätzwert aus Forschungssicht. Verortet sich ein Unternehmen in der Reife seiner Dimensionen eher zentral, ist davon auszugehen, dass im Unternehmen tayloristische Strukturen vorherrschen. In diesem Fall überwiegen klar strukturierte und kleinteilige Arbeitsprozesse mit festen Zuständigkeiten, starre Arbeitsbedingungen und Fremdbestimmung über den Arbeitnehmenden. Je weiter sich die ermittelte Reife auf dem Modell nach außen entwickelt, desto weiter ist der Transformationsprozess in Richtung Social Business vorangeschritten. Durch die visuelle Darstellung der Reifegrade wird es dabei möglich, Schwachstellen direkt zu erfassen. Dies ist etwa der Fall, wenn eine Dimension, deutlich zentraler verortet ist oder aber den anderen klar vorauseilt.

8.2.1.4 Zusammenfassung

In der Betrachtung des Reifegradmodells wird deutlich, dass Social Business ein Phänomen beschreibt, welches unter vielen verschiedenen Labeln bereits seit einigen Jahren als moderne, zukunftsweisende Arbeitswelt propagiert wird. Terminologien wie New Work (Hackl et al. 2017), Enterprise 2.0 aber auch Agilität oder collaborative work (McAfee 2009) betonen ausgewählte Aspekte dessen, was wir unter dem Terminus Social Business subsumieren. Social Business ist zu verstehen als ein Unternehmenskonzept, welches basierend auf dem Einsatz sozialer Technologien und Netzwerken, die eigenen Mitarbeiter*innen zu einer selbstbestimmten und zielorientierten Arbeitsweise motiviert, um daraus einen ökonomischen, ökologischen oder sozialen Mehrwert zu generieren. Dies unterscheidet sich signifikant von traditionellen Unternehmen mit ihren hierarchischen Strukturen und klaren Weisungskonzepten. Das Reifegradmodell ist als Werkzeug zu verstehen, welches Unternehmen eine systematische Analyse verschiedener Dimensionen von Social Business auf den Ebenen Mensch, Organisation und Technik Unterstützung ermöglicht und eine Basis für die Weiterentwicklung in Richtung Social Business gibt.

8.2.2 Definition von Zielen

Ist die Ausgangssituation analysiert, sollten im nächsten Schritt Ziele definiert werden. Hierbei muss bestimmt werden in welchem Umfang die Neuerungen umgesetzt werden sollen (Arbeitsgruppe, Abteilung, Unternehmenswert). Um dies zu realisieren sind Zielparameter zu bestimmen, d. h. (individuelle und messbare) Parameter, welche im Unternehmen durch den Einsatz neuer sozialer Technologien verbessert werden sollen. Definiert wird was sich von Änderungen innerhalb des Unternehmens erhofft wird. Beispielhafte Parameter könnten sein:

  • Zeitreduktion (bspw. bei der Wissensbereitstellung, oder kooperativer Tätigkeiten),

  • Informations- und Wissensflussverbesserung (bspw. Vermeidung von Fehlkommunikation, bessere Dokumentationsqualität)

  • Kostenreduktion (bspw. Reduktion organisatorischer Aufgaben)

  • Erhöhung der Qualität der Arbeit (bspw. Mitarbeiterzufriedenheit) oder der

  • Schaffung von ökologischem Nutzen (bspw. CO2 Reduktion – Nachhaltigkeitskultur).

Manche der Zielsetzungen können sich durchaus überschneiden, andere stehen im Konflikt jedoch haben alle Zielsetzungen Implikationen auf die Gestaltungselemente. Gleichzeitig muss festgelegt werden welchen Umfang oder welcher Art die Transformation besitzen soll. Hierbei sind drei Szenarien denkbar:

  • Optimierung des Bestehenden

    Das vorgefundene oder der derzeitige Stand hat ein erhebliches Potenzial und kann weiter optimiert werden.

  • Erweiterung des Bestehenden

    Es kann auf bestehenden Lösungen aufgesetzt werden und damit auch an funktionierende Lösungen angeschlossen werden.

  • Neuentwicklung

    Es muss etwas Neues entwickelt werden, da bisherige Lösungen nicht den Zielanforderungen entsprechen.

Gleichzeitig empfehlen Autoren wie Peter Schütt (2013), dass die geplanten Veränderungen mit einem Zeithorizont zu denken sind und empfehlen Sense-Making Modelle, wie beispielsweise von David Snowden vorgeschlagen wurde (Snowden 2005).

8.2.3 Gestaltungselemente Social Business

Um die gesetzten Ziele zu erreichen müssen verschiedene Ebenen des Unternehmens neu oder anders gestaltet werden. Angelehnt an das Reifegradmodell sind hierbei verschiedene Gestaltungsebenen zu unterscheiden. Es handelt sich um die Ebenen der Technik, der Organisation und des Menschen. Hierbei sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu anderen Modellen zu nennen, beispielsweise zum 3-D KM Modell von Schütt (2013), welcher Organisation/Kultur, Prozess und Informationstechnologien betrachtet. Die explizite Betrachtung der menschlichen Fähigkeiten, Rollen und das Bewusstsein für Social Business scheint aus Sicht der Autoren in der Literatur bisher weitgehend vernachlässigt (Siehe auch Studie zum Reifegradmodell in Zinke-Wehlmann und Schiller 2019).

8.2.3.1 Gestaltungsebene Technik

Betrachtet man die Literatur um Enterprise 2.0 und Enterprise Social Networks (Media) kann schnell der Eindruck gewonnen werden, dass Technik allein die Veränderung in Unternehmen vorantreibt und sich quasi automatisch Social Business einstellt. Diese technikgetriebene Betrachtung des Phänomens führt jedoch zu einem erhöhten Risiko des Scheiterns der Anwendungen nach der Hype Phase (Trough of Disillusionment) (Fenn und Raskino 2008). Dennoch ist die technische Voraussetzung natürlich wichtig – jedoch nicht ausschließlich entscheidend für den Erfolg der Maßnahmen. Die Festlegung von Rollen und Verantwortlichkeiten sowie die Akzeptanz der Mitarbeiter*innen muss ebenso betrachtet werden, wie die Schaffung technischer Voraussetzungen. Ein maßgeblicher technischer Erfolgsfaktor ist die passgenaue Systemintegration. Die Studienergebnisse, siehe in Zinke-Wehlmann und Schiller 2019, haben gezeigt, dass bei der Wahl der zu integrierenden Tools zu beachten ist, welche Anforderungen sich aus der Arbeitspraxis ergeben und welche Präferenzen die Mitarbeiter*innen haben.

Gestaltungselemente sind hierbei immer Funktionalitäten, die je nach Zielsetzung umgesetzt werden sollten. Neben dem Einsatz und der Entwicklung von klassischen Web 2.0 Anwendungen und Funktionen sind auch viele Fragen der Integration und Interoperabilität von Anwendungen wichtig zu klären – bzw. zu gestalten. Neue Kommunikationsmöglichkeiten sollten erschlossen werden, welche die synchrone oder asynchrone Kommunikationskanäle beinhalten. Auch können Anforderungen zur Etablierung von kollaborativen und gleichzeitiger Bearbeitung von Dokumenten entstehen, was letztlich auf einen digitalen kollaborativen Arbeitsplatz hinausläuft. Diese Funktionalitäten bilden einen wichtigen Kern für Social Business. Darüber hinaus, dürfen „weiche“ Anforderungen und Gestaltungselemente des User Interfaces sowie der Datensouveränität nicht außer Acht gelassen werden, um den Erfolg der Social Business Transformation zu ermöglichen.

8.2.3.2 Gestaltungsebene Organisation

Auf der Ebene der Organisation ist zunächst die Arbeitsumgebung zu betrachten, denn diese gilt es in den meisten Fällen zu verändern. Veränderte Kommunikation verändert nicht nur Prozesse, sondern auch die Arbeit selbst – bspw. durch veränderte zeitliche Abläufe und Anwesenheiten. Auf Prozessebene ist davon abzusehen, die Abläufe zu starr vorzugeben. Es gilt Freiräume und Empfehlungen zu schaffen – ein aktives Umfeld, in dem jeder lernen kann, Prozesse sinnvoll zu gestalten. Gleiches gilt für die Organisation von Teams und Projekten – aber auch von Arbeitstreffen und Arbeitszeiten. Mitarbeiter*innen sollten eigene Impulse zur Problemlösung und Zielerreichung umsetzen können. Gestaltungselemente sind hierbei die innerbetrieblichen Vorschriften und Verträge, wie auch die Arbeitsmittel. Zudem betrifft diese Gestaltungsebene die Rollen und deren Funktionen. Das Community-Management wird beispielsweise, gerade in sehr großen Unternehmen, eine wachsende Bedeutung innehaben. Gleichzeitig werden streng hierarchische Führungskonzepte und Kontrollstrukturen schrittweise aufgeweicht. Führungskräfte werden mehr und mehr zu Strukturgebern, die Strukturen schaffen um es den Mitarbeitenden zu ermöglich effizient zu arbeiten. Es ist weiterhin zu beobachten, dass Motivation und Partizipation der Belegschaft die Kernelemente für die Gestaltung der Arbeit sein werden. Hierfür sind sowohl kulturelle Rahmenbedingungen (bspw. zielorientiertes, interessengeleitetes Arbeiten) als auch Incentivierungssysteme (bspw. Gamification) zu gestalten.

8.2.3.3 Gestaltungsebene Mensch

Trends wie Working-Out-LoudFootnote 3 machen deutlich, dass der Erfolg von Social Business davon abhängt, inwieweit sich Menschen des Potenzials der sozialen Medien innerhalb und über unternehmensgrenzen hinweg bewusst sind. Erst wenn ein Bewusstsein geschaffen wurde und notwendige Kompetenzen vorhanden sind, kann Social Business überhaupt gelingen – und ist somit gleichermaßen elementar als Grundlage zu sehen wie die technischen Möglichkeiten und Funktionen. Sich dieser Restriktion bewusst zu sein, ermöglicht es die Transformation zu meistern. Gestaltungselemente sind hier vor allem Angebote zur Erhöhung des Nutzenbewusstseins und Schaffung notwendiger Kompetenzen durch verschiedene Maßnahmen (Weiterbildung, Empfehlungen, Kampanien etc.). Zudem ist es wichtig, dass Feedback-Kanäle und Innovationsräume geschaffen werden, welche es ermöglichen überhaupt die individuellen Barrieren zu erkennen und Maßnahmen zur Beseitigung dieser gemeinschaftlich zu entwickeln. Ein weiterer essenzieller Erfolgsfaktor zur langfristigen Einführung von Social Business ist es nicht nur das Bewusstsein zu stärken, sondern auch der Technologieskepsis entgegenzuwirken. Eine abwehrende Haltung der Mitarbeiter*innen kann dem Transformationsprozess entscheidend im Weg stehen. Eine ganzheitliche Aufklärung, wie die transparente Darstellung der Wirkungs- und Arbeitsweisen der ESN, sowie Handlungsleitfäden ergänzt durch Benutzerbeispielen in Form von Erfolgsgeschichten, kann helfen Unsicherheiten abzubauen.

Weitere Empfehlungen zur Gestaltung der eben erörterten Ebenen sowie eine ausführliche Darstellung der einzelnen Dimensionen anhand der aus der qualitativen Studie gewonnenen Erkenntnisse findet sich in Zinke-Wehlmann und Schiller (2019).

8.3 Exemplarische Anwendung

Der Anwendungsfall handelt von einem Unternehmen, welches am Anfang des Transformationsprozesses steht und nach Möglichkeiten suchte, den steigenden Informationsmengen im Unternehmen Herr zu werden. Mit dieser Herausforderung begann das Unternehmen sich mit dem Thema Social Business auseinanderzusetzen. Social Business wurde als ein Modernisierungsansatz erkannt, der es ermöglicht, die Mitarbeiter*innen durch stärkere Beteiligung an Innovationsprozessen und einen unternehmensweiten kollegialen Austausch zu motivieren und gleichzeitig Möglichkeiten der besseren Informationsverteilung und Orientierung bietet. Entsprechend dem vorgestellten Vorgehen wurde zunächst die Reife des Unternehmens in Hinblick auf Social Business erhoben. Durch die Verortung des Unternehmens entsprechend seines Stands im entwickelten Reifegradmodell ließen sich potenzielle Lösungsansätze zur effizienteren Nutzung und erfolgreichen Implementierung von Social Business herausarbeiten.

8.3.1 Analyse der Situation

Das Unternehmen hatte zu Beginn des Prozesses keinerlei Social Business Infrastruktur – wobei erste Erfahrungen mit kollaborativen Arbeitsumgebungen in den Bereichen B2B Plattformen und Marketing über Social Media schon vorher gesammelt wurden. Aus dem vorab geführten Interview zur Ausgangsituation ging hervor, dass das Internet allein zur Wissensgenerierung und als Informationsquelle im Unternehmenskontext von der Belegschaft genutzt wurde. Zur Arbeitsorganisation bediente man sich dem klassischen Tool Microsoft Outlook. Diese wurde als zentrales Medium genutzt – alle Kollaborationsprozesse wurden über dieses Werkzeug geregelt. Die unternehmensinterne und außerbetriebliche Kommunikation vollzog sich ausschließlich über den E-Mail-Verkehr. Entsprechend der geringen Nutzungsrate sozialer Medien und Netzwerke wurden auch keine Social Business relevanten Rollen festgelegt. Es gab ein gewisses Verständnis davon, dass mittels des Einsatzes von digitalen sozialen Netzwerken verschiedene Problemstellungen angegangen werden könnten, außerdem wurden bereits entsprechende Kompetenzen im Bereich des Marketings gesammelt. Das heißt, dass das Unternehmen trotz fehlender Rahmenbedingungen, wie Infrastruktur und Rollen, bereits hohe Kompetenzanforderung an die Arbeitskräfte stellte, was den Transformationsprozess positiv beeinflussen konnte. Die Führungsprinzipien waren eher konsultativ. Dem entsprechend konnten Mitarbeiter*innen in einigen Bereichen Entscheidungen mit beeinflussen, aber die Entscheidungsgewalt oblag letztlich dem Vorgesetzten. Die Arbeit an sich war durch flexible Rahmenbedingungen gekennzeichnet. Hauptergebnis der Analyse war, dass die Dimensionen der Social Business Infrastruktur und Rollen als klare Schwachstellen in der Entwicklung identifiziert wurden (Abb. 8.3).

Abb. 8.3
figure 3

Reifegrad des Anwenders zu Beginn des Projektes

8.3.2 Entwicklung der Zielstellung

Da das Potenzial zur Nutzung sozialer Netzwerke auch im innerbetrieblichen Kontext erkannt wurde, formulierte das Unternehmen mittels des Einsatzes von ESN folgende ineinandergreifende Zielstellungen:

  1. 1.

    Es sollte eine Plattform zum Informationsaustausch geschaffen werden (gemeinsame Wissensbasis). (Social Business Infrastruktur)

  2. 2.

    Es sollten Suchprozesse verkürzt werden.

  3. 3.

    Kommunikation innerhalb des Unternehmens verbessern (Silos aufbrechen – Kollaboration).

  4. 4.

    Die aktive Einbindung und Schaffung neuer Gestaltungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter*innen soll die persönliche Bindung und die Identifikation mit dem Unternehmen stärken.

  5. 5.

    Es sollte eine Orientierungshilfe für unternehmen-internes Wissen und Information geschaffen werden (Arbeitsgestaltung und Kollaboration).

  6. 6.

    Ziel war hier die Reduktion der Einarbeitungszeit für neue Mitarbeiter*innen.

  7. 7.

    Reduktion der Recherchezeit für fachübergreifende Arbeiten.

  8. 8.

    Die Marketingprozesse sollten mithilfe dieser Plattform verbessert werden (Wissenszugang und Zusammenarbeit) – d. h. das Marketing sollte besser mit den Entwicklungsteams zusammenarbeiten.

8.3.3 Gestaltungselemente

Auf der technischen Gestaltungsebene sollte zunächst mittels des Aufbaus eines innerbetrieblichen sozialen Netzwerkes die technische Voraussetzung zur Zielerreichung geschaffen werden. Die technische Infrastruktur wurde so barrierefrei wie möglich in die Unternehmensprozesse integriert (keine Anmeldung, Offene Kollaboration und Content Creation, einfaches User Interface). Es handelt sich um ein erweitertes und an die Bedarfe angepasstes Blog-System. Dieses System wurde so gestaltet, dass keinerlei Möglichkeit der aktiven Überwachung von Mitarbeiteraktivitäten möglich ist. Weiterhin verfügt das System über Funktionen zur Informationsbereitstellung und -vermittlung.

Auf der organisatorischen Ebene sind die wichtigsten Gestaltungselemente auf verschiedenen Ebenen. Ein wichtiger Baustein für den Erfolg beim Einsatz von sozialen Netzwerken, ob intern oder extern, in diesem Unternehmen war die Entwicklung eines internen (Kommunikations-)Standards inkl. Rechten und Rollenkonzepten. Alle Mitarbeitenden wurden die gleichen Rechte zugewiesen und können beliebig viele Blogeinträge verfassen. Gleichzeitig wurden die Rolle von technisch-administrativen Administratoren geschaffen, um die Struktur des Netzwerkes zu warten. Die hierarchischen Strukturen im Blog bewusst flach gehalten. Weithin wurde eine neue Rolle für die interne Kommunikation geschaffen, welcher marketingrelevante Inhalte in die entsprechenden Kanäle leiten soll.

Zusätzlich wurden Richtlinien erstellt und verschiedene Veranstaltung geplant. Diese Veranstaltungen zielten auf die Gestaltungsebene Mensch, da hier Fähigkeiten und Bewusstsein für die Nutzung der neuen Technik gelegt werden.

8.3.4 Implementierung

Konkret wurde zunächst ein internes Blog-Systems umgesetzt und zur Verfügung gestellt. Ausgewählt wurde ein System, welches über ein Multi-Autorensystem verfügt (Wordpress) und einfach zu bedienen ist. Hierfür wurden entsprechende technischen Voraussetzungen geschaffen (Server IIS etc.). Um die Nutzung zu fördern wurde der Blog als Startseite für die gesamte Belegschaft eingerichtet. Vorrangig dient der Blog dem Informationsaustausch, deshalb wurden alle Mitarbeiter*innen automatisch als Autoren eingestuft und können somit unternehmensrelevante Inhalte jederzeit einstellen. Diese können dann mit Schlagwörtern versehen werden, um so eine bessere Überschaubarkeit zu gewährleisten. Relevante Informationen lassen sich auf diese Weise schneller herausfiltern. Gleichzeitig ist die Kommentarfunktion standardmäßig eingeschalten, um die Möglichkeit für Feedback zu bieten. Der Aufbau der Seite unterscheidet sowohl fachliche als auch nicht-fachliche Informationen, um den Informationsaustausch und damit die Nutzung der Plattform zu erhöhen. Neben den allgemeinen Themen werden die Rubriken nach Abteilungen im Unternehmen aufgelistet, bspw. Vertrieb, Anwendungsbetreuung, Geschäftsleitung, Technik und Softwareentwicklung. Nicht-fachlicher Natur heißt im Blogsystem „Klamauk“ – unter dieser Rubrik soll ein Austausch auf persönlicher Ebene stattfinden, um auf diese Weise ein gelebtes Miteinander im Unternehmen zu erreichen. u. a. werden auch verschiedene Speisepläne der umliegenden Dienstleister angezeigt. Zusätzlich werden ein Lexikon und eine Linksammlung zur Verfügung gestellt. Hierbei handelt es sich um die Sammlung wichtiger Links und Dokumente für die Abwicklung verschiedener Geschäftsprozesse (bspw. Aushangpflichtige Dokumente, Urlaubsanträge, Telefonliste, Schulungsunterlagen, Datenschutz, Arbeitsschutz), sowie Links zu verschiedensten Partnern und Datenportale. Das Lexikon dient der Wissensbereitstellung für alle Mitarbeiter*innen. Das gesammelte Knowhow aller unternehmensinterner Parteien wird hier dokumentiert und weitergegeben werden – Problemlösungsprozesse sollen auf diese Wiese effizienter gestaltet werden. Innerhalb des Netzwerkes herrscht eine sehr flache Hierarchie – wie oben beschrieben (Abb. 8.4).

Abb. 8.4
figure 4

Das implementierte Blogsystem

Neben dem technischen Rahmen wurden erste Richtlinien für das Blogsystem entwickelt, welche ganz grundsätzlich die Nutzung und die Möglichkeiten erklärt. Um möglichen Ängsten oder Skepsis vorzubeugen/entgegenzutreten werden auch die Themen Berechtigungen und Datenschutz diskutiert. Begleitend zu den Richtlinien wurden Arbeitstreffen organisiert, in denen die Mitarbeiter*innen das System kennenlernen konnten und die Nutzungsmöglichkeiten erklärt wurden. Nach diesen Maßnahmen konnte beobachtet werden wie verschiedene Mitarbeiter*innen begannen das System zu nutzen und Inhalte zu erstellen. Um jedoch eine nachhaltige Nutzung zu gewährleisten kam man zu dem Schluss, dass es einen Verantwortlichen „Community Manager“ bedarf, der die Mitarbeiter*innen zum kontinuierlichen Kollaborationsprozess anregt und motiviert. Der seine Zuständigkeiten nicht nur auf Marketingebene sieht, sondern diese auch auf innerbetrieblicher Ebene begreift. Daher soll die Nutzung des Blogs künftig durch ein Community-Management unterstützt werden.

8.3.5 Analyse der Situation II

Nach der Implementierung der einzelnen Gestaltungselemente wurde die Situation im Unternehmen erneut mittels des vorgestellten Reifegradmodells analysiert und bewertet. Die implementierten Maßnahmen haben dazu geführt, dass vor allem die Infrastruktur aufgebaut und explizite Rollen für Social Business definiert wurden. Gleichzeitig erreichte man mit den Maßnahmen einen positiven Einfluss auf das Bewusstsein der Mitarbeiter*innen, sowie eine Erhöhung der Reife der Kollaborationsprozesse. Durch die Senkung von Einstiegshürden und somit auch durch den Abbau von Skepsis, bzgl. des Umganges mit dem neuen Medium, erreichte man eine Verbesserung des unternehmensweiten Austauschs von Informationen. Abb. 8.5 zeigt den Anstieg der einzelnen Dimensionen und den Erfolg der getroffenen Maßnahmen.

Abb. 8.5
figure 5

Social Business Transformation – Vergleich der Reife

8.4 Ableiten von allgemeinen Leitlinien für die Social Business Transformation

Die Bestimmung des Social Business Reifegrades dient als Grundlage für die Formulierung von Zielen und die Ermittlung von Schwachstellen. Neben der geeigneten technischen Basis (Social Business Infrastruktur) ist die Unternehmenskultur von entscheidender Bedeutung für einen erfolgreichen Transformationsprozess. Nur wenn sowohl die Belegschaft als auch die Führungs- und Managementebene, welcher es auch im Falle flacher Hierarchien bedarf, die Entwicklung mittragen, kann sich das Potenzial kollaborativer Arbeitsprozesse entfalten.

Neben den konkreten Anwendungen lassen sich hierbei durchaus allgemeine Leitlinien (guidance note) auf Basis der theoretischen Ausarbeitungen und praktischen Anwendungen für den Transformationsprozess ableitet:

  • GN 1: Für erfolgreiche Umsetzung bedarf es einer entsprechenden Infrastruktur, welche die Basis für digitale Kollaboration bietet.

  • GN 2: Unternehmen mit hohen Anforderungen an die eigenen Mitarbeiter*innen in der Selbstorganisation haben sehr gute Voraussetzungen zur Transformation.

  • GN 3: Unternehmensführung muss die Entwicklung aktiv mittragen.

  • GN 4: Mitarbeitenden Raum zu geben und Selbstbestimmung zulassen sonst scheitern Projekte.

  • GN 5: Social Business ist kein Selbstzweck, das Definieren von Zielen auf allen Ebenen (sozial, ökonomisch, ökologisch) ist ein wichtiger Schritt für die Transformation.

  • GN 6: Freiräume schaffen heißt auch Prozesse flexibler zu denken und durchzuführen, Anweisungen zu unterlassen, Hilfestellung und Struktur zu geben und Ziele zu stecken – das ist das was man mit dem Wort Agilität beschreiben kann.

8.5 Fazit und Ausblick

Es gibt eine Vielzahl hybrider Organisationsformen, die sich irgendwo zwischen taylorististischen Unternehmensstrukturen und New Work bewegen. Der vorliegende Anwendungsfall ist ein Beispiel dafür. Obgleich die infrastrukturellen Rahmenbedingungen noch die klassisch ausgerichtete Arbeitsteilung widerspiegeln, findet auf der Ebene der Arbeitsorganisation (Kollaborationsprozesse, Arbeitsorganisation) bereits ein Wandel statt.

Gerade im Falle solch hybrider Organisationsformen ist das Reifegradmodell für Unternehmen so wertvoll. In Anlehnung der vorangegangen Forschungsfrage unserer Arbeit, wie sich der aktuelle Stand eines Unternehmens in Hinblick auf Social Business bzw. des systematischen Einsatzes von Social Networks in Unternehmen systematisch analysieren lässt, entwickelten wir als Lösungsansatz ein Modell, welches Unternehmen mit der Beantwortung eines Fragebogens dabei unterstützt, die im Transformationsprozess relevanten Aspekte bzw. Dimensionen zu beleuchten. Anders als CMMI-Modelle, die sich auf die Darstellung homogener Entwicklungsstufen beschränken, dient das Social Business Reifegradmodell in Verbindung mit dem Assessment-Tool als individuelles Analysewerkzeug. Unternehmen werden in die Lage versetzt aktuelle Schwachstellen zu erkennen und in den verschiedenen Ebenen darauf zu reagieren und einen Wandel zu vollziehen. Grundvoraussetzung ist, dass eine entsprechende strategische Notwendigkeit gesehen wird – dabei hilft das vorgestellte Konzept wenig. Dies ist eines der größten Einschränkungen des Konzepts, es unterstützt nicht die generelle Strategieentwicklung oder trifft darüber verallgemeinernden Aussagen. Gleichzeitig kann das Modell auf verschiedenen Ebenen zum Einsatz kommen (bspw. Unternehmen gleichermaßen wie für Arbeitsgruppen). Die Herausforderung in der Beantwortung der Frage, welche Ergebnisse bzw. weitere Schritte sich aus der Ermittlung des individuellen Stands in Hinblick auf Social Business für ein Unternehmen ableiten lässt, besteht konkret in der Beschreibung und Identifizierung der Gestaltungselemente. Im Verlauf der Arbeit zeigte sich, dass gerade diese für jede Anwendung unterschiedlich sein kann – entsprechend der hohen Variantenvielfalt bei den Unternehmen, Anwendungsbereichen und Reifen der Unternehmen. Trotz dieser Einschränkung wurde versucht hier erstmals grundsätzliche Leitlinien für Social Business zu entwickelt. Diese stehen in Ergänzung zu den 10 Grundsätzen von Hinchcliffe und Kim (2012) (direkt übersetzt):

  1. 1.

    Jeder kann mitmachen.

  2. 2.

    Es wird immer ein Wert erzeugt.

  3. 3.

    Die Partizipation ist Selbstorganisiert, aber der Fokus ist geschäftsorientiert

  4. 4.

    Stellen Sie eine ausreichend große Community zusammen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

  5. 5.

    Binden Sie die richtige Community für den Geschäftszweck ein.

  6. 6.

    Die Teilnahme kann in jede Richtung gehen. Sei darauf vorbereitet und nutze dies.

  7. 7.

    Beseitigen Sie alle potenziellen Hindernisse für die Teilnahme. Die Benutzerfreundlichkeit ist entscheidend.

  8. 8.

    Hören Sie zu und engagieren Sie sich kontinuierlich in allen relevanten Social Business Konversationen.

  9. 9.

    Der Ton und die Sprache des Social Business sind am effektivsten, wenn sie locker und menschlich sind.

  10. 10.

    Die effektiven Social Business Aktivitäten sind tief in den Arbeitsablauf integriert.

Die vorliegende Arbeit bietet die ersten Einblicke in die erfolgreiche Umsetzung von Social Business auf den verschiedensten Ebenen. Im weiteren Projektverlauf werden die verschiedenen Piloten evaluiert und der Nutzen des gezeigten Vorgehens diskutiert, differenziert und das Konzept weiterentwickelt.