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Mathematische Gebärden der Österreichischen Gebärdensprache aus semiotischer Sicht

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Zeichen und Sprache im Mathematikunterricht
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Zusammenfassung

Was sind Merkmale gebärdensprachlicher mathematischer Begriffe? Dieser Frage wird am Beispiel der Österreichischen Gebärdensprache nachgegangen. Dabei werden Gebärden aus einer semiotischen Sicht betrachtet, die sich auf den Peirceschen Zeichenbegriff bezieht. Insbesondere werden die Ikonizität und die Indexikalität mathematischer Fachgebärden ausdifferenziert und in Beispielen veranschaulicht. Die Untersuchung wird als Grundlagenforschung verstanden, um auf lange Sicht den Zusammenhang zwischen Gebärdensprache und Mathematiklernen sowie einen möglichen Einfluss von Lernen in Gebärdensprache auf mathematische Begriffsbildungsprozesse zu erkunden.

Abstract

What are characteristics of sign language mathematical terms? This question is explored using the example of Austrian Sign Language. Sign language is considered from a semiotic point of view, which refers to Peirce’s sign concept. In particular, the iconicity and indexicality of mathematical signatures are differentiated and illustrated in examples. The study is understood as basic research in order to explore the long-term relationship between sign language and learning mathematics and the possible influence of learning in sign language on mathematical conceptualization processes.

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Notes

  1. 1.

    Gebärden werden in diesem Artikel in der für Gebärdensprachen häufig üblichen Glossenschrift mit Großbuchstaben geschrieben. Dabei können zusätzliche Informationen an Glossen angefügt werden, was in diesem Artikel bis auf Indizes jedoch nicht nötig ist. Eine Übersicht über die Glossenverwendung in der ÖGS ist in Skant et al. (2002, S. 2 ff.) zu finden.

  2. 2.

    Ikonizität und Indexikalität im Sinne von Peirce werden weiter unten ausgeführt.

  3. 3.

    Quellen der für diesen Artikel untersuchten Gebärden sind das Internetportal „Spreadthesign“ (www.spreadthesign.com), ein europäisches Projekt zur Erstellung einer mehrsprachigen Gebärden-Video-Datenbank, außerdem die Datenbank „LedaSila“ (https://ledasila.aau.at) für ÖGS-Gebärden, die von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt erstellt wurde, und schließlich geht das Wissen der Autorin aus Gesprächen mit österreichischen Gehörlosen sowie aus ÖGS-Kursen mit ein. Die Abbildungen in diesem Artikel zeigen Momentaufnahmen von Gebärdenvideos, die von Christian Hausch, einem Mitarbeiter des Zentrums für Gebärdensprache und Hörbehindertenkommunikation der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, gebärdet wurden.

  4. 4.

    Da sich Lautsprachen und Gebärdensprachen bei der Ikonizität und Indexikalität unterscheiden, wird in diesem Beitrag auf die Objektrelation eingegangen.

  5. 5.

    Dabei sei erwähnt, dass Gesten und Gebärden nicht gleichzusetzen sind, jedoch in einem Kontinuum angeordnet werden können (vgl. „Kendons Kontinuum“ nach McNeill (2005), ebenfalls abgedruckt in Huth (2011, S. 202).

  6. 6.

    Für mathematische Gebärden ist an dieser Stelle noch ein weiterer Typ notwendig, der im nächsten Kapitel erläutert wird.

  7. 7.

    Von altgriechisch μετωνυμία (metonymía) für Namensvertauschung/Umbenennung.

  8. 8.

    Das Beispiel MAL zeigt, dass eine Gebärde ebenso als Ikon wie auch als Index aufgefasst werden kann.

  9. 9.

    Für „minus“ ist auch eine zweite Gebärde üblich, bei welcher der Zeigefinger der rechten Hand ein Minus-Symbol „zeichnet“. Daher werden die unterschiedlichen Gebärden in diesem Artikel mit MINUS1 und MINUS2 bezeichnet. Für „durch“ bzw. „Division“ gibt es ebenfalls eine zweite Gebärde: Bei dieser „zeichnet“ der Zeigefinger der rechten Hand auf die linke Handfläche zwei Punkte.

  10. 10.

    Die Bezeichnung Rebus wird auch für Bilderrätsel verwendet, bei denen nicht die Bilder selbst die Bedeutung ergeben, sondern ihre lautliche Aussprache. Sie stammt vom lateinischen res für „Sache“ oder „Ding“ bzw. rebus, übersetzt mit „durch Dinge“.

  11. 11.

    Am Beispiel der Gebärde PROZENT wird ersichtlich, dass eine Gebärde mehrfach einsortiert werden kann, je nachdem, welche manuellen Bausteine sich gleichen.

  12. 12.

    Als weitere Gebärde ist in Sätzen wie beispielsweise „1/2 ist gleich 2/4“ anstelle der Gebärde GLEICH die Gebärde INHALT üblich, bei der eine Hand in der anderen liegt. Insbesondere sind bei der Gebärde INHALT im Gegensatz zur Gebärde GLEICH die beiden Hände nicht symmetrisch zueinander, weder bezogen auf die Handform, Handstellung noch die Bewegung. Wie und ob sich der Gebrauch der einen wie der anderen Gebärde auf das Verständnis von Gleichungen auswirkt, ist eine offene Frage.

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Wille, A.M. (2020). Mathematische Gebärden der Österreichischen Gebärdensprache aus semiotischer Sicht. In: Kadunz, G. (eds) Zeichen und Sprache im Mathematikunterricht. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-61194-4_9

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