Die Zahl der in Deutschland tätigen Stiftungen stieg während der vergangenen Jahre, insbesondere seit der Wiedervereinigung, signifikant an. Diese Entwicklung liegt unter anderem darin begründet, dass Vermögen, die in der Zeit seit dem Wirtschaftswunder von Einzelpersonen oder Familien erworben wurden, oftmals nicht als Privatbesitz weitervererbt werden, sondern gemäß dem individuellen Willen ihrer Stifter der Gesellschaft als „Guthaben“ zur Verfügung gestellt werden sollen. Auch zahlreiche Unternehmen gründen als Ausweis ihres gesellschaftlichen Engagements respektive ihrer „Corporate Social Responsibility“ unternehmensnahe Stiftungen. Dabei bleibt zu beachten, dass sich die mittlerweile über 22.000 in Deutschland tätigen Stiftungen erheblich voneinander unterscheiden – in ihrer Rechtsform, in ihrer Vermögensausstattung, in der Art, wie sie mit den hinterlegten Finanzwerten verfahren (also ob sie etwa ausschüttend oder substanzverbrauchend sind), sowie in ihren in der jeweiligen Satzung definierten Förderschwerpunkten.

In den USA zeigt sich, angestoßen durch die „Giving Pledge“-Initiative von Bill und Melinda Gates und Warren Buffett, in welche finanziellen Dimensionen eine solche Entwicklung mittlerweile vordringen kann. Während die neue mäzenatische und philanthropische Haltung gewiss zu begrüßen ist, bleibt doch auch zu bedenken, dass Stiftungen vielerorts zunehmend an die Stelle staatlicher Institutionen treten. Als Investoren verwalten und investieren sie gewaltige Summen und können damit künftig weder aus der globalen ökonomischen Kapital- und Wertschöpfungskette noch aus den weitgespannten und vielerorts unverzichtbaren Netzen sozialer, ökologischer und wissenschaftlicher Verantwortlichkeiten mehr weggedacht werden. Vielmehr wandeln sie sich zu einflussreichen Akteuren, indem sie – etwa im Bereich der Wissenschaft – gemäß bestimmter thematischer Vorgaben Forschungsvorhaben initiieren, deren oft langjährige Durchführung sowie nachfolgende Publikationen finanzieren, Tagungen ausrichten, Preise und Stipendien vergeben und damit berufliche Karrieren prägen. Nicht zu vergessen, dass Stiftungen selbst zunehmend attraktive Arbeitgeber für Akademiker sind. Wissenschaftsfördernde Stiftungen mit all solchen Unterstützungsleistungen erweisen sich mittlerweile als inhärenter Bestandteil funktionierender nationaler und internationaler Strukturen. Diese sich verändernde Rolle gilt es funktional zu reflektieren – nicht zuletzt auch im Bereich der mit dieser Entwicklung einhergehenden verstärkten Wissenschaftskommunikation.

Organisiert im Bundesverband Deutscher Stiftungen trifft sich in regelmäßigen Abständen der Arbeitskreis Wissenschaft und Forschung. Er begreift es als seine Aufgabe, die wissenschaftsfördernden Stiftungen beziehungsweise ihre Vertreter zu vernetzen und dabei Fragen aus der Praxis sowie konkrete Herausforderungen des Stiftungsalltags zu erörtern. Darüber hinaus stellt dieser Arbeitskreis aber auch ein Forum dar, auf dem grundsätzliche Fragen der Forschungsförderung wie etwa die Ausrichtung von Förderstrategien, Standards von Auswahlverfahren und Kriterien der Projektevaluation, Möglichkeiten der (internationalen) Nachwuchsförderung oder hochschulpolitische Entwicklungen diskutiert werden. Schwerpunktthemen der letzten Jahre waren unter anderem, wie risikobereit Wissenschaftsförderung von Stiftungen sein sollte, welcher Regeln eine gute Förderpraxis bedarf oder welche Rolle die Disziplinen übergreifende Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in heute oft hochkomplexen Forschungsfeldern spielt.

Agieren Stiftungen damit selbst als Teil des Wissenschaftssystems, so sollten sie darlegen, welche Ziele sie verfolgen, mit welchen Mitteln sie diese Ziele verfolgen und welche ethischen beziehungsweise gesamtgesellschaftlichen Wertmaßstäbe sie ihrer Projektförderung zugrunde legen. Unter der Fragestellung „Die selbstlosen Stakeholder? Stiftungen als neue Akteure der Wissenschaft und der Wissenschaftskommunikation“ befragten Alexander Mäder und Johannes Schnurr vier Vertreter von Stiftungen, die in den letzten Jahren die Arbeitskreistreffen inhaltlich vorbereitet haben.

FormalPara AM und JS:

Welchen Stellenwert nimmt bzw. sollte Wissenschaftskommunikation bei den durch Stiftungen geförderten Vorhaben einnehmen? Genügt es, exzellente Wissenschaft zu identifizieren und diese zu finanzieren?

FormalPara Körber-Stiftung:

Die Frage, welchen Stellenwert Wissenschaftskommunikation bei der Förderung von Forschungsprojekten einnehmen sollte, würde ich mittelfristig gern überflüssig machen, indem ich für einen Begriff von Wissenschaft plädiere, zu dem die Dimension der Kommunikation immer schon dazugehört. Wissen, das nicht kommuniziert ist, ist keines. Erst indem ich sie teile, wird eine Einsicht zu Wissen. Und in demokratisch verfassten Gesellschaften genügt es eben nicht, die eigenen Erkenntnisse mit der jeweiligen Fachcommunity in Form von Vorträgen und Publikationen zu teilen, sondern es gibt auch eine Rechenschaftspflicht gegenüber der Gesellschaft als Ganzes. Klug ist, wer dieser nicht erst auf Nachfrage nachkommt – übrigens schon im Interesse der Selbsterhaltung. Stiftungen haben einen guten Hebel, um Wissenschaftskommunikation zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen: Sie müssen einfach ein entsprechendes Kriterium in ihre Förderrichtlinien aufnehmen oder eben diejenigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fördern, die Kommunikation ohnehin schon ganz selbstverständlich betreiben.

Darüber hinaus können und sollten Stiftungen natürlich auch noch mehr tun. Nicht selten sind sie ja in der Rolle einer vermittelnden Instanz zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen oder auch zwischen einer spezifischen Gruppe und der Öffentlichkeit, also beispielsweise der Wissenschaft und der Gesellschaft. Sie sind damit in einer idealen Position, selbst Aktivitäten zur Vermittlung von Wissenschaft oder besser noch zum Dialog von Wissenschaft und Gesellschaft zu entfalten. Die Formate dafür sind so zahlreich wie reizvoll und, was noch wichtiger ist, meist auch erfolgreich, weil man nämlich Stiftungen im Allgemeinen glaubt, nicht aus purem Eigeninteresse zu handeln, sondern im Dienste des Gemeinwohls unterwegs zu sein. Die Wissenschaftsinstitutionen selbst haben sich in den letzten Jahren erstaunlich professionalisiert, was ihre Kommunikationsaktivitäten angeht, verharren aber oft im Modus des einseitigen Sendens von Erfolgsmeldungen. Deshalb, so mein Rat, sollten sich Stiftungen der Herausforderung stellen, einen echten Dialog daraus zu machen, und das hieße vor allem zu überlegen, wie in der umgekehrten Richtung die Anliegen, Probleme und Fragen der Gesellschaft ihren Weg in das System Wissenschaft finden können.

FormalPara AM und JS:

Das Gewicht der Stiftungen als Wissenschaftsförderer wächst und damit verändert sich auch ihre Rolle als Wissenschaftskommunikatoren. Welche Chancen und welche Herausforderungen bringt dieser Prozess mit sich?

FormalPara VolkswagenStiftung:

Die VolkswagenStiftung stellt schon länger zusätzliche Mittel für die Wissenschaftskommunikation im Rahmen der von ihr geförderten Personen und Projekte zur Verfügung. Außerdem hat sie 2004 einen Studiengang zum Thema Wissenschaftsjournalismus gefördert und 2008 in der Förderinitiative „Evolutionsbiologie“ mit Blick auf die auch in Deutschland Fahrt aufnehmende Kreationismusdebatte einen „Ideenwettbewerb Evolution heute“ ausgelobt, um den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu stärken. Zu den originellen Ideen gehörte etwa eine entsprechend gestaltete Straßenbahn in Köln, die den Fahrgästen die Thematik sozusagen im Vorbeifahren nähergebracht hat.

Aber natürlich ist auch in der VolkswagenStiftung die Bedeutung von Wissenschaftskommunikation mit dem erodierenden Vertrauen der Gesellschaft in die Wissenschaft in den letzten Jahren noch einmal gestiegen. Wie viele Stiftungen sehen wir uns dabei als Mittlerin zwischen beiden Welten: Einerseits nehmen wir die Perspektive der Zivilgesellschaft und ihren berechtigten Anspruch auf eine transparente Vermittlung wissenschaftlicher Themen und Inhalte ein. Andererseits möchten wir das Verständnis für den Prozess des wissenschaftlichen Arbeitens selbst und auch die zuweilen weniger leicht vermittelbaren Themen der Grundlagenforschung stärken und damit letztlich auch helfen, das Vertrauen in Wissenschaft überhaupt (wieder) aufzubauen.

Die VolkswagenStiftung agiert dabei auf verschiedenen Bühnen: Neben eigenen Publikationen zum Thema nehmen wir in dem 2012 neu errichteten internationalen Tagungszentrum Schloss Herrenhausen in Hannover die Schnittstelle Wissenschaft – Gesellschaft direkt in den Blick und unterstützen den Transfer von Wissen in die Gesellschaft und den Dialog mit der Gesellschaft durch zahlreiche, selbst organisierte Veranstaltungen zu aktuellen und nicht selten kontroversen wissenschaftlichen Themen. Die Resonanz auf die verschiedenen Formate ist erfreulich groß. Nicht zuletzt durch ihre Unabhängigkeit gelingt es der Stiftung oft gut, widerstreitende Akteure und große Institutionen an einen Tisch zu bringen. Ein Beispiel hierfür ist eine große Veranstaltung zum Thema „Wissenschaft braucht Gesellschaft – Wie geht es weiter nach dem March for Science“ in Kooperation mit der Leopoldina, der Wochenzeitung DIE ZEIT und der Robert Bosch Stiftung im Oktober 2017. Darauf folgte dann ein Round-Table-Gespräch der großen privaten und öffentlichen Wissenschaftsförderer mit dem Ziel, gemeinsam konkrete Maßnahmen zur Stärkung von Wissenschaftsvermittlung zu vereinbaren. Zugegeben: Bei einem solch breiten Schulterschluss mahlen die Mühlen manchmal etwas langsamer, aber strukturelle Veränderungen brauchen zuweilen einen langen Atem.

Eine weitere Möglichkeit, das Thema voranzubringen, liegt in dem engen Kontakt der Stiftungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter zu den vielen geförderten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Sie können das Potenzial der jeweiligen Personen und Themen für Maßnahmen der Wissenschaftskommunikation sehr gut einschätzen und auch hier ganz gezielt motivieren. Die VolkswagenStiftung stellt hierfür in einem gesonderten Modul erhebliche zusätzliche Mittel für spannende Ideen zur Verfügung und lobt zuweilen auch eigene Ideenwettbewerbe aus (zuletzt zur Stärkung der sogenannten „Kleinen Fächer“).

Eine Herausforderung ist es jedoch, der fehlenden Motivation bzw. Incentivierung innerhalb des Wissenschaftssystems selbst entgegenzuwirken. Bei Berufungsverhandlungen zum Beispiel zählt es nur wenig, wenn sich jemand in der Wissenschaftskommunikation besonders engagiert hat. Da stehen nach wie vor in erster Linie die Forschung, eng verbunden mit Verfahren der Metrisierung und der quantifizierten Leistungsmessung, im Vordergrund. Um hier auf eine Änderung hinzuwirken und der Wissenschaftskommunikation (wie auch der Lehre) einen größeren Stellenwert in der wissenschaftlichen Leistungsbewertung zu verschaffen, ist der oben bereits erwähnte Schulterschluss mit anderen großen Wissenschaftsförderern essenziell.

FormalPara AM und JS:

Was machen Stiftungen bei der Wissenschaftsförderung anders als die staatlichen Institutionen? In welchen Bereichen sind sie eventuell leistungsfähiger und bei welchen Themen oder Aufgaben sollten sie sich lieber zurückhalten?

FormalPara Körber-Stiftung:

Wichtig ist mir zunächst einmal zu betonen, dass Stiftungen in der privilegierten Situation sind, eigensinnig sein zu dürfen. Sie müssen sich also nicht zwangsläufig den je gängigen staatlichen Förderungslogiken unterordnen und sie müssen ebenso wenig den gerade angesagten Förderungsmoden folgen. Warum also beispielsweise nicht den Begriff von der Exzellenz als Förderkriterium um den der Relevanz ergänzen! Und das wunderbare Recht auf Eigensinn besteht dann gerade darin, selbst entscheiden zu dürfen, was man für relevant halten will – was übrigens nicht heißt, man wäre in einer öffentlichen Debatte davon entbunden, für die eigenen Entscheidungen Gründe angeben zu müssen.

Was Stiftungen tun und meines Erachtens auch tun sollten, ist, ihre Vorteile auszuspielen. Sie können ganz einfach schneller, flexibler, unbürokratischer und risikobereiter sein, einerseits wegen ihrer inneren Verfasstheit, andererseits aber auch schlicht deshalb, weil sie nicht an komplizierte Regelwerke und Verfahren gebunden sind oder zumindest nur an die, die sie sich selbst gegeben haben. Wer wie ich Eigensinn für eine Tugend hält, sollte sich wohlweislich damit zurückhalten, einzelne Bereiche zur Förderung zu empfehlen. Viel wichtiger scheint mir ohnehin ein Plädoyer dafür, Haltungen einzunehmen und auch zu zeigen. Ein paar wichtige solcher Haltungen können wir als Stiftungen von der Wissenschaft selbst lernen: Offenheit, Neugier, Mut zum Risiko und auch die Einsicht, dass Fehler ein wertvoller Teil innovativer Prozesse sind. Das Wichtigste aber wäre mir, dass wir Stiftungen zu einer Wiedererstarkung einer Kultur des Vertrauens beitragen und der Wissenschaft ein wenig Erleichterung verschaffen würden von überhandnehmenden Berichts-, Kontroll- und Evaluationsregimes. Das klingt aktuell vielleicht fast schon wie ein Wunschtraum – umso wichtiger, dass wir Stiftungen uns diesen Luxus und Leichtsinn erlauben.

Und um mit dem Offenkundigen zu enden: Zurückhaltung scheint mir geboten bei allen Aufgaben der Grundfinanzierung oder beispielsweise auch bei der Bereitstellung großer Forschungsinfrastrukturen. Das macht im Grunde schon ein Blick auf die Zahlen deutlich: Deutschland gibt im Jahr etwas über 90 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung aus, etwa 27 Milliarden davon zahlen Bund und Länder, den überwiegenden Teil die Wirtschaft. Dagegen geben alle deutschen Stiftungen für alle ihre Satzungszwecke zusammengenommen etwas über 4 Milliarden Euro aus. Diese Dimensionen machen schon klar, dass wir nur sehr punktuelle Impulse geben, nicht aber für die Aufrechterhaltung des Gesamtsystems Verantwortung übernehmen können.

FormalPara AM und JS:

Journalisten folgen bei ihrer publizistischen Arbeit dem Pressekodex. Welchem Reglement sind Stiftungen bei ihrer Wissenschaftskommunikation unterworfen?

FormalPara Daimler und Benz Stiftung:

Journalisten und Stiftungen verfolgen in ihrer täglichen Arbeit unterschiedliche Ziele, woraus für ihre Berichterstattung und ihre Kommunikationsanliegen divergierende Aufgaben resultieren. In der Regel adressieren sie oft auch unterschiedliche Zielgruppen. So ist es beispielsweise nicht für jede Stiftung relevant, die Öffentlichkeit überhaupt über ihre Fördertätigkeit zu informieren. Viele Stiftungen beschränken sich auf die Erfüllung ihrer operativen Ziele und betreiben gar keine Öffentlichkeitsarbeit, sondern erfüllen lediglich ihre behördliche Berichtspflicht. Fokussieren wir jedoch den Bereich einer aktiv geführten Wissenschaftskommunikation und des gezielt gesuchten Austauschs mit der Gesellschaft, so ergeben sich sehr wohl Überschneidungen mit den Medien wie auch mit den Aufgaben von Institutionen und Personen aus Wissenschaft und Forschung (Wissenschaftlern, Mitarbeitern von Einrichtungen, Institutsleitern, Rektoren etc.). Wenn im Pressekodex für die Berichterstattung die „Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde“ oder die „Sorgfaltspflicht“ eingefordert werden, so sollte dies selbstverständlich auch für Stiftungen und ihre Kommunikationstätigkeit gelten. Es ist gewiss kein Zufall, dass in Artikel 5 des Grundgesetzes sowohl die Presse- und Meinungsfreiheit (Absatz 1) wie auch der Passus zu Kunst, Wissenschaft und Forschung (Absatz 3) räumlich eng zusammengefasst sind. Wenn es dort es lautet: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […]“ beziehungsweise „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“, so werden hier Bereiche benannt, für die eine ungehinderte Kommunikation essenziell ist und die, um ihr Funktionieren zu gewährleisten, in höchstem Maße vor Zensur geschützt werden müssen. Diesen im Grundgesetz formulierten Rechten und Freiheiten korrespondiert die publizistische Verantwortung, wissenschaftliche Ergebnisse in einem sachlich richtigen Zusammenhang wiederzugeben, Fakten nicht um erhöhter Aufmerksamkeit willen zu übertreiben sowie auf spezielle Risiken oder die Vorläufigkeit von Forschungsergebnissen angemessen hinzuweisen. Insbesondere auch bei der Vereinfachung und mitunter verkürzten Darstellung von Sachverhalten, etwa zum Zweck einer besseren Verständlichkeit, gilt es, gemäß dieser Grundsätze große Sorgfalt walten zu lassen. Die Bemühungen des Siggener Kreises, in seinen „Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR“ allgemeingültige Reglements zu formulieren, sind in diesem Zusammenhang wichtig und zu begrüßen. Dennoch sollte immer auch im Auge behalten werden, dass im Rahmen institutioneller Öffentlichkeitsarbeit das Ziel einer positiven Selbstdarstellung mitschwingt und von daher Journalismus und die Kommunikation von Stiftungen grundsätzlich als sich in ihrer Arbeitsweise unterscheidende Bereiche wahrzunehmen bleiben.

FormalPara AM und JS:

Weshalb fördern Stiftungen überhaupt Wissenschaft und Forschung? Ist dies nicht vielmehr eine hoheitliche Aufgabe, die Universitäten, Forschungsverbünden oder staatlich kontrollierten Forschungseinrichtungen obliegen sollte?

FormalPara VolkswagenStiftung:

Natürlich ist es das! Und sie sollte es auch bleiben. Leider erleben wir in den letzten Jahren durch den Trend zur wettbewerblichen Mittelvergabe eine Verschiebung des Verhältnisses zwischen einer soliden Grundfinanzierung der Hochschulen und der eigentlich als zusätzlich gedachten Einwerbung von Drittmitteln zugunsten eines immer höher steigenden Anteils der Drittmittel gegenüber den Grundmitteln. Das hat übrigens auch für fördernde Stiftungen unangenehme Nebenwirkungen: So schnellen z. B. die Antragszahlen in die Höhe und das Peer-Review-System droht zu implodieren – es wird immer schwieriger, einschlägig ausgewiesene Gutachterinnen oder Gutachter für eine qualitätssichernde Beurteilung der Anträge zu finden.

Die VolkswagenStiftung sieht sich als größte private Wissenschaftsförderin nicht in Konkurrenz, sondern komplementär zur öffentlichen Hand und muss dabei darauf achten, dass sie als Drittmittelgeberin nicht Teil des beschriebenen Problems wird. Ihr Ziel ist es, der Wissenschaft mit ihren Fördermitteln gezielte Impulse zu geben und nicht etwa dort einzuspringen, wo der Staat sich zurückzieht. Besondere Akzente setzt sie dabei etwa in der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, der Verbesserung der Ausbildungs- und Forschungsstrukturen in Deutschland, in neu aufkommenden Forschungsthemen – oft auch mit einem sehr interdisziplinären und internationalen Zuschnitt – oder in besonders risikobehafteten Forschungsprojekten. Hierfür sieht sich die Stiftung als unabhängige Förderin besonders prädestiniert: Wissenschaft beginnt mit Fragen oder Hypothesen, auf die man noch keine Antworten weiß. Die Stiftung sieht sich als vertrauensvoller Partner in diesem Forschungsprozess und ist ganz bewusst bereit, das Risiko eines „Scheiterns“ mitzutragen – wobei man hier betonen muss, dass es im eigentlichen Sinn kein „Scheitern“ ist, wenn sich z. B. eine Hypothese als nicht richtig erweist. Für die Wissenschaft ist auch dies ein wertvolles Ergebnis, das sich nur leider sehr viel schlechter publizieren lässt.

Ein weiterer Vorteil ist, dass Stiftungen meist schneller auf aktuelle Entwicklungen reagieren können als die großen öffentlichen Förderer. So können wir auch zuweilen neuen Themen den Weg bereiten oder strukturelle Veränderungen pilotartig erproben. Wenn alles optimal läuft, werden diese Impulse von öffentlichen Förderern aufgegriffen. Dann ziehen wir uns hier wieder zurück und haben Raum für Neues. Erfreulicherweise gibt es hierfür viele gelungene Beispiele.

FormalPara AM und JS:

Stiftungen folgen ihrem Satzungszweck. Sie bringen dabei einen bestimmten Stifterwillen zum Ausdruck oder sie tragen als Unternehmensstiftungen den Stifternamen hinaus in alle Welt. Wie selbstlos sind Stiftungen also, wie frei agieren sie als Stakeholder im Konzert der deutschen Wissenschaftsförderung?

FormalPara Daimler und Benz Stiftung:

Stiftungen können grundsätzlich so frei agieren, wie es ihre Satzung zulässt. Nicht zufällig lautet daher der erste Grundsatz der vom Bundesverband Deutscher Stiftungen verabschiedeten „Grundsätze guter Stiftungspraxis“: Stiftungsorgane, Stiftungsverwalter und -mitarbeiter „verstehen sich als Treuhänder des im Stiftungsgeschäft und in der Satzung formulierten Stifterwillens. Sie sind der Satzung verpflichtet und verwirklichen den Stiftungszweck nach bestem Wissen und Gewissen“.

Auch wenn dieser Grundsatz bedeutet, dass der in der Satzung formulierte Stifterwille Richtschnur allen Handelns sein muss, gibt es in der Praxis immer wieder Ermessensentscheidungen, wie dieser Stifterwille konkret umgesetzt werden soll. Deshalb besteht für jede Stiftung die Notwendigkeit, ein Leitbild auszuarbeiten, das die Rahmenbedingungen für ihr individuelles Agieren schafft. Dieses Leitbild wird in der Regel von den Stiftungsgremien entwickelt und definiert diejenigen Maßnahmen und Aktivitäten, durch die der Stifterwille umgesetzt werden kann.

Dabei sind angesichts begrenzter Ressourcen vielleicht gerade wissenschaftsfördernde Stiftungen – stärker noch als andere Stiftungen – gefordert, zu öffentlichen Strukturen parallele Förderprogramme zu vermeiden. Vielmehr sollten gerade sie die einer Stiftung innewohnende Möglichkeit nutzen, flexibel auf die gegebene oder erforderte Situation ausgerichtete bzw. komplementäre Angebote zu unterbreiten, die staatliche Förderorganisationen in dieser Form nicht bieten können, und dadurch unterstützend die deutsche Wissenschaftsförderung bereichern. Um ein Beispiel zu nennen: Nachdem die Daimler und Benz Stiftung erkannte, dass im Bereich der Promotionsförderung im Rahmen der Exzellenzinitiative zahlreiche neue Fördermöglichkeiten entstanden waren, stellte sie ihr Programm in diesem Bereich ein und legte zeitnah ein Förderprogramm für Juniorprofessoren und Postdoktoranden auf, da hier ein deutlich stärkerer Bedarf an Unterstützung bestand.

Dieses Stipendienprogramm soll jungen Wissenschaftlern nach ihrer Promotion den Start in eine unabhängige wissenschaftliche Karriere erleichtern. Finanziert werden allerdings nicht zusätzliche Stellen, vielmehr werden Wissenschaftler mit institutioneller Anbindung, deren Lebenshaltungskosten gedeckt sind, in die Lage gesetzt, Mittel, die von der jeweiligen Infrastruktur nicht angeboten werden, zu akquirieren und diese frei und nach eigenem Gutdünken einzusetzen.

Unternehmensstiftungen und mehr noch unternehmensverbundene Stiftungen stehen mitunter in der Kritik, dass zwar vordergründig gemeinnützige Zwecke verfolgt würden, ihre Fördertätigkeit aber tatsächlich wirtschaftlichen Unternehmensinteressen diene. Als Pauschalkritik ist dies nicht richtig, in der Tat jedoch erscheint gerade hier mehr denn je ein hohes Maß an Transparenz nötig. So kann bei kritisch bewerteten Maßnahmen der Forschungsförderung – wie etwa der Einrichtung von Stiftungsprofessuren oder der Förderung kompletter wissenschaftlicher Institute – die Offenlegung von Verträgen sinnvoll erscheinen, um solcher Kritik die Grundlage zu entziehen.

FormalPara AM und JS:

Welche Zielgruppen, welchen Adressatenkreis sollten Stiftungen mit ihrer Wissenschaftskommunikation ansprechen? Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich, welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft?

FormalPara Stiftung Mercator:

Die Umfrage unseres Arbeitskreises unter wissenschaftsfördernden Stiftungen in Deutschland im Jahr 2017 hat ergeben, dass zwei Drittel der Stiftungen es sich zur Aufgabe gemacht haben, die im Rahmen ihrer Förderung entstandenen wissenschaftlichen Resultate auch an Zielgruppen außerhalb der Wissenschaft zu vermitteln. Für die Frage, was genau in welcher Form an welche Zielgruppe vermittelt werden sollte, gibt es keine allgemeingültige Antwort. Förderanträge enthalten in ihrem Schlusskapitel häufig ein paar lapidare Aussagen zur Vermittlung der erwarteten Forschungsergebnisse an „die Öffentlichkeit“. Doch mit welcher Botschaft welche Zielgruppe auf welchem Wege angesprochen werden soll, bleibt meistens im Unklaren.

Hier kann und sollte die Stiftungsarbeit ansetzen. Denn der Dreiklang an Fragen hat es in sich: Bereits bei der Botschaft tun sich viele schwer. Wissenschaftler/-innen werden jahrelang darauf trainiert, genau zu differenzieren, auf feinste Unterschiede zu achten. Botschaften, die ankommen, erfordern aber in aller Regel Verkürzungen und Pauschalisierungen im Faktenbereich sowie eine gesellschaftspolitische Positionierung. Damit fühlen sich Wissenschaftler/-innen und Stiftungen oft nicht wohl. Wer sich aus dem Fenster lehnt, wird angreifbar. Wer, wie wir in der Stiftung Mercator, gesellschaftliche Wirkung erzielen will, braucht ein klares Profil. Denkbare Zielgruppen gibt es viele: Die einschlägige Scientific Community, Wissenschaftler/-innen aus anderen Fächern, Politik und Verwaltung, zivilgesellschaftliche Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, und das alles auf lokaler, regionaler, nationaler oder internationaler Ebene. Gehör findet man in diesen Gruppen weniger durch breit gestreute Pressemitteilungen, sondern eher durch individuelle Ansprache. Das ist aufwendig und erfordert gute Zugänge.

Wichtig ist, vom Empfänger her zu denken: Wer interessiert sich wirklich für ein bestimmtes Forschungsergebnis, hat die nötige Zeit, es aufzunehmen und idealerweise die Erkenntnisse in seine Arbeit zu integrieren? Hierfür ist eine Menge an Empathie erforderlich. Sowohl Wissenschaft als auch Stiftungen sind typischerweise selbstverliebt in ihre eigenen Themen und Projekte. Bisweilen hilft nur der Blick von unabhängigen Kommunikationsexperten, diesen Bias zu überwinden. Außerdem kann erschwerend hinzukommen, dass Wissenschafts- und Stiftungsseite nicht die gleichen Vorstellungen vom Kommunikationsziel und dem dafür zu betreibenden Aufwand haben. In der Stiftung Mercator finanzieren wir bei großen Förderprojekten eigene Kommunikationsstellen beim Projektpartner und entwickeln zu Projektbeginn gemeinsam eine eigenständige Kommunikationsstrategie. Das kostet, hilft aber, den Blick zu schärfen und ein gemeinsames Kommunikationsverständnis herzustellen.

FormalPara AM und JS:

Wenn Stiftungen in den nächsten Jahren, wie zu erwarten, ihre wissenschaftsfördernden und kommunikativen Tätigkeiten ausweiten – mittels welcher Kommunikationskanäle sollten sie dies Ihrer Einschätzung nach primär tun? Und wo besteht in Zukunft besonderer Handlungsbedarf?

FormalPara Stiftung Mercator:

In unserer Umfrage 2017 haben wir auch nach den Vermittlungsinstrumenten gefragt, die die wissenschaftsfördernden Stiftungen nutzen. Hauptinstrument sind mit weitem Abstand Veranstaltungen (62 Prozent). Daneben werden vor allem soziale Medien genutzt (29 Prozent) und Fortbildungen finanziert, in denen Wissenschaftler/-innen lernen, wie sie ihre Forschungsergebnisse besser an andere gesellschaftliche Gruppen vermitteln können (27 Prozent). Zudem legen 62 Prozent der Stiftungen explizit Wert darauf, dass Forschungsergebnisse möglichst so veröffentlicht werden, dass sie für jedermann digital kostenlos zugänglich sind („Open Access“). Damit bedienen Stiftungen schon jetzt die richtigen Kanäle. Ausgebaut werden sollten auf jeden Fall die Kommunikationswege, die mit den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung einhergehen.

Entscheidend wird es aber darauf ankommen, dass auch aufseiten der Wissenschaft ein Kulturwandel stattfindet. Eine aktuelle Umfrage des Karlsruher Instituts für Technologie unter internationalen Nachwuchswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen zeigt, dass in Deutschland tätige Wissenschaftler/-innen signifikant weniger Wert auf externe Wissenschaftskommunikation, insbesondere in sozialen Netzwerken und auf öffentlichen Podiumsdiskussionen, sowie über allgemeinverständliche Vorträge legen als ihre Kollegen/-innen in anderen Ländern. Zudem werden deutlich weniger Ausbildungsangebote bereitgestellt und genutzt, die auf die Kommunikation mit Zielgruppen von Nicht-Spezialisten vorbereiten. Das liegt vor allem daran, dass Karrieren in der Wissenschaft in erster Linie über Forschungsleistungen gemacht werden – und die Kommunikation dieser Forschung gehört offensichtlich nicht dazu.

Es wäre schön, wenn die staatlichen Wissenschaftsorganisationen diese Schieflage über die Anpassung der finanziellen Anreizsysteme (insbesondere der verbindlichen Gehalts- und Berufungskriterien) korrigieren könnten. Wissenschaft muss ganzheitlich gedacht werden. Wie mein Kollege bereits zu Beginn des Interviews gesagt hat: „Wissen, das nicht kommuniziert wird, ist keines.“ Es ist ein Generationenprojekt, hier für einen Kultur- und Akzeptanzwandel zu sorgen. Eine Wissenschaftsgesellschaft wie Deutschland kann es sich einfach nicht leisten, dass ein Phänomen wie „alternative Fakten“ zum Unwort des Jahres wird. Wissenschaft und Stiftungen müssen daher ihre kommunikativen Anstrengungen in Zukunft deutlich steigern, um diesem Trend zu begegnen.

FormalPara Jörg Klein,

ist seit 1999 als Geschäftsführer der Daimler und Benz Stiftung in Ladenburg tätig. Zuvor promovierte der studierte Chemiker an der Universität Bonn im Fach Zoologie/Molekularbiologie. Er forschte und lehrte mehrere Jahre an Universitäten in den USA sowie den Niederlanden und arbeitete anschließend als Referent bzw. stellvertretender Geschäftsführer der Leibniz-Gemeinschaft in Bonn.

Matthias Mayer, geboren 1962 in Ludwigshafen am Rhein, leitet seit 2008 den Bereich Wissenschaft der Körber-Stiftung. Er studierte Philosophie, Germanistik, Politik und Pädagogik an der Universität Konstanz und der Freien Universität Berlin und war Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Nach parallelem Magister und Staatsexamen arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Philosophie an der Universität Konstanz. Seit 1996 ist er bei der Körber-Stiftung tätig, zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann als Projektleiter des Deutschen Studienpreises. 2008 übernahm er die Gesamtleitung des Bereichs Wissenschaft der Stiftung. Er ist Mitglied des MINT-Forschungsrates Hamburg und war als Gutachter u. a. für das BMBF und bei der Studiengangsakkreditierung tätig.

Cornelia Soetbeer, studierte Germanistik und Romanistik in Kiel und promovierte hier als Stipendiatin des Graduiertenkollegs „Imaginatio borealis – Perzeption, Rezeption und Konstruktion des Nordens“. Anschließend war sie als Wissenschaftliche Referentin bei der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung in Essen tätig und zuständig für die Satzungsbereiche „Wissenschaft in Forschung und Lehre“ sowie „Sport“. Von 2011 bis Mitte 2019 war sie Mitglied des Leitungsteams Förderung der VolkswagenStiftung und leitete hier das Förderteam „Herausforderungen – für Wissenschaft und Gesellschaft“. Seit Juli 2019 leitet sie die Abteilung Umweltkommunikation und Kulturgüterschutz der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Cornelia Soetbeer ist Mitglied im Internationalen Beirat der Fondation Maison Suger in Paris und der Steering Group des EFC Research Forum (2014–2019).

Felix Streiter, hat Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Bayreuth, Genf, Freiburg und Duke (USA) studiert und über „Wissenschaftsförderung durch Mittlerorganisationen“ promoviert. Von 2003 bis 2008 war er Referatsleiter in der Alexander von Humboldt-Stiftung. Seit 2008 arbeitet er für die Stiftung Mercator, seit 2014 leitet er dort den Bereich Wissenschaft.