Darf man Wissenschaftsjournalisten vertrauen, wenn sie nicht vom Fach sind? Können sie sich in kurzer Zeit tief genug in ein wissenschaftliches Thema einarbeiten? Diese Fragen sind berechtigt, denn nur wenige Redaktionen verlangen einen Hochschulabschluss in der Disziplin, über die der Journalist berichtet. Mir hat das den Berufsstart als Wissenschaftsjournalist erleichtert, denn ich habe im Magister-Hauptfach Philosophie studiert. Trotzdem durfte ich über Raumsonden und Teilchenbeschleuniger schreiben, auch über das Genome Editing und den Klimawandel. Wie stellen Redaktionen in solchen Fällen sicher, dass die Fakten stimmen? Und was tragen Autoren wie ich zur Qualitätssicherung bei?

Sauber zu recherchieren reicht nicht, denn weder die Redaktion noch das Publikum können dem Manuskript seine Faktentreue ansehen. Wenn die Quellen präzise benannt werden, damit zweifelnde Leser die Thesen leicht überprüfen können, spricht das zwar für eine gründliche Recherche. Besser ist es jedoch, die Angaben vor der Veröffentlichung noch einmal zu kontrollieren – und ich glaube, dass die meisten Leser einen solchen Faktencheck erwarten. Der Spiegel und einige andere Magazine betreiben große Verifikationsabteilungen, die in jeder Ausgabe zahlreiche sachliche Fehler aus den Texten fischen. Doch selbst die Faktenprüfer beim Spiegel gaben im Dezember 2018 bekannt, einem Betrüger aus der Redaktion aufgesessen zu sein. Sie waren nicht darauf vorbereitet, dass ein Reporter Gesprächspartner und Interviews erfindet, und sind den vermeintlichen Zitaten daher nicht routinemäßig nachgegangen.

Doch über die interne Kontrolle wird in der Öffentlichkeit selten gesprochen, Journalisten bleiben hier seltsamerweise intransparent. Das mag daran liegen, dass viele Redaktionen das Überprüfen der Fakten an die Autoren ausgelagert haben und nur nachrecherchieren, wenn beim Redigieren Unstimmigkeiten auffallen. Im Wissenschaftsjournalismus gibt es einen weiteren Grund für die Verschwiegenheit, denn das Gespräch käme schnell auf eine verbreitete Praxis, die vielen Journalisten unangenehm ist: Sie schicken ihre Beiträge manchmal vor der Veröffentlichung an die Wissenschaftler, um deren Arbeit es im Beitrag geht. Die Forscher sollen dann dafür sorgen, dass auch die fachlichen Details richtig wiedergegeben werden.

Diese Art des Faktenchecks ist ein Spezialfall und vermutlich auf den Wissenschaftsjournalismus beschränkt, denn das Verfahren wird damit begründet, dass sich Journalisten nicht in jedem Fachgebiet der Wissenschaft auskennen. Im Print- und Onlinejournalismus, in dem ich zu Hause bin, wird diese Korrekturpraxis „Gegenlesen“ genannt. Wissenschaftler und ihre Pressesprecher bieten diesen Service nach einem Interview manchmal an – dass sie ihn einfordern oder gar zur Bedingung für ein Gespräch machen, kommt nur selten vor. Ich lehne diese Angebote immer ab und höre dann gelegentlich, dass meine Kollegen damit kein Problem hätten. Aus solchen Erlebnissen und zahlreichen kollegialen Gesprächen habe ich über die Jahre den Eindruck gewonnen, dass ein beträchtlicher Teil der wissenschaftsjournalistischen Artikel gegengelesen wird. In diesem Beitrag will ich mich gegen diese Art der Qualitätskontrolle wenden.

Die bisherige Debatte

Soweit ich weiß, erfüllen Wissenschaftler die Aufgabe des Gegenlesens mit Sorgfalt. Ein Klimaforscher würde zum Beispiel anmerken, dass der Artikel die Zuverlässigkeit des vorhergesagten Temperaturanstiegs übertreibt. Er würde erklären, dass er mehrere Szenarien simuliert hat, die auf unterschiedlichen Annahmen beruhen, über deren Wahrheitsgehalt er nicht urteilen möchte. Der Journalist hat dann die Chance, die Aussagen zum bevorstehenden Klimawandel weniger deterministisch zu formulieren und zu betonen, wie viel von den politischen Entscheidungen abhängt.

Die tonangebenden Instanzen im Wissenschaftsjournalismus verurteilen diese Praxis jedoch seit Jahren, weil sie sich nicht mit der gebotenen Unabhängigkeit vertrage: Journalisten sollen kontrollieren, nicht kooperieren. Schon der Verdacht, dass der Wissenschaftler beim Gegenlesen seine Meinung in den Artikel hineinredigiert haben könnte, schade der Glaubwürdigkeit. Man müsse sich nur vorstellen, ein Politikredakteur schicke seine Beiträge vor der Veröffentlichung ans Bundespresseamt! Dieser Vergleich mit dem Politikjournalismus wird häufig bemüht und er verdankt sich dem Wunsch vieler Wissenschaftsjournalisten, in der Redaktion zu einem gleichwertigen Ressort zu avancieren: Wissenschaftsjournalismus ist Journalismus, der über Wissenschaft berichtet, so lautet die Devise. Für ihn sollten daher dieselben Standards gelten wie für andere Themengebiete. Den Faktencheck müssen die Redaktionen anders hinbekommen.

Den Kritikern halten einige Kollegen entgegen, dass es beim Gegenlesen nur um die technischen Details gehe: Diese randständigen Fakten kontrollieren zu lassen, sei ethisch unproblematisch – und dass die Details stimmen, trage wiederum zur Glaubwürdigkeit bei. Als Journalist behalte man die Kontrolle über seinen Text, nutze aber die Möglichkeit eines zusätzlichen kostenlosen Faktenchecks, der einen schon vor mancher Peinlichkeit bewahrt habe. Der Wissenschaftsjournalismus sei eben doch keine normale Spielart des Journalismus: Nur hier habe man es jeden zweiten Tag mit einem neuartigen Thema zu tun, von dem man bisher nichts wusste. Das nötige fachliche Detailwissen könne man nicht in so kurzer Zeit erwerben.

Eine vorschnelle Antwort

Es lohnt sich, genauer zu fragen, was die unvergleichliche Vielfalt der Wissenschaft ausmacht. Dazu unterscheide ich drei Arten von Themen. Der Wissenschaftsjournalismus spricht erstens gesellschaftlich relevante Themen an: Er berichtet beispielsweise über den Datenschutz, die zunehmenden Fehltage wegen Depressionen und die Möglichkeiten der genetischen Diagnostik. Andere Themen dagegen hängen zwar nicht mit drängenden gesellschaftlichen Fragen zusammen, erfüllen aber eine tiefe menschliche Neugier: In diese zweite Kategorie fallen etwa interplanetare Missionen, Archäologie und die Teilchenbeschleuniger.

Das Themenspektrum ist mit diesen beiden Bereichen aber noch nicht erkennbar breiter als das des Politikjournalismus, der ebenfalls ein breites Feld abzudecken hat und sich mit den sozialen Sicherungssystemen ebenso befassen muss wie mit den Maßnahmen zur Terrorbekämpfung. Erst eine dritte Kategorie macht den Wissenschaftsjournalismus wirklich vielfältig: Es sind die ausufernd vielen Studien, die den kleinteiligen wissenschaftlichen Fortschritt widerspiegeln. Sei es etwa über eine medizinische Therapie, die einer kleinen Patientengruppe geholfen hat, oder über einen neuen Werkstoff, der die Speicherfähigkeit von Batterien zu verbessern verspricht.

Hinter solchen Studien stecken meist mehrere Jahre Arbeit und die journalistischen Berichte darüber geben einen Einblick in die Werkstatt der Wissenschaft. Doch zugleich befördern sie das Bild eines Forschungsprozesses, der von einem Erfolg zum nächsten eilt. Ob sich die Aussagen später bestätigen lassen, liegt außerhalb des journalistischen Blicks. Im Wissenschaftsjournalismus spricht man vom „Einzelstudiensyndrom“, weil zuweilen sogar der Aufwand gescheut wird, die neuen Studien in ihren Forschungskontext einzubetten.

Das Gegenlesen wird vor allem für diese dritte Art der Berichterstattung genutzt, und ich teile die kritische Sicht darauf. Eine Zeit lang habe ich meine Position sogar recht scharf formuliert: Im Zweifelsfall ist die Unabhängigkeit wichtiger als die Richtigkeit; denn es ist einfacher, einen Fehler zu korrigieren, als skeptische Leser davon zu überzeugen, dass der Forscher beim Gegenlesen nicht den Tenor des Beitrags verändert hat. Doch es wirkt immer etwas übertrieben, einzelne Prinzipien über alles andere zu stellen, und ich glaube inzwischen sogar, dass ich damit nicht den entscheidenden Punkt getroffen habe.

Auch der Vergleich zwischen Wissenschafts- und Politikjournalismus darf nicht überstrapaziert werden, denn Wissenschaftler sind keine Politiker. Im öffentlichen Diskurs beraten sie eher, als dass sie gestalten, und sie werden an der Zuverlässigkeit ihrer Aussagen gemessen und weniger an ihren Führungsqualitäten. Einen Artikel von einem Wissenschaftler gegenlesen zu lassen wirkt daher weniger anstößig, als einen Artikel vorab ans Bundespresseamt zu schicken. Ich vermute, dass die Leser den Forschern beim Gegenlesen von Artikeln eine hohe Integrität zugestehen. Sicher vertrauen manche Leser dieser Art von Faktencheck sogar mehr als der journalistischen Recherche.

Gelenkte Themenauswahl

Um meine Kritik am Gegenlesen besser zu begründen, möchte ich sogar noch einen weiteren Unterschied zwischen Politikern und Wissenschaftlern herausstellen: Politiker müssen sich gegenüber ihren Wählern verantworten und können ihr Mandat verlieren, Wissenschaftler sind hingegen ziemlich frei in der Wahl ihrer Forschungsfragen und Methoden. Das hat für den Journalismus eine wichtige Konsequenz: Politikjournalisten können im Namen ihrer Leser Themen auf die öffentliche Agenda setzen, während Wissenschaftsjournalisten ihre Themen oft aus der Fülle der wissenschaftlichen Erkenntnisse auswählen.

Das Auswahlverfahren hat sich im Wissenschaftsjournalismus fest etabliert: Die wichtigen Fachjournale schicken akkreditierten Wissenschaftsjournalisten vorab die Studien ihrer kommenden Ausgabe, oft ergänzt um eine allgemeinverständliche Beschreibung, einige Zitate der beteiligten Forscher und passende Bilder. Hier bedienen sich Wissenschaftsjournalisten – und die Berichte, die daraus entstehen, machen einen guten Teil des wissenschaftsjournalistischen Angebots aus. Dieses System liefert immer wieder überraschende Ergebnisse aus kaum bekannten Themengebieten, in die sich der Journalist schnell einarbeiten muss. Er präsentiert dann idealerweise nicht nur das Fazit der Wissenschaftler, sondern vollzieht in seinem Beitrag nach, wie es zustande kam. Dazu ist es nötig, die Methoden und die empirischen Ergebnisse im Detail darzustellen, denn nur dann lässt sich abschätzen, wie gut die Schlussfolgerungen der Forscher begründet sind. Und genau diese technischen Details im journalistischen Beitrag soll der Forscher anschließend auf sachliche Richtigkeit prüfen.

Dieses System fördert also die Praxis des Gegenlesens; und man kann sich fragen, warum Wissenschaftsjournalisten ihren Lesern Einzelheiten aus wissenschaftlichen Studien zumuten, die sie selbst nicht wichtig genug finden, um für deren Richtigkeit geradezustehen. Sie leiten in solchen Fällen im Grunde nur an die Leser weiter, was ihnen die Forscher sagen. Sie machen Studien nachvollziehbar, ohne diese selbst nachzuvollziehen. Daher kann man daran zweifeln, dass Wissenschaftsjournalisten die richtigen Studien für ihre Berichterstattung auswählen, wenn diese nicht interessant genug sind für eine gründliche Auseinandersetzung.

Doch ich möchte auf einen anderen Punkt hinaus: Es verträgt sich nicht mit der journalistischen Unabhängigkeit, sich auf eine Themenauswahl zu beschränken, die von der Wissenschaft vorgegeben wird, auch wenn das subtil geschieht wie bei den Vorankündigungen der Fachjournale. Um nicht unter Verdacht zu geraten, Pressearbeit für die Wissenschaft zu machen, sollten Wissenschaftsjournalisten die Themen – im Namen der Leser – stärker selbst setzen, wie es Politikjournalisten oft tun.

Journalistische Unabhängigkeit

Die Unabhängigkeit, von der ich oben sprach, wirkte dürftig, weil sie nur einen Aspekt herausgriff: dass Wissenschaftler nicht in die Artikel hineinredigieren dürfen. Doch Unabhängigkeit erschöpft sich nicht darin, dass man seinen Gesprächspartnern das Gegenlesen verweigert und sie so im Unklaren lässt, was man über ihre Forschung schreiben wird. Unabhängigkeit bedeutet auch, dass der Journalist bei der Themenwahl seinem eigenen Urteil folgt. Daher bringt es den Wissenschaftsjournalismus nicht weiter, wenn das Gegenlesen geächtet wird, solange die Wissenschaft auf anderem Weg Einfluss auf die Berichterstattung nimmt: Sie legt in einem stärkeren Maße die journalistische Agenda fest, als es Politiker können.

Doch die dritte Themenkategorie ist ja (wie oben dargelegt) nicht die einzige, mit der sich Wissenschaftsjournalisten befassen. Sie berichten auch über gesellschaftlich relevante Themen und solche, die sich aus der menschlichen Neugier speisen. In diesen beiden Fällen dürfte der Anreiz größer sein, sich in das Thema einzuarbeiten. Denn man hat es mit Fragen zu tun, die aus der Gesellschaft kommen, aus ihren politischen Debatten oder ihrer Selbstvergewisserung, und die sich typischerweise nicht durch ein Experteninterview oder eine wissenschaftliche Studie endgültig beantworten lassen. Diese Fragen sind daher nicht mit einem journalistischen Beitrag wirklich erledigt. Hier ist der Wissenschaftsjournalist in derselben Lage, in der sich Politikjournalisten befinden: Er darf sich gründlicher einarbeiten, weil er sein Wissen gleich für mehrere Artikel nutzen kann, anstatt von einer interessanten Studie zur nächsten zu springen.

Ein Klimajournalist könnte zum Beispiel der Frage nachgehen, was die Gesellschaft aus den Szenarien der Klimaforscher lernen soll. Dass es schlimm kommen kann, wenn wir nichts tun, wissen wir. Doch mit welchen Hebeln beeinflusst man das Klima am stärksten? Und wie müssten die Maßnahmen zum Klimaschutz ineinandergreifen, um den Temperaturanstieg effektiv zu begrenzen? Hier lohnt sich ein genauer Blick auf die Szenarien und die Methode der Computersimulationen, um zu verstehen, welche Schlüsse man daraus ziehen kann. Diese allgemeinen Erkenntnisse lassen sich dann mit den Erfahrungen aus konkreten Klimaschutzprojekten verknüpfen. Auf die neueste Abschätzung, wie stark die Temperatur von den Treibhausgasen abhängt, darf der Klimajournalist hingegen auch einmal verzichten, weil sie nur einen kleinen Beitrag zu einem bereits umfangreichen Forschungskorpus darstellt.

Mein Appell lautet also, sich stärker auf die ersten beiden Themenkategorien zu konzentrieren und in diesen Gebieten fachliche Expertise aufzubauen. Das würde den Wissenschaftsjournalismus bereichern und seine Chance erhöhen, zu einem normalen Ressort zu avancieren. Der Fokus auf Einzelstudien steht dem jedoch entgegen; der Wissenschaftsjournalismus ist zu bunt. Zum einen reichen die redaktionellen Ressourcen oft nicht, um eine isolierte Studie gründlich zu recherchieren, sodass sich Journalisten gezwungen sehen, Wissenschaftler zum Gegenlesen zu bitten, obwohl sie damit den Verdacht der Einflussnahme heraufbeschwören. Zum anderen zeichnen die Berichte über Einzelstudien ein unrealistisches Bild der Wissenschaft: eins der ständigen Erfolge und des kontinuierlichen Fortschritts. Die nötige Reflexion über die wissenschaftlichen Erkenntnisse wird dadurch nicht gestärkt.

Alternativen zum Gegenlesen

Meine Schwierigkeit mit dem Gegenlesen liegt also weniger darin, dass Journalisten die technischen Details richtig hinbekommen wollen, sondern hat vielmehr damit zu tun, dass die Kollegen darüber manchmal die Frage vernachlässigen, was uns die wissenschaftlichen Erkenntnisse eigentlich sagen sollen. Diese Frage ist nicht schon damit beantwortet, dass man das Ziel der Forschungsrichtung benennt: den Krebs heilen, die Elektromobilität fördern oder den Klimaschutz voranbringen. Sie zielt vielmehr darauf ab, was die Gesellschaft mit der neuen Erkenntnis anfangen soll. In den wenigsten Fällen dürfte eine einzelne Studie ausreichen, um ein Umdenken zu fordern. Relevant werden wissenschaftliche Studien oft erst in der Gesamtschau – und diese Gesamtschau ist nicht unbedingt in einem einzelnen Beitrag zu leisten. Ich wünsche mir daher einen Wissenschaftsjournalismus, der ausgewählte Studien umfassend und über einen längeren Zeitraum auswertet.

Dazu gehört natürlich weiterhin die Auseinandersetzung mit den technischen Details, weil geprüft werden muss, auf welchem empirischen Fundament die wissenschaftlichen Schlussfolgerungen stehen. Doch diese Auseinandersetzung geht über das bloße Erwähnen der Details hinaus. Vielmehr wird für die Leser nachvollziehbar abgeschätzt, wie angemessen und zuverlässig die Methode ist. Hier sind die Urteile der Fachkollegen wichtiger als das Gegenlesen durch den Autor der Studie – und die Kommentare seiner Kollegen würde man sicher nicht dem Autor zum Gegenlesen vorlegen.

Es zeigt sich also, dass Fachkompetenz nicht alles ist im Wissenschaftsjournalismus. Auch diese Spielart des Journalismus ist in erster Linie dem gesellschaftlichen Diskurs verpflichtet. Daher fühle ich mich durch mein Philosophiestudium sogar ganz ordentlich auf diesen Beruf vorbereitet.

Doch welche Alternativen hat eine Redaktion, um wissenschaftsjournalistische Beiträge zu überprüfen? Ich möchte zum Schluss zwei Möglichkeiten vorstellen, die das gegenwärtige Verfahren des Gegenlesens ersetzen könnten: zum einen das Gegenlesen durch unbeteiligte Wissenschaftler und zum anderen das Autorisieren von Gesprächsprotokollen. Beide Varianten der Qualitätskontrolle könnten helfen, die Probleme der aktuellen Praxis zu vermeiden, werden aber meines Wissens bisher kaum eingesetzt.

Das erste Verfahren, das Gegenlesen durch unbeteiligte Forscher, würde ein neues System der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Medien erfordern. Wissenschaftler sind es nicht gewohnt, journalistische Beiträge zu prüfen, in denen sie nicht vorkommen. Üblicherweise möchten sie eine neue Studie kommentieren, wenn man sie darauf anspricht. Und die Leser sind es nicht gewohnt, dass unter einem Artikel der Name eines Wissenschaftlers als Faktenchecker genannt wird. Möglicherweise werten sie es als Eingeständnis journalistischer Unfähigkeit. Aber spricht das grundsätzlich dagegen, es einmal auszuprobieren?

Gerade bei Forschern aus den Geistes- und Sozialwissenschaften könnte sich das Gegenlesen lohnen, weil deren Expertise im Wissenschaftsjournalismus deutlich seltener abgefragt wird als die der Naturwissenschaftler. Ihr Fokus läge dann zwar nicht auf den technischen Details der empirischen Methoden, sondern vielmehr auf dem Umgang mit den Resultaten. In Klimaberichten könnten sie zum Beispiel darauf hinweisen, welche Assoziationen durch die Wortwahl und die Gestaltung der Schaubilder geweckt werden. Und sie würden fragen, wer die geforderten Maßnahmen zum Klimaschutz beschließen und umsetzen könnte und warum eine Kompromissbildung so schwierig zu sein scheint.

Das zweite Verfahren kann ich hingegen als praktikabel empfehlen, denn ich setze es seit Jahren ein: Ich schicke dem Wissenschaftler nach einem Interview ein thematisch gegliedertes Protokoll mit wörtlichen Aussagen und einigen weiteren Angaben, das er korrigieren, kommentieren und ergänzen darf. Die autorisierten Protokolle zählen zum Material, aus dem ich meinen Bericht erstelle. Damit hat mein Gesprächspartner hoffentlich ein besseres Gefühl, weil er sieht, dass ich ihn verstanden habe, und ich sitze beim Schreiben meines Artikels nicht vor einem Berg unaufbereiteter Notizen. Nicht zuletzt erleichtert ein solches Protokoll einer Verifikationsabteilung das Überprüfen meiner Quellen. Leider wurde ich bisher nur selten darum gebeten, meine Protokolle einzureichen.