Ausgangslage in der Landwirtschaft

Qualifizierte und motivierte Mitarbeiter sind gerade in der Landwirtschaft ausschlaggebend für die Effizienz und Qualität der ausgeführten Prozesse. Dies hängt zum einen mit einer sehr dynamischen Umgebung zusammen, die immer wieder unterschiedlichste Randbedingungen vorweist. Zum anderen finden viele Prozesse außerhalb des Hofes und somit ohne den direkten Zugriff des Betriebsleiters statt. Daher haben die Mitarbeiter im Gegensatz zu Arbeitnehmern in anderen Branchen oftmals einen hohen Freiheitsgrad in der Entscheidung, wie ein Prozess durchzuführen ist. Dies setzt eine hohe Eigenverantwortung, Qualifikation und Erfahrung voraus.

Es zeigt sich aber, dass weltweit zu wenig qualifiziertes Personal vorhanden ist, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Dies hängt regional mit der Attraktivität von Städten und zeitlich mit den z. T. hohen Leistungsspitzen gerade in der Erntezeit zusammen.

Weiterhin werden landwirtschaftliche Prozesse immer anspruchsvoller und komplexer. Auflagen bzgl. Umweltschutz, Nachweispflichten aber auch Lieferantenbeziehungen zu den Abnehmern werden immer aufwendiger. Dies stellt auch immer höhere Anforderungen an die Mitarbeiter.

Daher ist es erforderlich zum einen geringer qualifiziertes Personal durch intelligente Systeme so unterstützen, so dass auch diese die Prozesse adäquat ausführen können. Zum anderen kann ein besser technisierter Arbeitsplatz für höher qualifizierte Mitarbeiter attraktiv sein.

Eine effiziente Ausführung des Gesamtprozesses steht immer mehr im Vordergrund, da das Einsparpotenzial bzgl. Investitionen, Betriebsstoffen, Dünger, Pflanzenschutzmitteln usw. viel schwerer wiegt als Personalkosten. So fallen im Getreideernteprozess lediglich ca. 15 % auf die Personalkosten, die übrigen 85 % ergeben sich durch die Abschreibungen, Betriebsmittel und Reparaturen. Zudem korrelieren die erzielbaren Erlöse stark mit Qualität des geernteten Gutes. Hier können schon kleine Fehler in der Prozessdurchführung zu großen Einbußen führen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Boden ein Gedächtnis hat. D. h. einmal gemachte Fehler fallen ggf. erst spät auf und können sich über Jahre auswirken.

Somit ist es für einen landwirtschaftlichen Unternehmer essentiell, dass die immer komplexer werdenden Prozesse qualifiziert und auch korrekt dokumentiert ausgeführt werden. Genau hier erscheint der Ansatz der Industrie 4.0 mit der Einführung von Verfahren der Selbstoptimierung, Selbstkonfiguration, Selbstdiagnose und Kognition sehr vielversprechend.

Paradigmen für eine erfolgreiche Implementierung von Industrie 4.0

Um die Chancen der vierten industriellen Revolution nicht zu verspielen, sind insbesondere in der Landtechnik verschiedene Paradigmen bewusst zu beachten und auch zu kommunizieren. Dies ist erforderlich, da der Mensch in dieser Veränderung eine wichtige Rolle spielt und diese nur mit den beteiligten Menschen gelingen kann und nicht gegen sie.

Zum einen muss bei Analyse, Entwurf und Implementierung von Industrie-4.0-Systemen der Mensch als wichtiger Prozessteilnehmer im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Nur wenn das System mit seiner hohen Komplexität und vielen Schnittstellen durch die beteiligten Menschen verstanden und bedient werden kann und die Menschen entlastet und befähigt werden bessere Prozessleistungen zu erzielen, ist eine Akzeptanz möglich. Als Beispiel sei hier ein autonomes Planungssystem für selbstfahrende Erntemaschinen genannt. Durch die höhere Vernetzung der Maschinen im Prozess stehen allen Prozessbeteiligten viel mehr Informationen zur Verfügung. Diese können z. T. automatisiert verarbeitet werden. Es wird aber immer wieder Situationen geben, in denen das autonome System an Grenzen stößt. Dann ist der Mensch einzubinden, um bspw. manuell zu steuern oder eine Entscheidung zu treffen, die das System alleine nicht treffen kann. Wenn dies nicht genau abgestimmt erfolgt und der Mensch nicht die passenden Informationen ausreichend schnell erhält wird das System scheitern.

Zweitens darf ein solches System nicht zur Überwachung genutzt werden und es darf auch nicht der Eindruck entstehen, dass es hierfür genutzt werden soll. Vielmehr muss der Vorteil der Vernetzung durch eine verbesserte Kooperation aller Prozessbeteiligter schon im Systemdesign berücksichtigt und auch klar kommuniziert werden. So sollte immer klar dargestellt werden, welche Daten zu welchem Zweck ausgetauscht werden und auch nur Daten versandt werden, die der Steigerung der Prozessleistung und Qualität dienen. Weiterhin sollte möglichst Gleichberechtigung bzgl. Anzeige von Prozesszuständen gegeben sein, d. h. derjenige Prozesspartner, der Daten bereitstellt, kann auch die Daten der anderen Partner einsehen. So kann vermieden werden, dass sich Mitarbeiter beobachtet fühlen und so ggf. versuchen „Überwachungsfunktionen“ zu sabotieren und dadurch wichtige Informationen, die zur Prozesssteuerung benötigt werden, nicht vorliegen.

Drittens muss klar dargestellt werden, dass Industrie 4.0 nicht das Weg-Rationalisieren von Mitarbeitern bedeutet. Vielmehr muss klar sein, dass durch den unten aufgeführten Nutzen Wettbewerbsvorteile und Effizienzpotenziale gehoben werden können. Dies führt zum einen zu einer besseren Wettbewerbsposition, zum anderen aber auch dazu, dass Mitarbeiter besser qualifiziert werden müssen, um die Systeme zu betreuen. Dies führt zu einer engeren Bindung zwischen Mitarbeiter und Unternehmen.

Möglicher Nutzen

Werden die oben genannten Paradigmen bei der Implementierung der Industrie 4.0 in der Landwirtschaft beachtet, so ergibt sich ein vielfältiger Nutzen. Ganz allgemein kann davon ausgegangen werden, dass der Mensch bei seiner Arbeit unterstützt wird und die Qualität der Arbeit steigt.

Die Mitarbeiter erhalten mehr Überblick über den Gesamtprozess, sie verstehen besser, warum sie etwas tun, und warum es wichtig ist, den Prozess wie vorgesehen auszuführen. Sie erhalten mehr Verantwortung. Die Mitarbeiter sind stolz auf ihre Arbeit und führen diese mit einem hohen Qualitätsbewusstsein aus.

Gleichzeitig stellen die neuen Systeme sicher, dass die Mitarbeiter mit dieser erhöhten Verantwortung umgehen können, indem sie Informationen kontextsensitiv aufbereiten und damit so Verfügung stellen, dass der Mitarbeiter nur die Informationen erhält, die er in der gegebenen Situation benötigt.

Die Zusammenarbeit und insbesondere der Erfahrungsaustausch zwischen den Mitarbeitern werden gefördert. So können bspw. Einstellparameter von Maschinen, die auf dem gleichen Schlag arbeiten ausgetauscht werden. Hierbei können unerfahrenere Mitarbeiter direkt und aufwandsarm von „alten Hasen“ lernen.

Wie von vorhandenen Automatisierungssystemen bereits bekannt, fallen lästige und monotone Routinearbeiten weg. Hierdurch werden Prozesse wiederholbarer und können exakter durchgeführt werden. Ein bekanntes Beispiel aus der Landtechnik ist die GPS-gestützte Lenkung, die inzwischen einen hohen Verbreitungsgrad hat. Dies kann durch den Ansatz der Industrie 4.0 noch verstärkt werden.

Komplexe und kontinuierlich notwendige Entscheidungen, insbesondere wenn eine Vielzahl von Parametern zu beachten ist, können weitgehend automatisiert getroffen werden und der Nutzer gibt lediglich Präferenzen vor. Als Beispiel sei hier die automatische Einstellung von Mähdreschern mit CEMOS Automatik genannt.

Dadurch dass der Maschinenbediener von sich wiederholenden Tätigkeiten entlastet wird, kann er sich auf wichtige Situationen konzentrieren. So können Fehler vermieden werden, da diskontinuierlich die höchste Aufmerksamkeit verlangt werden kann.

Auch können Unfälle vermieden werden, zum einen da der Fahrer sich auf bestimmte Prozessteile konzentrieren kann, zum anderen weil wichtige Informationen gefiltert und aufbereitet zur Verfügung gestellt werden können. Dies kann bspw. auch über Prozessbeteiligte hinweg erfolgen. So gibt es im Automobilbereich Ansätze zur Unfallstellenwarnung mit Car2Car-Kommunikation.

Weitere Schritte

Die Systeme einer Industrie 4.0 sind komplexer als die bisher vorhandenen Systeme. Diesem Umstand müssen die begleitenden Prozesse und beteiligten Personen Rechnung tragen.

So müssen Mitarbeiter sowohl beim Endkunden als auch bei den Händlern, und dem Hersteller entsprechend qualifiziert werden. Nur so kann das System gewinnbringend eingesetzt werden. Es ergeben sich dabei auch neue Dienstleistungen, die der Hersteller zur Einführung und Betrieb anbieten kann. Dies sind bspw. Schulungen, Fernüberwachungen des Systems bzgl. Stabilität aber auch maximalem Einsatz. So ist es denkbar, dass der Hersteller proaktiv den Endkunden im laufenden Betrieb Vorschläge zum besseren Einsatz des Systems gibt. Damit ergibt sich eine große Chance, dass der Hersteller näher bei den Kunden ist, die Anforderungen besser versteht, maßgeschneiderte Produkte anbieten kann und so die Kunden besser an sich bindet.