Schlüsselwörter

1 Einleitung

Der Begriff digitale Transformation (DT) beschreibt die Einführung von Informations-, Computer-, Kommunikations- und Verbindungstechnologien, die Organisationen und Arbeitspraktiken von Mitarbeitenden in nahezu allen Branchen erheblich verändern (Vial 2019). Im produzierenden Gewerbe ist die DT beispielsweise durch eine Entwicklung hin zu datengestützten Dienstleistungen durch smarte Produkte gekennzeichnet, die neue, wettbewerbsfähige Geschäftsmodelle ermöglichen, aber von Beschäftigten auch neue Denkweisen verlangen (Chen et al. 2022). In ähnlicher Weise erwarten Expert*innen und Forschende, dass sich der Gesundheitssektor in den nächsten Jahren durch IT-gestützte Innovationen tiefgreifend umgestalten wird (Bannon 2020; Edwards 2014).

Aus der Organisationsperspektive wurde das Phänomen DT bereits umfassend untersucht (Gregory et al. 2018; Karimi und Walter 2015; Noesgaard et al. 2023; Ologeanu-Taddei et al. 2023). Ein Kernthema der Forschung waren die zugrunde liegenden organisatorischen Transformationsprozesse (Chanias et al. 2019; Wessel et al. 2021). Jedoch ist der durch Informationstechnologie (IT) und digitale Systeme ermöglichte organisatorische Wandel seit jeher von Interesse für die Forschung (Besson und Rowe 2012). Dabei wird. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen IT-getriebener Organisationstransformation und tatsächlicher DT unterschieden: Als wichtigstes Kriterium gilt hier ist dabei die Entstehung einer neuen organisatorischen Identität durch diebei DT letzterer (Wessel et al. 2021), die. Dies hängt insbesondere im Wesentlichen davon abhängt, wie den Wahrnehmungen der DT durch die einzelnen Organisationsmitglieder*innen die DT wahrnehmenInsgesamt deuten die Studien darauf hin, dass die DT und ihre Auswirkungen die Wahrnehmung der Arbeitnehmenden erheblich beeinflussen. Gleichzeitig fehlt jedoch ein umfassendes, detailliertes Verständnis der Faktoren, die bei der Untersuchung von DT und ihren wahrgenommenen Auswirkungen zu berücksichtigen sind (Wessel et al. 2021). Vor allem ist unklar, wie Transformationsprozesse auf der individuellen Ebene ablaufen, welche Mechanismen dabei wirken und welche Rolle Wahrnehmungen dabei spielen (Vial 2019, S. 118; Wessel et al. 2021). Somit werden Theorien und empirische Daten benötigt, die uns helfen zu verstehen, wie Arbeitnehmende DT wahrnehmen und welche Auswirkungen die DT auf sie hat (Chen und King 2022, S. 402; Vial 2019, S. 118).

Eine Theorie, die in der Vergangenheit explizit zur Erklärung der DT entwickelt wurde, ist die Theory of the Smart Machine (TSM) (Burton-Jones 2014; Zuboff 1988). Mit der TSM können die Nutzung fortschrittlicher IT und digitaler Werkzeuge, die daraus resultierende DT und ihre Auswirkungen auf Organisationen und ihre Mitglieder beschrieben und begründet werden. So folgert Burton-Jones (2014, S. 42), dass in Anbetracht der jüngsten Aufrufe, die besonderen Charakteristiken der IT zu berücksichtigen (Robey et al. 2013) und soziotechnisches Denken zu übernehmen (Sarker et al. 2013), vor allem auf Zuboffs Arbeit (d. h., die TSM) zurückzugreifen ist. Die gleichzeitige Einbeziehung des subjektiven und emotionalen Kontexts sowie des organisatorischen und verwaltungstechnischen Umfelds veranlasst uns zu der Annahme, dass die TSM als theoretische Grundlage besonders gut geeignet ist, um zu messen, wie Arbeitnehmende die DT und ihre Auswirkungen wahrnehmen. Bislang wurde die Arbeit von Zuboff jedoch noch nicht getestet (Burton-Jones 2014, S. 43). Die meisten Forschungsarbeiten, die sich auf Zuboff berufen, beziehen sich lose auf ihre Konzepte, nicht jedoch auf die Beziehungen zwischen den Konzepten der TSM oder auf die Überprüfung der Theorie (siehe z. B. Surendra und Nazir 2019). Würden die Ergebnisse eines solchen Tests der TSM die Konzepte und deren Beziehungen bestätigen, würde dies die Beständigkeit dieser Merkmale unterstreichen; wenn die Ergebnisse Zuboffs Ideen widerlegen, würde dies darauf hindeuten, dass sich diese Merkmale seit den 1980er Jahren grundlegend verändert haben. Beide Ergebnisse wären wertvoll. Da bisher nur eine erste Operationalisierung und ein Vorschlag für ein Messinstrument existieren (siehe Guse et al. 2022), beabsichtigt diese Studie, die TSM durch die Validierung eines Messinstruments für die Forschung nutzbar zu machen. Daher wird die folgende Forschungsfrage adressiert: Wie können die Konzepte der TSM im Kontext von DT operationalisiert und gemessen werden, insbesondere im Hinblick auf die soziotechnischen Dimensionen?

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wird ein von Guse et al. (2022) vorgeschlagenes Messinstrument validiert, mit dem Schlüsselkonzepte des TSM-Gesamtmodells getestet werden können. Dafür wurden 479 Arbeitnehmende aus verschiedenen Branchen befragt (Panel des Anbieters CINT), die einschlägige Erfahrungen mit einem digitalen Transformationsprojekt gesammelt haben. Die vorliegende Arbeit leistet dabei drei wichtige Beiträge zur Forschung und Praxis. Erstens wird erstmals ein Instrument zur Messung von Schlüsselkonzepten der TSM validiert. Damit wird die Grundlage für die Untersuchung weiterer Konzepte und Beziehungen im Gesamtmodell gelegt, was entscheidend die Validierung des gesamten TSM-Modells unterstützt. Zweitens hilft das validierte Messinstrument, verschiedene Wissensbereiche um die DT zu strukturieren, sodass weitere Theorien entwickelt werden können (Vial 2019), sowohl auf der Mikroebene (bezogen auf Effekte der DT auf Arbeitnehmende) als auch auf der Mesoebene (bezogen auf Effekte der DT auf Organisationen) (Pfeiffer und Nicklich in diesem Band). Drittens werden Erkenntnisse über relevante Faktoren der DT gewonnen, die von Forschenden und politischen Entscheidungstragenden bei der Untersuchung der DT und ihrer Auswirkungen berücksichtigt werden sollten.

Der vorliegende Artikel ist wie folgt gegliedert: Nach einem kurzen Abriss zum Stand der DT im Gesundheitssektor (2), wird TSM und das darauf aufbauendes Forschungsmodell beschrieben (3) und die Operationalisierung der fünf Schlüsselkonzepte des Forschungsmodells nach Guse et al. (2022) erläutert (4). Danach wird das Forschungsdesign zur Evaluierung dieser Operationalisierung vorgestellt (5), die Ergebnisse skizziert (6), diskutiert und abschließend ein kurzes Fazit foruliert (7).

2 Die digitale Transformation im Gesundheitssektor

Im Gesundheitssektor sind unterschiedliche Akteure direkt oder indirekt in die stationäre und ambulante Gesundheitsversorgung von Patient*innen involviert (Simon 2017). Dieser Beitrag konzentriert sich auf die Organisationen der stationären Versorgung, wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, da hier Effekte sowohl auf der Mikroebene erkennbar sind, als auch Anknüpfungspunkte für die weitere Untersuchung der Mesoebene existieren. Im Gegensatz dazu ist bei der ambulanten Versorgung (z. B. Haus- und Fachärzte) die Interaktion zwischen der Mikro- und Mesoebene weniger stark ausgeprägt, da es sich bei ambulanten Praxen häufig um einzelne, selbstständige Akteur*innen in kleinen Organisationsgrößen handelt.

Expert*innen und Forschende erwarten in den nächsten Jahren eine umfassende DT des Gesundheitssektors (Bannon 2020; Edwards 2014). Diese wird angetrieben durch die Verfügbarkeit und den Einsatz neuer digitaler Technologien, angefangen von Software für telemedizinische Zwecke (Liu et al. 2023) über eine verstärkte Nutzung von Gesundheitsinformationssystemen (Eden et al. 2019), Genom-Sequenzierung (Snyderman 2014), künstliche Intelligenz (KI) (Chew und Achananuparp 2022) bis hin zu digitalen Gesundheitsanwendungen (Bannon 2020). Der Einsatz dieser Technologien führt zu unterschiedlichen Effekten, beispielsweise zu personalisierten Behandlungsmöglichkeiten (Snyderman 2014), Zeit- und Ressourceneinsparungen (Ologeanu-Taddei et al. 2023), mehr Versorgungsangeboten (Srivastava und Shainesh 2015) und genaueren Diagnosen (Edwards 2014). Aktuelle Forschung zur DT im Gesundheitswesen knüpft an diese Effekte an und kann in fünf Bereiche unterteilt werden: operative Effizienz von Gesundheitseinrichtungen, Patientenzentrierung, organisatorische Faktoren und Auswirkungen auf das Management, Auswirkungen auf Arbeitspraktiken und sozioökonomische Aspekte (Kraus et al. 2021).

Dennoch steht die DT im Gesundheitssektor noch weitestgehend am Anfang. Nach wie vor gilt der Gesundheitssektor als Nachzügler bei der Nutzung von IT in Versorgungsprozessen (Eden et al. 2019; Furtner et al. 2022; Levin-Epstein 2019), wobei als Ursachen dafür unter anderem lange Zulassungsprozesse und eine starke Regulierung des Sektors aufgrund des höheren Risikos für Patient*innen beim Einsatz digitaler Technologien genannt werden (Hermes et al. 2020; Vial 2019). Somit besitzt der Gesundheitssektor noch ein großes Veränderungspotenzial, wie auch im Verlauf der jüngsten Corona-Pandemie in verschiedenen Bereichen sichtbar wurde (z. B. durch die verstärkte Nutzung von Telekonsultationen). COVID-19 hat die Mängel der Gesundheitsinformationssysteme aufgedeckt und vor Augen geführt, wie notwendig eine DT des Gesundheitssektors ist (Ologeanu-Taddei et al. 2023). Obwohl nach der Corona-Pandemie viele Prozesse wieder auf den alten Zustand zurückgesetzt wurden und andere Versorgungsprozesse unverändert blieben, deuten die Erfahrungen beim Einsatz digitaler Technologien an, in welche Richtung sich das Gesundheitssystem verändern könnte (Furtner et al. 2022; Krzywdzinski et al. 2022).

3 Die Theory of the Smart Machine

Die TSM wurde ursprünglich von Zuboff (1988) entwickelt und von Burton-Jones (2014) erstmals in ein kohärentes, überprüfbares Modell überführt. Ein zentrales Merkmal der TSM ist die Unterscheidung zwischen der Einführung von IT, der Automatisierung und der Informatisierung anstelle der Beschreibung von IT als einem umfassenden Objekt. Die TSM schließt zahlreiche Effekte im Zusammenhang mit Automatisierung und Informatisierung ein, die gängige Theorien (z. B. UTAUT; Venkatesh et al. 2003) zur Einführung von IT nicht berücksichtigen: etwa Möglichkeiten, die eine Informatisierungsstrategie bieten kann, oder Autoritätskonflikte, die durch die Bereitstellung neuer Informationen für die Arbeitnehmenden entstehen. Dadurch können die Faktoren, die sich auf die Wahrnehmung der Mitarbeitenden auswirken, differenzierter herausgearbeitet werden.

Burton-Jones (2014) beschreibt die TSM anhand zweier verwandter Modelle, die zwei Ausprägungen der gleichen Theorie darstellen: ein Gesamtmodell und ein detailliertes Modell. Beide Modelle zeigen, wie die Einführung von IT die organisatorische Dynamik durch Automatisierung (d. h. die automatisierte Ausführung von Aufgaben) und Informatisierung (d. h. die Verfügbarkeit neuer Informationen) beeinflusst. Während das Gesamtmodell die Auswirkungen der IT-Einführung auf die Organisation und die Arbeitnehmenden im Allgemeinen erläutert, werden im detaillierten Modell die Auswirkungen eingehend geprüft, die mit den Ergebnissen der Informatisierung und den Dilemmata der Transformation zusammenhängen. Im Gegensatz zum Gesamtmodell wird so deutlicher sichtbar, wie Arbeitnehmende aus Informationen lernen, wie Manager*innen IT zur Überwachung und Durchsetzung nutzen können und wie Arbeitnehmende auf verstärkte Überwachung und Zwang reagieren.

Beide TSM-Modelle können als Kausalschleifenmodelle betrachtet werden, bei denen die Beziehungen den Einfluss eines Konzepts auf ein anderes darstellen. Dies schließt ausdrücklich sich selbst verstärkende Kreisläufe ein. Wenn beispielsweise eine Technologie eingeführt wird, kann dies Konflikte zwischen Arbeitnehmenden und Manager*innen hervorrufen, die sich durch ein geringes Engagement der Manager*innen zur Lösung des Konflikts noch intensivieren können, wodurch ein sich selbst verstärkender Kreislauf entsteht.

Für das Forschungsmodell nutzt dieser Beitrag von den zehn Konzepten des TSM-Gesamtmodells fünf Schlüsselkonzepte und orientiert sich bei der Auswahl an der Operationalisierung von Guse et al. (2022) (siehe Abb. 1): Einführung von IT, Automatisierung, Informatisierung, Effekte der Automatisierung und Effekte der Informatisierung (Burton-Jones 2014, S. 11). Diese Konzepte wurden aus zwei Gründen gewählt: Erstens sind die Konzepte Einführung von IT und Automatisierung die Kernbestandteile des Gesamtmodells. Zweitens bilden sie zusammen eine logische Einheit und befassen sich direkt mit der IT. Alle anderen Konzepte hängen von der Einführung von IT ab oder sie bestimmen den Einfluss auf Automatisierung oder Informatisierung. Auch aus der Definition der Konzepte und Beziehungen geht hervor, dass die gewählten Konzepte in einem logischen Zusammenhang stehen, da sie sich alle auf die zugrunde liegende IT beziehen, während sich der Rest des Modells auf soziale und organisatorische Aspekte konzentriert.

Abb. 1
figure 1

Forschungsmodell auf Grundlage der TSM (angelehnt an Burton-Jones, 2014)

Das Konzept Einführung von IT beschreibt die Einführung von IT in Organisationen, wodurch Veränderungen in ebendiesen, beispielsweise in Arbeitsabläufen und Arbeitsverfahren, hervorgerufen werden (Burton-Jones 2014; Guse et al. 2022). Wann immer IT eingeführt wird, bewirkt dies eine Automatisierung, da manuelle Aufgaben und Prozesse durch automatisierte Teilsysteme unterstützt oder vollständig von der IT übernommen werden.

Das Konzept Automatisierung bezieht sich auf die Ausführung verschiedener zerlegter und rationalisierter Aktivitäten mithilfe von Technologie (Burton-Jones 2014; Guse et al. 2022). Konkret handelt es sich um Prozessschritte, die früher manuell von Mitarbeitenden erledigt wurden und nun von der IT übernommen werden. Die Automatisierung bewirkt unterschiedliche Effekten für Unternehmen und Arbeitnehmende, die sich zusammenfassen lassen als das Potenzial, die menschliche Präsenz in Arbeitsprozessen zu ersetzen.

Das Konzept Informatisierung erfasst die Aufzeichnung von Informationen über geleistete Arbeit durch IT (Burton-Jones 2014; Guse et al. 2022). Dadurch werden Aktivitäten und Ereignisse transparenter, da sie in verwertbare Informationen übersetzt werden. Wenn die IT automatisiert, hat sie die inhärente, autonome Fähigkeit, zu informatisieren. Informatisieren kann jedoch nicht ohne Automatisierung geschehen, sondern baut notwendigerweise auf Automatisierung auf. Dies wird durch die Beziehung zwischen den Konzepten veranschaulicht. Außerdem führt Informatisierung zu bestimmten Effekten, die durch die Verfügbarkeit neuer Informationen zwangsläufig das Wesen der Arbeit verändern.

Das Konzept Effekte der Automatisierung unterteilt sich in Auswirkungen für Unternehmen und Auswirkungen für Arbeitnehmende (Burton-Jones 2014; Guse et al. 2022). Die Auswirkungen für Unternehmen umfassen Produktivitätssteigerungen, weniger Fehler, weniger Menschen, die für die Erledigung der Arbeit benötigt werden, und somit eine geringere Abhängigkeit von menschlichen Talenten sowie die Reproduktion des Status quo, wodurch die derzeitige Führungshierarchie gestärkt wird. Die Auswirkungen für die Arbeitnehmenden bestehen darin, dass weniger Prozesswissen für die Ausführung der Aufgaben erforderlich ist und sie weniger in die Managementtätigkeiten einbezogen werden.

Das Konzept Effekte der Informatisierung umfasst zahlreiche Auswirkungen, die durch die Verfügbarkeit neuer Informationen über Arbeitsprozesse, Aktivitäten und Ereignisse entstehen (Burton-Jones 2014; Guse et al. 2022), und sich wiederum in Auswirkungen für Unternehmen und für Arbeitnehmende unterteilen. Zu den Auswirkungen für Unternehmen zählen sinnvollere Tätigkeiten, eine höhere Innovationsfähigkeit, mehr Lernmöglichkeiten und ein größerer Wettbewerbsvorteil. Zu den Auswirkungen für Arbeitnehmende gehören die Möglichkeit, aus neuen Informationen zu lernen, innovativ zu sein und mehr Verantwortung zu übernehmen, sowie die Entwertung und Schaffung von Wissen.

4 Operationalisierung der Theory of the Smart Machine

Im Folgenden wird die Operationalisierung der fünf Schlüsselkonzepte des Forschungsmodells auf Basis von Guse et al. (2022) beschrieben. Dabei sind die Konzepte Automatisierung und Informatisierung als Konstrukte zu betrachten, die bei einem Einsatz des Messinstruments in einer Organisation objektiv gemessen werden können, da sie beide auf der relativen Anzahl der automatisierten Aufgaben bzw. der relativen Menge an gesammelten Informationen beruhen. Bei der Automatisierung wird die Anzahl der automatisierten Aufgaben im Verhältnis zu allen, in einer Organisation durchgeführten Aufgaben betrachtet. Bei der Informatisierung wird die Menge der gesammelten Informationen durch die mögliche Menge an Informationen geteilt, die während des Einsatzes von IT in einer Organisation gesammelt werden könnten. Zudem wird davon ausgegangen, dass die Wahrnehmung der Arbeitnehmenden hauptsächlich davon beeinflusst wird, welche Folgen Automatisierung und Informatisierung für sie haben.

Hingegen müssen die Wahrnehmungen der Konzepte Einführung der IT, Effekte der Automatisierung und Effekte der Informatisierung als Konstrukte 2. Ordnung betrachtet werden (als Rechtecke in Abb. 2 zu sehen). Für diese beschreiben Guse et al. (2022) verwandte Konstrukte 1. Ordnung (als Ovale in Abb. 2 zu sehen), die durch eine Literaturrecherche identifiziert und den Konstrukten 2. Ordnung zugeordnet wurden. Zudem haben Guse et al. (2022) für diese Konstrukte 1. Ordnung einen ersten Pool von Indikatoren auf Grundlage der Literatur definiert.Footnote 1 Insgesamt benennen Guse et al. (2022) 14 Konstrukte 1. Ordnung, die sich auf die Konstrukte 2. Ordnung beziehen.

Abb. 2
figure 2

Forschungsmodell mit Konstrukten 1. Ordnung basierend auf Guse et. al. (2022) auf Grundlage der TSM (angelehnt an Burton-Jones, 2014)

4.1 Konstrukte 1. Ordnung für die Einführung von IT

Insgesamt beschreiben Guse et al. (2022) vier Konstrukte für die Einführung der IT: Freiwilligkeit (engl. voluntariness; VOL), Ansehen (engl. image; IMG), wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit (engl. perceived ease of use; PEOU) und Sichtbarkeit (engl. visibility; VIS).

VOL bezeichnet das Ausmaß, in dem die Nutzung eines Systems als freiwillig wahrgenommen wird oder aus freiem Willen geschieht (Moore und Benbasat 1991, S. 195). VOL ist ein relevantes Merkmal der Interaktion mit IT, da die Nutzung eingeführter IT entweder verpflichtend oder ergänzend, sprich: freiwillig, ist. Die Nutzung eines Systems ist nicht freiwillig, wenn Vorgesetzte Arbeitnehmende zwingen, ein System zu nutzen (z. B. durch Bestrafung bei Nicht-Nutzung) (Venkatesh et al. 2003).

IMG meint das Ausmaß, in dem die Nutzung eines Systems das eigene Ansehen oder den eigenen Status im eigenen sozialen System verbessert (Moore und Benbasat 1991, S. 195). Bei IMG wird davon ausgegangen, dass IT die Art der Arbeit verändern kann, wenn sie zu einem positiven Status der Mitarbeitenden führt.

PEOU ist das Ausmaß, in dem eine Person glaubt, dass die Nutzung eines Systems keine Anstrengung erfordert (Venkatesh und Bala 2008, S. 276). PEOU erfasst ein wichtiges Merkmal der IT, das die Art der Arbeit verändern kann. Es ist ein wichtiger Aspekt der Systemqualität (DeLone und McLean 2003) und als ein Vorläufer der Nützlichkeit aufgeführt. Die Nützlichkeit ist ein wichtiger Aspekt der Effekte der IT-Einführung (Effekte der Automatisierung, Effekte der Informatisierung). Dies unterstützt wiederum die logische Reihenfolge der Konzepte (d. h., dass PEOU vor den Effekten der IT-Einführung stehen muss).

VIS beschreibt das Ausmaß, in dem die Ergebnisse eines Systems sichtbar sind (Moore und Benbasat 1991, S. 203). VIS wurde einbezogen, um positive oder negative Wahrnehmungen aufgrund der Vertrautheit mit der IT zu erfassen. Vertrautheit unterteilt sich hierbei in einen direkten Kontakt (d. h., dass das System bereits verwendet wurde) und einen indirekten Kontakt mit einem solchen System (d. h., dass ein solches System bereits über einen anderen Kontakt bekannt ist). Diese Kontakte können im eigenen Umfeld eines Arbeitnehmenden (d. h. in der Organisation oder im Team) oder in einem anderen Umfeld (d. h. bei Freunden eines Arbeitnehmenden, die in einer anderen Organisation arbeiten) stattfinden.

4.2 Konstrukte 1. Ordnung für die Effekte der Automatisierung

Für die Effekte der Automatisierung arbeiten Guse et al. (2022) insgesamt vier Konstrukte heraus: Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses (engl. result demonstrability; RES), wahrgenommene Nützlichkeit der Automatisierung (engl. perceived usefulness of automation; PUA), Status-quo-Reproduktion (engl. status quo reproduction; SQR) und Verringerung des Sozialen (engl. sociality reduction; SR).

Das Konstrukt RES ist definiert als das Ausmaß, in dem die Ergebnisse der Nutzung eines Systems greifbar sind (Venkatesh und Bala 2008, S. 277). Es erfasst das allgemeine Verständnis der Funktionsweise und der Folgen eines Systems (d. h., wie Systeme Aufgaben erfüllen). Im Kontext der DT kann sich dies auch auf das Verständnis von Mitarbeitenden dafür beziehen, wie ein System sich verändert, indem es neue Ergebnisse erzeugt.

Das Konstrukt PUA meint das Ausmaß, in dem eine Person glaubt, dass die Nutzung eines Systems ihre Arbeitsleistung verbessern wird (Davis 1989, S. 320). Es ist eine der am weitesten verbreiteten Dimensionen der Wahrnehmung von IT in der Literatur (Hess et al. 2014; Venkatesh und Bala 2008) und erfasst die Leistungsverbesserungen und die Verringerung von Fehlern im TSM-Modell (Burton-Jones 2014).

SQR beschreibt das Ausmaß, in dem ein System zur Festigung der Führungshierarchie und des Status quo genutzt wird (Guse et al. 2022, S. 11). Es erfasst die Wahrnehmung der Arbeitnehmenden, inwieweit die Technologie zur Stärkung und Konsolidierung der Führungshierarchie eingesetzt wird. Manager*innen können Technologie nutzen, um ihre Autorität und ihre Kontrolle über die Aktivitäten der Arbeitnehmenden zu erhöhen.

SR wird definiert als das Ausmaß, in dem ein System das Soziale des Arbeitsumfeldes verringert (Guse et al. 2022, S. 12). SR kann beispielsweise auftreten, wenn die Technologie die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ersetzt. So wurde bereits eine Zunahme der gefühlten Isolation im Zusammenhang mit Fernarbeit gemessen (Golden et al. 2008).

4.3 Konstrukte 1. Ordnung für die Effekte der Informatisierung

Für die Effekte der Informatisierung identifizieren Guse et al. (2022) insgesamt sechs Konstrukte: wahrgenommene Nützlichkeit der Informatisierung (engl. perceived usefulness of informating; PUI), wahrgenommene Unterstützung (engl. perceived support; PS), Lernunterstützung (engl. learning support; LS), wahrgenommene Prozesskontrolle (engl. perceived process control; PPC), Reduktion aufgabenbezogenen Wissens (engl. task-related knowledge reduction; TKR) und Verbesserung des Arbeitsumfeldes (engl. work environment improvement; WEI).

Das Konstrukt PUI definieren Guse et al. (2022, S. 12) als das Ausmaß, in dem eine Person glaubt, dass die Nutzung der von einem System bereitgestellten Informationen ihre Arbeitsleistung verbessern wird. Es erfasst Aspekte, die sich auf Leistungssteigerungen und ein höheres Veränderungstempo durch neue Informationen beziehen.

Das Konstrukt PS hingegen beschreibt das Ausmaß, in dem die Art und Weise, wie die Informationen von einem System dargestellt werden, die Aufgaben einer Person unterstützt, sodass sie einzelne Prozessschritte nicht im Kopf behalten muss (Guse et al. 2022, S. 12). PS erfasst die Nützlichkeit der Darstellung von Informationen in einem System. Es ist daher eng mit PUI verbunden. Während PUI jedoch von der Qualität der Informationen abhängt, wird PS davon beeinflusst, wie gut die Informationen aufgrund ihrer Darstellung die Aktivitäten eines Arbeitnehmenden unterstützen können.

LS wird definiert als das Ausmaß, in dem die von einem System bereitgestellten Informationen das Verständnis des Arbeitsumfeldes verbessern (Guse et al. 2022, S. 12). LS erfasst die wahrgenommenen Lern- und Verbesserungspotenziale, die die von einem System bereitgestellten Informationen für die Mitarbeitenden bieten. Wenn Prozesse, Ereignisse und Aktivitäten explizit im System erfasst werden, können die Mitarbeitenden aus diesen Informationen lernen, indem sie Fehler oder Potenziale erkennen und ihre Prozessaktivitäten optimieren (Burton-Jones 2014, S. 46). In der Definition der Effekte der Informatisierung werden die Lernmöglichkeiten sowohl für die Beschäftigten als auch für das Unternehmen genannt. Dazu gehört die Nutzung des gewonnenen Wissens zur Verbesserung von Prozessen oder Produkten, was letztlich zu Innovationen in Organisationen führen kann.

Das Konstrukt PPC ist definiert als das Ausmaß, in dem die durch die Nutzung eines Systems gewonnenen Informationen es einer Person ermöglichen, mehr Kontrolle über ihre Arbeitsprozesse zu übernehmen (Guse et al. 2022, S. 13). Mit einer erhöhten Kontrolle über die Prozesse können Mitarbeitende selbst Informationen sammeln und eine Entscheidung treffen, ohne auf Informationen von Manager*innen oder Kolleg*innen angewiesen zu sein (Surendra und Nazir 2019).

Das Konstrukt TKR definieren Guse et al. (2022, S. 13) als das Ausmaß, in dem ein System den Bedarf an aufgabenbezogenem Wissen reduziert. Es bezieht sich auf die Tatsache, dass IT vorhandenes aufgabenbezogenes Wissen obsolet machen kann, indem sie Arbeitnehmenden neue Informationen zu Aufgaben und Prozessen zur Verfügung stellt. Einerseits bedeutet dies, dass Arbeitnehmende durch die Aufgaben geführt werden, also nicht einen umständlichen Prozess im Kopf behalten müssen. Andererseits wird das Fachwissen, das zur Ausführung einer Aufgabe erforderlich war, nicht mehr benötigt und dadurch reduziert.

Das Konstrukt WEI ist definiert als das Ausmaß, in dem ein System es einer Person ermöglicht, ihr Arbeitsumfeld aktiv zu verbessern (Guse et al. 2022, S. 13). WEI bezieht sich auf den Gesamtnutzen, den die Einführung von IT mit sich bringt. Dazu gehören Verbesserungen durch die Wertschöpfung der Mitarbeitenden und eine höhere Wettbewerbsfähigkeit. Während sich die Konstrukte PUI, PUA und PS auf eine Verbesserung der Arbeit oder Situation der Arbeitnehmenden beziehen, erfasst WEI, wie sich die Nutzung der zusätzlichen Informationen, die das System bietet, auf das Arbeitsumfeld (also die Organisation) auswirkt.

5 Forschungsdesign

Um mithilfe der TSM zu analysieren, wie die Auswirkungen der DT wahrgenommen werden, wird das durch Guse et al. (2022) entwickelte Messinstrument genutzt. Da Guse et al. (2022) nach ihrer Evaluierung des Messinstruments zu keinem eindeutigen Ergebnis in Bezug auf die potenzielle Reliabilität und Validität der Indikatoren kommen, werden für die Validierung nicht nur die von Guse et al. (2022) vorgeschlagenen Indikatoren des gekürzten Messinstruments verwendet, sondern alle Indikatoren des Messinstruments. Für die Validierung des Messinstruments wird eine Umfrage mit einem Panel (des Anbieters CINT) von Arbeitnehmenden durchgeführt. Dabei wird darauf abgezielt, Teilnehmende zu rekrutieren, die bereits Erfahrungen mit einem digitalen Transformationsprojekt gesammelt haben. Da der Fokus auf der DT in der Gesundheitsbranche liegt, ist es das Ziel, eine möglichst hohe Quote an Teilnehmenden aus der Gesundheitsbranche zu erreichen. Neben den Indikatoren des Messinstruments werden folgende demografische Variablen erhoben: Alter, Geschlecht, Branche, höchster Bildungsabschluss und Berufserfahrung.

Für die Validierung des Messinstruments wird sowohl die durch Rückübersetzung validierte deutschsprachige Version als auch eine englischsprachige Version genutzt. Somit wird eine geografisch unabhängige Auswertung des Messinstruments und eine Prüfung der Übersetzung erreicht.

Das Forschungsmodell wurde mithilfe von Partial Least Squares Structural Equation Modeling (PLS-SEM) getestet. Für die Analyse wird die R-Umgebung (4.3.0, 2023-04-21) und die Pakete sem-in-r, lavaan, easystats und semTools verwendet. Die Signifikanztests wurden mit 5000 Bootstrapping-Stichproben durchgeführt.

6 Ergebnisse

Insgesamt wurden von den Teilnehmenden 674 Fragebögen vollständig ausgefüllt. Da davon 195 Fälle die Kontrollfragen und Qualitätsprüfungen nicht bestanden haben, konnten letztlich nur 479 Fragebögen berücksichtigt werden. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden beträgt 32,2 Jahre und variiert zwischen 18 und 67 Jahren (SD = 11,6). Etwa 52,0 % der Teilnehmenden identifizierten sich als weiblich, 47,6 % als männlich und 0,4 % als nicht-binär. Die Mehrheit der Teilnehmenden gab an, in Großbritannien zu leben (36,3 %), gefolgt von 32,4 % in den Vereinigten Staaten und 29,7 % in Deutschland. 1,7 % haben die Frage nicht beantwortet. Die meisten Teilnehmenden (45,7 %) haben einen Universitätsabschluss, gefolgt von einer allgemeinen Hochschulreife oder einem gleichwertigen Abschluss (28,1 %), einer Berufsausbildung (11,9 %), einem Real-, Hauptschul- oder gleichwertigen Abschluss (10,9 %) und einem sonstigen Abschluss (2,1 %). 1,5 % haben hier nicht geantwortet. Hinsichtlich der Beschäftigung gaben 31,7 % an, im medizinischen Bereich oder Gesundheitswesen zu arbeiten, 24,2 % im öffentlichen Dienst bzw. im Dienstleistungssektor, 18,1 % in der Produktion, 17,3 % in anderen Bereichen, 8,08 % in handwerklichen oder manuellen Tätigkeiten und 0,4 % in der Landwirtschaft. 17,3 % der Teilnehmenden haben weniger als zwei Jahre Erfahrung in medizinischen oder gesundheitlichen Beschäftigungen, 28,6 % zwei bis fünf Jahre, 19,2 % fünf bis zehn Jahre, 9,1 % zehn bis 20 Jahre und 2,6 % mehr als 20 Jahre. 23,2 % der Teilnehmenden gaben an, keine Erfahrung in medizinischen oder gesundheitlichen Umgebungen zu haben.

6.1 Messmodell

Da das Messmodell nur reflexive Indikatoren enthält, werden die folgenden vier Kriterien für Reliabilität und Validität Berücksichtigt: Indikatorreliabilität, interne Konsistenzreliabilität, konvergente Validität und diskriminante Validität. Damit wurden den Empfehlungen für Grenzwerte und Kriterien führender Autoren gefolgt (Hair et al. 2021).

Erstens wird überprüft, ob ein Indikator ausreichend reliabel ist, indem die Indikatorladungen über 0,708 gesucht werden (d. h., das Konstrukt erklärt mehr als die Hälfte der Varianz des Indikators; Hair et al. 2021). Indikatoren mit Ladungen unter dieser Grenze, aber über 0,400, können bei Verbesserung der internen Konsistenzreliabilität oder konvergenten Validität und ohne signifikante Reduzierung der Inhaltsvalidität in Betracht gezogen werden. Nach eingehender Untersuchung und Entfernung des fünften Indikators des Konstrukts wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit und der vierten Indikatoren der Konstrukte 1. Ordnung Freiwilligkeit und Status-quo-Reproduktion besteht das Modell diesen Test.

Zweitens wird die interne Konsistenzreliabilität anhand der zusammengesetzten Reliabilität rhoC, des Cronbach’s Alpha und des Reliabilitätskoeffizienten rhoA überprüft. Die Werte sollten zwischen 0,600 und 0,900 liegen, während Werte über 0,900 problematisch werden können, insbesondere über 0,950. Im Allgemeinen kann rhoC als liberaler, Cronbach’s Alpha als konservativer und rhoA als eine Mischung aus den beiden betrachtet werden. Wie aus Tab. 2 ersichtlich ist, besteht das Modell diesen Test für die meisten Maße. Einige Konstrukte überschreiten den Schwellenwert von rhoA zwar minimal, aber die anderen Maße liegen innerhalb der Grenzen, was uns zur Akzeptanz des Tests für die interne Konsistenzreliabilität führt.

Tab. 1 Konstrukte 2. Ordnung, die sich auf die Konstrukte 1. Ordnung der TSM beziehen
Tab. 2 Cronbach’s alpha, rhoC, AVE und rhoA. AVE ist die durchschnittlich erfasste Varianz

Drittens sollte die durchschnittliche extrahierte Varianz (AVE) für alle Indikatoren auf jedem Konstrukt den Wert von 0,500 überschreiten, um konvergente Validität nachzuweisen. Tab. 2 zeigt, dass alle AVE-Werte den Schwellenwert von 0,500 überschreiten. Somit sind die Bedingungen für konvergente Validität erfüllt.

Viertens wird die diskriminante Validität anhand des Heterotrait-Monotrait-Verhältnisses (HTMT) der Korrelationen als vergleichsweise besser geeignetes Kriterium bewertet. Da einige Konstruktpaarungen den (konservativen) Schwellenwert von 0,850 überschritten haben, wurden die zugrunde liegenden Probleme tiefergehend untersucht. Dadurch wurden Unregelmäßigkeiten bei der Messung der Effekte der Informatisierung sowie der Effekte der Automatisierung festgestellt. Konzeptuell erfassen erstere hauptsächlich Aspekte der Unterstützung und letztere vornehmlich Aspekte der Nützlichkeit. Daher wurden die Konzepte von wahrgenommener Nützlichkeit in Bezug auf Automatisierung sowie Informatisierung ausgeschlossen. Infolge dieser Anpassungen halten alle Konstrukte die Grenzwerte ein.

Der hier skizzierte Ansatz bildet die Grundlage für die iterative Verbesserung des Modells. Dies führte zu einer Exklusion des Konstrukts 1. Ordnung Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses.

6.2 Strukturmodell

Abb. 3 zeigt das Strukturmodell mit Gewichten, R2 und indiziert signifikante p-Werte. Tab. 3 liefert die Werte für Effektstärkeindikatoren (f2 und d). Anhand dieser Darstellungen wird deutlich, dass sich die anfänglichen Erwartungen bestätigen: Die Einführung von IT hat einen signifikanten Einfluss auf die Effekte der Automatisierung und Informatisierung (siehe Gewichte von .561 und .693). Zusätzlich wirken sich die Effekte der Automatisierung signifikant auf die Effekte der Informatisierung aus, allerdings eher niederschwellig (siehe Wert von .110). Doch über die Effekte der Automatisierung wirkt sich der Effekt der Einführung von IT wiederum teilweise auch auf die Effekte der Informatisierung aus. Aufgrund der mittleren bis hohen R2-Werte sowie der hohen Effektstärken (siehe Tab. 3) wird von einem guten Fit und einer starken erklärenden und vorhersagenden Kraft des Modells ausgegangen.Footnote 2

Abb. 3
figure 3

Finales Modell. Entfallene Konstrukte sind gepunktet dargestellt. Die Abkürzung „wg.“ steht für „wahrgenommene”

Tab. 3 Maße für Effektgrößen nach Cohen (1988)

7 Diskussion und Fazit

Mit der vorliegenden Studie konnte das von Guse et al. (2022) vorgeschlagene Messinstrument für die TSM zur Bestimmung der Wahrnehmung von DT quantitativ validiert werden. Im Vergleich zu den Ergebnissen von Guse et al. (2022) wurde das Konstrukt wahrgenommene Nützlichkeit der Informatisierung (PUI) in der Validierung entfernt. Dieses Konstrukt liegt konzeptionell sehr nah an der wahrgenommenen Nützlichkeit der Automatisierung (PUA) und der wahrgenommenen Unterstützung (PS), da es sich in den Indikatoren nur durch den Bezug zur Information unterscheidet. Im Gegensatz zu Guse et al. (2022) wird aber festgestellt, dass das Entfernen der Konstrukte 1. Ordnung Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses (RES) und Nützlichkeit der Automatisierung (PUA) die Erklärbarkeit des Modells weiter verbessert. Dies könnte wiederum auf die Ähnlichkeit zwischen PUA und PS zurückzuführen sein. Durch das Konstrukt RES wiederum lässt sich das Modell deshalb nicht besser erklären, da sich RES auf ein allgemeines und damit zu abstraktes Verständnis der Nutzung eines Systems bezieht, die anderen Konstrukte von Effekte der Automatisierung hingegen auf konkrete, leichter greifbare Folgen. Jedoch konnte gezeigt werden, dass die von Guse et al. (2022) ausgeschlossenen Konstrukte 1. Ordnung IMG und TKR sehr wohl zur Erklärbarkeit des Modells beitragen. Ebenso werden nur drei Indikatoren entfernt. Einerseits werden somit zentrale Änderungen am Messinstrument von Guse et al. (2022) vorgenommen, andererseits kann die Konzeptualisierung von Guse et al. (2022) bestätigt und ein validiertes Messinstrument zur Verfügung gestellt werden.

Obwohl nach dem TSM-Modell eine Automatisierung direkt zu einer Informatisierung führen kann, lässt sich bei den entsprechenden Auswirkungen nur eine kleine Effektstärke beobachten. Dies könnte durch das Weglassen von Automatisierung und Informatisierung im Modell bedingt sein. Da Informatisierung immer selbstständig und gleichzeitig auftreten kann, ohne dass dies durch die Automatisierung beabsichtigt wird, ist es wahrscheinlich, dass die Effekte der Automatisierung und die Effekte der Informatisierung weitestgehend unabhängig durch die Einführung von IT erzeugt werden (Burton-Jones 2014). Zukünftige Forschung könnte sich näher mit dieser Beziehung von Automatisierung und Informatisierung befassen.

Mit dem TSM-Model lassen sich insbesondere allgemeine Bewegungsdynamiken der Verfügbarmachung und Verselbstständigung abbilden. Die Verselbstständigung ist dabei durch die Konzepte Automatisierung und die Effekte der Automatisierung abgebildet, da durch die Automatisierung menschliche Tätigkeiten in größerem Umfang an IT übertragen werden. Die Messung der daraus resultierenden Effekte der Automatisierung ermöglicht es, die Auswirkungen von Verselbstständigung zu beobachten, im Modell enthalten durch die Konstrukte Verringerung des Sozialen und Status-quo-Reproduktion. Dabei muss hervorgehoben werden, dass es sich um keine abgeschlossene Liste von Effekten handelt, sondern um solche, die bei Verselbstständigung als wichtig betrachtet werden können.

Die Verfügbarmachung ist im TSM-Modell durch Informatisierung und die Effekte der Informatisierung abgebildet, da durch die Informatisierung mehr Informationen aufgezeichnet und transparenter gemacht werden. Durch die Einführung von IT können neue Informationen sichtbar und verfügbar gemacht werden (Burton-Jones 2014). Insofern ist es möglich, durch die Effekte der Informatisierung solche der Verfügbarmachung zu beobachten. Sie umfassen in dieser Studie (sind aber nicht begrenzt auf) Lernunterstützung, wahrgenommene Prozesskontrolle, wahrgenommene Unterstützung, Reduktion aufgabenbezogenen Wissens und Verbesserung des Arbeitsumfeldes. Insgesamt lassen sich so mit der TSM auch die Zusammenhänge zwischen den fundamentalen Dynamiken Verfügbarmachung und Verselbstständigung prüfen.

Bei der Untersuchung der TSM wurde deutlich, dass politische Entscheidungstragende und Vorgesetzte eine wichtige Rolle im Prozess der Einführung von IT spielen. Durch die Wahl des Konzepts und die Verpflichtung zu grundlegenden Innovationen bestimmen sie, ob eher automatisierende oder informatisierende Aspekte der IT dominieren (Burton-Jones 2014). Sie können sich also entweder für eine Automatisierungsstrategie oder eine Informatisierungsstrategie entscheiden. Bei einer Automatisierungsstrategie können sie festlegen, den Informationsprozess zu unterdrücken, damit die Arbeitnehmenden keinen Zugang zu neuen Informationen erhalten. Mit einer Informatisierungsstrategie können sie das Bestreben der Arbeitnehmenden unterstützen, aus neuen Informationen über ihre Arbeit zu lernen und diese zu nutzen. Man beachte, dass eine Informatisierungsstrategie die Automatisierung nicht ausschließt, sondern auf ihr aufbaut (d. h., Automatisierung muss zumindest bis zu einem gewissen Grad stattfinden; für ein aktuelles Beispiel für eine Informatisierungsstrategie siehe Surendra und Nazir 2019). Nach Burton-Jones (2014) erfordert eine Informatisierungsstrategie, dass die Vorgesetzten ihre Verantwortlichkeiten und Befugnisse ändern, damit die Arbeitnehmenden das Potenzial der neuen Informationen nutzen können. Während die Informatisierungsstrategie als Lösung für die Dilemmata der Transformation gilt, wird die Automatisierungsstrategie als Konsolidierung des Status quo angesehen, wobei die Chancen für grundlegende Innovationen verpasst werden (Burton-Jones 2014). Eine geeignete Strategie im Kontext der DT muss durch zukünftige Forschung bestimmt werden, indem das TSM-Modell weiter geprüft und ausgebaut wird.

Es wird außerdem festgestllt, dass die TSM im Gegensatz zu bestehenden Theorien, die sich mit der Wahrnehmung von IT befassen (z. B. TAM3, siehe Venkatesh und Bala 2008; UTAUT, siehe Venkatesh et al. 2003 oder das IS-Erfolgsmodell, siehe DeLone und McLean 2003), eine ganzheitlichere Perspektive einnimmt. Sie umfasst mehr Aspekte des soziotechnischen und organisatorischen Umfelds, in dem ein System eingesetzt wird.

Die vorliegende Studie hatte einige Limitationen. Obwohl grundlegend auf die Rekrutierung von Teilnehmenden aus dem Gesundheitswesen abgezielt wurde, waren lediglich 31,7 % der Teilnehmenden aus dieser Branche. Da das Panel aus Arbeitnehmenden aus verschiedenen Branchen bestand, kann einerseits eine möglichst allgemeine Aussage über die Validität des Messinstruments für die TSM getroffen werden, andererseits muss das Messinstrument für das Gesundheitswesen noch weiter angepasst werden. Zukünftige Forschung sollte daher die TSM weiter mit Teilnehmenden im Gesundheitswesen testen, um die allgemeine Anwendbarkeit sicherzustellen. Darüber hinaus ergeben sich aufgrund der Nutzung eines Panels Unsicherheiten und Varianzen. So können situative Faktoren der konkreten IT oder DT nicht beobachtet werden. Auch könnte eine Verzerrung aufgrund sozialer Erwünschtheit vorliegen, bei der Teilnehmende nicht ihre eigene Meinung, sondern die ihres Teams oder ihrer Organisation wiedergeben. Es wurde Nederhof (1985) gefolgt, um diesen Effekt zu minimieren. Da der Fragebogen sowohl anonym als auch online an jedem Ort und zu jeder Zeit verfügbar war, wird davon ausgegangen, dass das Forschungsdesign den Einfluss der sozialen Erwünschtheit auf ein akzeptables Maß reduziert hat und dennoch praktikabel ist. Allerdings könnten weitere situative Faktoren, wie beispielsweise die Stimmung oder der aktuelle Zeitdruck, die Antworten der Teilnehmenden beeinflusst haben. Zukünftige Forschung könnte diese Bedenken ausräumen, indem sie das TSM-Modell in einer Feldstudie testet oder eine Längsschnittanalyse durchführt. Zudem könnte der lange, komplexe Fragebogen zu weiteren Verzerrungen geführt haben, wenn Teilnehmende dadurch die Fragen nicht ausreichend verstanden oder vorschnell beantwortet haben. In der Analyse ist als wichtige Limitation zu nennen, dass objektive Maße für die Konzepte Automatisierung und Informatisierung angenommen werden und diese somit nicht konkret mit dem Messinstrument abgefragt wurden. Zukünftige Forschung könnte auch subjektive Maße einbeziehen, um ihre spezifischen Eigenschaften zu berücksichtigen, etwa die wahrgenommene Bedeutung von automatisierten Aufgaben.

Nichtsdestotrotz stellt das in der vorliegenden Studie erarbeitete Messinstrument einen wichtigen ersten Schritt dar, um die Wahrnehmung von IT im Kontext von DT durch Arbeitnehmende zu messen. Mit der vorliegenden Studie existieren validierte Faktoren, die das Verständnis von DT verbessern. Entscheidungstragende und Forschende sollten diese Faktoren bei der Untersuchung der wahrgenommenen Auswirkungen von DT berücksichtigen, um DT nachhaltig zu verstehen und zu gestalten.