Zusammenfassung
Ein Roboter, der selbstständig lernt: Für die einen faszinierend und erstrebenswert, für andere ein Horrorszenario. Dabei ist „machine learning“ nur ein Oberbegriff für statische Optimierungsverfahren, dessen Fehleinschätzung als „Lernen“ zu großen Missverständnissen führt. Dieser Beitrag klärt daher über die Grundlagen von „machine learning“ auf, indem er zeigt, dass die Funktionen von KI-Systemen nichts weiter sind als angewandte Mathematik. Allerdings wurden die dafür neu entwickelten Algorithmen aus Marketing-Gründen von Anfang an als „lernend“ bezeichnet. Eine detaillierte Analyse der Analogien zum Lernen in der einschlägigen Originalliteratur zum „machine learning“ zeigt aber auch: Die Analogien haben keine Basis in Theorien oder Forschung zum menschlichen oder biologischen Lernen, sie adressieren allein einzelne Aspekte oder abstrakte formale Ähnlichkeiten in den Abläufen. Eine realistischere Einschätzung der Leistungen und Grenzen von „machine learning“-Algorithmen und KI-Systemen als derzeit vor allem in den Medien üblich scheint daher dringend geboten. Sie eröffnet dann auch Gestaltungsmöglichkeiten und -perspektiven in der Entwicklung wie im Einsatz solcher Systeme.
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Notes
- 1.
Gabler Wirtschaftslexikon: Algorithmus. Online: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/algorithmus-27106/version-250769 Revision von Algorithmus vom 19.02.2018 – 13:18.
- 2.
- 3.
Wird das gewünschte Ergebnis vorher festgelegt, werden die entsprechenden „Lern-“ bzw. korrekter: Optimierungsprozesse auch als überwacht („supervised“) bezeichnet. Wird vorab kein Ergebnis festgelegt, sondern nur eine allgemeine Suche nach Zusammenhängen oder Mustern durchgeführt, heißt der entsprechende Prozess „unüberwacht“ („unsupervised“). Die Verwendungszwecke der entsprechenden ml-Algorithmen sind jeweils unterschiedlich.
- 4.
Im Original „a scientist“. Dieser „Wissenschaftler“ ist aber eine so abstrakt-formale Figur, dass sich die Frage nach dem Geschlecht nicht stellt, bzw. ihre Angabe bereits eine für den Gedankengang störende Konkretisierung darstellen würde.
- 5.
https://www.n-tv.de/technik/Computer-gewinnt-Jeopardy-article2634646.html [Stand:22.04.2022].
- 6.
Die Frage, ob es korrekt bzw. auch nur sinnvoll ist, Lernen als Informationserarbeitung aufzufassen, ist strittig, vgl.o.
- 7.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Unter der Überschrift: „Künstliche Intelligenz Toyota feuert die Roboter“ berichtete der Tagesspiegel vom 04.01.2019, dass Toyota in der Automobilproduktion in Japan statt Robotern an Fertigungsstraßen wieder Arbeiterinnen und Arbeiter einsetzt, weil dieses beispielsweise viel exakter und den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst schweißen können und so Materialverbrauch und Ausschuss deutlich geringer sind (https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/kuenstliche-intelligenz-toyota-feuert-die-roboter/23821418.html (Letzter Abruf: 27.08.22)). Auch im Service-Bereich flaut der Hype um den Einsatz „intelligenter“ Roboter in Japan bereits wieder ab. So wurde im Henn-na-Hotel die Erfahrung gemacht, dass Roboter mehr Arbeit machen, als sie erledigen (können), eben weil sie noch nicht annähernd so flexibel sind, wie Menschen (https://www.golem.de/news/automatisierung-japanisches-roboterhotel-entlaesst-roboter-1901-138757.html, vgl. auch https://www.heise.de/news/Post-aus-Japan-Weniger-Roboter-ist-mehr-4285614.html (Letzter Abruf: jeweils 27.08.22)).
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Rogalla, I. (2024). Maschinen lernen nicht! – „Machine learning“-Algorithmen entzaubert. In: Heinlein, M., Huchler, N. (eds) Künstliche Intelligenz, Mensch und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-43521-9_6
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