1 Einleitung

Für Stadt- und Gemeindeverwaltungen in Deutschland steht ein breites Spektrum an kommunalen Instrumenten aus den Bereichen Planung, Wirtschaftsförderung, Kooperation, sowie Bildung und Information zur Verfügung, um die nachhaltige Entwicklung der lokalen Ernährungswirtschaft zu unterstützen (Galda 2017; Doernberg et al. 2019; Hanke et al. 2022; Sipple und Wiek 2023; Sipple et al. 2023b). Eine Vielzahl von Stadt- und Gemeindeverwaltungen in Deutschland hat über die letzten Jahre begonnen, die nachhaltige Entwicklung des Ernährungssektors in den Blick zu nehmen und erste Anwendungen solcher Instrumente durchzuführen.

Dabei beschränken sich die meisten Kommunalverwaltungen auf punktuelle Anwendungen einzelner solcher Instrumente. Nur wenige Städte und Gemeinden haben bisher einen umfassenden bzw. integrativen oder systemischen Ansatz gewählt, um die Ernährungswende Richtung Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene voranzutreiben (Doernberg et al. 2019; Sibbing et al. 2021). Das liegt erstens an begrenzter politischer Priorisierung, sowie unzureichender Ausstattung mit personellen und finanziellen Mitteln. Zweitens wurde die Ernährungswende in Deutschland lange Zeit überwiegend von zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie z. B. Umweltverbänden und Ernährungsräten, verfolgt (Eberle et al. 2006); erst seit wenigen Jahren wird die Ernährungswende auch von Politik und Wirtschaft als zentrale Zielstellung der nachhaltigen Stadt- und Gemeindeentwicklung anerkannt (Galda 2017; Schrode et al. 2019). Und drittens brauchte es einige Zeit und die zunehmenden Erfahrungen aus Energie- und Verkehrswende, um die Einsicht reifen zu lassen, dass integrative/systemische, d. h. sektorenübergreifende Ansätze auch für die Transformation des Ernährungssystems Richtung Nachhaltigkeit unabdingbar sind (Eberle et al. 2006; Schrode et al. 2019; Wunder 2019; Radtke 2021; Hanke et al. 2022). Kommunalverwaltungen im Ausland, u. a. in Frankreich (z. B. in Loos-en-Gohelle und in Mouans-Sartoux), haben bereits früher integrative Ansätze verfolgt (Galda 2017; FAO 2018; Sibbing et al. 2021).

Integrative Ansätzen sind auch speziell für die nachhaltige Entwicklung der Ernährungswirtschaft erforderlich (Candel und Pereira 2017; Antoni-Komar et al. 2019). Während sicherlich alle Anwendungen von Instrumenten zur Stärkung der lokalen nachhaltigen Ernährungswirtschaft zu begrüßen sind, bedarf es doch integrativer Ansätze, um die Nachhaltigkeitstransformation zu bewältigen (Galda 2017; Sibbing et al. 2021). Aus vereinzelten und sektoriellen Anwendungen können Ineffizienzen und im ungünstigsten Fall sogar Konflikte entstehen (Candel und Pereira 2017; Pohle et al. 2021). Integrative Ansätze hingegen ermöglichen es, über das Zusammenspiel verschiedener Instrumente in allen relevanten Bereichen der Ernährungswirtschaft Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit zu unterstützen und damit Synergien zu erzielen, welche die positiven Entwicklungen beschleunigen können (Sibbing et al. 2021).

Im nächsten Abschnitt stellen wir eine einfache Operationalisierung des integrativen Ansatzes vor und in den dann folgenden Abschnitten werden die beiden Fallbeispiele aus Leipzig und Leutkirch im Allgäu beschrieben und diskutiert.

2 Was sind integrative/systemische Ansätze zur Förderung der lokalen nachhaltigen Ernährungswirtschaft?

Im Unterschied zu vereinzelten Anwendungen von kommunalen Instrumenten zur nachhaltigen Entwicklung der lokalen Ernährungswirtschaft zeichnen sich integrative oder systemische Ansätze dadurch aus, dass sie a) die sektorenübergreifende Entwicklung durch politische Rahmenbedingen (Strategien, Ziele) verankern, b) ausreichend finanzielle und personelle Mittel in der Verwaltung bereitstellen, sowie c) Instrumente aus allen Bereichen von Planung, Wirtschaftsförderung, Kooperation, sowie Bildung und Information anwenden (Candel und Pereira 2017; Sibbing et al. 2021). In allen drei Punkten ist die Umsetzung mit einer Anzahl von Herausforderungen konfrontiert, für die effiziente Lösungen gefunden werden müssen.

Die Verankerung der nachhaltigen Entwicklung der lokalen Ernährungswirtschaft kann im politischen Leitbild, Entwicklungskonzept, und/oder anderen strategischen Dokumenten der Stadt oder Gemeinde erfolgen. Idealerweise gibt es dann noch eine Übersetzung in konkretere (strategische) Entwicklungsziele und messbare Kenngrößen/Indikatoren (Candel und Pereira 2017). Die Verbindlichkeit und der tatsächliche Einbezug dieser Ziele in kommunale Haushaltsentscheidungen und Programmentwicklungen variiert von Gemeinde zu Gemeinde (Sibbing et al. 2021). Daher ist es wichtig, sich hier nicht nur auf das geschrieben Wort zu verlassen, sondern die tatsächliche Umsetzung zu beobachten, zu dokumentieren und einzufordern. In den letzten Jahren haben einige Städte und Gemeinden begonnen, zumeist über die Ernährungsräte, sogenannte „Ernährungsstrategien“ zu entwickeln, um die nachhaltige Entwicklung des Ernährungssystems auf kommunaler Ebene integrativ zu unterstützen (Galda 2017; Michel et al. 2022). Ernährungsstrategien umfassen zumeist auch einen Abschnitt zur notwendigen Veränderung der Ernährungswirtschaft, der aber zumeist allgemein gehalten, von untergeordneter Bedeutung und daher nur von begrenzter Wirkung ist (Wunder 2019).

Für die Erreichung dieser kommunalen Entwicklungsziele müssen ausreichend finanzielle und personelle Mittel bereitgestellt werden (Doernberg et al. 2019). Dabei geht es um die Rekrutierung von Fachleuten in die kommunalen Verwaltungen (z. B. kommunale*r Fachbeautragte*r für Ernährung(swirtschaft) oder „food policy manager“, siehe City of Austin (2022)), sowie um die Einrichtung von Querschnittsgruppen, welche relevante Themen der Ernährungswirtschaft bereichsübergreifend bearbeiten (FAO 2018; Wunder 2019; Hanke et al. 2022). Den beschriebenen Schritten stehen gewisse Hindernisse entgegen. Erstens werden nicht alle strategischen Entwicklungsziele in kommunalen Haushaltsdebatten gleichermaßen mit finanziellen Mitteln bedacht. Zweitens ist es, selbst wenn eine Förderung bewilligt wird, aufgrund der mangelnden Ausbildungsmöglichkeiten an deutschen Universitäten und Fachhochschulen oft schwierig, Wirtschaftsfachleute mit Spezialisierung auf die nachhaltige Entwicklung der Ernährungswirtschaft zu rekrutieren. Nicht zuletzt sind Kommunalverwaltungen aufgrund begrenzter personeller Ressourcen und einer Vielzahl von Aufgaben oft nicht in der Lage, Querschnittsgruppen einzurichten, um Themen bereichsübergreifend zu behandeln. In allen Punkten zeigt sich auch die Wichtigkeit, dass im weiteren Kontext von Politik (Haushalt) und Ausbildung die Weichenstellungen für die nachhaltige Entwicklung der lokalen Ernährungswirtschaft erfolgen müssen (Forrest et al. 2023).

Schließlich geht es dann darum, ein Programm zu entwickeln, das die Anwendungen von Instrumenten zur Förderung der lokalen nachhaltigen Ernährungswirtschaft aus allen Bereichen der kommunalen Planung, Wirtschaftsförderung, Kooperation, sowie Bildung und Information umsetzt. Idealerweise erfolgt dies durch regelmäßige bereichsübergreifende Koordination innerhalb der Kommunalverwaltungen und ihrer Praxispartner (Candel und Pereira 2017). Allerdings stecken diese Entwicklungen in den meisten Städten und Gemeinden noch in den Kinderschuhen, wodurch sich die meisten Anwendungen erst im Pilotstadium befinden und eine gezielte Koordination noch aussteht (Doernberg et al. 2019; Sibbing et al. 2021). In dieser Entwicklung könnten exemplarische integrative Ansätze von Kommunalverwaltungen aus dem Ausland hilfreich sein, wobei diese sich oft nicht auf die Transformation der Ernährungswirtschaft fokussieren (FAO 2018; Doernberg et al. 2019; Sibbing et al. 2021).

Entsprechend der aufgezeigten Aspekte beschreiben und diskutieren wir die beiden integrativen Ansätze in Leipzig und in Leutkirch im Allgäu wie folgt:

  • Verankerung in politischen Rahmenbedingen (Strategien, Ziele)

  • Bereitstellung finanzieller und personeller Mittel für die Umsetzung

  • Anwendung von Instrumenten in Planung, Wirtschaftsförderung, Kooperation, sowie Bildung und Information

  • Herausforderungen und Lösungen der Umsetzung

Abschließend fassen wir die positiven Entwicklungen und kritischen Punkte bei der Umsetzung des jeweiligen integrativen Ansatzes zusammen.

3 Integrativer Ansatz zur Förderung der lokalen nachhaltigen Ernährungswirtschaft in der Stadt Leipzig

Ist der integrative Ansatz in politischen Rahmenbedingungen (Strategien, Ziele) verankert?

Die Förderung der lokalen nachhaltigen Ernährungswirtschaft wird in Politik und Verwaltung der Stadt Leipzig seit Jahren verstärkt in den Blick genommen. Den allgemeinen Kontext für die Ernährungswende Richtung Nachhaltigkeit bietet die kommunale Verpflichtung zur Daseinsvorsorge für alle Bürger*innen. Im aktuellen „Integrierten Stadtentwicklungskonzept (INSEK) Leipzig 2030“ (Stadt Leipzig 2018) heißt es, die Stadt Leipzig will „ihrer Eigenverantwortung gerecht werden und die Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge für künftige Generationen erbringen“ (S. 26). Weiter heißt es im Hinblick auf die Kommunalwirtschaft, dass diese „eine wesentliche Garantin der Daseinsvorsorge“ sei und bleiben solle (S. 33). Zudem stellt sich die Stadt den „Aufgaben der wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit auf Augenhöhe mit der sozialen und gesellschaftlichen Integration und den ökologischen Konsequenzen“; hierbei „[wirken] die 17 Oberziele der Vereinten Nationen für eine Nachhaltige Entwicklung […] übergreifend in alle strategischen Ziele und Handlungsschwerpunkte hinein“ (S. 26). Aufbauend auf diesem allgemeinen im Jahr 2018 verabschiedeten integrierten Stadtentwicklungskonzept hat die Stadt Leipzig ihre weitreichenden ernährungspolitischen Ambitionen in den Folgejahren untermauert: in 2019 durch die Teilnahme am interkommunalen Verbundprojekt „WERTvoll“ (2019–2023, gefördert durch das BMBF) zur Entwicklung nachhaltiger regionaler Liefer- und Wertschöpfungsketten für Lebensmittel; in 2020 durch den Einbezug von ernährungsbezogenen Maßnahmen in das „Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand 2020“ (nach Ausruf des Klimanotstandes in 2019) (Stadt Leipzig 2020); und in 2022 durch die Verankerung von ernährungsbezogenen Maßnahmen im „Energie- und Klimaschutzprogram (EKSP) 2030“ (Stadt Leipzig 2023a). Seit Anfang 2023 wird das INSEK 2030 stadtintern evaluiert, u. a. im Hinblick auf die kommunale Ernährungswende und die nachhaltige Entwicklung der lokalen Ernährungswirtschaft – aktuell ist allerdings noch offen, welche Veränderungen in Bezug auf die Gesamtstrategie der Stadt und spezifisch für das Thema Ernährung daraus resultieren. Zudem kooperiert die Stadtverwaltung gegenwärtig mit dem Ernährungsrat Leipzig, um festzulegen, wie die kommunale Ernährungsstrategie erarbeitet werden soll. Fest steht bereits, dass der Prozess unter breiter Beteiligung aller relevanten Akteursgruppen ablaufen und in 2024 beginnen soll. Auch hierdurch erhofft man sich Impulse für die weitere Verankerung ernährungs(wirtschafts)politischer Themen in der strategischen Ausrichtung der Stadtentwicklung in Leipzig.

Sind finanzielle und personelle Mittel zur Umsetzung des integrativen Ansatzes bereitgestellt?

Im Nachgang zum Ausruf des Klimanotstandes in 2019 wurde in 2021 das Referat „Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz“ eingerichtet, welches innerhalb der Kommunalverwaltung die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, einschließlich ernährungsbezogener Maßnahmen, koordiniert. Seit Sommer 2022 gibt es in diesem Referat einen städtischen Ernährungsbeauftragten (Sebastian Pomm), der für Fragen der nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft zuständig ist. Dieser initiiert, koordiniert und implementiert gemeinsame ernährungsbezogene Maßnahmen zusammen mit dem Amt für Schule, dem Amt für Umweltschutz, dem Amt für Wirtschaftsförderung, dem Liegenschaftsamt, sowie extern mit dem Ernährungsrat, Betrieben der lokalen Ernährungswirtschaft, AgiL – Sächsische Regionalvermarktungsagentur, der Universität Leipzig und anderen Forschungseinrichtungen, sowie Einrichtungen aus Politik und Verwaltung auf Landesebene.

Werden Instrumente aus allen Bereichen von Planung, Wirtschaftsförderung, Kooperation, sowie Bildung und Information angewendet?

Hinsichtlich der Anwendung der 15 kommunalen Instrumente zur Stärkung der lokalen nachhaltigen Ernährungswirtschaft (Sipple et al. 2023b) ergibt sich ein sehr ausgewogenes Bild für die Stadtverwaltung Leipzig, mit zahlreichen Anwendungen in allen vier Bereichen (Tab. 1).

Tab. 1 Übersicht zur Anwendung kommunaler ernährungswirtschaftspolitischer Instrumente in Leipzig

Welche Herausforderungen und Lösungen bestehen bei der Umsetzung des integrativen Ansatzes?

Bei der Integration von Instrumenten zur Förderung der lokalen nachhaltigen Ernährungswirtschaft ist die Kommunalverwaltung der Stadt Leipzig mit einer Anzahl von Hindernissen konfrontiert: Erstens sind die zur Verfügung gestellten personellen und insbesondere die finanziellen Mittel für die koordinierte Durchführung der Maßnahmen immer noch unzureichend, um systemische Wirkungen zu erzielen. Zweitens ist die Vernetzung innerhalb der wichtigen Verwaltungsbereiche noch zu schwach, um systemrelevante Synergien zu erzeugen. Und drittens gibt es regulatorische Hindernisse, wie die EU-Regulierungen zur Stärkung der Binnenmarktfunktion, welche die Entwicklung von bio-regionalen Ernährungswirtschaften erschweren (Sipple und Wiek 2023).

Bisher ist die Kommunalverwaltung der Stadt Leipzig diesen Hindernissen mit einer Reihe von Lösungsansätzen begegnet. Politische Priorisierung und Unterstützung wurde eingeworben, um die finanzielle Ausstattung von Koordinationsfunktionen und Maßnahmenpaketen zu erweitern. Das federführende Referat „Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz“ hat durch eine Anzahl von Querschnittsaktivitäten die Verbindung zwischen relevanten Verwaltungsbereichen, sowie durch regelmäßige Betriebsbesichtigungen und andere Kontaktpflege die Vernetzung mit zentralen Akteur*innen der Ernährungswirtschaft gestärkt. Dabei geht es in erster Linie darum, ein „offenes Ohr“ für alle internen und externen Anliegen zu haben und zugleich aber auch zu demonstrieren, dass die Stadtverwaltung die wichtigsten Initiativen zur nachhaltigen Entwicklung der lokalen Ernährungswirtschaft tatkräftig unterstützt. Dies geschieht überwiegend durch Service, Vernetzung und Wissenstransfer, aber auch finanziell durch Wirtschaftsförderung und spezielle Förderlinien (z. T. noch in der Erarbeitung). Ein erfolgsversprechendes Vorgehen der Kommunalverwaltung ist es, nicht zu versuchen, alle Instrumente federführend umzusetzen, sondern möglichst auch andere Akteur*innen dafür zu gewinnen (z. B. AgiL – Sächsische Regionalvermarktungsagentur und andere land- und ernährungswirtschaftliche Einrichtungen der Landesverwaltung) und als tatkräftige Partnerin zu fungieren. Dazu wiederum ist unabdingbar, in engem Kontakt mit allen wichtigen internen und externen Akteur*innen zu sein, um zu wissen, wo diese Möglichkeiten bestehen und umgekehrt, wann und in welchen Bereichen sie selbst federführend aktiv werden muss.

Zusammenfassung – Was sind positive Entwicklungen und kritische Punkte bei der Umsetzung des integrativen Ansatzes?

Im Hinblick auf die Erfolgsfaktoren kann festgehalten werden, dass die Umsetzung des integrativen Ansatzes zur Förderung der lokalen nachhaltigen Ernährungswirtschaft in Leipzig einige Stärken aufweist, während auch eine Anzahl von Schwächen zu registrieren sind.

Als positive Entwicklung ist erstens hervorzuheben, dass die politische und institutionelle Verankerung des Themas als wichtige kommunale Aufgabe auf dem Weg ist. Die weiteren Entwicklungen in den kommenden Jahren werden zeigen, ob eine vollumfängliche Verankerung in den zentralen kommunalen Entwicklungskonzepten und Zielstellungen tatsächlich erfolgt. Zweitens sind gewisse personelle Mittel bereitgestellt und qualifiziertes Personal spezifisch für dieses Thema rekrutiert worden. Angesichts der zahlreichen notwendigen Vernetzungsaktivitäten ist dies sehr positiv zu bewerten. Und drittens ist es, trotz begrenzter personeller und finanzieller Ressourcen gelungen, relevante Anwendungen von Instrumenten in allen vier Bereichen umzusetzen. Dies gelang auch durch die Abwägung zwischen federführender Rolle der Kommunalverwaltung bei der Anwendung einiger Instrumente und gezielter Partnerschaften mit anderen federführenden Einrichtungen (z. B. mit AgiL – Sächsische Regionalvermarktungsagentur, Ernährungsrat, Projekt WERTvoll) in anderen Fällen. Und nicht zuletzt ist positiv zu vermerken, dass mit dem Projekt WERTvoll und der Verankerung der Bio-Regio-Modellregion (als Projekt) beim Ernährungsrat Leipzig – Stadt Leipzig und Wurzener Land sind Kooperationspartner – sichergestellt wird, dass bei der Erarbeitung der Ernährungsstrategie und der Transformation der Ernährungswirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit die umliegende Region auf Augenhöhe eingebunden wird. Damit wird der weitverbreiteten Tendenz vorgebeugt, dass die „große Stadt“ die „kleinen Umlandgemeinden“ im Planungsprozess unberücksichtigt lässt und dann vor vollendete Tatsachen stellt.

Demgegenüber sind auch einige Bereiche zu nennen, in denen es Verbesserungspotenzial gibt, um die ambitionierten Zielstellungen der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen. Da die politische und institutionelle Verankerung noch nicht umfassend vollzogen ist, fallen die personellen und finanziellen Mittel, obgleich in gewissem Umfang vorhanden, bisher unverhältnismäßig gering aus in Anbetracht der zahlreichen Aufgaben und des beträchtlichen Investitionsbedarfs für Nachhaltigkeitsinnovationen in regionalen Wertschöpfungsketten bzw. in Produktion, Verarbeitung, Logistik, Vertrieb und Recycling von nachhaltigen Lebensmitteln (Coelho et al. 2018; Hanke et al. 2022). Für transformative Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit werden deutlich mehr finanzielle Mittel, insbesondere aus der Wirtschaftsförderung benötigt (Antoni-Komar et al. 2019), wobei genaue Abschätzungen fehlen. Ähnlich wie bei den Programmen der Ernährungsräte erlauben die zugesprochenen Mittel zwar eine ganze Anzahl von Aktivitäten zu initiieren und umzusetzen, aber grundlegende strukturelle (auch infrastrukturelle) Veränderungen können damit nicht bewältigt werden (Michel et al. 2022). Zudem besteht ein Mangel an Monitoring- und Studienkapazitäten (Wunder 2019). Andere Städte, wenn auch im Ausland, haben bereits gezeigt, wie relevante Datensätze zur lokalen Ernährungswirtschaft gesammelt, analysiert und genutzt werden können (City of Austin 2022). Hier ist die Kommunalverwaltung der Stadt Leipzig zwar in Kontakt mit der Universität Leipzig und anderen Hochschulen, aber koordinierte Monitoring- und Studienkapazitäten konnten bisher nicht entwickelt werden. So bleiben auch relevante Studienergebnisse (z. B. Stauffenberg 2019; Fontanot 2020; Carlo 2021; Rüschhoff et al. 2022) ungenutzt. Es muss daher festgestellt werden, dass die Bemühungen der Stadtverwaltung zwar integrativ und breit angelegt sind, jedoch noch unklar ist, wie weit die Transformation fortgeschritten ist, d.h. welche Ergebnisse bisher tatsächlich erzielt wurden und welche in Zukunft aufgrund der ergriffenen Maßnahmen zu erwarten sind. Evaluationen stehen aus bzw. sind bisher nicht ausreichend durchgeführt und geplant worden. Schließlich muss auch darauf hingewiesen werden, dass die beschriebenen Anwendungen der verschiedenen Instrumente zwar alle für den kommunalen Ernährungsbereich relevant sind, aber sich nicht in allen Fällen gezielt auf den (nachhaltigen) Umbau der Ernährungswirtschaft beziehen. Wie oben bereits angedeutet, bedarf es hier eines noch umfassenderen Einbezugs relevanter Verwaltungsbereiche, insbesondere der kommunalen Wirtschaftsförderung.

4 Integrativer Ansatz zur Förderung der lokalen nachhaltigen Ernährungswirtschaft in der Stadt Leutkirch

Ist der integrative Ansatz in politischen Rahmenbedingungen (Strategien, Ziele) verankert?

Zusammen mit der Nachbarstadt Isny gehörte Leutkirch im Allgäu seit 1995 zur ersten Modellregion des Landesprojektes „PLENUM“ (Projekt des Landes zur Erhaltung und Entwicklung von Natur und Landschaft). In dessen Rahmen wurde und wird u. a. die naturverträgliche Landwirtschaft und die Direktvermarktung regionaler Lebensmittel unterstützt (Götz 1998). Im Jahr 2013 erstellte die Stadt Leutkirch ein Klimaschutzkonzept, in welchem neben den spezifischen Zielen der Energiewende auch übergeordnete Ziele formuliert wurden, wie z. B. „den Klimaschutz im eigenen Verantwortungsbereich weiter vorantreiben“, „den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteuren innerhalb der Gemeinde Impulse für den Klimaschutz geben“, sowie „klimarelevante Sektoren mittels ganzheitlicher planerischer Ansätze bewerten“ (Stadt Leutkirch 2013, S. 2). Dies eröffnete Möglichkeiten, über den kommunalen Klimaschutz auch die lokale nachhaltige Ernährungswirtschaft zu fördern. Im Jahr 2019 wurde ein Katalog von 9 Zielen und 27 Maßnahmen zur Aktivierung des kommunalen Ernährungssystems in Leutkirch von den Fraktionen des Leutkircher Gemeinderats einstimmig beschlossen (Stadt Leutkirch 2017c). Ein Schwerpunkt liegt auf der Bewusstseinsbildung der Bürgerschaft für nachhaltige Einkaufs- und Essgewohnheiten, was eine Förderung der lokalen nachhaltigen Ernährungswirtschaft darstellt (Schanz et al. 2020). Dieser Katalog wurde von der Stadt Leutkirch 2016–2019 im Rahmen des BMBF-geförderten Forschungsprojekt KERNiG (Kommunale Ernährungssysteme als Schlüssel zu einer umfassend integrativen Nachhaltigkeitsgovernance) mit Unterstützung der Universität Freiburg und weiterer Projektpartner*innen erarbeitet (Stadt Leutkirch 2017a, b; Schanz et al. 2020).

Sind finanzielle und personelle Mittel zur Umsetzung des integrativen Ansatzes bereitgestellt?

Während der Projektlaufzeit von KERNiG (2016–2022) wurde im Zuständigkeitsbereich des Umweltbeauftragten (Michael Krumböck), d. h. im Fachbereich „Stadtplanung, Natur, Umwelt“, eine Projektstelle eingerichtet, die für die Erarbeitung und Umsetzung der Ziele und Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung des Ernährungssystems in Leutkirch zuständig war. Dazu gehörte auch die Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen der Stadtverwaltung wie „Tagesbetreuung, Schulen, Kindergärten, Sport“ und „Tourismus, Freibad, Kultur, Hallenmanagement“, sowie mit Betrieben der lokalen Ernährungswirtschaft und mit der lokalen Zivilgesellschaft. Darüber hinaus wurde der Oberbürgermeister und der Gemeinderat bei die Erarbeitung und Umsetzung von Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung des kommunalen Ernährungssystems unterstützt (Schanz et al. 2020; Sipple 2022). Die Projektstelle ist im Jahr 2022 ausgelaufen und wurde nicht verstetigt. Die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen und die Erreichung der anvisierten Ziele fällt nach wie vor in den Zuständigkeitsbereich des Umweltbeauftragten.

Werden Instrumente aus allen Bereichen von Planung, Wirtschaftsförderung, Kooperation, sowie Bildung und Information angewendet?

Hinsichtlich der Anwendung der 15 kommunalen Instrumente zur Stärkung der lokalen nachhaltigen Ernährungswirtschaft (Sipple und Wiek 2023) ergibt sich ein ausgewogenes Bild für die Stadtverwaltung Leutkirch, mit Anwendungen in allen vier Bereichen (Tab. 2). Das umfassende Engagement Leutkirchs wird auch durch eine Reihe von Auszeichnungen bestätigt. So wurde von Landesseite der Einsatz Leutkirchs im Ernährungsbereich als mitentscheidend für die Schaffung der „Bio-Musterregion Ravensburg“ eingestuft (Konzett 2018). Im Jahr 2019 wurde die Stadt erneut mit dem „European Energy Award“ in Gold ausgezeichnet, wobei als Begründung neben dem Engagement im Bereich erneuerbare Energie und Energieeffizienz erstmals ebenfalls die Aktivitäten der Kommune im Ernährungsbereich genannt wurden (Müller und Schumacher 2019). Eine erneute Auszeichnung erfolgte im Jahr 2023 (Panzram 2023). Zudem wurde die Projektidee „Eat Me Up!“ 2019 beim Wettbewerb „Land schreibt Zukunft“ des Rates für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung ausgezeichnet. Das Projekt bietet über eine Virtual Reality-Plattform authentische Einblicke in den Alltag der Betriebe der lokalen Ernährungswirtschaft sowie lokaler bürgerschaftlicher Initiativen mit Ernährungsrelevanz (Stadt Leutkirch 2020; Sipple 2022). 

Tab. 2 Übersicht zur Anwendung kommunaler ernährungswirtschaftspolitischer Instrumente in Leutkirch

Welche Herausforderungen und Lösungen bestehen bei der Umsetzung des integrativen Ansatzes?

Leutkirch hat bei der Umsetzung des integrativen Ansatzes mit verschiedenen Herausforderungen zu kämpfen. Die begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen bei hoher Arbeitsbelastung, Themenvielfalt und Fachkräftemangel stellen die Verwaltung vor Probleme. Die angesprochene Projektstelle war zunächst auf drei, später auf zusätzliche zwei Jahre befristet. Dies führte dazu, dass die Stelle über die Projektlaufzeit (2016–2022) mit insgesamt drei Personen besetzt war, was die Kontinuität der Maßnahmenumsetzung beeinträchtigte. Gleichzeitig zeigte sich, dass projektbezogene Personalressourcen allein weder zu einer Umsetzung der geplanten Maßnahmen noch zu einer stabilen Stärkung der lokalen nachhaltigen Ernährungswirtschaft durch die Verwaltung führen.

Als Reaktion auf diese Herausforderungen unterstützte die Stadt Leutkirch die Konzeption eines Geschäftsmodells, welches die kommunalen Projekte und Maßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung der lokalen Ernährungswirtschaft verstetigen sollte. Dabei handelt es sich um die Gründung eines kommunalen Unternehmens in Form einer „Kommunalen Ernährungsmeisterei“ mit den Geschäftsfeldern Gemeinschaftsverpflegung, Ernährungsbildung und Fachkräfteförderung (Sipple et al. 2023a). Die Idee und Ausrichtung der kommunalen Ernährungsmeisterei basiert auf den im Rahmen einer Modellierung kommunaler Ernährungssysteme identifizierten Hebelpunkten (Sipple und Schanz 2023).

Zusammenfassung – Was sind positive Entwicklungen und kritischen Punkte bei der Umsetzung des integrativen Ansatzes?

Die Stadt Leutkirch hat über die vergangenen 10 Jahre verschiedene Schritte zur Umsetzung eines integrativen Ansatzes zur nachhaltigen Entwicklung der lokalen Ernährungswirtschaft unternommen. Die partizipativ erarbeiteten Ziele und Maßnahmen sind umfassend und zeigen, dass Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in Leutkirch ernährungsbezogene Handlungsfelder ernst nehmen. Gleichzeitig fällt jedoch auf, dass die Ziele und Maßnahmen nicht sektorübergreifend formuliert sind, sondern nur einzelne Bereiche des Ernährungssystems und damit auch der Verwaltung adressieren. Dies zeigt sich insbesondere auf der Ebene des Verwaltungshandelns, wo die angesprochene Projektstelle ein verbindendes Element zwischen den Fachbereichen der Verwaltung sowie zwischen Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft darstellte, das nach Projektende nicht mehr gegeben ist (Baldy 2019; Baldy et al. 2021).

Zur Umsetzung der Maßnahmen wurde in Leutkirch, neben der Finanzierung einer Koordinationsstelle aus Projektmitteln im Stadtbauamt, insbesondere auf politische Unterstützung seitens Verwaltungsspitze und Gemeinderat sowie ehrenamtliches Engagement durch die Zivilgesellschaft gesetzt (u. a. durch eine Bürgerinitiative). So wurde die nachhaltige Transformation des kommunalen Ernährungssystems zwar thematisiert, diskutiert und bearbeitet, jedoch fehlten hier verwaltungsübergreifend die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen, um sowohl die beschlossenen Maßnahmen langfristig umzusetzen als auch relevante Studienergebnisse umfassend zu integrieren (z. B. Moschitz und Frick 2018; Meier et al. 2019; Sipple und Schanz 2019, 2021; Baldy 2019; Baldy und Kruse 2019; Hennchen und Pregernig 2020; Kruse 2021; Schanz et al. 2020). So zeigen sich in Leutkirch zwar gerade in politischen, kulturellen und sozialen Bereichen die ersten Veränderungen und Erfolge, doch für die Entfaltung und den Nachweis positiver ökonomischer und ökologischer Wirkungen reichen die bereitgestellten Mittel und ergriffenen Maßnahmen noch nicht aus (Schanz et al. 2020).

5 Schlussfolgerungen

Aus den bisherigen Erfahrungen mit den integrativen Ansätzen zur Förderung der lokalen nachhaltigen Ernährungswirtschaft in Leipzig und in Leutkirch im Allgäu können eine Reihe von Schlüssen gezogen werden, welche für andere Städte und Gemeinden hilfreich sein sollten. Dabei gibt es neben vielen Gemeinsamkeiten auch einige Unterschiede, die bei Transfer und Multiplikation der Erfahrungen berücksichtigt werden müssen:

Integrative Ansätze zur nachhaltigen Entwicklung der Ernährungswirtschaft können durch öffentlichkeitswirksame Kooperationen und durch Anbindung an aktuelle Themen politisch und institutionell in der Kommunalverwaltung verankert werden; dabei sollte auf die sektorenübergreifende Ausrichtung und die Einrichtung querschnittsorientierter Verwaltungsstrukturen geachtet werden.

Beide Städte haben erreicht, dass die nachhaltige Entwicklung der lokalen Ernährungswirtschaft als Zielstellung und Handlungsfeld in der Kommunalverwaltung verankert worden ist. Dabei wurden in beiden Fällen sich bietende Gelegenheiten öffentlichkeitswirksamer Kooperationen genutzt. In Leipzig hat das Ausrufen des Klimanotstands in 2019 über die Folgejahre zur Erarbeitung des „Energie- und Klimaschutzprograms (EKSP) 2030“ geführt, welches konkrete ernährungs(wirtschafts)politische Ziele und Maßnahmen erhält. Die Erarbeitung wurde auch durch Kooperationen im Rahmen des BMBF-geförderten Projektes WERTvoll unterstützt. In Leutkirch wurde die Kooperation mit der Universität Freiburg im Rahmen des BMBF-geförderten KERNiG-Projektes genutzt, um Ziele und Maßnahmen zu erarbeiten und anschließend zu verabschieden. Breite Kooperation und Partizipation sind in beiden Fällen als wichtige Erfolgsfaktoren hervorzuheben. Diese strategischen Prozesse verdeutlichen zudem, dass aktuelle Themen der Kommunalpolitik, wie z. B. Klimaschutz oder Stadtentwicklung, als Vehikel dienen können, um ernährungs(wirtschafts)politische Ziele und Maßnahmen ins öffentliche Bewusstsein zu heben. Allerdings steht in beiden Städten die vollumfängliche Verankerung in den zentralen kommunalen Entwicklungskonzepten, mit spezifischen Zielen, Maßnahmen und Mitteln, noch aus. Hier ist vor allem auf sektorübergreifende Verankerung zu achten, um die Ernährungswirtschaft tatsächlich integrativ, und nicht nur additiv, in den jeweiligen Verwaltungsbereichen fördern zu können. Leipzig hat eine entsprechende querschnittsorientierte Einheit geschaffen (Referat „Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz“), während in Leutkirch dem Umweltschutzbeauftragten diese Aufgabe zufällt. Wenn man die unterschiedlichen Größen der beiden Stadtverwaltungen berücksichtigt, scheint das angemessen. Die Funktion und Aufgaben der ausgelaufenen Koordinationsstelle (im Rahmen des KERNiG-Projektes) können jedoch aufgrund der bereits bestehenden vielfältigen Verantwortlichkeiten in anderen Bereichen nur in geringem Maße durch den Umweltschutzbeauftragten übernommen werden.   

Die Umsetzung integrativer Ansätze zur nachhaltigen Entwicklung der Ernährungswirtschaft bedürfen ausreichender personeller und finanzieller Mittel; diese können durch externe Projektfinanzierungen initiiert, sollten dann aber im kommunalen Haushalt verstetigt werden; dabei sollten haushaltswirksame Synergien durch die Anwendung verschiedener Instrumente herausgestellt werden.

Die Erfahrungen in beiden Städten zeigen auf, wie gewisse finanzielle und personelle Mittel bereitgestellt und qualifiziertes Personal spezifisch für dieses Thema rekrutiert werden konnten. Dies ist unabdingbar, um Fortschritte bei der Zielerreichung zu machen, und in gewisser Hinsicht auch selbstverständlich im Rahmen kommunalpolitischer Prozesse. Bemerkenswert ist, dass beide Städte zuerst externe Projektfinanzierungen (WERTvoll-Projekt und KERNiG-Projekt) genutzt haben, um kommunale Instrumente einzuführen, zu testen und zu etablieren. Auf dieser Grundlage wurden und werden Bemühungen unternommen, die Förderung der lokalen nachhaltigen Ernährungswirtschaft über den regulären Kommunalhaushalt zu sichern. Dies ist bisher jedoch nur zum Teil geglückt. In beiden Städten stehen insgesamt unverhältnismäßig geringe Mittel zur Verfügung in Anbetracht der zahlreichen Aufgaben und des beträchtlichen Investitionsbedarfs für Nachhaltigkeitsinnovationen in regionalen Lebensmittel-Wertschöpfungsketten. Die Herausforderungen betreffen zum einen die Verstetigung von Projektstellen (Leutkirch) und zum anderen die finanzielle Ausstattung von kostenintensiven Instrumentenanwendungen (z. B. die Finanzierung von Betrieben oder der Betrieb von kommunalen Unternehmen). Auf beide Punkte muss besonderes Augenmerk gelegt werden, um die breite Anwendung des Instrumente-Katalogs zu gewährleisten (Sibbing et al. 2021). Dabei sollte auch verstärkt auf Synergien hingewiesen werden, welche durch das koordinierte Zusammenspiel von Instrumenten (z. B. kommunale Planung, Finanzierung von Betrieben, Ausbildungs- und Beratungsangebote zum nachhaltigen Wirtschaften) erzeugt werden können. Zudem sollten Kommunalverwaltungen die Fülle an Instrumenten noch gezielter einsetzen, um durch den nachhaltigen Umbau der Ernährungswirtschaft gleichzeitig Daseinsvorsorge und Wirtschaftsförderung zu betreiben (Schanz und Sipple 2023; Sipple und Schanz 2023). Dies sollte in kommunalen Haushaltsdebatten positiv genutzt werden können.

Begrenzte personelle und finanzielle Mittel für die Umsetzung integrativer Ansätze zur nachhaltigen Entwicklung der Ernährungswirtschaft können durch strategische Schwerpunktsetzungen, Beteiligungen und ‚Pooling‘ gestreckt werden.

Trotz der oben beschriebenen Herausforderungen können andere Städte und Gemeinden aus den Erfahrungen Leipzigs und Leutkirchs lernen, wie sich, trotz begrenzter personeller und finanzieller Mittel, relevante Anwendungen von Instrumenten in allen vier Bereichen umsetzen lassen. In beiden Städten haben extern finanzierte Kooperationsprojekte wesentlich zur Anwendung kommunaler Instrumente und deren Integration beigetragen, insbesondere durch eigens dafür geschaffene Stellen. Begrenzte Mittel erfordern Schwerpunktsetzungen. Die bestehenden Lücken bei den Instrumentenanwendungen in den vier Bereichen widerspiegeln generelle Ressourcenknappheit in Leutkirch. Aber umgekehrt zeugen die geschlossenen Lücken in Leipzig von der deutlichen Ausrichtung auf die gezielte Förderung von nachhaltigen Lebensmittelbetrieben. Ressourcenknappheit kann ferner mit strategischen Beteiligungen begegnet werden. Beispiele aus Leipzig zeigen auf, wie die Abwägung zwischen federführender Rolle der Kommunalverwaltung bei der Anwendung einiger Instrumente und gezielter Partnerschaften mit anderen federführenden Einrichtungen hier zu kostengünstigen Lösungen führen kann. Und schließlich veranschaulicht der Einbezug der Umlandgemeinden in die nachhaltige Entwicklung der Ernährungswirtschaft in der Metropolregion Leipzig, wie das ‚Pooling‘ von knappen Ressourcen auf regionaler Ebene aussehen kann.

Anwendungsorientierte Forschung kann die Umsetzung integrativer Ansätze zur nachhaltigen Entwicklung der Ernährungswirtschaft durch evidenzbasierte Planung, z. B. basierend auf Modellierungen, sowie durch begleitende Evaluationen und Anpassungsempfehlungen unterstützen.

Der gegenwärtige Stand der Umsetzungen integrativer Ansätze zeugt von den großen Herausforderungen, welche der nachhaltigen Entwicklung kommunaler Ernährungssysteme entgegenstehen. Neben begrenzten Mitteln stechen Wissensdefizite ins Auge. Hier kann die Wissenschaft einen wichtigen Beitrag leisten. In Leipzig und in Leutkirch hat die Forschung durch evidenzbasierte Planungen, wie z. B. beim modellierungsgestützten Konzept der kommunalen Ernährungsmeisterei für Leutkirch (Sipple et al. 2023a), die Umsetzung der integrativen Ansätze unterstützt. Diese Unterstützungsfunktion ist allerdings noch stark ausbaufähig. Kommunalverwaltungen sollten insbesondere evidenzorientierte Planungs- und Monitoring-Kapazitäten entwickeln. Diese helfen z. B. bei der modellierungsgestützten Koordination von Instrumentenanwendungen oder der Beobachtung und Evaluation, welche realen Ergebnisse bisher erzielt worden und welche aufgrund der ergriffenen Maßnahmen in Zukunft zu erwarten sind. So kann eine weitere wertvolle Ressource genutzt werden, um die nachhaltige Entwicklung der Ernährungswirtschaft zu beschleunigen.