Rufen wir uns noch einmal die drei Anstöße vom Beginn dieser Untersuchung in Erinnerung, die in dem Eingangszitat Schmayls stecken und fragen uns, ob wir ein paar Zentimeter weiter in der Erkenntnis vorangeschritten sind.

Die Überlegungen zu den drei Begriffen ›Bildung‹, ›Erziehung‹ und ›Kompetenz‹ führten zu der Erkenntnis, dass Bildung und Erziehung untrennbar sind und Schule den Doppelauftrag von Persönlichkeitsbildung und Enkulturation hat. Bei der Untersuchung der Gegenstände von Bildung und Erziehung haben wir festgestellt, dass weder das Natur- noch das Kulturverständnis eindeutig und konstant sind, dass sich vielmehr Überschneidungen und Wechselwirkungen ergeben, die Folgen für den Technikbegriff haben. Ausgangspunkt war schließlich ein teleologischer Naturbegriff eines objektiven Idealismus und ein weiter Kulturbegriff, der Kultur als die Totalität menschlicher Hervorbringungen ansieht.

Die Verknüpfung von Bildung und Erziehung, von Persönlichkeitsbildung und Enkulturation machte ein erneutes Nachdenken über Menschenbilder aus philosophischer, psychologischer und gesellschaftlich-politischer Sicht notwendig. Daraus ergab sich das Interaktionsmodell, das die drei Wertebereiche des Wahren, Schönen und Guten, die Ganzheit des Bildungssubjekts von Kopf, Herz und Hand und den Dreischritt des Lernens von Erleben, Verstehen und Handeln miteinander und zwischen Bildungssubjekten und -objekten verknüpft. Die Forderung einer Allgemeinen Fachdidaktik ergab sich aus der Tatsache, dass es (noch) kein schlüssiges Modell zur Verbindung von Allgemeiner Didaktik und Fachwissenschaften gibt, welches das Kanonproblem lösen könnte. Als fehlende Bezugswissenschaft für alle Fächer wurde die jeweilige Fachphilosophie gefunden, die es ermöglicht, Aussagen zum „Wesen eines Faches“ zu tätigen und damit das fachliche Spektrum über die reine Fachwissenschaft, des „“Wahren“, hinaus in Richtung des „Schönen“ und „Guten“ zu vergrößern.

Durch Anwendung des gefundenen Modells auf Technik konnte die Technikphilosophie das Spektrum im Hinblick auf das Erleben und Verstehen von Technik und das verantwortliches technische Handeln und Gestalten zum „Ganzen der Technik“ vergrößern. Beim Wahrnehmen und Erleben der Technik führte insbesondere die Überwindung der Anästhetik durch Ding- und Ausdruckswahrnehmung und das Selbsterleben durch Kinästhetik zu neuen Einsichten.

Beim Verstehen der Technik gelang die Überwindung der technizistischen Sichtweise hin zu einer kulturellen Sichtweise durch das Decodieren der Konnotationen und Symbolbedeutungen der kulturellen Sinnkapseln. Die Sinnperspektive der Technik wurde sowohl individuell als auch gesellschaftlich durch die Dialektik der Technik, insbesondere die der Machbarkeit und Unverfügbarkeit, erschlossen.

Schließlich wurden die Wertedimensionen und der Mündigkeitsbegriff über die ethischen Betrachtungen zur Technik erweitert.

Durch Anwendung des Filtermodells der Allgemeinen Fachdidaktik ergaben sich aus den philosophischen Analysen pädagogische Perspektiven und Prinzipien für den Technikunterricht. Schließlich wurde das Gegenstandsspektrum vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rollen beim technischen Handeln zu Kulturreihen gefiltert, um zu einem Kern technischer Bildung zu gelangen.

Insgesamt ist damit ein kategoriales Gegenstandsspektrum begründet umrissen und das Ganze der Technik, insbesondere ihre kulturelle Bedeutung näher bestimmt.

Abschließend sei eine mögliche Weiterentwicklung anhand einer Utopie vorausgeahnt. Der Begriff „Utopie“ geht auch auf die „Utopia“Footnote 1 von Thomas Morus, meinem Namenspatron, zurück. Thomas Morus ist nicht nur für seine standhaften Überzeugungen bekannt, die ihm den Kopf gekostet haben, sondern auch für seinen Humor. Eine Legende besagt, dass er vor der Enthauptung seinen Bart beiseite schob mit der Bemerkung: „Der wenigstens hat ja keinen Hochverrat begangen“ (Hünermann 1952, 385)!

So möchte ich zum Schluss, ganz im Sinne Morus‘ eine kurze Utopie entwickeln.

Dies geschieht als Rückschau aus der Zukunft, in Form einer „Re-Gnose“ (vgl. (Horx 2020, 69ff). Wir schreiben den 6.Juli 2035, den 500.Todestag Thomas Morus‘. Die Folgen der Pandemie und des Ukraine-Krieges, die zunehmenden Wetterextreme und die zunehmenden Ereignisse technischen Versagens und technischer Mängel durch fehlende Handwerker und Ingenieure haben schon vor 10 Jahren zu einem Umdenken geführt. Endlich wurde die kulturelle Bedeutung der Technik erkannt, Technik als allgemeinbildendes Fach anerkannt und ein länderübergreifender Masterplan „Technische Bildung“ wurde auf den Weg gebracht, der schon in der Elementarbildung ansetzt und über die gymnasiale Oberstufe bis in die Erwachsenenbildung reicht. Insbesondere die etablierten Fächer wurden dazu aufgefordert, ähnlich wie die Technik, ihre persönlichkeitsbildenden und enkulturierenden Ziele aus ihrer Fachphilosophie heraus zu begründen. Durch den hohen Anteil abbildungsdidaktischer Konzepte, die zur Anhäufung von totem Wissen führen, konnten die Stundentafeln in vielen Fächern stark zugunsten des flächendeckenden Technikunterrichts gekürzt werden. Die Zeit bis zum Aufbau von ausreichenden Ausbildungskapazitäten an Hochschulen wurde mit einem bundesweiten Kurssystem „Technische Bildung“ zur Nachschulung interessierter Lehrkräfte zu Techniklehrkräften überbrückt. Dafür wurden auch bereits pensionierte „Windmühlenkämpfer“ der Technik „wiederbelebt“, die sich endlich am Ziel ihrer Träume sahen.

Flankiert wurden diese Maßnahmen im Bildungsbereich mit umfassender Gesetzgebung zur Nachhaltigkeit und Menschenfreundlichkeit technischer Entwicklungen, mit gesellschaftlichen Diskursen zum Verständnis von Qualität und Fortschritt und mit Maßnahmen zu einem achtsamen Umgang mit Natur, Kultur und Mitmenschen.

Dabei hat nicht zuletzt eine veränderte spirituelle Einstellung der Bevölkerung eine große Rolle gespielt.

„Der in der Welt Stehende bedarf der Kunst, in sich selber und in einem Tieferen als er selber, Stand zu fassen, um von dort her diese Welt zu packen“ (Guardini 1990, 90),

„Ob wir mit unserem Tiefsten zu Gott kommen, zu Ihm hinübertreten, und von Ihm her, aus seiner Freiheit und seiner Kraft, Herr werden über das Chaos; das wird die Entscheidung sein.“ (ebd., 91)

Wir schließen mit Plessner und überlassen die weltanschaulich-religiöse Entscheidung jedem Einzelnen.

„Wer nach Hause will, in die Heimat, in die Geborgenheit, muß sich dem Glauben zum Opfer bringen. Wer es aber mit dem Geist hält, kehrt nicht zurück“ (Plessner 1975, 342).