Zusammenfassung
Die Einrichtung einer dritten (vielmehr vierten) Geschlechtskategorie als Personenstand und die zunehmende Sichtbarkeit von trans-, intergeschlechtlichen und non-binären Personen – im Folgenden kurz tin Personen bzw. TIN – führen zu neuen Anforderungen an Mitarbeiter*innen in staatlichen Institutionen. Die Bedeutung von diesen das Geschlecht betreffenden Fragen für Polizeibeamt*innen wird gesellschaftlich unterschätzt und selten thematisiert. Dabei ist der Umgang mit tin Polizeibeamt*innen ebenso wichtig, wie der Umgang mit tin Klient*innen.
Der folgende Beitrag stellt Ergebnisse der Fachtagung „Geschlechtergerechte Begleitung von trans-, intergeschlechtlichen und non-binären Personen durch Verwaltung und Polizei“ an der Hochschule Merseburg (Schneider et al. Durchführung von Fachtagen zur Integration von Inhalten zu Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit in ausgewählte Ausbildungen und Studiengänge der Bereiche Pädagogik/ Soziale Arbeit, Gesundheit/ Medizin/ Pflege, Verwaltung/ Polizei – Abschlussbericht und Ableitungen für Curricula. Hochschule Merseburg, Merseburg, 2021) und aus der Fortbildung von Polizeibeamt*innen im Verwendungsaufstieg der Polizei Sachsen-Anhalts vor.
Zunächst werden einige Grundlagen zu TIN erläutert, daran schließen sich praxisnahe Möglichkeiten der Thematisierungen für den polizeilichen Kontext an (u. a. Besonderheiten bei Identitätsfeststellungen und Durchsuchungen sowie Festnahmen und Freiheitsentziehungen; Fragen zu Hasskriminalität). Handlungsorientierende Empfehlungen angeschlossen.
Reviewys: Karim Fereidooni, Alexander Steinhäuser
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Notes
- 1.
So haben in den umfassenden sexualwissenschaftlichen Studien „PARTNER 5 Erwachsenensexualität“ (n = 3.466; Kruber et al., 2022) und „PARTNER 5 Jugendsexualität“ (n = 861; Weller et al., 2022) jeweils 4 % der befragten den Geschlechtseintrag „divers bzw. sonstiges“ genutzt; in den Gruppen „weiblich“ und „männlich“ finden sich darüber hinaus Personen mit Trans*-Biografien, wie Freitextangaben anzeigen. Legt man die gesamtgesellschaftliche Relevanz geschlechtlicher Non-Binarität und Verbreitung diversgeschlechtlicher Selbstidentifizierung an die Polizei an, so ist von entsprechenden kollegialen Kontakten auszugehen.
- 2.
Die Auswirkungen von Diskriminierungen und Gewalterfahrungen im Hinblick auf trans* und inter* Personen sind mittlerweile wissenschaftlich gut dokumentiert (etwa TransInterQueer e. V. 2016; Fundamental Rights Agency 2014; Fundamental Rights Agency 2020); im Hinblick auf geschlechtliche Nonbinarität gibt es bislang nur erste Untersuchungen, die auf ähnliche Herausforderungen wie für trans* und Inter* Personen verweisen (etwa TransInterQueer e. V. 2016).
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Merker, G., Voß, HJ. (2024). Fortbildungen zur geschlechtergerechten Begleitung von trans-, intergeschlechtlichen und non-binären Personen durch die Polizei. In: Staller, M.S., Koerner, S. (eds) Diversität und Polizei. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-42565-4_8
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