„Responsivität als organisationales Vermögen, als Kompetenz der Organisation zählt nicht zu den stärksten Eigenschaften von Schulen. Eben deshalb bedürfen sie besonders dringend responsiver Organisationsforschung.“ (Ortmann 2017, S. 56 hervorg. im Text)

Wie kommen institutionelle Vorstellungen in die Schule, wie reagieren Schulleiter/-innen auf Ansprüche und wie vollzieht sich dadurch in weitestem Sinne organisationaler Wandel? Diese Fragen sind zentrale Themen des dritten Kapitels. Um sie im Detail zu behandeln, knüpfen die Ausführungen an die bereits in Kapitel 2 diskutierten Theorienansätze an. Es werden Konzepte zu institutionellem Wandel und die Verarbeitung von institutionellen Vorstellungen in konkrete Handlungen diskutiert. Um sich besonders auf die Situation von Schulleiterinnen und Schulleiter beziehen zu können, erfolgt im Anschluss eine vertiefte Betrachtung des sich wandelnden Verständnisses von Schulleitung inklusive des potenziell entstehenden Zielbildes für kommende Jahre. Um Schulleitungsforschung und institutionelle Organisationsforschung zusammenzubringen, werden im letzten Teil dieses Kapitels aktuelle Forschungszugänge der Organisationspädagogik aufgegriffen. Mit dem Ansatz, Wandel im Sinne von Responsivität zu verstehen, erfolgt die gemeinsame Rahmung der beiden Themen. Das Konzept der Responsivität bietet die Möglichkeit, Leitungshandeln als Antwortverhalten beschreibbar zu machen. Wie in der Einleitung klar dargestellt, soll dies anhand des Antwortverhaltens von Schulleiterinnen und Schulleiter auf eine Reform bzw. eine Reform umfassende Qualitätsentwicklungsinitiativen erfolgen. Um, wie bereits im zweiten Kapitel begonnen, auch hier der empirischen Studie eine solide theoretische Grundlage zur Seite zu stellen, werden zentrale Begriffe erläutert und in weiterer Folge auch für die Arbeit operationalisiert. Zu diesen zentralen Begriffen zählen institutioneller Wandel im Neo-Institutionalismus, Schulleitung im Wandel, Leadershipformen und Responsivität als Antwortverhalten.

Schule im 21. Jahrhundert kann als eine sich am Scheideweg befindende Institution beschrieben werden. Lag ihre zentrale Aufgabe über lange Zeit hinweg darin, Wissen zu vermitteln sowie „soziokulturelle Aufgaben im Sinne der Einführung in gesellschaftliche Anforderungen zu übernehmen“ (Schratz 2019, S. 46), ist dieses Bild zunehmend im Wandel begriffen. Schulen werden heute weniger als Orte der Wissensvermittlung gesehen, sondern vielmehr als Orte, an denen sich Generationen miteinander austauschen und entscheidende gesellschaftliche Fragen aushandeln.

„Schule ist damit konfrontiert, dass sie heute über Strukturen von gestern junge Menschen zu mündigen Staatsbürgerinnen und -bürgern von morgen erziehen und bilden soll.“ (Schratz 2003, S. 8)

Daraus leitet sich ab, dass Schule als Institution, aber auch als Organisation, Logiken des Bewahrens – Schratz (2019, S. 41) spricht von Kontinuität – und gleichzeitig Logiken des Wandels in sich vereinen muss. Schulleitung hat, besser gesagt Schulleiterinnen und Schulleiter haben zur Aufgabe, Schulen bei diesem Wandel zu begleiten bzw. zu führen. Dementsprechend hat sich auch der Anspruch an Schulleitungshandeln gewandelt (vgl. Schratz et. al. 2015; Gerick und Harazd 2011). Um im Folgenden die Brücke zwischen institutionellen Umwelten von Schulen, deren Ansprüchen und sich daraus ergebenden Veränderungsprozessen schlagen zu können, erfolgt zunächst eine Darstellung institutionellen Wandels aus neo-institutionalistischer Sicht, um dann jene Veränderungstrends aufzuzeigen, die sich für Schulleitung in Österreich in den vergangenen Jahren ergeben haben.

3.1 Institutioneller Wandel

Während in der ersten Phase der neo-institutionalistischen Theorieströmungen die Stabilität von Institutionen im Zentrum der Betrachtung stand, weichen neuere Veröffentlichungen davon ab und setzen sich vermehrt mit dem Wandel von Institutionen auseinander (vgl. Merkens 2011, S. 99 f.). Damit wird der Kritik Rechnung getragen, die den neo-institutionalistischen Theorien vorwirft, „mangelhaftes konzeptionelles und empirisches Erklärungspotential im Bezug auf institutionelle Veränderungen und organisatorischen Wandel“ (Walgenbach und Meyer 2008, S. 85) zu bieten. Anknüpfend an die bereits dargestellten Entwicklungen wird Wandel dabei auf unterschiedlichen Ebenen und unter Rekurs auf erweiterte Theorien diskutiert: z. B. Wandel von institutionellen Logiken (u. a. Thornton, Ocasio und Lounsbury 2012), Wandel in Organisationalen Feldern (u. a. Fligstein und McAdams 2012) oder Wandel durch institutionelle Arbeit (u. a. Lawrence und Suddaby 2006).

3.1.1 Auslöser von Wandel am Beispiel schulischer Veränderungen

Zunächst muss unterschieden werden zwischen institutionellem Wandel, also dem Wandel von institutionellen Logiken und Erwartungshaltungen, und organisationalem Wandel, der etwa durch externe institutionelle Erwartungshaltungen hervorgerufen werden kann. Festzuhalten ist, dass organisationaler Wandel schon immer Gegenstand der neo-institutionalistischen Forschung war, insbesondere etwa Wandel in Richtung einer zunehmenden Angleichung an institutionelle Vorstellungen (Isomorphie) (vgl. DiMaggio und Powell 1983) oder durch stufenweise Veränderung (Diffusion) (vgl. Zucker 1977; Barley und Tolbert 1997). Betont wurde dabei jedoch eine Homogenisierung von organisationalen Handlungsstrukturen durch institutionellen Druck – also ein „konvergenter Wandel“ (Walgenbach und Meyer 2008, S. 86). Wenig Beachtung – und vor allem hierauf bezieht sich die zuvor genannte Kritik – wurde Phänomenen wie divergentem Wandel, institutioneller Heterogenität oder einem konstitutiven Verständnis von Institutionen entgegengebracht (vgl. ebd.). Jene Fragen, die sich mit institutionellem Wandel auseinandersetzen, stehen somit im Mittelpunkt der Einwände. Eine solche Diskussion bedingt allerdings eine Abkehr von dem Verständnis, dass Institutionen stabile, nicht veränderbare Instanzen sind. Auch das Verhältnis zwischen Institutionen und Organisationen kann nicht mehr einseitig konstitutiv gedacht werden, sondern muss, wie bereits in Kapitel 2 beschrieben, als ein sich gegenseitig beeinflussende Relation verstanden werden. Das wiederum zieht weitere Fragen nach sich.

Walgenbach und Meyer bringen eine solche auf den Punkt:

„Wie [können] neue Praktiken Fuß fassen und institutionalisiert werden, wenn Akteure, ihre sozialen Identitäten, Präferenzen und Interessen durch jene Institutionen definiert und geprägt sind, die verändert werden sollen [...]? (ebd.)

Bereits dargestellte Ansätze (vgl. Kapitel 2), wie etwa das Paradoxon der „embedded agency“ oder der Ansatz des „institutional entrepreneurship“, bieten erste Konzepte, um diese Formen von Wandel zu diskutieren und eine aktivere Rolle der Akteure zu berücksichtigen. Mit den weiteren Ausführungen in diesem Kapitel, insbesondere zu Veränderungsprozessen in Schulen, die durch Schulleiter/innen begleitet und angeleitet werden, erfolgen weitere vertiefte Auseinandersetzungen.

Um die Auslöser von Wandel analysieren und diskutieren zu können, ist es zunächst notwendig zu verstehen, dass Institutionen „multidimensionale Phänomene“ (Walgebach und Meyer S. 86) sind. Dementsprechend können Veränderungen dieser Institutionen an unterschiedlicher Stelle ansetzen und in unterschiedlicher Geschwindigkeit erfolgen. Greenwood und Hinings (1996) unterscheiden zwischen revolutionärem und evolutionärem Wandel. Dabei attestieren sie ersterem eine hohe Geschwindigkeit und einen großflächigen Effekt und schreiben dem evolutionären Wandel eine gemäßigte Geschwindigkeit sowie eine pointierte und nur partiell ausgelöste Veränderung zu (S. 1024).

Merkens bezeichnet den evolutionären Wandel als inkrementellen Wandel (vgl. 2011, S. 110 f.). Im Gegensatz zum revolutionären Wandel, der meist die fundamentalen institutionellen Logiken verändert, wird inkrementeller Wandel als natürlicher Fortgang der Entwicklung verstanden. Eine fortlaufende Weitergabe der institutionellen Logiken durch Akteure zieht kleinteilige Adaptionen nach sich, die somit stetigen Wandel bedingen.

Wie bereits in Kapitel 2 im Zuge der Auseinandersetzung mit Zucker (1977) bzw. Tolbert und Zucker (1996) dargestellt, führen auch Greenwood und Hinings an, dass ein fundamentaler bzw. revolutionärer Wandel weniger häufig vorkommt, wenn Institutionen bereits verankert und gefestigt sind. Die Autoren sehen daher vor allem bei „jungen“ Institutionen die Möglichkeit einer radikalen Transformation. Diese Annahme wäre für sämtliche Veränderungsbestrebungen z. B. im Zuge von Reformen fatal, weshalb sie auf einige Kritik stößt. Streeck und Thelen (2005) etwa sprechen sich dafür aus, dass radikale Veränderungen auch graduell vonstattengehen können und nicht zwingend einer impulsiven Wandlungslogik folgen müssen. Auch Campbell (2004) regt an, Stabilität und Wandel nicht als gegensätzliches Paar zu verstehen, sondern vielmehr als Kontinuum:

„So, for any episode of change, change may be located in a continuum, which ranges from stability on one end, through increasing degrees of evolutionary change in the middle, and through increasing degrees of revolutionary change on the other end.“

(S. 174)

Neben der Frage, in welcher Form sich Wandel vollziehen kann, wird auch die Frage in den Raum gestellt, welche Auslöser die unterschiedlichen Veränderungen haben können. Zentral wird dabei zwischen exogenen und endogenen Auslösern unterschieden. Entscheidend für die Verortung, ob exogen oder endogen, ist hierbei die zu untersuchende AnalyseeinheitFootnote 1 (vgl. Merkens (2011). Für die vorliegende Arbeit wäre exogen außerhalb der Schule und endogen innerhalb der Schule, wobei eine solch trennscharfe Unterscheidung nicht immer gelingen kann, wie sich in weiterer Folge darstellen lässt. Sowohl exogene als auch endogene Auslöser können in letzter Instanz zu einer Destabilisierung institutioneller Vorstellungen – zur De-Institutionalisierung – führen (vgl. Oliver 1991).

Exogene Auslöser

Ganz allgemein werden als exogene Auslöser sämtliche Ereignisse zusammengefasst, auf die Organisationen wenig bis keinen Einfluss haben. Bleibt man im schulischen Kontext, so können das etwa technologische Innovationen oder wesentliche Veränderungen in den gesetzlichen Vorgaben (z. B. neue Reformen) sein. Entscheidend für den Wandel ist jedoch die Antwort der Organisation auf den Impuls.

„Je mehr eine Alternative durch einen einsetzenden Institutionalisierungsprozess als legitime Praktik erscheint, desto stärker erodiert die Legitimität der zuvor institutionalisierten Praktik.“ (Walgenbach und Meyer 2008, S. 102 nach Leblebici et al. 1991)

Oliver (1991) unterscheidet zwischen drei verschiedenen Ursachen für De-Institutionalisierung (vgl. Quack 2006, S. 177). Alle drei lassen sich – mehr oder wenig eindeutig – den exogenen Auslösern zuordnen und können mit dem Säulen-Modell von Scott bzw. dessen Erweiterung nach Koch in Bezug gesetzt werden. Zunächst führt Oliver den „politischen Druck“ an.

„Über politischen Druck verändern sich in pädagogischen Organisationen vor allem die institutionellen Logiken. Schulen bieten hierzu gute Beispiele[.]“ (Merkens 2011, S. 101). Merkens führt als Beispiel an, wie mit Kindern nicht-deutscher Muttersprache an Schulen verfahren wird. Je nachdem, ob diese in gesonderten Deutschklassen oder in integrativen Settings unterrichtet werden, werden segregative oder integrative Handlungsweisen und Strukturen mit der Zeit institutionalisiert. Daraus ergeben sich wiederum institutionelle Logiken. Der exogene Auslöser, der hier beschrieben wird, lässt sich vor allem mit einer stark regulativ ausgeprägten Säule vergleichen. Die Vorgaben erfolgen durch neue Verordnungen bzw. neue Erlässe. Es kann aber auch die normative Säule mehr in den Vordergrund treten; je nach Autonomiespielraum können Schulen bzw. schulische Akteure entscheiden, inwieweit sie den institutionellen Logiken der bildungspolitischen Vorgaben entsprechen wollen/müssen oder nicht. Merkens verweist in diesem Zusammengang auf das Begriffspaar „funktionaler Druck“ – ebenfalls eine von Oliver (1991) herausgearbeitete Kategorie. Damit wird eine Veränderung in der institutionellen Umwelt beschrieben, die eine direkte Auswirkung auf das Handeln in der Organisation hat, weil die institutionalisierte Handlung oder Routine nicht mehr als passend erachtet wird, um neuen Herausforderungen zu begegnen (vgl. u. a. Quack, S. 177). Merkens (2011) exemplifiziert dies anhand der PISA-Testungen und des durch die schlechten Ergebnisse ausgelösten Schocks. Durch die PISA-Testergebnisse kam es zu einem Umdenken in den deutschsprachigen Bildungssystemen. Zwar, so führt Merkens an, können durch die PISA-Testungen keine „falschen“ Strukturen im Bildungssystem festgemacht werden, jedoch ließe das schlechte Abschneiden der Schülerinnen und Schüler die Annahme zu, dass aufgrund der Strukturen des Systems ein solch schlechtes Ergebnis überhaupt erst möglich gewesen sei (vgl. 2011, S. 102). Neben dem „politischen“ und dem „funktionalen“ Druck ist zuletzt noch der „soziale“ Druck zu nennen. Dieser lässt sich am ehesten mit der kognitiv-kulturellen Komponente des Säulenmodells vergleichen. „Sozialer Druck in Richtung Veränderung von Traditionen entsteht, wenn die normative Fragmentierung in einer Organisation zunimmt.“ (Merkens 2011, S. 102 nach Oliver 1991). Ein Beispiel aus dem erziehungswissenschaftlichen Kontext wäre etwa die Schulwahlentscheidung und die damit verbundene Attraktivitätsverschiebung der Schultypen innerhalb eines segregierenden Systems (nach der vierten Schulstufe), welches in vielen deutschen Bundesländern und auch in Österreich noch existiert.

Sozialer Druck kann – und an dieser Stelle sei auf den Einschub weiter oben verwiesen – auch ein Auslöser endogener Wandlung sein. Insbesondere dann, wenn es zu „Differenzierung und Fragmentierung zwischen Organisationsmitgliedern“ (Quack 2006, S. 177) kommt.

“Institutionalization refers to the process through which components of formal structure become widely accepted, as both appropriate and necessary, and serve to legitimate organizations. Most fundamentally, the process is one of social change. This process may occur in different ways (Hernes, 1976): (1) initial endogenous change may take place when the process is gradual and not required and/or (2) exogenous change may take place later in the process or when the process is required.” (Tolbert & Zucker 1983, S. 27)

Gerade Expertenorganisationen, wie es Schulen sind, die zum Teil nur lose gekoppelt sind (vgl. Abschnitt 2.3 sowie Weick 1976, Muslic 2018), können einem solchen Wandel unterliegen. Der Verweis auf den sozialen Druck bildet daher auch die Überleitung zu endogenen Auslösern von Wandel.

Endogene Auslöser

Walgenbach und Meyer (2008) führen drei verschiedene Erklärungen für endogenen Wandel an:

Widersprüche zwischen institutionellen Elementen (1) ergeben sich dann, wenn Organisationen oder individuelle Akteure nicht nur einer institutionellen Vorstellung folgen, sondern mehreren. Da Institutionen – geht man etwa nach Scott – aus verschiedenen Elementen bestehen können, sind diese nicht immer stimmig miteinander verbunden. Häufig sehen sich Akteure daher mit unterschiedlichen oder sogar widersprüchlichen Elementen konfrontiert, die sich außerdem noch unterschiedlich schnell ausbreiten. Tritt der Fall ein, dass die Inkonsistenzen oder Widersprüche zu groß werden, kann dies eine Veränderung bzw. einen Wandel herbeiführen. Auch Seo und Creed (2002) bestätigen in ihrem dialektischen Modell, dass durch institutionelle Widersprüche in der Alltagserfahrung Wandel hervorgerufen wird. Weinbauer-Heidel (2016), die sich ebenfalls auf Seo und Creed beruft, streicht in diesem Zusammenhang hervor, dass es bei konflikthaften Situationen Akteure braucht, die ein persönliches Interesse am Wandel haben bzw. daran interessiert sind, diesen zu initiieren.

Im schulischen Kontext lässt sich dies exemplarisch anhand der Einführung des Konzepts des „offenen Lernens“ an einem Schulstandort nachzeichnen. Eine Gruppe interessierter Kolleginnen und Kollegen, die alle gemeinsam in einer Jahrgangsstufe unterrichten, plant für das kommende Schuljahr, dass aus allen Fächern Stunden zur Verfügung gestellt werden sollen, um in den Klassen offenes Lernen anbieten zu können. Die Kolleginnen und Kollegen sind alle von dem Ansatz überzeugt und suchen nach neuen Möglichkeiten, um die vorhandenen Ressourcen bestmöglich für ihr Vorhaben zu mobilisieren. Alle Kolleginnen und Kollegen unterrichten außerdem noch in anderen Jahrgangsstufen, dort stoßen sie mit ihrem Ansatz auf Widerstand – es gibt Kolleginnen und Kollegen, die keine Stunden zur Verfügung stellen wollen bzw. die einen solchen Unterrichtsansatz nicht unterstützen. Eine Umsetzung des offenen Lernformats ist dort (noch) nicht möglich – es müssen zunächst Aushandlungsprozesse oder, wie Weinbauer-Heidel schreibt, „institutionelle Kriege“ (2016, S. 19 ff.) ausgefochten werden. „Je nach Ausgang dieser sozialen Verhandlungsprozesse“, so die Autorin, „kann sich der institutionelle Wandel vollziehen bzw. nicht vollziehen.“ Das Beispiel zeigt, dass dieser Ansatz über den klassischen Rollenkonflikt hinausgeht, da es sich um normative Vorstellungen innerhalb der Profession handelt. Für die Lehrenden bedeutet dies, dass sie sowohl in den offenen Lernformaten als auch in den traditionellen Unterrichtsformaten unterrichten. Dementsprechend folgen sie Lernkonzepten, die sich in ihrem Verständnis eigentlich widersprechen.

Diesen Punkt greifen auch Walgenbach und Meyer (2008) auf. Kritisch, so die Autoren, wird es dann, wenn die Verfügbarkeit multipler Institutionen und institutioneller Logiken (2) gegeben ist.

„Akteure partizipieren an einer Mehrzahl institutioneller Ordnungen und haben Kenntnis von verschiedenen institutionellen Regelungen. Daraus resultieren multiple mögliche Referenzgruppen mit jeweils unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungen an und Chancen für Akteure.“ (Walgenbach und Meyer 2008, S. 106).

Auf diesem Verständnis baut auch der Ansatz der institutionellen Logik von Friedland und Alford (1991) bzw. weiterführend von Thornton, Ocasio und Lounsbury (2012) auf. Deren Ansatz fokussiert bewusst auf heterogenen Wandel und stellt damit den Isomorphie-Ansatz in Frage. Ferner wenden sich die Autoren von der Entkopplungshypothese ab, indem sie monieren, dass „die formale Trennung von Formal- und Aktivitätsstruktur die konkreten Aushandlungsprozesse auf der organisationalen Mikroebene nicht ausreichend berücksichtig[t].“ (Truschkat, Sitter und Peters 2018, S. 458). Die Konfrontation mit multiplen Institutionen bzw. institutionellen Logiken wurde bereits im Kontext der „Embedded-agency“-Diskussion in Abschnitt 2.4 aufgegriffen und diskutiert. Schulleiterinnen und Schulleiter begleiten immer mehrere Rollen und finden sich auch aus dieser Perspektive innerhalb parallel verlaufender SpannungsfelderFootnote 2. Wandel, so die theoretische Auslegung, tritt dann ein, wenn auch hier Widersprüche und Inkonsistenzen überhandnehmen. Der abschließend zu nennende Auslöser für endogenen Wandel wird beschreiben als die Anwendung abstrakter Regeln auf konkrete Handlungssituationen (3). Gemeint ist damit, dass nicht nur die Orientierung an unterschiedlichen bzw. widersprüchlichen Logiken Veränderungen auslösen kann, sondern auch schlichtweg die Auslegung bzw. Interpretation von Regeln und Vorgaben. Jede Vorgabe, so Walgenbach und Meyer, verfügt über eine „inhärente Mehrdeutigkeit“ (2008, S. 107), auf die es zu antworten gilt. Regeln sind wie Reformen „verallgemeinerbare Verfahren, die abstrakt genug gehalten werden müssen, um auf eine Vielzahl an sozialen Situationen anwendbar zu sein.“ (ebd.; vgl. Ball et al. 2012). Konkret verweisen Walgenbach und Meyer auf Clemens und Cook (1999), die zwischen drei unterschiedlichen Arten von Regeln unterscheiden. Muss-Regeln, Darf-nicht-Regeln und Kann-Regeln (vgl. Dahrendorf 1964). Während Muss-Regeln die institutionellen Strukturen reproduzieren, stecken Darf-nicht-Regeln den Möglichkeitsrahmen ab: Kann-Regeln lassen den größten Handlungsspielraum zu. Führt man sich Erlässe und Reformen im Kontext bildungspolitischer Maßnahmen vor Augen, so finden sich auch dort unterschiedliche Formate an abstrakten Regeln, die es in konkrete Handlungssituationen zu übersetzen gilt.

Wie bereits in der Einleitung dargestellt, bewegt sich die vorliegende Arbeit genau an der Nahtstelle zwischen gesellschaftlichen Ansprüchen (exogene Auslöser), die an Schulen gestellt werden, und deren innerorganisationaler Verarbeitung bzw. Reaktion (endogene Auslöser) - hier behandelt durch das responsive Verhalten von Schulleiterinnen und Schulleitern. Von daher stellen sich für die Auswertung der empirischen Ergebnisse genau die Fragen, die auch von Walgenbach und Meyer formuliert wurden. Wenn es Ansprüche von multiplen Referenzgruppen gibt, an welchen orientieren sich Schulleiterinnen und Schulleiter dann in ihrer Schulentwicklungsarbeit (vgl. H 5.3)? Ferner, welche institutionellen Logiken verfolgen Schulleiterinnen und Schulleiter, um Veränderungen zu begegnen (vgl. H 5.2)?

Bormann (2010) beleuchtet in ihrer Arbeit „Zwischenräume der Veränderung. Innovationen und ihr Transfer im Feld von Bildung und Erziehung“ kritisch die exogenen bzw. endogenen Auslöser für Wandel und hält Folgendes fest:

„Die Grundannahmen sowohl der Pfadabhängigkeitstheorie wie auch des Neo- Institutionalismus’ – die reproduzierende Verwendung sozial und historisch erfolgreicher Deutungsmuster und Praktiken bzw. Anpassung von Handlungen an Erwartungen aufgrund der Anerkennung ‚fremden‘ Sinns – verkennt endogene kreative Leistungen im organisationalen Feld. Sie gehen von einem Primat normativer, exogener Faktoren aus, die durch die Organisationen im Feld aufgegriffen und symbolisch in ihr Handeln integriert werden. “ (Bormann 2010, S. 105).

Mit ihrer Kritik verweist die Autorin abermals auf die einschlägigeFootnote 3 Lesart der neo-institutionalistischen Theorienentwicklung. Bormann schlägt daher in ihrer Arbeit vor, sich auf das Konzept von Florian (2008) zu berufen, der „nicht soziale Institutionen, sondern ‚soziale Institutionalisierung als einen fortlaufenden Zyklus‘ (ebd.: 142; Herv. IB) begreif[t], in denen [sic!] beide Elemente analytisch in einen dialektischen Bezug zueinander gesetzt werden.“ (Bormann 2010, S. 105). Dies würde jedoch, so die Autorin, bedingen, dass Akteure als aktive, gestalterische Kraft wahrgenommen werden müssten (vgl. ebd. S. 106). Wie die Darstellung im zweiten Kapitel dieser Arbeit gezeigt hat, greifen neuere Zugänge der neo-institutionalistischen Theorie (u. a. Hardy und Maguire 2008; Sandhu 2012; Koch 2018) eben diesen Zugang auf, und zwar zum einen im bereits diskutierten erweiterten Organisationsverständnis und zum anderen durch Konzepte wie den „Institutional Entrepreneur“. Hervorzuheben in Bormanns kritischen Anmerkungen ist allerdings die Betonung des Verkennens „endogener kreativer Leistungen“. Genau diese Leistung des „Anerkennens ‚fremden‘ Sinns“ soll mittels der in diesem Kapitel erläuterten responsiven Organisationsforschung gelingen und somit den bereits begonnenen Diskurs der aktiven Akteure weiter unterstreichen.

Walgenbach und Meyer (2008) sprechen im Zusammenhang mit den Auslösern für Wandel ein ganz entscheidendes Argument an, welches ebenfalls bereits in Kapitel 2 mit dem Verweis auf institutionelle Logiken kurz gestreift wurde:

„Die Lokalisierung des Auslösers institutionellen Wandels in exogenen [und auch endogenen] Faktoren ist für die neo-institutionalistische Theorie allerdings nicht ganz unproblematisch. [....] Fakten [sind] wie objektiv diese auch sein mögen [...] nicht per se relevant und es lassen sich aus ihnen auch keine eindeutigen Konsequenzen ableiten. [...] Vielmehr erhalten Ereignisse und Fakten ihren Stellenwert erst, innerhalb bestimmter institutioneller Logiken und werden erst ‚real‘ und ‚relevant‘, wenn sie in die Situationsdefinitionen der Akteure einfließen.“ (ebd. S. 103 f.)

Um genau jene Situationsdefinition, die von Akteuren ausgeht, besser verstehen und einordnen zu können, folgt nun im weiterführenden Unterkapitel eine Auseinandersetzung mit den Mustern institutionellen Wandels und der Beschreibung der Verarbeitung von bestimmten institutionellen Vorstellungen in lokalen Umwelten. Damit werden auch jene Prozesse noch einmal im Detail aufgegriffen, die hier unter den Auswirkungen endogenen Wandels angeführt wurden.

3.1.2 Muster institutionellen Wandels: Zusammenführung von institutionellen Erwartungen und Handlungen

Institutioneller Wandel umfasst, wie bereits angeführt, den zyklisch angelegten Prozess der De-Institutionalisierung und in weiterer Folge die Institutionalisierung neuer HandlungsweisenFootnote 4 (vgl. Tolbert und Zucker 1996; Bormann 2010 mit Bezug auf Florian 2008).

„Ein zentraler Begriff im Institutionalistischen Ansatz ist ‚Institutionalisierung‘.

Mit Institutionalisierung meinen die Institutionalisten sowohl, einen Prozeß [sic!] als auch einen Zustand. Institutionalisierung als kognitiver Prozeß [sic!] bezieht sich auf den Vorgang, durch den sich soziale Beziehungen und Handlungen zu nicht mehr zu hinterfragenden entwickeln, d.h. zu einem Bestandteil einer Situation werden, die als ‚objektiv gegeben‘ betrachtet wird. Prozeß meint auch das Moment der Vermittlung, in dem Akteure an andere Akteure weitergeben, was sozial als ‚wirklich‘ definiert wird.“ (Walgenbach 1998, S. 273, hervorgehoben L.J.-R.)

Ausgehend von den vertieften Betrachtungen in Kapitel 2 wurden bereits einige Konzepte genannt, wie es zu einer „Weitergabe“ bzw. „Übersetzung“ institutioneller Erwartungen in Handlungen kommt. Besonders soll im Folgenden noch einmal auf das „Carrier-System“ nach Scott sowie auf die Verbreitungs- bzw. Übersetzungsstrategien eingegangen werden: Diffusion, Bricolage und Enactment. Eingebettet wird diese Vertiefung in das Modell „Travel of Ideas“ von Czarniawaska und Joerges (1996).

Nach Czarniawaska und Joerges (1996, S. 13 f.) vollzieht sich Wandel im Spannungsfeld zwischen einer geplanten Innovation und einer Anpassung an die institutionelle Umwelt. Während geplante Innovation sich vor allem auf gesetzte Aktionen bezieht, wie etwa strategisches Vorgehen im Sinne klassischer Organisationstheorien, beschreibt die Anpassung an die Umwelt jene Entwicklungen, die durch institutionelle Erwartungen an die Organisation entstehen. Die Autoren beschreiben mittels ihres Modells (Abbildung 3.1) jene Herausforderungen, denen sich Akteure z.B. Schulleiterinnen und Schulleiter gegenübersehen, wenn sie versuchen, neue Ideen bzw. Ansätze oder Erwartungshaltungen in lokale, organisationale Strukturen einzubringen und dabei intendierte und nicht intendierte Prozesse zu berücksichtigen. In ihrem Ansatz „The Travel of Ideas“ sprechen sich die Autorinnen dafür aus, weder den Druck von außen (institutionelle Umwelten) noch strategische Ziele (Entwicklungspläne) Überhand gewinnen zu lassen, also weder mehr und mehr rationale Planungstools zu implementieren, noch sich den Erwartungen von Außenstehenden vollends hinzugeben. Czarniawaska und Joerges plädieren vielmehr für ein Modell, das beide Seiten berücksichtigt.

Abbildung 3.1
figure 1

The Travel of Ideas (Czarniwaska & Joerges 1996)

Das dargestellte Modell hilft ferner dabei, die Verbreitung von Ideen, Logiken bzw. Erwartungshaltungen nachzuzeichnen. Begonnen wird in dem Modell mit einem bestimmten „Trend“, einer „Quelle der Kreativität“, wie es die Autoren beschreiben. Solche „Trends“ können etwa aus einschlägigen Diskursen entstehen (vgl. hierzu Maguire und Hardy 2009; Philips, Lawrence und Hardy 2004; Hasselbladh und Kallinikos 2000), die als Entstehungsorte für institutionelle Erwartungshaltungen zu benennen sind. Zieht man etwa Parallelen zu einer schulischen Betrachtungsweise, so können diese „Trends“ verschiedene Quellen haben. Es kann sich dabei um neue bildungspolitische Maßnahmen handeln, die etwa in Form von Erlässen oder Reformen von außen in die Schulen getragen werden. Es können aber auch neue Lern- und Lehrmethoden sein, die z. B. bei einer Fort- und Weiterbildung von Kolleginnen und Kollegen gehört und fortan im Unterricht eingesetzt werden sollen. Des Weiteren können es auch neue Verhaltensformen sein, die aufgrund bestimmter Vorkommnisse im Schulalltag eine Veränderung bedingen. Somit lassen sich „Ideen“ sowohl als intern als auch als extern motivierte Anlässe für Veränderung beschreiben. Vor diesem Hintergrund stellt sich nun im Konkreten die Frage, wie der „Transport“ solcher Ideen beschrieben werden kann.

Czarniawaska und Joerges orientieren sich hierbei an Mitchell (1986) und verstehen „Ideen“ als verbildlichte Medien, die in erster Linie durch kommunikative Akte weitergegeben werden (vgl. Czarniawaska und Joerges 1996, S. 20). An dieser Stelle lässt sich die Verbindung zu ScottFootnote 5 (2014, S 95) bzw. Jepperson (1991, S. 150) und dem Modell der „Carrier“ herstellen.

Scott beschreibt die Verbreitungsformen von Institutionen auf vier unterschiedliche Arten, und zwar mittels symbolischer Systeme, relationaler (beziehungsorientierter) Systeme, Tätigkeiten und Artefakten (i.S. v. „von Menschen geschaffene Objekte“). Scott verweist im Zuge der Ausdifferenzierung dieser Weitergabe-Mechanismen darauf, dass diese in der Literatur unter unterschiedlichen Konzepten diskutiert werden. Auch den Diffusionsansatz nach DiMaggio und Powell (1983) zählt er zu Strategien der Weitergabe. Besonders wichtig erscheint, dass, je nach Art der Weitergabe, bestimmte Aspekte betont werden: „Carrier emphasize the features of the medium.“ (Scott 2014, S. 96). Außerdem verweist er darauf, dass „[…] the carriers we emphasize are those bearing institutional elements, not simply objects and activities.“ (ebd.).

Unter der symbolischen Weitergabe (symbol carriers) fasst Scott in erster Linie jene Mechanismen zusammen, die mittels bild-sprachlicher Medien funktionieren – also eng angelehnt an das Verständnis Czarniawaskas und Joerges. Er zählt zu diesen symbolischen Verbreitungsmechanismen Regeln, Werte und Normen, Klassifikationen, Rahmenvorgaben, Schemata, protypische Handlungsweisen und Skripten, die bestimmte Verhaltensweisen vorgeben. Dabei verweist er auf die sich immer weiter ausdifferenzierende Form von bild-sprachlichen Medien, angefangen bei Buchstaben und ersten Schriften, über Filme und Radio bis hin zu neuesten digitalen Medien. Besonders herausfordernd sieht er dabei den Umstand, dass durch neue Technologien noch nie so viele Menschen Zugang zu Inhalten hatten, die jedoch in ihrer Aufbereitung oft (nicht nachvollziehbar) lokal adaptiert und geprägt sind. Symbole, so Scott, seien transportabel, vielseitig und formbar (vgl. ebd. S. 98).

Beziehungsorientierte Weitergabesysteme (relational carriers, vgl. Scott 2014) befördern Institutionen bzw. institutionelle Vorstellungen und Erwartungen mit Hilfe von Verhaltensmustern, sozialer Stellung und Rollensystemen (vgl. ebd.). Häufig werden relationale Mechanismen in Organisationsstrukturen (z. B. in Form von Abteilungen) abgebildet oder in Form von Steuerungssystemen („Governance systems“) dargestellt (vgl. Scott 2008, S. 99).

Die Weitergabe wird ferner unterstützt durch Konstellationen wie professionelle Partnerschaften etwa in professionellen Lerngemeinschaften oder „Communities of Practice“ (Brown und Duguid 2000; Wenger 1999)Footnote 6. Diese Formate führen dazu, dass sich institutionelle Vorstellungen und Normen aufgrund des Zueinander-in-Beziehung-gestellt-werdens verändern: „Institutional categories and norms shape, and are shaped by, shifting relational systems“ (Scott 2008, S. 99).

Als dritte Form der Weitergabe beschreibt Scott bestimmte Tätigkeiten (activities). Unter dieser Form versteht er Programme und Strategien, die nicht nach dem Modell „getting things done“ funktionieren, sondern als Entscheidungsgrundlage nach der Lesart „the choice that prefaces all actions“ verfahren (vgl. Scott 2008, S. 100). Gleichzeitig verweist Scott darauf, dass Tätigkeiten nicht den klassischen Weitergabeverständnissen der frühen Neo-Institutionalisten wie etwa Meyer und Rowan entsprechen, da in deren Logik Veränderungen durch Symbole oder Strukturen (relationale Kräfte) und weniger durch Tätigkeiten bestimmter Akteure hervorgerufen werden. Dessen ungeachtet unterstreicht Scott seinen dritten Zugang, indem er auf eine Vielzahl an anderen Theorien verweist (Giddens „Structuration“ (1979); Winter und Nelson „routines“ (1983); Bourdieu „practices“ (1977); Barney „capabilities“ und Lawrence du Suddaby „institutional work“ (2006)), durch deren Einfluss sich das Verständnis auch innerhalb der neo-institutionalistischen Strömungen verändert hat. Tätigkeiten werden nach Scott unter zwei zentrale Schlagwörter gefasst, nämlich Routinen und habitualisierte Verhaltensweisen/bestimmte Verhaltensmuster. Setzt man dies in den schulischen Kontext, so finden sich dort viele institutionalisierte Strukturen, die eine solche Weitergabe begünstigen. Zu nennen wären etwa das Referendariat bzw. in Österreich das UnterrichtspraktikumFootnote 7. Hier bekommen Lehrer/-innen in ihrer letzten Ausbildungsphase routinierte und zum Begleitlehrer/zur Begleitlehrerin ausgebildete Kolleginnen und Kollegen an die Seite gestellt, die sie im besten Fall im Sinne eines/ einer Mentor/-in unterstützen. Gleichzeitig verfassen diese Kolleginnen und Kollegen jedoch auch Gutachten, die in die Abschlussbeurteilungen der Junglehrer/-innen miteinfließen. Daher muss in dieser institutionalisierten Struktur auch immer der Aspekt „Macht“ mitberücksichtigt werden.

Nachdem Routinen auch außerhalb der Einarbeitungs- bzw. Induktionsphase häufig von Kolleginnen und Kollegen an andere Kolleginnen und Kollegen weitergegeben werden, kommt es hier zu einer starken Verwobenheit mit den relationalen Systemen.

„The fact that they are learned in and sustained by a community means that routines are not readily transportable to new and different settings involving new actors and relationships. Routines tend to be more “sticky” and less easily carried across settings, but they are transportable.“ (Scott 2008, S. 102).

Je nach Organisation kann sogar ein „Repertoire“ an bestimmten routinierten Handlungen existieren (Clemens 1997, S. 39 f.). Für Schulen lässt sich ein solches „Repertoire“ z. B. mittels Hausordnung oder Leitbildern darstellen. Insbesondere Forschungsarbeiten, die sich mit „Schulkultur“ auseinandergesetzt haben, bieten hierzu weitere Erkenntnisse (vgl. Helsper 2000; Combe 2015; Helsper 2015).

Die letzte Form der Weitergabe beschreibt Scott durch Artefakte. Damit meint der Autor bestimmte Objekte, die von Menschen entwickelt wurden und durch deren Einführung sich veränderte Strukturen und neue Verhaltensweisen entwickelt haben. Das Besondere an Artefakten ist, dass häufig deren ursprüngliche Intention durch die Weitergabe und Neuinterpretation der Nutzer/-innen verändert wird und dadurch unvorhergesehene institutionelle Erwartungshaltungen generiert werden. Orlikowski (1992) schreibt: „[…] In using a technology, users interpret, appropriate, and manipulate it in various ways.“ (S. 408).

Wie einleitend von Walgenbach betont, spielen bei der Weitergabe bzw. Interpretation von institutionellen Vorstellungen Akteure eine entscheidende Rolle:

„The basic theoretical premise underlaying the concept of agency is strongly aligned with the phenomenological assumption that undergird sociological version of neoinstitutional thought. Between the context and response is the interpreting actor. (Scott 2008, S. 94)

Auch Czarniawaska und Joerges sehen Akteure in ihrer Agentenschaft als das verbindende Element:

„Also, it answers the question about the energy needed for travelling: it is the people, whether we see them as users or creators, who energize an idea any time they translate it for their own or somebody else’s use. Ideas left in books left on shelves do not travel, and no amount of satiation will help to diffuse ideas from closed libraries.“ (Czarniawaska und Joerges 1996, S. 23)

Diese beiden Verknüpfungen unterstreichen noch einmal die Wichtigkeit, Akteure auch im neo-institutionalistischen Verständnis nicht als passiv-rezipierend zu verstehen, sondern ihnen aktiv-gestalterische Komponenten zuzuschreiben.

Um zurück auf das Modell von Czarniawaska und Joerges zu kommen, benennen die beiden Autoren in ihrem Modell auch noch den Aspekt der sogenannten „Master Ideas“ (vgl. Abbildung 3.1)

„Master ideas serve as focus on fashions and build a bridge between the passing fashion and a lasting institution. Where does a new set of master-ideas come from? It seems that it comes from the narratives of the past, which are translated into the present set of concepts, and are projected into the future, often in opposition to the present.“ (Czarniawaska und Joerges 1996, S.37).

Master-Ideen, verstanden im Sinne von jenen Regeln und Ansprüchen, auf die sich die Akteure in ihrer Entwicklung beziehen, sind bereits gefiltert. Damit ist gemeint, dass diese Ideen bereits in Bezug zu bestimmten Orientierungsrahmen gesetzt wurden. Dies wird von Czarniawaska und Joerges in dem Kontinuum zwischen „past“, „present“ und „future“ umschrieben. Mit diesem Ansatz lässt sich eine weitere Brücke zum Ansatz der institutionellen Logiken schlagen. Thornton und Ocasio (2008) beschreiben unter der Überschrift „Attention“, wie bestimmte „Master-Ideen“ im Sinne bestimmter, in der Organisation vorherrschenden, Logiken ausgewählt werden.

„[...] [I]nstitutional logics provide individuals and organizations with a set of rules and conventions for deciding which problems get attended to, which solutions get considered, and which solutions get linked to which solution“ (S. 114)

Nach Ocasio (1997) erfolgt diese Auswahl von „Master-Ideas“ zum einen dadurch, dass eine bestimmte Haltung bzw. Werte generiert werden, die beschreiben, was als legitim, wichtig und relevant erachtet wird; zum anderen durch die Vorbereitung von Entscheidungsträger/-innen, wodurch diese sich über ihre Interessen und Identitäten klar sind. Sobald jene Entscheidungsträger/-innen bestimmte Identitäten bzw. Verständnisse (eine bestimmte Form von Agentenschaft) übernommen haben, handeln diese entlang bestimmter paradigmatischer Grundlagen, aus denen sie ihre Entscheidungen ableiten und ihre Motive für bestimmte Handlungsweisen legitimieren (vgl. ebd. S. 199).

In der Lesart der vorliegenden Arbeit können die vorgestellten „Carrier“-Mechanismen sowohl zwischen den allgemeinen Trends und den Master-Ideen als auch zwischen den Master-Ideen und den Übersetzungspraktiken verortet werden. Trotz der vorhergehenden Beschreibung, wie es zu Master-Ideen kommt, bleibt die Logik der institutionellen Umwelten und ihrem Einfluss auf Organisationen erhalten. Hasse und Krücke (1999) bringen diese Metaebene noch einmal auf dem Punkt:

„Das Spektrum der Art, wie institutionalisierte Erwartungszusammenhänge wahrgenommen und verarbeitet werden, kann von der nicht-bewussten und quasi-reflexartigen Interpretation bis hin zur bewussten Auseinandersetzung mit diesen Vorgaben reichen.“ (Hasse & Krücken 1999, S. 67).

Vor diesem Hintergrund sollen nun die Mechanismen Diffusion, Bricolage und Enactment genauer behandelt werden, um den innerorganisationalen Mechanismus zu beleuchten, bei dem institutionelle Regeln, Vorgaben oder Erwartungen im Kontext institutioneller Logiken in Handlungsweisen „übersetzt“ werden.

Diffusion

Diffusion lehnt sich an die bereits dargestellten Mechanismen der Weitergabe an. Unter „Diffusion“ wird das Verbreiten von institutionellen Vorstellungen verstanden – allerdings im Sinne einer isomorphen Strukturangleichung.

„Institutionalists use the concept of diffusion to refer the spread of institutional principles or practices with little modification through a population of actors.“ (Campbell 2004, S. 77)

Campbell kritisiert am Konzept der Diffusion, dass in dem Konzept nicht darauf eingegangen wird, was passiert, wenn neue Praktiken oder Prinzipien in einer Organisation ankommen. Es fehlt also an einer Prozessbeschreibung, welche Mechanismen dann bei den Akteuren ausgelöst werden. Das Konzept stellt die Verbreitung von institutionellen Ansprüchen, so Lounsbury, so dar, als ob die Einführung ohne jegliche Widerstände oder Anpassungsschwierigkeiten erfolgen würde (vgl. Lounsbury 2001, S. 29–30). Um diese Kritik aufzugreifen, werden in dieser Arbeit zwei weitere Mechanismen vorgestellt, die besonders auch zur Beschreibung von Schulentwicklungsprozessen anwendbar sind.

Bricolage

Zum einen handelt es sich hier um die Methode der „Bricolage“, die vor allem die Ressourcenmobilisierung innerhalb der Organisationen in den Blick nimmt. Mit Hilfe von Bricolage werden bestehende Routinen und institutionelle Logiken neu kombiniert. Dadurch können neue Reaktionsmöglichkeiten, etwa auf Ansprüche, die von außen an die Organisation herangetragen werden, bzw. neue Ideen oder Konzepte, die innerhalb der Organisation entstehen, umgesetzt werden.

“[A]ctors often craft new institutional solutions by recombining elements in their repertoire through an innovative process of bricolage whereby new institutions differ from but resemble old ones.” (Campbell 2004, S. 69)

Damit diese neuen Praktiken und Prozesse akzeptiert werden, müssen sie mit bereits bestehenden kulturellen Praktiken verbunden bzw. verwoben werden. Umso besser dies gelingt, umso nachvollziehbarer und anschlussfähiger sind die Veränderungen (vgl. Campbell 2004, S. 70).

Der Mechanismus der Bricolage baut auf dem Verständnis auf, dass der Akteur die Umgebung als Repertoire oder, wie bereits im Zuge des konstitutiven Organisationsverständnisses (vgl. Kapitel 2) behandelt, als Fundus versteht (vgl. Campbell 2004, S. 72). Nach dem neo-institutionalistischen Verständnis sind Akteure hierbei sowohl in institutionelle Praktiken eingebunden als auch befähigt, sich innerhalb dieser Strukturen zu orientieren. Auch hier kann ein solches Verständnis nur dann greifen, wenn Akteuren ein gewisses Maß an Entscheidungsfähigkeit zugesprochen wird.

„Key element in the process of bricolage are creative and innovative people. [….] –[I]f leaders have extensive ties to people beyond their immediate social, organizational or institutional locations, they are more likely to have a boarder repertoire with which to work and they are more likely to receive ideas about how to recombine elements […] those who […] lacking a diversity of connections are more likely to find themselves cut off from knowledge […].“ (Campbell 2004, S. 74 f.)

Da Bricolage als Konzept in erster Linie die Rekombination alter bzw. bereits existierender Praktiken innerhalb der Organisation beschreibt (vgl. Cambpell 2004, S. 80; Cunha & Cunha 2007), lässt sich die Limitation dieses Konzeptes dahingehend benennen, dass solche Kombinationsmöglichkeiten enden wollend sind und irgendwann keine „neuen“ Antworten auf Ansprüche mehr gefunden werden können. Geht es also darum, Veränderungen als Reaktion auf neue Anforderungen, die von außen an die Organisation herangetragen werden, zu vollziehen, bedarf es einer weiteren Methode.

Enactment

„Enactment“ beschäftigt sich mit dem Prozess, der eintritt, wenn neue institutionelle Praktiken oder Prinzipien auf Akteure treffen. Es geht um den Prozess der Übersetzung dieser neuen Ideen und Konzepte in Handlungsroutinen. Wie dieser Prozess verläuft, hängt von den gegebenen Bedingungen (z. B. Machtdynamiken, Strukturen und Ressourcen) vor Ort ab und, so betont Campbell, auch von der Einstellung der Führungsverantwortlichen in der Organisation (vgl. 2004, S. 82). Auch hängen „Übersetzungen“ bestimmter Neuerungen oder Vorgaben wiederum von der Logik und der MotivationFootnote 8 der Akteure ab. Entsprechend diesem Zugang werden die neuen Praktiken mit den bereits etablierten mehr oder weniger intensiv verwoben. Der Mechanismus des Enactments bzw. der Translation beschreibt daher das Zusammenbringen externer Elemente mit internen Elementen bzw. betrachtet, wie neue Elemente im Kontext bereits etablierter Elemente aktiviert werden. Auch Campbell unterstreicht dies:

“The fact that diffusion involves an important translation step has serious implications for those institutionalists who claim that diffusion lead to homogeneous or isomorphic outcomes.” (Campbell 2004, S. 83).

Von dieser Prämisse ausgehend, ist es fraglich, inwieweit von Homogenität oder isomorphen Angleichungen gesprochen werden kann. Nach dieser Lesart ist es passender, von gemeinsamen Zielerahmen zu sprechen, die jedoch unterschiedlich erreicht werden können und in ihrer Mikrologik sich teils voneinander unterscheiden. Jede Übersetzung ist anders und somit sind Implementationsansätze, die die Absicht verfolgen, am Ende eine Homogenität zu erzielen, mit organisationalen Logiken bzw. mit Prozessen des Organisierens nicht in Einklang zu bringen. Erst die Verknüpfung mit dem Lokalen schafft eine Sinnstiftung (vgl. Weick, Sutcliffed und Obstfeld, 2005), von der aus weitere Veränderungswege abgeleitet werden können. Vor diesem Hintergrund sei auf die eingangs beschriebene Diskussion und das Verständnis von Ball et al. (2012) verwiesen, wenn es um die Umsetzung bildungspolitischer Maßnahmen geht:

„Thus, policy enactment involves creative processes of interpretation and recontextualization. […]. Policies rarely tell you exactly what to do, they rarely dictate or determine practice, but some more than others narrow the range of creative responses.“ (Ball et al. 2012, S. 3)

Czarniawaska und Joerges nutzen für ihr Beispiel den Ansatz der Übersetzung und beziehen sich dabei auf Latour. Dieser versteht unter dem Begriff „Translation“: „[…]displacement, drift, invention, mediation, creation of a new link that did not exist before and modifies in part the two agents“ (Latour, 1993, p. 6). Latour betont dabei: „We observe a process of translation – not one ofreception, rejection, resistance or acceptance“ (Latour, 1991 p. 116).

Das Modell „The Travel of Ideas“ stellt zusammengefasst in den Vordergrund, dass jene diffundierenden Elemente keine „physischen Objekte sind […], sondern Ideen und deren Rationalisierungen.“ (Walgenbach & Meyer 2008, S. 109). Enactment als Methode wird vor allem dann in Schulentwicklungsprozessen wirksam, wenn Reformen oder Veränderungen, die an die Schulen herangetragen werden, neue Elemente enthalten. Enactmant (bei Weick 1976) beinhaltet auch die Annahme, dass die Gestaltung der Umwelt durch das System erfolgen kann; also dass Schulleiter/-innen auch Einfluss auf institutionelle Umwelten nehmen können.

In seiner Zusammenfassung führt Campbell noch einmal den Verweis an, dass, wenn mehr neue Elemente von Akteuren eingebracht werden, der Wandel eher revolutionärer als inkrementeller Natur sei. Bricolage – die in erster Linie durch die Neukombination bereits bestehender institutioneller Elemente erfolgt – befördert nach Campbell eher einen inkrementellen Wandel, wohingegen Enactment oder Übersetzungsstrategien, bei denen neue Elemente hinzukommen, den revolutionären Wandel begünstigen. Die Reform zur Neuen Mittelschule hat in die Schulen viele neue Elemente eingebracht – jene Schulen, die bereits vertraut(er) mit den neuen Elementen waren, z. B. weil sie sich bereits vor der Reform mit Differenzierung oder neuen bzw. anderen Formen der Leistungsbeurteilung auseinandergesetzt haben, empfanden den Wandel weniger revolutionär als jene, für die viele neue Elemente hinzugekommen waren. Die Übersetzung bzw. lokale Adaption ähnelte in den Schulen demnach entweder mehr einer Bricolage (Rekombination bekannter Herangehensweisen) oder aber dem Modell des Enactments (Neue Herangehensweisen gepaart mit bereits vorhandenen Routinen). Bei beiden Ansätzen spielen jedoch wieder die institutionellen Logiken eine entscheidende Rolle. Alle Veränderungsbestrebungen, sei es nun Bricolage oder – verbunden mit fundamentalerem Wandel – Enactment, bewegen sich nur innerhalb des institutionellen Rahmens: „[…] the institutions in which actors are embedded constrain them insofar as they limit the range of innovations they can envision and creat.“ (Campbell 2004, S. 87)

Der von Czarniawaska und Joerges beschriebene Prozess wie neue Ideen resp. Ansätze lokal in Organisationen aufgegriffen wird, endet mit einer zweigliedrigen Beschreibung, wie sich daraus Wandel ereignen kann. Das Autorenduo beschreibt „Change“ einerseits als Ergebnis eines kontrollierten Prozesses und andererseits als nicht intendierten Akt, sondern als fortlaufendes und anhaltendes Verfahren der Organisationsentwicklung. Wichtig ist den beiden Autoren zu betonen, dass beides innerhalb der Organisationsentwicklung seinen Raum braucht. Nur so kann es letztlich zu kreativen neuen Routinen und Handlungen kommen, die sich wiederum als institutionalisierte Mechanismen in der Organisationskultur verankern.

Während mit Hilfe des Modells von Czarniawaska und Joerges sowie der Erweiterung durch das Carriersystem von Scott und der Ergänzungen durch den Zugang der institutionellen Logiken (vgl. Abbildung 3.2) mehr Transparenz und Klarheit in die Abläufe und Prozesse der lokalen „Übersetzung“ von Erwartungshaltungen gekommen ist, geht es nun darum, dies konkret am Beispiel von Schulleitung und deren sich wandelnden Aufgabengebieten darzustellen und zu diskutieren.

Abbildung 3.2
figure 2

Adaptierte Version „Travel of Ideas“ (nach Czarniawaska & Joerges 1996, erweitert durch L.J.-R.)

3.2 Schulleitungshandeln und Wandel

Schulleitungsforschung ist eine Forschungsrichtung, die sich vor allem im deutschsprachigen Raum erst in den letzten Jahrzehnten zunehmend breiteren Interesses erfreut (vgl. Wissinger 2011, Gerick 2014, S. 28). Während mit Ende der achtziger bzw. neunziger Jahre und Anfang der 00er Jahre erste Autoren (Rosenbusch 1989; Strittmatter 1995; Terhart 1997; Schratz 1998; Schratz 2002; Dubs 2005) sich dem Thema zunächst überblickshaft genähert haben, erfolgte eine empirische Beforschung von Schulleiterinnen und Schulleitern im deutschsprachigen Raum vermehrt erst in den vergangenen Jahren. Zentrale Themen in der empirischen Beforschung von Schulleitungen waren vor allem die Identifizierung bestimmter Aufgabenbereiche (vgl. u. a. Warwas 2009; Bonsen 2010; Brauckmann & Hermann 2012; Huber, Wolfgramm, Kilic 2013) sowie die Betrachtung bestimmter Formen von Führungsstilen (u. a. Gerick 2014; Klein 2016) und der Wirksamkeit von Schulleitungshandeln (vgl. u. a. Bonsen et al. 2002; Lohmann 2013; Pietsch 2014; Pietsch et al. 2016). Die empirische Beforschung von Schulleiterinnen und Schulleitern zeigte sich somit in den letzten Jahrzehnten fragmentiert (vgl. Schmerbauch 2017, S. 24–33). Wie bereits in Kapitel 2 aufgezeigt, wurde bis dato ebenfalls wenig zum Professionsverständnis von Schulleiterinnen und Schulleitern (vgl. Tulowitzki & Drahmann 2019, Wissinger 2014) und zu ihrem Umgang mit veränderten Aufgaben- bzw. Anforderungsstrukturen (Harazd, Gieseke und Gerick 2012, S. 101; Schratz et al. 2019) geforscht. Die vorliegende Arbeit ordnet sich somit in diese Forschungslücke ein.

Dennoch lassen sich im Bereich der Schulleitungsforschung zentrale Aussagen treffen, was die Rolle der Schulleitung im Allgemeinen anbelangt. Schulleitungen an erfolgreichen Schulen spielen eine zentrale und wichtige Rolle (Pont u. a. 2008, S. 33) und tragen direkt bzw. indirekt zur Qualität von Schule bei (Bonsen 2010; Leithwood, Louis, Anderson & Wahlstrom, 2004). Bonsen fasst dies zusammen, indem er folgende Punkte konkretisiert: „Schulleiterinnen und Schulleiter erfüllen in der Schule somit klassische „Schlüsselaufgaben des Managements“ (Malik 2001, S. 171 ff.): Sie müssen (1) für Ziele sorgen, (2) organisieren, (3) entscheiden, (4) kontrollieren, messen und beurteilen und (5) die Selbstentwicklung von Menschen fördern.“ (2010, S. 286)

3.2.1 Veränderte Anforderungen an Schulleitung

Im Kontext des österreichischen Nationalen Bildungsberichtes 2015 wurde von Schratz et al. (2015, S. 221–262) aufgezeigt, wie sich Wandel im Kontext von Schulleitung bzw. der veränderte Anspruch an diese in den letzten vier Jahrzehnte darstellt:

„In Österreich war die Rolle und Funktion der pädagogischen Führung vor den 1980er Jahren und dem Eintreten der Stärkung der Schulleitung als zentrale Maßnahme des Schulmanagements (Eder & Altrichter, 2009, S. 307) lange durch die hierarchische Positionierung innerhalb eines zentralistisch gesteuerten Schulsystems geprägt. Die Leitung von Schule im Selbstverständnis eines Primus inter Pares diente der möglichst reibungslosen Umsetzung behördlicher Vorgaben. Eignungskriterien für den Primus inter Pares waren meist fortgeschrittenes Dienstalter, Bewährung im System (Systemerhalter) und soziale Integrität.“ (Schratz et al. 2015, S. 222)

Um die Entwicklungslinien der vergangenen vier Dekaden besser aufzeigen und beschreiben zu können, lehnen sich Schratz et al. an eine Matrix von Claus Otto Scharmer (vgl. 2007, 2013) und dessen Theorie U an. Dieser entwickelte für eine zunehmend komplexer werdende Welt ein Führungsmodell, mit Hilfe dessen der Umgang mit den neuen Herausforderungen erleichtert werden kann. In seiner Herleitung bzw. geschichtlichen Betrachtung der gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen („Geschichte der Ökonomie, vgl. 2014, S. 27) unterscheidet er zwischen vier Entwicklungsstufen:

  • 1.0: staatszentriertes Modell, Koordination erfolgt durch Hierarchie und Kontrolle

  • 2.0: Modell des freien Marktes, Koordination erfolgt durch Mechanismen von Markt und Wettbewerb

  • 3.0: sozial-marktwirtschaftliches Modell, Koordination erfolgt durch Verhandlung und Diskurs zwischen organisierten Interessengruppen

  • 4.0: Modell der generativen Gemeinwirtschaft, Koordination bezieht alle Prozessbeteiligten ein, bietet die Möglichkeit für sektorübergreifende Kooperation und Innovation. (vgl. ebd.)

Alle vier Entwicklungslinien existieren nach Scharmer nebeneinander und werden durch das jeweilige Modell nur ergänzt und nicht ersetzt, sodass auf der vierten Stufe vier parallele Modelle existieren, die jedoch zum Teil auch ineinander übergehen können.

Sich diese Matrix zum Vorbild nehmend, haben Schratz et al. (2015) eine Ableitung für schulische Entwicklungslinien im österreichischen Kontext erarbeitet (vgl. Tab. 3.1)

Tabelle 3.1 Konfluenzmodell von Schulleitung (leicht adaptiert nach Schratz et al. 2015, S. 222)

Der Tabelle 3.1 kann man entnehmen, dass zu Beginn der Schulentwicklungsvorhaben in Österreich vor allem Logiken des Qualitätsmanagements leitend waren. Ziel war es, die Optimierung und Qualitätssicherung der Schulen zu gewährleisten. Dabei wurde vor allem auf das Lehren von Lehrerinnen und Lehrern fokussiert, und das primär ausgehend von Einzelinitiativen: „So entstanden neue Entwicklungen im Schulsystem vor allem aus Initiative von LehrerInnen und Eltern, beispielsweise im Bereich […]der neuen Lernformen.“ (Altrichter et al. 2005, S. 9). Altrichter et al. führen an, dass sich aus dieser Phase der Schulentwicklung in Österreich eine erste klar zu benennende Periode entwickelte. Diese bezeichnen sie als Phase der „Schulmodernisierung“ (vgl. ebd. S: 10). Kennzeichnend für diese Entwicklung Ende der 1980er bzw. Anfang der 1990er Jahre waren erweiterte Handlungsräume durch erhöhte Schulautonomie, Tendenzen der Dezentralisierung und daraus abgeleitet erweiterte Gestaltungsräume für schulische Akteure. Gleichzeitig traten in dieser Phase erste Bestrebungen nach Schulqualitätsmanagement auf, wie Schratz et al. unter Verweis auf Eder und Altrichter (2009, S. 337) anführen. Die Einzelschule wurde als „Motor der Schulentwicklung“ beschrieben (Dalin & Rolff 1990). Wie der Matrix (vgl. Tab 3.1) zu entnehmen ist, werden Lernende in dieser Strömung primär als Rezipientinnen bzw. Rezipienten verstanden (vgl. Fend 2008, S. 170). Schulleitenden werden autoritätszentrierte Führungsstile attestiert. Mit Fortgang der 1990er Jahre trat zunehmend das Thema der Steuerung in den Diskurs der Schulentwicklungsforschung ein.

„In Konzepten und Projekten wurden die Formulierung verbindlicher Schulprogramme, die Implementierung von Selbst- und Fremdevaluation, neue Formen der Schulaufsicht und der Schulleitung, die Koordinierung der Unterrichtsarbeit durch Aufgabenbeispiele und Vergleichsarbeiten diskutiert und erprobt.“ (Altrichter et al. 2005, S. 11)

Mit diesen neuen Instrumenten etablierten sich erstmals Schulentwicklungsberaterinnen und -berater auf dem freien Markt (vgl. Schratz et al. 2015, S. 224) und der Schulleitung wurde eine zentrale Rolle in Schulentwicklungsprozessen zugesprochen (vgl. Eder & Altrichter 2009, S. 307). Während in Deutschland der „PISA-Schock“, ausgelöst durch die Ergebnisse im Jahr 2000, dazu führte, dass die Rufe nach einer „weiteren Akzentuierung in Richtung schulübergreifender Steuerungselemente und einer Externalisierung von Steuerung“ (Altrichter et al. 2005, S. 13; vgl. van Ackeren 2003, S. 19 f.) lauter wurden, sah sich Österreich zu diesem Zeitpunkt noch in der eigenen Entwicklungsherangehensweise bestätigt (alle Ergebnisse lagen über den Richtwerten). Dies änderte sich 2003 schlagartig (vgl. Altrichter et al. 2005, S. 13), als die folgende Veröffentlichung der PISA-Daten Gegenteiliges aufzeigte. Es folgte ein Trend zurück zu zentralistischen Steuerungsmechanismen, erste Entwicklungen für standardisierte bundesweite Testungen wurden eingeleitet. Lehren und Lernen erfolgten nach dem Prinzip der Test- und Datenbasierung (vgl. Tab 3.1), Schulleitung verstand sich als steuernde Instanz.

Die dritte Strömung, wie sie von Schratz et al. (2015) dargestellt wird, zeichnet sich in Österreich durch bundesweite Initiativen aus. Zum einen wurden nationale Bildungsstandards eingeführt, die von einer Kompetenzorientierung ausgehen, und zum anderen wurden Formate entwickelt, die durch Vernetzung gezielt die Professionalisierung schulischer Akteure befördern.

„[E]ine weitreichende Qualifizierung strategisch wichtiger Führungspersonen [begann] innerhalb des Schulsystems ab 2004. In den Fokus kam neben Fortbildungsmaßnahmen für die Schulaufsicht eine kompetenzorientierte Qualifizierung der Schulleitung durch eine Leadership Academy (LEA)“ (Schratz et al. 2015, S. 228 f.)

Vor ca. acht bis zehn Jahren setzte die vierte Phase, wenn man diese so benennen will, ein. Schulentwicklungstrends bewegen sich zunehmend in Richtung Vernetzung und Regionalisierung. Dies kann z. B. an den gestiegenen Fördersummen für solche Projekte im bundesdeutschen Raum abgelesen werden (vgl. Berkemeyer et al. 2011, S. 118). Berkemeyer et al. (2011) sprechen sogar von „Netzwerken als neue Phase der Schulentwicklung“ (S. 116). In Österreich zeichnet sich im Rahmen neuer bildungspolitischer Maßnahmen (vgl. Bildungsreformgesetz 2017Footnote 9) ein vermehrter Fokus auf regionale Entwicklungsschwerpunkte wie das Einrichten von Schulclustern, die Forderung nach regionalen Bildungsberichten (vgl. Brauckmann et al. 2019) sowie eine Bereitschaft, auf Bundeslandebene regionale Schulentwicklungsprojekte weiter zu fördern (z. B. Tirol Modellregion Bildung Zillertal, vgl. hierzu Rößler & Schratz 2018), ab. Für Schratz et al. (2015, S. 232 f.) ergibt sich in diesem Zusammenhang ein viertes Leitkonzept, das vor allem von ko-konstruktivem Wirken aller beteiligten Akteure ausgeht und eine resonante Beziehungsebene fördert. Lernende werden in dieser Strömung besonders in den Mittelpunkt gestellt, da Unterricht ausgehend von einer lernseitigen Haltung konstituiert werden soll (vgl. Agostini, Schratz & Risse 2018). Schulleitungshandeln wird als resonant und in dem Sinne als förderlich gegenüber Ko-Konstruktionen beschrieben.

Dass eine solche Abhandlung der Schulentwicklungsphase nicht allein für den deutschsprachigen Raum gilt, zeigen Forschungsergebnisse von Harris und Chrispeels (2006). Diese sind zu ähnlichen Ableitungen gekommen, sie haben daraus das im Folgenden vorgestellte Modell entwickelt (Abbildung 3.3):

Abbildung 3.3
figure 3

Stufen der Schulentwicklung (nach Harris und Chrispeels 2006, adaptiert L.J.R.)

Harris und Chrispeels (2006, S. 3–21) beschreiben drei großen Phasen der Schulentwicklung in den anglo-amerikanischen Sprachräumen. Auch sie beginnen in den 1980er Jahren. Die Anfänge, so schreiben die beiden Autorinnen, waren gekennzeichnet durch kleine lokale Initiativen, bei denen die Schulentwicklungsvorhaben noch wenig mit den Schüler/-innen-Leistungen in Zusammenhang gebracht wurden. Ausgehend von Initiativen einzelner Lehrer/-innen oder Gruppen in den Schulen wurden neue innovative Ansätze ausprobiert. „This first phase of school improvement tended to be loosely conceptualized and under theorized. It did not represent a systematic programmatic and coherent approach to school change.“ (Hopkins and Reynolds 2001, S. 12). Dieser ersten Phase folgte eine zweite Phase, in der mehr und mehr nationale Reformen angestrebt und zentrale Befunde der Schulwirksamkeitsforschung (School-Effectiveness- und School-Improvement-Research) aufgegriffen wurden (vgl. Harris und Chrispeels 2006, S. 6). Durch die nationale Festlegung bestimmter Themen wurden mehr und mehr Entwicklungsprojekte forciert, die die ganze Schule in den Blick nahmen. Nichtsdestoweniger blieben die erhofften Ergebnisse aus: „In many countries numerous ressources have been targeted at programms and projects aimed at improving schools and raising standards of performance. […] The evidence supporting the relationship between school improvement and increased student achievement remains weak and contestable.“ (ebd.)

Die dritte Phase leitete sich daher aus den Erkenntnissen der zweiten Phase ab. Hopkins und Reynolds (2001) charakterisieren für diese dritte Phase drei Merkmale

  1. 1)

    Es muss ein deutlicher Fokus auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler und deren Lernergebnisse gelegt werden. Daraus erschließt sich ein Fokus auf die Arbeit im Klassenzimmer.

  2. 2)

    Die Aufmerksamkeit muss auf das Lern- und Lehrverhalten der Lehrenden gerichtet werden – im Sinne von „auch die Lehrenden sind Lernende“.

  3. 3)

    Es muss eine Infrastruktur geschaffen werden, die es ermöglicht, die Wissensgrundlage der Lehrenden, im Sinne eines Zugangs sowohl zu „Best-practice“-Ansätzen als auch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, besser zu gewährleisten. Des Weiteren muss schulintern der Fokus auf Zusammenarbeit der Lehrenden gelegt werden (z. B. in Form von professionellen Lerngemeinschaften) und müssen Strategien entwickelt werden, wie neue innovative Ideen in die Organisation diffundieren können.

Außerdem ergänzen Harris und Chrispeels noch die Integration und Mobilisierung der erweiterten Kooperation („district-encourage collaboration among teachers“ (2006, S. 15)), um gemeinsame und nachhaltige Ziele zu formulieren und zu verfolgen. In diesen regionalen Verbünden sehen die Autorinnen die Chance, das Commitment der Beteiligten zu bestärken. Honig und Hatch (2004) sprechen sich zudem für multiprofessionelle Gruppen innerhalb regionaler Strukturen aus.

„Teachers and other organizational members belong to multiple communities – professional, personal, and epistemic, among others – from which they may draw scripts for decision- making. The availability of multiple scripts and logics may mean that school-level actors can make sense of a broader range of external demands than if they had fewer scripts from which to draw and lead to the kinds of productive conflict highlighted above.“ (S. 23)

Für das Autorenduo liegt dabei der entscheidende Mehrwert in einer Steigerung des Repertoires von Handlungslogiken. Somit lässt sich die vierte, hier dargestellte Schulentwicklungslinie nahtlos an die institutionellen Konzepte des Neo-Institutionalismus und die zuvor angeführten Mechanismen des Enactments anschließen.

Vergleicht man die Ausführungen Hopkins und Reynolds (2001) bzw. Schratz et al. (2015) mit den Zielen, die im Zuge der Neuen Mittelschulreform formuliert worden sind, so lassen sich deutliche Parallelen aufzeigen:

  • Die neue Lehr- und Lernkultur an der NMS – Fokus auf das Lernen

    1. „Die Aufhebung der Leistungsgruppen und das pädagogische Konzept in der NMS-Lehrplanverordnung sind umfassend und führen zu einer radikalen Änderung der Lehramtstätigkeit und des professionellen Selbstverständnisses der Lehrperson. Durch das Erkennen der eigenen Wirksamkeit wird der Lehrperson die Verantwortung für die Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler bewusst.“ (Westfall-Greiter, Schratz und Hofbauer 2014, S. 38).

  • Veränderungen der Lehr- und Lernkultur bei den Lehrenden mittels neuer Strukturen

    1. „In der NMS unterrichten in den Fächern Mathematik, Deutsch und lebende Fremdsprachen teilweise zwei oder mehrere Lehrpersonen gemeinsam in einer Klasse. […] Durch gelungenes Teamteaching werden Lernchancen erhöht, Lernmöglichkeiten erweitert und Leistung gesteigert – auch für Lehrpersonen.[…] Zugleich werden die einzelnen Lehrpersonen durch die Zusammenarbeit entlastet, aber auch stärker in ihren didaktischen Gewohnheiten und Verhaltensweisen kollegial supervidiert.“ (ebd.)

  • Einbindung von Bildungspartnern: Öffnung der Schule

    1. Durch ein neues Format, das sogenannte Kind-Eltern-Lehrergespräch, wird die Bildungspartnerschaft zu Eltern und Erziehungsberechtigten mehr in den Fokus gestellt (vgl. ebd. S 43).

  • Fokus auf Zusammenarbeit am Standort und Öffnung für neue Ansätze

    1. „Komplexe Herausforderungen – wie z. B. die Umsetzung des pädagogischen Konzepts der NMS – können unmöglich von einer Person alleine bewältigt werden. Die Schulleiterinnen und Schulleiter benötigen dazu die Ressourcen aller. Jeder übernimmt der Anforderung entsprechend Führungsaufgaben: Lernende Schulen leben von shared leadership.“ (ebd, S. 44)

    2. Der/die „Lerndesigner/-in [ist] neben der Schulleitung die zentrale Person für die Umsetzung des pädagogischen Konzeptes der Neuen Mittelschule am Standort […]. Als Bindeglied zwischen Steuerung und Praxis stellt ihre Position einen Dreh- und Angelpunkt der Entwicklung am Schulstandort dar.“ (ebd.) Mittels bundesweiter Lernateliers (Vernetzung aller Schulen auf Bundesebene) wurden alle Lerndesigner aller Hauptschulen Österreichs mit dem neuen pädagogischen Konzept vertraut gemacht und beauftragt, dieses an ihren Schulstandorten zu implementieren (vgl. Westfall-Greiter und Hofbauer 2012).

Insbesondere die Reform zur Neuen Mittelschule versucht viele Elemente der Strömungen 3.0 und 4.0 abzubilden.

Diese vier hier beschriebenen Leitkonzepte werden in der vorliegenden Arbeit als Marker für institutionelle Logiken herangezogen und helfen somit bei der empirischen Studie zum Antwortverhalten von Schulleiterinnen und Schulleitern in Kapitel 4.

3.2.2 Verändertes Schulleitungshandeln und die Entstehung neuer Führungsstile

Wirft man einen Blick auf die Landschaft der Schulleitungsforschung, die sich momentan mit schulischer Führung bzw. Leitung im Kontext schulischer Organisationen beschäftigt, so wird man mit einer kaum überschaubaren Anzahl an unterschiedlichen Typen von Führungsstilen konfrontiert. Mehr als 21 verschiedene Leadership-Arten werden von Day und Sammons (2016, S. 10) identifiziert. Neben system leadership, moral leadership, distributed leadership, instructional leadership und transformational leadership werden nahezu jährlich neue Bezeichnungen eingeführt. Leithwood, Day, Sammons, Harris und Hopkings (2006) schlussfolgern daher „[i]ndeed leadership by adjective is a growth industry“ (S. 7). Nun ist es keinesfalls die Intention der vorliegenden Arbeit, diese Ansammlung, um einen weiteren Stil zu erweitern; vielmehr soll jener Kritik Rechnung getragen werden, die Harazd, Gieseke und Gerick (2010) anführen, wenn sie schreiben, dass es diesen Führungsstilen oftmals an theoretischen Fundierungen mangle und es sich vielfach um „normativ geprägte Beschreibungen [handelt], die bestimmte Führungsstile oder -modelle charakterisieren“ (Gerick 2014, S. 31). Das beigefügte Attribut der vorliegenden Arbeit „responsiv“ dient vielmehr dem Zweck zu erkunden, wie Leitende antworten und welche Leitungsparadigmen für sie entscheidend sind.

Zunächst gilt es einmal festzuhalten, dass viele Schulleiterinnen und Schulleiter nicht über den einen Führungsstil verfügen. Schulleiterinnen und Schulleiter agieren in ihrem Leitungshandeln entsprechend den ihnen gestellten Aufgaben. So kommt es in vielen Fällen zu einer Kombination unterschiedlicher Führungsstile.

„Die nicht auf den Schulkontext begrenzte Führungsforschung zeigt, dass es nicht den optimalen Führungsstil oder die optimale Führungseigenschaft gibt. Vielmehr besteht heutzutage Einigkeit darüber, dass die Anforderungen an effektives Führungsverhalten je nach Situation variieren.“ (Bonsen 2010, S. 293)

Wiesner et al. (2015) versuchen dies mit Hilfe eines Konfluenzmodells darzustellen, das in Anlehnung an die bereits vorgestellten vier Strömungen (vgl. Tab. 3.1, Schratz et al. 2015) entwickelt wurde (Abbildung 3.4):

Abbildung 3.4
figure 4

Strömungen im Konfluenzmodell (nach Wiesner et al. 2015)

Wie bereits erläutert, gehen Führungsstile, ähnlich wie die Leitkonzepte, vornehmlich ineinander über, als dass sie voneinander ersetzt werden. Orientiert an den Beschreibungen zum Verhältnis von Schulleitung und Lehrenden, werden entsprechende Führungsstile, die in der einschlägigen Literatur der Schulleitungsforschung bekannt sind, anhand ihrer wesentlichen Merkmale vorgestellt.

Führungsstile des 1.0 Leitkonzepts: Schulleiterinnen und Schulleiter, die im Wesentlichen diesem Leitkonzept folgen, zeichnen sich durch autoritätszentrierte Führungsstile aus. Schratz et al. (2015, S. 224) schreiben in Rekurs auf Radnitzky & Iby (2004, S. 36) hierzu, dass der Schulleiter bzw. die Schulleiterin „Garant für Verbindlichkeit und Kontinuität“ und als „Hüter/in des Gesetzes“ zu verstehen sei sowie ferner als „Anwalt/Anwältin von Innovation“ und „Außenminister/in“ der Schulen, wenn es um die Präsentation entsprechender Qualitätsentwicklungsergebnisse gegenüber Dritten geht. Dieser Charakterisierung nach zeichnet sich ein Führungsverhalten auf Ebene 1.0 vor allem durch ein Führungsverständnis aus, das Schulleiter oder Schulleiterin in weitestgehend alleiniger Verantwortung für Qualitätsentwicklung darstellt, und organisationales Lernen in einem Verständnis des Anpassungslernens beschreibt. Charakteristisch für diesen Führungsstil ist außerdem, dass wenig bis keine Verantwortung an Kolleginnen und Kollegen (vgl. u. a. „Primus inter Pares“ Strittmacher 1994; Schratz 2005) abgegeben wird.

Führungsstile des 2.0 Leitkonzepts: Typisch für Leitungshandeln auf dieser Ebene, so Schratz et al. (2015, S. 222; 225), sei eine Orientierung am Konzept des Expertentums. Besonders in Formaten wie verteilter Führung sprechen Schulleiterinnen und Schulleiter einzelnen Akteuren bestimmte Funktionen und damit verbundene Verantwortung zu. Ein weiteres Merkmal dieses Leitungshandlungstypus ist die Fokussierung auf steuerbare bzw. messbare Elemente. Schulleiterinnen und Schulleiter fungieren als „Controller/-in“ und entscheiden datenbasiert. Ihr Führungsverhalten lässt sich als strategisch beschreiben. (vgl. u. a. transaktionale Führung Burns 1978; unterrichtszentrierte Führung Blase & Blase 1998; Hallinger & Murphy, 1985; Halverson, Grigg, Prichett &Thomas 2006; verteilte Führung Pearce & Conger, 2003)

Führungsstile des 3.0 Leitkonzepts: Schulleiterinnen und Schulleiter, die mehrheitlich dieser Logik folgen, verstehen sich selbst als Visionäre, die sowohl Schule gestalten als auch andere zur Mitgestaltung befähigen möchten. Sie vermitteln Visionen und „fördern eine kooperative und professionelle Lernkultur“ (ebd. S. 225). Personalentwicklungsstrategien werden als zielführende Maßnahmen gesehen, um Kolleginnen und Kollegen in ihrer professionellen Arbeit zu unterstützen. Ziele und Absichten der Führenden werden klar kommuniziert und transparent gemacht. (vgl. u. a. geteilte Führung Gronn 2000; kollaborative Führung Woods & Roberts 2018; transformative Führung vgl. Gerick 2014; Hallinger 2003; Bass 1985)

Führungsstile des 4.0 Leitkonzepts: Schulleitung, die nach dem vierten Leitkonzept agiert, nimmt sich zunehmend zurück und versteht sich überwiegend als jemand, der/die förderliche Umfelder für alle Akteure am Schulstandort schafft, damit jede/-r in seiner/ihre Rolle bestmöglich handeln kann. Die Entwicklungsvorhaben werden mit allen Parteien ko-konstruktiv entwickelt und es herrscht ein hoher Grad an demokratischer Mitbestimmungsmöglichkeit. Die Einbindung außerschulischer Umwelten rückt ebenfalls mehr in das Aufmerksamkeitsfeld dieser Schulleiterinnen und Schulleiter (vgl. Scharmer 2014, S: 229). (vgl. u. a. geteilte bzw. emergente Führung Gronn 2000; Bonsen 2010, 2016; System-Leadership vgl. Schley & Schratz 2010; Hopkins 2008)

Entscheidend – und das ist die Grundsatzfrage, die im Zusammenhang mit Führung und Wandel gestellt werden muss – ist, wie Schulleiterinnen und Schulleiter den an sie gerichteten Appellativen, seien sie externer oder interner Natur, mit Führungsverhalten antworten. Die neuen Herausforderungen für Schulleiterinnen und Schulleiter in Österreich, aber auch allgemein in deutschsprachigen Bildungssystemen, schildern Altrichter und Brauckmann (2018) in einem Beitrag zur Festschrift für Peter Posch „Baustellen in der österreichischen Bildungslandschaft“ wie folgt:

„Es kommt hinzu, dass die operationale Verantwortung nicht nur das konkrete Leitungshandeln, sondern zunehmend auch die Führungsverantwortung betrifft, also jene Verantwortung, die die Funktionalbeziehung zwischen verschiedenen Bezugsfeldern schulischen Handelns gewährleisten soll. [...] Grundsätzlich muss mehr nach der Kompatibilität von Zielen auf System-, Organisations- und Individualebene gefragt werden. [...] Schulleiterinnen und Schulleiter sind dazu aufgefordert, in diesen Veränderungsprozessen Entscheidungen zu treffen, aber auch ausgleichend zu wirken. Dementsprechend versuchen Schulleitungen extern und interne Zielsetzungen miteinander in Einklang zu bringen bzw. die Widersprüchlichkeit der Handlungsziele und ihres eigenen Rollenverständnisses bei der Erreichung dieser Ziele auszuhalten.“ (ebd. S. 172)

Für die vorliegende Arbeit lässt sich nach diesen Ausführungen eine weitere Hypothese formulieren.

H5 :

Schulleiter/-innen werden im Rahmen ihrer Leitungsfunktion damit konfrontiert, Veränderungen an ihrem Schulstandort durchzuführen, z. B. Reformen umzusetzen.

  • H 5.1:

    Veränderungsprozesse werden dabei von Schulleiter/-innen als inkrementell oder fundamental wahrgenommen.

    H 4.2:

    Bei der operativen Umsetzung zeigen sich unterschiedliche institutionelle Rahmungen/Logiken (vgl. Matrix 1.0, 2.0, 3.0, 4.0).

Während nun die exogenen und endogenen Veränderungsprozesse in Schulen in den vergangenen Jahrzehnten aufgezeigt werden konnten, bedarf es noch einer weiteren Schärfung in Hinblick auf die Frage nach der „Auswahl“ bzw. „Antwort“, die es zwischen a) exogenen Auslösern, also bestimmten Trends (vgl. Qualitätssicherungen, Evidenzbasierung, Kompetenzorientierung usw.), sowie b) endogenen Ansprüchen (Führungsverständnis der Schulleiterinnen und Schulleiter, Zusammenarbeit unter den Lehrenden, Verständnis des Verhältnisses zu den Lernenden, usw.) gibt. Zwar konnte mit dem Konzept der „Attention“ nach Ocasio (1997) bereits eine erste Stoßrichtung andiskutiert werden, dennoch bedarf es eines letzten brückenschlagenden Elements, als welches in dieser Arbeit das Konzept der Responsivität angesehen wird.

Diese ergänzende Theorie schafft es, institutionelle Umwelten, institutionellen Wandel und Führungsverhalten so zusammen zu bringen, dass ein stimmiges Bild entsteht und eine Operationalisierbarkeit für den folgenden empirischen Teil gegeben ist.

3.3 Responsivität

Wir erfinden, was wir antworten, wir erfinden aber nicht, worauf wir antworten.“

(Waldenfels 1999)

Responsivität lässt sich aus dem Lateinischen ableiten und stammt von dem Wort RESPONDERE = antworten ab. Durch die Substantivierung des Wortes entstehen unterschiedliche Nomen, wie etwa „Antwortverhalten“ oder auch „Antwortlichkeit“ (vgl. Gutknecht 2010, S. 27). Konzepte zur Responsivität erfreuen sich in den vergangenen Jahrzehnten in unterschiedlichen Disziplinen gesteigerter Beliebtheit (vgl. etwa im pädagogischen Diskurs: Remsperger 2011; Gutknecht 2015; Nowak 2016; Althans & Engel 2017). Dies kann mitunter zu mehr oder weniger problematischen Definitionsdifferenzen führen. So beschreiben etwa Disziplinen wie die Medizin Responsivität nach einem naturwissenschaftlichen Paradigma. Gutknecht (2010) weist darauf hin, dass dort „Responsivität […] mit Reaktion gleichgesetzt“ (S. 27) wird, also eine Lesart nach einem behavioristischen Zugang besteht. Erweitert man den medizinischen Bereich jedoch um den Zugang der Biosemiotik, so wird Responsivität „in Zusammenhang von Interaktion oder Interaktivität […]“ (Gutknecht, 2010, S: 30) verwendet. Diese zweite Auslegung, z. B. als Beschreibung wie Zellen miteinander kommunizieren, beschreibt Responsivität als „Zeichenprozesse“. Gutknecht führt hierzu aus, dass „die Wechselwirkung innerhalb jeden Systems […] als zentrale Elemente“ identifiziert werden können (ebd. S. 30). Behält man dieses Verständnis von Responsivität im Sinne der Wechselwirkung bei, so lässt sich eine Brücke zu jenem Konzept schlagen, das in den Politikwissenschaften entwickelt wurde. Hier wird Responsivität als Modell verstanden, „das Aussagen darüber zulässt, in welcher Weise und in welchem Maß die Ideen und Interessen der Bürger tatsächlich von den Repräsentanten vertreten werden.“ (Gutknecht 2010, S. 36). Ein solcher Zugang bietet bereits eine erste Anknüpfungsmöglichkeit für die weiteren Ausführungen dieser Arbeit, da auch Schulleiterinnen und Schulleiter als Repräsentantinnen und Repräsentanten des Einzelschulstandorts agieren.

Mit dem Konzept der kulturellen Responsivität wurde von Villegas & Lucas (2002) auch im pädagogischen Kontext ein Modell zu Responsivität entwickelt. Dieses zielt darauf ab, Lehrkräfte besser auf die Diversität, die in den Klassenzimmern herrscht, vorzubereiten. Indem die Lehrkräfte ein soziokulturelles Bewusstsein entwickeln, soll ihre besondere Aufmerksamkeit auf Status- und Machtstrukturen in der Gesellschaft gelenkt werden und eine Sensibilität dafür entwickelt werden, wie diese zu nachteiligen institutionellen Voraussetzungen für Schülerinnen und Schüler führen können. Eine vertiefte Auseinandersetzung hierzu findet sich bei Gutknecht (2010, S. 39) und Vincent, Randall, Cartledge, Tobin & Swain-Bradway (2011). Für die vorliegende Arbeit wird davon abgesehen, sich an der pädagogischen Ausrichtung des Responsivitäts-Konzepts zu orientieren.

Ebenfalls ein Zugang über Zeichenprozesse, insbesondere sprachliche Zeichensysteme, liegt beim philosophischen Konzept zu Responsivität vor. Dieses wird vor allem durch den Phänomenologen Bernhard Waldenfels vertreten. Dieser setzt sich dezidiert mit dem Anspruch des Fremden auseinander, auf den es zu antworten gilt. Das bietet eine Anschlussmöglichkeit für die Fragen, mit denen sich diese Arbeit auseinandersetzt. Er distanziert sich deutlich von dem Reiz-Reaktions-Verständnis der Behavioristen, indem er schreibt:

„Dennoch besteht ein erheblicher Unterschied zwischen einer Reaktion, die auf Fremdes antwortet[...] und einer Response, die auf einen fremden Anspruch als solchen eingeht.“ (Waldenfels 2016, S. 459)

Eine Mischung aus politikwissenschaftlichem und philosophischem Ansatz, so könnte man es beschreiben, stellen organisationstheoretische Ansätze dar. Diese betonen vor allem den strategischen Aspekt von Responsivität, der weniger bei Waldenfels, jedoch mehr bei Uppendahl (1981) sichtbar wird. Gleichzeigt verweist er aber auch auf die Verantwortung, die im Antworten steckt, und bereitet damit wieder den Weg in Richtung philosophisch-phänomenologischer Ausrichtung.

Für die hier vorliegende Arbeit werden in weiterer Folge sowohl die philosophisch-phänomenologische Zugangsweise Waldenfels als auch politikwissenschaftliche Ansätze sowie jene der Organisationswissenschaft vertieft diskutiert, um daraus Ableitungen für ein responsives Leitungshandeln entwickeln zu können.

3.3.1 Ausgewählte Diskurse zu Responsivität

Philosophisch-phänomenologischer Diskurs nach Waldenfels

In seinem zentralen Werk „Antwortregister“ (2016Footnote 10 [1994]) behandelt Bernhard Waldenfels die vielschichtigen Möglichkeiten des Antwortens. Für Waldenfels bedeutet „antworten“ nicht nur im sprachlichen Sinne antworten, sondern auch antwortende Handlungen ausüben (vgl. Waldenfels 1999). Dabei setzt er sich im kritischen Rekurs auf Husserl (1992) und Lévinas (1978) nicht nur mit den Ansprüchen der Anderen auseinander, sondern auch mit der Wahrnehmung (Aufforderungscharakter der Dinge). Im Zuge dieser Betrachtungen führt Waldenfels den Begriff Responsivität ein.

Für diese Arbeit soll vor allem jene Form der Responsivität genauer diskutiert werden, die als „Antworten auf fremde Ansprüche“ (vgl. 2016, S. 238 ff.) zu verstehen ist. Für Waldenfels zeigt sich bereits im Begriff „Anspruch“ eine Dualität.

„,Anspruch‘ verweist einmal auf den Vorgang, daß [sic!] jemand jemanden anspricht, sich an ihn wendet, seine Rede an ihn adressiert. ‚Anspruch‘ tritt so in eine Reihe mit Anruf, Anrede, Appell (vgl. Appel, appeal, interprellation, allocution), ‚Anspruch‘ bedeutet aber auch den Anspruch auf etwas, den jemand erhebt oder geltend macht, wobei offen bleibt, wem gegenüber dieser geschieht. Ansprüche, die man geltend macht, heißen in anderer Diktion Prätentionn (vgl. pretetion, revendictation, exigence/pretension, claim, demand).“ (Waldenfels 2016, S.238 f.)

Die Verzwicktheit der Beziehung zwischen Anspruch und Antwort bzw. Antwort und Anspruch besteht darin, so Waldenfels, im Antworten einen Anspruch zu generieren, der beim Fragen möglicherweise so nicht intendiert wurde. Es entsteht eine Irreziprozität in wechselseitigen Antwortprozessen (Gutknecht 2010, S. 33). Anders formuliert: Mit dem Antworten antworten Akteure auf etwas, das sie vermeintlich im Anspruch des anderen wahrgenommen haben, ohne sicher zu sein, dass dies tatsächlich der Anspruch war. Durch ihre Antwort beglaubigen sie jedoch den Anspruch. In diesem abstrakten Zugang zu Responsivität zeigt sich deutlich, dass das Antwortverhalten z. B. gegenüber Neuem, etwa Reformen, von den Akteuren unterschiedlich erfolgt.

„Ähnlich, aber doch auch anders als bei der Frage, wo Gefragtes, Befragtes und Erfragtes sich voneinander absondert, haben wir beim Antworten zu unterscheiden zwischen dem, was geantwortet wird: der Antwort (answer) dem was beantwortet wird: der Frage (question) und dem, worauf wir im Antwortgeben (response) antworten: dem Anspruch (appeal/pretension). Während Frage- und Antwortgehalt teilweise zur Deckung kommen und zueinander passen müssen, damit überhaupt eine Antwort zustande kommt, klafft zwischen Anspruch und Antwortgeben (response) eine unüberbrückbare Kluft.“ (Waldenfels 2016, S. 242)

Waldenfels bezeichnet die „unüberbrückbare Kluft“ als Responsive Differenz: Diese Responsive Differenz ereignet sich zwischen Pathos und Response – also zwischen Wahrnehmung und Antwortgeben. Da die Wahrnehmung von unterschiedlichen Dingen geprägt sein kann, etwa dem Vorwissen, aber auch den institutionellen Umwelten, kann die Response verschiedenartig ausfallen. So entstehen unterschiedliche Antworten auf gleiche Ansprüche. Die Bezugslogiken der Antwortenden formen das Antwortgeben und festigen damit den vermeintlichen Anspruch, auf den sie antworten. Waldenfels (1999, S. 245 f.) verweist in Rekurs auf Searl darauf, dass sich Handeln „auf zwei Stockwerken an[ge]siedelt, einem kulturellen und einem natürlichen“. Während das kulturelle Stockwerk von institutionellen bzw. konventionellen Regeln geprägt ist, bildet das natürliche Stockwerk die „natürlichen Restbestände“(ebd.), wie bestimmte Körperhaltungen oder elementare Gefühle. Somit bietet diese Betrachtung Waldenfels’ eine Anschlussmöglichkeit für die neo-institutionalistischen Theorieströmungen, insbesondere die institutionellen Logiken.

Vergleicht man seine Ausführungen mit dem Konzept von Czarniawaska und Joerges, so vollzieht sich das Antworten auf dem Bereich, der zwischen der „Fashion“ und der „Meta Idea“ verortet ist. Wie geantwortet wird, hängt davon ab, welchen Anspruch man in den „Trends“ bzw. „neuen Ideen“ liest. Auch Reformen und Erlässe entsprechen weniger dem Charakter einer Frage als vielmehr einem Anspruch, auf den es zu antworten gilt. Von daher zeigt Waldenfels mit seinem Ansatz ein wichtiges Moment für das Antwortverhalten von individuellen und kollektiven Akteuren auf.

Nun geht es jedoch nicht nur um das sprachliche Antworten, sondern – und das bringt diesen Diskurs wieder näher an die Ausgangsfrage dieser Arbeit – auch darum, wie „dem Handelnden ein Antwortcharakter zugesprochen werden kann.“ (2016, S. 438). Waldenfels vertritt die Meinung, dass sich antwortendes Handeln ähnlich verhalte wie sprachliches Antworten, da beides letztlich auch in einem Wechselbezug zu einander stehe. Die Organisation von Handlungsabläufen und Handlungsfeldern, so Waldenfels, verlangt eine „praktische Erfindungskraft“ (Waldenfels 2016, S. 451). Er führt weiter aus, dass man sich zwar mitunter an fremdem Handeln orientieren könne, dass man jedoch zwischen „implizitem und explizitem Fremdbezug bzw. zwischen verschiedenen Dimensionen zu unterscheiden habe“ (ebd.). Diese Aussage Waldenfels lässt sich mit den Annahmen, die im Neo-Institutionalismus aufscheinen, vereinbaren. Dort wird davon ausgegangen, dass es institutionelle Ansprüche (Fremdbezüge) gibt, die nicht mehr hinterfragt werden. Dennoch – wie in diesem Kapitel dargestellt – kommt es zu Wandel und Veränderungen. Indem also antwortendes Handeln stattfindet, werden entweder institutionelle Vorstellungen gefestigt oder verändert. Der Akt der „praktischen Erfindungskraft“ liegt für Waldenfels im Worauf (vgl. S. 456), auf das sich das antwortende Handeln bezieht. Dieses worauf, so folgert der Phänomenologe, sei nicht „vorweg einer sozialen Handlungsordnung unterworfen“ (ebd.), sondern schaffe neue Ordnungen, neue Bezüge durch den Akt des Respondierens.

„Mit dem antwortenden Handeln, das auf Ansprüche antwortet, betreten wir eine Dimension, die aus den verschiedenen Handlungskreisen herausführt und die auf gewisse Weise eine Handlung erst zu einer Handlung macht, die mehr darstellt als eine bloße Reaktion und mehr auch als eine bloße Verwirklichung.“ (Waldenfels 2016, S. 456).

Entscheidend, dafür, dass es nicht zu einer Reaktion, sondern zu einer Response kommt, ist laut Waldenfels die Verzögerung.

„Die Verzögerung, mit der eine Reaktion auf den Reiz folgt, hat zur Folge, daß [sic!] wir etwas bemerken und bewirken, was nicht nur Bedeutung hat, sondern sich stets aufs Neue als bedeutsam herausstellt. Die Verzögerung [...] entsteht durch einen Aufschub, der bewirkt, dass etwas als etwas auftritt und daß [sic!] zugleich etwas für etwas anderes eintritt.“ (Waldenfels 2016, S. 460)

Durch den Moment der Verzögerung entsteht ein Raum für Reflexion, der die Handlung als eine antwortende hervortreten lässt. Plessner (1970, S. 236) und Agostini (2016) beschreiben diesen Moment als jenen, in dem ein „Überschuss an Möglichkeiten“ entsteht. Wie aber kommt es zur Entscheidung für die letztlich antwortende Handlung? Waldenfels differenziert dabei zwischen Handlungen, die „routiniert ablaufen“ bzw. sich im „Kurzschlu[ss]“ (1999, S. 257) entladen und jenen Handlungen, die durch ein Zögern begleitet werden. Im Sinne der neo-institutionalistischen Theorien sind Handlungen, die auf institutionalisierte Erwartungshaltungen reagieren und nicht mehr hinterfragt werden, jene, die mit „routinierten“ Handlungen nach Waldenfels verglichen werden können. Handlungen, die jedoch durch Ansprüche oder Erwartungshaltungen, die noch nicht institutionalisiert sind, hervorgerufen werden, bedingen ein Zögern, bevor es zur Antwort kommt. In diesem Zögern liegt das responsive Antwortgeschehen, um das es im Zusammenhang mit dem Schulleitungshandeln in dieser Arbeit geht.

Da, wie zuvor bereits beschrieben, die Möglichkeit ausgeschlossen wird, dass Anspruch und Antwort deckungsgleich sein können, gleicht jede Anspruchsituation einer offenen Handlungssituation (Waldenfels 2016, S. 576 nach Merleau-Ponty 1966). Waldenfels verweist auf die beiden Begriffe Passendes und Entsprechendes, die das antwortende Handeln danach qualifizieren, ob ein Verhalten oder ein Geschehen dem (vermeintlichen) Anspruch entspricht (ebd.). Dies bedingt, dass sich das antwortende Handeln doch nicht als losgelöst von allem versteht, sondern sich (auf individueller Ebene) im Bereich des Vorwissens sowie der Wahrnehmungs- und Handlungsgewohnheiten bzw. - wie bereits aufgezeigt – auch der institutionellen Umwelt bewegt.

Eine Möglichkeit, sich dem zu nähern, liegt in der Wechselseitigkeit der Perspektive begründet. Diese kann nur dann hergestellt werden, wenn man in das Antworten involviert ist – eine solche Involviertheit gelingt etwa durch die Übernahme der Perspektive von jenem/jener, dem/der zu entsprechen versucht wird (vgl. Gutknecht 2010). Für Schulleiterinnen und Schulleiter würde dies bedeuten, sich zunächst bewusst zu werden, wem man entsprechen möchte und sich dann in jene/n vermeintlich Anspruchserhebende/n hineinzuversetzen und abzuwägen, um entsprechend zu respondieren. Ein solcher Perspektivenwechsel bedingt ein hohes Maß an Kenntnis über die Logiken des Gegenübers. Dennoch gilt, dass selbst durch einen solchen Austauschprozess ein vollkommen kongruentes Respondieren nicht ermöglicht werden kann.

Waldenfels schreibt weiter, dass es entscheidend ist, worauf mit Handeln reagiert wird – im Moment der Verzögerung bzw. des Abwägens, wie sich einem etwas als etwas (Bestimmtes) zeigt, wird abgewogen, wie auf das, was sich einem zeigt, geantwortet werden kann.

Nach Waldenfels kann im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit aufgezeigt werden, warum das Antwortverhalten jeder/-s Schulleiters/-in unterschiedlich ausfällt. Schließlich zeigt sich jedem/jeder etwas als etwas Bestimmtes, und selbst wenn sich dieses Zeigen im Korsett des Passens befindet, so erfolgt dennoch eine neue Antwort darauf.

In diesem Zusammenhang sei auch darauf verwiesen, dass Waldenfels auch dem Antwortgeschehen einen kreativen Akt zuschreibt, der sich zwischen zwei Antwortpolen, einem reproduktiven und einem produktiven, bewegt.

„Ähnlich wie im Fall der Kreativität ist beim Antworten zu unterscheiden zwischen einer primär reproduktiven Antwort und einer primär produktiven oder kreativen Antwort. Im ersten Fall liegt die Antwort mehr oder weniger parat; sie kann bei entsprechender Standardisierung von maschinellen Antwortapparaten übernommen werden [...]. Anders steht es mit kreativen Antworten. Solche Antworten greifen auf fremde Angebote zurück und gehen auf fremde Ansprüche ein [...]. Antworten auf fremde Ansprüche liegen nicht bereit, sie sind zu erfinden.“ (Waldenfels 1999, S. 256)

Mit diesem Verweis lässt sich eine Verbindung zu den beiden Zugängen Bricolage und Enactment herstellen. Beide Methoden bergen Wandel, Veränderung und möglicherweise auch Kreativität in sich. Entscheidend ist, wie sich das „Angebot“ bzw. das „Repertoir“, aus dem man schöpfen kann, zusammensetzt. Je größer der Fundus, desto reicher, vielleicht sogar „kreativer“, sind die Antwortmöglichkeiten.

Der/die Antwortgebende wird affiziert von jenem, das sich ihm/ihr als Anspruch zeigt – das Verständnis des Akteurs ist somit eher passiv, da eine Beeinflussung des Affiziert-seins nicht gelenkt werden kann. Ein weniger passives Verständnis des Akteurs wird im Zugang zu Responsivität von den Politikwissenschaftlern vorgestellt. In Rekurs auf Uppendahl und dessen Abhandlung zur demokratischen Responsivität folgt weiter eine Auseinandersetzung mit einer anderen Zugangsweise.

Politikwissenschaftlicher Diskurs Footnote 11 nach Uppendahl

Bei der politikwissenschaftlichen Auffassung von Responsivität nach Uppendahl geht der Autor davon aus, dass das Wort aus dem englischen Verständnis von „responsiveness“ abgeleitet wird. Uppendahl bezieht sich auf Herzog (1997), der das englische Wort mit „Aufnahmefähigkeit“ übersetzt. Herzog beschreibt mit Responsivität die

„Fähigkeit von Repräsentanten [...] aufgeschlossen zu sein gegenüber den Wünschen, Erwartungen oder Interessen der Wählerschaft, diese zur Kenntnis zu nehmen und in die politischen Entscheidungen einfließen zu lassen.“ (S. 298).

Uppendahl (1981) unterscheidet in seinem Grundlagenbeitrag „Repräsentation und Responsivität Bausteine einer Theorie responsiver Demokratie“ zwischen individueller Responsivität (der Repräsentanten) und kollektiver Responsivität (von Systemen, Organisationen und Institutionen).

Für Uppendahl gilt als Grundvoraussetzung für responsives Verhalten die Existenz von Handlungsspielräumen (vgl. S. 128) – sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene.

Um jedoch diese Handlungsspielräume überhaupt zu kennen, sind Repräsentanten darauf angewiesen, sich Wissen über bevorstehende Entscheidungen anzueignen. Vielfach müssen, so Uppendahl, Repräsentanten Entscheidungen zu Themen treffen, zu denen sie keine näheren Kenntnisse haben. In diesen Fällen würde Rat „von Experten, Freunden und Bekannten“ eingeholt werden. Diese „Berater“, wie Uppendahl sie beschreibt, seien „Vermittler und Filterstationen“ (Uppendahl 1981, S. 129). Stellt man an dieser Stelle den Vergleich zu Waldenfels an, so wird durch jene Filterstationen die Verzögerung bzw. die Wahrnehmungs- und Handlungsgewohnheit durch zusätzliche Akteure erweitert. Schulleiterinnen und Schulleiter finden sich ebenfalls oft in Situationen wieder, in denen sie neue Erlässe, neue pädagogische Themen einführen sollen, ohne nähere Kenntnis über selbige zu haben. Entscheidend ist dann das weitere Verfahren: Wer wird als Experte, Freundin oder Beraterin herangezogen? Und wie erfolgt in diesem Fall die Antwort auf den Anspruch? Eine Dimension, die bei Waldenfels nicht zur Sprache kommt, schwingt hier ebenfalls nur indirekt mit, nämlich jene der Legitimation. Jedoch findet auch bei Uppendahl keine vertiefte Auseinandersetzung damit statt.

Wie in den neo-institutionalistischen Theorieströmungen mehrfach angesprochen wird, führen unterschiedliche Anspruchsgruppen zu divergierenden Antwortmöglichkeiten. Auch Uppendahl betont, dass

„[e]in Maximum an responsivem Verhalten eines Repräsentanten [...]stets dann zu erwarten [ist], wenn zwischen seinen Handlungspositionen und den ihm zur Verfügung stehenden Informationen kein Widerspruch besteht.“ (Uppendahl 1981, S. 130).

Betrachtet man diese Aussage im Kontext institutioneller Logiken, so gilt, dass dann eine klare responsive Handlung stattfindet, wenn der vermeintliche Anspruch mit institutionellen Logiken in Einklang zu bringen ist. Weitere anschließende Entwicklungsschritte können somit passend (im Sinne Waldenfels’) gemacht werden. Nichtsdestoweniger gilt es nochmals darauf hinzuweisen, dass es eine volle Widerspruchslosigkeit nach Waldenfels nicht geben kann, da eine Deckungsgleichheit zwischen Anspruch und Antwort nicht existiert. In Anlehnung an Etzioni (1968) lässt sich daher bestenfalls mit einem Mittelmaß an Responsivität arbeiten:

„Totale Responsivität – so Etzioni – zerstöre die Möglichkeit langfristig angelegter und kontinuierlicher Politik und sei schon allein deshalb nicht zu erzielen, weil sich die divergierenden Interessen der gesellschaftlichen Gruppen nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen ließen. Völlige Irresponsibilität führe demgegenüber zur Gänze eines von den Interessen der Gesellschaft abgekoppelten Entscheidungszentrums und impliziere die Gefahr des politischen „Selbstmords“ eines Systems. Deshalb plädiere Etzioni für ein dem jeweiligen situativen Kontext angemessenes Mittelmaß an Responsivität der Elite gegenüber den Wünschen und Bedürfnissen der Herrschaftsunterworfenen.“ (Uppendahl 1981, S. 127 nach Etzioni 1968)

Viele Aspekte in dem von Uppendahl für den politikwissenschaftlichen Zugang herausgearbeiteten Ansatz der Responsivität lassen sich auch für den schulischen Kontext, insbesondere die Rolle von Schulleiterinnen und Schulleitern, übernehmen. Gutknecht (2010) bringt Uppendahls Arbeit nochmals auf den Punkt, indem sie schreibt:

„Nach Uppendahl (1981) ist die Responsivität von Repräsentanten/Abgeordneten wesentlich vom Perzeptionsvermögen, der Selbsteinschätzung und dem Rollenverständnis auf der Seite der Repräsentanten abhängig.“ (S. 36)

Dabei wird auch der Aspekt der Agency, der bereits ausführlich im zweiten Kapitel behandelt wurde, deutlich. Schulleiterinnen und Schulleiter haben unterschiedliche Rollen inne; je nach diesem Verständnis respondieren sie. Dieser gemeinsame Nenner lässt sich sowohl für den philosophisch-phänomenologischen als auch für den politikwissenschaftlichen Ansatz finden.

Der folgende Diskurs ergänzt mit weiteren Elementen die Auseinandersetzung mit einer Responsivität von individuellen und kollektiven Akteuren, wobei der Fokus hier stärker auf Organisationen gerichtet sein wird.

Organisationswissenschaftlicher Diskurs Footnote 12

Im Kontext der Organisationswissenschaften wird Responsivität als „eine von drei Basisfähigkeiten von Unternehmen, neben Handlungs- und Lernfähigkeit“ (Ortmann 2017, S. 42; Kirsch 1992) gehandelt. Ortmann verknüpft diesen Anspruch an Organisationen, nämlich responsiv auf ihre Umwelt reagieren zu können, mit den immer komplexer werdenden Strukturen, auf die es flexibel zu antworten gilt. Er verweist dabei auf den Ansatz der flexible Response (vgl. Ortmann 2010, S. 27). Für die Organisation Schule hält er Folgendes fest: „[…] angesichts der Dynamik der Hypermodernen, [ist] auch die Responsivität der Schule als Organisation gefragt, die neuen Anforderungen ausgesetzt ist.“ (Ortmann 2017, S. 34). Unter „Respondieren“ wird nach organisationswissenschaftlicher Auffassung also die strategische Antwort von Organisationen auf ihre umweltlichen Ansprüche verstanden.

Ortmann (2010) weist darauf hin, dass „to respond“ mit „reagieren“, „ansprechen“, „eingehen auf“ oder „entgegenkommen“ übersetzt werden kann und somit den aktiven Anteil des Antwortens beschreibt (S. 42). Für Ortmann besteht Antwortverhalten daher aus zwei Dimensionen, einer aktiven sowie einer passiven. Überdies existiert im Englischen das Adjektiv-plus-Infinitiv-Gefüge „to be responsive“, das bedeutet übersetzt: „für etwas verantwortlich sein“. Diese Übersetzung, aus der klar das Wort „Verantwortung“ abgeleitet werden kann, veranlasst Ortmann auch dazu, „über erhebliche Stufen zunehmender Komplexität zur Figur einer Verantwortung im Sinne eines Antwortens auf [einen] Anspruch und zu einer Ethik ohne Prinzip, einer Ethik nicht-ethischer Herkunft, da sie eben mit dem Anderen beginnt“ (S. 29) zu kommen. Ortmann führt somit den Zugangs Waldenfels’ ein Stück weit an den Zugang der Organisationswissenschaft heran.

Gärtner et al. (2017) betonen, dass der Ansatz der Responsivität über den bereits gängigen Ansatz der „dynamic capability“ (vgl. u. a. Güttler 2013) hinausgehe.

„What is unique about responsiveness is that – in addition to sensing opportunities and threats, seizing opportunities, and reconfiguring organizational resources and routines (Teece 2007) – it also includes the dimensions of responsibility and legitimacy (Jacobs 2003; Ortmann 2010).“ (Gärtner et al. 2017, S. 8)

Damit greifen die Autoren dezidiert jenen Aspekt auf, der bei den vorherigen beiden Zugängen in dieser Explizitheit nicht benannt wurde.

Für Althans und Engel (2017) stehen im Mittelpunkt der responsiven Organisationsforschung deren „Transformations- und Tradierungsprozesse“ sowie deren „(Spannungs-)Verhältnis zu Institutionen, d. h. zu gesellschaftlichen Erwartungsstrukturen.“ (S. 3). Die sowohl von Ortmann als auch Althans und Engel betonte Komponente der Verbindung zwischen innerorganisationalen Handlungen in Bezug auf umweltliche Ansprüche lässt sich mit den neo-institutionalistischen Ansätzen verknüpfen. Auch in diesem Zugang werden Organisationen in Bezug auf ihr Verhältnis zu ihrer Umwelt diskutiert (vgl. Abschnitt 2.3).

Gärtner et al. (2017) greifen in ihrer Auseinandersetzung mit Responsivität ein weiteres Phänomen auf, das auch bei Waldenfels von zentraler Bedeutung ist: Das Phänomen der Wahrnehmung. Responsivität in der Organisationswissenschaft wird, wie bereits beschrieben, als strategisches Instrument eingesetzt, um gezielt auf neue Anforderungen der Umwelt reagieren zu können. Bevor jedoch respondiert werden kann, braucht es ein Wahrnehmen.

Gärtner et al. (2017) beschreiben die Fähigkeit responsiv zu handeln, indem sie vier Faktoren aufzählen, die diese bedingen:

„[Responsiveness] emerges from interorganizational practices that draw on organizational, network- and cluster-related structural properties and that are characterized by sensing, responding to and influencing changes, as well as taking responsibility for (re-)actions that must gain legitimacy. (S.16)

Mit Hilfe dieser Beschreibung gelingt es, eine Operationalisierbarkeit des Antwortprozesses zu entwickeln.

  1. (1)

    Phase des Wahrnehmens

  2. (2)

    Phase des Antwortens

  3. (3)

    Phase der Einflussnahme auf institutionelle Vorstellungen

  4. (4)

    Phase der Verantwortungsübernahme und der Legitimitätserhöhung.

Mit diesem Zugang vereinen die Autoren den Ansatz von Waldenfels, der sich eindeutig in Phase 1 und 2 wiederfindet, mit der strategischen Ausrichtung, die z. B. auch zu Teilen im Ansatz der Politikwissenschaft zu finden ist. Gärtner et al. (2017) gehen dabei von einem aktiven Antwortverhalten aus. Dieses, so betonen die Autoren, wird beeinflusst durch die interorganisationale Praxis. Damit integrieren sie in ihren Ansatz jene Feldtheorien, die bereits in Kapitel 2 behandelt wurden.

„[…] this practice-based account allows describing how the dynamics and form of interorganizational interaction change through the engagement in interorganizational practice, because every enactment of an interorganizational practice can change the outcome that subsequent interorganizational practices draw upon. By acknowledging this active engagement, our practice based multilevel conception embraces the idea that organizational actors can influence the course of events. Accordingly, our understanding of responsiveness also considers an active dimension.“ (Gärtner et al. 2017, S. 15)

Für die empirische Untersuchung der Arbeit ist noch von Interesse, wie sich Phase eins und Phase drei konkret beschreiben lassen, wie also ein Antwortverhalten von Akteuren beschrieben werden kann.

3.3.2 Antwortverhalten von organisationalen Akteuren

Pfeffer (1981; gem. mit Salancik 1978) war einer der Ersten, der aufzeigte, dass Unternehmensführungen bzw. Manager umweltlichen Ansprüchen auf bestimmte Art entgegentraten, um die Legitimität der eigenen Organisation zu managen (vgl. Scott 2014, S. 210). Dabei unterscheidet sich jedoch das Verständnis von Legitimität: Laut Suchmann (1995) gibt es eine strategische und eine institutionelle Interpretation. Diese unterscheiden sich in unterschiedlichen Annahmen, was „agency“ und „cultural embeddedness“ angeht (ebd. S. 572). Während die strategische Interpretation Legitimität als operationale Ressource versteht, die aus der Umwelt gezogen wird, um Ziele des Unternehmens durch Management zu erreichen (vgl. S. 576), versteht die institutionelle Interpretation Legitimität nicht als Ressource, sondern als „set of constitutive beliefs“ (ebd.), das heißt als Praktiken einer Organisation, die von der Umwelt als akzeptabel, angemessen und wünschenswert wahrgenommen werden.

„Organizations do not simply extract legitimacy from the environment in a feat of cultural strip mining; rather, external institutions construct and interpenetrate the organization in every respect. Cultural definitions determine how the organization is built, how it is run, and, simultaneously, how it is understood and evaluated.“ (ebd.)

Beelitz und Merkl-Davies (2011) gehen ebenfalls auf diese zwei Auslegungen ein. Sie streichen noch einmal heraus, dass Legitimität überwiegend aus symbolisch-interpretativer Perspektive analysiert wird (vgl. S. 102). Das Autorenduo ergänzt, dass aus strategischer Perspektive die Rolle des Managements in den Fokus rückt, während bei der institutionellen Perspektive die „Rolle des organisatorischen Publikums bei der Legitimationskonstruktion“ (S. 103) in den Blick genommen wird. Während also die strategische Zugangsweise eine aktive Rolle der Organisation beschreibt, wird Organisationen im institutionellen Zugang ein weitaus passiveres Moment zugesprochen.

Ähnlich leiten sich daraus auch unterschiedliche „Antwortmöglichkeiten“ der Organisationen ab (vgl. Abbildung 3.5).

Abbildung 3.5
figure 5

Legitimierungsstrategien (Beelitz & Merkl-Davies 2011, S. 103)

Sandhu (2014) unterscheidet in Anlehnung an Beelitz und Merkl-Davies (2011) zwischen rein strategischem Antworten, symbolischem Antworten (sowohl strategisch als auch institutionell) und rein institutionellem Antwortverhalten. Die Antwortmöglichkeiten, die aus institutioneller Perspektive angeführt werden, beschränken sich auf Entkopplung und Isomorphie. Beruft man sich auf Meyer und Rowan (1977, S. 356 ff.), so bieten diese genau die genannten Antwortmöglichkeiten:

  • Institutionalisierte Erwartungen zurückweisen – birgt die Gefahr des Ressourcenverlustes

  • Institutionalisierte Vorschriften rigide einhalten – kann zu Isolation führen (Formatstruktur)

  • ‚zynisch eingestehen‘, dass die institutionellen Erwartungshaltungen nicht den arbeitsbezogenen Anforderungen entsprechen (Unterschied Formal- und Aktivitätsstruktur)

  • Reformen versprechen

  • entkoppeln (Logik des Vertrauens)

(vgl. Walgenbach & Meyer 2008, S. 29 ff.)

Wie jedoch bereits in Kapitel 2 diskutiert, begründet sich diese Engführung in dem einseitigen Organisationsverständnis, das über Jahre hinweg in den neo-institutionalistischen Ansätzen propagiert wurde. Durch die Erweiterung dieses Verständnisses (vgl. Abschn. 2.3) lässt sich auch eine Erweiterung des Antwortverhaltens ableiten. Mit der Theorieerweiterung durch „instituional logics“ (Thornton, Ocasio und Lounsbury) und „instituional work“ (Lawrence und Suddaby 2006) wird auch im institutionellen Paradigma eine Hinwendung zu mehr strategischem Antwortverhalten möglich (vgl. Scott 2014, S. 210).

„At the root of this cognitive move in strategy is an acknowledgement that organizational responses to environmental pressure or changes were fundamentally mediated by managerial interpretations. [….] “ (Thornton, Ocasio, Lounsbury 2012, S. 182)

Die Autoren betonen, dass institutionelle Logiken die strategischen Entscheidungen, die von den Leitungshandelnden getroffen werden, beeinflussen (vgl. S 183) und, wie z. T. im strategischen Ansatz der Fall, nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Mit diesem Hinweis verbinden sie die strategische und institutionelle Antwortmöglichkeit auf institutionelle Ansprüche durch Leitungshandelnde. Im Sinne von Waldenfels wird somit das Respondieren auf fremde Ansprüche aufgegriffen, das letztlich in einem Rahmen aus Wahrnehmungs- und Handlungsgewohnheiten erfolgt. Mit dem Modell und der Beschreibung nach Gärtner et al. wird der Antwortprozess noch einmal präzisiert.

Ein konkretes Set von möglichen Antwortmustern wurde von Oliver (1991) entwickelt (siehe Tabelle 3.2).

Tabelle 3.2 Strategische Reaktionen auf institutionalisierte Erwartungen (Oliver 1991, S. 152)

Eine Ausdifferenzierung, was Oliver unter den einzelnen Strategien und Taktiken versteht, ist bei Sandhu (2012, S. 115–119) nachzulesen.

Sandhu (2012) betont, dass es von den Rahmenbedingungen abhängt, welche Taktik angewendet wird (S. 119). In Rekurs auf Goodstein (1994, S. 359 f.) zeigt er auf, dass sich die Art des Antwortens im Spannungsfeld zwischen der Stärke des institutionellen Zwangs aus der Umwelt (hoch-niedrig) und der erwarteten Auswirkung der Adaption innerhalb der Organisation (positiv-negativ) bewegt. Gäbe es beispielsweise einen hohen Zwang von außen und die Auswirkungen, das heißt die dadurch ausgelösten Adaptionen, würden als negativ wahrgenommen werden, so greife die Taktik des „Vermeidens“. Hier würden Legitimitätsfassaden aufgebaut werden. Es kommt zu einer Entkopplung.

Ist der Zwang von außen gering und werden die Auswirkungen intern aber als positiv wahrgenommen, dann würde eine manipulative Taktik eingesetzt werden (vgl. Sandhu 2012, S. 119). Dies, so Sandhu, sei die „aktivste Taktik“ (S. 118). „Die Organisation versucht dabei direkt auf institutionalisierte Anforderungen einzuwirken, sie zu verändern oder gar zu kontrollieren.“ (ebd.) Sandhu führt weiter aus, dass in diesem Fall vor allem durch „Ko-option“ (Einbindung in Entscheidungsprozesse) möglichst vieler Stakeholder die Legitimität gesteigert werden könne und die Interessen der Umwelt mit in die Organisationsentwicklung aufgenommen werden können. Hier könnte unter Umständen ein Bezug zu Scharmers 4.0 Version hergestellt werden.

Scott (2008) diskutiert die vorgebrachten Antwortmöglichkeiten ebenfalls aus mehreren Perspektiven. Zum einen merkt er an, dass ein bestimmtes Antwortverhalten zwar für einen bestimmten Industriezweig das Richtige sein kann, für einen anderen jedoch unmöglich – damit kritisiert er eine Verallgemeinerung und Universalität der genannten Antwortmöglichkeiten. Zum anderen betont er, dass die Form, wie geantwortet wird, eine Einschränkung der eigenen Handlungsmöglichkeiten nach sich ziehen kann (vgl. Scott 2008, S. 210 f.). Zusammenfassend verdeutlicht er:

„Tactics that can be successfully pursued in one setting may be inconceivable in others. [...] [L]ike other organizational processes, organizational strategies are institutionally shaped.“ (Scott 2008, S. 211).

Mit dieser Kritik liefert Scott den Hinweis darauf, dass ggf. das Antwortverhalten innerhalb anderer Organisationen wie etwa Schule – die, wie bereits im zweiten Kapitel deutlich gemacht wurde, sich von anderen Organisationen unterscheidet – mitunter anders ausfallen kann.

Obwohl Weicks Studie (1976) zum Phänomen der Entkopplung damals in Schulen durchgeführt wurde, hat sich, wie zuvor bereits beschrieben, seither Vieles in Schulen gewandelt. Insbesondere die Rolle der Schulleitungen und das Schulleitungshandeln haben sich weiter ausdifferenziert. Davon ausgehend, bedarf es einer Revision des responsiven Schulleitungshandelns im Kontext institutioneller Umwelten.

3.4 Responsives Leitungshandeln als Antwort auf institutionellen Wandel

Die Art, wie Schulleiterinnen und Schulleiter führen bzw. ihre Schulen leiten, kann nach unterschiedlichen Leadership-Ansätzen geschehen. Die Beschreibung dieses Leitungsverhaltens kann je nach Schwerpunkt der Forschungsansätze abweichend beschrieben oder analysiert werden. Festgestellt wurde jedoch, dass Leitungshandeln selten einer einzigen Form entspricht. Vielmehr antworten Schulleiterinnen und Schulleiter in ihrem Führungsverhalten auf Fremdreferenzen. Bleibt man im Bild von Waldenfels, so lässt sich dies als Antwortgeschehen übersetzen (Waldenfels 2016 [1994]). Ein entscheidender Moment in responsivem Leitungshandeln liegt also darin, auf etwas als etwas zu antworten. Waldenfels schreibt dazu:

“In any case, what is at stake here can be put quite well in phenomenological terms: something appears as something, as somebody, but in such a way that it appears in this way rather than another. This “rather” has to be connected with something like a principle [or institutional logic] of insufficient reason, because every order which could be other than it is turns out to be selective and exclusive.” (2007, p. 13)

Damit unterstreicht der Autor, dass in jedem responsiven Akt immer auch ein Selektionsmoment mitschwingt bzw., wie bereits ausgeführt, eine Verzögerung einsetzt, in der abgewogen wird, welche Antwort als passend erscheint. Dabei spielen zum einen die Handlungsgewohnheiten, aber zum anderen auch – und das ist die entscheidende Anschlussmöglichkeit für den neo-institutionalistischen Zugang – institutionelle Logiken eine Rolle. Außerdem können – wie im politikwissenschaftlichen Diskurs – Zwischenschritte des Antwortgebens eingebaut werden, indem im Prozess des Abwägens weitere Meinungen ergänzt werden (z. B. durch Experten, Freunde, Vertraute) (vgl. Uppendahl 1981, S. 129).

Die strategisch ausgerichtete Herangehensweise von Ortmann zeigt zwei weiterführende Aspekte auf:

„Strategien sind nicht nur - diachronisch - durch Zukunfts-, sondern auch - synchronisch - durch Fremdreferenz charakterisiert, durch den strategischen - und das heißt auch: den instrumentalisierenden - Bezug auf Andere und „die Umwelt.“ (Ortmann 2017, S.17)

In welcher Form jedoch diese Umwelt wahrgenommen wird, kann ebenfalls unterschiedlich sein. Für die neo-institutionalistische Theorie werden hier drei unterschiedliche Zugänge benannt. Die Umwelt als „begrenzende Rahmung gesellschaftlicher Erwartungen“, als „gesellschaftliche Vorstellung, bzw. regelhafte Vorgaben“ oder als „Fundus gesellschaftlich etablierter Deutungen des Organisationalen“ (vgl. Koch 2018, S. 143 bzw. Abschnitt 2.3).

Nimmt man Führungstheorien wie etwa die von Claus Otto Scharmer in den Blick, so verwendet dieser den Begriff der Führung von der Zukunft her („emerging future“). Für Scharmer liegt in der vierten Dimension seiner Theoriematrix die Hinwendung zur institutionellen Umwelt, jedoch nicht im (ursprünglichen) Sinne dessen, diese als maßgebendes Korsett (vgl. 1.0) wahrzunehmen, sondern im Sinne einer „Umkehr des alten Modells“, sodass „die Kultivierung von co-kreativen Beziehungen zwischen den Stakeholdern im Zentrum des neuen Öko-Modells der Organisation steht“ (Scharmer 2014, S. 227). Auch Bonsen beschreibt in seiner Abhandlung zu Schulführung, dass sich „Emergente Führung auf der Mesoebene (der Schulebene) [bildet], infolge des Zusammenspiels verschiedener professionell Handelnder (Lehrkräfte mit pädagogischer Expertise) heraus“ (Bonsen 2016, S. 317). Ähnlich wie auch Baecker (2015) beschreibt er damit eine Abkehr von heroischer Führung. Alle drei Autoren forcieren mit ihrer Beschreibung also ein Führungsverständnis, das ein Organisationsverständnis abbildet, bei dem die institutionelle Umwelt als Fundus wahrgenommen wird und die inneren und äußeren Anspruchgruppen als Mehrwert für die Entwicklung der Organisation angesehen werden.

Schratz bringt diese Annahme Baeckers nochmals auf den Punkt, indem er schreibt:

„In Veränderungsprozessen geht es daher vielfach um eine emergente Komplexität, da die Problemstellungen durch nichtlineare Veränderungen gekennzeichnet sind, wodurch keine bewährten Erfahrungen aus der Vergangenheit zur Verfügung stehen.“ (Schratz 2019, S. 48)

All diesen Ansätzen ist immanent, dass ein solcherart verändertes Führungsverhalten eine bestimmte Eigenschaft voraussetzt, nämlich eine Sensibilisierung für umweltliche Bedingungen. Wie bereits vorgestellt, sprechen Gärtner et al. (2017) in ihrer Definition von Responsivität in diesem Zusammenhang von „sensing“. Scharmer verwendet in seinen Ausführungen ebenfalls den Begriff „sensing“ bzw. „hinspüren“ in der deutschen Übersetzung, Waldenfels arbeitet mit dem Begriff „wahrnehmen“. Leitungshandeln auf der vierten Stufe (vgl. Tab. 3.1) folgt der Maxime: „[…] von einer zukünftigen Möglichkeit her handeln von einer authentischen Präsenz des Augenblicks her handeln – aus dem jetzt.“ (Scharmer 2009, S. 74). Um die mögliche Zukunft zu erahnen bzw. die Momente des Augenblicks erschließen zu können, müssen sich Leitungshandelnde in die Rolle eines Beobachters/ einer Beobachterin begeben, gleichzeitig aber auch Beobachtete sein. Auf diesen Aspekt geht Baecker explizit ein:

„Postheroisches Management besteht seither darin, von der Komplexität der Managementaufgabe auszugehen. Und es profitiert davon, dass dieses Management die Organisation eben nicht wie von außen kommend in einen Betrieb verwandeln kann, [...], sondern dass dieses Management selbstverständlich in der Organisation arbeitet und wirkt und daher selbst ein Teil der Komplexität dieser Organisation ist. Er leistet willentlich und unwillentlich, als Beobachter und als Beobachtetes, wesentliche Beiträge zum Aufbau und zur Pflege jener Komplexität der Organisation [...].“ (Baecker 2015, S. 9)

Der Prozess des Sensing findet – und das ist die Quintessenz der vorhergehenden Ausführungen zur institutionellen Umwelt – immer in einem abgesteckten Rahmen und unter dem Vorbehalt der als Orientierung fungierenden institutionellen Logiken (bzw. Orientierungsrahmen) statt. Die Hinwendung zu bestimmten Anspruchgruppen bedingt passendes oder entsprechendes (vgl. Waldenfels 2016) Antwortgeben auf ein Wahrnehmen. Hier lässt sich ebenfalls ein Bogen zu den Ausführungen zur responsiven Organisationsforschung spannen. Strategisches Antwortverhalten wie von Oliver (1991) gezeigt, kann unterschiedliche Formen annehmen und ist in direktem Zusammenhang mit Legitimitätsgewinn zu betrachten.

Abbildung 3.6
figure 6

(Eigene Darstellung)

Zusammenführen der Modelle zu responsivem Leitungshandeln

Responsive Führung im Kontext von Schule und Unterricht versteht sich somit als Zugang zu Führung, der hilft, die Antwortprozesse abzubilden, die Schulleiterinnen und Schulleiter durchlaufen, wenn sie in ihren Entscheidungen bzw. Schulentwicklungstätigkeiten auf Ansprüche reagieren. Responsive Schulleitung versucht zu fassen, wie sich etwas für Schulleiterinnen und Schulleiter zeigt und wie sie darauf respondieren. Dabei werden die vorgestellten Aspekte von Responsivität (vgl. Abbildung 3.6) berücksichtigt.

Die Formen des Antwortverhaltens, gepaart mit dem Modell, wie sich Führung in den vergangenen Jahren verändert hat und welche Formen der Führung sich entsprechend als Antwort zeigen können, führen zu einer letzten Hypothese:

H 6 :

Schulleiter/-innen respondieren in ihrer Agentenschaft auf Ansprüche ihrer Umwelt

  • H 6.1.:

    mit entsprechendem Führungshandeln

    H 6.2:

    mit entsprechenden Entwicklungsmaßnahmen innerhalb der Organisation

Die Zusammenführungen in diesem Kapitel, in Form einerseits des erweiterten Modells von Czarniawaska und Joerges (vgl. Abbildung 3.2) sowie andererseits des Modells, das die Kompetenten responsiven Leitungshandelns (vgl. Abbildung 3.6) abbildet, helfen zu operationalisieren, wie sich Schulleitungshandeln in institutionalisierten Umwelten zeigt.

Beide Modelle liefern daher ein Grundgerüst für das vierte Kapitel, in dem die theoretischen Modelle anhand empirischer Daten überprüft werden.