In dieser Studie besteht ein Schwerpunkt darin, das wechselseitige Interaktionsgeschehen der Teilnehmenden zu untersuchen. Nach Huber und Mandl (1994) ist darauf zu achten, dass sowohl für die Erhebung als auch für die Auswertung der erhobenen Daten Methoden benutzt werden, „die es den erforschten Personen gestatten, ihre subjektiven Sichtweisen auszudrücken“ (ebd.: 8). Der Ausdruck dieser subjektiven Sichtweisen geschieht entweder indirekt „in ihren Handlungen [oder, A.B.-H.] direkt in ihren Aussagen über ihre subjektive Welt“ (ebd.: 9).

Mit dem Anspruch, die subjektiven Sichtweisen der Interagierenden zu rekonstruieren, sind die Verlässlichkeit und Authentizität der zu erhebenden Daten zu berücksichtigen. Ausgangspunkt dieser Forschungsarbeit stellen Daten aus einer im Rahmen der Ausbildung durchgeführten UNB dar. Mit dem hier gewählten akteurzentrierten Ansatz ist es von Bedeutung, die Erhebungssituation der Daten zu reflektieren (Abschn. 5.1).

Neben der Erhebung der Daten spielt auch ihre Auswertung (Abschn. 5.2) eine wesentliche Rolle, da mit dem gewählten Verfahren die subjektiven Relevanzsysteme der Akteure herauszuarbeiten sind. Ziel der Auswertung ist es, die Sinnstrukturen der Akteure zu rekonstruieren. Es geht dabei um die Frage, wie genau sich auf der phänomenal sprachlichen Ebene ein bestimmter Typus oder eine Sinnstruktur im untersuchten Einzelfall zeigt und damit geht es nicht um die Frage, wie häufig diese Sinnfigur vorkommt. Mit der Rekonstruktion der Sinnstrukturen ist auch die Frage nach der Repräsentanz der Daten (Abschn. 5.3) angesprochen.

5.1 Erhebungsverfahren der UNB – die nichtteilnehmende Beobachtung

Beobachtungen standen und stehen innerhalb des Kontextes qualitativer Gesprächsforschung im Mittelpunkt der empirischen Erhebung von Daten. Für diese Daten wird möglichst das authentische Verhalten von Menschen in ihrem jeweiligen situativen Auftreten beobachtet. Im Unterschied dazu stehen nach Brosius et al. (2008: 181 f.) „alle Formen von medial inszeniertem Verhalten.“ Nach der Ausdifferenzierung unterschiedlich relevanter Beobachtungsaspekte gelangen die Autor:innen zu folgender Definition (ebd.: 182) der Beobachtung sichtbaren Verhaltens:

„Die wissenschaftliche Beobachtung ist die selektive und systematische Erfassung und Protokollierung von sinnlich wahrnehmbaren Aspekten prinzipiell sichtbaren Verhaltens. Die Erfassung beruht auf einem hierfür konzipierten Erhebungsinstrument und kann durch menschliche Beobachter oder apparative Vorrichtungen erfolgen. Sie beruht auf einer wissenschaftlichen Fragestellung, ist in ihrem Vorgehen intersubjektiv nachprüfbar und wiederholbar, indem alle relevanten Aspekte offengelegt werden.“

Nach Flick (2017: 281) kann man grundsätzlich zwei Arten von Beobachtungen unterscheiden:

„So gibt es Studien, in denen der Beobachter nicht zum Teil des beobachteten Feldes wird, … Daneben stehen andere Ansätze, die ihre Erkenntnisse über die zunehmende Aufnahme des Forschers als Teilnehmer in das beobachtete Feld gewinnen wollen.“

Im Sinne Flicks sind damit nur aktuelle Handlungsweisen von Interagierenden der Beobachtung zugänglich. Interviews gelten als schon verarbeitete Darstellungen von Handlungen.

In dieser Arbeit wird aus Gründen der (in Abschn. 4.1) dargestellten und geforderten Nähe zum Untersuchungsgegenstand als Erhebungsinstrument die teilnehmende Beobachtung gewählt. Die Forschende hat die Beobachtung selbst durchgeführt. In Anlehnung an Gehrau (vgl. 2017: 23 ff.) sind drei Aspekte der teilnehmenden Beobachtung zu berücksichtigen:

  1. I.

    Der Beobachter:

Die Frage, die sich schon vor der eigentlichen Beobachtung stellt, ist die nach dem Subjekt der Beobachtung. Großer Vorteil des eingenommenen internen Beobachterstatus ist der des gemeinsamen Erfahrungshorizontes, der im Falle dieser Untersuchung gegeben ist. Seminarausbilder:innen sind es gewohnt, Unterrichtsnachbesprechungen in Anwesenheit von und in Kooperation mit anderen an der Ausbildung Beteiligten zu führen. Somit ist die Beobachtungssituation keine neue Situation für die Anwesenden. Es kann hier davon ausgegangen werden, dass die Aufnahmesituation auch deswegen zustande kommen konnte, weil gerade dieser Bekanntheitsgrad die Beobachtung und Aufnahme erst ermöglichte. Die Anwesenheit in der Funktion der nicht beurteilenden Kernseminarleiterin, die hier als Beobachterin fungiert, erlaubt die Einnahme der nichtteilnehmende Beobachterrolle, die als Interne die Organisation und Struktur der Beratungssituation genau kennt. Vor dem Hintergrund dieser internen Kenntnisse erscheint es im Sinne Flicks (2017: 288) möglich, das komplexe Feld dieser Beratungssituation zu erfassen und dabei „konkretere Fragestellungen und Blickrichtungen zu entwickeln.“

Zudem ist es ausgeschlossen, eigene Beratungsprozesse zu beobachten, weil die komplexe Rolle als Fachleiterin den gleichzeitigen Blick als beobachtende Forscherin irritieren würde.

  1. II.

    Die Beobachtungssituation:

Die Fähigkeit zu beobachten ist keine Erfindung der Gesprächsanalyse. Sie ist vielmehr eine alltägliche Handlung, die beispielsweise im Gedächtnis ihrer Teilnehmer:innen gespeichert ist und an die sie sich erinnern können. Anders als bei teilnehmender Beobachtung, bei der Forscher:innen zum Teil des erforschten Feldes werden, verzichten man als nichtteilnehmende Beobachtende auf Interventionen im Feld. In Anlehnung an Adler & Adler (zitiert nach Flick 2017: 282) beschreibt Flick die Rolle des nichtteilnehmenden Beobachters:

„Reine Beobachter verfolgen den Fluß der Ereignisse. Verhalten und Interaktion gehen weiter, wie sie dies ohne die Anwesenheit eines Forschers tun würden, ohne von Störungen unterbrochen zu werden.“

Man sollte ergänzen – „weitgehend“ ohne Störungen, da die Beobachtungssituation selbst ja durchaus als eine Störung wahrgenommen werden kann. In der Unterrichtsnachbesprechung sind die ausbildenden Berater:innen damit vertraut, dass andere Ausbilder:innen aus dem ZfsL oder der jeweiligen Schule bei dem Beratungsgespräch anwesend sind und an diesem auch teilnehmen. Die Beratung wäre auch ohne das Interesse an der Aufnahme zustande gekommen. Die Erhebungssituation kann hier als weitgehend authentisch eingeschätzt werden. Dies entspricht auch der Einschätzung Flicks (1995: 149), der unter „Authentizität“ versteht, dass der Forschungsgegenstand „in dessen eigenen Strukturen, in dessen Einzigartigkeit und Besonderheit versteht und erfaßt [wird].“

Wax (zitiert nach Legewie (1995: 191) vertritt die Auffassung, dass der Einstieg ins Feld, der als das „erste und schwierigste Stadium der Feldforschung“ gelten kann, gerade dadurch erleichtert wird, dass …„der Forscher an eine den Informanten vertraute Rolle anknüpft und ihm gleichzeitig seine Forschungsinteressen vermittelt.“

Diese Art der Vertrautheit kann für beide Gesprächsteilnehmende vorausgesetzt werden: Der Fachleiter ist zugleich auch Kollege in der Schule und damit auch aus diesem Kontext bekannt. Der Fakt der Vertrautheit war sicher eine der Bedingungen für die Bereitschaft des Kollegen, sich während der Beratungssituation videographieren zu lassen.Footnote 1

Für die Referendarin stellte die Aufnahmesituation nach eigenen Angaben keine zusätzliche Belastung dar. Im Zusammenhang mit Unterrichtsbesuchen sind Beobachtungen an der Tagesordnung. Darüber hinaus werden Referendar:innen im Ausbildungsunterricht von anderen Fachkollegen häufig und regelmäßig beobachtet.

Der Ort der Aufnahme befindet sich in einem Raum der Schule, an der die Referendarin tätig ist und der üblicherweise für Beratungsgespräche genutzt wird. Die Forscherin war bei dem Unterricht, der der UNB vorausging, anwesend und ist somit auch mit der zu beratenden Unterrichtssituation inhaltlich vertraut, zumal sie auch das hier gezeigte Fach Deutsch vertritt.

  1. III.

    Das Erhebungsverfahren:

Mit der Aufzeichnung per Video waren beide – Berater und Beratene – sofort bereit. Sie konnten leicht nachvollziehen, dass die Fixierung gerade auch flüchtiger Verhaltensphänomene von Bedeutung sein könnte, um das Geschehen mehrfach betrachten zu können. Die Aufnahme beginnt exakt am Anfang des Beratungsgespräches und endet, als sich Ausbilder und Referendarin voneinander verabschieden. Die vorliegende Beratungsstruktur (vgl. Abb. 7.1, Abschn. 7.1) erleichtert ein offenes Erfassen der Rohdaten entsprechend der Gesprächschronologie. Wesentliche Aspekte des Gesprächs werden im Verlauf der Auswertung detailliert transkribiert und als Gesprächstranskript festgehalten.

Im Hinblick auf die Repräsentativität der erhobenen Daten wird darauf hingewiesen, dass ausschlaggebend für die Auswahl der Teilnehmenden die Bereitschaft für die Videographie war. Keine anderen Ausbilder:innen waren zum Zeitpunkt der Erhebung bereit, sich für eine Aufnahme zur Verfügung zu stellen. Dies kann als Indiz dafür gelten, mit welch sensiblen Daten hier zu rechnen ist und andererseits auch, wie problematisch die UNB gerade auch aus Sicht von Ausbilder:innen ist.

Um aussagekräftige Rohdaten zu erhalten, benötigt man Kenntnisse von den konstanten und variablen Merkmalen der Grundgesamtheit, um eine angemessene Auswahl als Stichprobe von der Grundgesamtheit entnehmen zu können.Footnote 2 Vor dem Hintergrund der Erfahrungen im Lehrerausbildungssystems können diese Kenntnisse vorausgesetzt werden. Als günstig erscheint im Falle des sich hier zur Verfügung stellenden Kollegen der Umstand zu sein, dass er nicht nur als Fachleiter, sondern auch als Kernseminarleiter ausgebildet wurde. Damit hat er Kenntnisse von der Art und Weise, wie eine personenorientierte Beratung anzulegen ist. Dies wiederum lässt während der UNB ein Interaktionsverhalten erwarten, dass sich an dem Konzept des erwachsenen Lerners orientiert.

5.2 Das Auswertungsverfahren für die UNB

Bei der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus auf der kommunikativen Praxis der Unterrichtsnachbesprechung und damit auf den beobachtbaren Handlungsweisen der Interagierenden, die mit qualitativen AnalysemethodenFootnote 3 untersucht werden. Dem gewählten methodische Ansatz liegt die Frage nach dem Entstehen und der Akzeptanz von Orientierungen oder in den Worten Goffmans, „Rahmungen“ zugrunde, wie sie sich in Gesprächen zeigen.

Voraussetzung für das Auffinden und Rekonstruieren von Interaktionsmustern der Gesprächsbeteiligten ist eine weitgehend offene Fragehaltung innerhalb des Forschungsprozesses. Als initiierender Anfang leiten erste Fragen den Forschungsprozess lediglich ein. Aber während des weiteren Untersuchungsverlaufs werden diese Fragestellungen verändert, verworfen oder ergänzt. Schlussfolgerungen, ggf. auch entwickelte Theorien, bleiben stets dem Untersuchungsgegenstand verpflichtet. Sie entwickeln sich aus dem erhobenen Daten und werden diesen nicht als bereits existierende Kategorien oder Klassifizierungen zugeordnet. Das Material spricht somit weitgehend aus sich selbst heraus. Allerdings sind die entwickelten Konstruktionen nicht zu verwechseln mit der subjektiven Sicht der Sprecher:innen. Die rekonstruierten Strukturen von Interaktionen, das ist eine wesentliche Voraussetzung dieses Verfahrens, sind den Interagierenden selbst selten bewusst.

Für den Ablauf des Forschungsprozesses gilt es verschiedene Arbeitsschritte zu beachten:

Zunächst wird in einem ersten Interpretationsschritt das Gesagte gesichtet und die verhandelten Gesprächsthemen herausgearbeitet. Wichtig sind vor allem diejenigen Gesprächssequenzen, die im Hinblick auf die initiierende Forschungsfrage thematisch relevant erscheinen. Untersuchenswert erscheinen auch solche Abschnitte, die sprachlich auffallen. Das können besondere Sprachbilder sein, die benutzt werden. Kruse (2015: 457) plädiert bei der Betrachtung dessen, „wie etwas gesagt wird“, dafür, die Analyse in einem „(gesprächs-)linguistischen bzw. sprachpragmatischen Rahmen“ zu verorten. Für Kruse ist die Feinanalyse auf der mikrosprachlichen Ebene das Kernstück seines sog. „integrativen Basisverfahrens, da sich in den „Versprachlichungsvollzügen in einer konkreten Selektion sprachlicher Mittel“ (ebd.: 458) der besondere Sinngehalt einer Äußerung ausdrückt. Er charakterisiert das integrative Basisverfahren als ein „durch die genuin sozialwissenschaftliche Zielperspektive gerahmtes gesprächs- bzw. textlinguistisches Verfahren.“ (Ebd.: 463)

Kruse betont die Bedeutung einer offenen Herangehensweise bei der Datenauswertung, bei der mit einem möglichst multiperspektivischen Zugang die Arbeit am Text integrativ zu erfolgen habe. Dieser integrative Zugang charakterisiert sich dadurch, dass bei der Auswertung des Datenmaterials spezifische Analyseheuristiken zur Anwendung kommen sollten. Kruse verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff „forschungsgegenständliche Analyseheuristiken“ (ebd.: 467), die später in dieser Arbeit, dort nämlich, wo sie zur Anwendung kommen, ausführlicher vorgestellt werden.

Diese insgesamt intensive Arbeit am Datenmaterial hat für Kruse zunächst den Effekt, dass sich die Entwicklung von Interpretationen „datenzentriert“ entwickelt. Zudem bietet ein intensiver sprach-deskriptive Zugang den Vorteil, „möglichst lange am Text zu bleiben“ (ebd.: 464) und damit den Analyseprozess, wie gefordert (vgl. Abschn. 5.2), zu verlangsamen. Ziel dieser Vorgehensweise ist schließlich mit Hilfe der analysierten Daten die Handlungsweisen der Interaktionsteilnehmer:innen herauszuarbeiten.

5.2.1 Auswertung der Daten

Im Anschluss an Datenaufnahme und Transkription fügt sich die Auswertung der Daten an. Zunächst werden entsprechend der Makrostruktur der Gesprächsorganisation einzelne Phasen und innerhalb dieser Sequenzmuster identifiziert. Die linguistische Konversationsanalyse nennt hierfür als eine Möglichkeit der Sequenzeinteilung den Sprecherwechsel, der in seiner Abfolge sprachlich-funktionale Einheiten bildet, sogenannte „Paarsequenzen“Footnote 4, wie sie uns im Alltag beispielsweise als Begrüßungs- oder Verabschiedungssequenzen begegnen. Diese können allerdings von unterschiedlich großen oder kleinen Zwischensequenzen unterbrochen oder begleitet werden. In der vorliegenden Arbeit wird zum einen auf die Analysekategorien in Anlehnung an Henne und Rehbock (2001) zurückgegriffen. Dabei werden Gesprächsphasen auf drei unterschiedlich weiten Ebenen berücksichtigt: auf einer Makroebene (die Gesprächseröffnung, die Gesprächsmitte und die -beendigung), einer mittleren Ebene (dazu gehören die einzelnen Sequenzen, die sich durch Sprecherwechsel und -bezüge identifizieren lassen mit ihren jeweiligen Gliederungssignalen auf der Hörer- oder Sprecherseite) und schließlich, und hier liegt der Schwerpunkt der Auswertung, auf einer „Mikroebene“ (ebd.: 14), bei der einzelne sprachliche Elemente in den Blick genommen werden.

Die Qualität und die Validität gesprächsanalytischer Untersuchungen basiert vor allem auf der detaillierten Analyse dieser einzelnen sprachlichen Elemente. Dafür gilt es nach Deppermann (2008a) zunächst einen Überblick über den gesamten Datenkorpus zu erstellen, damit die Sequenzen, „die für bestimmte Fragestellungen einschlägig sind, schnell gefunden werden und Entscheidungen für Gesprächsausschnitte, die eingehender untersucht werden sollen, fundiert getroffen werden können“ (ebd.: 31). Was die Auswahl der Gesprächssequenzen angeht, die einer weiteren Feinanalyse unterzogen werden, beziehe ich mich auf die Selektionsprinzipien Deppermanns (ebd.: 36):

Er schlägt vor, diejenigen Passagen auszuwählen, die

  • „in direktem Bezug zu den primären Untersuchungsfragen stehen“ und die darüber hinaus

  • von den Gesprächsteilnehmern „expressis verbis“ als die „interessierenden Phänomene“ benannt werden. Es sollten sich dabei um

  • „abgeschlossene Einheiten“ handeln, „deren Grenzen von den Interaktanten durch einen deutlich erkennbaren Anfang und Ende markiert werden“.Footnote 5

Vor der Darstellung des Gesprächsinventars wird zunächst die Situation der UNB beschrieben. Die anschließende Einteilung des Gesamtgesprächs in einzelnen Gesprächsphasen orientiert sich an dem hier benutzen Gesprächsleitfaden (s. Abb. 7.1). Außerdem wird mit Hilfe von Sprecherwechsel-Signalen darauf geachtet, ob diese Phasen tatsächlich von den hier Interagierenden so, wie es der Leitfaden nahelegt, auch eingehalten wird. Auf diese Weise wird der chronologische Ablauf des Gesprächs berücksichtigt.

Die rekonstruktive Analysearbeit folgt entsprechend der Sequenzanalyse Schritt für Schritt in einem offenen Prozess dem Fortgang der dokumentierten Kommunikationsabläufe. Der Chronologie des Gesprächsverlauf folgend werden die textuellen Daten fortlaufend mikrosprachlich mit Hilfe linguistischer Verfahren untersucht.

Für die Darstellung der gewonnenen Ergebnisse stellt sich jedem Forschenden die Frage, wie diese im Verlauf der Untersuchung anzuordnen sind. Es gäbe die Möglichkeit, die Ergebnisdarstellung im Anschluss an die mirkosprachlich-deskripive Analyse als Interpretation anzufügen. Zuerst würde also beispielsweise der Einstieg in das Gespräch zwischen der Referendarin und dem Fachleiter Schritt für Schritt sorgfältig im Hinblick auf seine sprachlichen Auffälligkeiten untersucht. Die ersten Ergebnisse der Sprachanalyse würden dann in einem Zwischenkapitel zusammengefasst und in eine gegenstandszentrierte Theorie eingebettet. Damit würde der Erkenntnisprozess nachgezeichnet, der sich durch Stufen und Schichtungen von Beobachtungen und Erkenntnissen auszeichnet und mit einer möglichen Einbettung eines theoretischen Hintergrundes endet.

Eine andere Möglichkeit besteht (so beispielsweise Kruse 2015: 637) darin, den „induktiven Plot zu verlassen und in der Darstellung mit einem Analyseergebnis zielgerichtet einzusteigen.“ „Das ‚Blockverfahren‘[Herv. i. O.] hat seinen großen Vorteil im Hinblick auf den übersichtlichen Nachvollzug im Sinne eines roten Fadens, was das Lesen bzw. die Rezeption sehr vereinfacht“ (ebd.: 629).

Bei seiner Favorisierung des „Blockverfahrens“ bezieht sich Kruse (vgl. ebd.: 631) auf Suddaby, der für seine qualitativ-empirischen Forschungsarbeiten diese Darstellungsweise favorisiert.

Wenn also im Folgenden das Datenmaterial in einer gewissen Auswahl dargestellt und entsprechend einzelnen inhaltlichen Schwerpunkten eingeführt und aufbereitet dargestellt wird, soll damit nicht der Eindruck erweckt werden, dass hier schon von Beginn an das Material in diesem Sinne verstanden und interpretiert worden sei. Die gewählte Darstellungsweise folgt ausschließlich der besseren Lesbarkeit und der Systematik der im Forschungsvorgang sich abzeichnenden Logik.

Aus diesem Grund ist das 6. Kapitel der Analyse des Gespräches vorangestellt, obschon die Berücksichtigung der Positionierungstheorie ein Ergebnis und nicht etwa eine zuvor getroffene Interpretationsheuristik bildet.

5.3 Die Repräsentanz der Daten

Es ist bereits dargestellt worden, dass es in dieser Untersuchung zentral um die Analyse eines Einzelfalls einer UNB geht. Die intensive Erhebungs- und Auswertungsmethode lässt für das Forschungsprojekt schon aus praktischen Erwägungen nur wenige Fälle zu.

In Anlehnung an Oevermann (1981), der die Möglichkeiten der Generealisierbarkeit von Fallrekonstruktionen ausführlich erläutert, erfolgt zunächst der Hinweis, dass die Rekonstruktion der Textbedeutungen in einem sehr kleinschrittigen kommunikations-analytischen Verfahren aus dem primären Datenmaterial erfolgt. Es werden im Unterschied zu anderen subsumtionslogischen Verfahren Bedeutungen „über das Bewußtsein der Handelnden hinaus“ (ebd.: 5) auf dieser analytischen Ebene sorgfältig und kleinschrittig expliziert.

Gleichwohl besteht der Anspruch, dass die Rekonstruktion eines Fallmusters auch für andere Fälle Gültigkeit besitzen soll.

Es werden innerhalb der Sozialforschung verschiedene Generalisierungsformen verwendet. Mayring (2007) unterscheidet für den Bereich der qualitativ orientierten Forschung Formen wie „Gesetzesaussagen, Regelhaftigkeiten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede, kontextspezifische Aussagen oder nur Prozeduren der Erkenntnisgewinnung“ (ebd.: [1])

Für die Einzelfallstudie rät Mayring (ebd.: [19]) zunächst den Kontext des Einzelfalls zu analysieren, um so die Vergleichbarkeit auf ähnliche Kontexte zu ermöglichen. Der Kontext des hier gewählten „typischen Fall[s]“ (ebd.) wird in Abschn. 5.1 (die Beobachtung der Untersuchungssituation) und in Kap. 7 (die Auswahl der Referendarin) dargestellt.

Eine weitere Möglichkeit, die Verallgemeinerung der Ergebnisse sicherzustellen, liegt in der Darstellung der „Variation des Phänomens“ (ebd.:[16]) . In dieser Arbeit wird dies in dem kombinierten Verfahren verschiedener „Rekrutierungsstrategien“ (Kruse 2015: 253) von Daten im untersuchten Feld realisiert. Mit den hier gewählten unterschiedlichen Zugangswegen,

  • der Videographie und Analyse der UNB,

  • der Beobachtung und Kommentierung der Videographie durch eine Akteurin,

  • der Analyse einer Gruppendiskussion von Referendar:innen

und der Spurensuche nach ähnlichen Mustern innerhalb dieser verschiedenen Datensätze soll es gelingen, einerseits mögliche Verzerrungen durch die unterschiedlichen Herangehensweisen auszugleichen (vgl. auch Abschn. 2.3). Andererseits erlaubt die Untersuchung eines bestimmten Phänomens in „unterschiedlichen Erscheinungsformen und Kontexten“ (Mayring 2007: [16]) die mögliche Variation des Phänomens zu erforschen. Die Kontextualisierung der Akteurstrategien im empirischen Feld, die im Sinne Webers (zit. nach Przyborski et al. 384) auf eine Verdichtung des Falls und so auf die „sinnhafte Kohärenz“ (Przyborski, Wohlrab-Sahr 2014: 384) im untersuchten Feld verweist, soll hier als weitere Strategie eingesetzt werden, um Gemeinsamkeiten des Akteurhandelns zu generieren.

Als dritte Möglichkeit der Verallgemeinerung wird für dieses Forschungsvorhaben die „vergleichende Forschungsliteraturanalyse“ (Mayring 2007: [16]) genutzt. In Abschn. 9.2 werden dafür die Ergebnisse Košinárs (2014) zu „Professionalisierungsverläufen in der Lehrerausbildung“ mit den eigenen Daten verglichen.