In diesem Kapitel wird ein Überblick über verschiedene Forschungsarbeiten zur Lehrer:innenausbildung gegeben. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Darstellung der hier zitierten Studien und Evaluationen keinen repräsentativen Überblick über den Forschungsstand zur Ausbildung im Vorbereitungsdienst leistet.Footnote 1 Das Ziel ist vielmehr, die relevanten Fragestellungen und die damit verknüpften methodischen Herangehensweisen aufzuzeigen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, die eigene Fragestellung und die daraus resultierenden methodischen Entscheidungen zur Datenerhebung und -auswertung einzuordnen und die getroffenen Entscheidungen nachvollziehbar zu machen.

Als wesentliche Grundlage einer kritischen Einschätzung des Referendariats können Erfahrungsberichte aus Betroffenensicht gelten. Häufig beschreiben Referendar:innen ihre Ausbildung als „Die schlimmste Zeit meines Lebens“Footnote 2. Es wird von großem Stress, vom „Sprung ins kalte Wasser“Footnote 3, von „besonderer Belastung“ (Glaubitz 2007: 38) durch die anspruchsvolle Vorbereitung auf den Unterrichtsbesuch, ja von „Ausgeliefertsein“ (Böhmann 2007: 33) der Referendar:innen gegenüber ihren Ausbilder:innen gesprochen.

Eine Fülle unterschiedlicher Forschungsansätze bestätigen diese Sicht der Referendar:innen. Gerade das Ausbildungselement UNB und die hier erhobenen Forderungen gelten dabei als besondere Belastung für die Referendar:innen (vgl. Brack 2019).

4.1 Beispiele zum Forschungsstand

Die Vielzahl von „Unmuts- und Missfallensbekundungen“ ist nach Wernet (2009: 46) zunächst erstaunlich, da aus „konzeptioneller Perspektive“ das Referendariat als eine „berufspraktische Hinführung“ verstanden werden kann, die eine „angeleitete und moderierte Praxiserprobung“ erlaube.

„Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass die Doppelrolle Ausbilder/Prüfer die Ausbildungssituation potentiell belastet. … Die sozialpsychologischen Kosten des Referendariats und seiner Ausbildungs- und Prüfungssituation sind zunächst diejenigen, die wir in allen gesellschaftlichen Bereichen des Zugangs zu Berufspositionen qua Ausbildungszertifikat finden.“ (Ebd.: 47)

Dennoch erkennt auch Wernet als ein Problem des VD, dass die Ausbilder:innen in einer Doppelrolle wahrgenommen werden. Deutlich problematischer als Wernet schätzt Dascher die Ausbildung der Lehrer:innen ein. Beim Thema Unterrichtsnachbesprechung, als dem „Hauptthema des Referendariats“, so Dascher (2007: 8), gelte es deshalb, „Auszubildende über den Status des Ausgeliefertseins hinauszuführen.“ Wünschenswert, so Kallweit (2007: 80), wäre hierfür eine Haltung der Ausbilder:innen als „Prozesshelfer“, wie es die Verhaltensaxiome Rogers‘ nahelegen. Mit der Problemkonzentration auf die Beratung und ihre jeweilige Realisierung wird die Unterrichtsnachbesprechung so zur „Achillesferse der Lehrer/innenbildung“ (ebd.).

Zu ähnlichen, wenn auch weniger drastisch klingenden Ergebnissen, kommt auch die von der Universität Potsdam durchgeführte Evaluation des Vorbereitungsdienstes in Brandenburg 2004/05. Der Forschungsauftrag beinhaltete zunächst die „Analyse der Qualität der zweiten Phase der Lehrerausbildung aus Sicht der Lehramtskandidatinnen (unter besonderer Berücksichtigung der Standards, des Theorie-Praxis-Verhältnisses, der Betreuung und der Partizipation)“ (Schubarth, Pohlenz 2006: 15). In der breit angelegten Evaluationsstudie (insgesamt waren 261 LAA an der Fragebogenstudie beteiligt, weiterhin 39 Lehrerinnen, zudem gab es insgesamt fünf Gruppendiskussionen) sollten angelehnt an das „Evaluationsdesign von Stuffelbeam“ (zit. nach Schubarth, Pohlenz 2006: 13) vier Aspekte der Ausbildung untersucht werden: die Kontextqualität (das sind die Rahmenvorgaben und Ausbildungsvorgaben der Ausbildung, vgl. ebd.: 33), die Inputqualität (Eingangsvoraussetzungen wie „Systempotenziale“, für die Umsetzung von Strategien, ebd.: 32), die Prozessqualität (der Ausbildungsprozess selbst) und die Ergebnisqualität ( die erworbenen Kompetenzen und die Gesamteinschätzung, vgl. ebd.: 33).

Für die unterschiedlichen Erhebungsaspekte wurden unterschiedliche methodische Zugänge gewählt. Betrachtet man die in diesem Zusammenhang interessierenden Ergebnisse zur Prozessqualität der Ausbildung, dann sind die evaluierten Stärken und Schwächen an den Studienseminaren (in NRW sind das die ZfsL) in dieser Studie offenbar auch abhängig von den gewählten Erhebungsmethoden.

„Neben den positiven Hervorhebungen benannten die Teilnehmerinnen der Diskussionen sichtlich häufiger und auch differenzierter Schwächen der Ausbildung an den Studienseminaren“ (ebd.: 135),

als dies beispielsweise in den Fragebögen deutlich wurde. Als besondere Schwäche galten dabei die „Überlagerungen von beratender und beurteilender Funktion in den Feedbackrunden mit den Ausbilderinnen“, (ebd.: 139). Die Ergebnisse aus den Gruppendiskussionen korrespondieren nur ansatzweise mit den Ergebnissen aus der Fragebogenerhebung, in der die LAA von 21 aufgeführten Sachverhalten, die als subjektive Belastungsquellen ausgewiesen wurden, die Abhängigkeit von ihren Ausbilder:innen mit 47 % angaben. Die größte Belastung für die Referendar:innen stellte bei dieser Erhebung die Unterrichtsvorbereitung dar (71 %), gefolgt von den Unterrichtsbesuchen durch Schulleitungen (62 %) und den Leistungsanforderungen im Vorbereitungsdienst (49 %). Gleichauf mit der erwähnten Abhängigkeitserfahrung empfanden die Referendar:innen die Belastung durch die Entfernung zwischen Wohnort und Studienseminar (47 %).

Gefordert wird von Wernet (2006), der das „Unbehagen der Referendare an ihrer Ausbildungssituation“ (ebd.: 193) aufgreift, dass durch eine „forschungsmethodisch verstehende Exploration“ der speziellen Ausbildungssituation überhaupt erst nachzuzeichnen sei, worin sich die spezielle Unzufriedenheit der Auszubildenden gründe (vgl. ebd.). In seiner objektiv-hermeneutischen Fallanalyse untersucht Wernet in einer im Rahmen dieser Studie durchgeführten Gruppendiskussion eine Äußerungssequenz eines Referendars genauer. Es wird dabei deutlich, dass aus Sicht des hier zu Wort kommenden LAA das Ausbildungsverhältnis zwischen den Referendar:innen und den Seminarausbilder:innen, „von einem strukturellen Problem von Anerkennung, Kollegialität und Kooperation überschattet“ (ebd.: 2014) wird. Das Ergebnis der Fallanalyse nimmt dabei auch den ersten Teil der Lehrerausbildung in den Blick. Der Referendar stellt innerhalb der Gruppendiskussion explizit heraus, dass er mit dem Ersten Staatsexamen „eigentlich“ als jemand gelten sollte, der „Kollegialitätsstatus“ (ebd.: 203) erreicht habe und entsprechend in der zweiten Hälfte seiner Ausbildung auch entsprechende Ansprüche an die Ausbildung erhebt. Allerdings schwächt der Sprecher seinen Anspruch ab, indem er bei seinem Status als Examinierter nicht bleibt, sondern ergänzt, dass Referendare ja als „sozusagen erwachsene Menschen“ (ebd.: 199) zu gelten haben.

Wernet verweist darauf, dass

„die innere Aneignung eines autonom-kollegialen Selbstverständnisses, das bei aller für Ausbildungszusammenhänge charakteristischen hierarchischen Asymmetrie sich auf die wechselseitige Anerkennung im Akt der intellektuellen Erschließung einer Sache berufen kann, sich während des Studiums nicht stabil ausgebildet hat“ (ebd.: 205).

Wernet fordert für weitere Forschungsaktivitäten, dass sie sich dem vorliegenden Gegenstand aus einer „wirklichkeitswissenschaftlichen Perspektive“ (ebd.: 206) zu nähern haben. Er stellt diese Perspektive der einer standardisierten Herangehensweise gegenüber und aus dieser Opposition heraus ist seine Forderung nach einer Forschung zu verstehen, die „ein genaueres Bild der konkreten Problemlagen, mit denen die Akteure des pädagogischen Handelns im Kontext der Ausbildung konfrontiert sind“ (ebd.), zu zeichnen in der Lage ist.

Mit einer weiteren Studie untersucht Wernet (2009) die „materiale Ebene“ bei der Ausgestaltung der Ausbildungsbeziehungen zwischen Referendar:innen und den Seminarleiter:innen. Ihn interessiert dabei nicht, dass die Ausbilder:innen zugleich eine Prüferrolle innehaben, „sondern der Umstand, wie dies erfolgt“ (ebd.: 48, Herv. i. O.). Bei seiner Untersuchung stützt ihn die Annahme, dass die Doppelrolle als Ausbilder:in und Prüfer:in nur dann als ein Problem wahrgenommen werden könne, „wenn es nicht gelingt, die institutionalisierte personale Ungeschiedenheit kommunikativ abzufedern“ (ebd.).

Als Datengrundlage wählt Wernet für diese Studie schriftliche Beurteilungen der Seminarleitungen aus, da er davon ausgeht, dass in diesen Gutachten die „Erwartungen an die Referendare“ (ebd.: 49) artikuliert werden. Grundlage seiner Untersuchung sind zwei Gesamtbeurteilungen, von denen er inhaltlich vor allem die Ausschnitte berücksichtigt, bei denen es sich um Fälle von „(Selbst-)Reflexion und Diskussion“ handelt und damit um „Fragen der geistigen und diskursiven Bearbeitung pädagogischer Praxis“ (ebd.). Ziele dieser Materialauswertung sind für den Autor einerseits Einblicke in die „ausbildungskulturellen Selbstverortungen“ (ebd.) der Ausbilder:innen und andererseits Hinweise auf die „Komplementärrolle der Auszubildenden“ (ebd.) zu erhalten, auch, so räumt er an dieser Stelle ein, wenn diese Ergebnisse nur „indirekt“ (ebd.) Aufschluss über das Ausbildungsverhältnis geben.

Werner-Bentke (2010) verfolgt mit seiner Untersuchung zur Lehrer:innenbildung das Ziel, die Professionalisierung von Lehrkräften aus der Perspektive Studierender und Auszubildender zu untersuchen. Anhand diskursiver Leitfrageninterviews rekonstruiert er vorhandene Deutungsmuster „im Sinne einer Typologie“ auf der Grundlage von Mehrfachnennungen und Unterschieden, „die bei der Begründung und Situationsdefinitionen erkennbar“ (ebd.: 164) werden. Als Ziel seiner Arbeit weist Werner-Bentke aus, „die Sichtweisen von Referendaren (n = 15) möglichst vollständig zu erfassen, um die vollständige Repräsentanz des Feldes zu gewährleisten“ (ebd.: 181). Aus diesem Grund entscheidet sich der Autor „vor allem textanalytisch und weniger interpretativ“ (ebd.) vorzugehen, um auf diesem Wege „Realtypen“ zu erarbeiten. Seine Studie bezieht sich dabei auf beide Teile der Lehrer:innenausbildung. Bezogen auf die zweite Ausbildungsphase finden sich als „Subkategorie“ die „Unterrichtsbesuche der Seminarleiter“ und darunter als weitere Kategorie die „Auswertung der Unterrichtsbesuche“ (ebd.). Werner-Bentkes Untersuchung zeigt, dass die Auswertungsgespräche „als abschließender Bestandteil der Unterrichtsbesuche“ von den Referendar:innen „verhältnismäßig oft thematisiert“ (ebd.: 268) werden. Der Autor führt dies darauf zurück, dass in diesen Gesprächen „die individuellen Fähigkeiten der Referendare diskutiert würden“ (ebd.). Als sog. „Ankerbeispiel“ zitiert der Autor jeweils einige Interviewzitate, die einen Eindruck davon geben sollen, was sich hinter den von ihm aus den Rohdaten extrahierten Kategorien verbindet. Ein Ergebnis aus der Auswertung der Interviewdaten zum Unterrichtsbesuch ist, dass das „was jedenfalls vom Seminar kam“ (ebd.: 268) eine große Hilfe (vgl. ebd.) bedeutete. Damit werden die Rückmeldungen der Seminarleiter:innen als besonders wertschätzend wahrgenommen, weil offenbar „Seminarleiter professionell solche Beratungen machen, während andere Leute das ja aus dem Bauch heraus machen.“ (ebd.: 269) Allerdings wird in diesem Zusammenhang u. a. auch deutlich kritisiert, dass das Zusammenfallen von Beratungs- und Beurteilungsaspekten sich negativ auf die UNB auswirkten (vgl. ebd. 270), ebenso wie die angeblich künstlich geplanten, gleichwohl aber von den Seminarleitern erwarteten „Showstunden“ (ebd. 271), die nur ansatzweise die Unterrichtswirklichkeit widerspiegelten. Bei der Auswertung der UNB bleibt indes unklar, wie der Autor zu seiner Einschätzung gelangt, da es sich bei diesen Gesprächen um eine Diskussion mit mehreren an der Ausbildung Beteiligten handelte. In keinem der zitierten Beispiele, die er zur Veranschaulichung seiner Kategorien einfügt, lässt sich die Qualität der UNB im Hinblick auf die Art der Gesprächsführung erkennen.

Methodisch aufwändig geht eine Studie vor, die das Autorenteam Englert et al. (2006) mit dem Ziel vorgelegt haben, „Innenansichten des Referendariats“ aus der Sicht angehender Religionslehrer:innen vorzulegen. Dafür wurden an drei Studienseminaren in NRW je drei LAA während ihres Referendariats in Form von jeweils vier Interviews begleitet. Zeitgleich fanden in acht Studienseminaren Fragebogenerhebungen statt (n = 234). Ein thematischer Schwerpunkten war die Lernsituation der Referendar:innen. Als Ergebnis entstanden sowohl chronologisch verlaufende individuelle „Entwicklungslinien“ (ebd.: 36) einzelner LAA (als Fallprofile), „mit ihren Höhen und Tiefen“ sowie den „ihnen innewohnenden Entwicklungsaufgaben“ (ebd.), die als Zitate in den Auswertungstexten auftauchen. Darüber hinaus wurden themengleiche Inhalte als „thematische Querschnitte“ (ebd.: 37) systematisierend (in einer reduktiven Analyse) zusammengefasst.

Unter „Hilfreichen Lernsituationen“ (ebd.: 30) verstehen die Autoren Aspekte wie beispielsweise der Umgang mit „Prüfungsbelastungen“ (ebd.), wie sie auch durch die UNB entstehen. Dabei variieren die einzelnen Darstellungen dreier Fallbeispiele in ihrer Bewertung der UNB stark: so gab es hier fachlich „hilfreiche“ (ebd.: 55) Anregungen seitens der Fachleitungen, aber auch unfaires Verhalten der Mentoren durch deren Vorpreschen, das zu einem regelrechten „Komplott“ (ebd.: 72) zwischen Fachleitung und Mentorin ausartete. In einem anderen Fall wird Kritik an den Fachleitungen deutlich, da die Referendarin sich von diesen schlecht begleitet fühlte. Damit spielt die LAA auf die „offene Haltung“ (ebd.:85) der Fachleitung an „…, dass wir unseren eigenen Weg finden können“ (ebd.), aber, dass sie ohne klare Hinweise „diesen Weg (nicht) finden …“ (ebd.).

Neben diesen recht unterschiedlichen und breit gestreuten Ergebnissen aus den bisher zitierten Untersuchungen vertritt Lydia Brack (2019) einen fokussierten Ansatz, indem sie Positionierungen in Ausbildungssituationen Studierender untersucht.

In Anlehnung an kulturtheoretische Konzeptionen Reckwitz‘ geraten für Brack diejenigen Gegenstände in den Fokus der Professionsforschung, in denen die „sozialen Praktiken“ des Professionalisierungsprozesses untersucht werden. Für Brack sind dies etwa Unterrichtsnachbesprechungen, wie sie im Praxissemester Studierender verortet sind. Mit einer Kombination praxeologisch-diskursiver Forschungspraktiken geraten so Handlungsweisen von Interagierenden zum Forschungsgegenstand,

„… in denen sich das Sagbare und Sichtbare formt und in denen die Bedeutungen und Gegenstände des Wissens ebenso konstruiert werden wie die Subjektpositionen des diskursiv Handelnden“ (ebd.:113).

Der in der Tradition Althusserls verwendete Begriff der „Subjektivation“ versteht die Positionierung im Sinne einer Adressierung, die ein Gesprächspartner dem anderen zukommen lässt, und die erst dann als erfolgreich gelten kann, wenn sie vom Adressierten auch entsprechend ratifiziert wird.

Bracks Untersuchung von Unterrichtsnachbesprechungen im Rahmen des Semesterpraktikums Studierender ist eine Studie, die nach eigenen Angaben „erstmalig in-situ-Daten von Nachbesprechungen zwischen Hochschuldozierenden, Praktikumslehrpersonen und Studierenden verwendet“ (ebd.: 5). Für ihre Untersuchung wurden insgesamt 14 Nachbesprechungen hinsichtlich ihrer Ablaufstruktur inventarisiert und verglichen, um so eine „Grundstruktur“ (ebd.) des Ablaufs herauszuarbeiten. Zudem galt es im Anschluss an die „Erstpositionierung“ der Studierenden zu ihrem zuvor gezeigten Unterricht zu untersuchen, wie die Reaktionen der anderen Beteiligten auf diese subjektiven Positionierungen ausfielen.

Dabei konnte Brack zeigen, dass die von ihr rekonstruierten Fälle starke Dichotomien „zwischen Unterwerfung und Widerstand sowie Anschluss und Bruch im Umgang mit den Wissensordnungen“ (ebd.: 241) der Anwesenden aufwiesen. Die UNB ähnelt darüber hinaus in vielen Phasen dem Muster „eines lehrerzentrierten Unterrichtsgesprächs“ (ebd. 150). So beispielsweise auch gerade dadurch, dass die während der Erstpositionierung formulierte Gesamteinschätzung der Unterrichtsstunde verglichen wird mit der Selbsteinschätzung von Schüler:innen vor der Klassenöffentlichkeit. Beide Einschätzungen weisen, so Brack, vor allem im Hinblick auf das formulierte „Understatement“ (ebd. 158) der Protagonisten erkennbare Gemeinsamkeiten auf.

4.2 Die eigene Untersuchung im Forschungskontext

Verglichen mit dem aufgezeigten Forschungskontext zur Lehrer:innenausbildung ergeben sich deutliche Unterschiede zur eigenen Studie. Im Vergleich zu den zitierten Forschungsarbeiten wird mit der hier vorliegenden Studie zunächst ein anderer Zugang zum Feld gewählt. Diesem besonderen Zugang, der als Akteurin im Feld möglich ist, gilt es mit seinen Vorzügen und möglichen Nachteilen durch seine Nähe zum Feld möglichst gerecht zu werden. Die Tatsache, dass hier keine standardisierten allgemeinen Verfahren verwendet werden, resultiert aus der Forderung, eine möglichst „wirklichkeitswissenschaftliche“ (Wernet 2009: 206) Perspektive einzunehmen, bei der die Daten im Sinne einer sorgfältigen Exploration der Ausbildungssituation zu erheben sind. So steht die UNB und das sich konkret zeigende Interaktionsverhalten der Interagierenden im Zentrum dieser Untersuchung.

Wernet verfolgt (2009) das Ziel, die Art der Beziehungsgestaltung zwischen Ausbildern und Referendar:innen zu analysieren und nutzt als Material dafür die schriftlichen Beurteilungen der Seminarausbilder:innen als Hinweise auf deren „Selbstverortungen“ (2009: 49). Im Unterschied dazu wird mit der hier vorliegenden Studie der Forderung nach einer explorativen Studie der konkreten Ausbildungssituation mittels einer sprachlichen Analyse des Interaktionsgeschehens nachgekommen.

Damit unterscheidet sich diese Studie auch von denen, die aufgrund einer möglichst umfangreichen Datenlage (so z. B. Englert 2006, Werner-Bentke 2010,) lediglich mit „Ankerbeispielen“ aus ihrem Datenmaterial arbeiten und die, weil sie insgesamt unterschiedliche Ausbildungselemente in den Blick nehmen, zu Ergebnissen kommen, die die Belastungen einer UNB kaum ausleuchten, sondern allgemeine Einschätzungen von Auszubildenen auswerten und dabei die Rückmeldungen der Ausbilder als „wertschätzend“ beschreiben (Werner-Bentke 2010: 269).

Deutlicher als die bisher genannten Studien konzentriert sich Brack auf das Beziehungsgefüge der an der UNB Anwesenden, wie es sich in den Positionierungspraktiken von Studierenden, hospitierenden Studierenden, Ausbildungslehrer:innen und Dozent:innen darstellt.

Auch in der vorliegenden Untersuchung liegt das Erkenntnisinteresse für die UNB auf den Positionierungspraktiken, wie sie im Rahmen von Unterrichtsnachbesprechungen realisiert werden. Dabei stehen hier nur zwei Interagierende im Fokus der UNB-Gesprächsanalyse, ein Seminarausbilder und eine Referendarin.

Ein grundsätzlicher Unterschied zu der Untersuchung von Brack markiert der Aspekt des Gesprächsverlaufs der UNB im VD und im Praxissemester. Wie bereits gezeigt ist der Gesprächsverlauf der UNB im VD standardisiert und für die Beteiligten transparent. Er nimmt damit in wesentlichen Teilen den für das Examen erwarteten Teil der „Erstpositionierung“ (vgl. Brack 146 ff.) bzw. der Reflexion zum eigenen Unterricht auf und versteht diesen Teil auch als notwendige Vorbereitung. Damit steht hier nicht in Frage, inwiefern es sich bei den „Erstpositionierungen“ (ebd.: 159) um eine selbst initiierte Handlung oder eine „fremdbestimmte Selbstwahl“ (ebd.: 214) handelt.

Der Fokus dieser Untersuchung richtet sich auf Positionierungsstrategien, die sich im Verlauf der UNB beobachten lassen. Vor dem Hintergrund der besonderen Bedingungen innerhalb der zweiten Phase der Lehrerausbildung ist dabei vor allem von Interesse, wie die Interagierenden die Funktion dieses Gesprächsformats und damit ihre eigene Position innerhalb des Gespräches konstruieren.

Ein weiterer bedeutender Unterschied der hier vorliegenden Arbeit zu der von Brack liegt schließlich darin, dass im Referendariat, anders als im Praxissemester, die Nachbesprechung mit einer Note endet. Es sind schließlich diese Noten, die über die Anschlussmöglichkeiten zum Berufsfeld entscheiden. Es wird unterstellt, dass der Aspekt der Benotung eine nicht zu unterschätzende Rolle in der UNB und damit auch im Positionierungsverhalten der Interagierenden einnimmt.