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Ohne Vertrauen ist menschliches Zusammenleben nicht möglich, jedenfalls kaum erträglich. Eine Welt ohne Vertrauen und ohne Institutionen, die dieses Vertrauen sichern, entspräche dem kriegerischen Urzustand, den Thomas Hobbes mit eindringlichen Worten beschrieben hat. Es wäre eine Welt, in der die Menschen fortwährend um ihre Existenz fürchten müssten. Ihr Leben wäre, so Hobbes, kurz, einsam und brutal (Hobbes 1651, I, S. 13). Es braucht eine Ordnung, die für Sicherheit sorgt.

Im demokratischen Rechtsstaat kann es jedoch, anders als in der Herrschaft von Hobbes’ Leviathan, nicht nur darum gehen, ein Gewaltmonopol zu errichten, das die Individuen vor ihren Mitmenschen schützt. Auch die Macht und die Gewalt des Staates müssen eingehegt werden. Sie benötigen Legitimation, Kritik und Kontrolle. Nur so kann eine Gesellschaft wachsen, in der auch die politischen und staatlichen Organe vom Vertrauen der Bürger:innen getragen werden. Dieses Vertrauen müssen sich die Institutionen verdienen. Vertrauen sollte weder grenzenlos noch bedingungslos sein. Demokratische Institutionen genießen Vertrauen auch und gerade deshalb, weil es Mechanismen der Kontrolle gibt, die einen Missbrauch von Macht verhindern oder aufdecken. So gehören zur Demokratie unter anderem die Gewaltenteilung und die Möglichkeit, Regierungen frei zu wählen und abzuwählen. Es gehört aber auch eine kritische Öffentlichkeit dazu, in der die nötigen Informationen beschafft und verbreitet, gesellschaftliche Diskussionen organisiert und die Mächtigen kritisiert und zur Rechenschaft gezogen werden. Der professionelle Journalismus ist nicht die einzige Kraft, die in diese Richtung wirkt, seine Bedeutung ist aber auch in der digitalen Ära mit ihren erweiterten Möglichkeiten zur Kommunikation weiterhin hoch (vgl. Langer und Gruber 2021). Ohne Journalismus ist eine moderne Demokratie kaum vorstellbar (vgl. Schultz 2021; Magin et al. 2021).

Ihre wichtige Rolle für die Meinungsbildung und die öffentliche Kritik und Kontrolle der Macht und der Mächtigen können die Medien freilich nur ausfüllen, wenn sie diese Aufgabe annehmen und die damit verbundene Verantwortung tragen – und sie ihrerseits genügend Vertrauen bei den Bürger:innen genießen. Dieses Vertrauen setzt auf die Wahrhaftigkeit der Berichterstattung, die Fairness und Sorgfalt, mit der Redaktionen arbeiten sollen, und eine von anderen Interessen ungetrübte Orientierung am Gemeinwohl (vgl. Kovach und Rosenstiel 2021). Es speist sich zudem aus dem professionellen Misstrauen, das der Journalismus an den Tag legen muss (vgl. Kohring 2008). Journalist:innen sollen Informationen prüfen, Behauptungen hinterfragen, Widersprüche aufzeigen. Vertrauen in die Medien ist damit auch ein Vertrauen in das durch den Journalismus institutionalisierte Misstrauen. Die Redaktionen entlasten das Publikum ein Stück weit von der Aufgabe, die Dinge selbst zu recherchieren und zu hinterfragen.

Es ist leicht zu sehen, dass diese Beziehung heikel und störanfällig ist. Nicht nur die Kapazitäten des Publikums, auch die der Redaktionen sind begrenzt. Treffen sie die richtigen Entscheidungen? Wie viel Vertrauen des Publikums in die Medien ist gut, wann wird es naiv? Wie viel Misstrauen der Medien gegenüber (staatlicher) Macht ist angebracht, wann wird es destruktiv? Was nehmen die Menschen den Medien überhaupt (noch) ab in Zeiten, in denen „Lügenpresse“ skandiert wird? Wie verbreitet (und wie berechtigt) sind Vorwürfe, Journalist:innen seien selbst Teil einer Elite, der nicht zu trauen sei – und was können Redaktionen tun, um Vertrauen zurückzugewinnen oder zu stabilisieren?

Das sind große Fragen, auf die im Folgenden einige skizzenhafte Antworten folgen. Zunächst werde ich dafür Ergebnisse aus der „Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen“ vorstellen. Anschließend thematisiere ich das Verhältnis zwischen der Qualität der Medien und den Reaktionen des Publikums, um schließlich über vertrauensbildende Maßnahmen der Redaktionen nachzudenken.

Entwicklung des Medienvertrauens

Der Eindruck, die etablierten Informationsmedien würden zunehmend das Vertrauen der Bevölkerung verlieren, mag verbreitet sein, ist jedoch trügerisch (vgl. Reinemann et al. 2017). Denn die „Lügenpresse“-Rhetorik, die immer wieder Anlass für solche Diagnosen und sorgenvolle Betrachtungen ist, hat bei den Menschen nur begrenzt Rückhalt. Im Vergleich zu Ländern wie den USA oder Frankreich ist das Medienvertrauen in Deutschland insgesamt recht stabil (vgl. Hanitzsch et al. 2018; Newman et al. 2021). In der bundesweit repräsentativen „Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen“ (Jackob et al. 2023), zu deren Team der Autor gehört, zeigen sich seit 2015 zwar alarmierende Anzeichen für eine Polarisierung, nicht aber für eine allgemeine Erosion des Vertrauens (vgl. Jackob et al. 2019; Stegmann et al. 2021).

Die aufgeheizte Debatte über die Medien bringt offenbar viele Menschen dazu, sich klarer zu positionieren und es nicht bei einer Position der Ambivalenz zu belassen. Auch unter denjenigen, die Gründe sehen, die Medien bzw. bestimmte Segmente der Medien kritisch zu betrachten, sind demnach viele Menschen, die sich von populistischen Parolen und extremen Einstellungen distanzieren wollen. Eine Mehrheit der Bevölkerung lehnt Vorwürfe im Stil der „Lügenpresse“-Rufe ab und spricht den etablierten Medien „bei wichtigen Dingen“ ihr Vertrauen aus (Jakobs et al. 2021, S. 153). Die Werte für dieses Globalvertrauen sind über die Jahre keineswegs gesunken. Wird nach Medientypen differenziert, genießen vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Regionalzeitungen relativ konstant vergleichsweise großes Vertrauen – etwa zwei Drittel der Bürger:innen halten diese Angebote für vertrauenswürdig (vgl. Jakobs et al. 2021, S. 158; Breunig et al. 2021).

Das alles bedeutet nicht, dass es keinerlei Störungen in den Vertrauensbeziehungen gäbe und die Lage für Journalist:innen bequem und beruhigend wäre. Allein die Vehemenz und Radikalität, in der eine Minderheit sich in scharfer Opposition zu den großen Rundfunksendern und Zeitungen sieht, gibt zu denken. Sie entladen sich immer wieder – und in der Tendenz zunehmend – in verbalen und körperlichen Angriffen, die einzelne Medienvertreter:innen, aber auch die Pressefreiheit insgesamt treffen.

Die Mainzer Studie erkennt eine sich verfestigende Feindseligkeit in einem Kern von zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung, von denen einige auch Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung befürworten. Das ist keine Mehrheit, aber doch eine so große Gruppe, dass sie sich bemerkbar machen und unter Umständen großen Schaden anrichten kann. In dieser Kerngruppe herrschen nicht bloß Skepsis und Misstrauen, Einstellungen also, die im Sinne einer demokratischen Haltung von Kritik und Kontrolle auch gegenüber den Medien angebracht und wünschenswert sind. Vielmehr greift etwas um sich, das manche als „Medienfeindlichkeit“ (Schindler et al. 2018) bezeichnen und das in der Mainzer Studie als „Medienzynismus“ firmiert (vgl. Quiring et al. 2021).

Im Zynismus dominiert eine Form der polemischen, pauschalen Ablehnung, die teilweise verschwörungsideologische Züge trägt. „Den“ Medien werden diverse Übel unterstellt, die mit Absicht über die Leute gebracht, also planvoll und in Komplizenschaft mit der Regierung oder anderen mächtigen Akteuren ins Werk gesetzt werden. So stimmten in einer Befragungswelle zum Ende des Jahres 2020 insgesamt elf Prozent der Aussage zu, die Medien würden die Bevölkerung „systematisch belügen“. Und 15 Prozent hielten diese Aussage für zutreffend: „Die Medien und die Politik arbeiten Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren“ (Jakobs et al. 2021, S. 154).

In früheren Jahren, vor der Corona-Pandemie, waren die Zustimmungswerte zu diesen Aussagen höher und lagen beim Lügenvorwurf zwischen 13 und 19 Prozent und beim Manipulationsvorwurf zwischen 20 und 27 Prozent. Ein wachsender Teil der Bevölkerung hat sich seit 2016 aber auch explizit gegen solche medienzynischen Aussagen gestellt. Die Gruppe, die eine Zwischenposition einnimmt („teils, teils“ als Antwort), ist dagegen insgesamt kleiner geworden (Jakobs et al. 2021, S. 154). Es wird sich in den zukünftigen Befragungen zeigen müssen, ob diese Polarisierung auch über die Pandemie hinaus Bestand hat. Eine flächendeckende Erosion des Vertrauens und eine stetige Zunahme des Zynismus gegenüber den etablierten Informationsmedien, so viel steht jedenfalls fest, gibt es bisher nicht.

Und doch wäre es kurzsichtig, nur auf das Lager der Zyniker:innen zu schauen, wenn es um Kritik an den Medien und eine Gefährdung der Vertrauensbeziehung zum Publikum geht. Das Lager der Zyniker:innen hat kein Monopol auf Misstrauen gegenüber Medien. Unzufriedenheit mit der Berichterstattung kann es auch bei jenen geben, die den Medien alles in allem (noch) vertrauen – cum grano salis, wie es so schön heißt. Nur weil sich Menschen nicht gemein machen mit pauschalen Vorwürfen der Manipulation und Lüge, sind sie deshalb noch lange nicht rundum zufrieden oder blind in ihrem Vertrauen; ein gewisses Maß an Misstrauen ist noch kein Zynismus (vgl. Quiring et al. 2021; Markov und Min 2021).

Schwächen und Defizite der Medien sind daher nicht nur ein ergiebiges Thema für Disziplinen wie die Journalistik und die Kommunikationswissenschaft, sondern auch für eine kritische Öffentlichkeit, die ihre eigenen Strukturen und (Fehl-)Leistungen reflektiert. Zwischen der medialen Realität und der eigenen Lebenswelt besteht für viele Menschen eine Kluft, die zu einer gewissen Entfremdung von den Medien führen kann (vgl. Jackob et al. 2019, S. 215 f.). Viele Menschen wissen aber auch zu differenzieren: zwischen diesen und jenen Medien, diesen und jenen Journalist:innen, diesen und jenen Beispielen für gelungene oder misslungene Beiträge.

Wer den etablierten Medien in der Corona-Pandemie alles in allem mehr vertraut hat als solchen Quellen, in denen wilde Mythen über die Herkunft oder Harmlosigkeit der Viren verbreitet wurden, braucht deshalb noch lange nicht zu sagen, die großen Sender und Zeitungen hätten bei diesem Thema stets recht gehabt und Wunderbares geleistet. In der Mainzer Studie sind die Vertrauenswerte am Ende des ersten Pandemie-Jahres zwar insgesamt besser gewesen als in früheren Jahren, dennoch haben viele Befragte auch Kritik artikuliert. So beklagten 40 Prozent, die Medien würden zu viel über Corona berichten, und fast jede:r Dritte (31 Prozent) sagte, viele Beiträge seien zu einseitig (Jakobs et al. 2021, S. 156).

Um die Qualität und die Leistungen der Medien können auch solche Menschen besorgt sein, die ausdrücklich nicht „Lügenpresse“ schreien. Das macht die Verhältnisse ein wenig unübersichtlich, ist aber höchst bedeutsam, wenn Redaktionen das Vertrauen ihres Publikums erhalten oder ausbauen wollen. Dabei kommt es eben nicht oder jedenfalls nicht nur oder in erster Linie darauf an, das Lager der Zyniker:innen umzustimmen, das für einen konstruktiven Dialog kaum noch oder gar nicht mehr zu erreichen ist. Es geht darum, die Unzufriedenen und Skeptischen, die (bisher) Abstand zu den Zyniker:innen halten, nicht auch noch zu verlieren, und diesen Menschen zu signalisieren, dass Kritik und Skepsis durchaus willkommen sind – und die Medien ganz bestimmt nicht ohne Fehl und Tadel.

Qualität und Qualitätsbewusstsein

Die Medien und der Journalismus erfüllen ihre anspruchsvolle Rolle mal mehr, mal weniger gut. An der Qualität der Berichterstattung kann und darf man in konkreten Fällen zweifeln oder gar verzweifeln. Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht, Sensationsgeilheit, Übertreibungen und Dramatisierungen – es fehlt nicht an ernst zu nehmenden Vorwürfen und wissenschaftlichen Hinweisen und Belegen für mediale Defizite und Fehlleistungen (vgl. Bucher 2020). Dazu gehört auch, dass die Medienlogik insgesamt hinterfragt werden darf – beispielsweise die Mechanismen, nach denen Redaktionen ihre Themen und Nachrichten auswählen und gestalten. Zugleich kann festgestellt werden, dass die etablierten Informationsmedien zumindest in Deutschland bei Untersuchungen, die auf wissenschaftlich fundierten Qualitätskriterien beruhen, in der Gesamtschau gar nicht so schlecht abschneiden (vgl. Stark et al. 2021).

Die Debatte über die Qualität der Medien ist und bleibt wichtig, auch wenn sie komplizierter zu führen ist, seitdem verschwörungsideologische und (rechts-)extremistische Stimmen versuchen, den Ton anzugeben. Und es ist plausibel, einen Zusammenhang zwischen den Leistungen der Medien und dem Vertrauen des Publikums zu erwarten (auch im Sinne von: zu erhoffen oder zu verlangen). Allerdings ist dieser Zusammenhang nicht immer so klar wie zunächst gedacht oder gewünscht. Gut und gerecht wäre es wohl, wenn eine hohe Qualität der Berichterstattung durch hohes Vertrauen belohnt werden würde. Das ist aber nicht unbedingt der Fall. Es kommt auch auf das Qualitätsbewusstsein an. Möglicherweise erkennt das Publikum hohe oder niedrige Qualität gar nicht (mehr) oder hat völlig andere Vorstellungen und Maßstäbe als die Wissenschaft oder die Medienbranche. Noch scheint es in Deutschland zwar eine recht hohe Übereinstimmung in den Vorstellungen von Bürger:innen und Journalist:innen darüber zu geben, welche Aufgaben die Medien haben und worauf es bei der Berichterstattung ankommt (vgl. Loosen et al. 2020). Aber nicht zuletzt der fortschreitende Wandel in der Mediennutzung und die digitale Ausdifferenzierung der Medienformate könnten dazu führen, dass diese Kongruenz aufbricht.

Auch wenn stets die Frage gestellt werden kann, welche Vorstellungen und Maßstäbe die richtigen sind und wer sie auf welcher Grundlage definiert und verfügt, ergeben sich hier, analytisch betrachtet, unterschiedliche Konstellationen: Je nachdem, ob die Qualität der Medien angemessen beurteilt wird, erscheint ein darauf gegründetes Vertrauen oder Misstrauen als berechtigt oder unberechtigt (Tab. 1). So wünschenswert es ist, dass die Medien hohe Qualität liefern und das Publikum dies erkennt und würdigt (Tab. 1, oben links) – darauf kann sich niemand verlassen. Genauso gut könnte es sein, dass sich das Vertrauen aus anderen Quellen speist, die nichts mit informativer Qualität zu tun haben (Tab. 1, unten links), zum Beispiel aus der Macht der Gewohnheit und der Wohligkeit des Vertrauten. Es kann ein liebgewonnenes Ritual sein, die „Tagesschau“ zu schauen, und die Sprecherin wirkt doch so sympathisch – was aber, wenn ein neuer Sprecher Aversionen auslöst?

Tab. 1 Beziehungen zwischen Medienvertrauen und Medienqualität

Offensichtlich problematischer als diese Art von Vertrauen ist ein Misstrauen, das die Medienqualität verkennt (Tab. 1, unten links). Es kann, siehe oben, in den Zynismus führen und mit haltlosen Annahmen einhergehen. Ein Beispiel dafür ist die Unterstellung, die Redaktionen bekämen den Inhalt und die Tendenz ihrer Beiträge von der Kanzlerin, dem Kanzler oder anderen Mächtigen diktiert (der berühmte Telefonanruf …). Wer dies glaubt, kann kein Vertrauen in die Medien haben.

Auf der anderen Seite haben die Medien manchmal ‚Glück‘, wenn sie schlechte Leistungen erbringen. Denn auch hier reagiert das Publikum nicht zwangsläufig angemessen, also mit negativen Urteilen und sich fortsetzendem Misstrauen (Tab. 1, oben rechts). Womöglich hält es das, was ihm geboten wird, einfach für normal oder ergötzt sich sogar an dem, was aus normativer Perspektive höchst fragwürdig ist – und vertraut gerade deshalb den Medien (Tab. 1, unten rechts). Beispiele dafür könnten reißerische, sensationslüsterne Darstellungen sein, die auf das Interesse und den Beifall abgestumpfter Rezipient:innen treffen. Auch die einseitige und unfaire Berichterstattung mancher politisch Partei ergreifender Medien kann in diese Kategorie fallen, wie im Falle des US-Senders Fox News und seiner Fans.

Und schließlich kann es, wenn die Medien nur niedrige Qualität liefern, sogar eine Form von unberechtigtem Misstrauen geben. Das könnte passieren, wenn das Publikum den Blick auf ganz andere Aspekte richtet, beispielsweise (wie im Szenario oben) auf bloße Sympathie und das Erscheinungsbild eines Moderators (Tab. 1, unten rechts).

Das Auffächern der Beziehungen zwischen Medienvertrauen und Medienqualität kann ein wenig ernüchtern, weil es zeigt, dass gute Leistungen unter Umständen nicht anerkannt und belohnt werden. Daraus zu schließen, es käme gar nicht auf die Qualität an, wäre jedoch töricht.

Vertrauensbildende Maßnahmen

Medien und Medienpolitik täten vielmehr gut daran, die Verbindung zwischen der Qualität der Berichterstattung und dem Vertrauen des Publikums zu stärken. So muss jede Anstrengung für eine (noch) bessere Berichterstattung begleitet werden von Anstrengungen für eine (noch) bessere Medienkompetenz und Medienbildung in der Bevölkerung, also für eine Schärfung des Qualitätssinns. Das kann auf der Ebene von Politik und Pädagogik bis zur Einrichtung eines eigenen Schulfachs oder einer fächerübergreifenden Offensive zur Medienbildung gehen. Das Wissen über den Journalismus, sein Ethos, seine Regeln und Arbeitstechniken ist in Teilen der Bevölkerung erschreckend gering (vgl. Jackob et al. 2023).

Dabei geraten die Bürger:innen in einer „redaktionellen Gesellschaft“ oft in ähnliche Entscheidungssituationen und -nöte wie professionelle Redaktionen (vgl. Pörksen 2018; Schultz 2016): Was dürfen, was sollen sie veröffentlichen – auf ihrem ja nur scheinbar privaten Social-Media-Account? Umgekehrt sind die Fragen, die sich Journalist:innen stellen, oft sehr ähnlich wie die Fragen, die sich die Bürger:innen stellen (sollten): Welchen Quellen können sie vertrauen? Diese Parallelen könnten es der Politik und den Schulen eigentlich leicht machen, die Medienbildung voranzutreiben, und sind zudem eine Chance für die Redaktionen, sich zu erklären und zu empfehlen. In jüngerer Zeit entstandene Projekte wie „Journalismus macht Schule“ gehen hier vorbildlich voran und könnten, auch durch die Hilfe der Politik, systematisch ausgebaut werden.

Die besten vertrauensbildenden Maßnahmen, die Redaktionen unmittelbar ergreifen können, sind solche, die den öffentlichen Auftrag der Medien ernst nehmen und daher die Substanz, die Sorgfalt, die Vielfalt und die Fairness der Berichterstattung sichern und stärken – und dem Publikum verständlich machen. Für manche mögen Schlagwörter wie „Transparenz“ und „Fehlerkultur“ mittlerweile etwas hohl und schal klingen, und sicherlich besteht die Gefahr, dass die mit ihnen einhergehenden Beteuerungen nur noch als konformes Geplapper oder geschickte PR-Manöver genutzt werden. Aber mittlerweile gibt es auch ermutigende Befunde, die darauf hindeuten, dass es – trotz mancher Risiken der Selbstoffenbarung – tatsächlich etwas bringt, wenn Redaktionen ihre Arbeit intensiver und besser erklären (vgl. Reimer 2017; Prochazka und Obermaier 2022). Für das Publikum sind solche Erklärungen erhellend und förderlich für das Vertrauen, und für die Journalist:innen ist es eine wichtige Form der Selbstreflexion und Selbstvergewisserung, mit Möglichkeiten zur Korrektur und Qualitätssteigerung (vgl. Meier und Reimer 2011).

Indem Redaktionen ihre Arbeit transparenter machen und ihre Entscheidungen begründen, beugen sie, zumindest in einem kritisch-konstruktiven Teil der Bevölkerung, der Legendenbildung und den Spekulationen und Unterstellungen vor, die zum Abdriften in den Medienzynismus führen können. Das Publikum erkennt, dass keine finsteren Absichten und geheimen Pläne hinter umstrittenen Formen der Berichterstattung stecken, sondern oftmals schlichte Unachtsamkeit, Zufälle oder Eigenheiten der journalistischen Arbeitsweise zu bestimmten Darstellungen in den Medien führen. Es erkennt auch, dass vernünftige Kritik und ein gewisses Maß an Misstrauen in einer Demokratie nichts Anstößiges sind und es gar nicht nötig ist, jedem Artikel und jedem Kommentar in einer Zeitung zustimmen zu können, um diese Zeitung zu schätzen.

Dass in der digitalen Ära nicht mehr von einem hohen medialen Ross herab berichtet werden sollte und die Möglichkeiten zum Austausch mit dem Publikum zu nutzen sind, dürften die meisten Redaktionen und Medienunternehmen verstanden haben. Doch nur weil diese Aufgabe heute alle Bereiche des Journalismus betrifft, verlieren deshalb spezielle Ombudsleute in den Redaktionen, an die sich Menschen mit ihren Fragen und ihrer Kritik wenden können, nicht an Bedeutung (vgl. Sahlender 2018). Wo es sie nicht gibt, sind Zweifel erlaubt, ob eine Redaktion wirklich daran interessiert ist, sich dem Publikum zu öffnen und sich seiner Kritik zu stellen.

Über die direkten Handlungsmöglichkeiten der Redaktionen (Selbsterklärung und Publikumsdialog) hinaus kämpft die Medienbranche insgesamt jedoch mit Tendenzen, die allenfalls mittel- bis langfristig verändert werden können. So ist die Entwicklung, sich vorzugsweise an der eigenen journalistischen Blase zu orientieren, durch Social Media nicht verschwunden, sie könnte dort teilweise sogar wieder stärker werden. Dass viele Redaktionen darüber hinaus Defizite haben, wenn es um die organisationsinterne Diversität geht, berührt nicht nur Aspekte wie Gender und Migration; es geht auch um die Dominanz einer urbanen Mittelschicht, der viele Journalist:innen angehören (vgl. Lück et al. 2022). Dazu kommt, dass in Zeiten, in denen ein Teil der Bevölkerung dem Medienzynismus folgt, jeder Dialog riskant ist und schnell an Grenzen gerät. Es bleibt die schwierige Aufgabe, der Breite und Vielfalt der Gesellschaft gerecht zu werden, mit den vielen unterschiedlichen Erfahrungen und Meinungen der Bürger:innen – sich dabei aber auch klar von extremistischen Positionen abzugrenzen und keine Toleranz für die Intoleranten zu üben.

Bedenkliche Tendenzen gründen aber auch in der wirtschaftlichen Entwicklung der Medienbranche. Im Lokal- und Regionaljournalismus liegt eigentlich eine besondere Stärke und die Chance der Medien, nah an den Menschen und ihren Themen zu sein. Doch ausgerechnet dieses Segment schwächelt ökonomisch und ist von der digitalen Transformationskrise besonders betroffen, so dass es dort tatsächlich zu dem von vielen Medienunternehmen gefürchteten Generationenabriss kommen könnte. Für jüngere Menschen wirken Lokalzeitungen mitunter furchtbar alt. Und selbst wenn es den Redaktionen gelingt, mit feschen neuen Formaten, Audio- und Videoangeboten ihr Angebot zu verjüngen – klappt das dann auch für die ernsten und zunächst oft trocken anmutenden Themen der Lokalpolitik?

In den USA sieht es in manchen Gegenden mit der journalistischen Grundversorgung schon so düster und dürre aus, dass von Nachrichtenwüsten (news deserts) die Rede ist. Die Frage nach dem Vertrauen hat sich damit erledigt – wo Medien faktisch nicht mehr existieren, kann sich kein Verhältnis zu ihnen entwickeln. Für die (kommunale) Demokratie eine gefährliche Entwicklung: Wie viel Vertrauen in ihre Institutionen ist möglich, wenn die Infrastruktur der öffentlichen Kritik und Kontrolle ausfällt?

Es verwundert nicht, dass einige Journalist:innen, nicht zuletzt auf der lokalen Ebene, allmählich selber das Vertrauen in ihren Beruf verlieren. Genau das darf aber nicht passieren; die ganze Branche muss sich dagegen aufbäumen. Wer dem eigenen Beruf nichts mehr zutraut, wird auch bei anderen kein Vertrauen und schon gar keine Begeisterung wecken können. Es braucht den Optimismus, dass die Bürger:innen auch in Zukunft ihr Vertrauen in die Leistungen und in das professionelle Misstrauen des Journalismus setzen werden.