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Effektive Wissenschaftskommunikation bekommt einen immer größeren Stellenwert in der Gesellschaft. Umso entscheidender ist es daher zu verstehen, wann und unter welchen Umständen Wissenschaftskommunikation gelingen kann und welche Faktoren zu ihrem Erfolg beitragen können. Eine Methode, die in der Psychologie und anderen Disziplinen bereits eine lange Tradition hat, ist die experimentelle Vorgehensweise. Experimente erlauben es, kontrollierte Untersuchungen durchzuführen und Ursache-Wirkungsbeziehungen zu überprüfen, indem ein angenommener ursächlicher Faktor in unterschiedlichen Gruppen variiert wird, um dessen Wirkung auf eine oder mehrere Zielvariablen zu untersuchen. Alle anderen möglichen Einflussfaktoren werden zugleich vollständig konstant gehalten. Wenn es Unterschiede hinsichtlich der Zielvariable zwischen den Gruppen gibt, ist dieser Unterschied daher allein auf die Variation des angenommenen ursächlichen Faktors zurückzuführen (vgl. Döring und Bortz 2016). Diese Logik experimenteller Forschung kann zur Evaluation von Wissenschaftskommunikation einen entscheidenden Beitrag leisten. In diesem Beitrag beschäftigen wir uns daher mit Beispielen aus der Praxis, in denen experimentelle Methoden in der Forschung zur Wissenschaftskommunikation erfolgreich eingesetzt wurden. Im Folgenden gehen wir zunächst kurz auf Experimente und deren Vor- und Nachteile ein. Anschließend wenden wir uns Bürgerwissenschaften zu, die teilweise als partizipative Wissenschaftskommunikation verstanden werden können, und gehen auf erfolgreiche Praxisbeispiele (d. h. in unserem Fall erfolgreich durchgeführte experimentelle Studien) in diesem Bereich ein.

1 Experimente und ihre Vor- und Nachteile

Experimente haben in der Medizin, der Psychologie, der Ökonomie und weiteren empirisch orientierten Sozialwissenschaften eine lange Tradition und folgen dabei einer eingehenden Logik, die wir nun anhand eines einfachen Beispiels verdeutlichen: Evaluierende im Bereich der Wissenschaftskommunikationsforschung (d. h. Forschende sowie gleichermaßen Praktiker:innen) möchten gerne wissen, ob ein wissenschaftsjournalistischer Text, der auf blauem Hintergrund geschrieben wurde, als vertrauenswürdiger wahrgenommen wird als ein ebensolcher Text vor rotem Hintergrund (z. B. Mehta und Zhu 2009). Um diese Frage zu untersuchen, wird ein und derselbe neutral geschriebene Text einer Gruppe von Personen auf blauem und einer anderen Gruppe von Personen auf rotem Hintergrund präsentiert. Wichtig ist dabei, dass die Personen zufällig der einen oder anderen Gruppe zugewiesen wurden, sodass sich die Personen in den beiden Gruppen nicht systematisch voneinander unterscheiden. Danach werden beide Gruppen gefragt, als wie vertrauenswürdig sie den Text empfunden haben. Das heißt, der Faktor, der variiert wird, ist die Hintergrundfarbe (blau vs. rot). Alle anderen Aspekte werden über beide Gruppen hinweg konstant gehalten, etwa der Inhalt oder die Länge des Textes. Die Zielvariable, die gemessen wird, ist die empfundene Glaubwürdigkeit. Wenn sich die blaue Gruppe bei der Auswertung der Daten nun tatsächlich in statistisch bedeutsamer Weise in ihrer Einschätzung der Glaubwürdigkeit von der roten Gruppe unterscheidet, dann spricht das für die vorherige Vermutung.

Dieses Beispiel beschreibt die einfachste Form eines Experimentes und ist auf verschiedene Art und Weise erweiterbar. So könnten beispielsweise die Stufen des Faktors Hintergrundfarbe erweitert und zusätzlich die Wirkung von grün und gelb als Hintergrundfarbe getestet werden. Es könnte ein weiterer Faktor hinzugefügt und überprüft werden, ob sich beispielsweise die zusätzliche Präsentation eines zum Text passenden Fotos positiv auf die Glaubwürdigkeit auswirkt. Außerdem ließen sich neben der Zielvariable Glaubwürdigkeit weitere Variablen untersuchen, wie beispielsweise empfundene positive Emotionen oder die Erinnerung an Informationen aus dem wissenschaftsjournalistischen Text. Schlussendlich könnte der Faktor Zeit berücksichtigt werden und der Effekt der Hintergrundfarbe über einen längeren Zeitraum hinweg getestet werden.

Experimente haben verschiedene Vor- und Nachteile, die Evaluierende berücksichtigen sollten, wenn sie sich für oder gegen ein experimentelles Vorgehen entscheiden. Zu den Vorteilen zählen die kontrollierten Bedingungen, unter denen Experimente stattfinden. Sie erlauben es den Evaluierenden, klare Aussagen über Ursache-Wirkungsbeziehungen zu treffen, da der Einfluss von potenziellen Störvariablen oder verzerrenden Variablen relativ gering ist. Es gibt allerdings bestimmte Voraussetzungen, damit Experimente in kontrollierter Weise ablaufen können wie beispielsweise die zufällige Zuweisung der Teilnehmenden zu den verschiedenen Bedingungen.

Zu den Nachteilen zählt, dass Ergebnisse von Experimenten durch die kontrollierten Bedingungen, unter denen sie stattfinden, oftmals nur eine geringe Aussagekraft hinsichtlich der Wirkung in echten Situationen haben. Unser Alltagsleben ist in der Regel von einer hohen Komplexität geprägt und es treten viele verschiedene Variablen (darunter auch potenzielle Störvariablen und verzerrende Variablen) gleichzeitig auf. Ein Experiment ist in der Regel nicht in der Lage diese Komplexität vollständig abzubilden, sodass die Generalisierbarkeit von in Experimenten gefundenen Ergebnissen eingeschränkt ist. Ein Experiment ist ebenfalls auch nur in der Lage eine sehr begrenzte Anzahl von Wirkfaktoren (z. B. Hintergrundfarbe, Präsentation zusätzlicher Fotos) auf eine begrenzte Anzahl von Zielvariablen (z. B. Vertrauenswürdigkeit, positive Emotionen, Erinnerung) zu untersuchen. Alle anderen, darüber hinausgehenden Faktoren oder Variablen können nicht berücksichtigt werden, sodass unter Umständen nur ein unvollständiges Bild entsteht (für weitere Details zu Experimenten siehe auch Stadtler und Schuster in diesem Band).

Diese Vor- und Nachteile sollten Evaluierende im Bereich der Wissenschaftskommunikationsforschung je nach Forschungsfrage und Möglichkeiten der methodischen Umsetzung bei der Entscheidung für ein Experiment gegeneinander abwägen. Aus unserer Sicht stellen die kontrollierten Bedingungen von Experimenten und ihre Fähigkeit, Ursachen und Wirkungen klar zu benennen, einen erheblichen Vorteil dar, gerade in Bereichen, in denen bisher wenig zu Ursache-Wirkungsbeziehungen geforscht wurde.

2 Bürgerwissenschaften als partizipative Wissenschaftskommunikation

Wissenschaftskommunikation stellt ein breites Feld dar und rückt immer stärker in den Fokus des medialen und öffentlichen Interesses. In den letzten Jahrzehnten hat sich Wissenschaftskommunikation von einer unidirektionalen Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse, in der Wissenschaftler:innen oder Wissenschaftsjournalist:innen an die Öffentlichkeit kommunizieren, zu einem multidirektionalen Austausch gewandelt, in dem sich Wissenschaftler:innen und die Öffentlichkeit in partizipativen Formaten gleichermaßen an Wissenschaft beteiligen (z. B. Ball 2020). Über die Wirkung solcher Formate ist bisher jedoch nur wenig bekannt. Insbesondere geht es in diesem Beitrag um die Wirkung von Projekten aus dem Bereich der sogenannten Bürgerwissenschaften, mit deren erfolgreicher Gestaltung im Sinne gelungener Wissenschaftskommunikation wir uns im Folgenden beschäftigen.

Unter Bürgerwissenschaften wird die Zusammenarbeit zwischen engagierten Bürger:innen und professionell arbeitenden Wissenschaftler:innen in vorwiegend wissenschaftlichen Projekten verstanden (Heigl et al. 2019; für einen Überblick siehe Vohland et al. 2021). Obwohl Bürger:innen in vielen Projekten vor allem die Datensammlung von Wissenschaftler:innen unterstützen, gibt es weitere Ansätze, bei denen die Zusammenarbeit zwischen Bürger:innen und Wissenschaftler:innen als kollaborativer Prozess (z. B. Shirk et al. 2012; siehe auch Cress und Kimmerle 2018) und Wissensaustausch verstanden wird (z. B. Bruckermann et al. 2021; Greving et al. 2022). Diesen Ansätzen folgend beteiligen sich beide Gruppen von Beteiligten an einem Dialog über die wissenschaftlichen Erkenntnisse und haben so die Möglichkeit, voneinander zu lernen. Demzufolge können insbesondere kollaborative Projekte in den Bürgerwissenschaften als eine partizipative Form der Wissenschaftskommunikation verstanden werden.

Bürgerwissenschaftsprojekte gewinnen zunehmend an Bedeutung, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene (z. B. Vohland et al. 2021). Vorreiter in der deutschen Community der Bürgerwissenschaften sind zum Beispiel die Initiativen und Plattformen von Bürger schaffen Wissen (https://www.buergerschaffenwissen.de/) und Wissenschaft im Dialog (https://www.wissenschaft-im-dialog.de/), die die Vernetzung von Bürgerwissenschaftsprojekten und den Austausch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit unterstützen. In der breiten Auswahl von internationalen Bürgerwissenschaftsplattformen gibt es beispielsweise die Plattform Zooniverse (https://www.zooniverse.org/), auf der über 300 Projekte aus den unterschiedlichsten Bereichen wie Astronomie, Kunst, Geschichte oder Medizin angeboten werden und an denen über 2,4 Mio. Nutzer:innen beteiligt sind, die bereits mehr als 679 Mio. Objekte klassifiziert haben.

3 Praxisbeispiele experimenteller Untersuchungen im Bereich der Bürgerwissenschaften

Trotz des Erfolgs von Bürgerwissenschaften wurden in der Praxis bisher wenige systematische Evaluationen von Bürgerwissenschaftsprojekten durchgeführt. Wenn Evaluationen durchgeführt oder Teile eines Projektes näher untersucht wurden, dann wurden vor allem auf deskriptiver Ebene Fallbeispiele einzelner Projekte beschrieben, ohne dass diese Projekte näher systematisch und empirisch untersucht wurden. Außerdem wurden Effekte auf die Teilnehmenden nur selten untersucht (z. B. Aristeidou und Herodotou 2020) und, wenn doch, wurden selten experimentelle Methoden dafür ausgewählt. Im Folgenden gehen wir daher auf drei Beispiele aus der Praxis ein, bei denen experimentelle Untersuchungen im Bereich der Bürgerwissenschaften durchgeführt wurden. In diesen Beispielen unterscheiden wir zwischen psychologischen Studien im Labor und im Feld. Laborstudien finden in der Regel in ruhigen, reizarmen Umgebungen und eigens dafür vorgesehenen Laborräumen statt, in denen Versuchsteilnehmende zumeist allein an einem Computer Aufgaben erledigen. Feldstudien hingegen finden in der Regel in einem natürlichen Kontext und einer alltäglichen Umgebung der Teilnehmenden statt und werden bevorzugt durch Fragebögen erhoben.

3.1 Praxisbeispiel 1: Experimente mit Bürger:innen eines Bürgerwissenschaftsprojekts im Feld

Im ersten Beispiel wurden experimentelle Untersuchungen mit Bürger:innen eines realen Bürgerwissenschaftsprojekts im Feld durchgeführt (Greving et al. 2022). Im Rahmen von vier Feldstudien wurden Bürger:innen begleitet, die an einem Bürgerwissenschaftsprojekt zum Thema Fledermäuse in der Stadt Berlin teilnahmen. Die generelle Fragestellung in diesen Studien war, ob sich durch die Beteiligung am Bürgerwissenschaftsprojekt über die Zeit hinweg Veränderungen in den Einstellungen zu Fledermäusen, dem Fachwissen über Fledermäuse und den Einstellungen, sich für Bürgerwissenschaftsprojekte zu engagieren, ergeben. Mit einem experimentellen Ansatz wurde genauer untersucht, ob im Vergleich zur reinen Beteiligung an der Datensammlung die zusätzliche Beteiligung an der Datenanalyse einen positiveren Effekt auf die Einstellungen und das Fachwissen hat.

Um diese Fragestellungen zu beantworten, wurde ein sogenanntes Prä-Post-Design gewählt, über das der Grad der Beteiligung als Faktor variiert wurde. Dazu füllten zunächst alle teilnehmenden Bürger:innen zu Beginn des Bürgerwissenschaftsprojekts einen Prä-Fragebogen aus, der Einstellungen zu Fledermäusen, Fachwissen über Fledermäuse und Einstellungen zur Beteiligung an Bürgerwissenschaften erfasste. Alle Teilnehmenden beteiligten sich danach zunächst an der Datensammlung des Projekts. Die Datensammlung bestand darin zweimal eine von den beteiligten Wissenschaftler:innen vordefinierte Route abzulaufen und währenddessen die Rufe von in der Luft fliegenden Fledermäusen mit einem Detektor zu erfassen. Diese Fledermausrufe luden die Teilnehmenden dann auf einer Plattform hoch, wo die beteiligten Wissenschaftler:innen die zu den Rufen gehörenden Fledermausarten bestimmten. Nach der Datensammlung füllte in etwa die Hälfte der Teilnehmenden, die zufällig ausgewählt wurden, den Post-Fragebogen aus, der mit dem Prä-Fragebogen identisch war. Danach beteiligten sich alle Teilnehmenden an einer strukturierten Datenanalyse, die ebenfalls auf der Plattform stattfand. Sie bestand darin, das Vorkommen bestimmter Fledermausarten mit verschiedenen Umweltvariablen (z. B. künstliches Licht, dichter Baumbestand, viele Wasserstellen) in Beziehung zu setzen. Diesen Analyseprozess konnten die Teilnehmenden sowohl für ihre eigenen gesammelten Daten als auch für die Daten aller Teilnehmenden durchführen. Nach Abschluss dieser Analyse füllte schlussendlich die andere Hälfte der Teilnehmenden den Post-Fragebogen aus.

Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Teilnehmenden während ihrer Beteiligung an dem Projekt eine positivere Einstellung zu Fledermäusen, ein höheres Fachwissen zu Fledermäusen und positivere Einstellungen zur Beteiligung an Bürgerwissenschaftsprojekten entwickelten. Es zeigte sich allerdings auch, dass es für diese positiven Entwicklungen unerheblich war, ob die Teilnehmenden nur Daten gesammelt hatten oder Daten gesammelt und zusätzlich auch analysiert hatten. Weitere Untersuchungen müssten die Voraussetzungen und Bedingungen bestimmen, unter denen die Datenanalyse positive Effekte auf die Teilnehmenden hat. Ebenso könnten solche Untersuchungen auch andere Stichproben testen, da an diesem Praxisbeispiel überwiegend gut gebildete und sehr an Fledermäusen interessierte Bürger:innen teilgenommen hatten. Zusammengefasst konnte dieses erste Praxisbeispiel dazu beitragen, zu verstehen, ob die zusätzliche Beteiligung von Bürger:innen an der Datenanalyse einen Mehrwert gegenüber der reinen Beteiligung an der Datensammlung mit sich bringt. Diese Erkenntnisse sind für Evaluierende (d. h. Forschende wie Praktiker:innen) im Bereich der Bürgerwissenschaften relevant, da das reine Angebot Daten zu analysieren vermutlich nicht ausreicht, sondern Bürger:innen dafür mehr Anleitung benötigen, damit die Datenanalyse einen positiven Effekt auf sie ausübt.

3.2 Praxisbeispiel 2: Experimente mit Studierenden im Labor zur Beteiligung an Bürgerwissenschaftsprojekten

Im zweiten Beispiel haben wir experimentelle Laborstudien mit Studierenden durchgeführt (Greving et al. 2020). Hierbei wurde die Frage untersucht, welche typischen Beteiligungsschritte in einem Bürgerwissenschaftsprojekt zu Wildtieren sich positiv auf das Gefühl des psychologischen Ownership auswirken. Mit psychologischem Ownership ist das subjektive Gefühl gemeint, etwas persönlich zu besitzen (Pierce et al. 2003). Dabei kann es sich um etwas Konkretes wie einen Stift oder eine Tasse handeln (Peck und Shu 2009). Es kann aber auch etwas Abstraktes wie eine Idee, das Unternehmen, für das man arbeitet (Van Dyne und Pierce 2004), oder eben ein Bürgerwissenschaftsprojekt sein. In der Untersuchung ging es um ein Projekt zu Wildtieren. In solchen Projekten werden Bürger:innen typischerweise mit Wildtierkameras ausgestattet, die in der Lage sind, unbemerkt Fotos von vorbeilaufenden Wildtieren aufzunehmen. Außerdem ist es typischerweise die Aufgabe der Bürger:innen, die Fotos auf der Speicherkarte der Wildtierkamera in eine Datenbank (zu der auch die beteiligten Wissenschaftler:innen Zugriff haben) hochzuladen und danach die Wildtiere auf den Fotos zu bestimmen.

Entlang dieser typischen Aufgaben wurden die von den Teilnehmenden zu erledigenden Aufgaben zwischen verschiedenen Gruppen experimentell untersucht. Variiert wurde dabei, ob die Teilnehmenden eine Wildtierkamera in der Hand hatten oder nicht, ob sie der Kamera eine Speicherkarte entnommen und die Fotos auf der Speicherkarte auf einen Computer hochgeladen haben oder nicht und ob die Teilnehmenden die Wildtiere auf den Fotos der Speicherkarte bestimmen mussten oder nicht. Zusätzlich wurden die Teilnehmenden instruiert, die Aufgaben so zu erledigen als würden sie selbst an dem Projekt teilnehmen, als würden sie für eine andere Person teilnehmen oder sie erhielten keine diesbezügliche Instruktion. In zwei Studien wurde die Hypothese geprüft, dass die Teilnehmenden umso mehr Ownership empfinden sollten, je mehr Aufgaben sie erledigten.

Die Ergebnisse der Studien konnten diese Erwartung bestätigen. Das heißt, wenn Teilnehmende eine Wildtierkamera in der Hand hatten, mit der Speicherkarte interagiert haben, alle Fotos auf der Speicherkarte bestimmten und diese Aufgaben aus der eigene Perspektive heraus erledigten, dann empfanden sie mehr psychologisches Ownership als solche Teilnehmenden, die all diese Aufgaben nicht durchgeführt haben. Dabei gab es jedoch eine Ausnahme. Wenn Teilnehmende für eine andere Person teilnahmen, dabei aber alle Wildtiere auf den Fotos selbst bestimmen mussten, dann war das eher hinderlich für das empfundene Ownership. Im Nachhinein erklärten wir uns dies damit, dass solche Teilnehmenden womöglich das Gefühl hatten, dass das Bestimmen der Fotos nicht Teil der ihnen zugeschriebenen Rolle war. Aber diese Vermutung müsste in weiteren Studien noch geklärt werden. Darüber hinaus zeigten die Ergebnisse, dass die Einstellungen der Teilnehmenden zu Bürgerwissenschaften umso positiver und ihre Intention, sich auch zukünftig an Bürgerwissenschaftsprojekten zu beteiligen, umso stärker war, je mehr psychologisches Ownership sie empfanden. Diese Erkenntnisse belegen damit die wichtige Rolle von Ownership für Bürgerwissenschaften, müssten aber gleichzeitig zukünftig im Feld näher untersucht werden, da die Bedingungen im Labor nicht alle Merkmale von Bürgerwissenschaften im Feld abbilden können. Auch müsste geklärt werden, ob sich die positivere Einstellung zu und die stärkere Intention, sich an Bürgerwissenschaften zu beteiligen, auch tatsächlich im Verhalten zeigen lässt. Zusammengefasst zeigt dieses zweite Praxisbeispiel, dass experimentelle Laborstudien dabei helfen können herauszufinden, welche genauen Beteiligungsschritte in einem Bürgerwissenschaftsprojekt zu Wildtieren förderlich (oder hinderlich) für das empfundene Ownership sind. Diese Ergebnisse zeigen auf, dass es sich für Praktiker:innen im Bereich der Wissenschaftskommunikationsforschung lohnt, in zukünftigen Bürgerwissenschaftsprojekten die Rolle von empfundenem Ownership mit zu berücksichtigen, weil es andere Variablen, wie beispielsweise die Einstellungen von Teilnehmenden, positiv beeinflussen kann.

3.3 Praxisbeispiel 3: Experimente mit Studierenden im Labor zu emotionalen Einflussfaktoren

Im dritten Beispiel haben wir ebenfalls experimentelle Laborstudien mit Studierenden durchgeführt (Greving und Kimmerle 2021). Während es im vorangegangenen Beispiel nur eine untergeordnete Fragestellung war, wie sich Ownership auf Einstellungen und Verhaltensintentionen bezüglich Bürgerwissenschaften auswirkt, wollten wir in diesem Beispiel konkret wissen, welche Faktoren sich positiv auf die Bereitschaft auswirken, sich in Bürgerwissenschaftsprojekten zu engagieren. Insbesondere standen Emotionen und ganz konkret die Emotion Mitgefühl im Fokus. Mitgefühl heißt, mit anderen mitzufühlen und sich in deren emotionalen Zustand hineinzuversetzen (Goetz et al. 2010). Somit ist Mitgefühl eine auf andere fokussierte Emotion und wird durch Sorge für andere geprägt. Sie geht mit Hilfeverhalten einher, wie beispielsweise erhöhter Spendenbereitschaft oder Engagement für den Klimaschutz, und ist daher auch für den Bereich der Bürgerwissenschaften von Interesse.

In zwei Studien haben wir daher die Rolle von Mitgefühl für Einstellungen zu Bürgerwissenschaften und Intentionen, sich an Bürgerwissenschaften zu beteiligen, untersucht. Auch in diesem Fall ging es um Bürgerwissenschaften zu Wildtieren, wobei sich eine Studie konkret mit Waschbären und die zweite Studie mit Füchsen beschäftigte. Dabei zeigten wir einer Gruppe von Studierenden Fotos von neutral dargestellten Waschbären oder Füchsen, einer zweiten Gruppe Fotos von bedrohlichen Waschbären oder Füchsen und einer dritten Gruppe Fotos von verletzten oder toten Waschbären oder Füchsen. In der Fuchsstudie zeigten wir einer vierten Gruppe von Studierenden außerdem Fotos von niedlichen Füchsen. Alle Studierenden wurden komplett zufällig einer dieser Gruppen zugewiesen. Danach erfassten wir die durch die Fotos ausgelösten Emotionen sowie die Einstellung zu Bürgerwissenschaften und die Intention, sich auch zukünftig an Bürgerwissenschaften zu beteiligen.

Die Ergebnisse der Studien zeigten, dass die Fotos von verletzten oder toten Waschbären oder Füchsen mehr Mitgefühl ausgelöst haben als die anderen Fotos. Je mehr Mitgefühl die Teilnehmenden erlebten, desto positiver war ihre Einstellung zu Bürgerwissenschaften und desto eher waren sie auch bereit sich zukünftig an Bürgerwissenschaften zu beteiligen. Näher untersucht werden könnte auf Basis dieser Befunde, ob es entscheidend ist, warum die Wildtiere verletzt oder tot waren (d. h. ob es menschenverursacht war oder ob es natürliche Gründe hatte). Außerdem wäre es spannend zu untersuchen, wann sich der Effekt auf Mitgefühl umkehren würde (d. h. wie viele verletzte oder tote Wildtiere erträglich wären) und wann Bürger:innen eher gleichgültig reagieren würden. Zusammengefasst zeigen die Befunde des dritten Praxisbeispiels, dass Mitgefühl – in dosierten Maßen ausgelöst – eine entscheidende Rolle dabei spielen kann, Menschen für Bürgerwissenschaften sowie auch für den Wildtierschutz (Straka et al. 2021) zu begeistern. Für Durchführende von Bürgerwissenschaftsprojekten zum Artenschutz heißt das, dass der wohldosierte Einsatz von Bildmaterial von verletzten Wildtieren bei der Werbung für Projekte helfen kann.

4 Fazit und Ausblick

Experimentelle Methoden stellen eine sinnvolle Vorgehensweise dar, um klar und deutlich die Wirkung eines ursächlichen Faktors auf eine Zielvariable zu identifizieren. Sie können sowohl in Feldstudien (d. h. Studien in natürlichen, alltäglichen Umgebungen) als auch in Laborstudien (d. h. Studien in kontrollierten, reizarmen Umgebungen) zum Einsatz kommen und sind äußerst relevant für partizipative Formate der Wissenschaftskommunikation wie Bürgerwissenschaften. Bisher wurden Experimente nur selten zur Evaluation von Bürgerwissenschaftsprojekten hinsichtlich ihrer Effekte auf Bürger:innen eingesetzt. In diesem Beitrag haben wir anhand von Praxisbeispielen aufgezeigt, dass Experimente erfolgreich für die Erforschung von Wissenschaftskommunikation ein- und umgesetzt werden können. Somit konnten wir zeigen, dass Forschende und Durchführende von Bürgerwissenschaftsprojekten viel aus Experimenten lernen können, vor allem dann, wenn sie beabsichtigen die Wirksamkeit eines Projektes zu evaluieren. Beispielsweise scheint es nicht zu reichen, die Möglichkeit der Datenanalyse nur anzubieten. Praktiker:innen sollten Bürger:innen daher stärker bei der Datenanalyse anleiten, damit diese einen positiven Effekt auf die Bürger:innen haben kann. Ebenso sollten Durchführende von Projekten das empfundene Ownership der Bürger:innen sowie deren empfundene Rolle im Projekt mitberücksichtigen, da beides entscheidend zum Ausgang des Projektes für die Bürger:innen beitragen kann. Zuletzt kann auch nicht so schönes Bildmaterial von verletzten oder toten Wildtieren sparsam eingesetzt zur Beteiligung an Bürgerwissenschaftsprojekten motivieren.

Die dargestellten Praxisbeispiele zeigen auf, dass die Bereiche der Bürgerwissenschaften und Wissenschaftskommunikation davon profitieren könnten, wenn Experimente im Vorfeld direkt mit eingeplant werden. Außerdem könnte es von Vorteil sein, etablierte Theorien und Konzepte bei der Planung und Umsetzung von Projekten zu berücksichtigen. Bei der Entscheidung für ein experimentelles Vorgehen sollten bekannte und bereits etablierte Forschungsdesigns verwendet und bei der Erhebung der Zielvariablen auf valide und reliable Maße geachtet werden. Schlussendlich könnte die Verwendung von experimentellen Methoden ein Qualitätskriterium für zukünftige Forschung im Bereich der Bürgerwissenschaften und der Wissenschaftskommunikation sein. Denn aus unserer Sicht kann der Einsatz von Experimenten absolut gewinnbringend sein.