Zum Zeitpunkt der Erstellung der vorliegenden Arbeit wird die Welt von einer durch das Virus SARS-CoV-2 hervorgerufenen COVID-19-Pandemie beherrscht. Zum Schutz der Bevölkerung ist das bis dahin gewohnte Gesellschaftsleben vielerorts durch eine Reihe von Einschränkungen geprägt. Entscheidungsträger standen und stehen vor der Herausforderung, die Gesundheit vieler Menschen zu schützen und dabei gleichzeitig ein vollständiges Erliegen wirtschaftlicher Aktivitäten, die die Grundlage für den aktuellen materiellen Wohlstand sind, zu vermeiden. Es lässt sich aktuell nur schwer abschätzen, welche globalen volkswirtschaftlichen Schäden durch die Krise entstanden sind und noch entstehen werden (Fernandes, 2020).

Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass Krisen auch immer wieder die Möglichkeit des Hinterfragens bestehender technologischer und gesellschaftlicher Lösungen bieten und zum Treiber von Innovationen werden können (Peris-Ortiz et al., 2013). Das Voranbringen innovativer Ideen und Erkunden neuer Geschäftsmöglichkeiten in krisenbehafteten Zeiten wird insbesondere durch junge, schnell wachsende Unternehmen geleistet (Archibugi et al., 2013). Diese zeigen, dass langfristig geplante Geschäftsideen nicht robust gegenüber unvorhergesehenen Ereignissen sind (Giones et al., 2020).

Im Bereich des Entrepreneurships hat sich ein Ansatz herausgebildet, der das Vorgehen von Gründern in einem unsicheren Umfeld beschreibt und unter dem Begriff Effectuation bekannt ist. Effectuation wird als eigenständige Entscheidungslogik zur Umsetzung disruptiver Technologien bisher insbesondere von erfahrenen und erfolgreichen Seriengründern angewendet (Sarasvathy, 2001). Dieses Vorgehen vereint fünf Prinzipien, die Unternehmer in die Lage versetzen „diskontinuierlichen Veränderungen“ (Schumpeter, 1912, S. 155) voranzutreiben und wirtschaftlich erfolgreich umzusetzen.

Im Gegensatz dazu bedeutet kausale Logik im Kontext unternehmerischer Tätigkeit, Ziele festzulegen und diese mit Hilfe zu beschaffender Ressourcen und zu definierender Aktivitäten bestmöglich zu erreichen. Die Entscheidungsfindung findet unter Zuhilfenahme von Vorhersagen statt (Sarasvathy, 2003). Effectuation hingegen setzt bei den vorhandenen Kompetenzen und bereits bestehenden Kontaktnetzwerken des Individuums an, die als Grundlage für das weitere Vorgehen dienen. Dadurch werden Entrepreneure in die Lage versetzt, Entscheidungen unabhängig von Vorhersagen zu treffen. Dieses Prinzip wird als Bird-in-Hand bezeichnet (Sarasvathy, 2009). Demnach fragt sich ein effektuativ handelnder Akteur, wer er ist, was er weiß und wen er kennt. Die Antworten auf diese Fragen beschreiben die zur Verfügung stehenden Mittel, die sich auf die eigene Identität, das vorhandene Wissen sowie das bestehende Netzwerk beziehen (Wiltbank et al., 2006).

Weiterhin orientiert sich Effectuation am leistbaren Verlust. Dieser stellt eine vom Entrepreneur selbst definierte Investitionsgrenze dar, die nicht nur finanzieller Natur sein muss und als Affordable Loss bezeichnet wird (Dew, Sarasvathy et al., 2009). Da zu Beginn einer Unternehmung nicht klar ist, was genau Gegenstand der Unternehmung sein wird, vermeiden effektuativ handelnde Akteure erwartete Gewinne zu prognostizieren und fokussieren sich daher auf das Worst-Case-Szenario (Downside Potential) (Wiltbank et al., 2006).

Bei Effectuation sind im Gründungskontext Zufall und Überraschungen etwas Positives. Unerwartete Ereignisse werden für den Entrepreneur als Möglichkeiten verstanden, neue unternehmerische Gelegenheiten zu schaffen und auszunutzen. Dieses als Lemonade bezeichnete Prinzip beschreibt, dass Ungewissheit als Hebel für Innovationen genutzt werden kann (Read & Sarasvathy, 2005).

Zudem werden weitere Individuen oder Gruppierungen nicht grundsätzlich von der Unternehmung ausgeschlossen. Vielmehr entstehen Partnerschaften durch Selbstselektion. Beteiligte aus dem Netzwerk des effektuativen Entrepreneurs, die nicht bereit sind, das Risiko der Unternehmung mitzutragen, scheiden demnach selbstbestimmt aus dem weiteren Prozess des Unternehmens aus. Dieses Prinzip wird von Sarasvathy (2009) als Crazy Quilt bezeichnet. Im Gegensatz dazu unterscheidet man bei kausaler Logik strikt zwischen Konkurrenten und Partnern und grenzt diejenigen von Beginn an aus, die das erklärte Ziel gefährden (Sarasvathy, 2009, S. 88f).

Das von Sarasvathy (2009, S. 16) beschriebene Pilot-in-the-Plane-Prinzip verdeutlicht die Logik nicht-prognostizierender Steuerung (Non-predictive Control). Die Konzentration auf die geschickte Mittelverwendung macht die Vorhersage künftiger Ereignisse obsolet (Dew, Read et al., 2009).

Die genannten Prinzipien finden ihren Ausdruck im effektuativen Prozess, der in Abbildung 1.1 illustriert ist. Ausgangspunkt sind die dem Entrepreneur zur Verfügung stehenden Mittel. Ausgehend von den identifizierten Ressourcen kann jener entscheiden, wie er diese verwenden möchte. Die daraus resultierenden veränderlichen Ziele werden mit Partnern aus dem Netzwerk der effektuativ handelnden Person diskutiert. Anschließend werden Vereinbarungen zwischen den Stakeholdern getroffen, die zu neuen Ressourcen und neuen Zielen führen. Dieser Prozess wird iterativ durchlaufen und kann zu neuen Unternehmen und Märkten führen (Read & Sarasvathy, 2005).

Abb. 1.1
figure 1

Der Effectuation-Prozess. (Modifiziert nach Sarasvathy (2009, S. 101))

1.1 Relevanz der Untersuchung und Zielsetzung

Das Forschungsgebiet des Entrepreneurships umfasst eine Reihe konkurrierender und sich ergänzender Theorien, die versuchen entrepreneuriales Verhalten zu beschreiben. Hierbei konnte sich im wissenschaftlichen Kontext, insbesondere neben den Ansätzen Lean Startup (Ries, 2011) und Entrepreneurial Bricolage (Baker & Nelson, 2005), Effectuation (Sarasvathy, 2001) etablieren und ist seit über 20 Jahren Gegenstand der Forschung (Grégoire & Cherchem, 2019). Dabei ist das Theorienkonstrukt von Effectuation immer wieder Kritik ausgesetzt gewesen, was in der Folge zu einer Weiterentwicklung von Effectuation führte (Arend et al., 2015, 2016; Baron, 2009; Karri & Goel, 2008).

Während Effectuation insbesondere im Kontext verschiedener Entrepreneurship-Theorien, der Kreativitäts- und Innovationsforschung, dem Projektmanagement und Marketing diskutiert wird (Grégoire & Cherchem, 2019), stellen S. X. Zhang und Van Burg (2019) fest, dass darüber hinaus die Entwicklung und Interpretation von Effectuation durch die Anwendung von Methoden der Künstlichen Intelligenz profitieren können. Auch Lévesque (2004) bemerkt, dass nur vereinzelt mathematische Modelle – welche die Grundlage für Methoden der Künstlichen Intelligenz bilden – zur Beschreibung entrepreneurialer Phänomene und Prozesse genutzt werden.

Hierfür ist es notwendig, dass Effectuation verstärkt aus prozesstheoretischer Sicht betrachtet wird und Wirkungsweisen im Zeitverlauf untersucht werden. Bisher wird Effectuation überwiegend als varianzorientiertes Konzept erforscht, welches ausschließlich zeitpunktbezogene Zusammenhänge zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen beleuchtet (Gupta et al., 2016). Die von Eberz (2018), Welter und Kim (2018) und Mauer et al. (2017) vorgestellten Modellansätze liefern Erkenntnisse darüber, wie Effectuation prozessual und technisch-mathematisch interpretiert werden können, stehen jedoch vor der Herausforderung effektuative Intelligenz, im Sinne von Lernfähigkeit, einzubeziehen.

Yang und Chandra (2013) unterstreichen die Notwendigkeit, entrepreneuriales Lernen, das sich in der kontinuierlichen Anwendung der Effectuation-Logik manifestiert, in agentenbasierte Modelle zu implementieren. Die Umsetzung dessen resultiert nach Ansicht von Yang und Chandra (2013) in einer Stärkung der Entrepreneurship-Forschung sowie in der Nutzbarmachung der Erkenntnisse durch angehende und etablierte Entrepreneure.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die ursprünglich von Sarasvathy (2001) formulierte Effectuation-Theorie um einen prozessorientierten Beitrag zu erweitern und Elemente bestehender Modelle, wie sie von Eberz (2018), Welter und Kim (2018) und Mauer et al. (2017) entwickelt wurden, zu aggregieren und um den Baustein effektuativen Lernens zu erweitern.

1.2 Literaturanalyse und Forschungsfrage

Sarasvathy (1998) untersuchte in ihrer Dissertation das Vorgehen von Serienentrepreneuren im Gründungskontext. Als Untersuchungsobjekte wählte sie 27 Experten-Entrepreneure und konfrontierte sie mit Entscheidungssituationen während eines fiktiven Gründungsprozesses. Mit Hilfe von Think-Aloud-Protokollen erfasste sie das Vorgehen der Entrepreneure. Die Entrepreneure besaßen zum Zeitpunkt der Untersuchung mindestens 10 Jahre Erfahrung und hatten mehrere Unternehmen gegründet (inklusive gescheiterter Unternehmen). Mit mindestens einem Unternehmen waren sie am Markt etabliert. Diese Unternehmen wiesen eine Marktkapitalisierung zwischen 250 Millionen und 6,5 Milliarden Dollar auf (Sarasvathy, 2009, S. 20–23).

Die aus dieser Untersuchung abgeleiteten Ergebnisse, in Form von Effectuation, werden von Sarasvathy (2001) erstmalig einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgestellt. Den Ansatz der entwickelten Theorie grenzte Sarasvathy (2004) weiter zu bestehenden Theorien ab, da bis dahin gründungsbezogener Erfolg lediglich mit Unternehmenserfolg gleichgesetzt wurde bzw. Entrepreneure mittels Sammlungen von Verhaltens- und Charaktereigenschaften beschrieben wurden. In der Folge wird Effectuation mit weiteren Theorien der Entrepreneurship-Forschung verglichen, wie Bricolage, Causation, Opportunity Creation und Lean Startup (Fisher, 2012; Ries, 2011; Selden & Fletcher, 2015; Welter et al., 2016).

Um zunächst einen Überblick über die aktuelle Literatur zur Effectuation-Forschung zu erhalten, wurde das Vorgehen, das von Wolfswinkel et al. (2013) vorgeschlagen wurde, angewandt. Folgende Rahmenbedingungen sollen dabei definiert werden, die bei der Literaturauswahl zu beachten sind:

  1. 1.

    Definition von Anforderungen für die Berücksichtigung bzw. den Ausschluss von Artikeln

  2. 2.

    Identifikation relevanter Forschungsgebiete

  3. 3.

    Bestimmung geeigneter Quellen

  4. 4.

    Festlegung konkreter Suchbegriffe

Ausgehend von Rahmenbedingung 1 wurden all diejenigen Zeitschriften ausgewählt, die einem Rating von A+, A oder B gemäß VHB-JOURQUAL3 (Stand 2015) entsprechen. Die auf Grundlage von Rahmenbedingung 2 ermittelten Artikel, die in Zeitschriften erschienen, die nicht im VHB-JOURQUAL3-Ranking aufgeführt sind, wurden zusätzlich nach dem Scimago Journal & Country Rank bewertet. Hierbei wurden nur Zeitschriften ausgewählt, die sich in 2019 im ersten Quartil befinden. Des Weiteren wurden nur Artikel berücksichtigt, die im Zeitraum 1998–2020 erschienen sind. Effectuation ist in die Entrepreneurship-Forschung einzugliedern (Sarasvathy & Dew, 2003) und wurde entsprechend Rahmenbedingung 2 zunächst nicht weiter eingrenzt. Um bei der Literaturrecherche eine möglichst große Trefferquote zu erzielen, wurde Web-of-Science als Meta-Datenbank gewählt (Rahmenbedingung 3). Um relevante Literatur zur erhalten, wurde auf Grundlage von Rahmenbedingung 4 der Suchbegriff effectua*Footnote 1 verwendet.

Durch Anwendung der Literaturkriterien 1, 3 und 4 konnten 685 wissenschaftliche Artikel ermittelt werden. Um eine Übersicht darüber zu bekommen, in welchen Forschungsfeldern die erhaltenen Suchergebnisse verortet sind, erfolgt eine Zuordnung durch die Kategorisierungsvorschläge der jeweiligen Zeitschriften und von Web-of-Science. Abbildung 1.2 veranschaulicht die Artikel-Forschungsfelder-ZuordnungFootnote 2. Um Bedingung 2 der Literaturauswahlkriterien zu genügen, wurde die ursprüngliche Suchabfrage, die die Bedingungen 1, 3 und 4 befriedigt, mit einer weiteren Suchabfrage in Web-of-Science kombiniert, die den Suchbegriff entrepreneur* enthält. Die Suchabfragen wurden mit Hilfe eins AND-Operators verknüpft. Dadurch konnten 174 Einträge gefunden werden.

Abb. 1.2
figure 2

Zuordnung der anhand der Literaturauswahlbedingungen erhaltenen Suchergebnisse zu Forschungsfeldern

Dem Vorschlag von Wolfswinkel et al. (2013) folgend wurden zusätzlich die Abstracts und Titel der Suchergebnisse geprüft und auf ihren thematischen Bezug zur ursprünglich von Sarasvathy (2001) begründeten Effectuation-Theorie bzw. zur Entrepreneurship-Forschung im Allgemeinen hin untersucht. Dabei konnte festgestellt werden, dass zwei Artikel nicht den geforderten Kriterien entsprachen und sich die Zahl der grundsätzlich relevanten Publikationen auf 172 verringerte. Eine Übersicht der ermittelten wissenschaftlichen Artikel ist in Anhang A.1 im elektronischen Zusatzmaterial dargestellt.

Damit es möglich ist, die Veröffentlichungen thematisch zu erfassen und Schwerpunktthemen zu identifizieren, schlagen Felizardo et al. (2014) im Rahmen einer systematischen Übersichtsarbeit die Visualisierung der Inhalte mittels Textmining-Techniken vor. Feng et al. (2017) stellen in diesem Zusammenhang Softwarelösungen vor, die es erlauben, Ergebnisse einer Literaturanalyse grafisch aufzubereiten. Das von Eck und Waltman (2017) entwickelte Programm VOSviewer, das in der Arbeit von Feng et al. (2017) neben anderen aufgezeigt wird, bietet die Möglichkeit, die aus einer Literatursuche ermittelten Titel, Abstracts und Schlüsselwörter zu klassifizieren. Dadurch können Karten erstellt werden, die die Beziehungen zwischen Themenclustern illustrieren.

Zur Visualisierung der relevanten Themengebiete wurden zunächst die aus der Literaturanalyse mit Web-of-Science erhaltenen bibliografischen Daten der 172 Publikationen in VOSviewer importiert. Anschließend wurde der Kookkurenz-Analysetyp gewählt, bei dem die Verwandtschaft von Schlüsselwörtern auf Grundlage der Anzahl von Dokumenten, in denen sie gemeinsam auftreten, bestimmt wird. Zur Berechnung der Anzahl wurde die Fractional-Counting-Zählmethode angewendet (Perianes-Rodriguez et al., 2016). Zur Clusterbildung wurde die minimale Anzahl des Auftretens eines Schlüsselwortes auf den Wert 5 gesetzt. Von durch VOSviewer 909 identifizierten Schlüsselwörtern erreichten 76 diesen Schwellwert. Durch die von VOSviewer genutzten Text-Mining-Methoden konnten vier Themencluster bestimmt werden. Diese sind in Abbildung 1.3 mit unterschiedlichen Farben markiert. Jeder Kreis mit einem dazugehörigen Text stellt ein Schlüsselwort dar und repräsentiert einen Knoten. Je größer der Umfang eines Kreises ist, desto häufiger tritt dieser Schlüsselbegriff auf. Die Verbindung zwischen Knoten wird mittels Linien visualisiert. Je dicker eine Linie zwischen zwei Knoten ist, desto häufiger treten die Begriffe gemeinsam auf. Ausdrücke wie effectuation und causation tauchen besonders häufig auf. Der Begriff effectuation kommt oft im Zusammenhang mit den Literalen entrepreneurship, uncertainty, decision-making und predictive logics vor. Diese Verbindungen geben einen Hinweis darauf, in welchem Kontext Effectuation in der Literatur vorrangig diskutiert wird. In Anhang A.2 im elektronischen Zusatzmaterial ist das in Abbildung 1.3 dargestellte Schlüsselwort-Netzwerk in tabellarischer Form aufbereitet. Die Darstellung der im Zusammenhang mit Effectuation häufig auftretenden Schlüsselwörter gibt Aufschluss über die Bandbreite des Forschungsgebietes. Eine inhaltliche Auseinandersetzung zu wissenschaftlichen Erkenntnissen der Effectuation-Forschung findet in den Ausführungen von Sterzel und Richter (2019) statt.

Abb. 1.3
figure 3

Visualisierung der Häufigkeit des (gemeinsamen) Auftretens von Schlüsselwörtern mit Hilfe von VOSviewer

Zur weiteren Eingrenzung des Forschungsfeldes wurden dem ursprünglichen Suchbegriff in Web-of-Science weitere Schlagwörter hinzugefügt. Dies entspricht dem vorgeschlagenen Vorgehen von Wolfswinkel et al. (2013). Durch Ergänzung der Begriffe simulat* und algorithm* konnten drei wissenschaftliche Artikel ermittelt werden.

In der Arbeit von Mauer et al. (2017) wird eine neue methodische Sichtweise zur Erforschung von Effectuation vorgeschlagen und Einblicke in die konkrete Umsetzung und Anwendung der Methodik diskutiert. Mauer et al. (2017) entwickeln einen Rahmen für einen nach bestimmten Regeln (steuerungsbasiert und vorhersagebasiert) agierenden Agenten und geben Aufschluss über die Leistung der Agenten im gründungsbezogenen Problemraum (Isotropie, Ziel-Ambiguität und Ungewissheit). Das Entscheidungsverhalten des Agenten ist dabei prozedural modelliert. Es vernachlässigt das Lernverhalten des Entrepreneur-Agenten.

Welter und Kim (2018) stellen einen mit Hilfe eines NK-Modells entwickelten Ansatz vor, der ebenfalls die Anpassung der Strategie des Agenten im Prozess vernachlässigt. Dabei werden wie bei Mauer et al. (2017) konkrete Vorschläge zur Umsetzung des Modells diskutiert.

S. X. Zhang und Van Burg (2019) betrachten Effectuation aus einer Design-Science-Perspektive und schlagen grundlegende Gestaltungsprinzipien zur Modellierung von Effectuation vor, die auf aus der Biologie abgeleiteten genetischen Algorithmen aufbauen. Dedizierte Modellierungs- und Implementierungsansätze werden in diesem Kontext nicht erläutert.

Auf Basis des aus der Literaturanalyse gewonnenen Überblicks können Forschungspotentiale identifiziert werden, die im Rahmen der Effectuation-Forschung zu einer Weiterentwicklung des Theoriengerüsts beitragen. S. X. Zhang und Van Burg (2019) geben Hinweise auf weitere Forschungsaktivitäten und sind der Auffassung, dass „future studies can explore how entrepreneurs can use AI [Artificial Intelligence] nondeterministic models as decision support for path-dependent decision-making under uncertainty.“ (S. X. Zhang & Van Burg, 2019, S. 622). Dieser Forschungsbedarf kann mit der Evaluierung mathematischer Modelle, die Entscheidungs- und Lernverhalten abbilden, gedeckt werden. Im Bereich der Multi-Agenten-Systeme existieren eine Reihe von Methoden, die verschiedene Verhaltensformen abbilden können (Panait & Luke, 2005). Mit einer Operationalisierung von Entrepreneurship-Theorien, wie Effectuation und Causation, wird der Erfolg der angewendeten Modelle messbar gemacht (Chandler et al., 2011; Jiang & Rüling, 2017).

Aufbauend auf dem aktuellen Stand der Effectuation-Forschung, insbesondere im Hinblick auf simulationsgestützte Modelle, und dem Finden einer Möglichkeit, um effektuatives Lernverhalten nachzubilden, ergibt sich für die weitere Arbeit folgende Forschungsfrage: Wie kann effektuatives Entscheidungs- und Lernverhalten modelliert und algorithmisch interpretiert werden?

1.3 Gliederung der Arbeit

In den vorhergehenden Abschnitten dieses Kapitels wurden die Grundlagen der Entrepreneurship-Theorie Effectuation vorgestellt und der diesbezügliche aktuelle Stand der Wissenschaft literaturanalytisch behandelt. Darauf aufbauend wurde eine Eingrenzung des Forschungsfeldes vorgenommen und relevante Forschungsbedarfe identifiziert. Diese bildeten die Basis für die Formulierung der Forschungsfrage.

In Kapitel 2 der Arbeit werden entscheidungstheoretische Grundlagen im Kontext von Effectuation diskutiert, um eine differenzierte und detaillierte Betrachtung der effektuativen Entscheidungslogik zu ermöglichen. Dabei wird auf in der Literatur zu findende Verbindungen zwischen Effectuation und etablierten entscheidungstheoretischen Ansätzen Bezug genommen. Vorrangig werden dabei die Begriffe der Ungewissheit – als zentrales Element des entrepreneurialen Problemraums – und des Bayesianismus untersucht. Beide Konzepte bilden die Voraussetzung für eine Reihe von Inferenzmethoden. In diesem Zusammenhang werden Ansätze des maschinellen Lernens vorgestellt und bestehende Anwendungen im entrepreneurialen Kontext erörtert. Kapitel 2 behandelt theoretische Vorüberlegungen zur Beantwortung der in Abschnitt 1.2 formulierten Forschungsfrage.

Kapitel 3 befasst sich mit der Untersuchung bereits existierender effektuativer Simulationsmodelle. Diese werden zunächst hinsichtlich ihrer Eigenschaften und Abläufe analysiert, um ein allgemeines Verständnis für die Wirkungsweisen der Modelle zu entwickeln. Die damit einhergehende Betrachtung der gewählten Methoden gibt Aufschluss über mögliche Gestaltungsaspekte bei der Modellierung effektuativer Entscheidungsfindung. Durch die Gegenüberstellung der Simulationsmodelle können Konstruktionsansätze abgeleitet werden, die zur Beantwortung der Forschungsfrage notwendig sind. Darauf aufbauend werden ausgewählte Modelle mathematisch formuliert und algorithmisch interpretiert, um die zugrundeliegenden Architekturen und Mechanismen transparent zu machen. Dieses Vorgehen ermöglicht die replizierten Modelle zu implementieren und Simulationen durchzuführen. Anschließend werden die Ergebnisse mit denen aus bestehenden Arbeiten, die effektuative Simulationsmodelle behandeln, verglichen.

In Kapitel 4 wird die für die Arbeit relevante Forschungsmethodik vorgestellt. Dabei wird das Konzept der agentenbasierten Modellierung zur Abbildung emergenter Systeme eingeführt. Auf Grundlage dessen erfolgt die Entwicklung eines auf Reinforcement Learning basierenden Effectuation-Modells. Hierfür wird zunächst ein entrepreneuriales Lernproblem konstruiert. Die Modellierung der Umgebung und der Handlungsmöglichkeiten schaffen den Rahmen zur Lösung des Problems durch einen Agenten. Zur Steuerung effektuativen Verhaltens wird ein Anreizmechanismus formuliert und ein erfahrungsbasiertes Lernverfahren präsentiert. Abschließend wird ein Ansatz zur Standardisierung des Modells und künftiger effektuativer Lernmodelle vorgeschlagen.

Die Ergebnisse der durchgeführten Lernsimulationen werden in Kapitel 5 dargestellt. Dabei wird das Lernverhalten eines effektuativen Agenten bei Änderung ausgewählter Umgebungsparameter untersucht. Zudem wird das Anreizsystem zur Steuerung effektuativen Verhaltens manipuliert und Auswirkungen auf den Lernprozess evaluiert. Die Leistungsfähigkeit eines effektuativen Agenten wird zudem mit der einer konkurrierenden Strategie verglichen. Zur Verbesserung des Lernverhaltens des effektuativ agierenden Agenten werden anschließend Hyperparameterstudien durchgeführt.

In Kapitel 6 werden die aus der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst und aus den Lernsimulationen ermittelte Ergebnisse im Kontext der eingangs formulierten Forschungsfrage diskutiert. Darüber hinaus werden Einschränkungen dargestellt, denen das methodische Vorgehen und die erarbeiteten Erkenntnisse unterlegen sind. Die aus dem Überblick erhaltenen Kernelemente sowie die diskutierten Limitationen der wissenschaftlichen Arbeit erlauben die Ableitung von künftigen Untersuchungsbedarfen und geben einen Ausblick auf mögliche weitere Forschungsvorhaben.