In dieser Einleitung erzähle ich die Geschichte meiner Dissertation. Da diese Geschichte eine persönliche ist, habe ich mir erlaubt, diese, im Gegensatz zum Rest der vorliegenden Arbeit, aus der Ich-Perspektive zu schreiben. Auch der Stil dieses Kapitels mag etwas prosaischer sein, als es in den anderen Abschnitten der Fall ist.

Der Beginn des Mathematikstudiums ist für viele StudienanfängerFootnote 1 schwierig. Die Gründe dafür sind vielfältig und werden, ergänzt durch eine Zusammenfassung aktueller hochschuldidaktischer Maßnahmen, in Abschnitt 2.1 ausführlich dargestellt. Letztlich läuft es aber (zumindest was die Bewertung der Studienleistung angeht) auf die Bearbeitung von Aufgaben – zunächst von Hausaufgaben, dann, für den Studienerfolg noch wichtiger, von Klausuraufgaben – hinaus. In den ersten Semestern meines Studiums hatte auch ich in diesem Bereich mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Interessanterweise legten sich trotz abstrakter werdender Inhalte diese Schwierigkeiten aber im Laufe des Studiums. Während ich die Klausuren im ersten Semester (Analyis I und Lineare Algebra I) noch mit Ach und Krach bestanden hatte (beide Noten: 4.0 – Heute weiß ich, dass ich mit zwei bestandenen Klausuren im ersten Versuch sicherlich schon im oberen Drittel des Jahrgangs lag), hatte ich spätestens nach dem Vordiplom keinen Zweifel mehr daran, das Studium zu meistern. Meine Kommilitonen – oder zumindest diejenigen, die es über die ersten Semester hinaus geschafft hatten – waren ebenfalls nach erfolgreichem Bestehen der Klausuren des zweiten Semesters (Analysis II und Lineare Algebra II) deutlich entspannter. Bereits zu der Zeit reifte in mir die Erkenntnis, dass das Bearbeiten von Aufgaben offenbar mit der Zeit trotz abstrakter werdender Inhalte (und damit höchstwahrscheinlich eher steigendem als fallendem Schwierigkeitsgrad) leichter fällt, man es also durch Übung lernen kann. Leider schafften es nur wenige Kommilitonen zu diesem Punkt.

Schon bald bekam ich die Möglichkeit, als Übungsgruppenleiter in mathematischen und physikalischen Anfängervorlesungen – hauptsächlich der Analysis I und II – Erfahrungen zu sammeln. Neben vielen Dingen, die zunächst nicht so gut funktionierten, hat sich dabei eine stärkere Prozessorientierung bei der Besprechung der Hausaufgaben als fruchtbar erwiesen.

Im ersten Jahr meiner Promotionszeit habe ich zunächst Vorlesung und Übung aus mathematikdidaktischer Sicht genauer beobachtet und dabei reifte in mir die Idee, eine Maßnahme zur Verbesserung der Anfängerveranstaltungen zu entwickeln. Hierbei waren zwei Dinge zu beachten: Erstens sollte keine zusätzliche Präsenzveranstaltung geschaffen werden, da die Studierenden auf der einen Seite auch so schon genug zu tun hatten und mir auf der anderen Seite die Selbstständigkeit und -verantwortung der Lernenden sehr wichtig war. Zweitens hielt ich es für problematisch, in die Vorlesung einzugreifen, über die sich der Dozent sicherlich einige Gedanken gemacht hatte.

Und so fiel mein Entschluss darauf, mich systematisch der Übung zu widmen. Aus den Beobachtungen meines ersten Promotionsjahres und den Erfahrungen des eigenen Studiums, war mir intuitiv klar, dass es sich bei einem Großteil der Übungsaufgaben um Probleme handelt (eine Exposition des Problembegriffs wird in Abschnitt 2.2 gegeben). Bei ausgiebigen Literaturrecherchen wurde ich auf die Einflussfaktoren auf das Problemlösen (die in Abschnitt 2.3 beschrieben werden) und verschiedene Konzeptionen, vorrangig aus dem Schulkontext, die bei der Förderung der Problemlösekompetenz behilflich sein können, aufmerksam. Besonderes Augenmerk habe ich hierbei darauf gerichtet, wie Studierende dabei unterstützt werden können, ihr eigenes Vorgehen metakognitiv zu steuern und zu reflektieren, um so eigene Herangehensweisen (inklusive bewährter Heurismen) an das Problemlösen entwickeln zu können. Die Quintessenz hieraus ist in Abschnitt 2.4 nachzulesen. Um ehrlich zu sein, war mir zu Beginn der Maßnahme nicht alles, was dort dargestellt wird, bekannt, aber es tut gut, zu erfahren, dass auch Andere ähnliche Ideen hatten wie ich und diese zum Teil sogar schon erfolgreich getestet haben.

Die Leitfragen für meine Dissertation (ausformuliert in Kapitel 3) drehen sich also zum einen darum, wie sich diese theoriebasierten Überlegungen tatsächlich in die Praxis der Übungsgruppen umsetzen lassen und wie sich eine solche Umsetzung auf Faktoren wie Klausurerfolg und Anwesenheit in den Übungen auswirkt. Zum anderen hatte ich bei meinen Recherchen vergleichsweise wenig darüber gefunden, wie Studierende authentische Übungsaufgaben bearbeiten. Diese Forschungslücke soll durch die in Kapitel 5 dargestellten aufgabenbasierten Interviews und ihre Auswertung ein wenig geschlossen werden.

Die Weiterentwicklung der Übungsgruppe lief in Form eines Design Research (siehe Abschnitt 4.1) ab. Sicherlich musste ich aufgrund der Tatsache, dass die Studie in der tatsächlichen Lehrpraxis der Anfängerveranstaltung angesiedelt war, mit einigen Einschränkungen umgehen (die in Abschnitt 4.3 beschrieben sind), wodurch die Intervention sich das Adjektiv minimalinvasiv verdient hat, sie also in den von den Dozenten geplanten Ablauf möglichst wenig eingreift. Dies hat den Vorteil, dass deren Umsetzbarkeit nur daran gebunden ist, ob sich jemand wie ich die Zeit nimmt, das Ganze zu organisieren. Weitere Ressourcen sind, zusätzlich zu den ohnehin zur Verfügung stehenden, nicht notwendig. Eine Übertragbarkeit auf ähnliche Bereiche, etwa die Zweitsemesterveranstaltungen, scheint also relativ problemlos gegeben zu sein. Die ursprüngliche, theoriebasierte Version ist in Abschnitt 4.4 nachzulesen, wobei die Schulung der Tutoren in Abschnitt 4.5 dargestellt ist. Da die bereits genannte qualitative Betrachtung (Kapitel 5) ebenfalls Einfluss auf die zyklische Weiterentwicklung der Maßnahme im Sinne des Design Research gehabt hat, wird die letzte Iteration (wirklich abgeschlossen ist so etwas ja nie) in Kapitel 6 vorgestellt.

Zu guter Letzt war ich an der Wirkung der Intervention interessiert, die ich mit Hilfe quantitativer Erhebungen (beschrieben in Kapitel 7) überprüft habe. Aufgrund der Mininmalinvasivität war hier aber von vornherein klar, dass sich keine großen Effekte zeigen würden. Im Gegenteil hatte ich die nicht unbegründete Befürchtung, dass die Veränderung der etablierten Übungsgruppe auch negative Auswirkungen haben kann. Schließlich ist die zur Verfügung stehende Zeit sehr begrenzt und wenn neue Aspekte aufgenommen werden, müssen zwangsläufig andere darunter leiden.

Zum Schluss der Arbeit (Kapitel 8) werden die Ergebnisse zusammenfassend diskutiert und es wird ein Ausblick gegeben, welche darauf aufbauenden Forschungsmöglichkeiten sich mir und meinen Kollegen ergeben.

Ich hoffe mit dieser Arbeit einen interessanten Beitrag zur Hochschuldidaktik, Problemlöseforschung und der Verknüpfung dieser beiden Zweige leisten zu können. Ich wünsche eine angenehme Lektüre.