Die Generierung und Verarbeitung von Daten und Informationen zuhanden politischer Akteure wird im Folgenden als Institutional work dargestellt. Diese Perspektive ergänzt die qualitativ-theoretische Dimensionalanalyse (vgl. Kap. 7) und schliesst sowohl an die internationale Diskussion (Bormann et al., 2018) als auch an jüngere Theorieentwicklungen an (Houben, 2019; Langer & Brüsemeister, 2019a). Mit dem Institutional work-Konzept wird der Blick auf die Praxis von Akteuren und die Prozesse des Umgangs mit Institutionen geworfen (vgl. Abschn. 3.2). Die in Bildungsmonitoring vorzufindende Vermengung von Steuerungs- und Informationsaspekten wird in dieser Perspektive aufgenommen und als Wirkung über die Praxis involvierter Akteure theoretisch fassbar gemacht. Mit der Darstellung von Bildungsmonitoring als Institutional work wird zudem versucht, Governanceansatz und neo-institutionalistische Ansätze theoretisch zu verbinden.

Aus der Governanceperspektive (vgl. Abschn. 3.3) erscheint Bildungsmonitoring primär als Element der Instrumente und Mechanismen mit denen Fragen der Regulierung und Leistungserbringung sowie entsprechende Umbrüche und Transformationen untersucht werden. Dabei wird Regulierung als formenreiche und vielfältige Handlungskoordination verstanden und der institutionelle Kontext beteiligter Akteure mitberücksichtigt (Graß, 2015). Im Bereich der bildungspolitischen Analyse ist der Einbezug der gesellschaftlich-kulturellen Dimension von Schule und Bildung bislang ein Desiderat geblieben. Wie Dietrich (2019) feststellt, werden Steuerungsfragen noch kaum mit „schultheoretisch wie professionstheoretisch zentralen Fragen nach der Autonomie des Pädagogischen bzw. nach dem Verhältnis schulischer bzw. pädagogischer Eigenlogik und gesellschaftlicher Bestimmtheit von Schule und des Schulischen“ (S. 52) zusammengebracht. Während der Institutionenbegriff in Educational governance relativ intensiv verwendet wird, stellt seine Weiterentwicklung in Richtung gesellschaftlicher Symbolsysteme, professioneller Praktiken, kollektiver Normativitätsvorstellungen sowie kultureller Glaubenssysteme und Mythen ein bislang noch wenig genutztes Anregungspotenzial dar (Herbrechter & Schemmann, 2019; Houben, 2019).

Aus neo-institutionalistischer Perspektive (vgl. Abschn. 3.2) erscheint Bildungsmonitoring als Element einer Praxis in Bildungspolitik und Bildungsverwaltung, die durch Institutionen beeinflusst und teilweise in ihrer Ausprägung und Gestaltung massgeblich verändert wird. Neo-institutionalistische Analysen legen die jeweiligen Ideen, Normen und formellen Regelungen von Bildungssystemen offen und untersuchen Bildungsorganisationen auf die spezifischen institutionellen Arrangements hin, in die diese eingebettet sind. International vergleichend werden werden häufig Unterschiede und Gemeinsamkeiten nationaler Bildungssysteme auf der Basis von Bildungsmodellen und Institutionen dargestellt (Powell, Bernhard & Graf, 2012). Auf der Basis neo-institutionalistischer Ansätze wird unter anderem die Wirkung bildungspolitischer Aktivitäten anhand ihrer institutionellen Effekte erklärt (H.-D. Meyer, 2009; Sjøberg, 2019). Im ihrem prominenten Modell der Wirkung internationaler Organisationen auf nationale Bildungspolitik beschreiben Leuze et al. (2008) eine Veränderung der Institutionen auf nationaler Ebene, die sehr wesentlich durch die Aktivitäten der internationalen Organisationen angeregt sei. Wie Ozga (2019) ausführt, gehen neo-institutionalistische Erklärungen der Internationalisierung – von jüngeren Entwicklungen rund um Institutional work und Institutional entrepreneurship abgesehen – jedoch oft von einer Art Konsens aus, der die Umsetzung von institutionellen Regeln in politische Handlungen leitet und damit entscheidende Elemente wie Macht, Zwang oder Steuerung kaum berücksichtigt, oder zumindest nicht genügend deutlich hervorhebt. Allgemein konstatieren Herbrechter und Schemmann (2019), dass innerhalb des Neo-Institutionalismus die Systematisierung der Strategien und Handlungen von Akteuren gegenüber institutionellen Strukturen noch nicht weit vorangetrieben wurde. Insofern bietet der Educational governance-Ansatz, in dem „das Zusammenspiel oder Gegeneinanderspiel sehr unterschiedlicher Akteure“ (Langer & Brüsemeister, 2019b, S. 2) differenziert betrachtet wird, durchaus theoretisches Anregungspotenzial für die neo-institutionalistische Auseinandersetzung.

Mit dem Institutional work-Konzept kann das beidseitige Anregungspotenzial aufgenommen werden. Für Bildungsmonitoring als Element von Steuerungsvorstellungen und politischer Auseinandersetzung um Bildung und Schule bietet die Verbindung von Governanceansatz und Neo-Institutionalismus einen gegenstandsangemessenen Theorierahmen. Bildungsmonitoring ist symbolisch und kommunikativ (vgl. Abschn. 7.3), hat einen engen Bezug zu gesellschaftlichen Narrativen rund um Wissenschaft, Bildung und Politik (vgl. Abschn. 7.1), ist vielseitig durchdrungen von institutionell eingebundenen Akteuren (vgl. Abschn. 7.4) und steht für verschiedene Praktiken des Umgangs mit Information (vgl. Abschn. 7.2). Gerade für die in neueren Ansätzen des Neo-Institutionalismus wichtige Integration kultureller Mechanismen im Zusammenspiel von institutionellen Strukturen und sozialen Akteuren bietet Bildungsmonitoring als politisches Phänomen, das unter anderem Steuerungs- und Kommunikationsaspekte umfasst, gehaltvolles empirisches Material. Zugleich werden mit der theoretischen Verdichtung von Bildungsmonitoring als Institutional work verschiedene Entwicklungsrichtungen der Educational Governance aufgenommen. Solche Entwicklungsrichtungen sind etwa die Stärkung der Praxisperspektive, die Verbindung mit symbolischen Deutungen, Wissensordnungen oder mit der kommunikativen Konstruiertheit sozialer Wirklichkeit (Langer & Brüsemeister, 2019a). Das Institutional work-Konzept fusst darüber hinaus – im Unterschied zu Institutional entrepreneurs – auf der Vorstellung, dass alle beteiligten Akteure selbst in den institutionellen Kontext eingebunden sind, an dessen Gestaltung sie mitarbeiten.

Die Hinwendung zur Praxis sowie die Rekonstruktion von konkretem Handeln – verstanden als Arbeit an Institutionen – werden in der Forschung zu Institutional work mittels qualitativer Ansätze realisiert. Ein kurzer Blick in die Literatur zeigt, dass bedeutungsdichtes Material und interpretative Auswertungsmethoden bei Forschenden, die mit dem Institutional work-Konzept arbeiten, einen hohen Stellenwert haben (z. B. Enders & Naidoo, 2018; Gawer & Phillips, 2013; Zietsma & McKnight, 2009). Angesichts des genuin hermeneutischen Umgangs mit dem empirischen Material (vgl. Abschn. 4.2) stellt das Konzept eine gehaltvolle und angemessene Grundlage für die abschliessende theoretische Modellierung von Bildungsmonitoring dar.

Für die theoretische Verarbeitung der Ergebnisse zu Bildungsmonitoring in der Schweiz werden im Institutional work-Konzept von Lawrence & Suddaby (2006) fünf relevante Formen der Arbeit an Institutionen identifiziert: (1) Über Defining werden institutionelle Regeln zur Mitwirkung und zur Praxis gestaltet. Beispiele für institutionelle Definitionsarbeit sind Verfahrens- und Produktstandards, Zertifizierung oder Akkreditierung. Als Definitionsarbeit kann auch die Entwicklung und Spezifikation abstrakter Kategorien und Beschreibungssysteme gefasst werden. Als Entwicklung und Spezifikation werden beispielsweise auch Bemühungen betrachtet, die bestehende Begriffssysteme aus einem Politikfeld in ein anderes zu transferieren suchen. (2) Als Identitäten werden Verbindungen zwischen einem Akteur und einem politischen oder gesellschaftlichem Feld bezeichnet. Die Construction of identities ist in diesem Sinne die Zuweisung von Aufgaben oder Positionen an bestimmte Akteure. Dabei können über diese Identitätskonstruktion sowohl bestehende Akteure neue oder ergänzende Positionen zugewiesen erhalten als auch neue Akteure in ein Feld eingeführt werden. Beispiele für die Identitätskonstruktion sind etwa die Betonung von Arbeitnehmern als Mitverantwortliche für den Unternehmenserfolg oder Prozesse der Professionalisierung und Deprofessionalisierung. (3) Als Mimicry wird eine Form von Institutional work bezeichnet, bei der Akteure bestehende institutionelle Kontexte und damit institutionell verankerte Praktiken und Regeln mit neuen institutionellen Elementen verknüpfen. Durch die Darstellung neuer institutioneller Elemente neben bestehenden werden erstere verständlich und einfacher zugänglich. Zugleich können Akteure über das Nebeneinanderstellen bestehender und neuer institutioneller Elemente auf die entscheidenden Differenzen hinweisen. Mimikry manifestiert sich etwa in der ambivalenten Position von Akteuren in Schulreformen gegenüber den bestehenden Konstellationen, die sie zwar verändern aber nicht revolutionieren möchten (Imlig, Lehmann & Manz, 2018). (4) Über Valourizing – und Demonizing als negative Variante davon – werden die öffentliche Wahrnehmung und der öffentliche Diskurs rund um Institutionen kommunikativ zu beeinflussen versucht. Dazu heben Akteure konkrete Prozesse oder Policies als besonders gelungen oder misslungen hervor. Gelungen sind Prozesse oder Policies dann, wenn sie den institutionellen Regeln entsprechen. Mit dieser gezielten Aufwertung festigen die Akteure diese institutionellen Regeln und deren Wahrnehmung und Wichtigkeit im Feld. Ein Beispiel dieser Aufwertung sind auf Leistungssport ausgerichtete Schulen, die ihre erfolgreichen Bemühungen um die sportliche Förderung der Schülerinnen und Schüler systematisch hervorheben um ihr Leistungsprinzip zu legitimieren. (5) Mit Embedding werden Institutionen in der Alltagspraxis der Akteure verankert. Wesentliches Element davon sind Routinen und repetitive Praktiken über die die Pflege und die Reproduktion von Institutionen sichergestellt wird. Diese Einbettung auf symbolischer, kultureller oder praktischer Ebene erklärt im Neo-Institutionalismus Prozesse der Institutionalisierung ganz generell (vgl. Abschn. 3.2). Im Institutional work-Konzept ist damit gemeint, dass Akteure bestimmte Institutionen aktiv pflegen, indem sie die alltäglichen Routinen und Praktiken bewusst auf bestimmte Institutionen hin ausrichten. Die Einbettung des Leistungsprinzips an den erwähnten, auf Leistungssport ausgerichteten Schulen erfolgt beispielsweise über die ritualisierte Belobigung von sportlich erfolgreichen Schülerinnen und Schülern.

Bildungsmonitoring ist sowohl in der internationalen Diskussion als auch auf nationaler und kantonaler Ebene in vielerlei Hinsicht als Defining fassbar. Für Deutschland und die Schweiz sehr gut dokumentiert und beforscht ist die Einführung von Bildungsstandards, ausgelöst unter anderem durch die ersten Ergebnisse aus dem Programme for international student assessment (PISA) (Bieber, 2014; Hartong, 2018). Die Definitionsarbeit betrifft dabei einerseits die abstrakten Kategorien bezogen auf die Leistungen und Wirkungen von Bildungssystemen (vgl. Abschn. 5.3.1). Andererseits stossen die internationalen Schulleistungsstudien auf nationaler und kantonaler Ebene Institutionalisierungsprozesse an. Ausdruck dieser Institutionalisierung sind etwa die Schweizerische Koordinationskonferenz Bildungsforschung (CORECHED), das Netzwerk der regionalen PISA-Konsortien (vgl. Abschn. 5.3.3) oder der Aufbau der Épreuves romandes communes in der Westschweiz (vgl. Abschn. 6.2.1). Zugleich wird auch die Frage der normativen Festlegung darüber, wie Definitionsprozesse ablaufen und wer beteiligt ist, international diskutiert. Dabei steht die Intention einer wissenschaftlichen, diskursiven Offenheit der eher kritischen Feststellung gegenüber, dass Bildungsmonitoring vor allem die Eingriffs- und Gestaltungshoheit des Staates abbilde (Rürup, 2018).

In praktisch allen Kantonen sind Definitionsprozesse festzustellen, die sich auf drei unterscheidbare Ausprägungen beziehen: (1) Definiert wird, welche Instrumente mit welchem Zweck Elemente des jeweiligen Bildungsmonitoring-Dispositivs sind. So stehen in praktisch allen Kantonen Aufsicht, Inspektion und teilweise auch von Schulführung in einer definierten Relation zu Bildungsmonitoring. Im Kanton Luzern wird beispielsweise der Anspruch der Qualitätssicherung durch die externe Schulevaluation für Volks- und Mittelschulen sowie die Akkreditierung für die neu entstehenden Hochschulen eingelöst, das Monitoring zuhanden der Bildungspolitik leisten jedoch Bildungsstatistik und verschiedene Programmevaluationen. In den Kantonen Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Glarus, Nidwalden, Schaffhausen und Zug erfolgt die Systemevaluation im Rahmen von Qualitätssicherung und -entwicklung. Eine sehr explizite Definition von relevanten Elementen findet sich im Einbezug verschiedener Informationen in die Prozesse von Regierungscontrolling und -berichterstattung, beispielsweise in den Kantonen Bern oder Zürich (vgl. z. B. Abschn. 6.1 & 6.3.3). (2) Definiert wird, in welchem Verhältnis praktische, wissenschaftliche und politische Kompetenz innerhalb von Bildungsmonitoring stehen. Mit dieser Definition von Bildungsmonitoring-Kompetenz wird oft ein Bezug hergestellt zu den Ansprüchen der Rationalität und Objektivität bildungspolitischer Entscheidungsfindung. In den zuletzt erwähnten Kantonen, in denen Qualitätssicherung und -entwicklung zentral sind, wird typischerweise eine Art Kompetenz der Praxis hervorgehoben. Das entscheidende Steuerungswissen entsteht in diesem Verständnis durch die praktische Erfahrung der Akteure. In den Kantonen Genf, Waadt oder Tessin sind die Bildungsmonitoring-Dispositive sehr viel stärker mit Begrifflichkeiten und Akteuren wissenschaftlicher Provenienz assoziiert. Die in diesen Kantonen eingesetzten Instrumente von Bildungsmonitoring zeichnen sich durch eine sehr systematische und meist explizit an wissenschaftlicher Methodik orientierte Herangehensweise aus (vgl. z. B. Abschn. 6.5.3 & 6.6.3). (3) Definiert werden schliesslich die zentralen interkantonalen, nationalen und internationalen Referenzen des kantonalen Bildungsmonitorings. Verwiesen wird dabei sowohl auf Instrumente als auch auf Akteure von Bildungsmonitoring. Mit den Verweisen, beispielsweise auf einen anderen Kanton, wird die Orientierung an oder die Übernahme von konzeptionellen und begrifflichen Elementen vorbereitet und legitimiert. Gleichzeitig wird durch solche Verweise der Rahmen definiert, in dem eine solche Orientierung oder Übernahme erfolgen kann und soll. Über Referenzen werden gegenseitige Erwartungshaltungen zwischen Kantonen, den verschiedenen interkantonalen Organisationen, der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) und dem Bund formuliert. Drei der häufigsten Referenzen in den Kantonen sind die gesamtschweizerische Bildungsstatistik, das nationale Bildungsmonitoring in Form von Bildungsberichten, Bildungsstandards und der Überprüfung der Grundkompetenzen (ÜGK) sowie die internationalen Schulleistungsstudien. In diesem Sinne erscheint Bildungsmonitoring in einem hohen Masse selbstreferenziell. Eine Referenzierung internationaler Bildungsforschung über Schulleistungsstudien hinaus findet sich beispielsweise in den Kantonen Genf und Tessin. PISA tritt als Referenz in allen Kantonen auf, besonders intensiv in jenen, die kantonale Zusatzstichproben testen lassen. Die gesamtschweizerischen Entwicklungen von Bildungsstatistik und Bildungsmonitoring sind gerade in kleineren Kantonen, in denen bestimmte Elemente nicht kantonal umgesetzt werden, eine wichtige Referenz. Dabei ergänzen die Elemente des nationalen Bildungsmonitorings die kantonalen Bestrebungen, etwa in den Konzeptionen der Kantone Jura oder Solothurn, oder das kantonale Bildungsmonitoring ist, wie im Kanton St. Gallen, bewusst als Erweiterung der nationalen Elemente angelegt. Die kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositive referenzieren ebenfalls häufig Programme und Projekte, die mehrere Kantone gemeinsam tragen. Beispiele dafür sind die verschiedenen Elemente der Zusammenarbeit innerhalb der Conférence intercantonale de l’instruction publique de la Suisse romande et du Tessin (CIIP), die Bildungsberichte der vier Nordwestschweizer Kantone aber auch die gemeinsame Entwicklung externer Schulevaluation der Kantone Obwalden, Nidwalden und Uri. Die Referenzierung der ÜGK wird in vielen Kantonen als Erwartungshaltung formuliert. Im Projekt der Épreuves romandes communes ist die Koordination mit und Abgrenzung von ÜGK ein permanentes Thema. In den Qualitätskonzepten vieler Kantone ist die ÜGK ein fest vorgesehenes Element, beispielsweise im Kanton Thurgau bereits ab 2008 (vgl. z. B. Abschn. 6.1.3 & 6.2.1).

In der kritischen Reflexion zu Bildungsmonitoring wird immer wieder angemerkt, dass Bildungsmonitoring eine Verbindung von nicht genuin schulischen oder pädagogischen Akteuren mit dem Schulfeld forciert (z. B. Karcher, 2018; Seeber, 2000; Sobe, 2012) und damit eine spezifische Variante von Construction of identities umfasst. Auf internationaler Ebene werden beispielsweise die Aktivitäten der Organisation for economic co-operation and development (OECD) im Bildungsbereich so dargestellt (Martens & Wolf, 2009). Für das nationale Bildungsmonitoring in der Schweiz sticht mit der Etablierung der Bildungsökonomie eine disziplinär codierte Identitätskonstruktion hervor. Die Forderung nach einer besseren Verankerung von Bildungsforschung allgemein und wirkungsorientierter Forschung im Besonderen wurde bis in die 1990er-Jahre zwar prominent artikuliert aber nur marginal realisiert (vgl. Abschn. 5.1 & 5.2). Erst mit PISA, der Lancierung der Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule HarmoS sowie dem Aufbau des nationalen Bildungsmonitorings wird eine Neupositionierung der Bildungsforschung allgemein und des ökonomisch ausgerichteten Blicks auf Bildung erreicht. Herzog (2008) macht diesen Wandel beispielsweise am Standardbegriff fest. Streckeisen (2013) identifiziert die Wahl eines Bildungsökonomen zum Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung (SKBF) als entscheidenden Faktor für die zentrale Positionierung der Bildungsökonomie innerhalb des nationalen Bildungsmonitorings. Darüber hinaus wird – wie Criblez (2015) darlegt – die wissenschaftliche Beschaffung von Grundlagen für bildungspolitische Entscheidungen durch den politischen Kontext der 1990er-Jahre, die Hinwendung zu New public management (NPM), die neu gegründeten pädagogischen Hochschulen und insbesondere deren Forschungsauftrag zusätzlich dynamisiert. Diese Dynamisierung ist auch feststellbar in Bezug auf die eingesetzten disziplinären Zugänge und Methoden und zeigt sich – in Deutschland expliziter als in der Schweiz – im Diskurs um die empirische Bildungsforschung (vgl. Abschn. 3.5). Das nationale Bildungsmonitoring in der Schweiz entwickelt sich dabei parallel zur empirischen Bildungsforschung im gesamten deutschsprachigen Raum. Die französischsprachige Tradition und die in den Westschweizer Kantonen bereits früher etablierte Position empirischer und international ausgerichteter Bildungsforschung in Bildungspolitik und -praxis werden dabei nur punktuell aufgenommen. Die empirische Bildungsforschung, die in den Instrumenten des nationalen Bildungsmonitorings eine zentrale Position einnimmt, steht dabei für eine den Sozialwissenschaften zugewandte Erziehungswissenschaft wie sie beispielsweise Zedler (2013) beschreibt: Sie kümmert sich soziologisch um die Rahmenbedingungen von Bildung, akzentuiert Lehr-Lernprozesse aus psychologischer Perspektive, ist am ökonomischen Verwertungspotenzial persönlicher und gesellschaftlicher Bildung interessiert und konzentriert sich zudem als Evaluationsforschung auf pädagogische Organisationen und Unterricht.

Die kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositive sind durchdrungen von Bestrebungen der Identitätskonstruktion. Dabei können zwei Varianten unterschieden werden: (1) Bildungsmonitoring wird in allen Kantonen – im Unterschied zum Aufbau des Bildungsmonitorings auf nationaler Ebene – auf der Basis bestehender Strukturen und Akteure konfiguriert. Solche bestehenden Strukturen können bildungsstatistische Abteilungen, Schulen, Bildungsplanungsstellen oder das Schulinspektorat sein. Im Hinblick auf den impliziten oder expliziten Einbezug solcher Strukturen in ein Bildungsmonitoring-Dispositiv erfahren die entsprechenden Akteure eine Veränderung ihrer Identität. In vielen Fällen sind sie an dieser Identitätskonstruktion aktiv beteiligt und definieren ihre Identität mit. Ein wichtiges Merkmal der Identitätskonstruktion ist die Systemperspektive. Praktisch allen Akteuren, die in irgendeiner Form in ein Bildungsmonitoring-Dispositiv eingebunden werden, wird eine solche Systemsicht zugeordnet. Dies gilt beispielsweise für die 1998 neu aufgestellte Zürcher Abteilung Bildungsplanung ebenso wie für die in den 2000er-Jahren umgestaltete Schulinspektion im Kanton Freiburg. Ein zweites Merkmal der Identitätskonstruktion bezieht sich darauf, dass Bildungsmonitoring mit einer systematischen Perspektive relevante und teilweise auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Informationen für Bildungspolitik und -praxis generieren und verarbeiten soll. Die Konstruktion einer in diesem Sinne professionellen Identität findet sich in den meisten bildungsstatistischen Abteilungen der Kantone und beispielsweise auch in der für die Erarbeitung und Umsetzung der kantonalen Bildungsstrategie verantwortlichen Abteilung Bildungsplanung und Evaluation des Kantons Bern. Die Identitätskonstruktion ist kein einmaliges Unterfangen. Vielmehr werden Identitäten ständig rekonstruiert, beispielsweise über die Veränderung von Zweckzuschreibungen oder Zuständigkeiten. Beispiele für eine politisch forcierte Rekonstruktion der Identität sind die Kantone Schaffhausen und Schwyz, in denen ausdifferenzierte Controlling-Abteilungen nach negativen Entscheiden zur externen Schulevaluation redimensioniert werden mussten. Im Moment noch nicht einzuordnen ist die Auflösung der Bildungsplanung im Kanton Bern (vgl. z. B. Abschn. 6.2.3 & 6.6.1). (2) Gerade die Betonung von Wissenschaftlichkeit und Professionalität in Bildungsmonitoring-Dispositiven ist ein Grund dafür, dass in vielen Kantonen neue Akteure einbezogen werden, die zwar die professionelle Kompetenz in den entsprechenden Bildungsmonitoring-Instrumenten mitbringen, im jeweiligen Kontext aber eine neue Position zugeordnet erhalten. Beispiele hierfür sind etwa die ausgelagerte Bildungsstatistik in den Kantonen Thurgau oder Jura oder die oft im Auftrag erarbeiteten Programm- oder Projektevaluationen. Damit einhergehend verändern sich die Identitäten bereits im Feld identifizierter Akteure. So setzt die Vergabe eines Auftrags an einen externen, professionellen Evaluationsakteur eine entsprechend ebenfalls als professionell identifizierbare Schnittstelle innerhalb der Verwaltung voraus (vgl. z. B. Abschn. 6.4.2 & 6.5.1). Eine solche Identität schreibt Criblez (2015) den kantonalen Bildungsplanungsstellen zu, die ab den 1990er-Jahren die Beschaffung von Steuerungswissen und die entscheidungsorientierte Forschung zunehmend an wissenschaftliche Akteure auslagern und sich damit auf die Prozesse an der Grenze zwischen Wissenschaft und Politik spezialisieren.

Die Form von Institutional work, die Lawrence & Suddaby (2006) als Mimicry bezeichnen, lässt sich in der international oft als Bildungsreform bezeichneten Ausrichtung der politischen Bearbeitung von Schul- und Bildungssystemen an Outputinformationen, mit der Bildungsmonitoring eng assoziiert ist, feststellen. Ein sehr deutliches Beispiel ist die institutionelle Arbeit der OECD während der Lancierung von PISA. PISA wird eingeführt als Weiterentwicklung der bereits bestehenden Indikatorensysteme. Der Paradigmenwechsel hin zur Definition der erfassten Kompetenzen als Outcome von Bildungssystemen steht weniger im Fokus. Vielmehr zeigt sich eine starke kommunikative Anlehnung an die bestehenden, institutionalisierten Bildungsindikatoren. Es wird kommuniziert, dass mit PISA kein Bruch, sondern eine Weiterführung der bestehenden Vorstellungen zur Materialität steuerungsrelevanter Informationen erfolge. Als weiteres Element dieser institutionellen Arbeit in Form von Mimikry stellt die OECD in dieser Phase PISA und die bereits existierenden Schulleistungsstudien nebeneinander und weist so auf die entscheidenden Vorteile von PISA hin (vgl. Abschn. 5.2.1).

Der Aufbau des nationalen Bildungsmonitorings erfolgt auch über Mimikry, allerdings etwas weniger direkt. Ein Grund dafür ist, dass der institutionelle Kontext der nationalen und gesamtschweizerischen Bildungsharmonisierung der 1990er-Jahre nur sehr bedingt passende Vergleichsfolien bietet. Die entscheidenden bildungspolitischen Akteure, allen voran Bund und EDK, streben explizit eine Neugestaltung der gesamtschweizerischen Bildungskooperation an. Neue institutionelle Elemente über Mimikry eng an bestehende anzuknüpfen, erschien vor dem Hintergrund der Ergebnisse aus den verschiedenen Schulleistungsstudien kaum angebracht (vgl. Abschn. 5.4.1). Institutionelle Arbeit über Mimikry ist jedoch bezogen auf einzelne Elemente des aufzubauenden Bildungsmonitorings festzustellen, exemplarisch etwa im Vorbericht zur ersten Projektskizze: Neben Elementen wie Leistungs- und Kostenerhebungen, deren Grundlagen in Form von Bildungsstandards sowie Kostenindikatoren zwar noch nicht institutionalisiert seien, nehme das nationale Bildungsmonitoring in vielen Bereichen Bestehendes auf. Solche bestehenden, institutionalisierten Elemente sind dabei die kantonale und nationale Bildungsstatistik, die ähnlich gelagerten Aktivitäten einzelner Kantone und der ausgeprägte Bildungsföderalismus (vgl. Abschn. 5.4.2).

Das Einführen neuer oder veränderter Elemente in Bildungsmonitoring-Dispositive, dadurch dass bestehende institutionelle Kontexte und institutionell verankerte Praktiken zumindest kommunikativ nachgeahmt werden, zeigt sich in den Kantonen sehr häufig. In praktisch allen Fällen erfolgen Aufbau und Entwicklung von Bildungsmonitoring unter Berücksichtigung bestehender Dispositive, Praktiken und Akteure. Dabei sind im Speziellen die Akteure within Bildungsmonitoring eingebunden in die Sicherstellung einer Art institutioneller Kontinuität über Mimikry (vgl. Abschn. 7.4). In den kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositiven zeigt sich Mimikry in drei Ausprägungen: (1) Die Einordnung neuer Funktionen und Instrumente von Bildungsmonitoring in bestehende Begrifflichkeiten kann als Mimikry verstanden werden. So ist der Aufbau von Elementen der kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositive in den 1990er-Jahren eingebettet in den sogenannten Qualitätsdiskurs. Qualität ist – neben Rechenschaftslegung und Wirkung – eines der zentralen Stichworte und zugleich als Ziel der Institution Schule fest verankert (Hangartner & Svaton, 2013). Die Entwicklung von Bildungsmonitoring-Instrumenten aus den Strukturen der Schulführung und -aufsicht heraus bis hin zu Controlling und externer Schulevaluation ist in den meisten Kantonen permanent mit dem Qualitätsbegriff verknüpft. Beispiele dafür liefern die Entwicklungen im Kanton Bern von ersten Qualitätsmodellen über die Bildungsstrategie hin zu einem kantonalen Schulcontrolling oder die impliziten Bildungsberichte, die im Kanton St. Gallen durch die regierungsrätliche Berichterstattung entstehen und die immer wieder die Neugestaltung von Schulaufsicht mit der Qualitätssicherung verknüpfen (vgl. z. B. Abschn. 6.4.3 & 6.5.2). (2) Die Einordnung in bestehende Praktiken zeigt sich auch am Beispiel der Leistungserhebungen. Der international vergleichend oft festgestellte Trend zur systematischen und vergleichenden Erhebung von Schülerleistungen (Maritzen, 2014) ist zwar in vielen Staaten, jedoch innerhalb der Schweiz nicht in allen Kantonen feststellbar. Dabei ist etwa die Möglichkeit der institutionellen Anknüpfung an bestehende standardisierte Prüfungen ein Faktor, der die Verwendung von Ergebnissen aus standardisierten Prüfungen als kantonales Monitoring-Instrument befördert. Dementsprechend sind Leistungserhebungen als Bildungsmonitoring-Instrumente in den meisten Westschweizer Kantonen besonders ausgeprägt. Dabei wird beispielsweise im Kanton Neuenburg die Weiterentwicklung solcher Prüfungen auch über die Verbindung mit bestehenden Formen vorangetrieben, deren hoher Institutionalisierungsgrad sich unter anderem in der Praxis der Publikation kantonaler Ergebnisse abbildet. Über diese institutionelle Arbeit wird erklärbar, dass die Vorstellung einer systemischen Qualitätssicherung im Kanton Neuenburg – und ähnlich auch in den Kantonen Genf und Wallis – kaum über Aufsicht, sondern über systematische Leistungserhebungen definiert ist. Demgegenüber findet in vielen kleineren Kantonen der Zentral- und Ostschweiz Bildungsmonitoring nicht oder punktuell über standardisierte Leistungserhebungen auf kantonaler Ebene statt (vgl. z. B. Abschn. 6.2.1 & 6.3.3). (3) Mimikry als Nebeneinanderstellen bestehender und neuer Praktiken ist schliesslich, bezogen auf Leistungserhebungen, unter anderem in den Kantonen Aargau und Basel-Landschaft festzustellen. Die Traditionen der Orientierungsarbeiten mit kantonaler Auswertung und verschiedener Prüfungen werden als institutionalisierte Praxis evaluiert, dem interkantonalen Projekt der sogenannten Checks gegenübergestellt und so schliesslich die Entscheide zugunsten der Checks legitimiert. Die systematische Aufstellung bildungspolitischer Projekte, die in vielen Bildungsmonitoring-Produkten und prototypisch in den Thurgauer Bildungsberichten zu finden ist, kann auch als Institutional work in diesem Sinne verstanden werden (vgl. z. B. Abschn. 6.1.3 & 6.4.1).

Die Absicherung und Legitimation bestehender Institutionen sowie die Förderung von Veränderungen über die kommunikative Zuschreibung positiver Eigenschaften und Werte ist im Bildungsbereich deshalb sehr wirkungsvoll weil die verschiedenen Institutionen von Bildung selbst einen hohen gesellschaftlichen Wert zugesprochen erhalten (vgl. Abschn. 3.4). Valourizing hat deswegen als Form von Institutional work im Bildungsbereich eine herausragende Position. Im internationalen Vergleich bedienen sich Akteure, die mit Best practise-Modellen agieren, besonders prominent dieser Form der Arbeit an Institutionen (Bieber, Martens, Niemann & Windzio, 2014). Die internationalen Schulleistungsstudien etwa stellen eine ideale Plattform dar um Bildungsinstitutionen wie Schule, Lehrprofession aber auch Steuerungselemente wie Lehrpläne und Standards mit positiven oder negativen Wertigkeiten zu versehen (vgl. Abschn. 5.3.2).

Der „Schock“, mit dem vorab PISA in zahlreichen Staaten eine Neuausrichtung der politischen Bearbeitung von Schule an Outputinformationen vorangetrieben hat, ist als Auf- bzw. Abwertung erklärbar. In der Schweiz werden die Entwicklungen in Bildungsforschung und Bildungspolitik in den 1990er-Jahren als Revitalisierung und Öffnung schon damals positiv konnotiert. Dasselbe gilt für die Darstellung der Potenziale und Möglichkeiten einer neo-liberal inspirierten Staatsverwaltung im Allgemeinen und eines outputorientierten Bildungsmonitorings im Speziellen (vgl. Abschn. 5.2). In den nationalen Bildungsberichten werden sowohl ihre Periodizität als auch ihre sukzessive Weiterentwicklung, etwa in Form der Loslösung vom zyklischen Prozessmodell oder im Bereich der Orientierung an politischen Zielen, durchwegs positiv dargestellt (vgl. Abschn. 5.4.4). Die teilweise Kritik an der gesamtschweizerischen ÜGK – analog zu entsprechenden Bilanzierungen in Deutschland – zeigt aber auch die Grenzen der Aufrechterhaltung von Institutionen über positive Wertzuschreibung auf (vgl. Abschn. 5.5). Bei intensiver institutioneller Arbeit in Form von Aufwertung über positive Wertzuschreibung ist auch der gegenteilige Effekt möglich, so dass die geförderte Institution plötzlich hohl und nicht mehr legitim erscheint.

Die intendiert positive Darstellung der Zwecke, Instrumente, Produkte und Akteure der kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositive ist empirisch sehr gut erkennbar. Die institutionelle Aufwertung macht in den Kantonen vielfach andere Formen von Institutional work zur Pflege der bestehenden Institutionen erst explizit. Das heisst, dass Definitionsarbeit, Identitätskonstruktion und Mimikry erst über ihre Kommunikation im Rahmen der Aufwertung sichtbar werden. Unterscheidbar sind im Wesentlichen zwei kommunikative Ausprägungen dieser Form der institutionellen Arbeit: (1) Eine positive Zuschreibung über die Kompetenz der involvierten Akteure ist in vielen kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositiven zu finden. Die Kompetenz kann sich dabei auf praktische Erfahrung, Innovationsfähigkeit, Wissenschaftlichkeit, Objektivität oder eine Kombination dieser Argumentationsfiguren beziehen. Im Kanton Aargau wird beispielsweise die über viele Jahre aufgebaute Bildungsstatistik mit permanenten sowie innovativen Instrumenten und einer hohen politischen Relevanz der Produkte besonders hervorgehoben. Im Kanton Basel-Stadt dagegen wird – vor dem Hintergrund von Neuorganisationen – weniger das langjährige Bestehen, sondern eher die bildungsstatistische Datenqualität im Früh- und Volksschulbereich in den Vordergrund gebracht. Im Kanton Graubünden wiederum erhält die Nützlichkeit und Wichtigkeit der gezielt initiierten Programmevaluationen in zentralen politischen Fragen sowie die Kompetenz und Unabhängigkeit der Evaluationsakteure kommunikatives Gewicht. Im Kanton Genf wird die schweizweit einmalige Verbindung zwischen universitärer Wissenschaft und Bildungsmonitoring als zentrales Qualitätsmerkmal des kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositivs betont (vgl. z. B. Abschn. 6.1.3 & 6.5.3). (2) Deutlicher als im nationalen Bildungsmonitoring erfolgen positive Zuschreibungen in den Kantonen auch über die politische Verwendbarkeit der Ergebnisse und Produkte von Bildungsmonitoring-Dispositiven, oft codiert als sogenanntes Steuerungswissen. Bezogen auf Bildungsmonitoring wird bei institutioneller Arbeit über Aufwertung auf eine politische Sinnhaftigkeit, Rezipier- oder Verwertbarkeit verwiesen, und zwar sowohl in Selbst- als auch in Fremdzuschreibungen. Diese Zuschreibungen erfolgen auf bestimmte Instrumente, Produkte und teilweise auch auf Akteure und Prozesse. Die Wertzuschreibung einzelner Bildungsmonitoring-Instrumente oder -Produkte erfolgt unter anderem über entsprechend zugeschnittene Zweckformulierungen. So ist der Luzerner Bildungsbericht von 2016 explizit darauf ausgerichtet, für bildungspolitische Entscheidungen eine Daten- und Informationsgrundlage zu bilden. Ein anderes Beispiel sind die ab 2013 durchgeführten Checks in der Nordwestschweiz, die neben dem pädagogischen Zweck zugunsten von Schülerinnen und Schülern, Lehrpersonen und Schulen auch Aggregationen für politische Entscheidungsträger ermöglichen. Für Akteure wie beispielsweise die Bildungsstatistik im Kanton Aargau, die Abteilung Bildungsplanung und Evaluation im Kanton Bern, der Service de la recherche en éducation (SRED) im Kanton Genf oder die Bildungsplanung im Kanton Zürich ist die Orientierung an politischen Zwecken nicht nur bezogen auf einzelne Instrumente oder Produkte relevant, sondern wesentlicher Teil ihrer Daseinsberechtigung (vgl. z. B. Abschn. 6.1.1 & 6.6.1).

Mit Embedding sind schliesslich sowohl international, als auch national und kantonal die Bemühungen um Rekontextualisierung und Vermittlung sowie um die Verankerung von Bildungsmonitoring über Wiederholung und Periodizität angesprochen: (1) Die Einbettung von Bildungsmonitoring in die pädagogische und politische Praxis erfolgt unter anderem über Kontinuität und Periodizität. Dementsprechend sind die wiederholte, regelmässige Durchführung und die ritualisierte Publikation und Diskussion von Produkten eine Form von institutioneller Arbeit, die empirisch sehr gut belegt ist. Diese Periodizität ist beispielsweise in der jährlichen Aktualisierung bildungsstatistischer Indikatoren, in den verschiedenen Jahresprüfungen, im Dreijahresturnus bei PISA, im Vierjahresrhythmus der nationalen Bildungsberichte, in den mehrjährigen Zyklen der externen Schulevaluation oder in den für das Regierungscontrolling relevanten Legislaturen gegeben. Auch die pädagogische oder schulorganisatorische Weiterentwicklung mit Pilotphasen, Begleitevaluationen, Adaptions- und Einführungsphasen weist eine spezifische, zeitliche Struktur auf. Über diese Periodisierung wird Bildungsmonitoring zum Ritual, beispielsweise illustriert anhand der Statistikbroschüren, die in allen Kantonen vorkommen und die das aktuelle bildungsstatistische Bild des kantonalen Schulwesens zeigen, relevante Entwicklungen und Themen identifizieren und bildungspolitische Diskussionen anregen. Diese Art von Einbettung durch Wiederholung funktioniert auch über einzelne Instrumente oder Produkte von Bildungsmonitoring hinweg. So kann die in vielen Kantonen etablierte Praxis der Programmevaluationen als ein Ergebnis regelmässiger Institutional work verstanden werden (vgl. z. B. Abschn. 6.5.1 & 6.6.2). (2) Wie schon mehrfach dargestellt, umfasst Bildungsmonitoring die Kommunikation und den Diskurs über die Ergebnisse und die Bildungsmonitoring-Dispositive selbst (vgl. Abschn. 7.3). Insofern ist Bildungsmonitoring die institutionelle Arbeit über Einbettung und Verankerung inhärent. Sie erfolgt einerseits über die Produkte, die vielfach an ein breites Publikum gerichtet sind und sowohl die Daten und Informationen an sich als auch die dahinterliegenden Vorstellungen zum Gegenstand, auf den sich Daten und Informationen beziehen, kommunikativ zugänglich machen. Institutionelle Einbettung und Verankerung erfolgen andererseits über die Akteure innerhalb und ausserhalb von Bildungsmonitoring, die Bildungsmonitoring rezipieren, in politischen und praktischen Prozessen rekontextualisieren und in Kommunikationsprozesse einfliessen lassen. Mit der Frage nach der Verankerung oder Rekontextualisierung von Bildungsmonitoring in der Praxis von Bildungspolitik und -verwaltung, aber auch teilweise in Schulentwicklung und Unterrichtsprozessen jenseits der Bildungsmonitoring-Produkte sind zugleich die empirischen Grenzen der vorliegenden Arbeit erreicht. Eine vertiefende Bearbeitung der Transmission, Rezeption und Tradition von Bildungsmonitoring wäre hier, allerdings auf anderer empirischer Grundlage, anschlussfähig.

Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, das Phänomen der Generierung und Verarbeitung von Daten und Informationen zuhanden bildungspolitischer Akteure über einzelne Elemente, Formen oder Instrumente hinaus zu erfassen und theoretisch anschlussfähig zu machen. Die untersuchten Bildungsmonitoring-Dispositive auf nationaler und kantonaler Ebene zeichnen sich aus durch eine auf verschiedenen Dimensionen beschreibbare Vielfalt und Komplexität. Gerade in dieser Komplexität bildet sich die doppelte Einbettung von Bildungsmonitoring in pädagogische und politische Prozesse – beide mit sozialem, symbolischem und kulturellem Charakter – ab.

Bildungsmonitoring etabliert sich international, auf nationaler Ebene und in den Kantonen als Praxis der Wissenskultivierung und Wissensordnung. Ausgehend von der einfachen Idee einer Rationalisierung und Versachlichung schulpolitischer Entscheide der 1990er-Jahre sind zunehmend Datenbestände zu Schulleistungen, Bildungsverläufen oder Kosten erschlossen worden und in die politische und gesellschaftliche Wahrnehmung der öffentlichen Schulsysteme eingeflossen. Sowohl die Wissens- und Informationsgrundlagen als auch ihre Rezeption durch bildungspolitische Akteure sind dabei geprägt durch die institutionell gerahmte Praxis. Bildungsmonitoring ist nur auf den ersten Blick gekennzeichnet durch die Übernahme der international populären Orientierung an Schulleistungsstudien, durch die Einführung von Autonomie und Kontrollmechanismen im Stile wirkungsorientierter Verwaltungsführung, durch die Verdichtung statistischer Daten in Indikatorenmodellen oder die Durchsetzung von Konzepten der schulischen Qualitätsentwicklung und -sicherung.

Auf den zweiten Blick wird ersichtlich, dass über Bildungsmonitoring an unterschiedlichen Institutionen mitgearbeitet wird. Institutionen sind dabei diejenigen kulturell-kognitiven, normativen und regulativen Elemente, die soziale Phänomene wie Bildung, Ausbildung oder Schule stabilisieren und ihnen ihre spezifische Bedeutung verleihen (Scott, 2001). Diese institutionelle Wirkung von Bildungsmonitoring betrifft neben den grossen gesellschaftlichen Institutionen wie Bildung, Demokratie oder Staatlichkeit auch geteilte Vorstellungen darüber, wie Schulsysteme verändert werden, welche Informationen auf welcher Ebene im jeweiligen Kontext relevant sind und wie pädagogische und bildungspolitische Entscheide zu legitimieren sind. Die Praxis von Bildungsmonitoring steht in einer rekursiven Verbindung zu diesen institutionellen Kontexten (Lawrence et al., 2009). Über die Institutionen sind die Handlungsmöglichkeiten, die Muster der Praxis von Bildungsmonitoring sowie die regulativen Strukturen zur Kontrolle dieser Praxis angelegt. Zugleich beeinflusst Bildungsmonitoring als kommunikative Praxis die sozial und symbolisch codierten Regeln, Normen, Deutungen, Orientierungen und Handlungsmuster.

Schliesslich verweist Bildungsmonitoring als Praxis auf die damit assoziierten Akteure. Bildungsmonitoring wird nicht nur bezogen auf Zweckzuschreibungen, Instrumente, Produkte und Prozesse hin praktiziert. Wie anhand des Institutional work-Konzepts deutlich wurde, sind Bildungsmonitoring-Dispositive motiviert durch Eigeninteressen, politische Agenda und Zielvorstellungen der beteiligten Akteure. Es ist also nicht in erster Linie funktional definiert, wer Bildungsmonitoring auf kantonaler, nationaler oder internationaler Ebene in welcher Form betreibt. Nicht der Informationsauftrag, die erwartete Transparenz, die reklamierte Rationalisierung oder die erhoffte Effizienzsteigerung formen Bildungsmonitoring-Dispositive. Sie entstehen im Geflecht der Intentionen, des Efforts und der Aktionen der jeweils aufeinander reagierenden Organisationen und Personen.