Das Phänomen der Generierung und der Verarbeitung von Wissen im Dienste der politischen Bearbeitung von Bildung wird im Folgenden theoretisch entlang seiner Dimensionen verdichtet. Diese Art der qualitativ-theoretischen Dimensionalanalyse birgt in Anbetracht der grossen und vielfältigen Materialsammlung grosses theoriebildendes Potenzial. Im Gegensatz zu einer klassischen Faktorenanalyse, die im wissenschaftlichen Kontext der Educational governance typischerweise als Liste von Bedingungen gelingender Beratungs- und Entwicklungsprozesse daherkommt (Langer, 2015; vgl. Abschn. 4.1), wird hier eine Dimensionalanalyse vorgenommen. Die Idee dahinter ist, dass die Dimensionen neutral formuliert sind und damit für jede Dimension möglichst offen gelassen wird, welche positiven und/oder negativen Ausprägungen möglich sind. Die Dimensionen entstehen dabei induktiv und sind empirisch gesättigt. Während für theoriegestützte Beratung rund um Educational governance eher eine Faktorenanalyse als geeignet erscheint, wird die Dimensionalanalyse als eher geeignet für Theoriebildung angesehen (Langer, 2015).

Die vier Dimensionen benennen Merkmale, zu denen im empirischen Material verschiedene Ausprägungen auffindbar sind. Die Dimension von Zweck und Funktion verweist auf die politische Einbettung von Bildungsmonitoring-Dispositiven. Auf der Dimension der Instrumente stellt sich die Vielfalt und die Materialität des Wissens in Bildungsmonitoring dar. Auf der Dimension der Produkte – unter anderem Bildungsberichte – werden Wissen und Zweckzuschreibungen verknüpft. Auf dieser Dimension entsteht der Informations- und Kommunikationscharakter von Bildungsmonitoring. Prozesse und Akteure schliesslich deuten darauf hin, dass hinter Bildungsmonitoring politische Intentionen und Gestaltungsabsichten stehen. Die Beschreibung einer Dimension erfolgt jeweils auf der internationalen, der nationalen und der kantonalen Ebene. Auf der nationalen und der kantonalen Ebene wird primär das empirische Material der vorliegenden Arbeit verwertet.

Die vier Dimensionen repräsentieren zugleich eine theoretische Verdichtung im Sinne der Politikfeldanalyse. Die Zweckdimension, die Instrumentendimension und die Produktdimension sind eher auf die Struktur und Funktion der Bildungsmonitoring-Phänomene hin ausgerichtet. Die Dimension der Prozesse und Akteure dagegen nimmt handlungs- und steuerungstheoretische Ansätze auf.

7.1 Zweck und Funktion

Bildungsmonitoring hat als politisches Phänomen einen politisch-programmatischen Charakter. Er ist gegeben dadurch, dass bestimmte Zwecke, Funktionen oder Ziele – meist präskriptiv – zu- oder vorgeschrieben sind. Diese Zuschreibungen werden im Folgenden als Zweckdimension dargestellt. Diese Zweckdimension repräsentiert dabei einen Teil des institutionellen Kontextes von Bildungsmonitoring-Dispositiven. Dabei geht es um die Vorstellungen darüber, was mit Bildungsmonitoring geleistet werden, welche Funktionen es haben und welchen Zielen es verpflichtet sein soll. Die begriffliche Unterscheidung zwischen Ziel und Zweck ist bewusst so gewählt, und zwar aus zwei Gründen: (1) Der Zielbegriff wird in Bildungsmonitoring sehr häufig verwendet und ambivalent eingesetzt. Mit dem Zweckbegriff wird analytische Distanz gewahrt und zugleich markiert, dass aus analytischer Sicht Zweck und Funktion nicht auf explizite Zielformulierungen beschränkt sind. (2) Begriffstheoretisch ist in Zweck nicht bloss eine Zielsetzung enthalten, sondern auch das Motivationspotenzial der Vorstellung eines angestrebten Sachverhalts (Porcheddu, 2016). Während ein Ziel also etwas Rationales und Entscheidungsabhängiges darstellt, ist der Zweck näher beim eigentlichen Handeln angesiedelt und stärker abhängig von motivationalen und kontextuellen Faktoren. Zugleich wird mit dem Zweckbegriff deutlich gemacht, dass in der Analyse nicht nur ein definierter Zielzustand, sondern vielmehr Absicht und Bedeutsamkeit von Bildungsmonitoring hervorzuheben sind.

Aus dem empirischen Material ergeben sich neben den eigentlichen Zweck- und Funktionsbeschreibungen zwei Aspekte, die auf der Zweckdimension eine Rolle spielen bzw. die die konkrete Ausprägung einzelner Elemente oder ganzer Dispositive von Bildungsmonitoring massgeblich prägen: (1) Zweckzuschreibungen sind vielschichtig und mehrdeutig. Bildungsmonitoring-Dispositive sollen selten nur einem Zweck dienen, sondern typischerweise verschiedene Funktionen erfüllen. (2) Hinter den Zweckzuschreibungen stecken weitreichende Vorstellungen darüber, wie Bildungssysteme funktionieren und funktionieren sollen. Gerade in den Zwecken offenbart sich eine meistens sehr spezifische Wahrnehmung der aktuellen Situation rund um die politische Bearbeitung von Bildung und Schule sowie eine Vorstellung davon, in welche Richtung sich das Schulsystem, die Educational governance oder das Bildungsmonitoring-Dispositiv weiterentwickeln sollten.

Die Zweckdimension zeigte sich auf der internationalen Ebene beispielsweise im Projekt Indicators of education systems (INES) der Organisation for economic co-operation and development (OECD) (vgl. Abschn. 5.2.1). Das Projekt, dessen Ursprünge bis zu den ersten bildungsbezogenen Aktivitäten der OECD in den 1960er-Jahren zurückreichen und das 1992 in die erste Publikation von Education at a glance mündete, verfolgte einen dreifachen Zweck (Bottani, 1990): (1) Mit den Indikatoren sollte eine Vergleichbarkeit nationaler Bildungssysteme erreicht werden. Über solche Vergleichswerte sollten die jeweils nationalen Bestrebungen zu höherer Qualität im Bildungswesen eingeordnet werden können. (2) Die Indikatoren an sich sollten so weiterentwickelt werden, dass sie auch effektiv nützliche Informationen zuhanden der politischen Entscheidungsträger darstellten. (3) Mittelfristig sollten Methoden und Strategien zur besseren und allenfalls direkteren Unterstützung politischer Entscheidungsfindung entwickelt werden. Auf dieser Grundlage könnten sich die Mechanismen der Gestaltung und Steuerung im Bildungssystem massgeblich verändern.

In der Aufbauphase der nationalen Bildungsberichte für die Schweiz zeigt sich auf der Zweckdimension ein spezifisches Spannungsfeld: Während im Vorbericht von Buschor und im Detailkonzept von Stamm dem Bildungsmonitoring allgemein und den nationalen Bildungsberichten im Speziellen ein relativ umfassender Zweck zugeschrieben wurde, stand in Projektskizze und Projektplan, verantwortet von den Bundesämtern und der EDK, eine eher auf Information und Beschreibung fokussierte Zweckzuschreibung im Vordergrund (vgl. Abschn. 5.4.2). Konkret ging es um die Frage inwiefern die Steuerung und die Evaluation politischer Entscheide Teil einer Zweckbestimmung von Bildungsmonitoring sein können. In der analytisch-beschreibenden Lesart wird eher hervorgehoben, dass Bildungsmonitoring von den konkreten Entscheidungsprozessen abgekoppelt und damit ein „Arbeitsinstrument für Bildungspolitik und Bildungsplanung“ (Rhyn et al., 2004, S. 6) sein sollte. In der politisch-gestaltenden Begriffs- und Zweckbestimmung dagegen ordnete Stamm (2003) der Informationsaufbereitung zuhanden von Öffentlichkeit und Entscheidungsträgern explizit eine Funktion von Bildungsmonitoring zum Zwecke der Überprüfung und Evaluation bildungspolitischer Entscheide zu, beispielsweise an generischen Kriterien wie Effektivität, Effizienz und Equity (Wolter et al., 2007) oder am Massstab bildungspolitischer Zielsetzungen (EDI et al., 2011). Im Bildungsbericht 2010 wurde der Monitoringprozess gewissermassen in einer Kompromissvariante dargestellt: Die Systemsteuerung bleibt zwar als Element im Bildungsmonitoringprozess enthalten, wird allerdings als zweite Prozessebene neben der eigentlichen Berichterstattung dargestellt (Wolter et al., 2010; vgl. Abbildung 5.2).

Für die Zweckdimension zeigt dies, dass die Mehrschichtigkeit und Ambivalenz von Zweckzuschreibungen, funktionalen Annahmen und Zielvorstellungen keineswegs naiv oder trivial gedacht werden kann. Die Zweckdimension von Bildungsmonitoring ist vielmehr dynamisch und wird von unterschiedlichen Stakeholdern unterschiedlich wahrgenommen und mitdefiniert. Letztlich dokumentiert die Zweckdimension damit auch teilweise die Konstellation der Akteure in den Prozessen rund um Bildungsmonitoring.

Vielschichtige und mehrdeutige Ausprägungen auf der Zweckdimension sind auch in den Bildungsmonitoring-Dispositiven auf kantonaler Ebene zu finden. In praktisch allen Kantonen enthalten die Zweckzuschreibungen Elemente, die auf eine Informations- und Kommunikationsfunktion hindeuten, und solche, die eher auf die politischen Entscheidungsprozesse zielen. Am Beispiel der beiden Statistikberichte des Kantons Luzern zeigen sich beide Elemente: Während der erste Bericht von 2010 noch explizit kein Planungsbericht sein sollte, war der zweite sehr viel deutlicher darauf ausgerichtet, für bildungspolitische Entscheidungen eine Daten- und Informationsgrundlage darzustellen (vgl. Abschn. 6.1.1).

Bei den Elementen der Leistungserhebungen und auch bei den Prozessen der Schulaufsicht offenbart sich in vielen Kantonen eine Vielschichtigkeit der Zweckzuschreibungen bezogen auf das bildungsföderalistische Mehrebenensystem. Gerade mit den verschiedenen kantonalen und interkantonalen Leistungserhebungen sollte Informationsbedarf auf mehreren Systemebenen gedeckt werden. Ausgangslage waren, wie beispielsweise im Kanton Neuenburg, typischerweise die Selektionsprozesse in anforderungsdifferenzierte Schulstufen und die pädagogische Weiterentwicklung der Leistungsbeurteilung durch die Lehrpersonen (vgl. Abschn. 6.2.1). Eine Art Monitoringzweck wurde den Testsystemen dabei meistens noch zusätzlich zugeschrieben. Wie etwa der Umgang mit Stellwerk im Kanton Schwyz zeigt, wurde fehlende Passung zwischen der Testkonzeption und dem Monitoringzweck auf kantonaler Ebene nicht immer berücksichtigt (Imlig & Ender, 2018; vgl. Abschn. 6.2.3). Die neueren Entwicklungen im Bereich der Lern- und Fördersysteme wie sie etwa im Bildungsraum Nordwestschweiz oder in der Zusammenarbeit der Kantone St. Gallen und Zürich vorangetrieben werden, sind schon konzeptionell auf die Verwendung der Resultate auf verschiedenen Ebenen hin ausgerichtet (vgl. Abschn. 6.2.3, 6.4.3 & 6.6.2). Sowohl die Einführung der externen Evaluation anstelle des Schulinspektorats als auch die anderen in den Kantonen realisierten Spielformen von Schulaufsicht weisen ebenfalls Zweckzuschreibungen auf unterschiedlichen Ebenen des Bildungssystems auf. Die Frage, wem die in diesen Prozessen generierten Erkenntnisse offengelegt werden, dokumentiert dies gut. Insgesamt scheinen die eher auf Aufsichtsprozesse fokussierten Bildungsmonitoring-Dispositive die Ebene der einzelnen Schule im Sinne der Qualitäts- und Schulentwicklung sehr viel stärker zu bedienen als die kantonale Systemebene (vgl. z. B. Abschn. 6.3.1). Zudem ist der öffentlichen Aufbereitung von Informationen aus Schulaufsichtsprozessen immer die Gefahr der Entblössung der Schulakteure inhärent.

Ein weiteres Beispiel einer vielschichtigen Zweckbestimmung ist jene der Thurgauer Bildungsberichte. Darin wurden mit Übersicht und Transparenz, Kontrolle und Steuerung, Planung und Prioritätensetzung, Koordination sowie Information und Kommunikation gleich fünf Funktionen der Berichterstattung postuliert (vgl. Abschn. 6.4.1). Allerdings implizierte ein Teil dieser Zweckzuordnungen zusätzlich gewisse Annahmen dazu, wie mit dem in den Berichten aufgearbeiteten Wissen umgegangen werden sollte.

In den Thurgauer Bildungsberichten zeigt sich mit der Rechenschaftsfunktion noch eine weitere Ausprägung von Zweckzuschreibungen kantonaler Bildungsmonitoring-Dispositive: Die Entwicklung hin zu einer Art evidenzbasierter Verwaltungspraxis und entsprechender systematischer Rechenschaftslegung wird, auch und gerade über Bildungsmonitoring, auch in den Bereich der Bildungspolitik übertragen (vgl. Abschn. 6.4.1). Andere Beispiele in denen der Zweck politischer Rechenschaftslegung zumindest teilweise auf Bildungsmonitoring übertragen wurde, sind in den Kantonen Bern, Schwyz oder St. Gallen zu finden (vgl. Abschn. 6.2.3, 6.4.3 & 6.5.1). Neben den spezifisch auf Bildung bezogenen Zweckzuschreibungen wird Bildungsmonitoring damit auch ein Zweck im Sinne von allgemeiner politischer Rechenschaftslegung zugeordnet.

In den Bildungsmonitoring-Dispositiven einiger Westschweizer Kantone ist ebenfalls eine vielschichtige Zweckzuschreibung zu finden, allerdings auf organisationaler Ebene. Der Service de la recherche en éducation (SRED) in Genf beispielsweise vereint als Verwaltungseinheit sehr viele unterschiedliche Zwecke im Bereich von Bildungsforschung, -statistik und -monitoring. Bezogen auf die einzelnen Vorhaben werden allerdings die Zwecke und ähnlich auch das Zielpublikum und das untersuchte Feld sehr genau differenziert (vgl. Abschn. 6.6.3).

Hinter allen Zweckbeschreibungen stecken gewisse Annahmen bezogen auf Bildung und Bildungssysteme. Sehr prominent und bereits vielfach aufgearbeitet ist der axiomatische Rahmen der Aktivitäten der OECD im Bildungsbereich. Dieser hat beispielsweise in INES die Form dreier zentraler Zusammenhänge (Bottani, 1990): (1) Durch Beschulung werden das Bildungs- und Qualifikationsniveau sowie das kulturelle Niveau einer Gesellschaft gesteigert. (2) Auf der individuellen Ebene hängt Bildungserfolg zusammen mit wirtschaftlichem Erfolg. (3) Auf der ökonomischen Ebene führt Bildung zu Wohlfahrt und Wohlstand, meistens bezogen auf Nationen. Dabei wird für diese drei Annahmen eine schon fast absolute Gültigkeit reklamiert: Die Annahmen darüber, wie die ‚educational truth‘ aussieht, sind unabhängig davon, welche Muster von Governance oder welche Arten von Rechenschaft und Evaluation innerhalb einer politischen Einheit vorzufinden sind (Kogan, 1996). Insofern umfasst die Zweckdimension von Bildungsmonitoring nicht nur entsprechende explizite Formulierungen, sondern auch die darunterliegenden bildungsbezogenen Annahmen. In diesen axiomatischen Rahmen reiht sich auch das Programme for international student assessment (PISA) nahtlos ein (vgl. Abschn. 5.3.1).

Im nationalen Bildungsmonitoring sind solche, den Zweckformulierungen zugrunde gelegten Annahmen nicht explizit aufzufinden. Vielmehr finden sich eher relativierende Aussagen, gerade bezogen auf die zentralen Annahmen der OECD. Ausserdem wird sehr klar darauf verwiesen, dass in den axiomatischen Grundlagen von Bildungsmonitoring Bildungsziele eine zentrale Rolle spielen:

„Die Bildungsziele sind aber in vielen Bereichen unklar, unvollständig oder teilweise gar nicht explizit definiert. Und selbst dort, wo allgemeine Bildungsziele definiert sind, fehlt in der Regel eine Operationalisierung, so dass am Schluss keine Einigkeit über eine konkrete und überprüfbare Zielformulierung besteht. Und schliesslich verfolgt man in der Regel auf allen Bildungsstufen viele Ziele gleichzeitig, was eine abschliessende Beurteilung des gesamten Zielerreichungsgrades nicht nur höchst anspruchsvoll, sondern auch von einer politischen Wertung abhängig macht. Letztere ist unumgänglich, weil bei multiplen Zielen Hierarchien notwendig sind, damit man die Erreichungsgrade der einzelnen Bildungsziele zueinander in Beziehung setzen kann. [...] Solche Zielhierarchien sind in der Regel das Ergebnis politischer Entscheidungsprozesse und folgen zeitabhängigen sozialen Wertungen“. (Wolter et al., 2007, S. 13–14)

Der Verweis auf die Bildungsziele und die Zielhierarchien kann zugleich als eine Art Meta-Referenz auf implizit bestehende Annahmen gelesen werden. Damit wird zumindest explizit gemacht, dass Ziele und Zielsysteme in Bildungssystemen relevant und durch Bildungsmonitoring abbildbar sind. Inhaltlich ist das nationale Bildungsmonitoring diesbezüglich aber sehr zurückhaltend aufgestellt. Diese Zurückhaltung gilt jedoch nicht für die beiden Grundlagenpapiere, die dem Bildungsmonitoring zugrunde lagen: Insbesondere Buschor (2001) und weniger explizit auch Stamm (2003) verweisen auf Annahmen zum Verhältnis von Bildung und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit wie sie auch schon bei den OECD-Indikatoren zu finden waren. Und nur schon die Prominenz des Begriffs der Bildungsziele lässt den Schluss einer starken axiomatischen Hinwendung zu bildungsökonomischen Ansätzen zu. Die Problematik der indirekten und teilweise diffusen Annahmen hinter dem Bildungsmonitoring schweizerischer Prägung wurde auch im ersten Schwerpunktbericht angesprochen (L. Lehmann et al., 2007, S. 114). Am nationalen Bildungsmonitoring lässt sich ausserdem zeigen, dass die Grundannahmen als zweites Element auf der Zweckdimension von Bildungsmonitoring in sehr unterschiedlichem Masse transparent gemacht werden.

Die kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositive weisen ebenfalls solche grundlegenden Annahmen auf. Dabei dominieren insgesamt eher die Annahmen darüber, welche Entwicklungen in der Gestaltung, Steuerung und Qualitätsentwicklung durch Bildungsmonitoring idealerweise angestossen oder gefördert werden. Dies ist, wie erwähnt, beispielsweise im Kanton Thurgau der Fall. Mit Verweisen auf internationale, nationale und kantonale Kontexte wurde in Form der Zweckformulierungen eine Rahmung skizziert, die Berichterstattung darin verortet und die Verwendungskontexte und Modi dieser Berichterstattung postuliert (vgl. Abschn. 5.2). Ähnliches lässt sich auch für den Kanton Bern feststellen, wo das Bildungsmonitoring-Dispositiv und die Bildungsstrategie eng verknüpft sind (vgl. Abschn. 6.5.1). Interessanterweise – und dies ist in verschiedenen Kantonen ähnlich – war Bildungsmonitoring sowohl eines der strategischen Ziele als auch eine Art Ausgangspunkt der strategischen Ziele, die auf einer Gesamtsicht auf das Berner Bildungssystem basieren sollten.

In den kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositiven kommt allerdings noch eine weitere, axiomatische Ausprägung hinzu. Insbesondere in den Elementen, die auf Schulaufsicht fokussiert sind, spielt die Frage nach der Qualität der Bildung, der Schulen und des Unterrichts eine wichtige Rolle. Unabhängig davon ob Elemente wie externe Evaluation schliesslich nachhaltig umgesetzt werden, erhält Monitoring als Prozess im Rahmen der Verantwortung kantonaler Akteure für die Schulqualität eine gewisse Prominenz. Im Kanton Freiburg wird wissensbasierte Steuerung nicht explizit gemacht, sondern in den Aufsichtssystemen pragmatisch realisiert und kaum dokumentiert. In kleineren Kantonen wie den beiden Appenzell, Glarus, Schaffhausen oder Zug werden im Bildungsmonitoring-Dispositiv explizit Aufsichts-, Controlling- und Führungszwecke kombiniert und damit implizit vorausgesetzt, dass sich Schulqualität auf diese Art und Weise erhalten oder erhöhen lässt (vgl. Abschn. 6.3).

Die festgestellte Vielschichtigkeit der Zwecke deutet darauf hin, dass Bildungsmonitoring als politisches Phänomen immer auch in entsprechend vielfältig geprägten Kontexten gestaltet und legitimiert werden muss. Die Grundannahmen hinter Bildungsmonitoring verweisen dagegen auf das zentrale Abgrenzungsmerkmal gegenüber traditionellen Praktiken wie Bildungsstatistik oder Dokumentation, das oft mit dem Begriff des Indikators gefasst wird (Rürup et al., 2010). Gerade am Indikatorenbegriff wurde in verschiedensten Forschungskontexten in unterschiedlichen Domänen festgestellt, dass die Objektivitätskonnotation der damit verbundenen Messmetaphorik einer Überprüfung kaum standhält (z. B. Blais, Laurier & Pelletier, 1999; Döbert & Dedering, 2010; Feller-Länzlinger et al., 2010; Frønes, 2007; Frost, 2006; Kanaev & Tuijnman, 2001; Luhmann, 1981; J. Tanner, 1995). Dies wurde unter anderem an der Diskussion der politischen Zielsetzungen deutlich, die der Abbildung von Effektivität im nationalen Bildungsmonitoring zugrunde liegen sollten. Die fehlenden Zielsysteme wurden im Pilotbericht von 2006 angesprochen und kompensiert mit Verweisen auf allgemeine und unter anderem bildungsökonomisch inspirierte Zielgrössen wie Bildungsbeteiligung, Kompetenzen und langfristige Impacts (vgl. Abschn. 5.4.3). Selbst nach der Verabschiedung der ersten nationalen Bildungsziele und der Bildungsstandards 2011 blieben die ursprünglichen Zielgrössen Basis der Effektivitätsüberprüfung in den Bildungsberichten. Dies ist einerseits durch die Tatsache erklärbar, dass die politischen Zielsysteme nur bedingt im Hinblick auf Operationalisierbarkeit und Effektivitätsprüfung formuliert worden waren und andererseits die Datenbasis zur Evaluation im Hinblick auf die Ziele erst geschaffen werden musste (vgl. Abschn. 5.4.4). Nichtsdestotrotz wird die evaluative Natur von modernem Bildungsmonitoring im Gegensatz beispielsweise zu traditioneller Bildungsstatistik (Fend 2008b) auch auf kantonaler Ebene betont: Monitoring schliesst im Bildungsbereich auch Urteile und Bewertungen über Bildungsmassnahmen ein und setzt demzufolge Bewertungskriterien und Massstäbe voraus (Ditton, 2009; Stockmann, 2006). Und gerade im Bereich der Axiomatik ist – auch im Fall fehlender operationalisierbarer Zielsysteme – eine grosse Wirkung der internationalen auf die nationale und kantonale Ebene festzustellen.

Sowohl die eigentlichen Zweckzuschreibungen als auch die bildungsbezogenen Annahmen weisen zudem eine gewisse Persistenz auf. Das heisst, dass die Zweckbestimmungen nur selten Brüche im Zeitverlauf aufweisen, auch dann nicht wenn Elemente des Bildungsmonitoring-Dispositivs hinzukommen, wegfallen oder anders ausgerichtet werden.

Auf der Zweckdimension bilden sich die politischen Erwartungen an Bildungsmonitoring ab. Sie illustrieren den Stellenwert, den systematische Informationen in Bildungspolitik und -praxis haben sollen. Der Blick auf die Zweckzuschreibungen und die dahinterliegenden Axiome erklärt die Bezüge zu anderen politischen Bereichen, wie etwa zur Finanz- oder Sozialpolitik, und zu anderen Bildungsmonitoring-Dispositiven. So kann beispielsweise die Begriffsverwendung in einem Kanton darauf hinweisen, dass die eigenen Instrumente als eher defizitär wahrgenommen werden und vom nationalen Bildungsmonitoring entscheidende Impulse erwartet werden. Oder im kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositiv werden bewusst Ziele angestrebt, die nicht schon vom nationalen Bildungsmonitoring angestrebt werden. Bereits auf der Zweckdimension zeigt sich auch die oft historisch gewachsene Struktur des Bildungsmonitorings. Beispielsweise bezieht sich eine explizite Zweckzuschreibung nur auf einzelne Instrumente, während anderen lediglich implizit ein Verwendungszweck unterlegt wird. Oder die Zwecke sind sehr allgemein beschrieben und es bleibt unklar, welche Elemente des Bildungsmonitoring-Dispositivs eine derartige Funktion überhaupt erfüllen können und sollen.

7.2 Instrumente

In Bildungsmonitoring-Dispositiven geht es um die Information und Kommunikation über Bildung und Schule. Die Dimension der Instrumente repräsentiert die konkreten Datenquellen, Erhebungstechniken, Wissensbasen und Informationsgrundlagen, mit denen über Bildung und Schule in den einzelnen Kantonen informiert und kommuniziert wird. Die instrumentelle Dimension hat einerseits eine inhaltliche Struktur. Damit sind die verschiedenen Ausprägungen von Monitoring-Elementen wie beispielsweise Bildungsstatistik, Leistungserhebungen, Schulaufsicht, Programmevaluation und anwendungsorientierte Forschung gemeint. Die Instrumentendimension hat gewisse Gemeinsamkeiten mit der für die Beschreibung der kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositive gebildeten Typologie (vgl. Kap. 6). Die Gemeinsamkeiten kommen vor allen durch das induktive Vorgehen bei beiden Elementen der vorliegenden Arbeit zustande. Auf der instrumentellen Dimension bildet sich andererseits eine Art epistemologische Struktur ab. Nimmt man an, dass Wissen in Anlehnung an organisationstheoretische Ansätze, in einem engen Zusammenhang mit Entscheidungen zu sehen ist, wird auf dieser Dimension nach den verschiedenen Formen des Wissens gefragt (Brüsemeister & Eubel, 2008).

Einer der wesentlichen Impulse aus den internationalen Entwicklungen ist sicher die Verwendung bildungsstatistischer Informationen und deren Verarbeitung hin zu Indikatoren. Die Bildungsmonitoringaktivitäten der OECD waren bis in die 1990er-Jahre hinein primär auf die vergleichende Darstellung von Bildungssystemen und die damit begründete Weiterentwicklung oder Harmonisierung von Bildungsstatistik fokussiert. Diese Entwicklung auf bildungsstatistischer Ebene bestand dabei vor allem in der Verdichtung statistischer Informationen hin zu Indikatoren, die wiederum darauf aufgerichtet waren, für bildungspolitische Entscheidungen relevant zu sein (vgl. Abschn. 5.2.1). Als nachhaltigstes Projekt der OECD im Bildungsbereich ist allerdings PISA zu bezeichnen, das allgemein als das zentrale bildungspolitische Ereignis der 2000er-Jahre wahrgenommen wird. Obwohl PISA und andere internationale Schulleistungsstudien im Bildungsbereich teilweise als Vervollständigung der indikatorenbasierten Perspektive auf Bildungssysteme gedeutet werden (Martens & Wolf, 2006; Langer, 2008b), ist mit PISA und dem Literacy-Begriff der Anspruch der Systemevaluation zuhanden von Steuerungsakteuren auf einer international vergleichenden Ebene erstmals in dieser umfassenden Form realisiert (R. H. Lehmann, 2008; Tillmann, 2008; Tillmann et al., 2008). Bestehende nationale Evaluationsansätze werden in vielen Fällen sekundär, nicht zuletzt aufgrund der weniger ausgeprägten Kommunizierbarkeit ihrer Ergebnisse auf Systemebene (Altrichter & Heinrich, 2006). Das kommunikative Moment konstituiert – neben der Kernposition der Outputs in bildungsökonomischen Steuerungskonzepten – die Prominenz von Leistungserhebungen innerhalb von Bildungsmonitoring-Dispositiven. Tillmann et al. (2008) stellen für Deutschland gar fest, dass im Fall von PISA die Öffentlichkeit einen wesentlichen Teil der Verarbeitung von Ergebnissen dieses Instruments von Bildungsmonitoring übernahm, und damit dieser Verarbeitungsprozess der Kontrolle der zuständigen Akteure zumindest teilweise entglitt.

Die OECD wandte das Prinzip der international standardisierten Leistungserhebungen im Rahmen des Programme for the international assessment of adult competencies (PIAAC) in den 1990er- und in den 2000er-Jahren auch auf das Erwachsenenalter an (Grek, 2013). Insofern ist das Element der Leistungserhebungen nicht nur auf die bei PISA erhobenen Schülerleistungen beschränkt. Mit der Prominenz von PISA in internationalen Diskursen gewann auch der in der Erhebung zentrale Literacy- Kompetenzbegriff an Bedeutung (Hopfenbeck et al., 2017). Es kann davon ausgegangen werden, dass zwar der Begriff selbst historisch schon in den ersten lehrplantheoretischen Diskussionen eine Rolle spielte. Allerdings ist er in seiner – im Zusammenhang mit Leistungserhebungen – aktuellen Variante charakterisiert durch drei Elemente (Zierer, 2012): (1) Der Kompetenzbegriff markiert den Übergang von Input- zu Outputorientierung. (2) Er erlaubt mannigfache Spezialisierung und Differenzierung, beispielsweise in Form von Kompetenzstufen, Domänen- und Fachspezifität oder Altersabhängigkeit. (3) Mit dem Kompetenzbegriff wird empirische Nachweis- und Überprüfbarkeit verbunden.

Parallel zu Bildungsstatistik, Bildungsindikatoren und Leistungserhebungen wurde auf der internationalen Ebene die evaluative Dokumentation von Bildungspolitik allgemein und von bildungspolitischen Programmen und Projekten im Besonderen als Element von Bildungsmonitoring aufgebaut und praktiziert. Das OECD-Monitoring nationaler Bildungspolitiken wurde ein zweiter wichtiger Bestandteil der Aktivitäten der OECD. Crotti und Osterwalder (2007) weisen darauf hin, dass die OECD bereits in den 1960er-Jahren eine internationale Diskussion zu Prozessen im Bildungsbereich lancierte. Langer (2008b) betont die zentrale Rolle, die die OECD als Referenzpunkt in Bildungsreformen verschiedener europäischer Staaten seit 1965 inne gehabt hatte. Mit dem Aufbau dieser Dokumentation ging innerhalb der OECD eine Ausweitung des Begriffes Bildungspolitik vom „Instrument zur besseren Versorgung des Arbeitsmarkts mit Wissenschaftlern aus den technischen Bereichen“ (Martens & Wolf, 2006, S. 163) in den 1960er-Jahren hin zum breiten Verständnis der 1990er-Jahre einher. Auch damit positionierte sich die OECD als zentraler Bezugspunkt für Bildungspolitik. Interessanterweise waren gerade für die Schweiz das erste OECD-Länderexamen Bildungspolitik in der Schweiz (Silvestre, 1990) und das erste an den OECD-Indikatoren orientierte Bildungsmosaik (Costa et al., 1992) praktisch zeitgleich entstanden und veröffentlicht worden (Criblez & Glaser, 2011). Damit stellt auch die Beobachtung und Bewertung von Bildungspolitik ein Instrument in Bildungsmonitoring-Dispositiven auf der internationalen Ebene dar.

Im nationalen Bildungsmonitoring spielen sowohl Bildungsstatistik als auch Leistungserhebungen von Beginn weg eine wichtige Rolle. Die beiden Elemente wurden bereits in den 1990er-Jahren – noch vor der Idee eines nationalen Bildungsmonitorings – bewusst gefördert und weiterentwickelt. Ein zentrales Ereignis für die Entwicklung der Bildungsstatistik war sicherlich das erste Bildungsmosaik Schweiz von 1992, das den bewussten Wandel von zuvor eher deskriptiven bildungsstatistischen Daten hin zu gezielten Informationen zu Strukturen, Funktions- und Wirkungsweisen des Bildungssystems dokumentiert (vgl. Abschn. 5.2.1). Die 1991 erfolgte Gründung der Schweizerischen Koordinationskonferenz Bildungsforschung (CORECHED) stellte unter anderem im Hinblick auf die verstärkte Erhebung und Verwendung von Daten zu den Leistungen der Schülerinnen und Schüler ein zweites zentrales Ereignis dar (vgl. Abschn. 5.2.2). Bei beiden Instrumenten – Bildungsstatistik und Leistungserhebungen – wurden die Weiterentwicklungen auf gesamtschweizerischer Ebene mit den ersten PISA-Ergebnissen und dem nationalen Bildungsmonitoring nochmals dynamisiert. Die modernisierte Bildungsstatistik, die Längsschnittanalysen im Bildungsbereich (LABB) ermöglicht, und die Überprüfung der Grundkompetenzen (ÜGK) repräsentieren den aktuellen Stand dieser Entwicklungen (vgl. Abschn. 5.4.4 & 5.5). Beide Instrumente waren bereits in den Entwicklungsschwerpunkten anfangs der 2000er-Jahre und in der Konzeption des nationalen Bildungsmonitorings enthalten (vgl. Abschn. 5.4.1).

Die Entwicklung auf nationaler Ebene in der Schweiz ist dabei im Vergleich mit den Nachbarländern nicht aussergewöhnlich. Auch in den nationalen Bildungsmonitoringprogrammen in Deutschland, Österreich und Frankreich lassen sich die beiden Instrumente feststellen: In allen drei Ländern spielen bildungsstatistische Informationen sowie deren Verdichtung zu Indikatoren eine wichtige Rolle. Ebenso werden Ergebnisse von Leistungserhebungen einbezogen. Einerseits stammen diese Ergebnisse aus den grossen internationalen Schulleistungsstudien wie Progress in international reading literacy study (PIRLS), Third international mathematics and science study (TIMSS) und PISA. Andererseits werden in Deutschland, Österreich und Frankreich Systeme nationaler Leistungserhebungen aufgebaut (Bruneforth & Lassnigg, 2012; Esquieu, 2014; Maritzen, 2014).

Auf der gesamtschweizerischen Ebene gibt es für die Volksschulstufen eine grosse Zurückhaltung in der gegenseitigen Evaluation von Bildungspolitik. Dies liegt insbesondere an der föderalistischen Struktur des Bildungswesens mit den Kantonen als primären Finanzierungs- und Regelungsinstanzen (Criblez, 2007a). Insofern berücksichtigen die gesamtschweizerischen Koordinations- und Harmonisierungsschritte die bestehenden Verhältnisse sehr stark, allerdings meist nicht auf der Basis evaluativer Dokumentation der Bildungspolitik. Auf der Sekundarstufe II und im Tertiärbereich ist dies etwas weniger stark der Fall. Insgesamt ist die Zunahme der horizontalen und vertikalen Politikverflechtung als nicht-intendierter Effekt der Koordination im Bildungsbereich (Criblez, 2008d), sicher auch vor dem Hintergrund der Zurückhaltung bei der Politikevaluation zwischen den Kantonen und durch den Bund zu erklären.

Bildungsstatistik und Leistungserhebungen stehen auch in den Bildungsmonitoring-Dispositiven vieler Kantone im Fokus. Teilweise mit Verweis auf das nationale Bildungsmonitoring – etwa in den Kantonen Jura und Obwalden – und teilweise auch unabhängig davon – etwa in den Kantonen Solothurn und Wallis – wird Bildungsmonitoring sehr stark auf diese beiden Elemente fokussiert (vgl. Abschn. 6.1.3 & 6.2.3). Teilweise werden dabei nur diese beiden Instrumente explizit als Bildungsmonitoring bezeichnet, unabhängig davon, ob auch andere Instrumente tatsächlich zu beobachten sind. Im Rahmenkonzept zum Qualitätsmanagement des Kantons Basel-Stadt beispielsweise basiert Monitoring primär auf bildungsstatistischen Informationen wird neben der Schulsystemevaluation positioniert, die weitere Elemente des Bildungsmonitoring-Dispositivs umfasst (vgl. Abschn. 6.1.3). Im Kanton Neuenburg taucht der Monitoringbegriff sogar fast ausschliesslich im Zusammenhang mit den bildungsstatistischen Erhebungen auf, obwohl die Leistungserhebungen sehr stark ausgebaut und institutionalisiert sind (vgl. Abschn. 6.2.2).

Wie der Fall Bern exemplarisch zeigt, ist innerhalb der Kantone die evaluative Betrachtung der eigenen Politik ein zentrales Instrument des Bildungsmonitoring-Dispositivs. Bereits 2005 werden Statistik, Leistungserhebungen und Programmevaluationen als Kernaufgaben der verantwortlichen Abteilung innerhalb der Erziehungsdirektion des Kantons Bern (ED BE) benannt (vgl. Abschn. 6.5.1). Im Kanton Graubünden ist der Einsatz von Programmevaluationen instrumentell im dem Sinne, dass ganz bewusst zur Ergänzung des bestehenden Wissens in der politisch kontrovers diskutierten Sprachenfrage eine externe Perspektive eingeholt wird. Im Kanton Waadt stellen die Programmevaluationen dasjenige Instrument im Bildungsmonitoring-Dispositiv dar, das am deutlichsten auf Bildungspolitik ausgerichtet ist, während die Indikatorensysteme mit Daten aus Bildungsstatistik und Leistungserhebungen eher auf die Schulen und die öffentliche Kommunikation zielen (vgl. Abschn. 6.5.3).

Neben der Evaluation konkreter bildungspolitischer Projekte und Programme ist der evaluative Blick auf die eigene Politik auch noch in einem zweiten Sinne als Instrument in kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositiven identifizierbar. Konkret sind etwa in den Kantonen Basel-Landschaft, Bern, Thurgau, Schwyz und St. Gallen Prozesse der bildungspolitischen Rechenschaftslegung als Instrumente des Bildungsmonitorings zu bezeichnen. So liegt ein inhaltlicher Schwerpunkt der Thurgauer Bildungsberichte auf der Berichterstattung zu den einzelnen Entwicklungsprojekten, und zwar ganz im Modus modernen Verwaltungscontrollings (vgl. Abschn. 3.3 & 6.4.1). Auch in die parlamentarischen Berichte in St. Gallen und die kantonalen Bildungsberichte Basel-Landschaft fliessen, neben bildungsstatistischen Informationen, Elemente von Analysen der bildungspolitischen Vorhaben mit ein (vgl. Abschn. 6.4.3). Insofern sind auch Evaluation und Monitoring der bildungspolitischen Entwicklungen über einzelne Projekte hinweg eine Ausprägung auf der Instrumentendimension.

In der Analyse der Bildungsmonitoring-Dispositive aller Kantone erwiesen sich die Prozesse rund um Schulaufsicht, Inspektion und Schulevaluation als wichtige Informations- und Wissensquelle über die Bildungssysteme. Diese finden sich vereinzelt auch in der internationalen Diskussion rund um Bildungsmonitoring. Sie sind da oft ein Element evaluationsbasierter Steuerung und stehen damit etwa neben den Leistungserhebungen. Die nationalen Bildungsberichterstattungen in den Niederlanden, in England und in Schweden basieren beispielsweise eher auf inspektionsähnlichen Instrumenten von Bildungsmonitoring (Döbert, 2008a). In der deutschen Systembeobachtung und -analyse und insbesondere im Dienste der Beobachtungs-, der Kontroll- und der diagnostischem Funktion sind auch Inspektionen enthalten, die zusammen mit unterschiedlich gestalteten Leistungserhebungen den Kern der evaluationsbasierten Steuerung im Sinne ebendieser Funktionen bilden (Brüsemeister & Eubel, 2008). Während die traditionelle Inspektion im Schulsystem auf eine inhaltsbezogene, traditionelle Praxis im Feld verweist (z. B. De Vincenti & Grube, 2012), geht die Evaluation deutlich darüber hinaus. Der moderne Evaluationsbegriff verweist auch im Kontext von Schulaufsicht auf empirisch-wissenschaftliche Verfahren. Evaluation folgt dabei einer kritisch-rationalen Forschungslogik und wird als angewandte Sozialforschung betrachtet (Stockmann, 2006).

Auf der nationalen Ebene spielt Schulaufsicht kaum eine Rolle als Instrument des Bildungsmonitorings. Zumindest sind keine entsprechenden Kompetenzen oder Praktiken auf dieser Ebene verankert. Ausnahmen könnten allenfalls in den interkantonalen Gremien des Austausches und der externen Evaluation vermutet werden. Allerdings gibt es keine Hinweise auf einen speziellen Status der Arbeitsgemeinschaft Externe Evaluation von Schulen (ARGEV) oder des Instituts für Externe Schulevaluation auf der Sekundarstufe II (IFES) als den beiden bedeutendsten Gremien dieser Art in der Deutschschweiz.

In den kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositiven sind die Prozesse rund um die Schulaufsicht, das Controlling und die externe Schulevaluation meist programmatisch als Instrumente dargestellt. Damit verbunden ist einerseits die Stärkung der einzelnen Schule als pädagogische Handlungseinheit und andererseits die damit verbundene stärkere Ausrichtung der Aufsichtssysteme auf das Gesamtsystem. Diese Ausprägung ist etwa im Kanton Freiburg zu finden. Zugleich ist Aufsicht als Instrument des kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositivs, wiederum illustriert am Beispiel des Kantons Freiburg, typischerweise verbunden mit einer stärkeren Betonung der politisch-gestaltenden Begriffs- und Zweckbestimmung von Bildungsmonitoring (vgl. Abschn. 6.3.1). Die in verschiedenen, gerade kleineren Kantonen vorzufindende Zweckdiffussion zwischen Monitoring, Aufsicht und Steuerung ist auch auf der Instrumentendimension festzustellen. Der Eindruck der Diffusion könnte aber auch durch die methodische Herangehensweise der vorliegenden Arbeit begründet sein. Es ist durchaus denkbar, dass sich Schulaufsicht als Instrument von Bildungsmonitoring-Dispositiven weniger deutlich in Dokumenten abbildet, sondern eher über Zugänge erfassbar wäre, die direkter auf die eigentlichen Aufsichtsprozesse oder die persönlichen und professionellen Einstellungen der beteiligten Akteure zielen. Ausserdem ist ungeklärt, ob die meistens über den Qualitätsbegriff konzipierten Prozesse, die sich auf die einzelne Schule beziehen, auf eine Steuerungs- oder Monitoringebene oberhalb der dualen Beziehung zwischen kantonaler Verwaltung und Einzelschule abgebildet werden können (vgl. Abschn. 6.3.3). Die Schulaufsicht und ihre Praxis der Evaluation im Sinne von Inspektion und Aufsicht betrifft eine andere Systemebene als andere Elemente von Bildungsmonitoring. Sie fokussiert eben gerade die Ebene der einzelnen Bildungsorganisation, teilweise sogar bezogen auf wenige, partikuläre Aspekte und meist im Hinblick auf konkrete Programme oder Programmentscheide.

Bildungsmonitoring kann als ein Ergebnis des Anspruchs einer Politikgestaltung auf der Basis von Evidenz mit wissenschaftlichem Anspruch gesehen werden (vgl. Abschn. 3.3 & 5.1). Insofern ist wissenschaftsorientierte Praxis allen bisher genannten Instrumenten inhärent. Bildungsstatistik und Indikatorenerstellung, Leistungserhebungen, Programmevaluation und auch Schulaufsicht oder -evaluation reklamieren eine wissenschaftliche Basis. Insofern kann sämtlichen Instrumenten von Bildungsmonitoring-Dispositiven ein Forschungsbezug zugesprochen werden. Nichtsdestotrotz kann auf der Basis der Analysen des nationalen und des kantonalen Bildungsmonitorings die anwendungsorientierte Forschung als eigenes Instrument von Bildungsmonitoring-Dispositiven bezeichnet werden. Gerade das Nationale Forschungsprogramm Wirksamkeit unserer Bildungssysteme (NFP 33) dokumentiert auf nationaler Ebene und zeitlich deutlich vor den ersten Bildungsmonitoring-Konzepten die Nachfrage und zugleich die Akzeptanz wissenschaftlicher Informationen im Bildungsbereich (vgl. Abschn. 5.2.4). In den verwaltungsinternen Forschungsabteilungen der Kantone Genf und Tessin – aber auch Waadt und Neuenburg – hat ein intensiver Austausch mit Wissenschaft und eine aktive Integration von wissenschaftlichem Wissen und Personal Tradition (vgl. Abschn. 6.6.3). In den entsprechenden deutschsprachigen Abteilungen, wie am Beispiel Zürich gezeigt, wurde Forschung jenseits von Bildungsstatistik und Programmevaluation ebenfalls als Instrument der Bildungsmonitoring-Dispositive eingesetzt (vgl. Abschn. 6.6.1). Unabhängig von der Geschichte des Verhältnisses zwischen den sogenannten pädagogischen Arbeitsstellen und der universitären Bildungsforschung, die in der deutschsprachigen Schweiz eine etwas andere ist als etwa in Genf oder im Tessin (Gretler, 2000), spielt anwendungsorientierte Forschung eine wichtige Rolle.

Die Instrumentendimension hat als Element der theoretischen Fassbarmachung von Bildungsmonitoring zunächst einen aufzählenden, beschreibenden Charakter. Mit der Bildungsstatistik, den Leistungserhebungen, der Schulaufsicht, der Programmevaluation und der anwendungsorientierten Forschung ist eine mögliche Gruppierung der empirisch auffindbaren Ausprägungen auf dieser Dimension herausgearbeitet worden. Die Instrumentendimension ermöglicht die Beschreibung der Struktur und der Zusammensetzung eines Bildungsmonitoring-Dispositivs. Es zeigen sich dabei auch Instrumente, die auf den ersten Blick nicht dem Bildungsmonitoring zugeordnet würden.

Auf der Instrumentendimension manifestiert sich die Materialität des Wissens, das über Bildungsmonitoring in die politische Gestaltung von Bildung einfliessen soll. Erst die nähere Betrachtung der eigentlichen Instrumente offenbart die Informations- und Datenbasis eines Bildungsmonitoring-Dispositivs. Auf der Instrumentendimension bildet sich damit gewissermassen der epistemologische Kern von Bildungsmonitoring ab. In Anlehnung an Biesta (2011a) ist damit eine zweifache theoretische Grundlage geschaffen: Einerseits legitimieren die Instrumente das Postulat oder die Vorstellung, dass Bildung auf Befunden basieren soll, die durch empirische Forschung gewonnen wurden. Andererseits sind sie auch ein möglicher Ausgangspunkt für die Diskussion der Anwendung des in ihnen enthaltenen Wissens und der Evidenzbasierung ganz allgemein.

7.3 Produkte

Die Produktdimension von Bildungsmonitoring-Dispositiven ist auf den ersten Blick relativ einfach zu erfassen: Sie beschreibt die Bildungsberichterstattung und damit die eigentlichen Bildungsberichte. Typischerweise ist diese Ausprägung von Bildungsmonitoring auf nationaler Ebene in vielen europäischen Ländern zu finden, wenn auch auch mit unterschiedlicher Betonung der verschiedenen Instrumente (Döbert, 2008a). Auch in der nationalen Entwicklung des Bildungsmonitorings in der Schweiz stand das Produkt von Anfang an sehr stark im Zentrum (vgl. Abschn. 5.4.1). Auf den zweiten Blick – und mit dem breiten Verständnis von Bildungsmonitoring der vorliegenden Arbeit – müssen jedoch weitere Produkte miteinbezogen werden. Empirisch sind auf internationaler, nationaler und kantonaler Ebene verschiedenste Produkte von Bildungsmonitoring ermittelbar, die sich auf wenige oder einzelne Instrumente beziehen. In einer Bestandsaufnahme kam Maritzen (2008) zum Schluss, dass sowohl die thematisch fokussierte Auswertung einzelner Datenbestände als auch die Zusammenführung und analytische Aufbereitung der verfügbaren Informationen zu den Aufgaben von Bildungsmonitoring gehören müssen. In diesem Sinne haben alle Produkte von Bildungsmonitoring-Dispositiven je spezifische Bezüge zu den Ausprägungen auf der Instrumentendimension.

Auf der internationalen Ebene ist bei genauerer Betrachtung die Ausrichtung der Produkte auf einzelne Ausprägungen der Instrumentendimension der Normalfall. Typischerweise sind etwa die Berichte der OECD jeweils auf eine Datengrundlage bezogen. Beispiele dafür sind die Education at a glance-Berichte oder die PISA-Ergebnisberichte (vgl. Abschn. 5.2.1 und 5.3.2). Ebenso beziehen sich die Berichte der OECD-Länderexamen oder Grundlagenberichte wie Schulen und Qualität (OECD, 1989/1991) oder Administration as service (OECD, 1987) auf einzelne Datenbestände oder kombinieren thematisch fokussiert spezifische Informations- und Datengrundlagen. Die Vielfältigkeit des Skopus von Produkten zeigt sich auch beim Blick in die Nachbarländer: Die Bildungsberichte in Deutschland und Österreich werden zwar als thematisch und inhaltlich umfassend präsentiert, schliessen jedoch die schulaufsichtsbezogenen Instrumente komplett aus (Hasselhorn et al., 2014; Wolter & Hof, 2014; Bruneforth & Lassnigg, 2012). Im französischen Bildungsmonitoring dagegen werden die einzelnen Elemente in jeweils separate Berichtsformen überführt. Die Produkte umfassen neben dem indikatorenbasierten Bericht L’état de l’école (Esquieu, 2014), einen umfangreicheren und auf die territorialen Verteilungen von bildungsstatistischen Daten bezogenen Bericht mit dem Titel Géographie de l’école (Moisan, Naviaux & Monso, 2014) und zahlreiche Inspektionsberichte – analog zu den englischen OFSTED-Berichten – mit sehr spezifischen Themenschwerpunkten.

Das nationale Bildungsmonitoring in der Schweiz ist bereits im Vorbericht skizziert als Programm zum Aufbau von primär auf Leistungserhebungen fokussierten Datenerhebungen einerseits und als Programm zur Etablierung einer regelmässigen Berichterstattung andererseits, in die Ergebnisse aus verschiedenen, bestehenden und neu zu schaffenden Instrumentarien einfliessen (vgl. Abschn. 5.4.2). Gerade der erste Bericht von 2006 dokumentiert explizit das breite Instrumentarium, aus dem Informationen in den Bericht einflossen, macht aber auch auf vorhandene Leerstellen im Angebot der zur Verfügung stehenden Instrumente und in der daraus resultierenden Datenlage aufmerksam (vgl. Abschn. 5.4.3).

Die kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositive weisen ebenfalls eine breite Palette von Produkten auf, die jeweils spezifisch auf bestimmte Instrumente rekurrieren. Die Bildungsberichte des Kantons Luzern sind explizit bezogen auf bildungsstatistische Daten. Der Einbezug von Informationen aus den Schulaufsichtsprozessen ist dabei nicht vorgesehen (vgl. Abschn. 6.1.1). In ähnlicher Weise haben viele Kantone bildungsstatistische Produkte aufzuweisen. Ähnliches gilt für die Leistungserhebungen, die nicht nur im Fall von PISA jeweils in dezidierten Berichten münden (vgl. Abschn. 6.2.1). Die Produkte aus den Bildungsmonitoring-Instrumenten mit Bezug zur Schulaufsicht sind grundsätzlicher etwas seltener, auch weil die Informationen aus den Aufsichtsprozessen oft als sensibler angesehen werden. Nichtsdestotrotz ist die Produktdimension in solchen Prozessen genuin angelegt und finden sich in verschiedenen Kantonen Produkte, die öffentlich und auf die Systemebene bezogen sind (vgl. Abschn. 6.3.3).

Die einzelnen Programmevaluationen und die Projekte angewandter Forschung sind auch auf der Produktebene auf wissenschaftliche Berichtsformen hin ausgerichtet. Typischerweise stehen Produkte in Form von Ergebnisberichten bei in Mandatsverhältnissen ausgearbeiteten Evaluationen und Forschungsprojekten im Zentrum. Diese werden teilweise auch nochmals auf spezifische Zielgruppen oder Zweckbestimmungen hin weiterverarbeitet. Dies ist beispielsweise in den Kantonen Bern und Zürich zu beobachten (vgl. Abschn. 6.5.1 & Abschn. 6.6.1).

Als dritte Ausprägung auf der Produktdimension spielt der Einbezug von Inhalten von Bildungsmonitoring in die allgemeine politische Berichterstattung und Rechenschaftslegung eine Rolle: Im Bildungsbereich werden zwischen 2009 und 2012 in fast der Hälfte der kantonalen Rechenschaftsberichte Informationen aus Inhalten von Bildungsmonitoring in Form von Indikatoren eingebaut. In den Kantonen Luzern und Zürich sind beispielsweise bildungsbezogene Indikatoren Teil des Regierungscontrollings. Daten und Information aus den Bildungsmonitoring-Dispositiven fliessen in die entsprechende Berichterstattung ein (vgl. Abschn. 6.1.2 und 6.6.2). Der Zusammenhang zwischen Verwaltungscontrolling und Bildungsmonitoring ist aber nicht ein einseitiger. Gerade auf der Produktdimension ist Bildungsmonitoring stark inspiriert durch die allgemeinen Entwicklungen rund um Verwaltungsleitbilder und den allgemeinen Trend zu evidenzbasierter Verwaltungspraxis (Davies et al., 2012). In den so gerichteten Zusammenhang sind beispielsweise Produkte wie die Bildungsberichte in den Kantonen Thurgau und Basel-Landschaft oder die Bildungsstrategie im Kanton Bern einzuordnen. In diesen Berichten geht es darum, eine Art Projektreporting zu realisieren und öffentlich zu machen (vgl. Abschn. 6.4.1 & 6.5.1). Ähnliche Produkte stellen auch die Berichte zuhanden der Parlamente in den Kantonen Schwyz und St. Gallen dar. Auch da wurde zugunsten eines öffentlichen Produkts eine Art Bildungspolitikmonitoring etabliert.

Die Produktdimension hat – ähnlich wie die Instrumentendimension – als Element der theoretischen Fassbarmachung von Bildungsmonitoring zunächst einen beschreibenden Charakter. Beschreiben lassen sich die einzelnen Produkte, aber auch die Zusammenhänge zwischen Produkten, Instrumenten und Zweckbestimmungen. Auf der Produktdimension lässt sich aber auch ein Überblick über die Konsistenz und Kohärenz der Bildungsmonitoring-Dispositive generieren. Insbesondere auf der kantonalen Ebene zeigen sich hier Brennpunkte, besonders wichtige und intensiv bearbeitete Kombinationen von Zweckbestimmungen, Instrumenten und Produkten oder aber auch Inkonsistenzen, Lücken oder Entwicklungspotenziale.

Auf der Produktdimension manifestiert sich der Informations- und Kommunikationscharakter von Bildungsmonitoring. Der Blick auf die Produkte offenbart nicht nur Zwecke und Instrumente, sondern auch kommunikative Strategien und politische Narrative. Die Produkte repräsentieren, neben den Verfahren und Ergebnissen der Sammlung, Auswahl und Aufbereitung von Informationen und Daten, die spezifischen Beschreibungsansätze des jeweiligen Bildungswesens (Rürup, 2018). Sie definieren die Begriffe, mit denen das Bildungsgeschehen aus öffentlicher und politischer Perspektive sicht- und fassbar gemacht wird. In den Produkten von Bildungsmonitoring wird zudem der diskursive Rahmen von Bildungspolitik abgesteckt. Damit wird definiert welche Aspekte des pädagogisch definierten, komplexen Gegenstandes Schule einem bildungspolitischen Zugriff unterliegen (vgl. Abschn. 3.1).

7.4 Prozesse und Akteure

Weder die Zweckzuschreibungen noch die Auswahl und Konfiguration der Instrumente und die kommunikativen Strategien hinter den Produkten sind ohne den Blick auf die Prozesse und Akteure fass- und beschreibbar. In Anlehnung an die Governanceanalyse (Bösche & Lehmann, 2014) werden auf der Prozessdimension die Modi des Zustandekommens von Bildungsmonitoring untersucht. Dabei geraten über die konkreten Zwecke, Instrumente und Produkte hinaus die beteiligten Akteure und die Formen der Handlungskoordination in den Fokus. Theoretisch ausgedrückt werden auf der Prozessdimension, auch im Sinne moderner Ansätze der Politikfeldanalyse, die zentralen Entscheidungen bezüglich Bildungsmonitoring als Policy oder materieller Gegenstand in den Blick genommen. Die materiellen Entscheidungen entstehen in Prozessen – fassbar als Politics –, „wie sie sich durch das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Meinungen, Interessen und Ziele, aber auch durch Absprachen, gegenseitige Abstimmungen, Kooperationen und Koalitionsbildungen ergeben“ (Blum & Schubert, 2011, S. 15). Auch aus diesem Grund werden Prozesse und Akteure hier zusammengefasst. Der institutionelle Rahmen – die Polity – dieser Prozesse wird dabei implizit mitberücksichtigt.

Das in der vorliegenden Arbeit präsentierte empirische Material sowie die Forschung zu Bildungsmonitoring auf internationaler Ebene legen eine differenzierte Betrachtung von politischen Entscheidungsprozessen nahe: Einerseits sind Akteure und politische Entscheidungsprozesse festzustellen wenn es darum geht Mechanismen von Gestaltung, Steuerung und Monitoring im Bildungssystem einzusetzen oder substanziell zu verändern. Die Akteure dabei sind meistens institutionell eingebundene, politische Akteure und die Entscheidungsprozesse betreffen das Design oder die Konzeption von Bildungsmonitoring. Dabei geht es auch um die Definition von Prinzipien und Zielen einer Bildungsmonitoring-Policy. Andererseits gestalten Akteure die konkreten Zwecke, Instrumente und Produkte von Bildungsmonitoring und sind – gewissermassen within Bildungsmonitoring – involviert in entsprechende Entscheidungsprozesse. Auf dieser Ebene sind es meistens Akteure aus der Verwaltung sowie Expertinnen und Experten, die in den Entscheidungsprozessen eine wichtige Rolle spielen. Die Entscheidungsprozesse betreffen die Konzeption und den Einsatz von Instrumenten und die Ausarbeitung von Produkten. In Anlehnung an die aus den Wirtschaftswissenschaften stammende und politikwissenschaftlich rezipierte Prinzipal-Agenten-Theorie (Blum & Schubert, 2011) wären hier – unter Annahme einer strengen Funktionshierarchie zwischen politischen Akteuren und Bildungsmonitoring – eine Prinzipal- und eine Agentenebene zu unterscheiden.

Im internationalen Kontext lässt sich diese Differenzierung an der Entwicklung der Bildungsaktivitäten der OECD erkennen. Der Ausbau und die Institutionalisierung der Bildungspolitik als Tätigkeitsbereich erfolgt in den 1960er-Jahren zunächst mit dem Ziel, den Mitgliedstaaten, die unter anderem die Herausforderungen der Bildungsexpansion zu bewältigen hatten, relevante Daten und insbesondere Indikatorensysteme zur Bewertung der Qualität von Bildungs- und Lernleistungen sowie zur Investitionsplanung bereitzustellen (Martens & Wolf, 2006). Die politischen Entscheide werden dabei vom OECD-Rat gefällt und die Ausarbeitung an ein internationales Expertennetzwerk, angesiedelt ab 1968 am Centre for educational research und innovation (CERI), delegiert. Dieses Expertennetzwerk definiert dann auch das konkrete Arbeitsprogramm des CERI (Austin, 1972). Mitte der 1980er-Jahre initiierten die USA und Frankreich eine Weiterentwicklung der Bildungsindikatoren. Die Motive hinter dieser Neukonfiguration des internationalen Bildungsmonitorings und der damit verbundenen Stärkung der OECD waren sowohl innen- als auch geopolitischer Natur und schlossen die Notwendigkeit mit ein, die Qualität der Indikatorensysteme und der Datenbasis auf internationaler Ebene zu verbessern (Rinne, Kallo & Hokka, 2004; Tröhler, 2013). Mit dem Indikatorenprojekt INES wird das Expertennetzwerk ausgebaut und innerhalb des Netzwerks die Idee der Erhebung von Bildungs- und Schulleistungsdaten entwickelt und damit der Grundstein für PISA gelegt (Langer, 2008b). Auf der Ebene der Experten wird diese Art von Bildungsmonitoring relativ schnell zu einem anspruchsvollen analytischen Instrument weiterentwickelt und gegenüber der Ebene der politischen Entscheidungsträger als unverzichtbares Element von Bildungsmonitoring propagiert. Insofern war die 1997 gefällte, politische Entscheidung für PISA und damit zu einer Erweiterung der Instrumente sehr wesentlich von der Expertenebene vorstrukturiert und forciert worden. „Unter einsetzendem peer pressure war die Idee internationaler Vergleichsstudien in nur kurzer Zeit zu einem Standard geworden, dem man sich öffentlich nicht widersetzen konnte“ (Martens & Wolf, 2006, S. 165). Bildungsmonitoring in Form der Bildungsindikatoren und der PISA-Erhebungen entwickelt sich damit von einem politisch einsetzbaren Instrument der OECD-Mitgliedsländer hin zu einem zentralen Bezugspunkt von internationaler und nationaler Bildungspolitik.

Das nationale Bildungsmonitoring weist eine Entwicklung mit ähnlichem Grundmuster auf. In der Konzeptionsphase wird der Auftrag von den politischen Akteuren formuliert und definiert. Entscheidungsträger sind dabei der Bund mit Vertretern des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) und des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD) sowie die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK). Zugleich liegt die Konzeptionsphase zeitlich etwas nach der Lancierung von PISA. Im Sinne einer öffentlichen Legitimation von politischen Entscheidungen durch den Einbezug von Expertenwissen werden Expertennetzwerke bereits in der Phase der Konzipierung miteinbezogen. Dabei zeigen sich auch die bereits erwähnten Diskrepanzen in der Zweckdefinition des nationalen Bildungsmonitorings zwischen den politischen Akteuren und den Experten, wobei gleichzeitig im Fall von Ernst Buschor auch die Schwierigkeit der klaren Zuordnung von Akteuren zur politischen oder zur Expertensphäre deutlich wird (vgl. Abschn. 5.4.2). Mit der Vergabe des Auftrags an die Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung (SKBF) wird die Ebene der Experten definiert. Wie die Bildungsberichte dokumentieren, liegt die Weiterentwicklung des Verständnisses, der Inhalte und auch der Zweckdefinition dann hauptsächlich bei der SKBF. Am deutlichsten sichtbar wird dies an der Ausrichtung auf bildungsökonomische Konzepte der Beschreibung von Bildung. Der Verzicht auf die ursprünglich angedachten, regelmässigen Schwerpunktberichte, von denen nur einer realisiert wurde, illustriert ebenfalls die besondere Position der SKBF. Diese Schwerpunktberichte hätten die Möglichkeit geboten, das Expertennetzwerk gezielt thematisch auszuweiten und breiter abzustützen (vgl. Abschn. 5.4.3). Die SKBF bleibt auch nach der Etablierung des Prozesses der politischen Zielfindung und -setzung in den nationalen Bildungsberichten thematisch bestimmend und entwickelt die Berichterstattung – und damit das nationale Bildungsmonitoring – primär in Richtung bildungsökonomischer Ansätze weiter (vgl. Abschn. 5.4.4). Insofern reiht sich die auf politischer Ebene getroffene Entscheidung für die SKBF in die programmatischen Entscheide der 1990er-Jahre im Zusammenhang mit der CORECHED und dem NFP 33 ein (vgl. Abschn. 5.2). Obwohl nicht in gleicher Weise explizit gemacht, steht hinter der Entscheidung das Bestreben, insbesondere durch den Einbezug der international bereits etablierten, bildungsökonomischen Ansätze die Generierung von Entscheidungsgrundlagen durch die Bildungsforschung zuhanden der politischen Bearbeitung von Bildung und Schule zu verbessern. Aus dieser Sicht war im nationalen Bildungsmonitoring das bereits in den 1960er-Jahren formulierte Postulat einer an Rationalitäts- und Wissenschaftsmassstäben ausgerichteten Politikgestaltung (vgl. Abschn. 5.1), das in der Folge mehrmals in Form einer geforderten Stärkung der Bildungsökonomie aktualisiert wurde, zum ersten Mal realisiert.

Sowohl auf der politischen als auch auf der Expertenebene schufen unter anderem personelle Veränderungen die Voraussetzungen für die zentralen Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse beim Aufbau des nationalen Bildungsmonitorings. Auf der politischen Ebene ist sicherlich auf die zunehmende Zuwendung zu Ansätzen des New public management (NPM) im Kontext einer allgemein angespannten Finanzlage von Bund und Kantonen in den 1990er-Jahren hinzuweisen (vgl. Abschn. 5.2). Hangartner & Svaton (2013) stellen für die Durchsetzung dieser Ansätze im Schulkontext die Person von Ernst Buschor und eine erfolgreiche, doppelte Argumentationsstruktur, bestehend aus einem Effektivitäts- und einem Qualitätsversprechen, heraus: Durch die Implementation der bildungsökonomisch inspirierten Steuerungsansätze würde Bildung einerseits kosteneffizienter und -effektiver und durch die Autonomisierung der Schule als pädagogische Einheit könne andererseits die Qualität gesteigert werden. Diese Argumentation wurde politisch intensiv rezipiert und damit in der politischen Entscheidungsfindung dominierend. Auf der Ebene der Expertennetzwerke ist ebenfalls ein personeller Wandel feststellbar, der vor allem geprägt ist durch den meist altersbedingten Rücktritt von Personen, die seit den 1960er-Jahren die im internationalen Vergleich wenig bildungsökonomische Ausrichtung der Bildungsforschung geprägt hatten. Als besonders zentral stellt etwa Streckeisen (2013) den Amtsantritt von Stefan Wolter als Direktor der SKBF dar: Wolter habe die ökonomische Neuformulierung von bildungspolitischen Problemstellungen in der Schweiz massgeblich vorangetrieben und tief in den Institutionen verankert. Trotzdem ergibt sich der Befund der Instrumentalisierung auf der verfügbaren empirischen Grundlage nicht. Nichtsdestotrotz kann aber für die Elemente des nationalen Bildungsmonitorings festgestellt werden, dass die beteiligten Akteure die Ausgestaltung und Entwicklung massgeblich und nachhaltig mitgestalteten und sich dabei auch ein Stück weit verselbständigten. Sichtbar ist dies etwa an den für die nationalen Bildungsberichte relevanten Zielsystemen (vgl. Abschn. 5.4.3).

Die Expertennetzwerke auf der nationalen Ebene sind geprägt durch mehrere thematisch und aufgabenbezogen definierte Teilnetzwerke: (1) Die Bildungsberichterstattung wird verantwortet von einem relativ kleinen Netzwerk rund um die SKBF. Die konzeptionelle Idee einer sukzessive breiteren Abstützung über die Vertiefungsberichte wurde nur einmal wirklich umgesetzt (vgl. Abschn. 5.4.3). (2) Mit dem Bildungsmonitoring wird auch die Modernisierung der Bildungsstatistik initiiert und realisiert. Im Zentrum dieses Teilnetzwerks steht das Bundesamt für Statistik (BFS) (vgl. Abschn. 5.4.4). (3) Wie schon mehrfach dargestellt ist PISA ein wesentlicher Impuls zum Aufbau des nationalen Bildungsmonitorings. Das Netzwerk der Expertinnen und Experten für PISA im Speziellen und für die Leistungserhebung im Bildungsbereich ganz allgemein ist als Teilnetzwerk vermutlich am breitesten abgestützt und im Rahmen des sogenannten PISA-Konsortiums auch relativ stark institutionalisiert (vgl. Abschn. 5.3.3). (4) In der Erarbeitung der ÜGK ab 2013 bildet sich ein weiteres Teilnetzwerk (vgl. Abschn. 5.5). Die vier Teilnetzwerke agieren relativ unabhängig voneinander und haben kaum personelle Schnittmengen – mit Ausnahme von PISA und ÜGK. Damit wurde das unter anderem in der CORECHED und im NFP 33 angestrebte Postulat einer wissenschaftlich und politisch breit abgestützten Intensivierung der Forschung in den Bereichen System- und Leistungsevaluation, Organisationsentwicklung, Qualitätssicherung, Berichterstattung, Steuerung und Regulierung sowie Politikevaluation (vgl. Abschn. 5.2.2 & 5.2.4) auf nationaler Ebene eher nicht erfüllt.

In Analogie zu den Erkenntnissen und Lesarten im internationalen Kontext zeigen sich auf der Dimension der Prozesse und Akteure im nationalen Bildungsmonitoring zwei Ausprägungen: (1) Die Auswahl der Expertinnen und Experten auf der politischen Ebene erfolgt sehr bewusst und zwar mit Blick auf die Kompetenzen aber auch auf die Einstellungen und die Einschätzung der Entwicklungsrichtung, die die mandatierten Akteure potenziell vorantreiben werden. Bedingt durch das bildungsföderalistische Mehrebenensystem mit geteilten Verantwortlichkeiten auf praktisch allen Bildungsstufen muss auch in den Entscheidungsprozessen zu Bildungsmonitoring ein gut austarierter Konsens gefunden werden. Dabei spielen die jeweiligen Kompetenzzuordnungen zu Bund und Kantonen eine Rolle. Genauso werden aber auch die fachlichen Kompetenzen der Experten, ihre Einstellung zu bestimmten bildungspolitischen Fragen oder ihr disziplinärer Hintergrund berücksichtigt. Zugleich bieten sich aber Möglichkeiten, vor dem Hintergrund der angestrebten Neugestaltung der gesamtschweizerischen Bildungskooperation und des Aufbaus eines nationalen Bildungsmonitorings neue Expertennetzwerke zu bilden. (2) In den Entwicklungen des nationalen Bildungsmonitorings zeigt sich eine gewisse Verselbständigung der Expertennetzwerke. Diese sind aktiv beteiligt, wenn die kommunikative Bearbeitung bildungspolitischer Fragen gerahmt wird. Sie gestalten sehr wesentlich die Zweckzuschreibungen, die Instrumente und Produkte von Bildungsmonitoring mit. Gerade durch den sich auf der Produktdimension manifestierenden Informations- und Kommunikationscharakter von Bildungsmonitoring werden politische Entscheidungsprozesse zu Bildungsmonitoring entscheidend von den Akteuren within Bildungsmonitoring beeinflusst.

Die Situation der Prozesse und Akteurskonstellationen im Bildungsmonitoring auf kantonaler Ebene stellt sich naturgemäss sehr heterogen dar. In der Fülle des Materials zu den Bildungsmonitoring-Dispositiven aller 26 Kantone sind zusammenfassend zwei Ausprägungen mit theoretischem Potenzial auf der Dimension der Prozesse und Akteure identifizierbar: (1) Die politische Positionierung der amtlichen Statistik im Allgemeinen und der Bildungsstatistik im Besonderen innerhalb der Verwaltung definiert sowohl die im Bereich der Bildungsstatistik tätigen Akteure als auch die Position bildungsstatistischer Informationen in den kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositiven sehr wesentlich mit. Differenzen zwischen den Kantonen bestehen unter anderem dahingehend, dass sich nicht alle der für Bildungsstatistik verantwortlichen Akteure in den Kantonen der statistischen Charta von BFS und Kantonen unterstellt haben. Gerade wenn die Bildungsstatistik in die statistischen Ämter integriert ist, profitiert sie von der meist auch institutionell abgesicherten Unabhängigkeit, von den spezifisch auf Statistik ausgerichteten Ressourcen personeller und technischer Natur und kann sich über statistische Unparteilichkeit und Objektivität legitimieren. Im Kanton Luzern beispielsweise, wurde die amtliche Statistik mit allen Statistikbereichen in eine öffentlich-rechtliche Anstalt überführt. Dadurch waren das Netzwerk der Experten ebenso wie die Prozesse, die unter anderem in den beiden Bildungsberichten mündeten, entsprechend geprägt. Instrumente wie die externe Schulevaluation oder standardisierte Leistungserhebungen waren in dieser Konstellation keine valablen Datengrundlagen. Gleichzeitig konnten sich neben der etablierten und hochgradig politisch legitimierten Statistik die Akteure der externen Schulevaluation nur marginal ins kantonale Bildungsmonitoring-Dispositiv einbringen (vgl. Abschn. 6.1.2). In anderen Kantonen wie Aargau, Basel-Stadt oder St. Gallen etablierte sich eine Art Aufgabenteilung im Bereich der Bildungsstatistik wobei die statistischen Ämter eher für die Datenerhebung und -speicherung sowie für standardisierte Auswertungen zuständig sind und Stellen der Bildungsverwaltung für spezifische Auswertungen, ergänzende Erhebungen und den Einbezug weiterer Instrumente in die Bildungsmonitoring-Dispositive Verantwortung übernehmen (vgl. Abschn. 6.1.3). Eine explizite Aufgabenteilung ist auch in den Kantonen Glarus, Jura oder Thurgau zu beobachten, die die bildungsstatistischen Erhebungen und zumindest einen Teil der Auswertungen bei anderen Kantonen in Auftrag gegeben haben. Bei diesen Kantonen übernehmen meist Akteure aus der Bildungsverwaltung die Übernahme bildungsstatistischer Informationen in die Bildungsmonitoring-Dispositive (vgl. Abschn. 6.1.3, Abschn. 6.3.3 & Abschn. 6.4.2). Die beiden grossen Kantone Bern und Zürich ebenso wie Genf und Wallis führen dagegen bildungsstatistische Abteilungen innerhalb ihrer Bildungsverwaltungen. Damit ist die Verantwortung für die Erhebung und die Speicherung der bildungsstatistischen Daten losgelöst von den statistischen Ämtern. Dementsprechend sind die Expertennetzwerke eher domänenspezifisch besetzt und nicht ausschliesslich auf die Prozesse amtlicher Statistik, sondern ebenso auf Programmevaluation oder anwendungsorientierte Forschung ausgerichtet (vgl. Abschn. 6.2.3, Abschn. 6.5.2, Abschn. 6.6.2 & Abschn. 6.6.3). (2) Etwas genereller offenbaren die Bildungsmonitoring-Dispositive auf der Ebene der Prozesse und Akteure die allgemeinen in den einzelnen Kantonen dominanten bildungspolitischen Verhältnisse. Gerade der in vielen Kantonen beobachtbare Einfluss von NPM-Konzepten ist ein entscheidender Impuls bei der Besetzung und Gestaltung des Bildungsmonitorings. Sehr deutlich zeigt sich dies etwa an den Neukonzeptionen der Bildungsplanung in den Kantonen Bern und Zürich. In beiden Fällen ist die Neuausrichtung des Bildungsmonitorings eine Massnahme aus einer ganzen Reihe von Projekten und Massnahmen, die explizit im Zeichen einer managerialistisch inspirierten Neugestaltung von Politik im Allgemeinen und von Bildungspolitik im Besonderen stehen (vgl. Abschn. 6.5.1 & Abschn. 6.6.1). In anderen Kantonen wird diese Ausrichtung von Politik und Verwaltung etwa im Aufbau von Prozessen des Regierungscontrollings sichtbar, beispielsweise in den Kantonen Luzern, Thurgau oder Tessin (vgl. Abschn. 6.1.2, Abschn. 6.4.1 & Abschn. 6.6.3). Diese politische Ausrichtung führt zu einer spezifischen Besetzung der Akteure within Bildungsmonitoring. Das Personal in den Bildungsmonitoring-Dispositiven wird in fast allen Kantonen sehr bewusst auf die politische Zielsetzung hin ausgewählt.

Die neu aufgebauten bzw. gestärkten Expertennetzwerke in den Kantonen sind inhaltlich grob zwei Gruppen zuzuordnen: (1) In vielen kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositiven werden Experten rund um die Erfassung von Kompetenzen und die Auswertung dieser Daten auf der Systemebene wichtig. Auf gesamtschweizerischer Ebene entstehen diese Netzwerke im Rahmen der nationalen Beteiligung an internationalen Indikatorenprogrammen und Schulleistungsstudien. (2) Mit den Themen Evaluation und Qualitätsentwicklung auf Systemebene steigt in praktisch allen Kantonen die Relevanz der entsprechenden Akteure und Netzwerke. Gerade im Bereich der Qualitätsentwicklung waren einzelne Personen in mehreren Kantonen als Berater an der Konzeption dieser Dispositive beteiligt.

Der Befund der Verselbstständigung der Akteure within Bildungsmonitoring lässt sich allerdings nicht generell bestätigen. Obwohl die Expertennetzwerke die konkrete Gestaltung und die Entwicklung der kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositive sicherlich prägen, zeigt gerade die Entwicklung der evaluationsbasierten Ansätze in Kantonen wie Schwyz, St. Gallen oder Uri, in denen mit der externen Evaluation eine konzeptuell zentrale Datenbasis politisch eingeschränkt wurde, dass die politische Ebene – gewissermassen als Prinzipal – weiterhin über Deutungs- und Gestaltungshoheit verfügt (vgl. Abschn. 6.2.3, Abschn. 6.4.3 & Abschn. 6.5.3).

Insgesamt ist auf der Dimension der Prozesse und Akteure die differenzierte Betrachtung der kantonalen Bildungsmonitoring-Dispositive sinnvoll. Gerade die kantonale Ebene, auf der im bildungsföderalistischen Bildungssystem der Schweiz viele Entscheidungskompetenzen angesiedelt sind, zeigt deutlich, dass Bildungsmonitoring den politischen Akteuren verschiedene Mittel zur Kommunikation in die Hand gibt. Dabei ist die Ausgestaltung dieser Kommunikationsgrundlagen einerseits abhängig von den Informationsbedürfnissen der politischen Akteure und wirkt aber andererseits auch auf die Art und Weise der bildungspolitischen Information und Kommunikation zurück.

Auf der Dimension der Prozesse und Akteure zeigt sich, dass nicht oder nicht mehr von einer quasi hierarchischen Beziehung zwischen den politischen Akteuren und Entscheidungsprozessen und den Akteuren und Entscheidungsprozessen within Bildungsmonitoring ausgegangen werden kann. Ein Ausdruck davon sind die Prozesse der Problematisierung bildungspolitischer Themen, die teilweise auch als Agenda setting bezeichnet werden, und des Wissensmanagements in diesen Prozessen. Grek (2012, 2013) skizziert dazu in zwei Aufsätzen einerseits den zunehmenden Einfluss von Wissen und Expertise auf die Themensetzungen auf internationaler Ebene und die wichtige Rolle der Expertennetzwerke. Andererseits betont sie die Entwicklung von einem dualen Verhältnis zwischen Politik und Experten hin zu einer zunehmenden Verschmelzung beider Sphären. Aus „knowledge informing policy“ (Grek, 2013, S. 706) wird „knowledge is policy—it becomes policy, since expertise and the selling of undisputed, universal policy solutions drift into one single entity and function“ (Grek, 2013, S. 707). In dieser Konfiguration, die letztlich politische Steuerung oder Educational governance abbildet, spielt Bildungsmonitoring als auf die politische Bearbeitung von Bildung und Schule ausgerichtete Information und Kommunikation eine wesentliche Rolle. Dieses Ergebnis wird etwa von Hartong (2018) bestätigt, die die „Produktionsnetzwerke nationaler Bildungsstandards“ (S. 160) in Deutschland als zunehmende Konzentration der Expertenaufgaben auf ein Netzwerk von Akteuren skizziert, das sich ausgehend von PISA bildete und etablierte. Ein wesentliches Element der Produktion und der Selbstlegitimation dieses Netzwerks sei dabei der permanente Verweis auf die ideologiefreie, wissenschaftlich neutrale Expertenlogik gewesen. Zugleich hätten sich die Netzwerke über die zentrale Positionierung der Instrumente von Bildungsmonitoring in den zentralen Stellen im outputorientierten Gesamtsteuerungssystem etabliert.

Ein aktives Bemühen um die eigene Position, die eigenen Ziele und Interessen kann demnach sowohl den politischen Akteuren als auch den Akteuren innerhalb der Bildungsmonitoring-Dispositive zugesprochen werden. Diese Mechanismen wurden theoretisch etwa auf der Basis von Bourdieus Analyse des sozialen Raumes (Bourdieu, 1993) oder mit Begriffen wie den Arenas of education governance (Leuze et al., 2007) beschrieben. Sie entspringen der Analyse von politischen Akteuren und Entscheidungsprozessen und sind auch im politischen Umgang mit Bildungsmonitoring relevant.